FSF-Jahresbericht 2004

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FSF-Jahresbericht 2004
Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V.
Jahresbericht 2004
Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V.
Jahresbericht 2004
Impressum:
Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V.
Schöneberger Ufer 1-3
10785 Berlin
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Fon: 030 - 230 836 0
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© Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V.
Berlin, im Juni 2005
Inhalt
VORWORT ............................................................................................................................................9
1.
VORGESCHICHTE ..........................................................................................................13
1.1
DIE FREIWILLIGE SELBSTKONTROLLE FERNSEHEN (FSF) ..................................................14
1.2
DIE ERSTEN JAHRE DER FSF ................................................................................................16
1.3
DER JUGENDMEDIENSCHUTZ-STAATSVERTRAG ................................................................18
1.4
UMSETZUNG DER GESETZLICHEN VORAUSSETZUNGEN ...................................................20
1.4.1
Unabhängigkeit und Sachkunde der Prüferinnen und Prüfer ...................................20
1.4.2
Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen .........................................................................20
1.4.3
Sachgerechte Ausstattung durch eine Vielzahl von Anbietern ..................................21
1.4.4
Vorgaben für Prüfentscheidungen .................................................................................21
1.4.5
Vorlage einer Verfahrensordnung über die Vorlagepflicht der Sender ....................22
1.4.6
Überprüfung der Entscheidungen durch landesrechtlich bestimmte Träger
der Jugendhilfe ..................................................................................................................24
1.4.7
Anhörung der Anbieter und schriftliche Begründung der Entscheidung................24
2.
INHALTLICHE SCHWERPUNKTE DES JUGENDMEDIENSCHUTZES ..............25
2.1
ASPEKTE DER MEDIENWIRKUNGSFORSCHUNG .................................................................26
2.1.1
Gewalt ..................................................................................................................................26
2.1.2
Angst und Angstverarbeitung ........................................................................................28
2.1.3
Darstellung von Sexualität ...................................................................................................29
2.2
NEUE FERNSEHFORMATE ......................................................................................................31
2.3
DAS ALTER ALS KRITERIUM FÜR DIE VERSTEHENSFÄHIGKEIT .........................................33
3.
SICHERUNG DER UNABHÄNGIGKEIT UND QUALITÄT DER PRÜFUNGEN ..35
3.1
DAS KURATORIUM ................................................................................................................35
3.1.1
Arbeitsgruppe „Programm und neue Formate“...........................................................35
3.1.2
Arbeitsgruppe „Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung“ ..............................36
3.2
FORTBILDUNG DER PRÜFERINNEN UND PRÜFER ..................................................................37
5
Inhalt
4.
PRÜFUNGEN 2004 ........................................................................................................... 41
4.1
ZAHLEN UND ENTWICKLUNG............................................................................................ 41
4.2
ORGANISATION ................................................................................................................... 52
4.3
INHALTE .............................................................................................................................. 54
4.3.1
Zusammenspiel von Prüfausschüssen und Kuratorium ............................................ 54
4.3.2
Lenya und Lara Croft: Angst und das Verhältnis von Angst und Gewalt im
Tagesprogramm................................................................................................................ 55
4.3.3
Darstellungen von Sexualität und sexualisierte Sprache............................................ 60
4.3.4
Scare Tactics – Menschenwürdeverstoß im „Versteckte Kamera“-Format?............ 62
4.3.5
Viva la Bam und Schürmanns Gebot – Tabuverletzungen und das Überschreiten
von Ekelschwellen ............................................................................................................ 65
4.3.6
Schönheitsoperationen in Unterhaltungsformaten ..................................................... 68
4.3.6.1
I want a famous face......................................................................................................... 68
4.3.6.2
Alles ist möglich! .............................................................................................................. 73
4.3.6.3
Nip/Tuck und Beauty Queen......................................................................................... 76
4.3.6.4
The Swan – amerikanisches Original und deutsche Fassung .................................... 77
4.3.6.5
Schönheit um jeden Preis – Letzte Hoffnung Skalpell ................................................ 78
4.4
PRÜFUNGEN DURCH DIE JURISTISCHEN SACHVERSTÄNDIGEN ........................................ 80
4.5
OFFENE FRAGEN: ABSTIMMUNG ZWISCHEN JUSCHG UND JMSTV ..................................... 82
5.
DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN KJM UND FSF ....................................................... 85
5.1
KOMMUNIKATION ................................................................................................................ 85
5.2
BEURTEILUNGSSPIELRAUM .................................................................................................. 90
5.3
RECHTLICHE AUSEINANDERSETZUNGEN MIT DER KJM ...................................................... 91
6.
PROGRAMMBEGLEITUNG ......................................................................................... 93
6.1
ANFRAGEN UND BESCHWERDEN BEI DER JUGENDSCHUTZ-HOTLINE .................................. 93
6.1.1
Programmbeschwerden im Jahre 2004................................................................................ 94
6.1.2
Arbeitsweise der Jugendschutz-Hotline .............................................................................. 96
6.2
BERATUNG DER SENDER ...................................................................................................... 97
6
Inhalt
7.
TAGUNGEN, VERÖFFENTLICHUNGEN, FORSCHUNG ........................................99
7.1
FACHTAGUNGEN ...............................................................................................................100
7.2
PUBLIKATIONEN ................................................................................................................101
7.2.1
Die Fachzeitschrift tv diskurs ........................................................................................101
7.2.2
Bücher ...............................................................................................................................102
7.3
FORSCHUNGSPROJEKTE UND STUDIEN.............................................................................103
7.3.1
Mitwirkung an der Spot-Kampagne "Gewalt ist keine Lösung" des VPRT............103
7.3.2
Die Show Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! und ihre jugendlichen Zuschauer
............................................................................................................................................104
7.3.3
FSF/FU-Forschungsprojekt „Angst als Risikodimension im Jugendmedienschutz:
subjektive Theorien und faktische Erscheinungsformen“ ........................................105
7.4
DIE WEBSITE DER FSF........................................................................................................106
8.
MEDIENPÄDAGOGIK ..................................................................................................107
8.1
UNTERRICHTSEINHEITEN ..................................................................................................108
8.2
INTERNETANGEBOT FÜR KINDER UND JUGENDLICHE ....................................................109
8.3.
MITWIRKUNG AM PROJEKT MEDIA SMART – EIN MEDIENPÄDAGOGISCHES PROJEKT
ZUM THEMA „WERBUNG“ FÜR DEN EINSATZ IN DER GRUNDSCHULE..........................110
8.4
PROJEKT „DARSTELLUNG VON KRIEG IN DEN MEDIEN“ ....................................................111
8.5
MEDIENPÄDAGOGISCHER PREIS FÜR WISSENSCHAFTLICH AUßERGEWÖHNLICHE
LEISTUNGEN (MEDIEN-WAL)..........................................................................................112
ZUSAMMENFASSUNG ...................................................................................................................115
LITERATURHINWEISE .................................................................................................................129
ANHANG ............................................................................................................................................131
7
Vorwort
Am 01. April 2003 trat ein neues Jugendschutzgesetz in Kraft. Eine wesentliche Zielsetzung war es, Einrichtungen der Selbstkontrolle im Bereich der Medienregulierung
zu stärken. Die Grundlage dafür ist das Modell der regulierten Selbstregulierung.
