Schifffahrt 2016-2 PDF - Fachbereich Verkehr

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Schifffahrt 2016-2 PDF - Fachbereich Verkehr
Fachbereich Verkehr
02
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SCHIFFFAHRT
d e r v e r.d i - R e p o r t
01
6
Da macht ver.di
nicht mehr mit!
Beschäftigungsabbau als Ziel von Regierungspolitik:
ver.di verlässt das „Maritime Bündnis“
Ausbildung und Beschäftigung deut­
scher Seeleute nicht mehr im Fokus
der Bundesregierung – Der Letzte
macht das Licht aus! So könnte die
Überschrift lauten, wenn man die
Schifffahrtspolitik der Bundesregie­
rung über die letzten Jahre betrach­
tet. Während die Reeder mit neuen
millionenschweren Subventionen un­
terstützt werden, wird fast gleich­
zeitig die Halbierung der Vorschriften
der Schiffsbesetzungsverordnung ver­
kündet.
Christine Behle, unser ver.di-Bundes­
vorstandsmitglied, nimmt im Editorial dieser Ausgabe (Seite 2) dazu Stellung und
ordnet den Vorgang ein. „Während unser
Augenmerk bei der Mitarbeit im Maritimen
Bündnis auf dem Erhalt von Ausbildung und
Beschäftigung in der Seeschifffahrt gelegen hat, ging es den Reedern in den letzten
­Jahren nur um weitere Subventionen ohne
verbindliche Beschäftigungswirkung.“
In den Diskussionen zur geplanten Än­
derung der Schiffsbesetzungsverordnung
seit Herbst 2014, aber auch in der offi­
ziellen Anhörung nahm ver.di eindeutig
Stellung und lehnte die Änderung der Besetzungsvorschrift auf Schiffen unter deutscher Flagge nachdrücklich ab. Denn diese
Änderung wird den Verlust des maritimen
Know-hows für die Seeschifffahrt nach sich
ziehen, ist nicht nur die Seefahrergewerkschaft ver.di überzeugt. Die zu erwartende
Verringerung von Ausbildung und Beschäftigung in der Seeschifffahrt wird erhebliche
Folgewirkungen auf die Schifffahrtsschulen
und landseitige Berufe mit SchifffahrtsKnow-how haben. Ein Beleg dafür ist
das bereits erarbeitete Konzept der Bun-
deslotsenkammer für eine eigenständige
Lotsenausbildung. Dafür sollen zusätzliche
Millionen­
beträge zur Verfügung gestellt
werden, weil es zu wenig Nautiker zur
­Sicherung der Wasserstraßen aus der Seeschifffahrt für die einzelnen Lotsenreviere
gibt. Und es ist zu erwarten, dass es noch
weniger werden!
Klaus Schroeter, der Bundesfachgruppenleiter Schifffahrt von ver.di, weist auf
die Folgen der Entscheidung zur Schiffs­
besetzung hin: „Mit dieser Veränderung
vermindert Bundesverkehrsminister Dob-
­ ezember 2015 mitgeteilt worden sei, sie
D
mögen sich darauf einstellen, dass demnächst ­keine Schiffsmechaniker mehr auf
den Schiffen unter deutscher Flagge bei
dieser Reederei fahren werden.
Wie wir schon seit Monaten angeprangert haben: Die große Koalition ist den
Wünschen der Reeder ohne jede Gegen­
leistung gefolgt. Im Gegenteil: Arbeits­
platz­
abbau wird auch vom Ministerium
ausdrücklich angekündigt. Das Bundes­
verkehrsministerium und der VDR haben
Anfang Juni nach drei Rückflaggungen
Das Maritime Bündnis für Beschäftigung und Ausbildung
entwickeln wir weiter. Die Schifffahrtsförderung für Ausbildung
und Beschäftigungssicherung führen wir bedarfsgerecht fort.
Gemeinsam mit der Maritimen Wirtschaft und den Sozialpartnern
­entwickeln wir konkrete Maßnahmen zur Sicherung des
beruflichen Nachwuchses. Für den Erhalt der Traditionsschifffahrt
werden wir dauerhafte Regelungen erarbeiten.
Aus: „Deutschlands Zukunft gestalten“, Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD 2013
rindt die Anzahl deutscher Seeleute auf
Schiffen ­unter deutscher Flagge um die
Hälfte. Zum ersten Mal sehe ich eine Verordnung, in der die Bundesregierung Beschäftigungsabbau als Ziel der Bundespolitik formuliert hat“, kommentiert er die
Vorlage aus dem zuständigen Ministerium.
Nach den Ankündigungen von Minister
Dobrindt hatten auch die Vertreter der
­Küstenländer, der Schulen und Fachschulen, Vertreter der Kapitäne, Offiziere und
Schiffsingenieure der Änderung der Schiffsbesetzungsverordnung widersprochen und
nicht zuletzt auf die Bedrohung des Schiffs­
mechanikerberufes hingewiesen. Aus einer
großen deutschen Reederei haben wir
gehört, dass den Kapitänen bereits im
­
u­ nter die deutsche Flagge behauptet, dass
damit die Wende in der Schifffahrtspolitik
eingeleitet wurde. Die Rückflaggung eines
Autotransporters einer deutschen Reederei
unter die deutsche Flagge wird als Beispiel
für den Stopp des Abwärtstrends der
­deutschen Flagge stilisiert. Die betroffene
­Reederei selbst hat von 2010 – damals
beschäftigte sie 437 Seeleute, davon 61
Schiffsmechaniker – bis zum Vorjahr mit
230 See­leuten, davon 26 Schiffsmechaniker, ihre Seeleuteanzahl fast halbiert. Von
weiteren Gesprächen zum Personal­abbau
wird berichtet. ver.di rechnete nach: Allein
diese eine Reederei müsste bei der geänderten Schiffsbesetzungsverordnung 103
Schiffe unter deutsche Flagge bringen, um
den Personalabbau der letzten fünf Jahre
auch nur auszugleichen. So viele Schiffe
hat ­diese Reederei gar nicht!
Weder Ministerium noch der VDR erwähnen, dass zum selben Zeitpunkt drei
Schiffe einer anderen VDR-Mitgliedsree­
derei unter fremder Flagge ausgeflaggt
­wurden. In deutschen Reedereien werden
weiterhin Seeleutearbeitsplätze und nach
Kenntnis von ver.di auch Landpersonal
­abgebaut. So wird das Maritime Bündnis
durch die Politik der Bundesregierung zum
Debattierclub degradiert. Wenn das zuständige Ministerium gegen die Stimmen
fast aller anderen ein­seitige Politik macht,
wird der Grundgedanke eines Bündnisses
mit gemeinsamer Meinungsbildung und
abgestimmten Entscheidungen verlassen.
Deshalb hat der ver.di-Bundesvorstand den
Austritt beschlossen, nachdem die Änderung der Schiffsbesetzungsverordnung veröffentlicht worden ist.
Im Maritimen Bündnis hat es durch die
politischen Vorgaben der Koalition eine
­Verschiebung der Schwerpunkte gegeben,
Ausbildung und Arbeitsplätze für deutsche
Seeleute in der Seeschifffahrt sind nicht
mehr der Schwerpunkt der Arbeit.
Für die Seeleutegewerkschaft ver.di wird
es aber weiter das wichtigste Ziel ­bleiben,
Arbeitsplätze für deutsche See­leute zu erhalten. Das Vorgehen der Bundes­regierung
ist nicht nachvollziehbar, an den Zahlen der
deutschen Seeleute in der „großen Fahrt“
werden die Folgen bald ablesbar sein.
Und die Reeder werden von ver.di daran
gemessen werden, welche Ausbildungsund Arbeitsplätze für die dreistelligen
­Millionensubventionen jährlich entstehen
oder gesichert bleiben.
KLAUS SCHROETER/PETER GEITMANN
ver.di wächst – Ressourcen bündeln durch Konzentration
Um Ressourcen zu bündeln und die Effi­zienz
zu steigern, wird im ver.di-Bundesfachbereich Verkehr eine Konzentration der jetzt
fünf Fachgruppen auf künftig drei stattfinden. Es wird dann eine ver.di-­Fachgruppe
Luftverkehr, eine Fachgruppe Straßen- und
Schienenverkehr sowie eine Maritime Fachgruppe geben. Die Fachgruppen Häfen und
Schifffahrt werden zur Maritimen Fachgruppe zusammengelegt. Dabei soll sichergestellt werden, dass die zahlenmäßig kleinere
Fachgruppe Schifffahrt personell sowohl im
Bundesfachbereichsvorstand als auch in den
­Fachgruppen in allen Landesbezirken und
Bezirken vertreten ist. Gleichzeitig ist vorgesehen, dass die fachlichen und beruf­lichen
Interessen der Mitglieder aus den bisherigen
Fachgruppen bei Bedarf über Arbeitskreise
berücksichtigt werden.
Die Neuaufstellung der Fachgruppen ist
bis zur kommenden ver.di-Organisationswahl umzusetzen. Auf Bundesebene ist die
Zusammenlegung der Fachgruppen bereits
für den 1. Januar 2017 geplant. Die bisheri-
gen Mandate bleiben dabei bis zu den kommenden Organisationswahlen bestehen.
Die Arbeit in den Häfen und der Schifffahrt sind geprägt von einer harten Aus­
einandersetzung im globalen Wettbewerb.
Die Kräfte zu bündeln, um gemeinsam
handlungsfähiger zu werden, ist darauf die
P.G.
richtige Antwort.
MEINUNG
Reeder bedienen sich
bei Staat und Steuerzahler
Die Zeit für den Austritt der Gewerkschaft aus dem Maritimen
Bündnis war überreif, meint Thomas Mendrzik im Interview. ver.di
sei in dem Bündnis viel zu lange als
soziales Feigenblatt missbraucht
worden. Die deutschen Reeder
würden von der Politik über jedes
Maß alimentiert und zeigten keinerlei gesellschaftliche Gesamtverantwortung. Mit einer gemeinsamen Maritimen Fachgruppe solle
ver.di künftig noch stärker politisch
wirksam werden. Seite 2
AKTUELLES
ver.di lehnt Änderung bei
Schiffsbesetzung strikt ab
Die geplante neuerliche Änderung
der Schiffsbesetzungsverordnung
würde den Verlust maritimen
Know-hows in der Zukunftsbranche Seeschifffahrt bedeuten, davon ist ver.di überzeugt und spricht
sich kategorisch dagegen aus.
Stattdessen sei der Gesetzgeber
gefordert, zunächst objektiv die
Folgen abzuschätzen, die die bereits 2013 vorgenommenen Änderungen zugunsten der Reeder bewirkt haben. Seite 3
LOTSEN
Lotsversetzer – Shuttle der
besonders ­sicheren Art
FOTOS: SPITZ
Sie sind an der Aufschrift „PILOT“
weithin zu erkennen und leisten
eine sehr verantwortungsvolle Arbeit: Spezielle Lotsenboote bringen
Lotsen zu Schiffen oder Stationen
und holen sie auch wieder ab. Diese speziellen Dienstleistungen werden über den Lotsbetriebsverein
öffentlich oder privat organisiert
angeboten. Zwei Betriebsräte des
LBV berichten über ihre Arbeit rund
um die Uhr und darüber, dass anspruchsvolle Technik und Sicherheit
und Verlässlichkeit der Lotsversetzer nicht mit Dumpingpreisen zu
haben sind. Seite 4
PANORAMA
Sonderpreis und einen
Kicker für den Duckdalben
FOTOS: NADINE GRENNINGLOH
Ein internationales Seefahrer-Netzwerk würdigt die kontinuierliche
Arbeit des Hamburger Seemannsclubs Duckdalben für das Wohl der
Seeleute. Die Sorge um die Würde
der Seeleute, die hier seit 30 Jahren
betrieben würde, sei eigentlich ein
„Marathonstaffellauf“, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickeln ihr Angebot ständig weiter.
Die Crew der „Saga Sapphire“ sagte auf ihre Weise Dank. Seite 8
2
MEINUNG
FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2016
EDITORIAL
Liebe Kolleginnen,
liebe Kollegen!
das ist ein Paukenschlag: ver.di verlässt
das Maritime Bündnis! In einem Brief an
die Bundeskanzlerin, den Verkehrs- und
den Wirtschaftsminister und an die beiden
Parlamentarischen Staatssekretäre dieser
Ministerien hat die Gewerkschaft am
22. Juni 2016 den Austritt aus dem Maritimen Bündnis e­rklärt.
Für ver.di war Ziel im Maritimen Bündnis,
durch gemeinsame Vorschläge die Sicherung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen in
der Seeschifffahrt zu organisieren. Deshalb
waren wir von Anfang an beim Maritimen
Bündnis dabei. In den letzten Jahren haben
wir allerdings immer wieder die Ausrichtung
des Bündnisses kritisiert und an den Gründungsgedanken erinnert.
