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RECHT + STEUERN
Um sein Geld zu retten, kann ein Gläubiger zum Miteigentümer einer Immobiliengesellschaft werden.
Tauschgeschäfte
FINANZIERUNG
Die Umwandlung von Kreditverbindlichkeiten
ist eine mögliche Restrukturierungsmaßnahme für Immobilienkapitalgesellschaften.
B
efindet sich eine Immobilienkapitalgesellschaft in der Krise, besteht
die Herausforderung darin, die Gesellschaft vor dem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren, die drohende Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden und die
Ertragsfähigkeit der Gesellschaft wiederherzustellen. Durch Restrukturierung
der Passivseite der Bilanz und Neuordnung von Eigenkapital und Schulden
kann der Eintritt der Insolvenz unter aktiver Beteiligung der bisherigen Gläubiger an der Restrukturierung vermieden
werden. Neben einem Verzicht des Gläubigers auf seine Darlehensforderung
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immobilienmanager · 7/8 - 2010
Von Dr. Hans Martin Schmid
gegen Besserungsschein und dem Verkauf der Forderung unter ihrem Nennwert an einen Dritten kommt in der Restrukturierungsberatung von angeschlagenen Immobilienkapitalgesellschaften
dem Debt/Equity Swap eine immer größer werdende Bedeutung zu.
Unter einem Debt/Equity Swap („Swap“
englisch für Tausch) wird die Umwandlung von bestehendem Fremdkapital
(„Debt“) in bilanzielles Eigenkapital
(„Equity“) verstanden. Die bisherigen
Gläubiger der Forderung rücken in die
Stellung als Gesellschafter der Immobilienkapitalgesellschaft ein. Dadurch soll
eine Überschuldung beseitigt, Verbindlichkeiten reduziert und die Eigenkapitalquote verbessert werden. Damit einhergehend werden Fremdfinanzierungskosten gesenkt sowie die Ertragskraft und
Bonität der Gesellschaft gestärkt. Die
Stellung als Gesellschafter ermöglicht
dem bisherigen Gläubiger eine Beteiligung an künftigen Wertsteigerungen.
Für einen Debt/Equity Swap gibt es
keine gesetzliche Defi nition. Die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital
erfolgt durch Einbringung der Forderung
im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung.
Bei Übertragung der Forderung auf die
Gesellschaft geht diese unter. Im Gegenzug erhält der Gläubiger neue Anteile an
der Gesellschaft. Bei der Festlegung des
Wertverhältnisses zwischen eingebrachter Forderung und ausgegebenen Anteilen drohen dem Gläubiger jedoch Nachschusspflichten, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die eingebrachte
Forderung zu hoch bewertet wurde. Etwaige Sicherheiten für die einzubringende Kreditforderung gehen unter, und für
die Kapitalbeteiligung wird weder ein
Rückzahlungstermin noch eine feste ergebnisunabhängige Verzinsung festgesetzt.
Der Debt/Equity Swap ist nur insoweit
steuerneutral, als die eingebrachte Forderung voll werthaltig ist und ihr Nominalbetrag dem Betrag der Kapitalerhöhung
entspricht. Ist die Forderung dagegen
nicht voll werthaltig, liegt in Höhe des
nicht werthaltigen Teiles ein Forderungsverzicht vor, der grundsätzlich zu einem
steuerpflichtigen Gewinn auf Ebene der
Immobilienkapitalgesellschaft führt. In
Sanierungsfällen kommt allerdings die
Anwendung des sogenannten Sanierungserlasses, der jüngst im Rahmen der Karstadt-Sanierung Eingang in die Presse
fand, in Betracht. Danach kann ein Erlass
der auf den steuerpflichtigen Gewinn entfallenden Steuer durch die Finanzverwaltung erfolgen, wenn die Sanierungsbedürft igkeit und -fähigkeit sowie die Sanierungseignung des Forderungsverzichtes nachgewiesen wird. Die
Rechtswirksamkeit des Sanierungserlasses ist allerdings aufgrund zweier divergierender Finanzgerichtsentscheidungen
derzeit noch unsicher. In der Praxis muss
daher der Sanierungserlass durch eine
verbindliche Auskunft der Finanzverwaltung abgesichert werden.