Die vom Staat für die Kontrolle des Jugendschutzes im Fernsehen und Internet eingesetzte Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) erkennt Selbstkontrolleinrichtungen der Anbieter an, wenn sie bestimmten, im Gesetz vorgeschriebenen Anforderungen entsprechen. Eine anerkannte Selbstkontrolle kann dann selbstständig für die
Durchsetzung des Jugendschutzes gegenüber ihren Mitgliedern sorgen. Die KJM, so
die Idee, soll sich also nicht mit einzelnen Programmen oder möglichen Verstößen
auseinander setzen. Sie soll garantieren, dass das System funktioniert. Ihre Aufgabe
besteht also darin, einzugreifen, wenn die Selbstkontrolle von den Mitgliedern nicht
im ausreichenden Umfang genutzt wird oder wenn sie in ihren Programmprüfungen
einen fachlich begründbaren Beurteilungsspielraum überschreitet.
Dem Gesetzgeber war von vornherein klar, dass er mit diesem Modell neue Wege
einschlägt und dass er in regelmäßigen Abständen überprüfen muss, ob es sich in
der Praxis bewährt. Drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes soll die erste Evaluationsphase abgeschlossen sein.
Die FSF ist seit dem 01. August 2003 anerkannt. Es zeigt sich, dass in fast allen Punkten die Erwartungen erfüllt wurden. Vor allem die Zahl der vorgelegten Sendungen
weist darauf hin, dass sich die Anbieter an ihre Zusage halten, jugendschutzrelevante Programme im notwendigen Umfang der FSF zur Prüfung vorzulegen.
So wurden im Jahr 2003 834 Programme geprüft, im Jahr 2004 765 Sendungen, was
gegenüber den Vorjahren 2001 und 2002 eine Erhöhung des Prüfaufkommens um
9
Vorwort
durchschnittlich ca. 50 % bedeutet. Besonders augenfällig ist die Zunahme von Ausnahmeanträgen: Im Jahr 2004 lagen immerhin 148 Filme vor (zum Vergleich 2003: 63
Filme; 2002: 49 Filme; 2001: 24 Filme). Hier zeigt sich, dass die FSF von den Sendern
auf Grund der Tatsache, dass nun ausschließlich die FSF über Ausnahmeanträge entscheiden kann, stärker genutzt wird. Bemerkenswert ist auch die erhöhte Vorlage
von TV-Movies und FSK-12-Filmen.
Der vorliegende Jahresbericht stellt offen und praktisch dar, wie die FSF gearbeitet
hat, wie Entscheidungsprozesse organisiert werden und welche Grundüberlegungen
aus ihrer Sicht an Jugendschutzentscheidungen angelegt werden sollten. Die zuständigen Gremien der FSF sind sich bewusst, dass es sich bei Prüfergebnissen um Wertentscheidungen handelt, bei denen absolut objektivierbare Maßstäbe nicht herangezogen werden können. Wir wollen deshalb darüber informieren, wie gerade in strittigen Fällen die Gremien der FSF zu ihren Entscheidungen gelangen, um einen möglichst breiten und konstruktiven Diskurs zu ermöglichen.
Auf dem Prüfstand steht auch die Frage, ob das Verhältnis zwischen Selbstkontrolle
und Aufsicht richtig austariert ist und die Aufgabenverteilung zu einer Verbesserung
des Jugendschutzes in den Medien führt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass beide
erst einmal ihr Aufgabenfeld abstecken müssen und es ersichtlich Zeit braucht, bis
die Abstimmungen und die Kommunikation so funktionieren, dass es dem gemeinsamen Ziel dienlich ist.
Hinzu kommt, dass wesentliche Rechtsbegriffe, die das Verhältnis von KJM und der
Selbstkontrolle betreffen, erst durch die Praxis und – notfalls – durch die Rechtsprechung interpretiert werden müssen. Dazu gehört vor allem die Frage, wie mit dem
Beurteilungsspielraum der Selbstkontrolle umgegangen wird.
Der vorliegende Bericht beschreibt die Erfahrungen mit dem neuen Jugendschutzrecht im Jahre 2004 aus Sicht der FSF, dem ersten Jahr, in dem die FSF vollständig als
anerkannte Selbstkontrolle gearbeitet hat. Um nachvollziehbar zu machen, wie es zur
Gründung der Selbstkontrolle bis hin zu den Überlegungen des Gesetzgebers, das
10
Vorwort
System der regulierten Selbstkontrolle gesetzlich vorzugeben, gekommen ist und
was die FSF unternommen hat, um die Anerkennung zu erreichen, wird dem Jahresbericht ein Kapitel Vorgeschichte vorangestellt, das diesen Weg beschreibt.
