Edukinesiologie - ISB

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Edukinesiologie - ISB
ARBEITSBERICHT
ALLE SCHULARTEN
STAATSINSTITUT FÜR SCHULQUALITÄT
UND BILDUNGSFORSCHUNG
MÜNCHEN
Waltraut Walbiner
Edukinesiologie
Ein neuer Heilsweg
in der Pädagogik?
Literaturbericht und Kritik
München 1997
Arbeitsbericht Nr. 290
Erarbeitet im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst
Der Veröffentlichung des Arbeitsberichtes wurde mit
KMS Nr. III/6-04345-8/44185¹ vom 29.04.1997 und III/6-044345-8/115 349 vom
25.08.1997 zugestimmt.
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung, München
Herausgeber:
Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung
Anschrift:
Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung
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Das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung macht die Erkenntnisse
der Forschung und die Erfahrungen der Praxis für die Schule nutzbar und unterstützt
das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus bei der Weiterentwicklung des bayerischen Schulwesens.
Zu seinen Aufgaben gehören neben der Förderung der pädagogischen Arbeit der
Schulen unter anderem die Erarbeitung von Lehrplänen, die Begleitung von Schulversuchen sowie die Untersuchung von Auswirkungen bildungspolitischer Maßnahmen.
Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung
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Die vom Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung in München herausgegebene Schriftenreihe „ISB-Arbeitsberichte“ hat die Aufgabe, interessierte Leser
möglichst rasch zu informieren und eine Diskussion der angesprochenen Probleme
zu fördern. Der Absicht, schnell zu informieren, entspricht die äußere Form dieser
Reihe. Im Mittelpunkt der Reihe stehen aktuelle Fragen der Schulpädagogik, z. B.
Zwischenergebnisse bzw. Auswertungen von wissenschaftlichen Begleituntersuchungen.
Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung
Abteilung Allgemeine Wissenschaften
Referat Pädagogik I
Dr. Elke Frey-Flügge
November 1997
Vorbemerkung
Im Jahresprogramm des Staatsinstituts (1994) findet sich der Auftrag: Beobachtung aktueller
Strömungen im Bereich von Psychologie und Pädagogik (Märkte für Lernen, Nachhilfe, Persönlichkeitsentwicklung und Freizeit). Der Blick fiel dabei besonders auf Angebote, die sich
hauptsächlich - aber nicht ausschließlich - an Lehrer (und Eltern) aus dem Bereich der Förderschulen richten.
Es hat sich herumgesprochen: Immer mehr Lehrer klagen über den hohen Anteil von verhaltensauffälligen Schülern in ihren Klassen. Lehrer und Eltern sind auf der Suche nach Hilfen
für Kinder mit Lernschwierigkeiten. Beide haben das Gefühl, mit ihrem herkömmlichen Repertoire an Hilfestellungen nichts mehr auszurichten. Verunsichert und dennoch überzeugt,
für die Kinder etwas tun zu müssen (und zu wollen), sehen sie sich auf dem inzwischen stark
angewachsenen Markt der Fortbildungsangebote um.
Dieser Markt ist entsprechend den Regeln einer konsumorientierten Welt inzwischen bunt
und vielfältig geworden. Allenthalben findet sich eine breite Palette von Angeboten, die wie
alle anderen Produkte auch mehr oder weniger marktschreierisch an den Verbraucher gebracht werden. Dieser Psycho- und Pädomarkt - wie er folgerichtig (im Werbeslang) auch
bezeichnet wird - bezieht sich besonders auf jene potentiellen Kunden, die sich beruflich oder
privat mit schwierigen Situationen auseinandersetzen müssen, z. B. auf Lehrer und Eltern.
Verständlicherweise greifen verzweifelte Eltern und Lehrer nach jedem angebotenen Strohhalm. Suggeriert dieser Strohhalm auch noch eine Wunderwirkung und bezieht er sich obendrein auf eine wissenschaftliche Grundlegung, dann kann davon ausgegangen werden, daß
das Angebot "geht" oder gar "ein Renner wird".
Ein solcher "Renner" scheint zur Zeit die Edukinesiologie zu sein, die landauf und -ab in der
kommerziellen sowie der offiziellen Lehrerfortbildung angeboten wird. Dem Angebot entspricht auch die Nachfrage; die Mund-zu-Mund-Propaganda ist groß; die praktischen positiven Erfahrungen mit dieser neuen Methode verheißen schnelle Erfolge. Was im Laufe der
Zeit aus dieser Euphorie wird, bleibt im dunkeln; Mißerfolge werden - wer will sie schon
zugeben - nicht publik. So bleibt das Rad im Schwung.
Es gibt aber auch andere Stimmen: Lehrer, die anfragen, was es mit dieser Methode auf sich
hat; Ärzte, die davor warnen, Eltern und Lehrern solche Versprechen vorzusetzen, und die
darauf verweisen, daß die "Wissenschaftlichkeit" dieser Richtung doch sehr in Zweifel zu
ziehen ist.
Wie verhält sich nun die offizielle Lehrerfortbildung bei solch umstrittenen Methoden? Muß
sie sie unbesehen aufgreifen, um Modernität zu beweisen? Kann sie davor warnen? Kann sie
sich einfach taub stellen und nicht zur Kenntnis nehmen, was Lehrer als Fortbildung aufnehmen?
Zumindest in dem Augenblick, in dem es Nachfragen aus der Öffentlichkeit gibt, ist es wohl
notwendig, sich mit einem solchen Angebot auseinanderzusetzen. In dem hier vorgelegten
Beitrag versucht das Staatsinstitut aus der Lektüre heraus eine kritische Würdigung der
Edukinesiologie. Über diese eher allgemein gehaltene Kritik hinaus erscheint es jedoch notwendig, auch eine Stellungnahme einzuholen, die sich mit der neurologischen Grundlegung
dieser Methode auseinandersetzt.
Anmerkung:
Im hier vorgelegten Bericht werden die Schlüsselbegriffe Edukinesiologie (EDU-K) und Angewandte Kinesiologie (AK) sowie die Bezeichnungen weiterer Behandlungsmethoden jeweils in der abgekürzten Form verwendet, so wie sie sich in der einschlägigen Literatur finden. Dies entspricht sowohl dem schriftlichen als auch dem mündlichen Sprachgebrauch der
beschriebenen "Schulen" und dient hier auch der Charakterisierung.
Absichtlich lehnt sich diese Darstellung der Edukinesiologie eng an die Diktion in der
vorhandenen Literatur an (Beschreibung im Konjunktiv der indirekten Rede). Auf diese
Weise soll es dem Leser möglich werden, sich ein authentisches Bild zu machen und nachzuvollziehen, warum es zu der eher kritischen Einschätzung dieses Fortbildungsangebots
kommt.
I.
Einleitung
1.
Definition
2.
Thematischer Hintergrund und Entwicklung
2.1 Angewandte Kinesiologie (AK)
2.2 Edukinesiologie (EDU-K)
II.
Darstellung der Methode
1.
Welche Ziele verfolgen die Angewandte Kinesiologie und die Edukinesiologie
2.
Der Muskeltest und seine Bedeutung
3.
Korrekturmethoden
3.1 Überkreuz-Bewegungsmuster und Lateralitätsbahnung
3.2 Die liegende Acht
3.3 Technik zur Befreiung von emotionalem Streß (ESR)
3.4 Übungen bei spezifischen Kernproblemen
3.5 Weitere Korrekturmethoden
III. Wissenschaftlicher Hintergrund der Edukinesiologie
1.
Neuropsychologische Grundlagen
2.
Weitere Grundlagen
2.1 Streßtheorie
2.2 Östliche Medizin
2.3 Neurolinguistische Programmierung (NLP)
IV. Kritik
1
I.
Einleitung
1.
Definition
Das Wort "Kinesiologie" ist vom griechischen Wort Kinesis abgeleitet, das Bewegung bedeutet. In der Medizin steht "Kinesiologie" für: Untersuchung der Muskeln und Bewegungslehre. Mit dem Begriff "Applied Kinesiology" bezeichnete Dr. George Goodheart das von
ihm entwickelte System der diagnostischen und therapeutischen Anwendung des Muskeltestens in verschiedenen Bereichen der Gesundheitspflege. Mittlerweile versteht man unter
"Applied Kinesiology" nur noch diese u r s p r ü n g l i c h e Methodik, die vom International College of Applied Kinesiology (ICAK) in den USA gelehrt wird. Nachdem sich inzwischen aus diesem Ansatz zahlreiche unterschiedliche Richtungen und Anwendungsgebiete entwickelt haben, hat sich im deutschen Sprachgebrauch die Bezeichnung "Angewandte
Kinesiologie" (im folgenden abgekürzt AK) als eine Art Oberbegriff für alle diese Systeme
eingebürgert.
Die Kinesiology Federation, die Dachorganisation der verschiedenen Richtungen in Großbritannien, definiert AK wie folgt (zitiert nach La Tourelle & Courtenay 1992, S. 13):
"Angewandte Kinesiologie (wörtlich: das Studium der Körperbewegung) ist ein holistischer Ansatz, die Bewegung und Wechselwirkung der Energiesysteme eines Menschen zu
balancieren. Vorsichtige Sondierung der Muskelreaktion zeigt jene Körperteile an, wo
Blockaden und Ungleichgewichte das physische, emotionale und energetische Wohlbefinden beeinträchtigen. Dieselbe Methode kann auch die Faktoren identifizieren, die zu
Unausgewogenheiten dieser Art beitragen.
Die Selbstheilung des Körpers wird durch Berühren der Reflex- und Akupressurpunkte
stimuliert sowie durch bestimmte Körperbewegungen und Nahrungszusätze. Auf diese
Weise kann ein höheres Niveau des psychischen und mentalen, emotionalen und spirituellen Wohlergehens erreicht werden."
Nach La Tourelle & Courtenay (1992) und anderen Vertretern dieser Richtung lasse sich AK
nicht auf einen einzigen Bereich (etwa Gesundheitspflege) beschränken. Sie sei ein offenes
System, dessen Anwendung die Selbstorganisation und Autonomie der Person fördere und
verbessere und damit jeden Menschen zur Selbsthilfe befähige. AK habe mehr die Ausprägung einer neuen Kommunikationsform für alle Lebensbereiche als den Charakter einer
neuen Heilweise. Die bemerkenswerte Spannbreite der Anwendungsmöglichkeiten und die
Verknüpfung der physischen Aspekte der Gesundheit mit den emotionalen und spirituellen,
2
die für die AK charakteristisch sei, lasse sie zu einem ganz entscheidenden Teil der Gesundheitspflege in den 90er Jahren werden, sowohl als eigenständige Methode wie als Ergänzung
zur Schulmedizin und zu anderen Therapien.
Im Unterschied zu vielen anderen Methoden, die für sich beanspruchten, ganzheitlich zu sein,
statt dessen aber unter dem Einfluß einer bestimmten Technik oder Philosophie stünden, sei
die AK wirklich holistisch. Sie umfasse alle Aspekte des menschlichen Wesens und liefere
Mittel, um Ungleichgewichte in allen (oft aufeinander wirkenden) Bereichen zu sondieren
und zu korrigieren. Das Zusammenspiel von holistischem Ansatz, Muskeltechniken und
wirkungsvollen Korrekturverfahren befähigten die AK, positive Ergebnisse zu erzielen, wo
andere Methoden - die Schulmedizin inbegriffen - versagt hätten.
Die Edukinesiologie (abgeleitet vom englischen Educational Kinesiology) wurde in erster
Linie zur Verbesserung der Lernfähigkeiten, vor allem beim Lesen, Schreiben, Rechnen
sowie zur Stärkung der Konzentration und des Gedächtnisses entwickelt.
2. Thematischer Hintergrund und Entwicklung
2.1 Angewandte Kinesiologie(AK)
Geistiger Urheber der AK ist George Goodheart, Doktor der Chiropraktik, der in den 60er
Jahren diese ganzheitliche Methode zu entwickeln begann, um eine Vielfalt körperlicher
Symptome zu beurteilen und zu korrigieren. Da ihre Wurzeln in der Chiropraktik zu suchen
seien, verfüge AK, so La Tourelle und Courtenay, über eine solide und wissenschaftliche
Basis. Bis heute nehme das ICAK nur Studenten mit medizinischen und naturwissenschaftlichen Qualifikationen auf. Als Goodheart 1964 die AK entwickelte, wurde er bereits als führende Kapazität im Bereich der Chiropraktik geschätzt und lehrte seine Kollegen in regelmäßigen Seminaren neue chiropraktische Techniken.
Angeregt durch eine zufällige Entdeckung führte Goodheart Experimente mit Muskeltests
unter standardisierten Bedingungen durch und machte dabei revolutionäre Beobachtungen, z.
3
B. über den Zusammenhang zwischen Verkrampfung und Muskelschwäche. Er fand Korrelationen zwischen der Schwäche einiger Muskeln und Trägheit im lymphatischen System sowie, daß durch die Massage bestimmter Reflexpunkte auf dem Körper das lymphatische
System stimuliert und damit die entsprechenden Muskeln gestärkt werden konnten. Nach und
nach überprüfte Goodheart im weiteren die Beziehungen der Muskeln zu anderen Körpersystemen. Die Aufdeckung des Phänomens der Verbindungen zwischen Muskeln, Organen
und dem Akupunktur-Meridian-System zählt zu Goodhearts größten Leistungen. Hierdurch
wurde das diagnostische Potential der AK durch eine völlig neue Dimension erweitert, da ein
schwacher Muskel nun auch ein Ungleichgewicht in dem entsprechenden Meridian und dem
korrespondierenden Organ und/oder der jeweiligen Drüse anzeigen könne. Goodheart und
seine Kollegen entwickelten eine Reihe von Muskeltests, die sich auf die Muskel-MeridianVerbindung stützten. Damit erweiterten sie die Liste bereits bestehender Korrekturmöglichkeiten, weil ein schwacher Muskel nun auch über die Meridiane und Akupunkturpunkte
gestärkt werden konnte.
Die Anwender der AK betrachten die Gesundheit unter drei verschiedenen Gesichtspunkten dem biochemischen, dem strukturellen und dem mentalen -, die alle aufeinander einwirken
und zusammen ein Ganzes darstellen: die sogenannte "Triade der Gesundheit". Bei einem
gesunden Menschen müßten alle drei Bereiche bestens funktionieren und harmonieren. Aufgrund ihrer Beziehungen untereinander sei die tiefere Ursache eines Problems oftmals nicht
das, was als solche auf der Hand zu liegen scheine. Muskeltests in Verbindung mit anderen
kinesiologischen Techniken befähigten den Anwender herauszufinden, welches der drei
Systeme sich nicht in Balance befinde. Kinesiologische Korrekturen könnten auf allen drei
Gebieten angewandt werden. Die Wiederherstellung der Balance könne in der Tat der
Schlüssel für größte Veränderungen im Leben eines Menschen sein.
