infobrief 14/2011 - FIS Money Advice

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infobrief 14/2011 - FIS Money Advice
infobrief 14/2011
Donnerstag, 9. Juni 2011
AT
- Seit 1995 - Ein Service des iff für die Verbraucherzentralen und den VZBV - Seit 1995 Infobriefe im Internet: http://www.iff-hamburg.de/index.php?id=3030
Stichwörter
Offene Immobilienfonds, Verkaufsempfehlung an einige Kunden kurz vor Schließung, Kundenschädigung, Ansprüche, Commerzbank, PMIA
1 Sachverhalt
Die Verbraucherzentrale Hamburg berichtete über zahlreiche Fälle, in denen die Commerzbank
ihren Kunden seit Juni 2008 massiv empfahl, den allein von ihr vertriebenen offenen Immobilien-Dachfonds Premium Management Immobilien-Anlagen (ISIN DE000A0ND6C8, Herausgeber Allianz Global Investors), im Folgenden PMIA genannt, zu erwerben.
Die Commerzbank hatte dabei zumindest teilweise Umschichtungen aus anderen offenen Immobilienfonds wie Commerzbank Hausinvest Europa empfohlen. Zielgruppe unter den Kunden
waren offensichtlich sicherheitsorientierte, oftmals ältere Anleger, denen in der Beratung die
Überzeugung vermittelt wurde, eine sachwerthinterlegte, täglich verfügbare Anlage zu erwerben. Bis August 2010 hielt die Commerzbank an ihrer Empfehlung, den PMIA als flexible Anlagemöglichkeit zu kaufen, fest.
Der Dachfonds wurde seit dem 19.5.2008 aktiv von der Commerzbank verkauft und als risikoarme Geldanlage gewertet (Risikoklasse 2 - konservativ).1 Das Fondsvolumen nahm zumindest
seit März 2009 signifikant ab:
Quelle. Halbjahresbericht des PMIA vom 30. September 2010, S. 1
Aktuell sind 14 von 25 offenen Immobilienfonds für private Anleger mit einem Volumen von
>100 Mio. Euro geschlossen oder befinden sich in Auflösung. Bezogen auf das Volumen der
Fonds entspricht dies 37 %. Der PMIA hatte seit Mai 2008 in zahlreiche offene Immobilienfonds
1
Siehe Halbjahresbericht des Fonds vom 30. September 2010, www.allianzglobalinvestors.de.
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investiert, die zum Teil schon im Jahr 2008 geschlossen wurden und bei denen sich nun ebenfalls welche in Auflösung befinden:
Quelle. Halbjahresbericht des PMIA vom 30. September 2010, S. 3
Die Anteilscheinausgabe und -rücknahme des Fonds wurde mit Wirkung zum 27.09.2010 bis
auf Weiteres ausgesetzt, der Fonds also geschlossen.
Die Commerzbank setzte im Laufe des Septembers die interne Einschätzung des Fonds auf
„unattraktiv“ und hielt ihre Kundenberater an, Anleger über den Schwenk in der Bewertung
des PMIA zu informieren und ihnen zum sofortigen Verkauf zu raten. Die Verkaufsempfehlungen zum PMIA ab 23.09.2010 setzten eine Welle von Anteilsrückgaben in Gang, die in der
Schließung des Fonds am 24.09.2010, 14.00 Uhr, kulminierte. Denn innerhalb kürzester Zeit
war klar, dass der Fonds nicht alle Anleger auszahlen konnte. Viele Anleger wurden von der
Commerzbank entweder zu spät erreicht oder gar nicht kontaktiert, so dass sie ihre Anteile
nicht mehr vor der Schließung verkaufen konnten. Bei vielen, kurz vor der Schließung geführten Anrufe der Berater wurden Beratungsprotokolle verfasst und an die Kunden geschickt, die
in vielen Fällen nicht das tatsächliche Gespräch wiedergaben, sondern frei erfunden zu sein
scheinen.2
Fraglich ist, welche Ansprüche die privaten Anleger haben, die nicht oder zu spät von der
Schließung des Dachfonds informiert wurden und derzeit ihre Anteile nur am Zweitmarkt mit
einem Preisabschlag von 33,8 % im Verhältnis zum letzten Rücknahmewert verkaufen können
(Stand: Ende April 2011).
