Falk Gastro-Kolleg Darm

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Falk Gastro-Kolleg Darm
Falk
Gastro-Kolleg
Chronische Obstipation
krank
Subjektive Beschwerden
krank
Stuhlgang/Tag
gesund
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–1
0
1
Darm
gesund
2
3
4
Chronische Obstipation
Zusammenfassung
Die chronische Obstipation ist mit einer Prävalenz von 3–18% eine der häufigsten
Beschwerden in der Allgemeinbevölkerung. Aufgrund der demografischen Entwicklung
wird die chronische Obstipation zunehmen. Dies ist von großer klinischer und sozioökonomischer Bedeutung. Die chronische Obstipation ist von zahlreichen Mythen
begleitet (Autointoxikation bei Stuhlverhalt, klinisch relevanter Einfluss von Darmlänge
[Dolichokolon], gastrointestinalen bzw. anderen Hormonen, Ballaststoffzufuhr, Flüssigkeitszufuhr bzw. inadäquatem Lebensstil auf das Stuhlverhalten), für die es bisher keine
wissenschaftlichen Belege gibt. Die Charakterisierung der chronischen Obstipation als
zum Arztbesuch führende und die Lebensqualität einschränkende Erkrankung wird
wesentlich durch die subjektive Beeinträchtigung (Pressen, Gefühl der inkompletten
Entleerung, Gefühl der anorektalen Obstruktion/Blockade) und weniger durch objektive
Parameter (Stuhlfrequenz) bestimmt. Die chronische Obstipation ist insofern eine
typische „Eisberg-Erkrankung“, bei der der Übergang von physiologisch zu krankhaft
fließend ist. Während die Stuhlentleerungsstörung in der Regel anhand funktioneller
(z. B. Beckenbodendyssynergie) oder morphologischer (z. B. Beckenbodensenkung,
rektoanaler Prolaps) Veränderungen dargestellt werden kann, ist die Pathophysiologie
der Passagestörung („slow transit constipation“) in der Klinik schwieriger zu fassen.
Nach heutigen Vorstellungen ist die chronische Obstipation häufig die Folge von
neuromuskulären oder neurosekretorischen Störungen, die mit sensomotorischen
Veränderungen einhergehen. Entscheidend ist, bereits zu Beginn der Diagnostik durch
eine genaue Anamnese, ggf. mit Anlage eines Stuhl- bzw. Ernährungstagebuchs, und
durch die klinische Untersuchung inkl. rektal-digitaler Untersuchung zwischen einer
Obstipation mit verlangsamter Dickdarmpassage („slow transit constipation“) und einer
Obstipation bei anorektaler Entleerungsstörung („outlet obstruction“) zu differenzieren.
Während bei der Transitstörung nur im Einzelfall eine weiterführende Diagnostik
(Passage-/Entleerungszeiten, gastrointestinale Motilität) mithilfe verschiedener Techniken
(Manometrie, Atemtests, Markeruntersuchungen, Szintigrafie, Kernspintomografie,
Barostat, laparoskopische Entnahme von Ganzwandproben) angezeigt ist, sollte bei
Verdacht auf Stuhlentleerungsstörungen immer eine proktologische und ggf. proktoskopische Untersuchung erfolgen. Im Einzelfall kann diese Basisuntersuchung durch
Prof. Dr. T. Frieling
Dipl. Psych. R. Kuhlbusch-Zicklam
Medizinische Klinik II
HELIOS Klinikum Krefeld
Lutherplatz 4
4 Krefeld
Fragebeantwortung unter
www.falkfoundation.de
Falk Gastro-Kolleg
Titelbild: „Eisberg-Erkrankung“ chronische Obstipation – fließender Übergang zwischen gesund
und krank
1
weiterführende Untersuchungen (anorektale Manometrie, anale Elektromyografie,
Elektromyografie des Nervus pudendus, Defäkografie, Defäko-MRT, Ballonexpulsionstest)
ergänzt werden. Die Basistherapie der chronischen Obstipation beginnt mit Allgemeinmaßnahmen („gesunde Lebensweise“ mit ausreichender körperlicher Aktivität, Reduk­
tion des Übergewichts und Vermeidung von Stress bzw. eine „gesunde Ernährung“ mit
ausgewogener Ernährung und ausreichender Flüssigkeitszufuhr, Optimierung der
Ballaststoffzufuhr). Der Einsatz von Laxanzien beinhaltet Füll- und Quellstoffe, osmotische
Laxanzien bzw. Macrogole. Ein grundsätzlicher Vorteil einer bestimmten Substanzklasse
ist nicht erkennbar. Bei regelhaftem Gebrauch sind stimulierende Laxanzien sichere und
effektive Medikamente. Interessante Neuerungen stellen die Entwicklung von Substanzen mit sekretionsförderndem Effekt bzw. von Prokinetika dar. Die Behandlung der „outlet
obstruction“ unterscheidet sich grundlegend von der Therapie der „slow transit constipation“ und beinhaltet das Toilettentraining, die Applikation von Klysmen bzw. Kohlendioxid-bildenden Zäpfchen sowie das Beckenboden- und das Biofeedback-Training. Bei
Problempatienten, die auf die Therapiestrategien nicht ansprechen, sind eine interdisziplinäre Beurteilung – möglichst in einem Kontinenz- bzw. Beckenbodenzentrum – und
eine differenzierte Diagnostik zur Abklärung von chirurgischen Optionen (verschiedene
Formen der Beckenbodenplastik, Rektopexie, Wiederherstellungsverfahren des rektovaginalen Septums bzw. die Entfernung „überschüssigen Rektumgewebes“) erforderlich.
Bei der „slow transit constipation“ ist vor resezierenden Verfahren (Proktektomie, Sigmaresektion, Kolektomie, Proktokolektomie, Reduktionsrektoplastien) bei Megarektum/-kolon
bzw. Sigma elongatum zu warnen. Hier muss vor einer Operation auf jeden Fall eine
generalisierte Motilitätsstörung ausgeschlossen werden und eine enge Zusammenarbeit
mit vernetzten klinischen und grundlagenwissenschaftlichen neurogastroenterologischen Zentren erfolgen. Interessant ist die Etablierung der Sakralnervenstimulation,
die bei etwa 90% der Patienten eine Besserung der Beschwerden (Stuhlfrequenz,
Notwendigkeit des Pressens, inkomplette Entleerung) erzielen kann.