Die ausschließlich im medizinischen Bereich angesiedelte AK wird in den USA heute als ein
Diagnose- und Behandlungssystem definiert, das herkömmliche (standardisierte) Muskeltestverfahren zur Einschätzung der Körperfunktionen einsetzt und das zahlreiche weitere
bewährte therapeutische Techniken verwendet. Die Ergebnisse einer AK-Begutachtung
werden immer mit anderen diagnostisch üblichen Methoden kombiniert, wie z. B. mit einer
Anamnese, mit einer körperlichen Untersuchung sowie manchmal mit Labortests und
4
Röntgenaufnahmen. In den USA dürfen nur Absolventen, die sich den strengen Richtlinien
des vom ICAK erlassenen Lehrplans unterworfen haben, die Bezeichnung AK in bezug auf
ihre Arbeit benutzen. Die im deutschsprachigen Raum unter der Bezeichnung AK verbreiteten und bekannt gewordenen Richtungen bedienen sich vieler Methoden der AK,
beschränken sich jedoch nicht auf den Ausbildungsplan des ICAK und verzichten auf viele
der dort gelehrten rein medizinischen Techniken.
Eine Unterform der AK stellt "Touch for Health" (TFH) dar. Diese Methode wurde von Dr.
Thie insbesondere für Laien ohne medizinischen Hintergrund entwickelt. Das Ziel bestand
darin, jedem die Möglichkeit zu geben, selbst seine Gesundheit zu pflegen und zu fördern.
Bei TFH handle es sich nicht um eine Therapie, und es werde weder zur Diagnose noch zur
Symptombehandlung eingesetzt. TFH ist inzwischen das in der Welt am weitesten verbreitete
System der AK. Die Ausbildung steht jedem an Gesundheitspflege Interessierten offen. TFH
beinhaltet viele Grundkonzepte der AK, vor allem den holistischen Ansatz der Gesundheitstriade. Auch die meisten Standardkorrekturen der AK kommen zum Einsatz, mit Ausnahme
der manipulativen Techniken. Demzufolge betont das TFH-System eher die Energiebalance
und andere Faktoren wie etwa Emotionen.
AK und TFH stellen die ursprünglichen Systeme oder Modelle dar, aus denen alle weiteren
Richtungen der Kinesiologie hervorgegangen sind. Aspekte dieser Systeme wurden in der
Folge mit Spezialkenntnissen und Fertigkeiten kombiniert. Die Mehrheit der Anwender
dieser Bereiche hat zwar eine abgeschlossene TFH-Ausbildung, es gibt jedoch keine
vergleichbar strengen Ausbildungsrichtlinien wie bei AK.
Bei gleicher Philosophie und gleichen Zielen weichen die verschiedenen Richtungen der
Kinesiologie jedoch voneinander ab in bezug auf den Ausgangspunkt und den Weg, den sie
jeweils einschlagen, um das Ziel - Balance und Harmonie - zu erreichen. So konzentriere sich
TFH nach La Tourelle und Courtenay (1992) bei der Sondierung vor allem auf die MuskelMeridian-Organ-Energie und korrigiere mit Energiebalancierung. Im Gegensatz dazu lege die
EDU-K z. B. das Schwergewicht beim Sondieren auf die "elektrischen" (nervlichen)
Funktionskreise des Körper-Geist-Systems, und die Korrekturtechniken unterschieden sich in
5
mancher Hinsicht von denen des TFH. Hinzu kämen noch zusätzliche, für die EDU-K
spezifische Korrekturen.
2.2 Edukinesiologie (EDU-K)
EDU-K wurde im Jahre 1980 von Dr. Paul Dennison entwickelt. Nach 20jähriger Tätigkeit in
einem heilpädagogischen Zentrum für Kinder in Kalifornien begann er, eng mit einigen kinesiologisch orientierten Chiropraktikern zusammenzuarbeiten. 1979 erlernte er TFH. Drei
Jahre später brachte er sein Programm zur Lateralitätsbahnung heraus und erweiterte seine
Studien, um neben Kindern auch Erwachsene miteinbeziehen zu können. EDU-K entwickelte
sich weiter als Methode zur Erforschung der Kommunikation zwischen Körper und Gehirn,
konzentrierte sich zunächst auf die linke und die rechte Hemisphäre und dann auf andere
Bereiche des Gehirns. Die EDU-K-Foundation mit Sitz in den USA bietet inzwischen weltweit Seminare an.
Aus Sicht der EDU-K (Dennison 1984) stellen Lernbehinderungen keine Krankheiten dar. Es
handle sich vielmehr um Störungen im Kommunikationsnetz, welches das Kind mit seiner
Welt verbindet. Beim lernbehinderten Kind liege eine "Blockierung des Systems" vor, da es
durch den heutigen Leistungsdruck und das Konkurrenzdenken in der Schule gehemmt
werde. Es sei aber sehr leicht, frustrierte Kinder für das aufregende Abenteuer, das Lernen
eigentlich sein sollte, zu aktivieren.
Nach Dennison ist EDU-K eine einzigartige Verschmelzung von AK und Lerntheorie, die das
Lernen erleichtere und die Unsicherheit ausschalte, wenn man mit ihr die Entwicklung eines
Menschen begleite. Indem man verstehen lerne, wie "Energie" blockiert und freigesetzt werden könne, verbessere man nicht nur das Lernen, sondern auch die Lebensqualität.
EDU-K sollte nicht mit psycho-motorischem Training verwechselt werden. Obwohl beide
Ansätze dieselben Ziele verfolgten - Verbesserung der Gesundheit und der Lernfähigkeit
dank Ausgeglichenheit und Koordinationsvermögen -, unterschieden sie sich doch. EDU-K
beinhalte zwar einige psycho-motorische Übungen, die meisten dieser Praktiken würden
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jedoch als überflüssig angesehen. EDU-K sei keine "Methode", sondern eher ein Werkzeug,
das jedes Lehrsystem verbessere.
Die EDU-K sehe Körper und Geist als Einheit. Ein aussagekräftiger Indikator jedes Menschen sei seine "Körpersprache". Wenn man lesen könne, was jemand mit dem Körper mitteile, könne man ihn besser verstehen. Unter Hinzuziehung von Kenntnissen über Gehirnfunktionen und Lernprozesse könne die Beobachtung sogar noch mehr Hinweise liefern. Die
Verbesserung der Körperhaltung mit Hilfe der AK und entsprechender Übungen erleichtere
jedes Lernen, da unnötiger Streß eleminiert werde.
Nach der Philosophie von Dennison wird der Lernende als eine einzigartige sich entwickelnde, "gute" Person akzeptiert, die lernen werde, wenn man ihr eine anregende Umwelt
biete. Jedes Kind lerne anders und unterscheide sich von den anderen. Der geschickte Lehrer
werde viele Methoden einsetzen und Ideen verwerten, um der Diagnose ein therapeutisches
Konzept anzupassen. Deshalb könne nie behauptet werden, daß eine Methode allen anderen
überlegen sei.
Dennison trägt vor, er sei über die Jahre hinweg eklektisch vorgegangen und habe vielen
Quellen Informationen und Ideen entnommen. Seine Therapie beinhalte Techniken, die von
Sprachspezialisten, Optikern und Chiropraktikern angewendet werden. Auf der Suche nach
Alternativen habe er über den pädagogischen Bezugsrahmen hinaus gehen müssen. Sein
Grundsatz laute, Bewußtsein und Gespür für funktionierende Techniken zu zeigen und sie
anzuwenden, und er habe hierbei Erfolg gehabt. Lernschwierigkeiten träten u. a. deshalb auf,
weil die Menschen von einem System konditioniert worden seien, das objektives, verbales,
lineares Denken belohne. Intelligenz setze sich demnach aus logischen, rationalen und
wissenschaftlichen Fähigkeiten zusammen. Intelligenztests belohnten solche Fähigkeiten mit
hohen Werten, und die moderne technologische Gesellschaft sei diesem Bild entsprechend
aufgebaut worden. Diese Art von Bewußtsein werde von der linken Gehirnhälfte bestimmt.
Ohne die Gültigkeit der gebräuchlichen Bewertung in bezug auf Lernen in Frage stellen zu
wollen, werde im Rahmen der EDU-K Lernen aus einer anderen Perspektive betrachtet. Es
werde versucht, die Bedeutung "eines hohen IQ der rechten Gehirnhälfte" aufzuzeigen und zu
erklären, wie man durch Berührung, Bewegung, Haltung, Atmung und Liebe Gleichgewicht
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zwischen der linken und der rechten Gehirnhälfte herstellen könne.
Einschränkend wird bei seriösen Darstellungen der Methode stets angeführt, trotz zum Teil
bemerkenswerter Heilungen solle nicht der Eindruck entstehen, daß AK bzw. EDU-K allen
Menschen helfen könne. Kein Anwender könne einen anderen Menschen heilen, vielmehr
versuche der Körper ständig, sich selbst zu heilen. Mit AK bzw. EDU-K könne dieser Prozeß
lediglich unterstützt werden. Die Kinesiologie erlaube dem Anwender, mit einem anderen
Menschen zu arbeiten, indem er die Weisheit des Körpers selbst benutze, um seine Ungleichgewichte und die Verfahren zur Wiederherstellung der Balance herauszufinden.
Der Muskeltest gebe sowohl dem Getesteten als auch dem Anwender ein positives Feedback,
das den Fortschritt des Heilungsprozesses bestätige. Dieses Wissen, das mehr als nur Glauben
oder Vertrauen bedeute, bilde den Schlüssel für eine erfolgreiche Heilung. Das Phänomen,
daß das Feedback so unmittelbar sei, könne allerdings manche Leute zu der irrigen Vorstellung verführen, Kinesiologie sei eine Art Zauberei. Es stimme, daß Resultate zuweilen sehr
schnell einträten. Aber für gewöhnlich sei die Heilung ein fortschreitender Veränderungsprozeß, der erst nach Wochen oder Monaten abgeschlossen sei.
II
1.
Darstellung der Methode
Welche Ziele verfolgen Angewandte Kinesiologie (AK) und
Edukinesiologie (EDU-K)?
Nach La Tourelle und Courtenay (1992) wird mit AK - unabhängig von den Symptomen - der
Körper balanciert und durch Auflösung von negativem Streß in den optimalen Zustand gebracht, in dem er sich selbst heilen kann. AK berücksichtige die Beziehung der verschiedenen
Körpersysteme untereinander, da sie von einer ganzheitlichen Basis ausgehe. Der Zustand des
Gesunden könne verbessert, dem Kranken könne geholfen werden, sein Leiden zu meistern,
indem das gesamte Körper-Geist-System zu einer harmonischeren Funktionsweise aktiviert
werde. Symptome verschwänden oft sogar ohne direkten Eingriff.
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Von gründlich geschulten Anwendern praktiziert, könne AK niemandem schaden. Die zur
Korrektur benutzten Techniken seien einfach und sanft. Sie wirkten dadurch, daß sie das
Energieniveau erhöhen, wobei sie den Angaben des Körpers selbst (hinsichtlich dessen, was
die Energie steigert oder was nicht) folgen.
Die ideale Anwendung für AK liege in der Prophylaxe, d. h. darin, die Körpersysteme immer
in Balance zu halten, so daß Probleme seltener entstehen. AK könne darüber hinaus Ungleichgewichte feststellen, b e v o r sie sich zu körperlichen Symptomen und Krankheiten
entwickelt haben. Die Korrekturen wirkten sofort, obwohl die Ergebnisse, welche die Veränderung mit sich bringt, u. U. erst später wahrgenommen werden. Die Wirkung einer AKAnwendung halte solange an, bis irgendein Streßfaktor zurückkehre und wieder ein
Ungleichgewicht verursache. Die Behandlungsdauer sei vom jeweiligen Problem abhängig.
Mit Hilfe der AK werden üblicherweise strukturelle, biochemische, emotionale und elektrische Faktoren untersucht. Zu den strukturellen Faktoren zählen die Muskeln und Knochen.
Die biochemischen Faktoren umfassen allergische Reaktionen, Mangelernährung, hormonelle
Störungen, Blutdruckschwankungen und Belastung durch Giftstoffe. Zu den emotionalen
Faktoren gehören Gedanken, Überzeugungen, Einstellungen und Gefühle in bezug auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, sowohl bewußter als auch unbewußter Art. Diese könnten zahlreiche mentale und emotionale Probleme erzeugen, wie etwa Streß, Angst,
Schlaflosigkeit, Süchte und Phobien. Die emotionalen Faktoren wirkten sich nicht nur auf das
Verhalten aus, sondern besonders auch auf alle anderen Aspekte der Gesundheit: "Sie w e r d
e n das, woran Sie glauben und was Sie heute s i n d, ist die Summe Ihrer Gedanken und
Überzeugungen in der Vergangenheit" (La Tourelle & Courtenay 1992, S. 50). Mit
elektromagnetischen Faktoren sind eine Reihe von Energiekreisen im Körper und
Energiefelder bis zu einem Abstand von ca. 5 cm um den Körper herum gemeint.
Elektromagnetische Probleme würden verursacht durch Störungen in diesen Systemen, mit
dem Ergebnis schwacher oder falscher Kommunikation innerhalb des Körpers, die sich in
Gefühlen wie Desorientierung und Verwirrung, in schlechter Koordination, Lese-,
Rechtschreibschwäche etc. äußerten.
Die Anwendung von AK bringe drei einzigartige Vorteile mit sich: Es werde zum ersten der
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Körper dazu benützt, um bestimmen zu lassen, was ihm fehlt. Durch Muskeltestung könne
der Anwender exakt die Korrektur oder Anwendung herausfinden, die dieser Körper benötige, um von einer schwachen zu einer starken Muskelreaktion zu gelangen. Die
Behandlungsmethode sei somit unabhängig von der Entscheidung des Anwenders. Zum
zweiten gebe der Körper das direkte Feedback in bezug auf seine Bedürfnisse. Zum dritten
teile der Körper unmittelbar mit, ob eine Korrektur gewirkt habe. Auch der Getestete werde
den Unterschied in der Muskelreaktion spüren und somit vom Erfolg überzeugt sein. Dieses
Wissen wecke in ihm eine positive Einstellung, die wiederum den Heilungsprozeß fördere.
Außerdem erlaube es dem Körper des Menschen, sich innerlich der gerade vorgenommenen
Veränderung anzupassen.