2
Die Darstellung des Sachverhalts ist von der Seite der Verbraucherzentrale Hamburg in gekürzter Fassung übernommen worden, die die Anfrage an das iff bzgl. möglicher Ansprüche der Kunden stellte:
http://www.vzhh.de/geldanlage/101507/commerzbank-faelscht-beratungsprotokolle.aspx
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2 Stellungnahme
2.1
Ökonomische Bewertung
Problematisch erscheinen schon die Gründung eines Dachfonds von offenen Immobilienfonds
und der Verkauf von Anteilen im Mai 2008. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits Schließungen
von offenen Immobilienfonds in der Vergangenheit (2006) und die Finanzkrise, ausgelöst durch
eine Immobilienkrise in den USA, war voll im Gang. In diesem Umfeld einen Dachfonds zu offene Immobilienfonds aufzulegen erscheint sehr problematisch. Das zeigt auch die Entwicklung
schon im ersten Jahr 2008, an dessen Ende 11 offene Immobilienfonds schließen mussten.3
Unklar ist auch, wieso der Dachfonds PMIA über die folgenden zwei Jahre seinen Schwerpunkt
bei offenen Immobilienfonds behalten hat und nicht andere Anlageformen in diesem Segment
wie REITs und Unternehmen mit Schwerpunkt Immobilien ausgebaut hat, wie es andere kleinere Dachfonds vorgenommen haben, um zukünftige Liquiditätsprobleme zu vermeiden.
Sowohl die Auflegung des Dachfonds im Mai 2008 als auch die Beharrung auf der Schwerpunktbildung auf offenen Immobilienfonds in den beiden Folgejahren deuten auf schwerwiegende Managementfehler hin. Die Schließung hat sich aufgrund des sinkenden Fondsvolumens
und der Vielzahl geschlossener Immobilienfonds schon länger abgezeichnet und kam nicht
überraschend. Der Fall PMIA zeigt anschaulich, dass Dachfonds nicht die Probleme der jeweiligen Sparte ignorieren können.
2.2
Vermuteter Ablauf des Geschehens
Der aktive Verkauf von PMIA an eigene Kunden bis in den Herbst 2010 im Rahmen einer Anlageberatung lässt darauf deuten, dass die Commerzbank versucht hat, den Vertrieb des PMIA
über zwei Jahre aufrecht zu erhalten und damit den Dachfonds und die darin enthaltenen offenen Immobilienfonds, die zum Teil zum eigenen Konzern gehören, zu stabilisieren. Zu einem
sehr späten Zeitpunkt hat die Zentrale anscheinend beschlossen, den Dachfonds fallen zu lassen und nur noch den hauseigenen offenen Immobilienfonds hausInvest europa zu stützen, in
den bereits der hausInvest global aufgegangen war. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss der
Commerzbank klar gewesen sein, dass der PMIA nicht mehr offen zu halten war und nicht alle
Kunden ausgezahlt werden können.
Einige Kunden hat die Commerzbank im September 2010 aktiv angesprochen und zum Verkauf
der Anteile des PMIA geraten. Damit hat sie die Schließung selbst zumindest im letzten Monat
3
„Offene Immobilienfonds Anleger in Sorge - Fachleute rechnen damit, dass weitere Gesellschaften offene Immobilienfonds schließen.“ Süddeutsche Zeitung vom 31.10.2008 sowie „Finanzkrise: Bittere Zeiten für offene Immobilienfonds. Die Finanzkrise hat die offenen Immobilienfonds erreicht. Bereits vier
wurden eingefroren. Weitere dürften folgen. Die Anleger kommen nicht an ihr Geld. Verluste drohen.“
Focus online vom 29.10.2008.
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beschleunigt. Unklar ist, ob die Anteilseigener ausschließlich Kunden der Commerzbank waren
und sich die Bank selbst ausrechnen konnte, wie viele Kunden, denen die Bankberater im September zum Verkauf geraten haben, aus der Liquidität bedient werden können und wie viele
eigene Kunden von der folgenden Schließung betroffen sein werden. Offen ist auch, was die
Welle der Verkaufsempfehlungen ausgelöst hat. Da der Dachfonds im Jahr 2008 von der Allianz aufgelegt wurde, ist zumindest nicht auszuschließen, dass der Dachfonds durch weitere
Vertriebskanäle an private Anleger verkauft wurde und die Welle der Verkaufsempfehlungen
durch andere Parteien ausgelöst wurde.