Falk
Gastro-Kolleg
Darm
Schlüsselwörter
Alter | demografische Entwicklung | Obstipation | Stuhlentleerungsstörung |
„slow transit constipation“ | „outlet obstruction“ | Motilität | enterisches
Nervensystem | Stuhlinkontinenz | Laxanzien | Prokinetika | Ballaststoffe
Chronische Obstipation
Hintergrund
Demografische Entwicklung und Häufigkeit der chronischen Obstipation
Die chronische Obstipation ist eine der häufigsten Beschwerden in der Allgemeinbevölkerung. So klagten nach einer Umfrage der Apothekenumschau innerhalb eines
Jahres etwa 8% der befragten Bundesbürger über Verstopfung [1]. Diese Zahlen werden durch größere epidemiologische Untersuchungen mit Prävalenzangaben von
3–18% gestützt, wobei in Deutschland und Europa von einer mittleren Prävalenz von
ca. 5–15% in der Allgemeinbevölkerung auszugehen ist [2]. Ein weiterer sensibler Parameter für die Relevanz der chronischen Obstipation ist der Laxanziengebrauch. So
stellen Laxanzien nach Erkältungs- und Schmerzmitteln den höchsten Anteil an „Overthe-Counter“ (OTC)-Präparaten dar, wobei etwa 30% der obstipierten Patienten in
Deutschland Laxanzien nutzen [3]. Es ist zu erwarten, dass die chronische Obstipation,
wie auch andere funktionelle gastrointestinale Erkrankungen, in den nächsten Jahren
durch die demografische Entwicklung rasant ansteigen wird, da die chronische Obstipation und die Stuhlinkontinenz mit dem Alter zunehmen [3–6]. So wird in 50 Jahren
P Die chronische Obstipation hat
eine hohe Prävalenz und wird in den
nächsten Jahren durch die demografische Entwicklung rasant ansteigen. Dies
ist von großer klinischer und sozioökonomischer Bedeutung, da obstipierte
Personen im Vergleich zu nicht-obstipierten Personen sowohl höhere
direkte als auch höhere indirekte
Kosten verursachen.
2
etwa 14% der Bevölkerung – das ist jeder Siebte – 80 Jahre oder älter sein [7, 8] (Tab. 1).
Dies ist von großer klinischer und sozioökonomischer Bedeutung, da obstipierte Personen im Vergleich zu nicht-obstipierten Personen sowohl höhere direkte (Verschreibungen, Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte) als auch höhere indirekte Kosten
(Arbeitsausfälle) verursachen [9, 10].
Tab. 1
Demografischer Wandel in Deutschland [8]
Altersbezogener Anteil an der Gesamtbevölkerung
Alter
2008
2060
0–20 Jahre
19%
16%
20–< 65 Jahre
61%
50%
65–< 80 Jahre
15%
20%
≥ 80 Jahre
5%
14%
Risikofaktoren für die Entwicklung einer Obstipation sind das weibliche Geschlecht,
ein zunehmendes Lebensalter, ein ungesunder Lebensstil und ein niedriger sozioökonomischer Status. Patienten mit Obstipation haben eine schlechtere Lebensqualität
als Personen ohne Obstipation.
Die chronische Obstipation ist von zahlreichen Mythen begleitet. Hierzu gehören die
Befürchtung einer Autointoxikation bei Stuhlverhalt, der Einfluss der Darmlänge
­(Dolichokolon) auf das Stuhlverhalten, der klinisch relevante Einfluss von gastroin­
testinalen (Motilin, PP, Gastrin, Somatostatin, Insulin, Glucagon, GIP, GLP-1, CCK, PYY,
­Neurotensin) bzw. anderen Hormonen (Geschlechtshormone, Schilddrüsenhormone)
auf das Stuhlverhalten bzw. der Einfluss einer zu niedrigen Ballaststoff- und Flüssigkeitszufuhr oder eines inadäquaten Lebensstils (mangelnde körperliche Aktivität,
Übergewicht). Für die klinische Relevanz dieser Einflüsse fehlen bisher wissenschaft­
liche Belege [11].
In den letzten Jahren haben die Erkenntnisse über die Pathophysiologie der chronischen Obstipation und ihrer Therapieoptionen deutlich zugenommen. Die Deutsche
Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) und die Deutsche
­Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) haben dieser Entwicklung Rechnung getragen und bereiten zzt. eine aktuelle S2-Leitlinie zur chronischen Obstipation vor, die 2012 publiziert werden soll.
P Risikofaktoren für die Entwicklung
einer Obstipation sind das weibliche
Geschlecht, ein zunehmendes Lebens­
alter, ein ungesunder Lebensstil und ein
niedriger sozioökonomischer Status.
Die chronische Obstipation schränkt
die Lebensqualität in vergleichbarem
Ausmaß wie andere chronische
Erkrankungen ein.
P Wissenschaftlich nicht belegte
Mythen der chronischen Obstipation
sind die Autointoxikation bei Stuhl­
verhalt, der Einfluss der Darmlänge
(Dolichokolon) auf das Stuhlverhalten,
der klinisch relevante Einfluss von
gastrointestinalen Mediatoren und
Hormonen, einer erniedrigten Ballaststoff- und Flüssigkeitszufuhr oder eines
inadäquaten Lebensstils.
Symptomatik, objektiv – subjektiv
Die ausschließliche Erfassung der Stuhlfrequenz ist ein unzureichender Parameter zur
Charakterisierung der chronischen Obstipation, da die normale Stuhlfrequenz eine
enorme Schwankungsbreite zwischen 3 Stühlen pro Tag bis zu 1 Stuhlgang alle 3 Tage
aufweist. So haben nur 40% der Männer und 33% der Frauen eine Häufigkeit von
1 Stuhlgang pro Tag [12]. Hier besteht sicherlich ein großer Aufklärungsbedarf, da die
Erwartungshaltung in der Bevölkerung auch durch die unbegründete Befürchtung
der Autointoxikation durch retinierten Stuhl bei 1 Stuhl pro Tag liegt [13]. Dies bedeutet einerseits, dass Patienten auch bei formal normaler Stuhlfrequenz ein Verstopfungsgefühl durch eine erschwerte Stuhlentleerung mit der Notwendigkeit des Pressens entwickeln können und andererseits, dass beschwerdefreie Patienten mit über
mehrere Tage ausbleibendem Stuhlgang nicht verstopft sind. Häufig werden die Patienten auch mit der Verdachtsdiagnose einer Diarrhö vorgestellt, die aber durch eine
Entleerungsstörung mit Absetzen von mehreren kleineren Stuhlportionen begründet
ist (Pseudodiarrhö). Es ist zu berücksichtigen, dass eine Stuhlretention über retrograde
Nervenverbindungen zum oberen Verdauungstrakt auch Motilitätsstörungen von
Magen und Dünndarm verursachen kann. Mit der chronischen Obstipation sind daher
3
häufig zusätzliche Symptome, wie u. a. Dyspepsie, Blähgefühl bzw. Gasbildung in
etwa 60–80%, das Gefühl der unvollständigen Entleerung (54%) und die Stuhlinkontinenz verbunden [14]. Nach diesen Symptomen muss teilweise gezielt gefragt werden.
Gerade die Stuhlinkontinenz ist ein individuelles und tabuisiertes Leiden. So berichten
nur etwa 50% der Patienten beim ersten Arztbesuch über dieses Symptom und viele
Ärzte kennen diese Symptomatik ihrer Patienten nicht.
Die Charakterisierung der chronischen Obstipation als zum Arztbesuch führende Erkrankung wird also wesentlich durch die subjektive Beeinträchtigung und weniger
durch objektive Parameter bestimmt. Die chronische Obstipation ist insofern eine
­typische „Eisberg-Erkrankung“, bei der der Übergang von physiologisch zu krankhaft
fließend ist (Abb. 1). Untersuchungen zeigen hierbei, dass die chronische Obstipation
die Lebensqualität in vergleichbarem Ausmaß einschränkt wie andere chronische
­Erkrankungen [15]. Die Rom-III-Definition der chronischen Obstipation [16] berücksichtigt die relevanten subjektiven Aspekte (Tab. 2 [a, c, d]).