Darüber hinaus können bei einem
Debt/Equity Swap bestehende Verlust-
vorträge durch den Eintritt eines neuen
Gesellschafters untergehen, wenn durch
den Debt/Equity Swap mehr als 25 Prozent (dann anteiliger Verlustuntergang)
beziehungsweise mehr als 50 Prozent des
gezeichneten Kapitals (dann vollständiger Untergang der Verlustvorträge) auf
den neuen Gesellschafter übergehen. Bis
vor Kurzem ging ein Verlustvortrag nicht
unter, wenn der Gesellschafterwechsel
zum Zwecke der Sanierung erfolgte. Da
das Sanierungsprivileg notleidende Unternehmen gegenüber „gesunden“ Unternehmen privilegieren könne, prüft die
Europäische Kommission einen möglichen Verstoß gegen das europarechtliche
Beihilfeverbot. Bis zum abschließenden
Beschluss der Europäischen Kommission
wendet die Finanzverwaltung das Sanierungsprivileg daher nicht mehr an. Bereits ergangene Steuerbescheide bleiben
zwar bestehen, unzulässige Beihilfen
können jedoch zurückgefordert werden.
Debt/Mezzanine Swap
als Alternative
Vor diesem Hintergrund wird in jüngerer Zeit eine Alternative zum Debt/
Equity Swap diskutiert: der sogenannte
Debt/Mezzanine Swap. Dem italienischen Wortsinn nach bezeichnet Mezzanine ein Zwischengeschoß zwischen zwei
Hauptetagen. Mezzanine Kapital ist
grundsätzlich zwischen Eigen- und
Fremdkapital einzuordnen und weist
Charakteristika beider Finanzierungsformen auf. Zielsetzung von Mezzanine Ka-
pital ist es, die Lücke zwischen herkömmlichen Eigenkapital und der klassischen
Fremdfinanzierung zu schließen. Charakteristisch für eine Mezzanine Finanzierung ist, dass eine hohe Flexibilität
bezüglich der Ausgestaltung der Finanzierungslösung besteht. Je nach den Anforderungen der Finanzierungssituation
kann eine eher eigenkapital- oder eher
fremdkapitalnahe Strukturierung stattfinden. Daneben bietet Mezzanine aus
Sicht der Gesellschaft den Vorteil, dass
eine Verwässerung des Kapitals beziehungsweise der Stimmrechtsverhältnisse
ausbleibt. Der wesentliche Einfluss auf
die unternehmerische Führung verbleibt
bei den bisherigen Gesellschaftern.
Die handelsbilanzielle und steuerrechtliche Behandlung von Mezzanine
Kapital ist dabei immer von der Ausgestaltung im Einzelfall abhängig. Neben
stillen Beteiligungen, Optionsanleihen
und Nachrangkapital bieten sich insbesondere Genussrechte an.
Diese sind vertraglich eingeräumte
Gläubigerrechte zu weitgehend frei ausgestaltbaren Konditionen. In der Regel ist
die Rückzahlung des Genussrechtskapitals im Insolvenz- oder Liquidationsfall
nachrangig, die Vergütung erfolgsabhängig und endfällig, die Kapitalüberlassung
langfristig (mindestens fünf Jahre) sowie
die Beteiligung am Liquidationserlös ausgeschlossen. Das Genussrechtskapital
muss spätestens im Zeitpunkt seiner
Rückzahlung an den aufgelaufenen Verlusten bis zur vollen Höhe teilnehmen.
Bei Erfüllung dieser Voraussetzungen
wäre das Genussrechtskapital handels-
rechtlich als Eigenkapital und steuerlich
als Fremdkapital auszuweisen. Einer erhöhten Eigenkapitalquote steht steuerlich
abzugsfähiger Finanzierungsaufwand
gegenüber. Der bisherige Gläubiger wird
bei einem Debt/Mezzanine Swap aber
nicht Gesellschafter. Die Regelungen zum
Untergang von Verlustvorträgen finden
daher bei entsprechender Ausgestaltung
der Genussrechte keine Anwendung.
Deshalb kann der Restrukturierungserfolg eintreten, ohne die für die Zeit der
wirtschaft lichen Gesundung der Gesellschaft notwendigen Verlustvorträge zu
gefährden.
Das Steuerrecht
erschwert Sanierungen
Ein Debt/Mezzanine Swap kann wie
ein Debt/Equity Swap die Eigenkapitalquote einer Immobilienkapitalgesellschaft verbessern. Der Restrukturierungserfolg wird bei einem Debt/Mezzanine Swap weniger durch steuerlich
nachteilige Konsequenzen aus der Restrukturierungsmaßnahme belastet als
bei einem Debt/Equity Swap. Für beide
gilt jedoch, dass das deutsche Steuerrecht
in seiner jetzigen Fassung – auch im Vergleich zu Rechtsordnungen anderer Länder – einer erfolgreichen Sanierung viele
Steine in den Weg legt.
Dr. Hans Martin Schmid ist Rechtsanwalt,
Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht und Partner bei Gibson, Dunn &
Crutcher LLP in München.