Nach der 9. Maritimen Konferenz im Oktober 2015 hat die politische Mehrheit entschieden, den Reedern bei Schiffen unter
deutscher Flagge die Lohnsteuer der Seeleute vollständig zu schenken. Zudem werden
ab dem 1. Januar 2017 den Arbeitgebern
nach den Gesetzesvorhaben die kompletten
…eine Chance für den Neuanfang
­unserer gewerkschaftlichen Arbeit
Sozialabgaben erlassen. Die Summe dieser
Unterstützungen beträgt nach Schätzungen
der Bundesregierung rund 130 Millionen
Euro jährlich.
Gleichzeitig wurde gemäß der Forderung
des Verbandes Deutscher Reeder (VDR) die
Vorschrift der Schiffsbesetzungsverordnung
geändert: Anstelle von vier deutschen oder
europäischen Seeleuten – davon ein Schiffsmechaniker – sind ab 1. Juli nur noch ein
Kapitän sowie auf größeren Schiffen ein
­Offizier vorgeschrieben. Auf Schiffen unter
deutscher Flagge sind also nur noch zwei
Deutsche bzw. Europäer vorgeschrieben.
­
Der Beruf des Schiffsmechanikers ist vom
Aussterben bedroht.
ver.di hat immer verbindliche Zusagen
für die Beschäftigung deutscher Seeleute
eingefordert, dazu war der VDR aber zu
keiner Zeit bereit. Trotzdem hat die Politik
den Forderungen des Verbandes nachgegeben, ohne irgendeine verbindliche Gegen-
leistung für die Förderung und Subventionen der Reeder zu bekommen.
Es sind ja nicht nur die genannten 130
Millionen Euro, auch die Tonnagesteuer hat
in den Jahren 2003 bis 2014 zu einer
durchschnittlichen Unterstützung von ca.
250 Millionen Euro im Jahr geführt. Und
mit rund 200 Millionen Euro schlägt für die
Reeder die Freistellung von der Versicherungssteuer zu Buche.
Alles in allem also eine hochsubventionierte Branche, die immer weniger deutsche Seeleute in der internationalen Fahrt
beschäftigt. ver.di wird sich für eine solche
Politik nicht vor den Karren spannen lassen. Wir werden aber weiter die Interessen
der Seeleute vertreten und uns dabei in
allen Gremien engagieren, in denen dies
möglich ist. Dazu gehören zum Beispiel die
Seemannskasse, die Berufsgenossenschaft,
die Prüfungsausschüsse und vieles andere
mehr.
Deshalb ist dieser Austritt zwar einerseits ein Ende, andererseits liegt darin aber
auch eine Chance für einen Neuanfang
unserer gewerkschaftlichen Arbeit
in der Seeschifffahrt. Wir können
so viel deutlicher machen,
welche verheerenden Folgen die aktuelle Politik
für die deutschen
Seeleute hat.
Deshalb
freue ich
mich auf die
zukünftigen
Initiativen
und Vorstellungen unserer Kolleginnen und Kollegen aus der Schifffahrt,
die die Beschäftigung der Seeleute zu
­guten Bedingungen als oberstes Ziel haben.
CHRISTINE BEHLE, MITGLIED DES ver.diBUNDESVORSTANDES | FOTO: DIE HOFFOTOGRAFEN
EURE
CHRISTINE BEHLE
INTERVIEW
Die Reeder missbrauchen den
Staat als Selbstbedienungsladen
Auch aus Sicht der Bundesfachgruppe Häfen war die Zeit für den Exit reif
­orfeld der Treffen ausgehandelt und
V
dabei die Interessen der Reeder bedient.
Das lässt sich beim besten Willen nicht
als ­sozialpartnerschaftliches Verhalten bezeichnen.
THOMAS MENDRZIK
FOTO: CHR. V. POLENTZ
Die Fachgruppen Schifffahrt und
­Häfen des ver.di-Bundesfachbereichs
Verkehr fusionieren ab 2017 zur
Maritimen Fachgruppe. Schon jetzt
­
arbeiten beide Fachgruppen eng
­zusammen. Thomas Mendrzik, ehren­
amtlicher Vorsitzender der Bundes­
fachgruppe Häfen und stellvertreten­
der Vorsitzender im Bundesfachbe­
reichsvorstand Verkehr, bezieht daher
Stellung zum Austritt aus dem Mariti­
men Bündnis.
Der Austritt ist beschlossene Sache,
ver.di steigt aus. Wie beurteilst Du
diesen Schritt?
Thomas Mendrzik | Er war richtig und
eigentlich überfällig. Die Politik hat die
­Gewerkschaft schon viel zu lange als soziales Feigenblatt missbraucht.
Hätte man den Austritt demnach
schon eher betreiben sollen?
Thomas Mendrzik | Nein, aber die Zeit
war reif, als sich letztes Jahr zur Maritimen
Konferenz abzeichnete, dass die Schiffs­
besetzungsverordnung wieder verändert
wird – und zwar nach unten, nicht nach
oben. Außerdem hat die Anzahl der Schiffe
unter deutscher Flagge trotz gegensätz­
licher Beteuerungen ständig weiter abgenommen. Was hingegen nicht abgenommen hat, ist die Subventionierung der
Reeder. Da wurde ein Weg eingeschlagen,
den wir als Gewerkschaft nicht mitgehen
können.
Welche weiteren Gründe neben der
Änderung der Schiffsbesetzungsver­
ordnung spielten eine Rolle? Wie
war beispielsweise der Umgang in­
nerhalb des Gremiums?
Thomas Mendrzik | Genau darauf zielte
ich, als ich eben meinte, dass wir als
­soziales Feigenblatt missbraucht wurden.
Der Verband der Reeder (VDR) und die
­Politik – maßgeblich Uwe Beckmeyer, der
als Maritimer Koordinator ein Totalausfall
war – haben zusammen vieles schon im
Was wirfst Du dem Maritimen Koor­
dinator vor?
Thomas Mendrzik | Uwe Beckmeyer war
schwach, was aber eigentlich schon der
Konstruktion geschuldet ist. Ein Maritimer
Koordinator im Spannungsfeld zwischen
dem Wirtschafts- und dem Verkehrsministerium kann nicht viel bewegen: Die
Ressorts sind unterschiedlichen Parteien
­
zugeordnet und setzen unterschiedliche
Schwerpunkte. Und wenn man sich das
SPD-geführte Wirtschaftsministerium ansieht, wird klar, dass die Sozialdemokraten
immer noch einem wirtschaftsliberalen
Weltbild hinterherlaufen – ein Manko, das
der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder ausgelöst hat und das bis heute nicht
überwunden wurde! Hin- und hergerissen
zwischen den Interessen der beiden Ministerien und Parteien kann ein Maritimer
­Koordinator wenig bewirken.
Wenden wir uns noch einmal der euro­
päischen Schifffahrtspolitik und den
damit verbundenen Fördermöglich­
keiten bzw. Subventionierungen zu…
Thomas Mendrzik | …man sollte wirklich von Subventionen sprechen. Das ist ja
das perfide: Eine Kommission, die in aller
Regel stark auf Deregulierung und Libera­
lisierung setzt, die den Markt geradezu
­heiligspricht, hat hier ein Betätigungsfeld
gefunden, wo sie in hohem Maße mit
­Subventionen arbeitet.
Nun ist es ja so, dass die nationale
deutsche Politik bisher den Rahmen,
den die EU setzt, gar nicht ausge­
schöpft hat. Ist das gerechtfertigt?
Thomas Mendrzik | Selbst wenn die
deutsche Politik alles, was in der EU möglich ist, in Anspruch nähme, würde das
nicht zu mehr deutschen und europäischen
Seeleuten auf deutschen Schiffen führen.
Der einzige Effekt wäre mehr Geld in den
Taschen der Reeder. Und genau darin liegt
der eigentliche Grund für unseren Ausstieg:
Dass immer mehr Geld ohne Gegen­
leistung bzw. zu immer weiter reduzierten
Gegenleistungen an die Reeder gezahlt
wird. Man könnte auf Seite der Reeder ja
auch auf die Idee kommen, dass sie so
e­ twas wie eine gesellschaftliche Gesamtverantwortung haben, dass sie maritimes
Know-how erhalten möchten, welches hinterher etwa den Landbetrieben oder den
Lotsen zugute kommt. Aber von einem
­solchen Gedankengut ist bei den Reedern
nichts, aber auch gar nichts zu finden.
Stattdessen nehmen sie so viel Geld mit,
wie sie kriegen können, weil sie ja ach
so notleidend sind. Sie führen ihre Lage
selbst herbei, indem sie immer mehr Überkapazitäten auf dem Schiffsmarkt schaffen.
Gleichzeitig werden sie staatlich subventioniert. Daher bin ich der Meinung, dass
ein Mehr an Subventionen nichts bringen
würde.
Könnte man irgendetwas tun, um
wieder eine Annäherung zu errei­
chen?
Thomas Mendrzik | Nach meiner Einschätzung ist das wenig realistisch, weil
beim VDR kein Unrechtsbewusstsein vorhanden ist. Wir führen ja derzeit mit
den Reedern auch Gespräche zum Thema
Ladungsbefestigung. Dabei verstoßen sie
gegen ihre eigenen und unterschriebenen
Tarifverträge.
Warum konnte sich diese Branche
denn überhaupt so entwickeln?
Thomas Mendrzik | Das war nur möglich,
weil unglaublich viel in diesen Bereich
­investiert wurde. Der Hunger nach Schiffen
war riesengroß, er wurde gestillt mit
­Kapital, das weltweit über den Anreiz von
­Steuersubventionierungen in die Branche
floss. Nicht der Schiffsbau wurde direkt
subventioniert, sondern diejenigen, die in
Schiffsbeteiligungsfonds investiert haben,
erhielten Steuererleichterungen oder konnten besondere Abschreibungsmöglichkeiten wahrnehmen. So etwas gibt es in sonst
keiner Industrie, selbst der Ausstieg aus
der Steinkohle verlief wesentlich marktkonformer als die Alimentierung der deutschen Reeder. Da hätte die Politik natürlich
einen Riegel vorschieben können – wenn
sie es denn gewollt hätte.
Eigentlich kann ich nicht verstehen, dass
sich die Bundesrepublik Deutschland in
der Frage der Subventionierung für Reeder
wie eine Bananenrepublik verhält. Wenn
so etwas in irgendwelchen korrupten Staaten geschieht, lässt sich das der Staatsform
zurechnen. Aber dass in einem hoch ent­
wickelten Land wie dem unseren eine ganz
kleine Gruppe den Staat völlig selbstver-
ständlich als Selbstbedienungsladen missbrauchen kann, das macht mich nach wie
vor sprachlos.
Du bist im Fachbereich Verkehr zu­
ständig für die Häfen. Inwieweit
­betrifft der Ausstieg aus dem Mariti­
men Bündnis auch diesen Bereich?
Thomas Mendrzik | Zum 1. Januar 2017
werden die beiden Fachgruppen Schifffahrt
und Häfen zusammengelegt zur Maritimen
Fachgruppe. Dabei spielte auch das Motiv
eine Rolle, im gesamten maritimen Sektor
stärker politisch zu wirken. Wir wollen nicht
länger separieren nach Häfen einerseits
und Schifffahrt andererseits mit den jeweiligen dazugehörigen Interessenlagen. Wir
wollen maritim mit einer hohen internationalen Ausrichtung und mit mehr Durchsetzungskraft agieren.
Was werden die ersten Schritte sein
innerhalb der neuen gemeinsamen
Maritime Fachgruppe?
Thomas Mendrzik | Wir werden demnächst Handlungsfelder identifizieren. Natürlich wird es unter dem gemeinsamen
Dach weiter beide Untergruppen geben, in
denen fachlich Spezielles bearbeitet wird
– Mantel- und Heuertarifverträge werden
weiterhin von der Schifffahrt behandelt,
genauso werden wir natürlich die Tarif­
verträge für die Hafenbeschäftigten weiter
verhandeln. Aber wir werden uns breiter
aufstellen müssen. Man kann die deutsche
Schifffahrt nicht isoliert betrachten. Selbst
wenn in Deutschland jetzt alles richtig
gemacht würde und eine veränderte
­
­Schifffahrtspolitik zum Tragen käme, würde
das nur bedeuten, dass wir die Ressourcen
der Steuerzahler schonen. Die Karawane
zieht weiter. Griechenland beispielsweise
ist wieder zu einer aufstrebenden Reedernation avanciert: Die Reeder dort nutzen
alles aus, was die EU ermöglicht und übersteigern das noch, indem sie sich um tarifliche und soziale Bedingungen überhaupt
nicht kümmern. Wir müssen uns gemeinsam über Dachverbände wie ETF und ITF
immer mehr internationalisieren. Schließlich geht es um globale Trends!