Der „Eisberg“ bei chronischer Obstipation
Chronisch persistierende
Symptome und Komplikationen
Chronisch auftretende Symptome –
Konsultation Hausarzt
Mäßige, jedoch rezidivierende
Symptome, die keiner
ärztlichen Behandlung
zugeführt werden
P Die Charakterisierung der chronischen Obstipation (Rom-III-Konsensuskonferenz) als zum Arztbesuch führende
Erkrankung wird wesentlich durch die
subjektive Beeinträchtigung (Pressen,
Gefühl der unvollständigen Entleerung)
und weniger durch objektive Parameter
(Stuhlfrequenz) bestimmt.
Abb. 1
10%
20%
pathologisch
4–15%
physiologisch
Subjektive Beschwerden bestimmen das Krankheitsbild
Definition der chronischen Obstipation als „Eisberg-Erkrankung“
Definition der chronischen Obstipation anhand der
Rom-III-Konsensuskonferenz [16]
Tab. 2
Erfüllung von mindestens 2 der folgenden Kriterien über einen
Zeitraum von mindestens 12 Wochen innerhalb eines Jahres
•2 oder mehr der folgenden Kriterien:
a.Pressen bei ≥ 25% der Defäkationen
b.Klumpige oder harte Stühle bei ≥ 25% der Defäkationen
c.Gefühl der inkompletten Entleerung nach ≥ 25% der Defäkationen
d.Gefühl der anorektalen Obstruktion/Blockade bei ≥ 25% der Defäkationen
e.Manuelle Manöver zur Entleerung bei ≥ 25% der Defäkationen nötig
(z. B. digitale Entleerung, manuelle Unterstützung des Beckenbodens)
f. < 3 Stuhlentleerungen pro Woche
• Dünne Stühle selten ohne Laxanzien
• Ausschluss eines Reizdarmsyndroms
4
Einteilung und Pathophysiologie
Eine allgemeingültige Einteilung der chronischen Obstipation ist nicht etabliert.
Tabelle 3 zeigt eine klinisch nutzbare ätiologische Differenzierung nach Passagestörung, Entleerungsstörung und anderen Ursachen. Hierbei kann eine genaue Medikamentensichtung nach obstipationsauslösenden Pharmaka hilfreich sein. Andere Einteilungen nutzen eine Differenzierung zwischen primären Formen mit bzw. ohne
Kolondilatation (Kolon mit normalem Durchmesser: funktionelle Obstipation, obstipationsdominantes Reizdarmsyndrom, Störung des Beckenbodens; dilatiertes Kolon:
Morbus Hirschsprung, idiopathisches Megakolon, Megarektum, chronische intesti­
nale Pseudoobstruktion) bzw. sekundären Formen (intrinsisch: z. B. Kolorektalkrebs,
­Divertikelkrankheit; metabolische bzw. endokrine Ursachen: z. B. Hyperkalzämie, Zöliakie, Hypothyroidismus, Hypokalie; neurologische Ursachen: z. B. Rückenmarksverletzung, Multiple Sklerose, Morbus Parkinson; psychologische Einflüsse: z. B. Depression,
Anorexie, Bulimie, affektive Störungen, Missbrauch; Medikamente).
Ätiologie der chronischen Obstipation
P Eine allgemeingültige Einteilung der
chronischen Obstipation ist nicht
etabliert (Passagestörung, Entleerungsstörung, andere Ursachen vs. primäre
Formen mit bzw. ohne Kolondilatation
vs. sekundäre Formen).
Tab. 3
Passagestörung
•obstipationsdominantes Reizdarmsyndrom
•funktionelle Obstipation
•CIPO
•idiopathisches Megakolon
•M. Hirschsprung
Entleerungsstörung
•Beckenbodensenkung
•Beckenbodendyssynergie
•Rektumprolaps/Intussuszeption
•Rektozele
•sensorische Störung
•M. Hirschsprung
Sonstiges
•Medikamente
– Opiode
– Antazida (aluminium-/kalziumhaltig)
– Anticholinergika
– tri- und tetrazyklische Antidepressiva
– Antihypertensiva (Verapamil u. a.)
– Antiepileptika
– Eisenpräparate
– Diuretika (indirekt)
– Cholestyramin
– MAO-Hemmer
– Neuroleptika
– Parkinson-Medikamente
– Sedativa
– Spasmolytika
– Bismut-Präparate
– u. v. a.
•kombinierte Störungen
•Sekretionsstörungen
•psychologisch
5
Während die Stuhlentleerungsstörung in der Regel anhand funktioneller (z. B. Beckenbodendyssynergie) oder morphologischer (z. B. Beckenbodensenkung, rektoanaler
Prolaps) Veränderungen dargestellt werden kann, ist die Pathophysiologie der Passagestörung („slow transit constipation“) in der Klinik häufig schwieriger zu fassen, da
hierzu tiefe submuköse Biopsien bzw. Vollwandbiopsate notwendig sind. Nach heutigen Vorstellungen ist die chronische Obstipation häufig die Folge von sensomotorischen Veränderungen der Darmwand [17–19]. Diese können sekundär im Rahmen von
Systemerkrankungen und primär durch eine enterische neuromuskuläre Störung der
Darmwand auftreten. Die histopathologischen Korrelate für die sensomotorischen
Störungen des Darms werden als gastrointestinale neuromuskuläre Pathologien
(GINMP) bezeichnet und in einer aktuellen Klassifikation (London-Klassifikation) zusammengefasst. Hierbei werden 3 Formen, nämlich enterische Neuropathien, enterische Myopathien und Veränderungen der interstitiellen Zellen von Cajal differenziert.
Alle 3 Formen können bei der chronischen Obstipation vorliegen. Sie sind allerdings
nicht bei allen Patienten mit chronischer Obstipation nachweisbar und zeigen unterschiedliche Schweregrade ihrer Ausprägung. Eine zwingende kausale ­Beziehung
­zwischen GINMP und Funktionsstörungen kann daher zzt. noch nicht aufgestellt
­werden, zumal die methodischen Ansätze zur Evaluation der Darmstrukturen noch
nicht systematisiert und Norm- und Referenzwerte unvollständig sind. Deshalb sollten
die beobachteten histopathologischen Veränderungen momentan nur als a­ ssoziierte
morphologische Korrelate und nicht als zwingende kausale Faktoren g
­ewertet
­werden [17–19].
P Die Stuhlentleerungsstörung („outlet
obstruction“) wird anhand funktioneller
(z. B. Beckenbodendyssynergie) oder
morphologischer (z. B. Beckenboden­
senkung, rektoanaler Prolaps) Veränderungen dargestellt. Die chronische „slow
transit constipation“ kann die Folge von
sensomotorischen Veränderungen der
Darmwand sein, deren histopathologischen Korrelate als gastrointestinale
neuromuskuläre Pathologien (GINMP)
bezeichnet und in einer aktuellen
Klassifikation (London-Klassifikation)
in 3 Formen (enterische Neuropathien,
enterische Myopathien, Veränderungen
der interstitiellen Zellen von Cajal)
zusammengefasst werden.