Berlin, im Juni 2005
Joachim von Gottberg, Geschäftsführer der FSF
11
1.
Vorgeschichte
Anfang der 90er Jahre wurde in der Gesellschaft eine heftige Debatte über die Folgen
der Darstellungen von Gewalt oder Sexualität im Fernsehen geführt. Die noch jungen
privaten Fernsehsender mussten sich, teilweise mit vergleichsweise bescheidenen
finanziellen Mitteln, gegenüber den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern etablieren
und gestalteten ihr Programm überwiegend mit amerikanischen Spielfilmen und
Serien, deren Handlungen häufig auf Gewaltkonflikten aufbauten. Vor dem Hintergrund der gesellschafts- und rundfunkpolitischen Diskussion, mit der zunehmenden
technischen Reichweite sowie steigenden Zuschauerzahlen wuchs die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gegenüber diesen Programminhalten, die zuvor weniger Beachtung fanden.
Die Landesmedienanstalten, die für die Kontrolle und Durchsetzung der Jugendschutzbestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages zuständig waren, entwickelten
nur langsam geeignete Verfahren, um Jugendschutz im Fernsehen effektiv umzusetzen. Auch in den Sendern selbst mangelte es noch an Sensibilität für die Belange des
Jugendschutzes. Eine heute selbstverständliche Struktur, beispielsweise die Einbindung der Jugendschutzbeauftragten in den Programmeinkauf und in die Programmplanung, war noch in den Anfängen ihrer Entwicklung.
Neben diesen entwicklungsbedingten Problemen eines neuen, dualen Fernsehsystems hatten die Landesmedienanstalten aber auch mit strukturellen Problemen zu
kämpfen. Aufgrund des Zensurverbotes in Artikel 5 Abs. 1 Grundgesetz war die
vom Staat bestellte Aufsicht im Wesentlichen auf eine Kontrolle im Nachhinein beschränkt. Beanstandungen, die zum Teil erst nach langwierigen internen Verfahren
ausgesprochen wurden, konnten darüber hinaus bei den Verwaltungsgerichten angefochten werden, so dass Klarheit über jugendschutzrelevante, programmliche Fragen oft erst Jahre nach der tatsächlichen Ausstrahlung einer Sendung erzielt wurde.
Damit war der Effekt einer kurzfristigen Kriterienbildung innerhalb der Sender im
Hinblick auf die Belange des Jugendschutzes erschwert.
13
Vorgeschichte
In der politischen Diskussion wurde Anfang der 90er Jahre zunächst eine Verschärfung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Jugendschutz gefordert. Vor allem
auf bundespolitischer Ebene wurde ein Ausstrahlungsverbot für Filme diskutiert, die
in der Videofassung auf der Liste der jugendgefährdenden Schriften standen. Gleichzeitig war man sich aber auch bewusst, dass sich die Probleme bei der Durchsetzung
gesetzlicher Vorschriften kaum durch schärfere gesetzliche Bestimmungen beheben
ließen. Durch diesen Diskurs wuchs in den Sendern die Bereitschaft, in eigener Verantwortung etwas zu unternehmen, um das Programm nach Jugendschutzgesichtspunkten akzeptabel zu gestalten. Im Sommer 1993 beschlossen daher die privaten
Sender, nach dem Vorbild der freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK)
eine eigene Selbstkontrolleinrichtung zu gründen.