Dementsprechend verschaffe EDU-K nach Dennison (1984) Ausgeglichenheit, "schalte"
Menschen vor dem Lernen "an" und sorge dafür, daß man während des Lernens im
Gleichgewicht bleibe. EDU-K lehre, das Potential eines Schülers zu maximieren, indem man
Blockierungen beseitige und den das Lernen beeinflussenden Streß vermeide. Man gehe
dabei von der Prämisse aus, daß man sich die meisten Lernprobleme unbeabsichtigt selbst
auferlege. Bestimmte Reaktionsweisen seien zu Gewohnheiten geworden. EDU-K sei "mehr
als ein Lernkurs, eine Lehrmaschine oder einfach ein weiterer effekthaschender Gag, sie ist
eine Lebensart" (Dennison 1984, S. 161). Der Einsatz der EDU-K erfordere daher, daß eine
bestimmte Grundhaltung - wie subtil auch immer - in das Glaubenssystem aller im Programm
beteiligten Personen integriert werde.
2.
Der Muskeltest und seine Bedeutung
Die EDU-K verwende nach Dennison (1984) den Muskeltest als diagnostisches und therapeutisches Werkzeug, um den Klienten mit seiner natürlichen Körperenergie in Einklang zu
bringen. Der Muskeltest erfordere u. a. gegenseitige Berührung, was alleine schon von heilsamer Wirkung sein könne. In der modernen Kultur seien die Menschen so stark auf die multimediale Informationsverarbeitung ausgerichtet, daß dabei Berühren und Fühlen ganz vergessen worden sei. Berührung habe sich jedoch als notwendig für die normale physische und
geistige Entwicklung erwiesen. So sei evident, daß Kinder, die gestillt worden seien oder
andere physische Stimulationen von ihrer Mutter erhalten hätten, einen signifikant höheren
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IQ aufweisen als Kinder, die wenig Berührungskontakte gehabt hätten. Bei der gegenseitigen
Berührung im Muskeltest trete der Anwender in den Lebensraum der anderen Person ein,
nehme somit Zugang zu seinem Energiefeld und vermische seine Energie mit der des Klienten.
Muskeltesten ist zugleich die Hauptuntersuchungsmethode in der AK wie in der EDU-K. Es
gibt verschiedene Wege, den Muskeltest zur Sondierung einzusetzen. Auch Physiotherapeuten benutzen manuelles Muskeltesten, um die Stärke bestimmter Muskeln einzuschätzen,
besonders bei Patienten, deren Muskelschwäche z. B. aus einem Schlaganfall oder einer
Verletzung resultiert. Physiotherapeuten bewerten die Muskelstärke gegenüber der
Schwerkraft auf einer Skala von 0 - 5, wobei 0 bedeutet: keinerlei Reaktion, und 5 der
normalen Muskelstärke entspricht. Obwohl die meisten mit dieser Skala getesteten Muskeln
in den Bereich von 5 fielen, würden sie dennoch den kinesiologischen Muskeltest nicht
bestehen. Das Einzigartige dieses Tests bestehe nämlich darin, daß er die Q u a l i t ä t der
Muskelreaktion teste, die vom Nervensystem bestimmt werde.
Beim kinesiologischen Muskeltest werde der zu testende Muskel soweit wie möglich von den
anderen Muskeln isoliert, mit denen er normalerweise zusammenarbeite. Er werde in Kontraktion gebracht, d. h. die beiden Enden des Muskels kommen näher zueinander. Die Testperson wird gebeten, diese Position zu halten, während der Tester leichten Druck ausübt,
ungefähr wie 2 1/2 kg oder auch bedeutend weniger, für etwa 2 Sekunden, in Richtung Extension des Muskels. Wenn das jeweilige Körperglied sich mehr als 5 cm bewegt, gilt der
Muskel als schwach, wenn es hält, als stark.
Das Isolieren des Muskels auf diese Art und Weise erschwere es der Testperson, die Ausgangsposition beizubehalten. Getestet werde die Fähigkeit des Nervensystems zur Anpassung
an den sich verändernden Druck des Testers.
Obwohl beim Muskeltest die Begriffe stark und schwach verwendet werden, überprüfe man
eigentlich nicht die Stärke des Muskels, sondern eher Energieströme im Körper. Man stelle
fest, ob die mit dem Muskel in Verbindung stehenden Energieströme "eingeschaltet" (Stärkereaktion) oder "ausgeschaltet" (schwache Reaktion) seien. Für das Ausschalten der Energie11
ströme könnten eine Reihe von Faktoren verantwortlich sein: Ernährungsmangel, emotionaler
Streß, Empfindlichkeit gegenüber Metallen, Farben und Parfüm, Subluxationen der Wirbel.
Außerdem könnten Muskeltests Aufschluß geben über das Funktionieren verschiedener Energiebahnen, Organe und körperlicher Prozesse (Topping 1985). Muskeltesten ergebe somit
eine Art Muskelbiofeedback.
Bei der kinesiologischen Sondierung werde der Muskeltest nach La Tourelle und Courtenay
(1992) auf zwei verschiedene Arten eingesetzt:
1.
als eine Serie spezifischer Muskeltests, um herauszufinden, wie gut der Körper in bezug
auf jeden Aspekt funktioniert: strukturell, chemisch und emotional;
2.
als Indikatormuskeltest, der nur einen einzigen Muskel benutzt, um eine nonverbale
Antwort auf einen Reiz zu erhalten, der sich auf strukturelle, chemische, emotionale
oder elektromagnetische Faktoren beziehen kann.
Beim Indikatormuskeltest werde nur ein Muskel als eine Art Biofeedbackinstrument benötigt,
um Informationen über das Körper-Geist-System oder über einen Teil desselben zu erhalten.
Als Indikatormuskel könne jeder Muskel des Körpers dienen, der stark sei und normal funktioniere. Dieser einzelne Muskel teste die Antwort des Körpers auf einen Reiz. Er gebe schon
bei leichtem Druck nach, wenn der Reiz im System des Klienten eine Unordnung oder ein
Ungleichgewicht verursache. Wenn z. B. die Überkreuzbewegung (vgl. II.3) Streß im System
verursache, gebe ein vorher starker Muskel nun nach.
Man hat versucht, dieses Phänomen folgendermaßen zu begründen: Wenn der Muskel stark
sei und der betreffende Mensch gerade keinen Streß habe, könne das Gehirn den Muskeltest
und den zusätzlichen, streßfreien Reiz gleichzeitig meistern. Rufe der Reiz jedoch Streß hervor, komme es im Gehirn zu einer momentanen Verwirrung, die eine gleichzeitige Bewältigung beider Stressoren verhindere, die darin bestehe, den Muskel stark zu halten u n d auf
den Reiz angemessen zu reagieren. Daraufhin gebe der Muskel sofort nach.
Der Indikatormuskeltest biete somit die unglaubliche Möglichkeit, die Antwort des Körpers
auf fast alle Stimuli sofort zu testen. Genau dieses gewaltige Spektrum für das
Muskelbiofeedback hat zu der schnellen Ausbreitung der AK in verschiedenen Bereichen der
Gesundheitspflege geführt. Um wirklich effektiv zu sein, müsse diese Technik aber von gut
12
geschulten Therapeuten angewandt werden. Zahlreiche Faktoren könnten einen Muskeltest
beeinflussen, so daß ein Tester, der dessen nicht gewahr ist, zu falschen Ergebnissen
gelangen könne.
Es bestehe im weiteren eine breite Kluft zwischen den Anwendern, die Untersuchungsmethoden auf der Basis der AK bevorzugen, und denen, die "den Körper fragen". Anwender der AK, die mehr wissenschaftlich und medizinisch orientiert seien, bedienten sich
einer logischen, nicht intuitiven Sondierungsmethode, um vom Körper Informationen zu
erhalten. Die anderen, die lieber "den Körper fragen", vertrauten einem intuitiven Verfahren,
indem sie direkt die Weisheiten des Körpers "anzapfen".
Beide Methoden hätten Vor- und Nachteile. Die AK begrenze durch die eindeutige Festlegung dessen, w a s eingeschätzt werden kann und w i e , das potentielle Untersuchungsspektrum, insbesondere auf dem Gebiet der Emotionen. Dafür habe sie den Vorteil, daß sich
die Ergebnisse der AK-Methode wiederholen, d. h. in gleicher Weise immer wieder abrufen
ließen. Das "Befragen des Körpers" dagegen gewähre zwar unbeschränkte
Einschätzungsmöglichkeiten für alle Arten von Faktoren. Weil es aber auf einem mehr
intuitiven Ansatz beruhe, seien seine Ergebnisse nicht immer reproduzierbar und somit
weniger zuverlässig.
Der Grund für die mögliche Unzuverlässigkeit der Körperbefragung scheine darin zu liegen,
daß der Anwender, der nicht völlig von der Testperson abgegrenzt sei, mit ihr interagiere und
somit, wenn auch unbeabsichtigt, den Ausgang des Tests beeinflusse. David Walter (1981),
einer der führenden Vertreter und Autorität auf dem Gebiet der AK meint hierzu: "Es entsteht
der Eindruck, daß manche Therapeuten einleuchtende therapeutische Ansätze anwenden und
Ergebnisse erzielen können, die von anderen nicht nachvollzogen werden können ... Diese
Verfahren mögen für den einzelnen wertvoll sein, doch können sie nicht anderen vermittelt
werden, die nicht über die gleichen Fähigkeiten und geistigen Grundmuster verfügen"
(Walther 1981, S. 5).
Elektromagnetische Faktoren, die von besonderer Bedeutung für die EDU-K sein sollen,
werden gleichfalls durch einen Indikatormuskeltest in Verbindung mit einer anderen Sondie13
rungstechnik, Bewegung oder Übung oder durch spezifische Muskeltests sondiert.
Der Anwender verschaffe sich hierbei einen allgemeinen Überblick über den Energiezustand
anhand bestimmter Muskeltests, die auf Grund der Muskel-Meridian-Verknüpfung
Informationen über jeden Meridian liefern. Es könne zu wenig (Unterenergie) oder zuviel
(Überenergie) Meridianenergie vorliegen. Auf Unterenergie deute gewöhnlich eine schwache
Muskelreaktion hin. Zur Ermittlung der Überenergie soll die Testperson während eines
Indikatormuskeltests die Pulse an ihrem Handgelenk oder bestimmte Akupunkturpunkte
berühren.
Diese Energieinformation könne auch im Sinne des "Gesetzes der Fünf Elemente" (Chinesische Medizin) verstanden werden, das alle Meridiane und ihre Beziehungen zueinander enthalte und vorhersagbare Muster der Energiebewegungen im Körper beschreibe. Anstatt jede
einzelne Muskel-Meridian-Störung isoliert zu testen, würden hierbei die Ungleichgewichte in
Beziehung zueinander als Teil des gesamten Musters eingeschätzt.
Für die EDU-K von besonderer Bedeutung sei, wenn ein Kind durch die Bevorzugung der
rechten oder linken Hirnhemisphäre nicht das gesamte Potential seiner Lernfähigkeit ausschöpfen könne. Um dies zu erkennen, seien zur Bestimmung der dominanten Hemisphäre
verschiedene Testverfahren ausgearbeitet worden (vgl. Meister Vitale 1988). So gäben
genaue, strukturierte Beobachtungen des kindlichen Verhaltens Auskunft über typische linkswie auch rechtshemisphärische Verhaltensweisen. Mit Hilfe einer Checkliste, die
Augendominanz, Handdominanz, Handstellung, Körpersymmetrie und Augenbewegungen
des Kindes erfasse, könne neben dem Muskeltest gleichfalls Aufschluß über die bevorzugte
Lernhemisphäre eines Kindes gewonnen werden. Schließlich könnten direkte Fragen an das
Kind, die sich auf einen Bereich beziehen, der dem Kind Schwierigkeiten bereitet,
Informationen auf seine hemisphärische Dominanz und auf seine Lernmodalitäten (visuell,
auditiv oder haptisch) erbringen.
14
3.
Korrekturmöglichkeiten
Im folgenden sollen die von verschiedenen Autoren am häufigsten genannten Korrekturmethoden der EDU-K kurz vorgestellt werden.
3.1 Überkreuz-Bewegungsmuster und Lateralitätsbahnung
Das Überkreuz-Bewegungsmuster kennzeichnet nach Dennison (1981) jede rhythmische,
ausgeglichene Bewegung, die verlangt, daß man die rechte und die linke Körperseite dynamisch in Beziehung bringt, während man sich zugleich des oberen und des unteren Teils des
Körpers bewußt ist. Die Überkreuzbewegung erfordere, daß das Gehirn die Muskeln zum
richtigen Zeitpunkt arbeiten lasse; es müsse ein Feedback und ein "Feedforward" von und
zum Muskel vorhanden sein, damit die Übung durchgeführt werden könne.
Als kinesiologische Übung werde die Überkreuzbewegung zum Austesten und zur Steigerung
der Integration von rechtem und linkem Gehirn eingesetzt. Zu diesem Zweck solle die Person
auf der Stelle marschieren, ihre Knie etwa hüfthoch heben und die Knie abwechselnd mit
dem Ellbogen der jeweils gegenüberliegenden Seite berühren.
Entwicklungsbezogen betrachtet fühle sich jemand, der Schwierigkeiten mit der Überkreuzbewegung hat, auf der homolateralen Stufe wohler, wenn also Arm und Bein derselben
Seite reflexartig gleichzeitig bewegt werden. Dies entspreche der Phase, in der das
neugeborene Kind, auf dem Rücken liegend, die Gliedmaßen gleichzeitig bewege. Die
Bewegung kennzeichne auch die Phase, in der das Kind auf dem Bauch krabble, mit dem
Kopf auf dem Boden, so daß es jeweils nur mit einem Auge sehe. Wenn eine Person nach
Homolateralbewegungen "stark" und nach Überkreuzbewegungen "schwach" teste, befinde
sie sich neurologisch mit Sicherheit auf der homolateralen Stufe.
Menschen, die in der Kindheit spontan gelernt hätten zu krabbeln bevor ihre linke Gehirnhälfte zu vollem Bewußtsein erwacht sei, hätten einen rechtshirndominanten Testwert für
Bewegungen und hielten die linke Gehirnhälfte für das Lernen neuer Dinge frei. Menschen,
die als Kleinkinder zu spät oder zu wenig krabbelten, hätten hingegen für Bewegungen einen
15
linkshirndominanten Testwert. Sie seien in der Phase der bewußten Aneignung von
Bewegung steckengeblieben. Bewegung werde somit bei ihnen nicht automatisiert, müsse
gleichsam immer wieder neu überdacht werden.
Die Überkreuzbewegung helfe nach Dennison nur den Kindern, die sie automatisch und ohne
bewußte Anstrengung ausführen können. Bei ca. 40 % aller Kinder habe hingegen eine Integration der Gehirnhemisphären nicht stattgefunden und sie hätten große Probleme bei der
Durchführung der Übung.