Diagnostik
Bei der chronischen Obstipation überlappen sich im klinischen Alltag häufig Diagnostik und Therapie. So finden sich oft Patienten, die sich beim Arzt vorstellen und
bereits Erfahrungen mit verschiedenen Abführmaßnahmen inkl. Laxanzien gesammelt haben.
Bei der Basisdiagnostik der chronischen Obstipation sollte versucht werden, das Stuhlverhalten genau und, wenn möglich, auch quantitativ zu erfassen. Entscheidend ist
hierbei, bereits zu Beginn durch eine genaue Anamnese, ggf. unter Zuhilfenahme von
Stuhltagebüchern inkl. „Bristol Stool Form Scale“ bzw. Anlage eines Ernährungstagebuchs und durch die klinische Untersuchung inkl. rektal-digitaler Untersuchung zwischen einer Obstipation mit verlangsamter Dickdarmpassage („slow transit constipation“) und einer Obstipation bei anorektaler Entleerungsstörung („outlet obstruction“)
zu differenzieren (Abb. 2). Häufig treten beide Formen der Obstipation aber auch kombiniert auf. Bauchbeschwerden, die durch die Stuhlentleerung verbessert werden,
Blähungen bzw. sichtbare Distension und Bauchschmerzen deuten auf ein obstipationsdominantes Reizdarmsyndrom hin. Eine verminderte Stuhlfrequenz ohne Stuhldrang ist ein Zeichen für eine primäre Passagestörung („slow transit constipation“),
während die Notwendigkeit des Pressen, das Gefühl der unvollständigen Entleerung
und harter Stuhl auf eine Stuhlentleerungsstörung hinweisen. Die Korrelationskoeffizienten zwischen klinischer Symptomatik und Pathophysiologie liegen hierbei immerhin zwischen 0,6% und 0,8% [20]. Neu aufgetretene Stuhlgangsveränderungen
sollten immer koloskopisch abgeklärt und die Vorsorgeempfehlungen mit kompletter
Koloskopie eingehalten werden [21].
P Bereits zu Beginn sollte durch eine
genaue Anamnese (Stuhltagebücher,
„Bristol Stool Form Scale“, Ernährungs­
tagebuch) und durch die klinische
Basisuntersuchung inkl. rektal-digitaler
Untersuchung zwischen einer Obsti­
pation mit verlangsamter Dickdarm­
passage und einer anorektalen Ent­
leerungsstörung differenziert werden.
6
Abb. 2
Basistherapie
• Lebensstil
• Ballaststoffe
Therapie
• Toilettentraining
• Beckenbodentraining
• Mikroklysmen/CO2-Suppositorien
• Biofeedback
Passagestörung
Proktologische Untersuchung
• rektal-digitale Untersuchung
• Proktoskopie
Entleerungsstörung
Chronische Obstipation
• Anamnese
• körperliche Untersuchung
• Stuhl-/Ernährungstagebuch
• Medikamente
• Begleiterkrankungen
Diagnostischer Algorithmus der chronischen Obstipation
Zur Basisuntersuchung bei Verdacht auf Stuhlentleerungsstörungen gehört eine
proktologische Untersuchung ohne Vorbereitung mit Inspektion von Unterwäsche
und Vorlagengebrauch. Hierbei sollten eine Inspektion von analen Hautläsionen,
Feuchtigkeit bzw. Stuhlresten und eine kurze digitale Untersuchung durchgeführt
werden. Hierdurch kann die Frage, ob Stuhl in der Ampulle ist, beantwortet werden
und eine grobe Einschätzung des Sphinktertonus, der Sphinkterfunktion beim Kneifen und Pressen bzw. einer Beckenbodensenkung beim Pressen oder das Vorhandensein einer Rektozele getroffen werden. Zum Nachweis einer Beckenbodensenkung
bzw. eines rektoanalen Prolaps kann ein Defäkationsversuch in sitzender Position hilfreich sein. Die proktoskopische Untersuchung mit Pressversuch (dynamische Prokt­
oskopie) gibt Auskunft über Schleimhautvorfälle bzw. prolabierende Hämorrhoiden.
Hierbei ist auch beim älteren Menschen eine Vorsorgekoloskopie sinnvoll. Bei Frauen
mit Obstipation und Unterbauchschmerzen sind die Vorgaben der DGVS/DGNM-S3Leitlinie Reizdarmsyndrom [22] zu berücksichtigen, d. h. es sollte eine gynäkologische
Untersuchung durchgeführt werden. Die Stuhlanalyse auf Bakterienkulturen bzw.
Pilze liefert keine relevanten Ergebnisse und sollte nicht durchgeführt werden.
P Neu aufgetretene Stuhlgangsveränderungen sollten immer koloskopisch
abgeklärt und die Vorsorgeempfehlungen mit kompletter Koloskopie einge­
halten werden. Bei Frauen mit Obstipa­
tion und Unterbauchschmerzen sollte
eine gynäkologische Untersuchung
durch­geführt werden.
Nach der Basisdiagnostik und Differenzierung zwischen Passage- und Entleerungsstörung kann eine probatorische Therapie erfolgen (s. u., Abb. 2). Bei starken Beschwerden, hohem Leidensdruck, Warnsymptomen bzw. bei mangelndem Ansprechen der
Beschwerden auf die probatorische Therapie sollten zeitnah weitergehende Untersuchungen erfolgen, die im ersten Schritt dem Ausschluss einer organischen Ursache
dienen und im zweiten der Klärung der Pathomechanismen mittels Funktionsuntersuchungen (s. u.). Im Einzelfall kann eine Objektivierung einer Passagestörung durch
die Messung der oroanalen Transitzeit (Hinton-Test) sinnvoll sein. Hierbei erfolgt die
Einnahme von 2 Kapseln mit je 10 inerten Markern nach dem Frühstück über 6 Tage
und Röntgenaufnahme des Abdomens am 7. Tag. Anhand der Markerverteilung kann
dann zwischen den beiden Formen der Obstipation differenziert und die Transitzeit
errechnet werden. Bei speziellen Fragestellungen oder Problemfällen mit V. a. eine
­generalisierte Motilitätsstörung (z. B. chronisch intestinale Pseudoobstruktion, CIPO)
ist eine weiterführende Diagnostik in einem Zentrum angezeigt. Diese beinhaltet die
Messung der Magen-, Dünndarm- bzw. Dickdarmmotilität, der Magenentleerungszeit
P Nach der Basisdiagnostik kann eine
probatorische Therapie erfolgen. Bei
starken Beschwerden, hohem Leidensdruck, Warnsymptomen bzw. bei
mangelndem Ansprechen der Beschwerden auf die probatorische Therapie
sollten zeitnah weitergehende Untersuchungen (anorektale Manometrie, anale
Elektromyografie, Ballonexpulsionstest,
Defäkografie/Defäko-MRT) durchgeführt
werden (Ausschluss organischer Ursachen, Klärung der Pathomechanismen).
P Die Stuhlanalyse auf Bakterien­
kulturen bzw. Pilze liefert keine
­relevanten Ergebnisse und sollte nicht
durchgeführt werden.