1.1
Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)
Zunächst war geplant, eine Selbstkontrolleinrichtung zu schaffen, in der zu drei gleichen Teilen Vertreterinnen und Vertreter aus dem Bereich Jugendschutz/Wissenschaft, den Sendern und den Landesmedienanstalten vertreten sind. Durch die Beteiligung der Landesmedienanstalten im Aufsichtsgremium über die Prüfungen der
FSF (Kuratorium) sowie in den Prüfausschüssen selbst wurde erwartet, dass im Gegenzug die vom Staat beauftragte Aufsicht die Prüfergebnisse der FSF akzeptieren
würde. Für Streitfälle war, vergleichbar mit der FSK, eine Art Appellationsverfahren
vorgesehen. Da die Prüfergebnisse der FSF im Rahmen der Selbstverpflichtung der
beteiligten Wirtschaft entstanden wären, hätte es selbst bei der Beteiligung von Prüfern der Landesmedienanstalten keine Probleme mit dem Verbot der Vorzensur gegeben. Dieses System hätte also eine Vorkontrolle auf freiwilliger Basis ermöglicht.
Die Landesmedienanstalten sahen in diesem System jedoch eine unzulässige Vermischung von staatlicher Aufsicht und der von den Sendern finanzierten Selbstkontrolle, so dass sie diesem System nun ihre Mitarbeit verweigerten. Die FSF musste also
eine Arbeitsweise finden, die in Bezug auf die Neutralität und Fachkompetenz ihrer
14
Vorgeschichte
Prüfgutachten vergleichbar mit der FSK war, ohne jedoch durch das direkte Zusammenwirken von Aufsicht und Selbstkontrolle rechtsverbindliche Prüfergebnisse
schaffen zu können.
Im November 1993 wurde der Antrag gestellt, die FSF als gemeinnützigen Verein in
das Vereinsregister einzutragen. Mitglieder waren alle bundesweit ausstrahlenden
privaten Fernsehsender. Aus den Reihen der Mitglieder wurde ein Vorstand gewählt, der für organisatorische Fragen, für das Funktionieren der Geschäftsstelle sowie für die Finanzierung zuständig ist. Für alle Fragen, die formal und inhaltlich mit
der Prüfung von Programmen zusammenhängen, wurde ein Kuratorium berufen, in
dem allgemein anerkannte Experten in Fragen der wissenschaftlichen Medienwirkungsforschung, des Medienrechts, der Medienkritik oder der Jugendschutzpraxis
vertreten sind. Ein Drittel der Mitglieder des Kuratoriums wurde von den Mitgliedssendern benannt. So war gewährleistet, dass die nicht sendergebundenen Mitglieder
des Kuratoriums eine Mehrheitsentscheidung tragen können und zugleich die
Sichtweisen der betroffenen Sender in ihre Arbeit mit einbezogen werden. Das Kuratorium ist ebenfalls für die Benennung der Prüferinnen und Prüfer, die laut Satzung
der FSF über fachliche Kompetenz und Erfahrung in Jugendschutzfragen verfügen
müssen, zuständig. Sie dürfen laut Prüfordnung nicht bei einem Sender oder in dessen Umfeld beschäftigt sein. Eine Liste der derzeitigen Kuratoriumsmitglieder und
Prüfer/-innen der FSF befindet sich im Anhang (Anhänge III und IV).
Um die Erfahrungen von FSK und Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien
(BPjM; vormals BPjS) zu nutzen, wurden für die Prüftätigkeit zu etwa 50 % Personen
benannt, die auch in den Gremien dieser beiden Institutionen des Jugendschutzes
tätig waren.
15
Vorgeschichte
1.2
Die ersten Jahre der FSF
Im April 1994 nahmen die Prüfausschüsse der FSF ihre Arbeit auf. Dafür hatte das
Kuratorium vorläufige Prüfgrundsätze verabschiedet, die von der Fachöffentlichkeit
als geeignet und in Bezug auf den Kenntnisstand der Medienwirkungsforschung aktuell eingeschätzt wurden. Es zeigte sich bald, dass ein relativ hoher Anteil der Prüfanträge – ca. 40% – abgelehnt wurde. Teilweise geäußerte Befürchtungen, die Selbstkontrolle orientiere sich zu sehr an den Interessen der Mitglieder, bestätigen sich
damit nicht.