2.3
Vertragliche Ansprüche gegen die beratende Bank
Bei einer Anlageberatung kommen vertragliche Ansprüche nur dann in Betracht, wenn die
Empfehlung zu diesem Zeitpunkt nicht anleger- und objektgerecht war. Zudem kann eine Aufklärungspflichtverletzung bei der Vermittlung bestehen, soweit nicht über die Risiken einer
Schließung informiert wurde, obwohl es in der Vergangenheit schon zu Schließungen vergleichbarer Fonds gekommen war – siehe dazu die Ausführungen weiter unten sowie das Infomaterial des iff zu offenen Immobilienfonds (Stand Mai 2011). Es besteht jedoch weder bei
der Vermittlung noch bei der Anlageberatung eine Pflicht, zu einem späteren Zeitpunkt den
Verbraucher von neuen Ereignissen zu unterrichten. Die Anlageberatung ist mit der Empfehlung selbst abgeschlossen.
2.3.1 Fehlerhafte Anlageberatung bzw. Vermittlung
Durch die Schließung einzelner offenen Immobilienfonds, die Teil des Dachfonds waren, wurde
eine Schließung auch des Dachfonds schon im gleichen Jahr der Auflegung 2008 wahrscheinlich. Ein aktiver Verkauf an Anleger ohne entsprechende Aufklärung über die aktuelle Situation stellt sowohl im Rahmen einer Vermittlung eine Aufklärungspflichtverletzung dar als
auch im Rahmen einer Anlageberatung eine Falschberatung. Beratungs- bzw. Aufklärungsfehler können auch schon zu Beginn der Auflegung gegeben sein, da es schon Schließungen von
offenen Immobilienfonds im Vorfeld gab und die Finanzkrise die Situation zudem in besonderer Weise für den Immobiliensektor verschärft hat.
Eine Falschberatung ist beispielsweise dann anzunehmen, wenn offene Immobilienfonds als
„sicher“ und „liquide“ verkauft wurden und ein Hinweis unterblieb, dass einer der gekauften (Unter-)Fonds in der Vergangenheit schon einmal geschlossen war oder über mögliche
Wertberichtigungen und Probleme des offenen Immobilienfonds in der Presse bereits berichtet
wurde, ohne dass der Berater dies gegenüber den Verbrauchern erwähnt hat. Denkbar ist vor
allem, dass seit der Schließung des ersten offenen Immobilienfonds grundbesitz invest der
Deutschen Bank-Tochter DB Real Estate in Deutschland am 13. Dezember 2005 eine generelle
erhöhte Aufklärungspflicht über Risiken bei offenen Immobilienfonds bestand, wenn die Anleger in diesem Fall auch entschädigt wurden. Fraglich ist auch, ob der Hinweis auf eine „mün-
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delsichere“ Geldanlage (z.B. derzeit immer noch bei hausInvest) zumindest seit diesem Zeitpunkt eine Irreführung der Verbraucher darstellt. Zu ersten Urteilen siehe LG Nürnberg-Fürth.4
Eine Falschberatung kann sich auch daraus ergeben, dass die Anlage nicht zu der geplanten
Anlagedauer passte oder nicht dem Risikotyp des Anleger entsprach, zum Beispiel wenn es
als Alternative zum Tagesgeld verkauft, als alleinige Anlageform ohne Risikostreuung empfohlen, als jederzeit liquide dargestellt oder für regelmäßige Entnahmen zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts empfohlen wurde.
Eine Umschichtungsempfehlung kann eine Falschberatung darstellen, wenn diese aus Provisionsinteresse erfolgt und die Umschichtung zum Zeitpunkt der Beratung keine Verbesserung
des Rendite-Risiko-Profils erwarten lässt bzw. die Kosten durch die Umschichtung nicht im
Verhältnis zur Verbesserung des erwarteten Rendite-Risiko-Profils stehen. Bei einer Umschichtung von einem offenen Immobilienfonds in einen Dachfonds, der sich teilweise auf den gleichen offenen Immobilienfonds zusammensetzt und wahrscheinlich höhere laufende Kosten hat
als der offene Immobilienfonds allein, wird der Anlageberater die Sinnhaftigkeit der Umschichtung kaum belegen können. Zudem ist hier auch an die Kick-Back-Entscheidungen des BGH zu
denken. Auch bedeutet ein Dachfonds, wie der Fall anschaulich zeigt, keine Reduzierung des
Risikos der Schließung des Fonds. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall, weil einzelne Schließungen sich viel stärker auf einen Dachfonds auswirken als auf einen eigenständigen anderen
Fonds. Bei einer Schädigung in Folge der Umschichtung durch Provisionen oder auch einer späteren Schließung kann der Anleger Schadensersatz aufgrund Falschberatung geltend machen.