Du erwähntest den Steuerzahler.
­Inwieweit ist der Konflikt gesamtge­
sellschaftlich relevant?
Thomas Mendrzik | Die OECD führte
2015 eine Studie zur Schiffsgrößenentwicklung durch. Das Ergebnis: Die Schiffe
wachsen weiter! Und weil immer neue,
noch größere Schiff gebaut werden, funktioniert die Schiffsfinanzierung immer noch
und die Fonds verdienen gutes Geld damit.
Zugleich sinken die Frachtraten auf ein Niveau, wo operativ fast nichts mehr verdient
wird: Darin besteht das selbstverursachte
Leid der deutschen Reeder. Um die armen
Reeder zu entlasten, wurden tolle Sachen
wie der Lohnsteuereinbehalt oder die Tonnagesteuer erfunden. Die Reeder müssen
eigentlich nur ein fiktives Ergebnis versteuern. Wie soll man das dem Bürger vermitteln, von dessen Gehalt die Lohnsteuer direkt an Herrn Schäuble abgeliefert wird?
Das wäre genauso, als wenn ich sagen
würde: „Sorry Wolfgang, nach Abzug meiner ganzen Kosten und meines ganzen Lebensstils, bin ich eigentlich nur noch für
1.000 Euro Steuern gut. Damit falle ich
unter die Existenzsicherung und kann Dir
nichts bezahlen.“ Wenn die Bevölkerung
erfahren würde, was da jahrelang getrieben wurde, gäbe es einen Riesenskandal.
FRAGEN: UTE CHRISTINA BAUER
IMPRESSUM
Der ver.di-Report
Schifffahrt
Nr. 2, Juli 2016
Herausgeber:
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)
Bundesvorstand:
V.i.S.d.P.: Frank Bsirske, Christine Behle
Koordination:
Klaus Schroeter
Redaktionelle Bearbeitung:
Ute Christina Bauer, Helma Nehrlich
(transit berlin.pro media)
www.pressebuero-transit.de
Redaktionsanschrift:
ver.di-Bundesverwaltung
Fachbereich Verkehr
Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin
Layout, Satzerstellung:
VH-7 Medienküche GmbH
Kreuznacher Straße 62, 70372 Stuttgart
www.vh7-m.de
Karikatur Seite 1:
Rainer Hofmann-Battiston
Druck:
apm AG Darmstadt,
Kleyerstraße 3, 65295 Darmstadt
www.alpha-print-medien.de
Der ver.di-Fachbereich Verkehr
ist auch im Internet zu finden:
www.verdi.de/verkehr
FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2016
AKTUELLES
3
Schwimmende Briefkästen
auf den Weltmeeren
Die Geschichte, mit der sich Ulf Christiansen
seit drei Jahren intensiv beschäftigt, ist kom­
plex. Seit 2013 hat der ITF-Inspektor im Ham­
burger Hafen in verschiedenen Varianten im­
mer wieder mit den Machenschaften der
Reederei Blumenthal zu tun. Die glaubt, ein
probates neues Sparmodell für sich entdeckt
zu haben. Es setzt ausgerechnet bei den Heu­
ern der Seeleute an.
Erste Versuche startete Blumenthal in den Jahren 2013/2014: Bei drei Seeleuten, die zuvor auf
verschiedenen Schiffen der Reederei unterwegs
gewesen waren, behielt das Unternehmen jeweils
Teile der letzten Monatsheuer oder gleich die ganze letzte Monatsheuer ein. Begründet wurde der
Schritt mit weit hergeholten Vorwürfen. So legte
man den Seeleuten nicht belegbare Pflichtvernachlässigungen zur Last. Betroffen waren ein
ukrainischer Chief Mate und zwei rumänische
­
Schiffsoffiziere. Sie alle hatten einige Wochen,
nachdem sie von Bord gegangen waren, beim Blick
auf ihre letzte Monatsabrechnung eine böse Überraschung erlebt: Entweder war die ganze letzte
Monatsheuer nicht eingegangen oder nur ein kleiner Teil davon gezahlt worden.
Nachdem sich die Seeleute von ihrem ersten
Schock erholt hatten, wandten sich die drei in ihrer
Verzweiflung an Christiansen, baten um Unterstützung. Im Fall des ukrainischen Chief Mates schaltete der ITF-Inspektor nach erfolglosen Verhandlungen mit der Reederei schließlich einen Anwalt
ein, der in einem Vergleich die Zahlung von 90
Prozent (6.300 US-Dollar) der ausstehenden Heuer
erwirken konnte. Wegen der Forderungen der
­rumänischen Seeleute kam es zum Prozess. Mit
Erfolg: In einem Versäumnisurteil – die Reederei
hatte es für nicht nötig befunden, vor Gericht zu
erscheinen – verpflichtete die Richterin Blumenthal
zur Zahlung der kompletten ausstehenden Heuern
in Höhe von insgesamt 3.300 US-Dollar. Die
Seeleute erhielten ihr Geld. Ihr Glück bestand
­
­darin, dass in den Arbeitsverträgen als Arbeitgeber
klar und eindeutig die Reederei Blumenthal benannt war.
Im ersten Anlauf scheiterte Blumenthal also
mit der firmeneigenen Sparpolitik. Bei den folgenden Fällen sieht die Sache anders aus. Wieder
geht es um drei Seeleute: um einen Chief-Inge­
nieur, der auf dem Blumenthal-Schiff „Carola“
­gefahren war und sich im Sommer 2014 bei Christiansen meldete, sowie um den Kapitän und den
Chief Mate der „Martha“, die sich im Winter 2014
an den ITF-Inspektor wandten. Auf den ersten Blick
ähneln sich die Muster. Die Seeleute waren von
Bord gegangen und hatten erst später gemerkt,
dass die letzte Monatsheuer nur teilweise überwiesen worden war – insgesamt ging es um
15.000 US-Dollar! Sie wandten sich wegen der
ausstehenden Zah­
lungen an die Reederei. Die
rührte sich nicht.
„Dann ging der Hilferuf an mich“, erzählt Christiansen, „seit August bzw. November 2014 bin
ich an der Sache dran.“ Aufgrund der Erfahrungen
mit den ersten Fällen, in denen die Sache glimpflich ausgegangen war, habe man gleich einen
Anwalt eingeschaltet. „Um es auf den Punkt
­
zu bringen: Sowohl das Arbeitsgericht als auch
Die gesamte
­Lohnsteuer ­verbleibt
bei den Reedern
Zur weiteren Förderung der deut­
schen Reeder hat der Bundestag
mit Zustimmung des Bundesrates
im Februar 2016 eine Änderung
des Einkommenssteuergesetzes
beschlossen. Danach dürfen die
Reeder für die
Dauer der kom­
­
menden fünf
Jahr nicht mehr
nur wie ­
bisher
40, sondern 100
Prozent der ab­
zu fü h ren d en
Lohnsteuer
einbehalten.
Pa r a g r a p h
41, Absatz 4
des Gesetzes
bestimmt jetzt:
­„Arbeitgeber,
die eigene
oder gechar­
terte Handels­
schiffe betreiben, dürfen die
­gesamte anzumeldende und ab­
zuführende Lohnsteuer, die auf
den Arbeitslohn entfällt, der an
die Besatzungsmitglieder für die
Beschäftigungszeiten auf diesen
­
Schiffen gezahlt wird, abziehen
und einbehalten.“
Nachdem die Europäische Kommission der ­Änderung zugestimmt hat, ist
das Gesetz am 3. Mai in Kraft getreten.
Der vollständige Lohnsteuereinbehalt
durfte demgemäß im Juni 2016 erstmals angewandt werden. Die EU-­
Kommission hat noch darauf hinge­
wiesen, dass die Regelung auf
Ro-Ro-­
Fahrgastschiffen nur für die
Seeleute gilt, die ­EU-Bürger sind. Die
Neuregelung gilt außerdem für Baggerschiffe und Schlepper nur dann,
wenn sie seetüchtig sind und mindesten die Hälfte ihrer ­
Betriebszeit auf
RED
See eingesetzt werden.
im zweiten Durchgang das Landesarbeitsgericht
Hamburg sind unserer Argumentation leider nicht
gefolgt und haben die Klage zurückgewiesen“,
bedauert Christiansen. Man habe die Prozesse
­
verloren, weil jeweils in den Arbeitsverträgen
­
als Arbeitgeber nicht die Reederei Blumenthal aufgeführt war. Stattdessen waren dort die Briefkastenfirmen „New Success Maritime Company Ltd.“
bzw. „First Class Bulk Shipping Ltd.“ eingetragen,
jeweils ansässig in der 80 Broad Street in Mon­
rovia, Liberia. „Dort haben Tausende von Firmen,
eben auch deutsche Reedereien, eine Scheinfirma
angemeldet“, erklärt der ITF-Inspektor. Diese
­Reeder würden so ihre Schiffe zu riesigen schwimmenden Briefkästen umfunktionieren.
Belege blieben unberücksichtigt
„Der wirtschaftliche Eigentümer ist nach
dem Stand aller möglichen Belege weiterhin Blumenthal“, sagt Christiansen. Aber der Reeder nutze in der Auseinandersetzung um die Heuern die
Tatsache schamlos aus, dass nicht er in den
Arbeits­verträgen auftaucht, sondern eben diese
Briefkastenfirmen in Liberia. „Die Reederei gibt
vor, mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun zu
haben. Dabei laufen eindeutig alle Fäden hier in
Hamburg, in der Palmaille 120, zusammen.“ Es
gebe viele Beweise: Geldströme und Überweisungen, die nachweisbar aus der Palmaille kommen.
Darüber hinaus Seefahrtsbücher, Stempel und
E-Mailverkehre mit der Personalabteilung in Hamburg, in denen Order an den Kapitän ergingen.
„Wir haben alle Belege vorgelegt, die dafür sprechen, dass die Reederei Blumenthal in Hamburg
weiter der wahre Eigentümer der Schiffe ist.“
Dennoch spielten die vorgelegten Unterlagen bei
den Arbeitsgerichten keine Rolle, dort wurde
einzig der Arbeitsvertrag als ausschlaggebend
­
­angesehen. Dass darin nicht die Reederei Blumenthal als Arbeitgeber steht, sondern die aufgeführten Briefkastenfirmen, mache es den Juristen
anscheinend unmöglich, anders zu entscheiden,
so Christiansen. „Die Gerichte haben dabei große
Bauchschmerzen gehabt, sie haben eingeräumt,
es sei sehr wahrscheinlich, dass Blumenthal weiter Eigentümer ist.“ Leider bestehe hier offenbar
eine Rechtslücke. Inwieweit die Rechtsprechung
in solchen Fällen noch zeitgemäß ist, sei sicherlich
kritisch zu hinterfragen.
Bisher bildet das Vorgehen der Reederei Blumenthal eine extreme Ausnahme. „Dass eine Reederei, die in Hamburg sitzt, mit einem ITF-Inspektor
nicht spricht, ja jeglichen Kontakt brüsk ablehnt,
kenne ich sonst nicht.“ Das sei außer­gewöhnlich.
In der Regel gebe es Verhandlungen, die sehr häufig auch zu Lösungen führen.
Christiansen ist sich sicher: „Die Geschichte
ist noch nicht vorbei.“ Man werde an der Reederei
Blumenthal dranbleiben. Derzeit werde bei der
ITF das weitere Vorgehen geprüft. Möglicherweise
könnte Öffentlichkeitsarbeit dabei eine größere
Rolle spielen. Und um jeden Preis wolle die ITF
verhindern, dass der krasse Fall Schule macht.
­
„Über weitere Schritte denken wir intensiv nach.“
UTE CHRISTINA BAUER
Evaluierung jetzt!
Vor einer erneuten Änderung der SchBesV
sollte die letzte überprüft werden
Am 4. Mai 2016 war es soweit: Das
Bundesministerium für Verkehr legte
die Karten auf den Tisch und übermit­
telte der Gewerkschaft ver.di ­offiziell
den Entwurf zur Änderung der Schiffs­
besetzungsverordnung. Intensive Be­
mühungen seitens der Gewerkschaft,
diese Kuh doch noch vom Eis zu holen,
waren bei der ­Politik nicht auf frucht­
baren Boden gefallen. Nur wenige
Tage vor dem ­Outing des Verkehrs­
ministeriums hatte schon Bundesar­
beitsministerin Andrea Nahles, der ja
eigentlich vor allem die Interessen
der Beschäftigten am Herzen liegen
sollten, in e­ inem Brief an ver.di der
Änderung der SchBesV zugestimmt.