Als Problem stellte sich jedoch relativ bald heraus, dass die Kompetenzverteilung
zwischen FSF und den Landesmedienanstalten gesetzlich nur unzureichend geregelt
war. Zwar mussten die Landesmedienanstalten nach dem Rundfunkstaatsvertrag die
Gutachten der FSF berücksichtigen, sie waren jedoch frei, im Ergebnis anders zu entscheiden. Dies machte sich besonders im Rahmen der so genannten Ausnahmegenehmigungen bemerkbar.
Laut Rundfunkstaatsvertrag wurden Programme, die in der Kino- oder Videofassung von der FSK eine Freigabe ab 18 bzw. 16 Jahren erhielten, mit einer Sendezeitbeschränkung ab 23.00 Uhr bzw. 22.00 Uhr belegt. Wollten die Sender einen Film
früher ausstrahlen, (beispielsweise dann, wenn es sich um einen älteren Film handelte, bei dem sich die Spruchpraxis des Jugendschutzes geändert hatte, oder wenn die
für die hohe Freigabe verantwortlichen Szenen im Film geschnitten wurden), benötigten sie eine Ausnahmegenehmigung. Die FSF konnte Filme im Hinblick auf die
angestrebte Ausnahme überprüfen und begutachten, das Prüfergebnis war jedoch
für die Landesmedienanstalten nicht verbindlich. Bei Jugendschutzentscheidungen
handelt es sich häufig um Wertentscheidungen – in diesen Kontext ist es einzuordnen, dass etwa ein Drittel der von der FSF positiv beschiedenen Anträge von den
Landesmedienanstalten anders beurteilt und nicht akzeptiert wurden.
16
Vorgeschichte
Für die Sender stellte sich hier sehr bald die Frage, welchen Sinn die Begutachtung
durch die FSF für sie hatte. Eine Ablehnung durch die FSF mussten sie akzeptieren.
Vor allem im Bereich der Serien und eigenproduzierten TV-Movies, die vor Gründung der FSF keiner systematischen Kontrolle unter Gesichtspunkten des Jugendschutzes unterlegen hatten, stellten ablehnende Prüfergebnisse der FSF z. T. erhebliche Programminvestitionen in Frage. Auf der anderen Seite boten die Freigaben der
FSF keine Sicherheiten vor Beanstandungen, da die Landesmedienanstalten dem Ergebnis nicht folgen mussten.1
Die Folge dieser Situation war eine Schwächung der Position der FSF gegenüber den
Sendern. Den Sendern fehlte der Anreiz, ein Programm durch die FSF bewerten zu
lassen. Dies führte dazu, dass vor allem dann, wenn für wirtschaftlich wichtige Programme eine Sendezeit von 20.00 Uhr angestrebt wurde, auf Grund der Selbsteinschätzung des Senders aber eine Ablehnung durch die FSF wahrscheinlich war, auf
eine Vorlage des Programms verzichtet wurde. Da die Landesmedienanstalten keine
systematische Programmbeobachtung betrieben, standen die Chancen in solchen Fällen gut, einer Beanstandung zu entgehen. Hätte man den Film vorher der FSF vorgelegt, wäre das Risiko einer Ablehnung hoch. Im Falle einer Freigabe hätte der Sender
nicht sicher sein können, damit eine mögliche spätere Beanstandung abzuwehren.
Die Prüfung durch die FSF brachte also für die Sender nur Risiken und Nachteile,
konkrete Vorteile waren nicht zu erkennen.