Ansprüche aus einem Beratungsverschulden verjähren bei einer Anlageberatung/Erwerb der
Anteile bis zum 5.8.2009 gem. § 37a WpHG a.F. innerhalb von 3 Jahren stichtagsbezogen, danach aufgrund der Gesetzesänderung in der Regel innerhalb von drei Jahren zum Jahresende,
spätestens nach 10 Jahren. Die meisten Ansprüche werden daher nicht verjährt sein.
Wer im Jahr 2008 Fondsanteile erworben hat, soll möglichst schnell einen Rechtsanwalt aufsuchen.
Die Beratung wird ex ante betrachtet und endet mit der Anlageentscheidung. Ansprüche aufgrund fehlender späterer Unterrichtung können aus einem früheren Beratungsvertrag nicht abgeleitet werden (Vortmann Aufklärungs-und Beratungspflichten der Banken 9. Aufl., 2009, Rz.
705 ff. (707); LG Frankfurt WM 2007, 2108. Fragt der Anleger aber später nach und erhält die
Empfehlung, den Fonds zu halten, stellt dies eine neue Anlageberatung dar.
2.3.2 Vermögensverwaltungsvertrag
Bei einem Vermögensverwaltungsvertrag ist der Kunde über neue Ereignisse und Risiken
aufzuklären und der Vermögensverwalter hat die Interessen im Sinne des Kunden und der vereinbarten Anlagestrategie wahrzunehmen (siehe: Assmann/Schneider WpHG 5. Aufl., § 31
Rz. 7; Vortmann a.a.O. Rz. 815 ff.).
4
Urteil vom 19.01.2011, Az. 10 O 6490/10, WM 2011, 695 – DEGI Global Business, Kauf Anfang 2007
als sichere Anlage eines erfahrenen Anlegers, keine erkennbare Falschberatung.
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Soweit Interessenkollisionen zwischen mehreren Kunden bestehen, sind diese gleichrangig zu
behandeln und pro rata zu bedienen Assmann/Schneider WpHG 5. Aufl., § 31 Rz. 9). Dieser
Grundsatz aus der Zuteilung beispielsweise von Neuemissionen etc. lässt sich auf den Verkauf
von Wertpapieren übertragen. Eine Bank kann daher nicht einzelne Kunden der Vermögensverwaltung zu Lasten von anderen Kunden benachteiligen, indem sie die Anteile ersterer kurz
vor der Schließung noch vollständig verkauft, um Verluste und Liquiditätsentzug zu vermeiden,
Anteile anderer Kunden mit Vermögensverwaltung aber bis zur Schließung im Depot behält.
Bei Untätigkeit des Vermögensverwalters trotz Bekanntheit hoher Mittelabflüsse bzw. massenweiser Verkaufsempfehlungen des einzigen Vertriebskanals sowie bei Ungleichbehandlung von
Kunden innerhalb der Vermögensverwaltung besteht ein Schadensersatzanspruch aufgrund der
Verletzung des Vermögensverwaltungsvertrages.
2.4
Prospekthaftung gegenüber der KAG
Möglich ist, dass ein Schadensersatzanspruch gegen die Kapitalanlagegesellschaft (KAG) bzw.
die Vermittler aufgrund von fehlerhaften Prospekten geltend gemacht werden kann. Zentraler
Teil der Prospekte ist die Risikoaufklärung.5 Die Risiken durch Schließung einzelner offener
Immobilienfonds waren bekannt, ebenso dass das Risiko der Schließung einzelner Fonds auf
den Dach-Fonds durchschlagen könnte. Die Finanzkrise hat dazu besondere Risiken für den
Immobilienbereich geschaffen. Die Prospekte sind auf die korrekte Risikoaufklärung der Anleger hin zu prüfen. Die Prospekthaftung ist in § 127 InvG geregelt und verjährt spätestens
3 Jahre nach Kauf der Anteile.
2.5
Deliktische Ansprüche gegen die beratende Bank
Denkbar sind deliktische Ansprüche aufgrund vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem.