7
für flüssige bzw. feste Nahrung bzw. der orozökalen/oroanalen Transitzeiten mithilfe
verschiedener Techniken (Manometrie, Atemtests, Markeruntersuchungen, Szinti­
grafie, Kernspintomografie). Zusätzlich sind Untersuchungen über die Sensorik bzw.
die Wandcompliance mithilfe der Barostat-Methode möglich. In Einzelfällen kann die
­laparoskopische Entnahme von Ganzwandproben des Dick- bzw. Dünndarms mit
nachfolgenden speziellen immunhistochemischen Untersuchungen des enterischen
Nervensystems, der Cajal-Zellen bzw. dem Nachweis von entzündlichen Veränderungen (z. B. Ganglionitis) erfolgen.
Weiterführende Untersuchungen zur Abklärung einer Stuhlentleerungsstörung bei
unklarer klinischer Interpretation bzw. im Rahmen von Operationsplanungen beinhalten die anorektale Manometrie, mit der alle anorektalen Funktionen wie Sphinkter­
ruhedruck, rektoanaler Hemmungsreflex, Hustenreflex, Defäkation-Druckverlauf,
­Rektum-Compliance und Rektumsensibilität bestimmt werden können. Die anale
Elektromyografie erlaubt die Objektivierung einer paradoxen Sphinkterkontraktion
und die Elektromyografie des Nervus pudendus die Erfassung einer Nervenschädigung im Rahmen eines Descending-Perineum-Syndroms. Die Defäkografie (cave:
Strahlenbelastung) und die Defäko-MRT ermöglichen die Beurteilung des Beckenbodens mit Rektumwand (Beckenbodensenkung, Rektozele, rektoanaler Prolaps, Intussuszeption, Beckenbodendyssynergie), wobei die Kernspintomografie den Vorteil der
zusätzlichen morphologischen Beurteilbarkeit des Beckenbodens und seiner Organe
aufweist. Durch den Ballonexpulsionstest mit Evakuierung eines mit Wasser gefüllten
Ballons aus dem Rektum, ggf. unterstützt durch externen Zug, kann eine Entleerungsstörung objektiviert und zu einem gewissen Grad quantifiziert werden (normal: Entleerung spontan oder mithilfe eines zusätzlichen Zuggewichts von maximal 200 g).
Therapie
Wenn keine Warnsymptome bestehen, kann nach der Basisdiagnostik zunächst eine
zeitlich begrenzte probatorische Therapie erfolgen. Diese Basistherapie der chronischen Obstipation (Tab. 4, Abb. 3) beginnt mit Allgemeinmaßnahmen, die eine „gesunde Lebensweise“ mit ausreichender körperlicher Aktivität, Reduktion des Übergewichts und Vermeidung von Stress bzw. eine „gesunde Ernährung“ mit ausgewogener
Ernährung und ausreichender Flüssigkeitszufuhr beinhalten. Diese Empfehlungen
können sowohl für die „slow transit constipation“ als auch für die „outlet obstruction“
im Einzelfall hilfreich sein, obwohl zu berücksichtigen ist, dass es wissenschaftlich keine sicheren Korrelationen zwischen Stuhlverhalten und Body-Mass-Index (BMI), Alter,
Bewegung, Essmenge, Kalorienzufuhr, Flüssigkeitszufuhr, Psyche bzw. Stress gibt. Die
Allgemeinmaßnahmen beinhalten auch die Optimierung der Ballaststoffzufuhr. Rationale hierfür ist die Hypothese, wonach die Passagezeit mit zunehmendem Stuhlgewicht abnimmt. Ballaststoffe erhöhen hierbei durch Wasserbindung das Stuhlvolumen und sollen über eine Wanddehnung die Kolonmotilität anregen, die Passagezeit
beschleunigen bzw. durch bakteriellen Abbau die Bakterienmasse erhöhen [23, 24].
Allerdings finden sich in der Literatur keine Belege für eine geringere Ballaststoffaufnahme von chronisch Obstipierten im Vergleich zu Gesunden [25, 26]. Zusätzlich zeigen Untersuchungen, dass eine Erhöhung der Ballaststoffzufuhr zwar die Transitzeit
beschleunigt, diese bei chronisch Obstipierten im Vergleich zu Gesunden aber immer
noch im pathologischen Bereich liegt [27]. Ballaststoffe haben also klinisch einen nur
begrenzten Effekt und werden häufig wegen der Entwicklung von Meteorismus abgesetzt [28]. Bei der Auswahl von Ballaststoffen sollte daher besondere Aufmerksamkeit auf nicht blähende Präparate (z. B. Flohsamenschalen, lösliche Ballaststoffe) gelegt
werden.
P Die Basistherapie der chronischen
Obstipation beginnt mit Allgemeinmaßnahmen (Lebensstil). Bei der Auswahl
von Ballaststoffen sollte besondere
Aufmerksamkeit auf nicht blähende
Präparate (z. B. Flohsamenschalen,
lösliche Ballaststoffe) gelegt werden.
8
Therapieoptionen der chronischen Obstipation (nach [36])
Tab. 4
Allgemeinmaßnahmen
•Reduktion des Körpergewichts, körperliche Aktivität, Diätetik, Flüssigkeitszufuhr,
Ballaststoffe, Suche nach medikamentösen Ursachen und Begleiterkrankungen
Quellmittel und Laxanzien
•Quellmittel (Flohsamenschalen, lösliche Ballaststoffe)
•osmotische Laxanzien (nicht resorbierbare Mono- und Disaccharide,
salinische Laxanzien)
•Polyethylenglycole (Macrogole)
•stimulierende Laxanzien (Diphenylmethanderivate, konjugierte Anthrachinon­
derivate)
Prokinetika
•Prucaloprid (Resolor®), zugelassen für Frauen mit Obstipation
Sekretionsfördernde Medikamente
•Steigerung der Chloridsekretion: Lubiproston (AmitizaTM), zugelassen für
­obstipationsdominantes Reizdarmsyndrom
Behandlung der Entleerungsstörung
•Toilettentraining
•Beckenbodengymnastik
•Kohlendioxid-bildende Zäpfchen (Lecicarbon®)
•Mikroklysmen
•Biofeedback
Stufentherapie* der chronischen Obstipation
Abb. 3
Sakralnervenstimulation
Prolaps-OP
Kolektomie
Prokinetika
Sekretionsfördernde
Pharmaka
Ballaststoffe
Füll-/Quellstoffe
Osmotische Laxanzien
Macrogole
Toilettentraining
Lecicarbon®
Zäpfchen
Mikroklysmen
Biofeedback
Stufe 4
Stufe 3
Aktive
Laxanzien
Stufe 2
Stufe 1
*Das Stufenschema stellt ein pragmatisches Vorgehen dar, das durch Studien bisher nicht validiert wurde.
9
Füll- und Quellstoffe, salinische, osmotische Laxanzien bzw. Macrogole sind bei der
Behandlung der „slow transit constipation“ etabliert und bewährt (Tab. 4, Abb. 3). Hier
liegen in der Literatur mehrere Arbeiten vor, die die Wirkung gegenüber Plazebo belegen [29–34]. Schlecht resorbierbare Salze wie Glaubersalz (Na2SO4, Karlsbader Salz),
Bittersalz (MgSO4) und Magnesiumhydroxid (Mg(OH)2, milk of magnesia) können bei
akuter funktioneller Obstipation gegeben werden. Bei chronischer Obstipation kann
Magnesiumhydroxid gegeben werden. Sorbit bzw. Sorbitol gelten als vergleichbare,
aber preiswertere Alternativen zu Lactulose. Bei der Auswahl der osmotischen Laxanzien sollten aufgrund der Effektivität und geringeren Nebenwirkungen Macrogole bevorzugt werden [35], die unabhängig von der zugrunde liegenden Ursache eingesetzt
werden sollten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Macrogole erst nach mehreren
Tagen der Einnahme ihre stuhlfördernde Wirkung erzielen.