Unter anderem heißt es im Nahles-Brief:
„Ferner ist eine Befristung […] auf fünf
Jahre nach Inkrafttreten vorgesehen. Nach
Ablauf der Frist gilt die SchBesV automatisch wieder in ihrer derzeitigen Fassung.
Eine Beibehaltung der dann geltenden
­Regelungen müsste das gleiche Verfahren
durchlaufen wie die jetzige Änderung.
Flankiert werden diese Maßnahmen durch
eine Evaluation der Änderungen, die vier
Jahre nach Inkrafttreten der angepassten
Verordnung anhand der Beschäftigtenzahlen durchzuführen ist. Zuvor sollen die ersten Auswirkungen der Änderungen der
SchBesV auf der nächsten Maritimen Konferenz 2017 vorgestellt werden.“ Weiter
heißt es, dass das Verhandlungsergebnis
zur SchBesV in weiten Teilen einer Einigung
zwischen ver.di, dem Verband Deutscher
Reeder und den Regierungsfraktionen aus
dem Januar 2016 e­ ntspreche – eine solche
Einigung mit ver.di hat es nie gegeben!
Ungenaue Überprüfungskriterien
In einer ausführlichen Anhörung hat
ver.di zum Entwurf des Verkehrsminis­
teriums Stellung bezogen. Darin geht die
Gewerkschaft auch auf die angesprochene
Evaluierung ein. ver.di kritisiert daran,
dass die geplante Evaluierung, die nach
60 ­Kalendermonaten erfolgen soll, im Ver­
ordnungstext ungenau formuliert ist. So
sollten nach ver.di-Auffassung bei den
­
Bezugszahlen der Knappschaft-Bahn-See
­
FOTO: ISTOCKPHOTO.COM
Hamburger Reederei drückt sich mit üblen Tricksereien um Heuerzahlungen
nicht die Beschäftigten in der deutschen
Schifffahrt insgesamt gesehen werden.
Vielmehr sollte ausschließlich die Beschäftigung deutscher Seeleute auf Schiffen unter deutscher Flagge in der Seeschifffahrt
betrachtet werden. Nur durch eine solche
Präzisierung kann festgestellt werden,
welche konkreten Folgen sich für das
­
­maritime Know-how ergeben.
Zusammenfassend stellt ver.di fest, dass
die Änderung der Schiffsbesetzungsver­
ordnung den Verlust des maritimen Knowhows für die Zukunftsbranche Seeschifffahrt nach sich ziehen wird. ver.di befürchtet
innerhalb kürzester Zeit eine Verminderung
der Auszubildendenzahlen mit den ent­
sprechenden Folgen für die einschlägigen
Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Die
entsprechenden Qualifikationsmöglichkeiten
können kaum vier Jahre vorgehalten werden, um dann möglicherweise als Ergebnis
der Evaluation eine Korrektur der geplanten Praxis zu ermöglichen.
ver.di lehnt die geplante Änderung der
Schiffsbesetzungsverordnung ab. Sie fordert den Gesetzgeber auf: Bevor erneut
Veränderungen durchgeführt werden, sollten zunächst die Erfahrungen mit der erst
2013 veränderten Schiffsbesetzungsverordnung evaluiert werden – und zwar im
Zusammenhang mit den Folgen des hundertprozentigen Lohnsteuereinbehaltes zu­
gunsten der Reeder sowie der Freistellung
der Arbeitgeber von den Sozialabgaben.
UCB
4
LOTSEN
FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2016
Gestandene
Seeleute auf
neuem Posten
Vorgestellt: Die wichtige Arbeit der Lotsversetzer
Lotsen geleiten Schiffe ab einer ge­
wissen Größe sicher durch Untiefen,
vorbei an Schifffahrtshindernissen
und am übrigen Schiffsverkehr. Aber
damit sie diese verantwortungsvolle
Aufgabe überhaupt wahrnehmen
können, müssen sie zunächst zu den
jeweiligen Schiffen gelangen. Hier
kommen die Lotsenboote des Lots­
betriebsvereins (LBV) ins Spiel –
leicht zu erkennen an der internatio­
nal geltenden Aufschrift „PILOT“. Mit
diesen werden die Lotsen von einem
Schiff zum anderen bzw. von der
Lotsenstation zum Schiff gebracht.
­
Karl-Heinz Spitz und Daniel Wagner
arbeiten für den LBV. Außerdem en­
gagieren sich beide als Betriebsräte
für die Beschäftigten – Daniel ­Wagner
als Vorsitzender des Gesamtbetriebs­
rats für alle Außenstellen des LBV,
Karl-Heinz Spitz als Betriebsratsvor­
sitzender der Außenstelle Kiel. Im
­Gespräch mit der ver.di-SCHIFFFAHRT
berichten sie von ihrer Arbeit.
de der Bundeslotsenkammer gleichzeitig
immer Geschäftsführer des LBV.
Wie wird man Lotsversetzer?
Daniel Wagner | Wir sind größtenteils
ehemalige Seeleute, die sich irgendwann
etwas geregeltere Arbeitszeiten wünschten. Zum Teil arbeiten bei uns auch frühere
Fischer, die den Beruf gewechselt haben.
Keiner von uns kommt aus einem Landberuf, allen gemeinsam sind langjährige und
ausgeprägte Erfahrungen im maritimen
Bereich.
Worin besteht Ihre Arbeit?
Karl-Heinz Spitz | Wir sind beim Lots­
betriebsverein (LBV) Hamburg als Schiffsführer beschäftigt und fahren jeweils ein
Lotsenboot. Unser Job ist es dabei, die
­Lotsen zum Schiff zu fahren und dort auch
wieder abzuholen. Wir betrachten uns als
Dienstleister der Schifffahrt. Selbst nennen
wir uns „Lotsversetzer“, aber das ist eigentlich eher unser interner Sprachgebrauch.
Mit welchen Fahrzeugen sind Sie un­
terwegs?
Karl-Heinz Spitz | Wir haben einen
­ziemlich großen Fuhrpark. Er besteht vor
allem aus den großen Stationsschiffen und
den kleineren Booten, welche die Lotsen
von der Station zu den Schiffen mit Lotsenbedarf bringen. Vor der Kieler ­Förde befindet sich unsere Station draußen am Leuchtturm, hereinkommende Schiffe passieren
also unsere Station, bevor sie sie in das
Revier einfahren. Auf dieser Sta­tion haben
Wie ist die Verbandsstruktur zu be­
schreiben? Und wie ist ihre Verbin­
dung zur Bundeslotsenkammer?
Karl-Heinz Spitz | Der LBV unterhält fünf
Außenstellen in den einzelnen Revieren: in
Emden, Bremerhaven, Cuxhaven, Bruns­
büttel und Kiel. Diese Außenstellen haben
teilweise noch einmal Unteraußenstellen.
Getragen wird der LBV von den einzelnen
Lotsen-Brüderschaften – in Deutschland
gibt es See- und Hafenlotsen, die sich in
neun Lotsenbrüderschaften organisiert haben. Diese stellen die Lotsendienste innerhalb der jeweiligen Reviere für die internationale Seeschifffahrt sicher. Finanziert wird
der LBV – seien es die Gehälter oder seien
es Mittel, die zur Erhaltung unserer Fahrzeuge benötigt werden – zu 100 Prozent
aus dem Haushalt des Bundesverkehrsministers. Umgekehrt bezahlen die Schiffe an
das Ministerium eine sogenannte Lotsabgabe dafür, dass der Lotse an Bord kommt.
In der Bundeslotsenkammer sind die
Lotsen organisiert. Mit dieser Kammer haben wir jedoch nicht viel zu tun, wir sind
ja keine Lotsen. Allerdings ist der Vorsitzen-
Eine Berufsausbildung zum „Lotsver­
setzer“ gibt es also nicht?
Daniel Wagner | Nein. Wir bilden zwar
beim LBV Schiffsmechaniker, also Leute
für den Deckdienst, aus. Aber um unsere
Fahrzeuge zu führen, braucht man ein entsprechendes Patent, einen Befähigungsnachweis. Darum müssen sich die Interessenten jeweils selbst kümmern. Diejenigen,
die unsere Fahrzeuge fahren, sind alles
­gestandene Seeleute mit entsprechenden
Kenntnissen.
STATIONSSCHIFF IM ABENDLICHT | FOTO: SPITZ
­ eser und auf Borkum wird die B­ esatzung
W
alle zwei Wochen ausgetauscht – die
­Kollegen haben inklusive ­einem Ab­lösetag
15 Tage Dienst und 13 Tage frei.
Wie viele Menschen sind in Deutsch­
land in Ihrer Zunft tätig?
Daniel Wagner | Bei uns arbeiten insgesamt 440 Leute, 60 davon in der Verwaltung. Frauen sind in unserer Zunft sehr
selten, einige wenige arbeiten bei uns als
Nautikerinnen.
Haben die Lotsbetriebsvereine mit
ihren Leistungen eine Monopolstel­
lung inne?
Daniel Wagner | Nein, wir haben keine
Monopolstellung. Vor allem kleinere Reviere werden auch privat bedient. In Mecklenburg-Vorpommern etwa wird die Lots­
versetzung rein privat betrieben, nach der
Wende hat sich das damals über private
Ausschreibungen so ergeben. Auch in den
alten Bundesländern wird die Lotsversetzung teilweise von privaten Anbietern ausgeführt.
Ist Ihre Arbeit gefährlich oder, wie es
so schön heißt, „gefahrengeneigt“?
Karl-Heinz Spitz | Nicht direkt. Aber als
Dienstleister der Schifffahrt arbeiten wir
rund um die Uhr im Schichtdienst: 365
Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag. Wir sind
bei jedem Wetter draußen. Von daher ist
es schon Seefahrt, mit all den dazu gehörigen Spezifika.
DANIEL WAGNER | FOTO: PRIVAT
die Kollegen 12 Stunden Dienst und 24
Stunden frei. Jeweils ein großes Stationsschiff liegt ständig vor der Elb- und vor der
Wesermündung. Und die ­Außenstelle Emden hat eine feste Station auf B­orkum.
Auf den Stationsschiffen ­können sich die
Lotsen ausruhen und sich auf die nächste
Lotsung vorbereiten. Auf der Elbe, der
KARL-HEINZ SPITZ | FOTO: PRIVAT
Angenommen, jemand verspürt den
Wunsch, Lotsversetzer zu werden:
Müsste er dafür Mitglied im LBV wer­
den?
Karl-Heinz Spitz | Nein, er müsste sich
ganz normal bewerben. Vereinsmitglieder
sind nur die einzelnen Brüderschaften bzw.
die Älderleute der Brüderschaften.
Worin bestehen die Schwerpunkte
der Betriebsratsarbeit?
Daniel Wagner | Natürlich wird bei Verhandlungen oder Gesprächen immer wieder
mit Privatisierung gedroht. Das ist zwar im
Moment nicht akut, aber in gewisser Weise
stehen wir doch in Konkurrenz zu Privat­
firmen, die darauf lauern, bestimmte Reviere
zu übernehmen. Die Privaten versuchen
­natürlich Einfluss zu nehmen auf die Politik,
weil sie meinen, sie könnten es besser oder
billiger machen. Wenn wir mit irgend­
welchen Forderungen oder Wünschen kom-
men, dann wird gern das Gespenst der
­Privatisierung an die Wand gemalt.
Und wie argumentieren Sie dagegen?
Karl-Heinz Spitz | Wir halten mit unserer
Verlässlichkeit gegen und damit, dass wir
eben auch für Sicherheit stehen. Auch der
Lotse hat ein Interesse daran, sicher zum
Schiff gebracht zu werden. Das ist eben nur
mit gut aus­gebildeten Leuten zu machen,
die angemessen bezahlt werden müssen.
Unsere Fahrzeuge sind mit einer anspruchsvollen Technik ausgestattet, die entsprechend vernünftig gewartet und unterhalten
werden muss. Mit Dumpingpreisen ist auch
in unserem Bereich keine Qualität zu bieten.
Werden die Menschen, die bei Ihnen
arbeiten, tariflich bezahlt?
Daniel Wagner | Ja, wir haben einen
Haustarif, der sich stark am Seeschifffahrtstarif orientiert. Er ist genauso strukturiert,
berücksichtigt aber unsere Besonderheiten.
Meistens übernehmen wir das Ergebnis
der Seeschifffahrt, haben die gleiche
­Ta­belle, nur mit anderen Zahlen. Dennoch
haben wir auch eine eigene Tarifkommis­
sion: S­ obald es einen Abschluss für die Seeschifffahrt gibt, verhandeln wir ­
darüber,
ob und wie dieser für unseren spezifischen
Betrieb gelten kann. In letzter Zeit gab es
keine größeren Konflikte oder Auseinandersetzungen. Unser Tarif, wie er heute steht,
ist zwar durch eine Schlichtung zustande
gekommen, aber das liegt schon einige
­Jahre zurück. Seitdem läuft es eigentlich.