Trotz erheblicher Bemühung der FSF, ihre Prüfkriterien mit den Landesmedienanstalten zu synchronisieren, um solche divergierenden Entscheidungen zumindest
quantitativ zu reduzieren, ist es damals nicht gelungen, eine vernünftige, sachliche
und auf die Interessen des Jugendschutzes bezogene Aufgabenverteilung zwischen
Selbstkontrolle und vom Staat beauftragter Aufsicht zu entwickeln. Es zeigte sich
bald, dass eine wirksame Selbstkontrolle und Aufsicht nur dann möglich ist, wenn
dem Risiko eines Senders, dass sein vor der Ausstrahlung vorgelegtes Programm
1
Vergleicht man dieses System mit dem der FSK, so würde sicher kein Filmverleiher einen Prüfentscheid der
FSK einholen, wenn diese nicht für die letztendlich gültige Entscheidung zuständig wäre.
17
Vorgeschichte
abgelehnt wird, die Sicherheit gegenübersteht, dass im Falle einer Freigabe diese
auch verbindlich ist. Solche und andere Überlegungen veranlassten den Gesetzgeber,
bei einer Reform der Jugendschutzgesetze das System der so genannten regulierten
Selbstregulierung einzuführen.
1.3
Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag
Die im Sommer 2001 begonnene Diskussion um eine Reform des Jugendschutzrechtes wurde von drei Grundideen geleitet (siehe hierzu auch Deutscher Bundestag:
Drucksache 14/9013):
1. Die Zusammenfassung von Jugendschutzbestimmungen verschiedener Gesetze in das Jugendschutzgesetz (JuSchG) für Offlinemedien und den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) für Onlinemedien,
2. weitgehende Angleichung der Jugendschutzbestimmungen für Fernsehen und
Internet und
3. Stärkung der Selbstkontrolleinrichtungen.
Für die Aufsicht über Fernsehen und Internet (Onlinemedien) wurde durch den Jugendmedienschutzstaatsvertrag die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) gebildet, ein Organ der Landesmedienanstalten, das aus zwölf Mitgliedern besteht. Davon werden sechs aus den Kreisen der Direktoren der Landesmedienanstalten gewählt, vier Mitglieder werden von den Obersten Landesbehörden benannt, zwei
vom Bund. Die Landesmedienanstalten geben alle Jugendschutzverfahren an die
KJM ab, die gemeinsam für alle Landesmedienanstalten die Entscheidung trifft.
Das Gesetz bietet gleichzeitig den Anbietern die Möglichkeit, Institutionen der
Selbstkontrolle einzurichten. In § 19 JMStV werden bestimmte Anforderungen an die
Selbstkontrolle festgelegt. Werden diese erfüllt, so wird die jeweilige Einrichtung als
Selbstkontrolle im Sinne des JMStV von der KJM anerkannt. Anerkannte Selbstkontrolleinrichtungen können mit der Selbstregulierung die Bestimmungen des Jugendschutzes gegenüber den Anbietern weitgehend eigenständig durchsetzen. Gegen18
Vorgeschichte
über den Anbietern, die sich einer solchen Selbstkontrolleinrichtung angeschlossen
haben, beschränkt sich die Zuständigkeit der KJM darauf, zu bewerten, ob sich die
Anbieter und die Selbstkontrolle an die formalen Vereinbarungen halten. Von der
Selbstkontrolle freigegebene Angebote können von der KJM nur dann anders bewertet werden, wenn die Prüfausschüsse der Selbstkontrolle einen fachlich begründeten
Beurteilungsspielraum überschreiten. Eigene Entscheidungen kann die KJM nur
dann treffen, wenn die Anbieter vorlagefähige Inhalte der Selbstkontrolle nicht zur
Prüfung eingereicht haben. Für den Fall, dass ein nicht vorlagefähiger Inhalt gegen
Jugendschutzbestimmungen verstößt, führt die KJM zunächst eine Prüfung durch
die Selbstkontrolleinrichtung herbei. In diesem Falle gilt ebenfalls der Beurteilungsspielraum der Selbstkontrolleinrichtung.