Zur Behebung dieses Ungleichgewichts wurde in der EDU-K die "Dennison-Lateralitätsbahnung" eingeführt. Bei Vorliegen eines homolateralen Bewegungsmusters solle die
Überkreuzbewegung ausgeführt werden, während die Augen nach links oben blicken. Der
Kopf bleibe dabei in einer geraden Position. Dann sollten Homolateralbewegungen ausgeführt werden, wobei die Augen nach rechts unten blicken. (Bei Linkshändern könne es
vorkommen, daß sie die entgegengesetzte Augenstellung zur Korrektur benötigen, also nach
rechts oben blicken bei der Überkreuzbewegung und nach links unten bei der Homolateralbewegung). Die Blickrichtung sei durch die Position der beiden Gehirnhälften bedingt
(Reflexgehirn auf der rechten Seite, analytisches Gehirn auf der linken Seite).
Nach mehrmaliger Wiederholung dieser Übung solle die Person beide Arme seitlich bis zur
Waagrechten heben, wobei die Handflächen nach vorne gerichtet seien. Sie solle sich die
linke Hirnhemisphäre in der linken Handfläche und die rechte Hemisphäre in der rechten
Handfläche vorstellen. Danach sollten beide Handflächen (Hemisphären) zusammengebracht
werden, wobei die Finger ineinandergriffen und einen gewissen Druck aufeinander ausübten,
um die beiden Hemisphären zu integrieren.
Mit der Dennison-Lateralitätsbahnung könne jede Person mit homolateralem Bewegungsmuster auf das natürliche Überkreuzmuster eingestimmt werden. Die Korrektur sei augenblicklich und tiefgreifend; sie sollte aber zur Festigung noch über einen Zeitraum von ca. 6
Wochen täglich durchgeführt werden.
Die Überkreuzbewegung sei bereits in den 60er Jahren von Doman und Delacato praktiziert
16
worden, die sie sehr erfolgreich bei hirngeschädigten Kindern eingesetzt hätten.
Auch die "Cook-Methode" trage zur Integration der Gehirnhälften bei. Dabei werde das linke
Bein auf das rechte Knie gelegt. Die rechte Hand umfasse den linken Fußknöchel. Die linke
Hand liege unter dem Fußballen, so daß die Person mit dem Körper eine Art Acht bilde. In
dieser Position soll die Person etwa 1 Minute verharren und tief durchatmen. Auch das Sitzen
in der Cook-Position sei eine Möglichkeit, die Energien im Gehirn auszugleichen und damit
ruhig zu werden.
3.2 Die liegende Acht
Die liegende Acht, das Unendlichkeitssymbol, werde seit vielen Jahren in der Sonderpädagogik und im Rahmen von Sehtraining erfolgreich angewandt. Durch den Muskeltest habe nach
Dennison und Hargrove (1987) ihre Wirksamkeit voll bestätigt werden können. Der Erfolg
der Übung liege wahrscheinlich darin, daß die fließende Bewegung der Acht ein müheloses
Überqueren der Mittellinie ermögliche und damit ein evtuelles Abschalten der rechten
Gehirnhemisphäre verhindert werde. Mit Hilfe der liegenden Acht gelinge es der betreffenden
Person, sich - wenn auch nur zeitweilig - zu zentrieren. Dies gleiche die Gehirnhemisphären
aus und schaffe die Möglichkeit, ganzheitliches Lernen zu erfahren und zu verankern. Am
wirkungsvollsten sei die liegende Acht, wenn sie nach der Lateralitätsbahnung und anderen
EK-Übungen eingesetzt werde. So könnten z. B. Buchstaben oder Zahlen permanent
integriert werden, die vorher regelmäßig ein "Abschalten" verursacht hätten oder in
homolateraler Weise ausgeführt worden seien.
In Dennisons Forschungsarbeiten habe sich immer wieder bestätigt, daß das Lernen aufgabenspezifisch sei. Das bedeute, auch bei ähnlichen Lernerfahrungen könne man sich nicht
darauf verlassen, daß eine Übertragung stattfinde. Es reiche also nicht aus, die liegende Acht
auf eine Schwierigkeit bezogen durchzuführen. Überall da, wo eine bessere Integration
gebraucht werde, solle die Übung der liegenden Acht spezifisch angewandt werden.
Die Übung werde am günstigsten folgendermaßen durchgeführt: Der Lehrer malt an die Tafel
17
eine liegende Acht, die so groß sein sollte, daß der Schüler sie an der Mittellinie stehend,
bequem mit jedem Arm erreichen kann. Der Schüler beginnt an der Mittellinie, malt nach
links oben gegen den Uhrzeigersinn und dann nach rechts mit dem Uhrzeigersinn die
liegende Acht nach. Zuerst benützt er die eine Hand, dann die andere und am Schluß beide
zusammen (in dieselbe Richtung), je 3 mal. Danach sei es sinnvoll, Augenfolgebewegungen
zur Stärkung der Koordination der Augenmuskeln und Übungen zur Koordination von Hand
und Auge zu machen.
3.3 Technik zur Befreiung von emotionalem Streß (ESR)
In den 30er Jahren entdeckte der Chiropraktiker Dr. Bennett Körperstellen, hauptsächlich am
Kopf, die, wenn sie berührt werden, die Blutzufuhr zu gewissen Organen zu beeinflussen
scheinen. In den 60er Jahren fand Dr. Goodheart, der "Vater" der AK, heraus, daß er einen
"schwachen Muskel" stärken konnte, indem er die entsprechenden "Bennett-Reflexzonen"
stimulierte. Diese Punkte sind jetzt als neuro-vaskuläre Kontaktpunkte bekannt. Durch
Berühren dieser Punkte könne mit Hilfe des Nervensystems der Auftrag gegeben werden,
Veränderungen im vaskulären (d. h. Blut-)System vorzunehmen. Für die EDU-K sei
besonders eine Gruppe von neuro-vaskulären Kontaktpunkten von Interesse, die sich auf der
Stirn zwischen Augenbrauen und Haaransatz befinden. Es seien zwei leicht hervorstehende
Erhebungen, die beim Erwachsenen 5 - 7 cm oberhalb der Augen liegen. Sie werden in der
Fachsprache als Stirnbeinhöcker bezeichnet. Emotionaler Streß sei oft der ausschlaggebende
Faktor für Lernbehinderungen. Erst wenn eine Person entspannt sei, die Organe normal
arbeiteten und sie sich nicht bedroht fühle, werde sie ein Selbstverständnis entwickeln
können, daß sie Unterrichtung, Korrekturen und Gelegenheiten zu Wachstum und
Veränderung akzeptiere.
Werden mit den Fingerbeeren die Stirnbeinhöcker leicht berührt, könne man häufig einen
leichten Puls von 70 - 74 Schlägen pro Minute fühlen. Thie (1989) ist der Ansicht, daß es sich
dabei um einen primitiven Puls der Kapillargefäße handle. Wenn die Person an einen Streßauslöser denke, könne man feststellen, daß die Pulsschläge nicht aufeinander abgestimmt
seien. Wenn die Gedanken keinen Streß mehr verursachten, sollten auch die Pulsschläge
aufeinander abgestimmt sein, da das Blut wieder der Großhirnrinde zugeführt werde und
18
diese somit wieder das Nervensystem kontrollieren könne. Beim Berühren der ESR-Punkte
solle der Klient veranlaßt werden, die streßverursachende Situation noch einmal so genau wie
möglich zu imaginieren. Die Punkte sollten so lange gehalten werden, bis der Puls auf beiden
Seiten gleichmäßig und synchron sei. Dies könne einen Zeitraum von 1 bis 10 Minuten in
Anspruch nehmen.
Bei den ESR-Punkten handle es sich gleichzeitig um die neuro-vaskulären Punkte für den
Magen. Im Magen würden nicht nur Nahrung, sondern ebenso Emotionen "verdaut" - daher
rühre etwa das durch Angst herbeigeführte mulmige Gefühl im Magen sowie die Tatsache,
daß Magengeschwüre oft mit Streß zusammenhängen.
Die Wirksamkeit der ESR-Technik könne dadurch erhöht werden, daß gleichzeitig die Augen
kreisförmig bewegt würden (Augenrotation). Dies beruhe auf der Tatsache, daß man durch
den Blick in verschiedene Richtungen jeweils Zugang zu verschiedenen Teilen des Gehirns
bekomme, eine Erkenntnis, die insbesondere im NLP (Neurolinguistischen Programmieren)
Verwendung finde.
Die ursprüngliche Ursache des Stresses habe sich durch Anwendung der ESR-Technik weder
gewandelt noch aufgelöst, wohl aber die Wahrnehmung und Einstellung des Klienten dem
Streß gegenüber. Oft tauchten während des Steßabbaues neue Lösungen aus dem kreativen
Teil des Gehirns auf und die vorher rein emotionale Antwort werde durch eine ausgewogene
ersetzt.
3.4 Übungen bei spezifischen Lernproblemen
3.4.1
Überqueren der Mittellinie beim Lesen
Zunächst werde ein starker Indikatormuskel identifiziert. Dann lese die Testperson oder stelle
sich vor, daß sie lese. Teste der Indikatormuskel nunmehr schwach, liege wahrscheinlich eine
Blockierung der Mittellinie für das Sehen vor. Die Testperson solle in diesem Fall nach rechts
sowie nach links auf einen Bleistift oder etwas ähnliches schauen. Wenn der Indikatormuskel
19
erneut schwach teste, liege ein Abgeschaltetsein der Augen vor. Bleibe der Indikatormuskel
beim o. g. Test stark, solle die Testperson mit den Augen einem Bleistift folgen, der etwa 30
cm von den Augen entfernt hin und her bewegt wird. Diese Art Lesebewegung der Augen
solle etwa 20 mal ausgeführt werden. Werde der Indikatormuskel danach schwach, liege ein
Problem beim Lesen vor. Integrationsübungen, wie z. B. die liegende Acht, seien in diesem
Fall angezeigt.
3.4.2 Überqueren der Mittellinie beim Schreiben
Die Testperson werde gebeten, an das Alphabet zu denken. Falls dieser Gedanke den Indikatormuskel schwach werden lasse, würden die einzelnen Buchstaben durchgegangen.
Nachdem die Testperson an Schreiben oder Geschriebenes gedacht habe, werde sie erneut
getestet. Wenn die Testperson bei einer dieser Übungen schwach teste, liege eine Blockierung der Mittellinie für das Schreiben vor. Dies bedeute, daß für die Bildung der einzelnen
Buchstaben das analytische oder Sprachgehirn aktiv sei. Die Schreibbewegung sollte jedoch
automatisch ablaufen, d. h. von der rechten Hemisphäre gesteuert werden. Wenn das
analytische Gehirn mit dem Schreiben beschäftigt sei, unterliege es der bewußten Kontrolle
und mache Mühe. Auch diese Lernblockade könne mit Übungen wie der liegenden Acht korrigiert werden.
3.4.3 Überkreuzen der Mittellinie für das Hören und das Gedächtnis
Die Testperson solle eine Zahlenfolge oder Buchstabenreihe wiederholen und werde dann
getestet. Dann werde sie gebeten, den Kopf nach links und nach rechts zu drehen, und es
werde überprüft, ob eine oder beide Positionen den Indikatormuskel schwächen. Wenn dies
der Fall sei, bedeute dies, daß die Testperson ein Ohr bzw. beide abschaltet. Meistens liege
die Schwierigkeit vor, beide Ohren gleichzeitig zu aktivieren. Um also mit dem einen Ohr
hören zu können, werde das andere "abgeschaltet".
Für den Hör- und Denkvorgang sei das Zusammenspiel von Ohren, Nervenrezeptoren in den
20
Nackenmuskeln und von verschiedenen Bereichen des Gehirns von besonderer Bedeutung.
Werde z. B. der Kopf nach rechts gedreht (eine das linke Gehirn aktivierende Bewegung) und
bleibe der Indikatormuskel stark, so zeige dies, daß die Hörbahn zum rechten Ohr eingeschaltet sei. Im umgekehrten Fall sei die Hörbahn zum rechten Ohr abgeschaltet, die Verbindung
von Nackenmuskeln, Ohren und Gehirnzentren sei unterbrochen. In dieser Situation seien
Übungen zur Verbesserung der Hörfähigkeit und des Erinnerungsvermögens angebracht,
indem z. B. die Rezeptoren in den Nackenmuskeln wieder aktiviert würden. In diesem Kontext wird häufig die Technik des Ohrenentfaltens genannt. Hierbei werde die Ohrmuschel
leicht ziehend von der Mitte nach außen massiert, gleichsam als ob sie entfaltet werden solle.
3.5 Weitere Korrekturmethoden
Nach Ansicht vieler Anwender von EDU-K hätten sich die meisten Menschen durch wiederholte Gedanken oder Aussagen selbst programmiert oder seien von anderen konditioniert
worden. Entsprechend dem Material, das dem Geist zur Verarbeitung gegeben worden sei,
kontrolliere er die Handlungen, Emotionen und Einstellungen ("Füttern Sie den Geist mit
negativem Input, und er reagiert negativ; füttern Sie ihn mit positiver Information, und er
reagiert positiv": Topping 1988, S. 47.) Aus diesem Grunde könne man mit Hilfe von
positiven Aussagen und Gedanken bestehende Gewohnheiten ändern, neue Gewohnheiten
und neue Verhaltensweisen entwickeln. Der Einsatz von A f f i r m a t i o n e n sei dabei
einer der effektivsten Wege. Eine Affirmation sei ein positiver Gedanke, den man im
Bewußtsein verankere, um einer Vorstellung entgegenzuwirken, die nicht mehr angemessen
sei. Eine Affirmation sollte im Präsens formuliert werden. Werde sie im Futurum formuliert,
führe dies wahrscheinlich zu Zögern und nicht zu den Gefühlen, die das Erreichen des
angestrebten Zieles begleiten solle. Affirmationen sollten zudem immer positiv formuliert
werden. Je häufiger man mit einer affirmativen Formel arbeite, desto schneller erziele man
Erfolge. Die beiden effektivsten Zeitpunkte für die Arbeit mit Affirmationen seien jedoch die
Zeit nach dem Aufwachen und vor dem Einschlafen. Die Effektivität stehe auch im
Zusammenhang mit der Präzision der Formulierung.
In ähnlicher Weise sei eine genaue Z i e l d e f i n i t i o n von großer Bedeutung für
21
Behandlungserfolge. Auch diese Methode ist aus dem NLP übernommen worden. NLP gibt
bestimmte Richtlinien, um Ziele zu finden und klar zu definieren. Sobald man an einen erwünschten positiv formulierten Zustand denke, entwickle man bereits die ersten Sinneswahrnehmungen: Man fühle sich in das positive Endergebnis hinein und sehe sich selbst nicht
mehr nur im negativen Zustand. Erfolgversprechende Ziele müßten realistisch und erreichbar
sein.