FRAGEN: UTE CHRISTINA BAUER
Seelotsenausbildung neu erfunden
Sonderweg kostet Millionen
Der Lotsenjob bringt große Verant­
wortung mit sich. Qualifizierten
Nachwuchs für die Profession der
Seelotsen zu gewinnen, war nie ein­
fach. Bedingt durch die aktuelle
Schifffahrtspolitik hat sich die Lage
jedoch weiter verschärft.
Der traditionelle Weg der Qualifizierung
lief folgendermaßen: Kapitäne und Nautiker, die in der internationalen Fahrt ihr
Fachwissen erworben hatten, erweiterten
dieses mit einer spezifischen Ausbildung
vor Ort, um dann in den jeweiligen Revieren eingesetzt zu werden. Jetzt spitzt sich
die Lage zu, junge nautische Absolventen
der Schifffahrtsschulen erhalten oft keine
Möglichkeit, ihr Befähigungszeugnis auszufahren. Bedingt durch den demografischen Wandel, den stetigen Verlust an qualifizierten Seeleuten und damit nautischem
Know-How aus der internationalen Fahrt,
haben die Lotsen immer mehr Probleme,
entsprechenden Nachwuchs zu finden.
Ein Gegensteuern der deutschen Reederschaft ist nicht in Sicht, obwohl sie –
unabhängig von der Flagge an ihrem Schiff
– ein Interesse an sicheren Wasserstraßen
haben müssten. Im Gegenteil: Durch die
vom Reederverband geforderte Änderung
der Schiffsbesetzungsverordnung, in der
zukünftig nur noch maximal zwei deutsche
bzw. europäische Seeleute vorgeschrieben
werden, wird sich die Situation drastisch
verschärfen.
In dieser Frage besteht auch ein wichtiges volkswirtschaftliches Interesse. Es gilt
sicherzustellen, dass der zum überwiegenden Teil mit Schiffen erfolgende Warenverkehr zwischen Deutschland und der Welt
weiterhin gewährleistet bleibt. Denn auch
wenn es kaum beachtet wird, bildet das
Funktionieren dieses Systems eine der tragenden Säulen für den Erfolg der Exportnation Deutschland! Daher entschied man
sich, eine eigene Lotsenausbildung zu entwickeln. Gemäß eines Erlasses der ehema-
ligen Wasser- und Schifffahrtsdirektionen
Nord und Nordwest wurde gemeinsam mit
der Bundeslotsenkammer ein Konzept für
die zukünftige Lotsenausbildung erarbeitet. Von der neu kreierten Seelotsenausbildung erhofft man sich folgende Vorteile:
eine langfristige Sicherung eines
­ausreichenden Lotsennachwuchses,
eine profunde Auswahl geeigneter
­Kandidaten über nachgewiesene,
in Assessments geprüfte Kompetenzen,
gehobene Qualitätsstandards in der
Lotsenausbildung durch eine strukturierte, angeleitete Ausbildung und
eine transparente Bewertung sowie
praktische Prüfungen,
Perspektiven für Studienanfänger sowie
eine Verjüngung der Altersstruktur.
Das Konzept wird vom Bundesminis­
terium für Verkehr und digitale Infrastruktur finanziell jährlich mit einem Millionenbetrag unterstützt. ver.di ist überzeugt,
dass eine auf Ausbildung und Beschäftigung orientierte Schifffahrtspolitik in der
Seeschifffahrt den qualifizierten Nachwuchs für die Seelotsen sichergestellt
­hätte. Das ist politisch nicht gewollt. Stattdessen wird nun eine spezielle Sonderausbildung mit Millionenbeträgen installiert,
die nur das leistet, was bisher durch
die Schiffsbesetzungsverordnung gesichert
PG
wurde.
FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2016
SOZIALES/BINNENSCHIFFFAHRT
5
Aktuelles von Berufsgenossenschaft Verkehr, Knappschaft-Bahn-See und Seemannskasse
Mindestlohn wird sich 2017 erhöhen
Die zuständige Kommission hat Ende Juni
­beschlossen, den gesetzlichen Mindestlohn in
Deutschland von gegenwärtig 8,50 im J­ anuar
2017 auf 8,84 Euro zu erhöhen. Diese Steige­
rung gilt dann bis Ende Dezember 2018.
Die aus drei Arbeitgeber- und drei Arbeitnehmervertretern zusammengesetzte Kommission hat
dabei den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst
vom April 2016 bereits berücksichtigt. Deshalb fiel
die Steigerung etwas deutlicher aus als erwartet.
Vollzeitbeschäftigte mit gesetzlichem Mindestlohn
können ab kommendem Jahr demnach mit 55 Euro
brutto mehr im Monat rechnen. Der DGB begrüßte
das Ergebnis.
Im Schifffahrtsbereich dürften von dieser Er­
höhung vor allem Beschäftigte im Cateringbereich
profitieren. Das betrifft in der Seeschifffahrt vor
allem Cruise-Liner und sogenannte Bäderschiffe
im küstennahen Betrieb. In der Binnenschifffahrt
sollten vorrangig bisher schlecht bezahlte Cateringbeschäftigte in der Flusskreuzschifffahrt mit
mehr Geld rechnen können. ver.di fordert im
­Übrigen eine zügige Heraufsetzung des gesetz­
lichen Mindestlohns auf 10 Euro. So hat es auch
der letzte Bundeskongress der Gewerkschaft beschlossen.
Rausfahren bei wirklich jedem Wetter
Die Seenotretter haben eine 150-jährige Tradition, doch auch sie müssen mit der Zeit gehen
Die Spardosen in Schiffsform, mit de­
nen die Deutsche Gesellschaft zur
Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) seit
150 Jahren um Spenden wirbt, kennt
fast jeder. Doch die Seenotretter,
die mit ihrer täglichen Arbeit oder
ehrenamtlichem Engagement prak­
tisch dahinterstehen, und ihren tradi­
tionsreichen Verein lohnt es, näher
kennenzulernen. Wir sprachen mit
Siegbert Schuster, als 3. Vormann
auf dem Bremerhavener Seenotkreu­
zer „Hermann Rudolf Meyer“ seit 38
Jahren dabei, aber inzwischen auch
als Betriebsrat und in ver.di aktiv.
Auf der Webseite der DGzRS werden
ständig neue Fälle dokumentiert,
wo Seenotretter geholfen haben:
medikamentenvergiftete Kinder auf
einer Segeljacht kommen da ebenso
vor wie in Not geratene Fischer oder
das Freischleppen eines Fahrgast­
schiffs vor Borkum mit 82 Personen
an Bord. Es heißt: Rausfahren, wenn
andere reinkommen. Mit den Ret­
tungsmitteln von früher – Raketen­
apparaten, Hosenbojen und offenen
Ruderbooten wäre das nicht mehr zu
machen...
Siegbert Schuster | Das stimmt. Aber
aus dieser Zeit kommt unsere Tradition und
daher kommen auch einige Grundsätze,
die wir Seenotretter immer noch leben:
Die Rettung von Menschenleben an den
deutschen Küsten der Nord- und Ostsee ist
unsere Aufgabe, die geschieht gemein­
nützig und ohne die Betroffnen zur Kasse
zu bitten – von der Greifswalder Oye bis
nach Borkum oder Sylt. Die „Hilfe im Notfall“, die wir davon unterscheiden, schließt
auch die Rettung bzw. Bergung von Sachwerten ein. Da betätigen wir uns quasi
wie ein Automobilclub auf See – die Nutznießer werden dann auch aufgefordert,
sich etwas an den Unkosten zu beteiligen.
Unsere hauptsächliche Klientel sind inzwischen Sportschiffer. Darüber hinaus natürlich auch Berufsfischer oder Betreiber von
Schul- und Traditionsschiffen.
Mitunter werden Seenotkreuzer aber
sogar zu Havarien von Container­
schiffen gerufen?
Siegbert Schuster | Ja, der letzte spek­
takuläre Fall war der Brand auf dem Containerschiff „MS Karachi“ im Mai 2015. Da
haben wir aber „nur“ die Feuerwehr unterstützt und Wasser zugeliefert. So etwas
machen wir natürlich auch. Wir haben
­
auch ein sehr kooperatives Verhältnis zur
Wasserschutzpolizei oder zu den Wasserund Schifffahrtsämtern und helfen uns unbürokratisch.
Apropos. Ein wenig sind die Struktu­
ren der Seenotretter schon mit denen
der Feuerwehr vergleichbar?
Siegbert Schuster | In gewisser Weise.
Auch bei uns gibt es sozusagen, die
­„Berufsfeuerwehr“, das sind aktuell 180
Festangestellte, die auch die Besatzung der
20 Seenotkreuzer bilden, die rund um
die Uhr 365 Tage im Jahr und bei wirklich
jedem Wetter einsetzbar sind. Sie sind
ständig mit Leuten besetzt, die Besatzungen schlafen zumeist auch an Bord. Der
Kapitän und sein Vertreter, aber auch
dritte Vormänner können das Schiff führen,
sie haben ein nautisches Patent. Darüber
hinaus gibt es „Rettungsmänner“, die
­
auch die Technik beherrschen und beispiels­
weise mit den Arbeitsbooten umgehen
können, einem zweiten aussetzbaren Hilfsmittel, was in der Regel „huckepack“
mitgeführt wird. Solche „Tochterboote“
­
haben meist einen geringen Tiefgang und
können in bestimmten Bergungsfällen und
bei Niedrigwasser sehr nützlich sein.
Darüber hinaus haben wir an die 800
freiwillige Seenotretter, die ansonsten
­einen anderen Beruf ausüben und in Notfällen alarmiert werden wie Angehörige
der Freiwilligen Feuerwehr. Bei uns besetzen sie zumeist Seenotrettungsboote, sie
brauchen dafür zumindest einen Sportbootführerschein.
Die traditionelle Vereinsstruktur
ma­
­
cht die Seenotretter zu etwas
­Einmaligem?
Siegbert Schuster | Richtig. Vieles kommt
aus der 150-jährigen Tradition und ist von
modernen Strukturen noch immer ziemlich
weit weg. Unser Vorstand arbeitet ehrenamtlich, zwei Geschäftsführer sind angestellt. Hinzu kommt: Wir sind ein sehr
­kleiner „Betrieb“, genaugenommen nicht
einmal ein Seefahrtsunternehmen, denn
die gibt es nur zum Zwecke des Geld­
erwerbs. Das trifft auf uns nicht zu. In
FOTOS (2): DGzRS
zugliedern. Das muss behutsam geschehen
und ohne Zeitdruck. Im Interesse unserer
Aufgaben, aber auch der Beschäftigten.
Wir sind ein Traditionsverein, können aber
heutzutage nicht mehr nur in der Tradition
leben. Uns modernisieren heißt aber auch,
alle mitzunehmen.
Ihr habt auch erst vor wenigen Jahren
einen Betriebsrat gewählt…
Siegbert Schuster | Ja, das hat uns automatisch auch näher an die Gewerkschaft
gebracht, denn wir mussten uns auch mit
SIEGBERT SCHUSTER AUF DER BRÜCKE DER „HERMANN RUDOLF MEYER“
g­ ewisser Weise sind wir gar ein Tendenz­
betrieb – allerdings einer, der Bundesaufgaben erfüllt. Praktisch sind wir am ehesten mit einem Schlepperbetrieb vergleichbar. Dort gibt es für die Festangestellten
14 Tage Dienst an Bord und 14 Tage frei.
Kurz: Wir sind ein gewachsenes Unikat.
Nicht zuletzt wir als Betriebsräte sehen
­inzwischen deshalb auch die Notwendigkeit, uns künftig mehr an die Seefahrt an-
rechtlichen Grundlagen und tariflichen Fragen beschäftigen. Bei der DGzRS gab es
nie einen Haustarifvertrag und auch die
Arbeit der Interessenvertretung geschieht
im wesentlichen in der Freizeit, wir sind
vier Mitglieder aus der Flotte und fünf vom
Landbetrieb, damit eine gewisse Konti­
nuität gesichert werden kann. Aber ganz
­einfach ist das alles nicht, vieles ist auch
für uns neu.
Kürzlich haben die deutschen Seenot­
retter Schlagzeilen in einer Sache ge­
macht, die eigentlich nicht zu ihren
satzungsgemäßen Aufgaben gehört.