§ 826 BGB. Mit der Aufforderung einer großen Kundengruppe zum Verkauf von Anteilen eines
offenen Immobilienfonds ist der Bank bewusst, dass die nicht oder zu spät unterrichteten Kunden von der Schließung betroffen sein werden. Aus der Anzahl der angesprochenen Kunden
und der Cashquote bzw. finanziellen Situation des Fonds lässt sich für die Bank einfach ermitteln, wie schnell der Fonds geschlossen wird.
Die Handlung besteht in der Empfehlung bzw. dem Auffordern anderer Kunden zum Verkauf
der Fondsanteile. Die Handlung an sich muss objektiv sittenwidrig, der Gesamtcharakter des
Tuns verwerflich sein. Sie kann auch im Missbrauch einer formalen Rechtsposition bestehen.
Eine konkrete Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich (Palandt 70. Aufl., 2011 § 826 Rz. 4 ff.
BGB).
Soweit eine flächendeckende Verkaufsempfehlung eines Produkts erteilt wird, das im Wesentlichen im eigenen Kundenkreis verkauft wurde und bei dem der Fonds durch sein Investment in
Immobilien bis auf die Cashquote per se illiquide ist, führt die Empfehlung sehr wahrscheinlich
5
Bankrechts-Handbuch 3. Aufl., § 113, Rz. 79 ff. (80).
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zu einem massenweisen Verkauf, der zwangsweise zur Schließung des Fonds führt. Der Schaden besteht in Wertabschlägen beim Verkauf am Zweitmarkt bzw. bei späterer Auflösung und
fehlender Liquidität, die möglicherweise kostenintensiv überbrückt werden muss. In diesem
Fall kann eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der verbleibenden Kunden gem. § 826
BGB angenommen werden. Im vorliegenden Fall ist aber unklar, ob die Commerzbank der einzige Vertriebskanal war. Soweit nicht nur eigene Kunden betroffen sind und die Bank das Geschehen nicht in der Hand hat, ist fraglich, ob noch ein Kausalzusammenhang besteht. Soweit
die Bank nicht die Ursache für die Verkaufswelle setzt und auch andere Berater ihren Kunden
zeitgleich empfehlen, zu verkaufen, fehlt es an der Kausalität. Zudem muss die Bank sogar auf
Nachfrage im Rahmen einer Anlageberatung zum Verkauf raten, wenn es zu einer allgemeinen
Verkaufswelle kommt. Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung ist zwar grundsätzlich denkbar, im vorliegenden Fall reichen die Anhaltspunkte bisher aber nicht dafür aus.
2.6
Ansprüche gegen weitere Beteiligte
2.6.1 Ansprüche gegen die Kapitalanlagegesellschaft
Eine Kapitalanlagegesellschaft hat gem. § 9 Abs. 2 Nr. 3 InvG Interessenkonflikte zu vermeiden und den Gleichbehandlungsgrundsatz im Verhältnis zu den einzelnen Anlegern zu beachten
(VG Frankfurt 22.12.2008, Az. 1 L 4252/08). Wird der Kapitalanlagegesellschaft deutlich, dass
eine Welle von Verkäufen von Anlegern auf sie zukommt, die sie nicht aus ihrer vorhandenen
Liquidität bedienen kann, ist fraglich, ob sie die ersten Anleger bedienen darf in dem Wissen,
dass folgende Anleger nicht mehr bedient werden können. In diesem Fall sind Schadensersatzansprüche der Anleger gegen die Kapitalanlagegesellschaft denkbar. Üblich ist deshalb, dass
die Kapitalanlagegesellschaft bei übergroßem Rückgabebegehren von Fondsanteilen die Rücknahme von sich aus aussetzt, siehe dazu die Entscheidung des LG Frankfurt aus dem Jahr
2006 zur Schließung eines offenen Immobilienfonds.6 Offen ist die Frage, auf welchen Zeitraum sich die Interessenabwägung beziehen muss, wenn schon seit längerem verstärkt Anteile
zurückgegeben werden. Im vorliegenden Fall müsste auch geklärt werden, wie die Rückgabe in
den letzten Tagen der Schließung ablief.