Die kinesiologische Technik des S c h l ä f e n k l o p f e n s verankere positive Affirmationen oder Ziele und festige eine positive Veränderung in der Gegenwart. Sie unterstütze
Wandlungen jeder Art. Bei ihrer Anwendung klopfe man mit den Fingern an den Schädel und
zwar entlang der temporosphenoidalen Linie (TS-Linie), die wie ein Fächer um jedes Ohr
herum verlaufe. Hier filtere das Körper-Geist-System hereinkommende Sinneswahrnehmungen, so daß man nicht durch zu viele gleichzeitige Informationen erdrückt werde.
1975 entdeckte Goodheart, daß das Klopfen auf der TS-Linie das Filtersystem vorübergehend
ausschalten könne und daß es sich therapeutisch einsetzen lasse, um positive Botschaften
ohne Filter einzuflößen. Je besser das Gehirn organisiert sei, desto größer seien die Erfolge
dieser Technik. Wenn das Schläfenklopfen nicht funktioniere, könne der Grund darin liegen,
daß die betreffende Person neurologische Dysorganisationen aufweist. (In diesen Fällen
zeigten sich oft Symptome für Lernbehinderungen, oder es lägen gemischte
Dominanzverhältnisse vor, z. B. Linkshändigkeit und Dominanz des rechten Auges oder
umgekehrt.)
Auch die im NLP gebräuchliche Technik der V e r a n k e r u n g wird im Rahmen der
EDU-K eingesetzt. Es scheine so zu sein, daß der Gedanke an eine Streßsituation und der
gleichzeitige kräftige Druck auf eine bestimmte Körperstelle A vom Gehirn verankert
würden. Ähnlich verankere das Gehirn auch die positive Situation mit Körperstelle B. Wenn
man Punkt A berühre, erhalte man somit Zugang zu den assoziierten negativen Gefühlen. Die
Berührung von Punkt B rufe die positiven Gefühle hervor. Gleichzeitiges Berühren der Punkte A und B bewirke, daß beide Gefühle gleichzeitig aufkämen. Gewöhnlich resultiere daraus
eine "Entschärfung der Streßsituation".
22
Ein bedeutender Bestandteil der Therapie von Dennison (1981) ist die H a l t u n g s - und
B e w e g u n g s u m e r z i e h u n g oder "Edu-Kinästhetik". Der Erfolg anderer kinesiologischer Übungen hänge davon ab, inwieweit der Schüler wieder lerne, seinen Körper richtig
zu gebrauchen und seine Selbsteinschätzung zu steigern. Ohne das Zurückfinden zur
ausgeglichenen Körperhaltung der Kindheit würden sich trotz anfänglichem Erfolg schlechte
Gewohnheiten und geringe Selbsteinschätzung bald wieder bemerkbar machen und den
Körper wieder in den ursprünglichen Zustand versetzen.
Gute Körperhaltung, aufrechtes Stehen, Denken, flüssiger Ausdruck und Lernen verlangten,
daß der Nacken frei sei, um Energie leiten zu können. Die Bedeutung des Nackens in diesem
Kontext könne nicht stark genug betont werden. Wenn er offen, entspannt und locker sei,
könnten Körper und Geist zusammenarbeiten; wenn er geschlossen und verspannt sei, werde
er zu einem Ventil, das die Energie blockiere und die Leistung beeinträchtige. Energieausbalancierung umfasse zunächst die bilaterale Integration der beiden Körperseiten. Die Vornehinten-Balance und das Gleichgewicht zwischen oben und unten seien jedoch von gleicher
oder sogar von größerer Bedeutung. Mit Hilfe verschiedener Übungen könne die Haltung von
Klienten analysiert und korrigiert werden.
Es gebe weitere Methoden, das Energiepotential auf einem hohen Niveau zu halten. Um eine
gute körperliche Haltung zu verinnerlichen, müßten erbauliche, energiespendende und freudige Dinge in der Umwelt sein und die Gedanken der Klienten bestimmen. Wenn man eine
innere Haltung bedingungsloser Liebe annehme, gebe es keine Energieblockierungen.
Lebensfreude und das bewußte Erleben der Gegenwart eröffneten gleichfalls den Zugang zu
guter Körperhaltung.
Schließlich werden von allen Autoren verschiedene U m w e l t f a k t o r e n im Hinblick
auf ihre Auswirkung auf Balancierung bzw. Blockierung der menschlichen Energie und damit
der Lernfähigkeit diskutiert. In erster Linie werden hier Farben, Geräusche und Musik, Nahrungsmittel, natürliche Stoffe versus Kunststoff, körperliche Bewegung und der Kontakt zu
anderen Menschen genannt.
Zusammenfassend betrachtet sei nach Ansicht der EDU-K der Schlüssel zum Lernen am
23
häufigsten darin zu finden, daß man Körperhaltung, Bewegung und Sehgewohnheiten beim
Schreiben fachmännisch analysiere und durch positiv verstärkte Umprogrammierung schwächende Gewohnheiten durch stärkende ersetze. Während beim Erlernen von Schreiben die
linke Gehirnhälfte bewußte Kontrolle über den Vorgang ausübe, müsse das Schreiben danach
eine von der rechten Gehirnhälfte kontrollierte Aufgabe werden, unabhängig von Händigkeit
und Dominanz. Das Schreiben erfordere "freie Bewegung, Fluß und Ausdruckskraft" und
müsse mit dem Energiefluß im Körper übereinstimmen. Um festzustellen, ob jemand beim
Schreiben "abschaltet", müsse zunächst die Körperhaltung kontrolliert werden. Durch
Korrektur der Haltung und Überprüfung resultierender Veränderungen mit dem Muskeltest,
die dem Schüler unmittelbares Feedback und damit positive Verstärkung für seine
Reaktionen gebe, könne oft schon nach einmaligem Versuch eine grundlegende Umprogrammierung erfolgen.
24
III. Wissenschaftlicher Hintergrund der Edukinesiologie
1. Neuropsychologische Grundlagen
Der Literatur zufolge liegt der wesentliche Ausgangspunkt der Edukinesiologie in den unterschiedlichen Funktionen der rechten und der linken Gehirnhemisphäre, nicht nur in ihrer Verantwortung für das "An- und Abschalten" des Körpers, sondern auch hinsichtlich Bewußtsein
und Denkprozessen. Die beiden Hirnhälften seien durch das Corpus Callosum miteinander
verbunden, welches ihre unterschiedlichen Funktionen integriere, die Kommunikation zwischen ihnen sowie die Überleitung von Erinnerungs- und Lerninhalten ermögliche. Im Bedarfsfall könne jede der Hemisphären die Funktionen der anderen übernehmen. Je komplexer
die Aufgabe sei, desto stärker seien im allgemeinen beide Gehirnhälften an der Operation
beteiligt. Die linke Hemisphäre sei vorwiegend verantwortlich für analytisches Denken,
besonders für Sprache und Logik. Sie werde "angeschaltet", wenn wir computerartig
gegliederte und strukturierte Informationen verarbeiten müssen. Im Gegensatz dazu sei die
rechte Hemisphäre verantwortlich für das visuelle Gedächtnis, die Orientierung im Raum, für
künstlerische Fähigkeiten, Gefühle und Emotionen, Körperbewußtsein und Erkennen von
Gesichtern. Sie werde "angeschaltet", wenn Informationen nicht linear, sondern als Ganzes,
also gleichzeitig verarbeitet werden müssen.
Entsprechend der Dominanz einer Gehirnhälfte ließen sich grundlegend unterschiedliche
Lerntypen identifizieren und diagnostizieren. Beim a u d i t i v e n Lerntyp werde das
Denken von der linken Gehirnhälfte kontrolliert. Er identifiziere Wörter nach den Lauten,
buchstabiere phonetisch, sei verbal und logisch ausgerichtet und ziehe es vor, Regeln zu folgen. Beim v i s u e l l e n Lerntyp werde das Denken von der rechten Gehirnhälfte
kontrolliert. Er ziehe das Lesen und Buchstabieren vom Blatt vor und sei kreativ und intuitiv
beim Problemlösen. Wer seine Wahrnehmung gar nicht lokalisieren könne, gehöre zur
Gruppe des h a p t i s c h e n Lerntyps. Dieser lerne durch Erfahrung. Es wurde festgestellt,
daß das Denken dieser Menschen entweder überwiegend von der rechten Hemisphäre bestimmt werde oder keine ausgeprägte Lateralität vorliege.
Über die Ursachen und die Entwicklung der Spezialisierung beider Hirnhemisphären existie25
ren unterschiedliche Theorien. Eine Theorie geht davon aus, daß sich die Gehirnhälften bis
zum Alter von 4 Jahren symmetrisch entwickeln. Ab dem 4. Lebensjahr beginne die Spezialisierung der Hemisphären, und die Gehirnhälften entwickelten unterschiedliche kognitive Fähigkeiten. Diese Spezialisierung schließe im Alter von 5 Jahren ab. Jetzt beginne die laterale
Zusammenarbeit (Lateralisation). Beide Gehirnhälften fingen an, sich gegenseitig zu beeinflussen. Das Kind könne nun eine im linken Blickfeld aufgenommene Information, die zunächst in die rechte Hemisphäre und von hier aus zurückgeleitet wird, mit der linken Hemisphäre interpretieren und auf praktischer und intellektueller Ebene damit umgehen. Anhänger
dieser Theorie sind der Meinung, daß die Lateralisation erst im Alter von 9 Jahren
abgeschlossen sei, obwohl eine funktionelle Spezialisierung bereits im Kindergartenalter
erreicht werde.
Eine zweite Theorie besagt, daß die Lateralisation der Hemisphären, ihre Dominanzausprägung und die funktionelle Spezialisierung bereits vor oder zum Zeitpunkt der Geburt festgelegt seien. Die graduelle Aktivierung der spezialisierten Funktionen beginne dieser Theorie
zufolge, sobald das Kind den Umweltreizen ausgesetzt sei. Eine Lateralität könne erst im
Alter von 5 oder 6 Jahren festgestellt werden, wenn sich die neurale Verbindung zwischen
den beiden Gehirnhälften (Corpus Callosum) vollständig entwickelt habe. Spezialisierung
und Lateralisierung werden gleichfalls erst im Alter von 9 Jahren als vollendet angesehen.
Eine dritte Theorie nimmt an, daß die Lateralisation für Sprache bereits zum Zeitpunkt der
Geburt vorhanden sei, die Spezialisierung anderer Gehirnfunktionen sich jedoch erst mit der
Zeit entwickele und erst mit der Pubertät abschließend ausgeprägt sei.
Was die schulische Leistungsfähigkeit betrifft, benutzten rechtshirn- oder linkshirndominante
Kinder nicht ausschließlich die eine Hemisphäre, sondern gäben ihr lediglich den Vorzug.
Am besten wäre es natürlich, wenn jeweils die Gehirnhälfte bei einer bestimmten Aufgabe
aktiv würde, für die sie die besseren Voraussetzungen mitbringe. Bedauerlicherweise
geschehe aber allzu häufig genau das Gegenteil. In manchen Situationen bevorzuge ein Kind
die rechte Gehirnhälfte, auch wenn die linke für die gestellte Anforderung viel geeigneter
wäre. Insbesondere stark rechtshirnorientierte Kinder hätten in der Schule oft Schwierigkeiten. So würden viele im schulischen Kontext geforderte Leistungen von der linken
26
Hemisphäre gesteuert. Dies gelte für die Handschrift ebenso wie für die Fähigkeit, Symbole
wie Zahlen oder Buchstaben zu interpretieren, sowie für die meisten Bereiche sprachlicher
Kommunikation. Hierzu gehörten Formulierungen, das Lesen von Einzellauten, das Umgehen
mit Details und Fakten, das Ausführen von Anordnungen, das Zuhören und Assoziieren zum
Gehörten.
Mit diesen Fähigkeiten müßten die Kinder täglich im Klassenraum umgehen. Den Kindern
würden Symbole (z. B. Buchstaben) gegeben, man lege großen Wert auf das Lesen, die Sprache, die Artikulation. Es werde nach Details gefragt, darauf bestanden, daß alle Aufgaben
erledigt würden. Meist werde zu den Kindern und nicht mit ihnen gesprochen.
Die rechte Hemisphäre verfüge hingegen über ganz andere Fähigkeiten. Hier würden nonverbale Informationen erkannt und verarbeitet, Kommunikation erfolge stark mit Hilfe von
Körpersprache. Das Zentrum für die Einordnung räumlicher Empfindungen und die Orientierung unseres Körpers, z. B. beim Sport, liege in der rechten Hemisphäre. Auch an der Interpretation von Körperwahrnehmungen, die in der sensorischen Region verarbeitet werden, sei
die rechte Hemisphäre beteiligt.
Sie habe die Fähigkeit, geometrische Figuren, wie Kreise, Quadrate, Rechtecke, Dreiecke,
sowie Formenmuster zu erkennen, mit ihnen umzugehen und sie zu zeichnen. Sie könne Farbnuancen unterscheiden sowie farbige Bildvorstellungen entwickeln. Die
Wahrnehmungsfähigkeit für Gesang, Musik und kreative Darstellung seien in der rechten
Hemisphäre lokalisiert.
Für jede Gehirnhälfte sei zudem eine bestimmte Bewußtseinsform typisch. D. h. die rechte
und die linke Gehirnhälfte hätten spezifische Denkweisen. Die linke Hemisphäre bewältige
die täglichen Anforderungen, indem sie vom Teil zum Ganzen gehe, vom Speziellen zum
Komplexen. Sie gehe der Reihe nach vor und baue logisch aufeinander auf. Die rechte Hemisphäre dagegen gehe vom Ganzen zum Teil, vom Komplexen zum Speziellen. Sie lerne
ganzheitlich. Sie unterteile nicht, sondern betrachte die Dinge holistisch, als Gesamtbild.
An diesem Punkt setzt die Kritik der EDU-K am herkömmlichen Lernsystem in unseren
27
Schulen an. In den Schulen werde das von der linken Hirnhälfte gesteuerte Denken eindeutig
stärker gewürdigt (Dennison 1981).
Autoren, die sich mit der Optimierung von Denk- und Gedächtnisleistungen beschäftigen, die
aber nicht zum engeren Kreis der Edukinesiologen gezählt werden, wie z. B. Birkenbihl
(1983) gehen in ihrer Kritik noch weiter: Ihrer Ansicht nach werde durch unser Schul- und
Ausbildungssystem freudiges Lernen mit Faszination behindert, die Lernfähigkeit getötet, die
Kreativität sowie die Fähigkeit, intelligente und interessierte Fragen zu stellen, gehemmt.
("Kein Feind könnte sich eine diabolischere Art, uns zu schaden, ausdenken als unser Schulund Ausbildungssystem, welches auf höchst effiziente Art verhindert, daß seine Absolventen
jemals ihr volles geistiges Potential entwickeln und nützen können!" Birkenbihl 1983, S. 12.)