Zusammen mit griechischen Kollegen
haben sie mehr als 1.100 Bootsflücht­
linge vor der Insel Lesbos gerettet,
darunter über 200 oft sehr kleine
­Kinder…
Siegbert Schuster | Wir sind einer Bitte
des internationalen Seenotrettungsdienstes der IMO gefolgt, einer Untergliederung
der UNO. Und wir waren auch nicht die
Ersten, die geholfen haben. Uns wurde ein
bereits außer Dienst gestellter DGzRSKreuzer, die „Minden“, vom jetzigen Be­
sitzer kostenfrei zur Verfügung gestellt;
53 Seenotretter sowie 23 Rettungsschwimmer der DLRG haben sich freiwillig am
Einsatz beteiligt. Er begann im März
­
und e­ ndete Anfang Juni.
Die Aufgabe war es ­eigentlich, griechische Seenotretter aus­zubilden und zu unterstützen. Die waren mit der S­ ituation vor
Ort völlig überfordert. Und die Lage in
der Ägäis hat es ja auch mit sich gebracht,
dass kein „Trocken­
training“ stattfinden
konnte, sondern tatsächlich Hun­derte von
Flüchtlingen gerettet werden mussten. Unsere Freiwilligen waren mit großem Ent­
husiasmus dabei, sie hatten voll zu tun und
auch eine hohe emotionale Belastung. Wir
haben diese ­Arbeit von Anfang an mit­
getragen, der E­ insatz war ein Erfolg, zweifellos. Aber ich bin auch sehr froh, dass
er vorbei ist. ­Abgesehen davon, dass er
­einiges an Geld gekostet hat, brachte er
uns natürlich auch Erfahrungen ein, die
wir für unsere künf­tigen Aufgaben nutzen
sollten. Insgesamt haben wir mit unseren
Leuten aber Auf­gaben übernommen, die
eigentlich die EU politisch und praktisch
mit Agenturen wie Frontex hätte lösen
­sollen.
Die Deutsche Gesellschaft zur
Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS)
wurde am 29. Mai 1865 in Kiel
gegründet. Sie ist heute einer der
modernsten Seenotrettungsdiens­
te der Welt. Die Arbeit wird aus­
schließlich durch Spenden finanziert. 2014 wurden dafür 38,6
Mio. Euro aufgewandt. Die See­
notretter unterhalten 54 Stationen an den Küsten von Nord- und
Ostsee. Zur Crew gehören 180
Festangestellte und rund 800 freiwillige Helfer, die auf 20 Seenotkreuzern und 40 Seenotrettungsbooten Dienst tun. 2015 waren sie
bei 2.091 Seenotfällen im Einsatz
und retteten dabei 538 Menschen.
Siehe: www.seenotretter.de
Dann geht es jetzt wieder ums „Kern­
geschäft“ an den Küsten von Nordund Ostsee…
Siegbert Schuster | Auch da stehen genügend Aufgaben vor uns, wenn wir zukunftsfähig bleiben wollen. Die Technik
muss ständig auf gutem Stand gehalten
werden, nach 30 Jahren wird ein Seenotkreuzer in der Regel ausgemustert. Der
Trend geht jetzt zu etwas kleineren Einheiten, die von nur noch drei Leuten beherrscht werden können. Alles Entwicklungen und Aufgaben, die uns auch als
Betriebsräte beschäftigen werden.
Etwas in die realen oder inzwischen
auch virtuellen Seenotretter-Spar­
dosen zu stecken, ist jedenfalls im­
mer sinnvoll?
Siegbert Schuster | Unbedingt. Wie man
auf der Hompage sieht, gibt es viele Möglichkeiten einen Beitrag zu leisten. Egal, ob
es eine ungebundene oder eine Spende für
Ausrüstung (Rettungsweste usw.) ist. Wir
kommen völlig ohne Steuergelder aus, das
NEH
soll auch so bleiben.
6
ETF/ITF
FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2016
Baltic Week 2016
Im September geht‘s wieder los
FOTO: MATHIAS THURM
Die Kampagne der Seeleute-Gewerk­
schaften rund um die Ostsee, die für
bessere Arbeitsbedingungen auf den
Schiffen kämpft, beginnt im Sep­
tember erneut. Auch ver.di ist dabei
und startet die Aktionswoche in
den deutschen Häfen. Während der
Aktionswoche gehen Trupps von ITF-­
In­
spektoren, Hafenarbeitern und
Seeleuten als freiwillige Unterstützer
an Bord von Schiffen, besonders von
solchen, die unter Billigflaggen fah­
ren. Aber auch Schiffe mit ITF-Ver­
trägen werden kontrolliert, damit
sichergestellt wird, dass der Tarif­
­
vertrag auch tatsächlich eingehalten
wird. Besonders häufig festzustellen
sind fehlerhafte Heuerabrechnungen
oder falsche Arbeitsstunden.
Wenn das besuchte Schiff keinen Tarifvertrag hat, wird der Eigentümer – ver­
treten durch den Kapitän – aufgefordert,
einen Tarifvertrag abzuschließen. Dazu
wird eine Frist gesetzt und eine Boykottwarnung ausgesprochen. Sollte der Eigner
auch nach Ablauf der Frist nicht bereit sein,
einen Vertrag mit der ITF abzuschließen,
muss das weitere Vorgehen konkret geplant werden. Die Idee der Aktionswoche:
Aktivitäten in verschiedenen Häfen, die das
Schiff anläuft, bündeln, um so Solidarität
und gemeinsames Handeln der Hafen­
arbeiter und Seeleute sicherzustellen. Mehrere Schultern tragen die Aufgabe der gewerkschaftlichen Zusammenarbeit, so ist
die Kraftanstrengung leichter zu meistern.
Wir erhoffen uns damit, mehr Schiffe
unter ITF-Verträge zu bekommen und auf
diese Weise gesicherte Arbeitsbedingungen und einklagbare Heuern für die Seeleute zu erreichen. Die Erfahrungen der
„Baltic Week“ in den vergangenen Jahren
zeigten, dass mehr Aufmerksamkeit für die
unsichtbaren Arbeiter im Transportgewerbe
gewonnen werden konnte.
Bei den vielen großen Containerschiffen,
die über unsere Meere fahren, wird meist
nur wenig über die vielen Menschen nachgedacht, die unsichtbar in den „Schiffsbäuchen“ ihre Arbeit verrichten und ohne die
kein Schiff auch nur den Hafen verlassen
könnte. Und auch diejenigen, die in den
­Häfen auf den Containerbrücken oder Kränen die Ladearbeit machen, werden nicht
so wahrgenommen, wie sie es verdienen!
90 Prozent des Gütertransports nach
Deutschland kommen per Schiff in unser
Land, auch der Export von Gütern geht
überwiegend per Schiff in ferne Länder. Für
uns ist deshalb die Baltic Week auch eine
Gelegenheit, die unbeachteten Seeleute
und Hafenarbeiter aus der Nichtbeachtung
herauszuholen. So werden ihre Arbeits­
bedingungen beleuchtet und die weltweite
Arbeit unserer ITF herausgestellt!
KLAUS SCHROETER
LEITER BILLIGFLAGGENKAMPAGNE
IN DEUTSCHLAND
FOTO: ITF
Laschen ist Hafenarbeit:
Um diesem Motto Gewicht zu verleihen, trafen sich am 18. Mai in Hamburg im internationalen Seemannsclub
Duckdalben ITF-Inspektoren und Vertreter maritimer Gewerkschaften aus
etlichen europäischen Staaten. Im
Workshop ging es zum einen um die
Beschäftigungssicherung in den Häfen
– im Zuge fortschreitender Automati-
sierung wird das Thema immer brisanter. Zum anderen sollte ein deutliches
Zeichen gesetzt werden: gegen das
zunehmende Verlangen von Arbeit­
gebern wie Unifeeder, dass Seeleute
­Ladungssicherungsarbeiten ausüben
sollen. Diese gefahrengeneigten Arbeiten können und sollen nur von geübten
Hafenarbeitern ausgeübt werden! (Ein
ausführlicher Bericht über den Workshop ist im VerkehrsReport zu lesen).
Einig gegen die Kriminalisierung von Seeleuten
Europäische Sozialpartner unterstützen Kapitän Mangouras
DIE VERANTWORTUNG FÜR KATASTROPHEN WIE DIESER DARF NICHT AN DEN SEELEUTEN HÄNGENBLEIBEN. | FOTO: DPA
Vertreter der Europäischen Trans­
portarbeiter-Föderation (ETF) und
des Europäischen Verbands der
Reeder (ECSA) gingen am 24. Juni
­
gemeinsam auf Griechenlandreise.
Diesmal ging es jedoch nicht um die
Schuldenlage des gebeutelten Mit­
telmeerstaates, stattdessen wollten
sich die Sozialpartner mit Apostolos
Mangouras, Kapitän der 2002 vor
der spanischen Nord-West-Küste
havarierten „Prestige“, solidarisch
­
zeigen. Am Vorabend des interna­
tionalen „Tags des Seefahrers“, der
jedes Jahr am 25. Juni begangen
wird, wollten ETF und ECSA mit dem
Athenbesuch ein Zeichen setzen ge­
gen die Kriminalisierung von Seeleu­
ten. Schließlich sollen mit dem Jah­
restag Männer und Frauen geehrt
werden, die hart auf den Schiffen
arbeiten, mit denen 90 Prozent der
international gehandelten Waren
transportiert und mit denen jährlich
Millionen von Passagieren befördert
werden.
Der Reiseanlass war traurig: 14 Jahre
nach dem furchtbaren Öl-Unfall hatte der
oberste spanische Gerichtshof Mangouras
wegen angeblich grob fahrlässigen und
rücksichtslosen Verhaltens, das zu katas­
trophalen Umweltschäden geführt habe, zu
zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht revidierte damit eine Entscheidung
des Landgerichts von La Coruña (Galicien),
das Mangouras von jeder Verantwortung
freigesprochen hatte. Die Delegation zeigte
sich besorgt über die anhaltende Kriminalisierung von Seeleuten und kritisierte den
Entscheid.
„Am Vorabend dieses symbolischen
Tags ist es sehr wichtig, Menschen Respekt
zu erweisen, die unter schwierigsten Bedingungen an Bord von Schiffen arbeiten.
Der Trend, Seeleute zum Sündenbock zu
machen und ihnen alle Verantwortung für
Unfälle auf See in die Schuhe zu schieben,
ist aufs Schärfste zu verurteilen“, so ETFSekretär Philippe Alfonso.
Die europäischen Sozialpartner sicherten Kapitän Mangouras ihre Unterstützung
zu. Man wolle nicht akzeptieren, dass
­Seeleute diesen hohen Preis zahlen sollen.
Es sei wichtig, sich mit Mangouras zu solidarisieren, um erneut auf eine faire Behandlung von Seeleuten und die Wahrung
ihrer Rechte zu pochen.
„Kapitän Mangouras Situation liefert
ein starkes Argument für die Umsetzung
und Einhaltung der gemeinsamen ILO/
IMO-Richtlinien für die faire Behandlung
von Seeleuten nach einem Unfall“, ist sich
Tim Springett, UK Chamber of Shipping,
sicher. Nur so könne ein erhebliches Hindernis für die Rekrutierung zukünftiger Generationen von Seeleuten beseitigt werden. Die Sozialpartner befürchten, dass
Entscheidungen wie die gegen Mangouras
negativen Einfluss auf die Attraktivität des
Berufs haben könnten. In einer Zeit, in der
die ETF und die ECSA versuchten, maritime
Berufe in Europa zu fördern, sende das
­Urteil des obersten spanischen Gerichts­
hofes völlig falsche Signale. Schließlich tue
man alles, um die Einstellung und Beschäftigung von Seeleuten zu fördern. Man
­wolle die Attraktivität der EU-Schifffahrts­
industrie stärken und werde den Kampf
gegen die ungerechtfertigte Kriminalisierung von Seeleuten fortsetzen.
ETF und ECSA hoffen, dass die völlig
absurde Strafe nicht vollzogen werden
­
wird. Es sei komplett sinnlos, einen über
80-jährigen Mann, der von der Ungerechtigkeit bereits tief getroffen sei, unnötig ins
RED/ETF
Gefängnis zu schicken.
European social partners against criminalisation of seafarers
On the eve of the Day of the Sea­
farer (25 June 2016), the European
Social Partners for Maritime Trans­
port – the European Transport
Workers’ Federation (ETF) and the
European Community Shipown­
ers’ Associations (ECSA) – are vis­
iting in Athens the Captain of the
sunken Prestige oil tanker, Apos­
tolos Mangouras, to express their
solidarity and to demonstrate
their firm stand against the trend
of criminalising seafarers.
Fourteen years after the Prestige
disaster the Spanish Supreme Court
has convicted Captain Mangouras to
two years of prison for “recklessness
resulting in catastrophic environmental damage”. It thereby overturned a
previous judgment by the Provincial
Court of La Coruña (Galicia) which
had cleared him of any responsibility.