2.6.2 Ansprüche gegen die Depotbank
Ansprüche der Anteilseigner gegen die Depotbank sind ebenfalls möglich.7 Die herrschende
Meinung nimmt einen echten Vertrag (Investmentgesellschaft – Depotbank) zugunsten Dritter
(Anteilseigner) an,8 aus dem der private Anleger Schadensersatzansprüche ableiten kann.
Voraussetzung ist, dass die Depotbank als Treuhänder gegen ihre gesetzlichen Kontrollpflichten verstoßen hat, zum Beispiel wenn sie Geschäfte der Investmentgesellschaft, die nicht mit
6
LG Frankfurt 19.12.2006, Az. 2-19 O 124/06, WM 2007, 2108.
7
ebenda
8
Kümpel Bank- und Kapitalmarktrecht 3. Aufl., Rz. 12.165.
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den Anlagegrundsätzen übereinstimmen, zulässt. Die Depotbank hat dabei eine Rechtmäßigkeitskontrolle vorzunehmen und vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen.9
In Betracht kommt im vorliegenden Fall beispielsweise ein Verstoß gegen § 80 Abs. 1 S. 2
InvG, nach dem die Kapitalanlagegesellschaft sicherzustellen hat, dass ein Betrag, der mindestens 5 Prozent des Wertes des Sondervermögens täglich für die Rücknahme von Anteilen verfügbar ist. Wird gegen diese Vorschrift verstoßen, weil die Kapitalanlagegesellschaft Fondsanteile einzelne Anteilseigner doch noch zurückzunehmen will, kann darin ein Verstoß gegen die
gesetzlichen Vorschriften vorliegen. Verletzt die Depotbank ihre gesetzlichen Kontrollpflichten,
kann dies zu einem Schadensersatzanspruch der Anteilseigner gegenüber der Depotbank führen. In der Regel wird die Kapitalanlagegesellschaft aber die Rücknahme frühzeitig selbst aussetzen, wenn sie bemerkt, dass die liquiden Mittel nicht zur Rücknahme der Anteile ausreichen
werden (s.o.).
3 Fazit
Nicht nachvollziehbar ist, wie ein Dachfonds in offene Immobilienfonds im Mai 2008 zu einem
Zeitpunkt aufgelegt werden konnte, in dem offene Immobilienfonds schon davor zeitweise geschlossen waren, die Finanzkrise die Situation aktuell verschärfte. Kurz nach Auflegung im
gleichen Jahr kam es weiteren Schließungen von offenen Immobilienfonds, die sich teilweise
im Dachfonds befanden, ohne dass es in den beiden folgenden Jahren zu einer Änderung der
Strategie des Dachfonds selbst oder der Anlageberatung der Commerzbank kam.
9
Ein eigener Anspruch auf Unterrichtung bzw. Reaktion bei neuen Ereignissen besteht
bei einer reinen Anlageberatung oder Anlagevermittlung nicht, sondern nur im Fall einer
laufenden Vermögensverwaltung.
Bei der Mehrheit der privaten Anleger kommt aber ein Schadensersatzanspruch aufgrund fehlerhafter Beratung bzw. Aufklärung zum Zeitpunkt des Erwerbs in Betracht.
Die Mehrheit der Fälle wird noch nicht verjährt sein.
Eine Empfehlung zum Halten auf Nachfrage des Kunden stellt eine neue Anlageberatung
dar, die ihrerseits Schadensersatzansprüche begründen kann.
Ein deliktischer Anspruch aufgrund vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung durch die
Empfehlung gegenüber anderen Kunden, den Fonds PMIA zu verkaufen, ist zwar grundsätzlich denkbar, es fehlen jedoch Anhaltspunkte für eine vorsätzliche sittenwidrige
Schädigung.
Daneben sind Ansprüche gegen die Kapitalanlagegesellschaft und die Depotbank denkbar, soweit der Prospekt unrichtig oder unvollständig war, Anleger ungleich bei der
Rückgabe der Anteile behandelt wurden oder gegen gesetzliche bzw. vertragliche Anlagevorschriften verstoßen wurde, ohne dass die Depotbank eingeschritten ist. Zur Klärung wären dazu weitere Informationen notwendig.
BGH vom 18.9.2001, Az. XI ZR 337/00
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