P Bei der Auswahl der osmotischen
Laxanzien sollten aufgrund der Effektivität und der geringeren Nebenwirkungen
Macrogole bevorzugt werden, die unabhängig von der zugrunde liegenden
Ursache eingesetzt werden sollten.
Macrogole erzielen erst nach mehreren
Tagen der Einnahme ihre stuhlfördernde
Wirkung.
Stimulierende Laxanzien wie Diphenylmethan- bzw. konjugierte Anthrachinonderi­
vate (Bisacodyl, Natriumpicosulfat, Senna-Präparate) gehören zu den am häufigsten
verwendeten und potentesten Abführmitteln und stellen den Großteil der OTC-Präparate dar [3]. Ihre Wirkung erfolgt über das Darmlumen und beruht auf der direkten
Stimulation der glatten Muskulatur bzw. des Epithels bzw. einer indirekten Wirkung
über das enterische Nervensystem über die Freisetzung von Prostaglandinen [36, 37].
Bisacodyl und Natriumpicosulfat können bei akuter funktioneller und bei chronischer
Obstipation gegeben werden und gehören hier zu den Mitteln der ersten Wahl. Bei
chronischer Obstipation richten sich Dosierung und Einnahmefrequenz nach dem
­individuellen Bedarf. Eine Begrenzung des Einnahmezeitraums ist unbegründet. Trotz
ihrer guten Wirkung werden sie häufig aufgrund der Befürchtung einer Schädigung
des enterischen/autonomen Nervensystems, eines Risikos der Entwicklung eines
­Kolonkarzinoms, einer Elektrolytentgleisung, von Bauchschmerzen, einer Gewöhnung, einer physischen/psychischen Abhängigkeit bzw. einer „Rebound-Obstipation“
von den Patienten nicht gerne über einen längeren Zeitraum eingenommen. Auch
zeigt sich im klinischen Alltag häufig, dass die Patienten den Gebrauch von aktiven
Laxanzien verschweigen. Hier ist Aufklärungsbedarf angezeigt, da die o. a. Nebenwirkungen lediglich auf anekdotischen Berichten beruhen und keine wissenschaftliche
Grundlage haben.
P Stimulierende Laxanzien wie Bisacodyl und Natriumpicosulfat gehören zu
den Mitteln der ersten Wahl. Bei chronischer Obstipation richten sich Dosierung
und Einnahmefrequenz nach dem individuellen Bedarf. Eine Begrenzung des
Einnahmezeitraums ist unbegründet.
Das größte Problem der stimulierenden Laxanzien ist ihr Missbrauch. Bei regelhaftem
Gebrauch sind stimulierende Laxanzien sichere und effektive Medikamente, die
­neben dem Stuhlverhalten auch die Lebensqualität der Patienten verbessern und bei
der Langzeiteinnahme eher in niedrigerer Dosierung eingenommen werden müssen
[38]. Dies sollte den Patienten auch so vermittelt werden. Die Pseudomelanosis des
Kolons bei längerer Einnahme von Anthrachinonen ist eine funktionelle und reversible
Veränderung ohne pathologische Bedeutung. Die Bauchdecken-/Kolonmassage und
Akupunktur sollten bei chronischer Obstipation nicht als Standardtherapie empfohlen werden, da ihre Wirksamkeit nicht sicher belegt ist.
P Bei regelhaftem Gebrauch sind
stimulierende Laxanzien sichere und
effektive Medikamente, die neben dem
Stuhlverhalten auch die Lebensqualität
der Patienten verbessern und bei der
Langzeiteinnahme eher in niedrigerer
Dosierung eingenommen werden
müssen.
Trotz dieser unterschiedlichen therapeutischen Möglichkeiten sind 40–80% der Patienten mit der Behandlung aus verschiedenen Gründen (geringe Effektivität, Angst vor
ausreichender Medikamentensicherheit, Geschmack, Compliance) unzufrieden [14, 39]
und über 60% der Ärzte beklagen unzureichende medikamentöse Therapieoptionen
[14, 39]. Dies mag zum einen daran liegen, dass die Patienten nur unzureichend über
ihr normales Stuhlverhalten (s. o.) aufgeklärt sind und zum anderen, dass eine Stuhlentleerungsstörung nicht frühzeitig erkannt wird. Dies ist von großer klinischer Relevanz, da sich die Behandlung der „outlet obstruction“ grundlegend von der Therapie
der „slow transit constipation“ unterscheidet (Tab. 4, Abb. 3). So kann bei Hinweisen
auf eine unvollständige Entleerung, einen Prolaps bzw. eine Überlaufinkontinenz ein
Toilettentraining eingesetzt werden. Hierbei versucht der Patient das Pressen während der Defäkation zu vermeiden und zu definierten Zeiten über die Applikation von
Klysmen bzw. Kohlendioxid-bildenden Zäpfchen (Lecicarbon®) den Enddarm vollständig zu entleeren. Sinnvoll ist auch im Einzelfall die Stuhlimpaktierung durch einen
Hebe-Senkeinlauf zu beseitigen. Patienten mit Obstipation aufgrund einer Beckenbodendyssynergie sollten Biofeedback-Training erhalten [40]. Hierbei kann das Biofeed-
P Die Bauchdecken-/Kolonmassage
und Akupunktur sollten bei chronischer
Obstipation nicht als Standardtherapie
empfohlen werden, da ihre Wirksamkeit
nicht sicher belegt ist.
P Die Behandlung der „outlet obstruction“ unterscheidet sich grundlegend
von der Therapie der „slow transit
constipation“ und beinhaltet Toilettentraining, Klysmen, Kohlendioxid-­
bildende Zäpfchen, Hebe-Senkeinläufe
bzw. Biofeedback-Training.
10
back-Training auch bei Patienten, die sowohl eine „slow transit constipation“ als auch
eine Beckenbodendyssynergie haben, hilfreich sein. Das Biofeedback-Training ist dem
Toilettentraining in der Behandlung einer Beckenbodendyssynergie überlegen.
Neue Entwicklungen
Tabelle 4 und Abbildung 3 zeigen die Therapieoptionen der chronischen Obstipation.