The European Social Partners fully
support Captain Mangouras and refuse to accept that seafarers have to
pay such a heavy price. It is fitting
that, as the day on which we honour
the men and women working on the
ships that transport 90 % of inter­
nationally-traded goods and millions
of passengers each year, social partners join with Captain Mangouras to
restate their call for the rights of
seafarers to fair treatment to be respected and upheld.
The Social Partners fear that such a
ruling will have a negative impact on
the attractiveness of the profession
and consequently on the future recruitment of young and competent
European seafarers. At a time when
ECSA and ETF – together with the
European Commission – seek to promote the European maritime profession, the Supreme Court’s judgement
sends entirely the opposite message.
ETF and ECSA are doing the u­ tmost
to stimulate seafarers’ recruitment
and employment by strengthening
the attractiveness of the EU shipping
industry and by continuing the fight
against unjustified criminalisation of
seafarers. ETF and ECSA sincerely
hope that this wholly unjustified sentence will not be served, as logic suggests a man who is past 80 and
deeply marked by injustice cannot
again be pointlessly sent to jail.
RED/ETF/ECSA
FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2016
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
SVEN HEMME | FOTO: ITF
nun wurde diese Rubrik ins Leben
­gerufen und ich bin der Glückliche, der
den Zuschlag für den ersten Bericht
­erhalten hat. Von der Arbeit berichten,
hmm, die meisten von Euch haben ja
sicher eine Vorstellung, was wir im Allgemeinen so machen. Für diejenigen
von Euch, denen das nicht so geht, ganz
pauschal ­gesagt: Wir setzen uns für die
Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Seeleute ein. Auch
wenn das bei Weitem nicht alles ist,
denn ein wichtiger Teil unserer Arbeit
ist auch die U
­ nterstützung und
Umsetzung von Kampagnen. Momentan sind wir z. B. weltweit aktiv und kämpfen dafür, dass Laschtätigkeiten wieder ausschließlich
durch Hafenarbeiter durchgeführt
werden. Denn ­eines ist klar, ohne
die solidarische Unterstützung der
Kolleginnen und Kollegen im Hafen ist auch die Umsetzung der
Billigflaggenkampagne schwierig,
wenn nicht unmöglich.
In der Praxis sieht das Ganze so aus,
dass wir uns einen Überblick über die
in unseren Häfen erwarteten Schiffe
verschaffen und als Erstes prüfen, ob
etwa welche dabei sind, die ohne Tarifvertrag unterwegs sind. Wenn das der
Fall ist, so bekommen die betreffenden
Schiffe zunächst eine freundliche Erinnerung, dass dies nicht akzeptabel ist
– verbunden mit der Aufforderung, für
Abhilfe zu sorgen. Für das weitere Vorgehen gibt es keine „Textbuch“-Lösung,
es wird der jeweiligen Situation angepasst. Aber ich denke, dem einen oder
I N T E R N AT I O N A L E S
anderen werden noch entsprechende
Boykotte in Erinnerung sein. Im SchifffahrtsReport haben wir in Abständen
darüber berichtet, etwa über den
schnellen Erfolg bei den türkischen Eignern der „Medkon Izmir“, die im Hafen
von Bremen vergangenes Jahr nur sieben Stunden boykottiert werden musste
(Ausgabe 2/2015, Seite 6). Wenn wir
nur Schiffe im Hafen haben, die bereits
gecovert sind, das heißt, für die ein
­Tarifvertrag besteht, so schauen wir uns
an, wer der entsprechende Reeder ist.
Ist er vielleicht für seine kreative Auslegung von Tarifen bekannt? Dann schauen wir, wann die letzte(n) Inspektion(en)
stattgefunden haben, wie die Inspektionen verlaufen sind. Gab es Probleme?
Wie ging der Reeder damit um, wiederholten sich die Probleme evtl. von
­Inspektion zu Inspektion? Je nachdem,
was für ein Bild sich zeichnet, beschließen wir dann, welche Schiffe wir besuchen.
Täglicher K(r)ampf… Momentan
­haben wir unser Augenmerk stark auf
7
einen Reeder gerichtet, der mit einer
Vielzahl von tarifvertraglich gebundenen Schiffen unterwegs ist. Der Witz an
der Geschichte ist, dass wir auf den
Schiffen dieses Reeders schon vorher
wissen, was uns erwartet. Unter den
­Inspektoren ist er berüchtigt für Ver­
stöße gegen die Tarifverträge. Heuern
werden zwar pünktlich bezahlt, dafür
aber meist in Höhe des letzten Jahres,
Heuererhöhungen werden einfach nicht
umgesetzt. Die Wochenarbeitszeit wird
erhöht. Selbst Offiziersränge werden
­
teils nicht ausreichend bezahlt. Immer
das Gleiche. Aber am Ende des Tages
und nach unseren Besuchen freut sich
die Crew, es gibt regelmäßig Heuer­
nach­zahlungen und man hinterlässt ein
paar l­ächelnde Gesichter, wenn man
wieder von Bord geht.
Best regards
Sven Hemme
ITF Inspector, Bremerhaven, Germany
Mobil: +49 151 27 037 384
Die portugiesische Karte sticht nicht mehr
ITF stuft portugiesische Flagge mit Zweitregister Madeira als Billigflagge ein
RUUD TOUWEN | FOTO: MATHIAS THURM
Farewell
und Danke,
Ruud!
Im Mai hat das ITF-Sekretariat
über die Entscheidung von
Ruud Touwen informiert, seine
gewerkschaftliche Tätigkeit
für die europäische Seefahrt
etwas früher zu beenden, als
ursprünglich vorgesehen, und
in Rente zu gehen. Es sei ihm
nicht leichtgefallen, aber nun
habe er entschieden, seiner ei­
genen Familie künftig doch
mehr Zeit einzuräumen als der
großen ITF-Familie, heißt es in
der Mitteilung.
Ruud war seit 1981 für das
ITF-Inspektorat vor allem in
seiner Heimat in den Nieder­
landen, aber auch in Deutsch­
land tätig und koordinierte die
Arbeit der nationalen Inspek­
toren. In den 35 Jahren bei
der Schifffahrtssektion der ITF
bewährte er sich sowohl bei
Vorbereitung und Abschluss
von ITF-Verträgen für interna­
tionale Schiffe als auch bei
der Ausbildung und der Einar­
beitung neuer ITF-Inspek­
toren. Aktiv hat er sich zudem
in der ITF-TaskForce für Kreuz­
fahrtschiffe und im River
Cruise-Projekt der ITF einge­
bracht. Neben einem herz­
lichen Dank für sein jahrzehn­
telanges Engagement beglei­
ten ihn alle guten Wünsche für
Gesundheit und einen aktiven
Ruhestand!
„Die portugiesische Flagge wird
für deutsche Reeder immer interes­
santer“, hieß es noch zu Jahresan­
fang in der Deutschen SchifffahrtsZeitung. Das dürfte sich wieder
ändern: Auf ­Antrag von ver.di sind
die portugiesische Flagge und das
dortige Zweitregister Madeira im
Mai 2016 von der ITF zur Billig­
flagge erklärt worden. Die Ver­
handlungsrechte für alle Schiffe in
deutschem Eigentum liegen nun
ausschließlich bei ver.di. Schluss
mit Sozialdumping über die eifrige
in Hamburg ansässige Flaggenver­
mittlerin, die European MAR GmbH,
die beim Ausflaggen kräftig mit­
verdiente.
Mehr als 2.700 deutsche Handelsschiffe fahren bereits unter ausländischem Hoheitszeichen. Während sich
die Flotte unter deutscher Flagge weiter verkleinert – für das vergangene
Jahr wird ein neuerlicher Rückgang von
368 auf 351 Schiffen vermeldet – stieg
2015 die Zahl der in Portugal registrierten deutschen Schiffe um mehr als die
Hälfte, von 118 auf 187. Die Tonnage
habe sich dabei sogar verdoppelt, berichtet der „Verkehrsbrief“. Der Anstieg, so vermutet man selbst dort, dürfe vorrangig auf das „­ Madeira-Register“
zurückzuführen sein, hinter dem maßgeblich deutsche Kaufleute stünden.
Wer hierhin wechselte, tat es aus
„Spargründen“. Zwar fordert auch das
por­tugiesische Register, dass 30 Prozent der Besatzung aus Europäern
bestehen muss. Einen ausgebildeten
­
Schiffsmechaniker oder einen der Landessprache mächtigen Kapitän, wie in
Deutschland, verlangt es nicht. Auch
keine ­Ausbildung an Bord.
ver.di hatte im Fair Practices Committee der ITF bereits im vergangenen
Jahr darauf hingewiesen, dass deutsche Schiffseigener auf diese Weise
ihre Betriebskosten senken, ausländische Seeleute anheuern, i­hnen schlechtere Arbeitsbedingungen zumuten, sie
mies entlohnen und außerdem Sozialabgaben einsparen, die in Madeira
nicht anfallen. Solches Dumping dürfe
die ITF nicht dulden. Die zuständigen
ITF-Gremien folgten der Argumenta­
tion nun mit der Billigflaggen-Einstufung. „Die ITF stellt mit dieser Entscheidung sicher, dass die im internationalen
Vergleich vorzeig­baren ITF-/ver.di-Tarifverträge nicht durch nationale Vertäge
in Portugal unterlaufen werden, die
die Seefahrer schlechter stellen“, erklärt dazu Klaus Schroeter als Leiter der
ITF-Billigflaggenkampagne in Deutschland. Er hofft auch, dass die deutschen
Reeder zügig erkennen, dass ihnen
die ­portugiesische Ausflaggung keinen
Dumping-Freibrief mehr bietet, „weil
die Seeleute künftig besser bezahlt
werden müssen und nun eindeutig klar
ist, wo die Flagge Portugals und MadeiNEH
ras hingehören“.
Im Ernstfall
kommen die
Leute zu mir
ITF-Inspektor Ulf Christiansen
­erhielt hohe Hamburger Auszeichnung
Der 5. Mai 2016 war ein bemerkens­
werter Tag im Leben des früheren Ka­
pitäns Ulf Christiansen: Er ging nicht
wie sonst mit ITF-Jacke und -Helm
an Bord, um Schiffe zu kontrollieren,
sondern erhielt zünftig auf der Elbe
und zum Hafengeburtstag vom Ham­
burger Senator für Wirtschaft, Trans­
port und Verkehr eine der höchsten
Auszeichnungen der Hansestadt
überreicht. Wir gratulieren Ulf – der
beigetragen hat, Seeleuten ihnen
vorenthaltene Heuern von über fünf
Millionen US-Dollar zu erkämpfen –
zum „Admiralitäts-Portugaleser“ in
Silber. Und fragten ihn nach seinen
Eindrücken:
„Ich bin jetzt ITF-Inspektor im 26. Jahr.
Als ich die Nachricht erhielt, dass ich mit
dem Admiralitäts-Portugaleser ausgezeichnet werden soll, habe ich mich sehr gefreut.
Schließlich sind wir hier als ITF-Inspek­
toren, die sich für die Rechte der Seeleute
einsetzen, nicht unbedingt ‚Everybody´s
Darling’. Umso bemerkenswerter ist es,
wenn die Stadt Hamburg einen Gewerkschaftssekretär auszeichnet.
Bestimmt weiß nicht jeder außerhalb
von Hamburg, was der Admiralitäts-Portugalerser überhaupt ist. Es handelt sich um
eine Münze, ausgeführt in Gold, Silber
oder Bronze. Damit ausgezeichnet werden
Personen, die sich verdient gemacht haben
um den Hafen- und Schifffahrtsstandort
Hamburg. In meinem Fall war meine langjährige Tätigkeit als ITF-Inspektor ausschlaggebend. Die Auszeichnung wird eher
selten vergeben, das macht sie noch wertvoller.
ULF CHRISTIANSEN (LINKS) – HIER NICHT ALLEIN IM HAMBURGER HAFEN | FOTO: ITF
Ich habe bei der Verleihung eine kleine
Rede gehalten und die gute Zusammen­
arbeit im Hamburger Hafen gewürdigt.
­Viele haben mich in meiner Arbeit unterstützt – namentlich genannt habe ich etwa
den Hafenkapitän und seinen Vertreter.
Aber ich habe in diesem Vierteljahrhundert
auch zu anderen Menschen und Institutionen sehr gute Verbindungen aufgebaut.
Meine Arbeit in dem großen Hafen Hamburg, in dem ich als ITF-Inspektor allein
unterwegs bin, ist nur dann erfolgreich zu
schaffen, wenn ich von vielen Seiten­
unterstützt werde. Dafür habe ich mich
­
­bedankt.