So werde bei herkömmlicher Vorgehensweise ein Großteil der Lernenergie mit Widerstand
gegen Denkblockaden wie auch gegen Frustration und Unlustgefühle verbraucht. Dies
resultiere daraus, daß Informationen nicht gehirngerecht aufbereitet worden seien.
Das Lernen in der Schule basiere ihrer Ansicht nach maßgeblich auf den Versuchen von
Ebbinghaus. Dieser habe vor über 100 Jahren gezeigt, wie man optimal lerne, und zwar Unsinn-Silben (ähnlich dem sturen Pauken von Vokabeln, zu denen man noch keine Vorkenntnisse hat). Um wissenschaftlich exakt feststellen zu können, wie man lernt, sei Material
genommen worden, zu dem keine der Versuchspersonen Assoziationen aus der
Vergangenheit besitzt. Aus diesen Experimenten resultierten die Lern- und Vergessenskurven, die man auch heute noch verwende. Ebbinghaus und seine Anhänger hätten allerdings übersehen, daß unser Gehirn ein Lernorgan par Excellence sei - aber für Nützliches,
also für Informationen, die entweder das Überleben absichern oder zumindest interessieren.
Insbesondere "Legastheniker" strengten sich demnach nach Dennison (1981) zu sehr an. Aus
Angst vor Versagen oder unter Erfolgsdruck konzentrierten sie sich zu stark und schalteten
jede periphere Information aus, während sie sich auf "die eine Sache" stürzten. Legastheniker
seien seiner Ansicht nach ganz einfach Experten in Energieblockierung. Von der Geburt an
hätten sie unter einem niedrigen Energieniveau und in der Folge unter unzureichender Informationsverarbeitung gelitten. Leichtes Lernen erfordere jedoch, daß die Funktionen der linken und der rechten Gehirnhälfte aufeinander abgestimmt seien, so daß das Ganze mehr als
28
die Summe seiner Teile darstelle. Die linke Hemisphäre müsse sich der Sprache und des Verständnisses bewußt sein, die rechte Hemisphäre müsse sich mit den Symbolen und der Codierung beschäftigen. Dies geschehe automatisch und unbewußt.
Dadurch, daß man die Bedeutung der Händigkeit und der Dominanz beim Lesen falsch interpretiert habe, habe sich die Behandlung der Legasthenie bisher auf das Training der linken
Gehirnhälfte konzentriert, wobei man hauptsächlich Gliederungs-, Ordnungs- und Phonetikübungen eingesetzt habe. Man habe die Legastheniker gelehrt, bestimmte Sprechlaute mit
Schreibsymbolen zu verknüpfen. Für die meisten echten Legastheniker sei dies auf Grund der
Komplexität der Sprache ein hoffnungsloses Unterfangen und bewirke, daß sie nur noch mehr
geblockt würden. Das Trainieren eines "abgeschalteten" Gehirnteils bedeute in den meisten
Fällen, daß man eine der Hemisphären lehre, für Ausgleich zu sorgen und Funktionen auszuüben, die ihr nicht leicht fallen; nur selten erziele man dadurch einen Erfolg.
Pioniere auf dem Gebiet der Legasthenieforschung, wie z. B. Orton und Delacato, sowie die
meisten anderen Pädagogen hätten die Bedeutung der rechten Gehirnhälfte beim Lernen und
der Informationsverarbeitung übersehen. Die rechte Hemisphäre beinhalte die intuitiven,
spontanen, rhythmischen und expressiven Aspekte. Sie öffne den Körper für ein totales Bewußtsein. Wenn die rechte Gehirnhälfte funktioniere, fließe die Energie durch den ganzen
Körper, die Muskeln befänden sich im Gleichgewicht und das Universum werde als "Gestalt"
oder Ganzes wahrgenommen. Die Details seien weniger wichtig als die Wahrnehmung der
Bedeutung. So lernten Kinder die Sprache, ohne sich anzustrengen. Sei es wegen eines Geburtstraumas, eines angeborenen Defekts, emotionalen Stresses oder Hyperaktivität, bei Legasthenikern seien die rechte und linke Gehirnhälfte nicht aufeinander abgestimmt, wenn sie
sich mit Symbolen befassen. Da die rechte Gehirnhälfte nicht funktioniere, könne der Legastheniker seine kreativen Fähigkeiten und sein Vorstellungsvermögen nicht entfalten. Er sei
unfähig, Dinge als Ganzes zu sehen, da er sich zu sehr anstrenge, zu analysieren und einzelne
Details zu erkennen. Er lerne nicht, wie man Erkenntnis und Einsicht anwende, um über die
verbale Ebene hinaus zu kommunizieren. Er gebrauche zuwenig Imagination und Visualisation. Wenn er sich aber im Gleichgewicht befinde und über ein höheres Energieniveau verfüge, könne er sich leichter entspannen und die Integration der Hemisphären bei der Beschäftigung mit Symbolen erfahren. Er werde erkennen, daß er weit mehr wisse, als er dachte und
29
daß er es nur auf Grund von selbst verursachtem Streß und Blockierung nicht habe herausbringen können. Er lerne, daß Lesen Spaß mache und leicht sei, wenn sich die Körperenergien im Gleichgewicht befinden und frei fließen.
Zudem sei seit Jahrzehnten bekannt, daß Kinder, wenn sie reif für das Lesen sind, beginnen,
Kreise entgegen dem Uhrzeigersinn zu bilden. Die EDU-K habe erkannt, daß diese
Bewegung entgegen dem Uhrzeigersinn ein Bewegen der Energie der rechten Gehirnhälfte
nach links sei, so wie die rechte Gehirnhälfte eine Drehung des Kopfes und der Augen nach
links veranlasse.
Darüber hinaus befasse sich EDU-K mit der lateralen Dominanz, um die Stärken und Schwächen einer Person zu verstehen. Wenn konsequente Lateralität vorliege, harmonisierten und
kooperierten die beiden Gehirnhälften und blieben stark für bilaterale Integration. Wenn das
Muster nicht konsequent sei und gemischte Lateralität vorliege, seien die Gehirnhälften
manchmal verwirrt darüber, wann sie arbeiten und was sie tun sollten. Energie werde dem
System entzogen und man "schalte ab". Während bei der Mehrheit der Menschen (75 % - 80
% der Bevölkerung) die rechte Hand und das rechte Auge dominierten und diese nur wenige
Lernprobleme aufwiesen, sei bei 10 % der Bevölkerung die Dominanz der linken Hand und
des linken Auges und somit anscheinend der rechten Gehirnhälfte zu beobachten. Bei weiteren 12 % liege Kreuzdominanz oder gemischte Dominanz vor. Diese Gruppe umfasse die
Mehrheit der Legastheniker und gut 50 % der als Lernbehinderte klassifizierten Menschen.
Normalerweise verbinde die innere "Mittellinie", das Corpus Callosum, das rechte und linke
Gehirn. Flüssiges Lesen, kreatives Schreiben, richtiges Buchstabieren, Sich-Erinnern, Zuhören und dabei gleichzeitig Über-das-Gehörte-Nachdenken erforderten die Durchlässigkeit der
Nervenbahnen der Mittellinie, oder anders ausgedrückt, die freie Beweglichkeit über die Mittellinie. Unsere frühen Lernerfahrungen bestimmten, in welchem Ausmaß die Mittellinie zu
einer Barriere oder Brücke für das Lernen werde. Wenn das rechte und linke Gehirn zur
selben Zeit eingeschaltet seien und spontan zusammenarbeiteten, werde die Mittellinie zu
einer Brücke. Müssen sie sich allerdings in der Arbeit abwechseln, werde die Mittellinie zu
einer undurchdringlichen Barriere, die Verbindung beider Hälften sei unterbrochen. Eine
Hauptursache dafür, daß Barrieren an der Mittellinie aufgebaut werden, sei Homolateralität.
30
Sie könne die Lebensenergie als Ganzes betreffen oder einzelne Energiesysteme wie das der
Augen, Ohren und die Körperkoordination. Eine homolaterale Person habe jeweils nur zu
einer Gehirnhemisphäre Zugang und die andere werde abgeschaltet. Die Folge seien Koordinationsprobleme, die je nach Ausmaß der Blockierung als leichte oder schwere Unfähigkeit
erfahren würden.
2. Weitere Grundlagen der Edukinesiologie
2.1 Streßtheorie
Vollständige Balance und Harmonie als Voraussetzung für entspanntes Lernen erforderten im
weiteren auch emotionale Balance. Emotionaler Streß könne Hauptursache für eine Muskelschwäche sein. Nicht zuletzt erzeugten die bislang genannten Energieungleichgewichte und
fehlende Integration der Gehirnhälften beim Klienten Streß, wenn er mit bestimmten Aufgabenstellungen konfrontiert wird, die er in seinem defizitären Zustand nur mit Mühe oder gar
nicht erfüllen kann.
Bei Streß werde der Peripherie des Schädels das Blut entzogen und zu den großen Muskeln
des Körpers geleitet. Dieses Phänomen heiße "Kampf-(oder Flucht-)Mechanismus". In
diesem Zustand leiste das Vorderhirn weniger - also der Teil des Gehirns, den wir beim nicht
durch Gefühle beeinträchtigten Nachdenken gebrauchen. Zur gleichen Zeit reagiere der eher
instinktive, hintere Teil des Gehirns, der durch Erinnerungen und grundlegende, primitive
Überlebensmechanismen programmiert ist, sofort auf den Streß, indem er eine Kette von
chemischen Botschaften durch den Körper schicke. Die Nebennieren schütteten Adrenalin in
den Blutstrom aus, was den Blutzuckerspiegel anhebe und die Blutzufuhr zum Herzen, zu den
Beinen und den größeren Muskeln steigere, um den Körper zum Kampf oder zur Flucht
vorzubereiten. Kampf sei eine primitive Reaktion der linken Gehirnhälfte und Flucht eine der
rechten; die Entscheidung werde jedoch nicht bewußt getroffen.
Wenn der Überlebensinstinkt bedroht sei, könne sicherlich kein Lernen stattfinden, und man
könne keine guten Leistungen erzielen. Nur wenn man entspannt sei, die Organe normal
31
arbeiteten und man sich nicht bedroht fühle, werde man ein Selbstverständnis entwickeln
können, so daß man Unterrichtung, Korrekturen und Gelegenheiten zu Wachstum und Veränderung akzeptiere.
Selye (1974) beschreibt drei verschiedene Phasen im Streßzyklus. In der Alarmphase reagiere
der Körper auf den Stressor, indem er sich in Alarmbereitschaft versetze. Die Widerstandskraft werde vermindert, und wenn diese Verminderung zu stark werde, könne die Person
sogar sterben. Dies entspreche der o. g. "Flight"-Reaktion. Als nächstes folge die Phase der
Resistenz, in der als Folge des längeren Ausgesetztseins an einen Stressor der Körper seine
Widerstandskraft über das normale Maß hinaus steigere. Die letzte Phase sei die Phase der
Erschöpfung, in der der Körper nicht mehr die Energie aufbringe, die Anpassung an den
Stressor fortzusetzen; es zeigten sich Anzeichen streßbezogener Krankheiten, die bis zum
Tod führen könnten.
Selye beschrieb seinen 3-Phasen-Zyklus als allgemeines Anpassungssyndrom (AAS) und verglich es mit den 3 Phasen des menschlichen Lebens: "der Kindheit (mit ihrer charakteristisch
niedrigen Widerstandskraft und ihren exzessiven Reaktionen auf jede Art von Stimulus), dem
Erwachsenenalter (während dieser Zeit hat die Anpassung an die am häufigsten auftretenden
Stimuli stattgefunden und die Widerstandskraft ist erhöht) und schließlich dem Greisenalter
(gekennzeichnet von irreversiblem Verlust der Anpassungsfähigkeit und letztendlicher Erschöpfung), das mit Tod endet" (S. 26).
Selye nannte die Energie, die für die Anpassung an den Stressor benötigt wird, Adaptionsenergie. Nach seiner Theorie werde jeder Mensch mit einer genetisch vorbestimmten Menge
Adaptionsenergie geboren. Es wird für unwahrscheinlich gehalten, daß wir unser zugeteiltes
Potential an Adaptionsenergie während unseres Lebens vergrößern können. Unter dem Einfluß intensiven Stresses träten die Phase der Alarmreaktion, der Resistenz und der Erschöpfung in rascher Folge ein. Bei angemessener Ruhe könnten wir uns von der Phase der
Erschöpfung erholen.
Es scheine dabei zwei Arten von Adaptionsenergie zu geben: eine oberflächliche, leicht verfügbare, ersetzbare Energie und eine tieferliegende Energie, die sicher gespeichert werde als
32
Reserve, mit der die oberflächliche Energie erst nach einiger Ruhe oder aktiver Erholung
aufgefüllt werden könne. Wenn alle Speicher der tieferliegenden Energie ausgeschöpft seien,
werde der Mensch senil und sterbe. Der durch den Streß verursachte Verschleiß des Körpers
führe allmählich zu einer Ansammlung unauflösbarer Abfallprodukte. Nach Auffassung von
Selye machten diese chemischen Narben das Altern aus. Folglich könne der Mensch selbst
bestimmen, wie schnell er altere. Viel hänge dabei von seiner Einstellung und seinen emotionalen Reaktionen ab. Zuviel Streß könne zu Krankheiten führen.
Darüber hinaus würden die beiden Möglichkeiten zum Abbau der Streßhormone und zur
Rebalancierung des Systems, Kampf oder Flucht, viel zu selten realisiert. Sehr oft würden
Emotionen unterdrückt. Es würden immer mehr Streßhormone produziert und der Körper
gerate immer stärker aus dem Gleichgewicht. Bei seinem Bemühen, die Balance wieder
herzustellen, gehe der Körper in die dritte Phase des Streßzyklus über, die Erschöpfung.
Nach Stokes und Whiteside (1984) resultierten Lernschwierigkeiten nicht zuletzt daraus, daß
man "nicht gelernt habe zu lernen". Langeweile, Ärger oder Angst (vor Versagen, Eltern,
Lehrern oder Gleichaltrigen) rufe Streß im System hervor. Die Technik zur Befreiung von
emotionalem Streß stelle ein wertvolles Werkzeug zur Überwindung dieser Blockierungen
dar.
2.2 Östliche Medizin
Die angewandte Kinesiologie hat im weiteren bestimmte Grundmodelle der östlichen
Medizin übernommen, wie etwa die Meridiane und das Konzept die Qi-Energie. Sie habe
gleichfalls Teile aus dem sog. 5-Elemente-Modell übernommen und angewandt. Durch AK
wurden nach La Tourelle und Courtenay (1992) einige der esoterischen Vorstellungen entmystifiziert, indem durch manuelles Muskeltesten deren Gültigkeit bewiesen worden sei.