Grundsätzlich können die verschiedenen Therapieprinzipien stufenweise oder auch
kombiniert eingesetzt werden (s. Abb. 3). Dies sollte möglichst individuell erfolgen,
zumal viele Patienten vor Vorstellung beim Arzt bereits schon Erfahrungen mit
­verschiedenen Abführmaßnahmen gesammelt haben. In letzter Zeit wurden neue
medikamentöse Wirkprinzipien bei der Behandlung der Obstipation untersucht. Interessante Neuerungen stellen hierbei die Entwicklung von Substanzen mit sekretionsförderndem Effekt bzw. Prokinetika dar. Diese Substanzen können gegeben werden,
wenn die bisherige konventionelle Therapie (Lebensstil, Ballaststoffe, Laxanzien) nicht
ausreichend effektiv oder schlecht verträglich war. Zu diesen Präparaten gehören das
in den USA für das obstipationsdominante Reizdarmsyndrom zugelassene Lubiproston (AmitizaTM) [41], das spezifische Chloridkanäle an der apikalen Seite des Epithels
stimuliert und das noch nicht zugelassene Linaclotid [42, 43], das die Chloridsekretion
im Kolon durch Aktivierung der Guanylatcyclase erhöht. Metaanalysen zeigen, dass
diese Substanzen das Stuhlverhalten gegenüber Plazebo signifikant verbessern [34].
Mittlerweile wurde auch Prucaloprid (Resolor®), das kein klassisches Laxanz ist, sondern als Koloprokinetikum über eine selektive Stimulation der 5-HT4-Rezeptoren
(> 150-fach höhere Affinität für 5-HT4-Rezeptoren als für andere Rezeptoren) die Obstipation vermindert, für obstipierte Frauen in Deutschland zugelassen. Hierbei zeigen
die Zulassungsstudien [44–46] und eine Metaanalyse [34] einen signifikanten Therapiebenefit hinsichtlich des Stuhlverhaltens und der Lebensqualität. Interessant ist
auch eine vergleichbare signifikante Wirkung bei opiatinduzierter Obstipation [47].
Relevante, insbesondere kardiale oder angiologische Nebenwirkungen wurden bisher
nicht beobachtet. Kombinationen von neuen medikamentösen Therapien mit konventionellen Mitteln (Lebensstil, Ballaststoffe, konventionelle medikamentöse Therapien) können in Abhängigkeit von Effektivität und Nebenwirkungen versucht werden.
Bei schwerer refraktärer opiatinduzierter Obstipation können auch periphere Opiatantagonisten (Methylnaltrexon, Alvimopan, Naloxon) eingesetzt werden.
P Interessante Neuentwicklungen sind
sekretionsfördernde Medikamente bzw.
Prokinetika. Diese Substanzen können
gegeben werden, wenn die bisherige
konventionelle Therapie (Lebensstil,
Ballaststoffe, Laxanzien) nicht aus­
reichend effektiv oder schlecht
verträglich war.
Problemfälle
Trotz der vielfältigen und differenzierten Therapiemöglichkeiten finden sich in der
­Praxis immer wieder Patienten, die auf keine der Therapiestrategien befriedigend
­ansprechen. Dies sind Problemfälle, die bei einer „slow transit constipation“ eine Stuhlentleerung nur über regelmäßige Einläufe bzw. Kolonlavages erreichen bzw. bei einer
„outlet obstruction“ eine vollständige Defäkation aufgrund ausgeprägter Beckenbodensenkung, rektoanalem Prolaps oder Rektozele nicht erzielen können. Diese Patienten haben einen erheblichen Leidensdruck und eine teilweise gravierende Einschränkung ihrer sozialen Aktivität (z. B. durch Inkontinenz). Bei diesen Patienten ist eine
interdisziplinäre Beurteilung, möglichst in einem Kontinenz- bzw. Beckenbodenzentrum, sinnvoll. In der Regel ist bei diesen Patienten eine differenzierte Diagnostik (s. o.)
zur rationalen Beurteilung des Krankheitsbildes und zur Therapiefindung notwendig.
P Problempatienten, die auf keine
der Therapiestrategien befriedigend
ansprechen, sollten interdisziplinär,
möglichst in einem Kontinenz- bzw.
Beckenbodenzentrum, betreut werden.
In der Regel ist bei diesen Patienten eine
differenzierte Diagnostik zur rationalen
Beurteilung des Krankheitsbildes und
zur Therapiefindung notwendig.
Die interventionellen und chirurgischen Therapien sollten nur nach differenzierter
­Diagnostik und nach Ausschöpfung konservativer Therapiemaßnahmen in Erwägung
gezogen werden. Die chirurgischen Optionen bei Stuhlentleerungsstörungen be­
inhalten verschiedene Formen der Beckenbodenplastik, Rektopexie, Wiederherstellungsverfahren des rektovaginalen Septums bzw. die Entfernung „überschüssigen
Rektumgewebes“ [48]. Hierbei erfreut sich insbesondere die transanale Staplermukosektomie nach STARR mit Erfolgsraten zwischen 60–90% zunehmender Beliebtheit [48].
P Die interventionellen und chirurgischen Therapien sollten nur nach
differenzierter Diagnostik und Ausschöpfung konservativer Therapie­
maßnahmen in Erwägung gezogen
werden (Ausschluss einer generalisierten
Motilitätsstörung oder eines Reizdarmsyndroms etc.).
11
Die chirurgischen Therapiemöglichkeiten der „slow transit constipation“ gestalten sich
schwieriger. Grundsätzlich ist vor resezierenden Verfahren (Proktektomie, Sigmaresektion, Kolektomie, Proktokolektomie, Reduktionsrektoplastien) bei Megarektum/-kolon
bzw. Sigma elongatum zu warnen. Die in der Literatur publizierten Ergebnisse sind
häufig unkontrolliert und basieren nur auf kleinen Fallzahlen [48]. Es besteht die Gefahr, dass die Therapieziele nicht erreicht werden und sich die Beeinträchtigung des
Patienten durch nicht mehr reparable Nebenwirkungen verschlechtert. Auf der anderen Seite gibt es aber die (wenigen) Patienten, die auf die zzt. verfügbaren konservativen Maßnahmen nicht ansprechen. Hier muss vor einer Operation auf jeden Fall eine
generalisierte Motilitätsstörung, insbesondere eine Dünndarmmotilitätsstörung,
durch Dünndarmmanometrie (z. B. CIPO) ausgeschlossen werden, da in diesem Fall
eine Kolektomie kontraindiziert ist. Vor einer geplanten Kolektomie kann im Einzelfall
probatorisch laparoskopisch ein doppelläufiges Ileostoma angelegt werden, um den
wahrscheinlichen Erfolg einer Resektion zu evaluieren. In diesen Fällen ist eine enge
Zusammenarbeit mit vernetzten klinischen und grundlagenwissenschaftlichen neurogastroenterologischen Zentren zu fordern.
P Grundsätzlich ist vor resezierenden
Verfahren (Proktektomie, Sigmaresek­
tion, Kolektomie, Proktokolektomie,
Reduktionsrektoplastien) bei Mega­
rektum/-kolon bzw. Sigma elongatum
zu warnen.
Interessant ist die Etablierung der Sakralnervenstimulation. Diese Technik, die primär
zur Therapie der Stuhlinkontinenz entwickelt wurde, hat offensichtlich auch günstige
Effekte bei der chronischen Obstipation. Multizenter-Fallsammlungen bei der therapierefraktären Obstipation, die auch Patienten mit Stuhlentleerungsstörung einschlossen, konnten eine Besserung der Beschwerden (Stuhlfrequenz, Notwendigkeit
des Pressens, inkomplette Entleerung) bei etwa 90% der Patienten nachweisen [49].
12
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16
Fragen zur chronischen Obstipation
Welche Aussagen sind richtig?