Im Hamburger Hafen gibt es traditionell
eine große Solidarität. Ich erinnere mich an
meinen größten Fall eines gestrandeten
Schiffs: Die „Verona“ war im Jahr 2000 von
ihrem Reeder aufgegeben worden. Fast der
ganze Hafen hat damals an einem Strang
gezogen und geholfen, die Besatzung von
acht oder neun Seeleuten über die Runden
zu bringen – das schwierige Verfahren lief
insgesamt neun Monate. Letztlich, als das
Schiff unter den Hammer kam, haben wir
erreicht, dass die Heuerforderungen der
Seeleute in Höhe von rund 250.000 DM zu
100 Prozent aus dem Versteigerungserlös
erfüllt wurden. Dieses Geld konnten wir nur
gemeinschaftlich erstreiten!
Solche Erfahrungen ziehen sich wie ein
roter Faden durch meine Tätigkeit: Wenn
die Menschen hier im Hafen merken, dass
Seeleute extrem schlecht und ungerecht
behandelt werden, dann passiert etwas,
dann wird das nicht einfach so hingenommen. Die Leute kommen in solchen Fällen
zu mir – auch wenn sie selbst nicht direkt
betroffen sind.“
8
PA N O R A M A
FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2016
Eine runde Sache
Seemannsmission Krayenkamp
­feierte 125-jähriges Bestehen
Der 15. Juni war ein großer Tag für
die „Deutsche Seemannsmission in
Hamburg e. V.“: Sie wurde 125 Jahre
alt und beging dies mit einem großen
Geburtstagsfest. Viele geladene Gäs­
te fanden – ähnlich wie sonst nur die
Seeleute – eine kurze „Heimat auf
Zeit“. Auf dem Programm standen
Ansprachen etwa von Bischöfin Kirs­
ten Fehrs und von Politikvertretern
sowie eine Andacht des Seemanns­
pastors Matthias Ristau. Natürlich
gab es viel Musik, die lokal ange­
hauchten Darbietungen reichten von
Hamburger Liedern bis zu den „KiezKauboys”. Für das leibliche Wohl
sorgten ein Fingerfood-Empfang und
ein Grillfest. Das allerwichtigste aber
war die Gelegenheit zum gegenseiti­
gen Austausch und zum gemütlichen
Klönen.
In der Einladung hatte das Team an die
geschichtlichen Umstände erinnert, die
schließlich zur Gründung der Seemannsmission führten. So hieß es etwa in den
„Fliegenden Blättern“ des diakonischen
„Rauhen Hauses“ 1884: „Die deutsche
Nation ist zum Bewusstsein einer Verpflichtung für ihre Seeleute noch nicht erwacht.“
Dabei hatte der Hamburger Johann Hinrich
Wichern, Begründer der Inneren Mission
FOTOS (4): NADINE GRENNINGLOH
und des Rauhen Hauses, schon 1849
­notiert: „Wir erinnern nun noch an die Fürsorge für die Matrosen, die in den Seestädten der Nord- und Ostsee so notwendig
wäre. Die großen Resultate, welche englische und namentlich amerikanische Gesellschaften […] erreicht haben, ermuntern
zur unverweilten Nachfolge.“ Am 15. Juni
1891 begründete dann Pastor Julius Jungclaussen die erste institutionalisierte Seemannsmission: In der Hansestadt sei ein
„Hülfskommitee“ für Seeleute erforderlich,
um die „kirchlichen und sittlichen Not­
stände“ des Seemannslebens zu schützen.
Auch wenn das heute vielleicht nicht
mehr zeitgemäß klingt, die Arbeit der
­Seemannsmission an einem Hafenstandort
wie Hamburg ist nach wie vor wichtig. Die
Einrichtungen sind für Seeleute aller Nationen, Kulturen und Religionen erste An­
laufstelle im fremden Hafen. Eine gute
Seemannsmission ist Willkommenskultur
und auch ein Wettbewerbsvorteil im WettRED
bewerb der Häfen Europas.
Auszeichnung für 1.000 Euro und ein Kicker
für den Seemannsclub
Duckdalben
Sonderpreis des internationalen
­maritimen Netzwerks ISWAN
Der internationale Seemannsclub
Duckdalben in Hamburg erhielt
den zum ersten Mal von ISWAN
(International Seafarers´ Welfare
and Assistance Network) verlie­
henen Sonderpreis „Judges Spe­
cial Award“. Die Preisverleihung
erfolgte am 24. Juni 2016 im
­Rahmen einer Feier der Internati­
onal Maritime Organisation (IMO)
in Manila.
ISWAN ist ein Netzwerk, das weltweit das Wohl der Seeleute fördert.
Die diesjährige ISWAN-Jury b­ egründete
ihre Entscheidung für den Duckdalben
damit, dass sie eine ­wirklich außer­
gewöhnliche Organisation mit einem
Sonderpreis für besondere Verdienste
um das Wohl der See­leute ehren wollte. Seit 30 Jahren entwickele der Internationale Seemannsclub Duckdalben
seine Dienste für Seeleute mit hochqualifizierten und engagierten Mitarbeitern. Weiter stellten die Preisrichter
die Kontinuität der Leistungen heraus.
Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
hätten „unermüdlich gear­beitet“, das
Angebot immer weiter zu verbessern
und dies auch noch nach dem Gewinn
des Awards als Bester Seemannsclub
2011.
Jan Oltmanns vom Duckdalben freute sich: „Es ist toll für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für alle,
die uns in unserer Arbeit unterstützen
und fördern. Wir alle werden mit diesem
Preis geehrt! Schon immer waren wir im
Duckdalben sehr innovativ und haben
dies immer verbunden mit ‚wellbeing’
und Service für Seeleute. Die Arbeit
für die Würde der Seeleute ist eigentlich
ein Marathonstaffellauf. Es kommt darauf an, beständig Top-Leistungen zu
bringen. Der Sonderpreis ist pünktlich
zum 30-jährigen Jubiläum des Clubs
im ­August eine große Ehrung.“ Seinen
30. Geburtstag feiert der Duckdalben
mit einer Festwoche vom 28. August
bis zum 3. September 2016.RED
Die Crew der Saga Sapphire sagt Danke!
Mit einer Doppel-Spende bedankte
sich die Crew der „Saga Sapphire“
Mitte Juni für die Hilfe, die sie bei
ihrem Stopp in Hamburg von der
Seafarers´ Lounge und vom Interna­
tionalen Seemannsclub Duckdalben
erhielt: Einerseits ging ein 1.000-Eu­
ro-Scheck an den Duckdalben. Ande­
rerseits spendierten die Seeleute
dem Club – ganz im Geiste der Euro­
pameisterschaft – einen Kickertisch.
Markus Wichmann, Leiter der Seafa­
rers´ Lounge, die sich als Dependance
an den Kreuzfahrtterminals um die
Crews der Kreuzfahrtschiffe küm­
mert: „Ein Kicker hat wie ein BillardTisch für Seeleute eine besondere
Bedeutung. An Bord eines Schiffes
kann man vieles spielen – nur nicht
Billard oder Kicker. Wenn Seeleute
einen Billardtisch oder einen Kicker
sehen, wissen sie: Wir sind an Land.“
Die Seeleute der „Saga Sapphire“ die
u­rsprünglich von Hapag-Lloyd Cruises
als MS Europa betrieben worden war,
­waren fast zwei Monate in Hamburg. Die
Saga lag 55 Tage bei Blohm & Voss zur
Über­holung und Aufrischung. Wichmann:
„Der längere Aufenthalt führte zu einer
inten­
siveren Beziehung zwischen uns
und der Besatzung. Wir von der Lounge
machten Krankenhausbesuche und besuchten die Crew auf dem Schiff. Das
Team vom ­Duckdalben fuhr mehrere tausend Kilo­
meter von Blohm & Voss in
den Club und zurück, um die Crew zum
FOTOS (2): FERNANDO MAGAYANES
Chillen und Kommunizieren in den Club
zu holen.“
Die Seafarers´ Lounges an den Kreuzfahrtterminals in Altona, Hamburg-Steinwerder und in der Hafen-City sind Gemeinschaftsprojekte der Seemannsmissionen
Hamburg-Altona und Hamburg-Harburg
sowie der Deutschen Seemannsmission in
Hamburg e. V. Sie wurden gegründet, um
auch denen eine Heimat auf Zeit zu bieten,
die Kreuzfahrten erst möglich machen:
weltweit über 250.000 Servicemitarbeiter,
Seeleute und Techniker. 2015 besuchten
mehr als 20.000 Seeleute oder Servicemitarbeiter die Lounges. Auf Luxusschiffen
kann das Verhältnis Passagier-Crewmitglied
bei 1:1 liegen, meist kommen zwei bis
drei Passagiere auf ein Crewmitglied. Die
„Saga Sapphire“ hat 300 Crew-Mitglieder
und Platz für maximal 600 Passagiere.
Wichmann erklärt: „Auch die Crews der
Cruiseliner brauchen Unterstützung. Wer
meint, dass auf diesen Schiffen die Arbeit
einfacher ist als auf Frachtschiffen, der
irrt.“ Die Lounges sind kleine Oasen, wo
die Mannschaften der Luxusliner auftanken, Dinge für den täglichen Bedarf kaufen
oder via Skype mit ihren Familien in KonRED
takt treten können.
FOTO: D.W. KALINA/PIXELIO
Funkstille bei URAG Steife
Geschäftsführung kündigte Rahmen- und Heuertarifvertrag
Brise für
Briese
Ende Februar erhielt die ver.di-­
Geschäftsstelle Bremen Post von der
Geschäftsführung der Unterweser
Reederei GmbH (URAG). Inhalt des
Schreibens war die Kündigung des
bestehenden Rahmen- und Heuer­
tarifvertrages. Damit verbunden wa­
ren drei Forderungen:
ein übersichtlicherer Rahmentarif­vertrag,
eine einheitliche Jahresarbeitszeit
für alle Seemitarbeiter,
weitere Forderungen werden
­vorbehalten.
Die URAG-Geschäftsführung hatte es
eilig mit der Umsetzung und schlug noch
für März drei Verhandlungstermine vor.
Die ver.di-Tarifkommission der URAG befasste sich daraufhin mit den Anliegen des
Unternehmens, sah sich aber nicht in der
Lage, eine Position dazu zu finden. Die
­Forderungen sind zu pauschal, ja es bleibt
unklar, was eigentlich gewollt ist. So
­verlangte ver.di von der URAG-Geschäftsführung, konkreter zu werden. Eine Antwort auf die ver.di-Nachfragen steht bis
zum heutigen Tag aus, trotz zweimaligen
Nachhakens. Die Tarifkommission benötigt
eindeutige Aussagen zu tariflichen Änderungen, um verantwortungsvoll darüber
befinden zu können. Nur so kann man
wirksam auch die Interessen der KolleginPG
nen und Kollegen berücksichtigen.
US-Behörde
ahndet Umweltverstoß
Acht Forschungsschiffe bereedert die
Briese Schiffahrts GmbH & Co. KG aus
dem ostfriesischen Leer. Besitzer sind
der Bund und die Länder. Einige an
Bord dieser Schiffe durchgeführte
Forschungs­vorhaben beschäftigen sich
immer wieder auch mit Fragen der
­Umwelt und des U
­ mweltschutzes. Dennoch beschuldigte die US-Coast Guard
die Reederei, am 27. März dieses Jahres veröltes Abwasser vom Frachter
„Magellan“ mit einem Schlauch in den
Hafen von Pensacola/Florida einge­
leitet zu haben. Die Crew leugnete zunächst, zeigte sich dann jedoch ge­
ständig. Die Sache wurde teuer für
Briese: Wegen des Verstoßes gegen die
Marpol-Umweltauflagen, die in den
­
USA einer strengen Kontrolle unter­
liegen, wurden der Kapitän und drei
weitere Crewmitglieder monatelang
in den USA festgehalten, ein Bezirks­
gericht verhängte eine Strafe von
1.500.000 US-Dollar zuzüglich 600.000
US-Dollar Anwaltskosten. Außerdem
darf die „Magellan“ fünf Jahre lang
­keinen Hafen in den USA anlaufen.
Seniorchef Briese spielt die Unschuld vom Lande. Den Chef­ingenieur,
dem die Verschmutzung zur Last gelegt wird, hat er entlassen. ­Sicher wird
man dem Reeder persönlich nichts
­beweisen können, aber kein vernünftiger Seemann verunreinigt die Umwelt,
wenn er dazu nicht animiert wird.
Die Entlassung des ­Seemannes macht
das nicht glaubwürdiger. Und auch
der VDR, der die Strafen für nicht angemessen hält, zeigt erneut, was er
von Gesetzen, Regeln und Verordnungen hält. Wenn es richtig ist, was über
die Coast Guard geschrieben wird,
dann sollte ver.di alle Seeleute auffordern, zu ihrem ­eigenen Schutz bei solchen Verstößen selbst die Coast Guard
und auch andere Behörden zu informieren, sonst müssen sie als Geringstverdiener am Ende noch für die BußPG
gelder herhalten.