Im Rahmen der AK beziehe sich Energie, auch als "feinstoffliche Energie" bezeichnet, auf
Energiesysteme innerhalb und außerhalb des Körpers. "Feinstoffliche Energie" stehe als Synonym für das Qi der chinesischen Akupunktur und das Prana der traditionellen indischen
33
Medizin und Philosophie. Damit ist eine universelle Lebenskraft gemeint, von deren
harmonischem Fluß die Gesundheit von Geist und Körper abhänge.
Nachdem die moderne Medizin und Naturwissenschaft diese Energieform lange Zeit ignoriert
hätten, werde ihre Existenz jetzt immer häufiger akzeptiert. Diese Zustimmung beruhe zum
einen auf der Anerkennung der Akupunktur in der westlichen Welt, zum anderen auf technologischen Entwicklungen, wie etwa der Kirlian-Fotografie, die Bilder dieses feinstofflichen
Energiefeldes produziere und Variationen im Gesundheits- und Energiezustand eines Menschen widerspiegle. Heute würden die Begriffe "energetische Medizin" und
"Schwingungsmedizin" in zunehmendem Maße für einen ganzen Komplex natürlicher Heilungssysteme eingesetzt, die Akupunktur und AK einschließen (vgl. Gerber 1988).
Die alte Philosophie der chinesischen Medizin behauptet, Gesundheit resultiere aus
Gleichgewicht und Harmonie "mit allem", also aus einem perfekten Zustand, in dem es weder
ein Zuwenig noch ein Zuviel gebe. Diese Überzeugung steht auch im Mittelpunkt der AK und
wird heutzutage von vielen alternativen Therapeuten geteilt.
Kinesiologische Korrekturverfahren greifen im weiteren die Kenntnisse der chinesischen
Medizin bezüglich bestimmter Reflexpunkte des Körpers auf. Diese Punkte lägen auf oder
nahe der Körperoberfläche. Sie seien mit spezifischen Organen oder Drüsen verbunden, die
sich nicht unbedingt in demselben Gebiet befänden. Stimulierung der Reflexpunkte, etwa
durch sanftes Reiben, wirke sich auf den entsprechenden Teil des Körpers aus.
Darüber hinaus habe die AK den Zusammenhang zwischen Meridianen und bestimmten Muskeln entdeckt, mit denen sie energetisch gekoppelt seien. Die AK benutze den Muskeltest, um
die Energie eines Menschen einzuschätzen, bevor sie mit zahlreichen Techniken den
gesunden Energiefluß im ganzen Körper anrege.
AK könne darüber hinaus Ungleichgewichte feststellen, bevor sie sich zu körperlichen Symptomen und Krankheiten entwickelt haben. Die ideale Anwendung für die AK liege deshalb
in der Prophylaxe.
34
Unter Experten der energetischen Medizin sei es längst akzeptiert, daß sich gesundheitliche
Probleme zuerst im feinstofflichen Körper bzw. in den feinstofflichen Energiefeldern zeigten,
bevor sie sich im physischen Körper manifestieren. Der feinstoffliche Energiekörper, von
manchen Heilern als Aura bezeichnet, bestehe aus einer Reihe von Energiefeldern, die den
physischen Körper umgeben. Obwohl für die meisten unsichtbar, könnten diese Felder gesehen und gefühlt werden von sensiblen Menschen, wie etwa Heilern, die oftmals auch in der
Lage seien, ein gesundheitliches Problem vorherzusehen, bevor der Betreffende sich dessen
bewußt sei. Indem er durch Muskeltesten den Zustand der Meridiane offenlege, könne der
Anwender von AK feinstoffliche Energieungleichgewichte aufspüren, die sich bereits auf den
physischen Körper auswirkten bzw. ihn zukünftig beeinflussen würden und sich mit der Zeit
als Symptome und Krankheiten niederschlagen könnten. Nach Gerber (1988, S. 189) ist "das
Akupunktur-Meridian-System ... eine Schnittstelle für energetischen Austausch zwischen
unserem physischen Körper und den uns umgebenden Energiefeldern".
Auch Dennison (1981) behauptet, "daß wir alle auf einer gewissen Ebene Energie sind und
deshalb Umwelteinflüssen ausgesetzt sind, die sich unserer bewußten, rationalen Kontrolle
entziehen" (S. 41). Der Muskeltest ermögliche es dem größten Skeptiker, diese Kraft zumindest teilweise zu erleben. Dabei sei es nicht notwendig, die dabei ablaufenden Vorgänge zu
verstehen.
So ist Farbe nach Dennison (1981) Energie, die in verschiedenen Frequenzen vibriere. Farben
hätten einen unterschiedlichen Einfluß auf die Energiefelder. Es gebe Energiezentren in unserem Körper, denen verschiedene Energiefrequenzen entsprächen. Bestimmte Frequenzen
hülfen, Energieausgeglichenheit für den ganzen Körper zu erzielen, andere Frequenzen konzentrierten Energie, und die dadurch entstehende Überbelastung bewirke, daß Dysfunktionen
aufträten.
In gleicher Weise wirkten Geräusche und Musik auf das Energiegleichgewicht des Menschen
ein. Bei Experimenten mit einer Lerntechnik, die allgemein als "Superlearning" bekannt sei
(vgl. Ostrander und Schröder 1980), verwende man langsame und gute klassische Musik mit
ungefähr 60 Schlägen pro Minute, um Studenten das Erlernen von Sprachen auf entspannte,
passive, rezeptive Art, ohne Angstgefühle zu ermöglichen.
35
Vielleicht der größte Übeltäter in unserer Umwelt in bezug auf Energieblockierungen ist nach
Dennison (1981) denaturierte Nahrung. EDU-K helfe bei der Entscheidung, welche
Nahrungsmittel ein Höchstmaß an Energie spenden und welche auf eine spezielle Person
schwächend wirken. Auch durch die Einnahme der richtigen Nahrungszusätze (Supplemente), könne die individuelle Befindlichkeit verbessert werden. Dies gelte insbesondere für die
Einnahme von Vitaminen und Mineralstoffen.
Chemische Faktoren könnten gleichfalls zu emotionalem Streß beitragen: So nähmen
depressive oder angespannte Menschen sehr viel Kaffee oder Zucker zu sich, ohne zu
realisieren, daß Kaffee den Streß vermehren könne, während übermäßiger Zuckergenuß zu
Stimmungsschwankungen beitrage. Aus diesem Grund könne eine Ernährungsumstellung
alleine schon das Streßniveau senken.
Nach Dennison (1981) wird das Energiegleichgewicht im weiteren durch "Produkte der
Kunststoffwelt" negativ beeinflußt. Je mehr der Mensch mit der Natur in Kontakt bleibe,
desto besser werde er funktionieren.
Auch Fernsehen nehme negativen Einfluß auf das Energiegleichgewicht, da es erfordere, auf
zweidimensionale unnatürliche Weise zu sehen.
Der vielleicht bedeutendste Umweltfaktor sei jedoch nach Dennison (1981) unser Kontakt
mit Menschen. Mit Hilfe der EDU-K könne man demonstrieren, welche Kraft unsere
nichtverbalen, versteckten Verhaltensweisen besitzen, wenn wir den Lebensraum einer
anderen Person betreten. Oft entzögen sich diese Verhaltensweisen unserer bewußten
Wahrnehmung und auch der der anderen Person und könnten ganz unbeabsichtigt sein.
Energieunausgeglichenheiten könnten zudem leicht von Eltern auf kleine Kinder übertragen
werden.
Nicht zuletzt stelle die Körperhaltung nach Dennison (1981) das Spiegelbild des inneren
Gleichgewichts dar. Um eine gute Körperhaltung zu verinnerlichen, müßten "erbauliche,
energiespendende und erfreuliche Dinge" in der Umwelt sein und die Gedanken bestimmen.
Wenn man eine innere Haltung bedingungsloser Liebe annehme, bewußt in der Gegenwart
36
lebe, sich selbst weniger ernst nehme und auch über die eigenen Fehler lachen könne, gebe es
keine Energieblockierungen ("Lebensfreude, Liebe und das Gefühl des Lebendigseins sind
der Schlüssel zu guter Körperhaltung" Dennison 1981, S. 93).
2.3 Neurolinguistisches Programmieren (NLP)
AK und EDU-K haben viele Techniken aus dem neurolinguistischen Programmieren (NLP)
übernommen. NLP bietet nach La Tourelle und Courtenay (1992) zahlreiche Methoden an,
die den Menschen mehr Wahlmöglichkeiten für die Art des Denkens über die Dinge geben,
und damit mehr Entscheidungsfreiheit für das Leben ermöglichen. Zu den NLP-Techniken
zählen: Festlegen positiver Ziele und Ergebnisse, Einsatz spezieller Augenstellungen sowie
Techniken, um die Wahrnehmung der Vergangenheit zu verändern. Grundsätzlich beziehe
sich NLP mehr auf die Frage, wie wir denken und wie wir Sinneswahrnehmungen
verarbeiten, als darauf, was wir denken. NLP wurde von dem Professor für Linguistik, John
Grinder, und dem Psychotherapeuten, Richard Bandler, entwickelt. Sie beschrieben in
systematischer Weise diejenigen sprachlichen und nonverbalen Kommunikationsmuster, auf
die es bei wirkungsvoller therapeutischer Begleitung und Führung bzw. bei effektivem
persönlichen Lernen ankomme. Mit dem Instrumentarium der modernen Neuropsychologie,
Linguistik, Kybernetik und Informationstheorie, und unter Bezugnahme auf neuere
wahrnehmungspsychologische Erkenntnisse, analysieren sie zu diesem Zweck exemplarische
Sequenzen der Arbeiten anerkannter Psychotherapeuten, wie Milton Erichson, Fritz Perls
und Virginia Satir.
So gebe NLP bestimmte Richtlinien vor, um Ziele zu finden und klar zu definieren. Man
erhalte grundsätzlich bessere Resultate, wenn man auf ein Ziel hinarbeite. Sobald man an den
erwünschten Zustand denke, entwickle man bereits die ersten Sinneswahrnehmungen: Man
fühle sich in das positive Endergebnis hinein und sehe sich selbst nicht mehr nur in der
negativen Verfassung. Erfolgversprechende Ziele müßten realistisch und erreichbar sein. Der
Muskeltest könne helfen, das optimale Ziel und die damit verbundenen Emotionen zu finden.
Oft versteckten sich hinter einem bewußten Wunsch nach Veränderung jedoch Faktoren, die
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das Erreichen des Ziels behindern. Das Erreichen des Zieles bringe häufig Veränderungen mit
sich, die uns mit unbekannten und evtl. bedrohlichen Herausforderungen konfrontierten. Solle
eine Zielsetzung aussichtsreich sein, müßten beide Hälften des Gehirns positiv reagieren. Bei
einem versteckten Konflikt zeige sich die eine Hemisphere, oft die linke, positiv auf das Ziel
gerichtet, während die andere Hemisphere negativ reagiere.
Viele Klienten haben nach Topping (1985) Schwierigkeiten, an ihren Emotionen zu arbeiten,
weil sie dann mit der Annahme konfrontiert würden, daß die eigenen negativen Gedanken das
Problem verursacht hätten. Daraus folge die Entscheidung, ob jemand Verantwortung für die
eigenen Gedanken und Gefühle übernehmen wolle. Je mehr die linke Hirnhälfte dominiere, je
mehr wissenschaftlich (sprich skeptisch) jemand denke, desto unwahrscheinlicher werde es,
daß er sich mit seinen Emotionen beschäftige. Veränderung beinhalte immer eine
Paradigmenverschiebung und löse somit Angst aus. Wenn ein Teil des früheren Lebens
verändert werde, müsse ein altes Paradigma aufgegeben werden, bevor man sich sicher in
einem neuen Paradigma fühle. Dies sei angsterzeugend. Veränderung impliziere Risiken. Je
größer das Risiko sei, desto größer sei jedoch die potentielle Belohnung.
Im Rahmen von NLP werde im weiteren mit der Tatsache gearbeitet, daß wir durch den Blick
in verschiedene Richtungen jeweils Zugang zu verschiedenen Teilen des Gehirnes bekämen.
Auf diese Weise könne festgestellt werden, wie eine Person Informationen verarbeitet, um ihr
dann zu zeigen, wie sie effektiver mit anderen kommunizieren könne. Wenn beim Gedanken
an ein spezifisches streßauslösendes Thema oder Ereignis die Augen in viele verschiedene
Richtungen gedreht werden, verschaffe zudem jede Drehung Zugang zu einem Teil des
Gehirnes, in dem eine streßauslösende Erinnerung zum Thema oder Ereignis gespeichert
worden sei. Die Anwendung der ESR-Technik bei gleichzeitigen Blicken in die
entsprechenden Richtungen eliminiere den Streß, ohne daß die genaue Verursachungssituation herausgefunden werden müsse.
Darüber hinaus scheinen nach Dennison (1981), wenn es um Lernen oder Leistung geht, bestimmte Wörter unsere Energie zu schwächen. Diese Wörter hätten negative Konnotationen
oder trügen zum Versagen bei, obwohl der Bedeutung nach keine Absicht dahinterstecke.
Insbesondere die Verwendung von Wörtern, die ein Urteil beinhalten, verursachten daher
38
unnötigen Streß.
Jeder Mensch habe Affirmationen schon sein ganzes Leben lang benutzt, doch werde das
leider meistens nicht erkannt (z. B. "Ich habe Mathe immer gehaßt".) Tragisch daran sei, daß
solche Aussagen ein Problem verstärkten und es weniger wahrscheinlich machten, daß man
sich jemals von diesen Fesseln befreien könne. So könne eine einzige negative Erfahrung im
Schulfach Mathematik dazu führen, daß wir uns herabsetzen, daß diese niedrige Selbsteinschätzung Gewohnheit werde und wir dadurch konditioniert würden. Eine positive
Affirmation sei hingegen ein positiver Gedanke, der im Bewußtsein verankert werde, um
einer Vorstellung entgegenzuwirken, die nicht mehr angemessen sei. Affirmationen könnten
auch Handlungen beinhalten. So änderten Reaktionen wie z. B. Lächeln, die geistige
Einstellung. Der dritte Typ von Affirmation sei visueller Art. Bilder über ein bestimmtes Ziel
erinnerten ständig daran und verstärkten den Wunsch, das Ziel zu erreichen.
IV Kritik
Die Diskussion um Ansatz und Methoden der Edukinesiologie wird sowohl von Befürwortern
als von Gegnern sehr emotional geführt. Die in positiver wie negativer Richtung extremen
Reaktionen, welche der Ansatz bislang hervorgerufen hat, lassen sich insbesondere auf die im
folgenden beschriebenen Komponenten zurückführen.