Falk
Gastro-Kolleg
Darm
Frage 1:
Die zum Arztbesuch führende chronische Obstipation ist
EE
EE
EE
EE
EE
eine Befindlichkeitsstörung
eine Erkrankung
stressbedingt
keine organische Erkrankung
Ausdruck einer Depression
Frage 2:
Die klinisch relevante chronische Obstipation
EE
EE
EE
EE
EE
wird immer durch eine erniedrigte Stuhlfrequenz definiert
findet sich überwiegend bei Übergewichtigen
kann einen erheblichen Leidensdruck verursachen
ist praktisch immer mit einer erniedrigten Ballaststoffzufuhr verbunden
kann zur inneren Vergiftung durch Stuhlretention führen
Frage 3:
Eine klinisch relevante Obstipation
EE
EE
EE
EE
EE
kann bei einer Stuhlfrequenz von 1 Stuhl pro Tag ausgeschlossen werden
findet sich nur bei Frauen
nimmt im Alter ab
verursacht hohe sozioökonomische Kosten
kann in der Regel durch vermehrtes Trinken beseitigt werden
Bitte beachten Sie:
Bei der Beantwortung der Fragen
ist immer nur 1 Antwort möglich.
Die Beantwortung der Fragen und
Erlangung des Fortbildungszertifikats
ist nur online möglich.
Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage
www.falkfoundation.de.
Unter dem Menüpunkt Falk Gastro-Kolleg
können Sie sich anmelden und die Fragen
beantworten.
Bitte diesen Fragebogen nicht
per Post oder Fax schicken!
Frage 4:
Die klinisch relevante chronische Obstipation
EE wird durch einen zu geringen Muskeltonus bedingt
EE kann durch Änderung des Lebensstils praktisch immer ausreichend behandelt
werden
EE wird erheblich durch die subjektiven Beschwerden definiert
EE korreliert mit der Länge des Dickdarms (Dolichokolon)
EE wird durch die Rom-I-Konsensuskonferenz definiert
Frage :
Bei der klinisch relevanten Obstipation
EE finden sich häufig Begleitsymptome (Meteorismus, Stuhlinkontinenz),
nach denen gezielt gefragt werden muss
EE sind mehrere Stuhlgänge pro Tag ein Ausschlusskriterium
EE sollten stimulierende Laxanzien nicht verabreicht werden
EE sollte immer nach einem Einfluss von gastrointestinalen (Motilin, PP, Gastrin,
Somatostatin, Insulin, Glucagon, GIP, GLP-1, CCK, PYY, Neurotensin) bzw. anderen
Hormonen (Geschlechtshormone, Schilddrüsenhormone) gesucht werden
EE werden Diagnostik und Therapie in den Vergütungssystemen ausreichend
abgebildet
Wichtig:
Fragebeantwortung unter
www.falkfoundation.de
Falk Gastro-Kolleg
17
Frage 6:
Die klinisch relevante chronische Obstipation
EE ist beim Gefühl der unvollständigen Entleerung bzw. bei vermehrtem Pressen
verdächtig auf das Vorliegen einer Passagestörung
EE erfordert eine rektal-digitale Untersuchung nur bei Therapieversagern
EE erfordert keine Darmkrebsvorsorgeuntersuchungen, weil die Stuhlretention das
Wachstum von Polypen verhindert
EE sollte bereits zu Beginn durch eine differenzierte Funktionsdiagnostik abgeklärt
werden
EE kann bereits anamnestisch in ihre beiden Manifestationsformen, nämlich in die
Entleerungsstörung und in die Passagestörung differenziert werden
Falk
Gastro-Kolleg
Darm
Frage 7:
Die klinisch relevante chronische Obstipation
EE ist nach heutigen Vorstellungen häufig die Folge von sensomotorischen
Veränderungen der Darmwand, deren histopathologischen Korrelate als gastro­
intestinale neuromuskuläre Pathologien (GINMP) bezeichnet werden
EE wird in der Regel durch eine verminderte Flüssigkeitssekretion in den Darm
begleitet
EE wird in der London-Klassifikation in 5 Formen, nämlich enterische Neuropathien,
enterische Myopathien, Veränderungen der interstitiellen Zellen von Cajal, den
Nachweis von Bakterien in der Darmwand und Schleimhautatrophie differenziert
EE sollte beim Nachweis einer Rektozele chirurgisch therapiert werden
EE ist selten mit einer Stuhlinkontinenz assoziiert
Frage 8:
Die klinisch relevante chronische Obstipation
EE mit führender Stuhlentleerungsstörung unterscheidet sich therapeutisch nicht von
der chronischen Obstipation mit Passagestörung
EE ohne Warnsymptome kann bei unauffälliger Basisdiagnostik zunächst durch eine
zeitlich begrenzte probatorische Therapie behandelt werden
EE sollte bei der Diagnostik eine Stuhlanalyse auf Bakterienkulturen bzw. Pilze
beinhalten
EE wird selten durch Medikamente (z. B. Betablocker, Kalziumantagonisten, Diuretika)
ausgelöst
EE findet sich selten bei neurologischen Erkrankungen (z. B. Schlaganfall, Multiple
Sklerose, Morbus Parkinson)
Frage 9:
Bei der klinisch relevanten Obstipation
EE beweisen die bei der konventionellen oder MRT-Defäkografie gefundenen
auffälligen Befunde die Ursache der Obstipation
EE befindet sich die medikamentöse Behandlung in einer Sackgasse, da spezifische
motilitäts- bzw. sekretionsfördernde Medikamente fehlen
EE sind die Anwendung der Sakralnervenstimulation bzw. Rektumprolapsoperationen
(z. B. Staplermukosektomie nach STARR) obsolet
EE sollten bei starken Beschwerden, hohem Leidensdruck, Warnsymptomen bzw. bei
mangelndem Ansprechen der Beschwerden auf die probatorische Therapie
weitergehende Untersuchungen erfolgen, die im ersten Schritt dem Ausschluss
einer organischen Ursache dienen und im zweiten der Klärung der Pathomechanismen mittels Funktionsuntersuchungen
EE sollte bei Problemfällen eine enge Zusammenarbeit mit vernetzten klinischen und
grundlagenwissenschaftlichen neurogastroenterologischen Zentren aus Zeit- und
Kostengründen vermieden werden
18
Frage 10:
Bei der klinisch relevanten chronischen Obstipation
EE gelten jugendliches Alter, männliches Geschlecht, hoher sozioökonomischer
Status und Lebensstil als Risikofakoren
EE verursachen Personen mit Obstipation im Vergleich zu nicht-obstipierten Personen
sowohl niedrigere direkte (Verschreibungen, Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte),
als auch indirekte Kosten (Arbeitsausfälle)
EE können neue Substanzen (Prucaloprid, Lubiproston) gegeben werden, wenn die
bisherige konventionelle Therapie (Lebensstil, Ballaststoffe, Laxanzien) nicht
ausreichend effektiv oder schlecht verträglich war
EE sollten Bauchdecken-/Kolonmassage und Akupunktur als Standardtherapie
empfohlen werden, da ihre Wirksamkeit sicher belegt ist
EE sollten Macrogole als Reservemittel, unabhängig von der zugrunde liegenden
Ursache, eingesetzt werden
Falk
Gastro-Kolleg
Darm
19