Darstellung der Lehre
Erstes Kennzeichen der Literatur zur Edukinesiologie, worin sie sich grundlegend von
anderen Arbeiten über Lehrmethoden unterscheidet, ist die Darstellung der Lerninhalte. Das
Bestreben, bei der Informationsvermittlung dem Leser die angestrebte Art der Aufbereitung
von Lernmaterial kundzutun, führt zu einer ungewöhnlichen Aufmachung der Bücher, die
gleichzeitig Interesse und Vorbehalte wecken kann:
- Die Bücher sind leicht verständlich geschrieben.
39
- Der Leser wird kontinuierlich direkt angesprochen und anhand von Übungsbeispielen zum
sofortigen Mitmachen animiert.
- Die Inhalte sind übersichtlich gegliedert.
- Das Textbild ist durch verschiedene Schriftformen, Bilder, Symbole etc. aufgelockert.
Es ist durchaus spannend und keineswegs ermüdend, diese "Fachbücher" zu lesen, und die
Inhalte bleiben ohne Mühe im Gedächtnis haften. Man könnte Birkenbiehl (1990) zustimmen,
welche sagt, der größte Teil des "offiziellen" Lernens/Lehrens in Schule und Ausbildung sei
"halbhirnig". Deshalb wehrten sich die "offiziellen" Schullehrer gegen Autoren, welche es
schafften, schwierige Themen populärwissenschaftlich (sprich "gehirngerecht")
aufzubereiten. ("Mein Gott, da könnte ja jeder begreifen, daß nicht die Materie selbst so
schwierig ist, sondern daß diejenigen, die sie vermitteln sollten, ... sie so "trocken"
vermitteln. Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder Interessierte sich in fast jedes beliebige
Thema einfach einlesen könnte wie in den USA?!!" S. 46)
Auf der anderen Seite fällt es schwer, in Anbetracht eines erprobten Systems von Kriterien
für die Bewertung von Behandlungsmethoden - was einer "linkshirnorientierten" Vorgehensweise entspricht -, Lerntechniken als seriös zu akzeptieren, bei deren Darstellung die Mehrzahl der Autoren kaum Wert auf präzise Formulierungen legt und explizit und nachdrücklich
an den "Glauben" der Rezipienten appelliert wird.
Inhalt
Der Ansatz der Edukinesiologie wird im weiteren als simpel, leicht verständlich und für jeden
anwendbar vorgestellt und er verspricht grundlegende, rasche Veränderungen bezüglich langjähriger Probleme:
- Es wird eine völlig neuartige, den bisherigen Erklärungsansätzen widersprechende,
(scheinbar) einleuchtende Sicht der Probleme präsentiert.
- Betroffenen wird das Stigma des Versagers genommen.
- Sie werden in ihrem Selbstverständnis aufgewertet und somit enorm entlastet.
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- Die optimistische Grundhaltung der Autoren und ihre Art, den Leser auf der emotionalen
Ebene anzusprechen, läßt rasche Heilung erwarten.
Nun ist es zwar nicht ungünstig, die Selbstheilungskräfte von Betroffenen zu aktivieren, da
eine unvoreingenommene positive Erwartungshaltung sicherlich einen Therapieerfolg begünstigt. Auf der anderen Seite wird bei der Darstellung der Methode nicht eindeutig genug
offengelegt, daß die geforderten Veränderungen letztlich das gesamte Leben des Klienten
betreffen (z. B. Ernährung, Sport etc.). Eine derartige Umstellung dürfte nicht so leicht zu
bewerkstelligen und aufrechtzuerhalten sein, wie es anfangs erscheinen mag. Auf die
zunächst übergroße Erwartungshaltung dürfte somit in vielen Fällen eine übermäßig
ausgeprägte Enttäuschung folgen, die wahrscheinlich gleichfalls stark emotional geprägt ist
und dazu führen kann, die Methode genauso pauschal abzulehnen, wie man sie vormals begrüßt hat. Letztere Tendenz dürfte durch die Tatsache verstärkt werden, daß der Ansatz den
vorhandenen Erfahrungswerten widerspricht und anfängliche Vorbehalte nach einem
Mißerfolg mit vermehrter Kraft aktiviert werden.
Die Autoren selbst fördern beim Leser einen gewissen "Wunderglauben", wenn sie z. B. wie
Dennison (1981 S. 41) betonen, es sei nicht notwendig, die bei der Anwendung der Methode
(Muskeltests) ablaufenden Vorgänge zu verstehen. Es ist sehr gefährlich, die Perspektive von
Klienten ausschließlich in den Ergebnisbereich zu lenken, ohne über den tatsächlichen Wirkmechanismus aufzuklären. Der Erzeugung von stark emotionalen Reaktionen (in positiver
wie negativer Hinsicht) sowie einem abrupten Wechsel zwischen Zustimmung und Ablehnung wird auch dadurch Vorschub geleistet.
Evaluierung
Ein weiterer Schwachpunkt der Methode liegt in der nahezu völlig fehlenden Evaluierung der
Therapieergebnisse:
- Es gibt nur wenige Studien zur Wirksamkeit des Ansatzes, die noch dazu unter massiven
methodischen Problemen leiden.
- Die Ergebnisse sind nicht objektivierbar.
- Die Vorgehensweise ist nicht standardisiert.
41
- Gebräuchliche Kriterien zur Bewertung der Qualität eines Tests werden völlig außer acht
gelassen.
Verwunderlich in diesem Kontext ist insbesondere das diesbezügliche Selbstverständnis der
Autoren und Anwender, die überhaupt nicht an weiterreichender wissenschaftlicher Anerkennung interessiert zu sein scheinen, sondern es vorziehen, quasi missionarische Überzeugungsarbeit zu leisten. So wird zwar nachdrücklich von erstaunlichen Therapieerfolgen berichtet.
Dies geschieht jedoch zumeist in Form von verallgemeinerten Aussagen oder anhand von
Einzelfallberichten. So trägt z. B. Dennison (1981, S. 25) vor, er und seine Mitarbeiter hätten
Kindern geholfen, die geistige Entwicklung von drei Jahren in einem Jahr zu vollziehen. Sie
hätten erlebt, "wie IQ-Quotienten stiegen und Persönlichkeitsveränderungen eintraten". Sie
hätten dazu beigetragen, daß aus einem "ich kann nicht" ein "ich kann" geworden sei. Diese
Form der Würdigung erinnert stark an Berichte von "Wunderheilungen", an die zu glauben
schwerfällt.
Auf der anderen Seite dürfte es auf Grund der Vielzahl der involvierten persönlichkeits-,
qualifikations- und beziehungsspezifischen Faktoren sowie der zum großen Teil intuitiven
Vorgehensweise des Therapeuten extrem schwierig sein, zuverlässige, reproduzierbare
Behandlungsergebnisse zu erzielen:
- Die Effizienz der Methode ist im extremen Maße abhängig von der Person des Anwenders,
seiner speziellen Methodenauswahl, der Therapeut-Klient-Beziehung und vom Gesamtkontext der Anwendungs- wie auch der Lebenssituation des Klienten.
- Bei der Durchführung der Methode ist in großem Umfang die Aufnahme von Körperkontakt und Berührung notwendig, deren Qualität für sich genommen bereits weitreichende
Auswirkungen auf Verhalten und Empfindungen des Klienten haben dürfte.
In diesem Kontext ist besonders darauf hinzuweisen, daß bei anderen Formen von Körpertherapie der Klient eindeutig über die geplante Vorgehensweise aufgeklärt und die Freiwilligkeit seiner Teilnahme sichergestellt werden muß. Beide Voraussetzungen dürften bei der
Durchführung und Methoden der Edukinesiologie im Lehrer-Schüler-Verhältnis nicht
gegeben sein.
Darüber hinaus ist eindeutig zwischen einer Therapeut-Klient-Beziehung und der Lehrer42
Schüler-Beziehung zu differenzieren. Der Klient gestattet dem Therapeuten aus freier Entscheidung eine gewisse "Eingriffsbefugnis" in persönlichste Bereiche. Einem Lehrer
hingegen steht eine derart weitreichende (therapeutische) Einflußnahme nicht zu - schon
wegen der in der Schule gegebenen Machtverhältnisse:
- Das Lernen ist zudem laut Dennison (1984) aufgabenspezifisch ; das heißt, auch wenn bereits einschlägige Lernerfahrungen gemacht wurden, kann man sich nicht darauf verlassen,
daß eine Übertragung stattfindet.
- Insbesondere dürften sich "Erfolge", die in einem bestimmten Setting erzielt wurden, nur
schwer aufrechterhalten lassen, wenn der Klient (insbesondere ein Kind) den Lehrer wechselt bzw. in die gewohnte häusliche Umgebung zurückkehrt, deren Organisation so gar
nicht den Anforderungen des von der Edukinesiologie vorgetragenen Weltbildes
entspricht.
- In der Edukinesiologie wird zudem nachdrücklich mit Methoden positiver Verstärkung
gearbeitet (wie z. B. Affirmationen, Reframing etc.), die rasche Veränderungen herbeiführen können, deren Integration in das alltägliche Verhaltensrepertoire jedoch gleichfalls nur
unter beträchtlichen Anstrengungen gelingen dürfte.
- Wenn die Effizienz einer Methode stark mit der Qualifikation, ja sogar persönlichkeitsspezifischen Variablen des Anwenders verknüpft ist, dürfte sich ihre umfassende
Verbreitung bei Sicherstellung gewisser Qualitätsstandards als äußerst schwierig erweisen.
Im Gegensatz zu wissenschaftlich validierten Ansätzen, wie z. B. der Physiotherapie, wird
in der Edukinesiologie eine ausgeprägt intuitive Vorgehensweise befürwortet, für die keine
differenzierten Ausbildungsrichtlinien bindend sind.
Gerade das immer wieder zitierte "gewaltige Spektrum des Muskelbiofeedbacks" (z. B. La
Tourelle & Courtenay 1992, S. 55) und dessen starke Beeinflußbarkeit durch zahlreiche Faktoren würden eine hohe Qualifikation des Anwenders verlangen, die durch die Art der
Weitervermittlung dieser Methoden jedoch nicht gegeben ist.
Weltanschauung
Bei eingehender Beschäftigung mit der Literatur zeigt sich schließlich, daß der Ansatz der
Edukinesiologie einen eindeutig esoterischen Hintergrund hat. Es wird nicht nur die Beseitigung von Lernbehinderungen, sondern Veränderungen der Persönlichkeit und des gesamten
Lebenskontextes angestrebt. Die Einstellung zu esoterischen Lehren sollte jedoch Privatsache
bleiben. Die Verbreitung derartiger Denkmodelle darf nicht staatlich gefördert werden; es
darf nicht der Eindruck entstehen, es handle sich dabei um seriöse, allgemein anerkannte
43
Wissenschaft.
Fazit
Ansatz und Methoden der Edukinesiologie haben von der Angewandten Kinesiologie
einzelne Aspekte wie den ganzheitlichen Ansatz, den Energiebegriff, Kenntnisse über
Meridiansysteme, bestimmte Reflexpunkte etc. übernommen. Diese "Grundlagen" der
östlichen Medizin werden wie Versatzstücke willkürlich mit Begriffen der Neurophysiologie
vermischt. Den Erkenntnissen der Neurophysiologie und Neuropsychologie, den für die
Erklärung von Lernprozessen wichtigen Wissenschaftsbereichen, wird man damit nicht
gerecht. Das Gebäude der Edukinesiologie läßt sich insgesamt nicht als stimmige Theorie
bezeichnen. Darüber hinaus ist auch die Anwendung der Methoden nicht systematisch.
Befremdend ist außerdem die Art und Weise, wie die Methode derzeit, in Verbindung mit
nicht immer seriösen Vermarktungsstrategien, Verbreitung erfährt und bei Betroffenen nicht
erfüllbare Hoffnungen weckt.
Lehrer müssen heute verstärkt nach ganzheitlichen, handlungs- und erlebnisorientierten und
die Bewegung einbeziehenden Methoden suchen und sie im Unterricht anwenden. Dies ist ein
schwieriges und unterstützenswertes Unterfangen. Esoterisches Gedankengut und simplifizierende Methoden unter dem Deckmantel einer "praktischen Pädagogik" sind dafür kein Ersatz.
44
Literatur zur Edukinesiologie
Bandler, R.:
Frogs Into Princes.
Moab, Utah, Real People Press, 1979.
Birkenbihl, V.:
Stroh im Kopf?
München 19903.
Delacato, C. H.:
The Diagnosis and Treatment of Speech and Reading Problems.
Springfield 1963.
Dennison, P.:
Befreite Bahnen.
Freiburg 1981.
Dennison, P., Hargrove, G.: EK für Kinder. Das Handbuch der Edu-Kinestetik für Eltern, Lehrer und Kinder jeden Alters.
Freiburg 1987.
Gerber, R.:
Vibration Medicine: New Choices for Healing our selves.
Santa Fe/NM 1988.
Grinder, M.:
NLP für Lehrer.
Freiburg 1992.
La Tourelle M./Courtenay, A.: Was ist angewandte Kinesiologie?
Freiburg 1992.
Meister Vitale, B.:
Lernen kann phantastisch sein.
Berlin 1988.
Ostrander/Schroeder:
Leichter lernen ohne Streß (Superlearning).
München 19803.
Selye, H.:
Stress Without Distress.
New York 1974.
Stokes, G./Whiteside, D.:
One Brain.
Burbank, Calif.:Tree in One Concepts, 1984.
Thie, J.:
Gesund durch Berühren.
Basel 19896.
Topping, W.:
Stress Release.
Freiburg 1986.
Topping, W.:
Körperenergien in der Balance.
Freiburg 1988.
45
Topping, W.:
Biokinesiology Workbook.
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Walther, D.S.:
Applied Kinesiology. Vols I and II.
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Kritische Artikel
Breitenbach, E., Keßler, B.: Edu-Kinestetik aus empirischer Sicht. - Eine empirische Überprüfung
des Muskeltests - In: Sonderpädagogik 27. Jg. 1997, Heft 1, S. 8 - 18.
Meidinger, H.:
Kinesiologie - eine neue Therapieform in der Schule? In: Report
Psychologie 20 (10/95)
Anlagen
Prof. Dr. med. H. Amorosa, Heckscher-Klinik München, Universität München, Institut für Kinderund Jugendpsychiatrie, Bezirk Oberbayern, Fachklinik für Psychiatrie, Neurologie und
Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters:
“Kommentare zur Edukinesiologie”
Dr. med. Brigitte Ohrt, Dr. Von Haunersches Kinderspital, Universität München, Leiterin des
Zentrums für Entwicklungsneurologie und Frühförderung:
“Edu-Kinestetik - Stellungnahme zu den neurologischen Grundlagen der Methode”
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