Die FSF hat alles daran gesetzt, bereits während des Gesetzgebungsverfahrens Voraussetzungen zu schaffen, die zu einem möglichst frühen Zeitpunkt den Antrag auf
Anerkennung durch die KJM zulassen. Der Jugendmedienschutzstaatsvertrag trat
am 01.04.2003 in Kraft, bereits bei der konstituierenden Sitzung der KJM am
02.04.2003 lag der Antrag auf Anerkennung der FSF mit den notwendigen ergänzenden Unterlagen vor. Die KJM ihrerseits setzte eine Arbeitsgruppe ein, um die von der
FSF eingereichten Unterlagen im Hinblick auf die in § 19 JMStV formulierten Anforderungen zu überprüfen. In einem gemeinsamen Gespräch zwischen dem Vorstand
der FSF und der KJM am 25.05.2003 konnten noch einige strittige Fragen geklärt
werden, bereits am 18.06.2003 wurde gemäß einer Pressemitteilung der KJM die FSF
anerkannt. Am 28.08.2003 lag der Anerkennungsbescheid der KJM vor, in dem die
FSF rückwirkend zum 01.08.2003 anerkannt wurde.
19
Vorgeschichte
1.4
Umsetzung der gesetzlichen Voraussetzungen
In § 19 Abs. 3 JMStV werden für die Anerkennung der FSF (sowie anderer Selbstkontrolleinrichtungen) folgende Voraussetzungen aufgeführt:
1.4.1 Unabhängigkeit und Sachkunde der Prüferinnen und Prüfer
Die FSF hat von Anfang an Wert darauf gelegt, dass ihre Prüferinnen und Prüfer über umfangreiche Erfahrungen im Bereich des Jugendmedienschutzes oder der Medienpädagogik verfügen. Sie haben in der Regel ein Studium im Bereich Kommunikationswissenschaften, Pädagogik, Psychologie oder Rechtswissenschaften abgeschlossen und verfügen zum großen Teil über Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern
und Jugendlichen. Die FSF hat dem Anerkennungsantrag eine Liste der etwa 100
Prüfer/-innen, erläutert durch eine aussagefähige Kurzbiografie, beigelegt.
1.4.2 Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen
Im Rahmen der Beratungen während des Gesetzgebungsverfahrens haben vor allem
die Kirchen darauf hingewiesen, dass die für den Jugendschutz zuständige KJM allein nach fachlichen Gesichtspunkten zusammengesetzt sei und die pluralistisch besetzten Gremien der Landesmedienanstalten, die nach den bisherigen Regelungen im
Rundfunkstaatsvertrag in Jugendschutzentscheidungen involviert waren, nun nicht
mehr daran beteiligt seien. Dies veranlasste den Gesetzgeber, den Selbstkontrolleinrichtungen aufzutragen, gesellschaftliche Gruppen, die in besonderer Weise mit Fragen des
Jugendschutzes beschäftigt sind, bei der Auswahl der Prüfer zu berücksichtigen.
Die FSF hat sich im Sommer 2003 mit den Kirchen in Verbindung gesetzt, um Personen aus ihren Reihen in einem kooperativen Verfahren als Prüfer für die FSF zu gewinnen. Inzwischen sind etwa 10 Prüferinnen und Prüfer aus dem Bereich der Kirchen in den Kreis der FSF-Prüfer integriert. Darüber hinaus wurde vereinbart, jeweils
einen Vertreter der beiden großen Kirchen ins Kuratorium der FSF aufzunehmen.
Damit haben die Kirchen über die konkreten Prüfungen hinaus die Möglichkeit, bei
allen formalen und inhaltlichen Fragen, die die Prüfung betreffen, mitzuwirken.
20
Vorgeschichte
1.4.3 Sachgerechte Ausstattung durch eine Vielzahl von Anbietern
Schon bei der Vereinsgründung im Jahre 1993 haben sich die Mitgliedssender auf ein
Finanzierungskonzept geeinigt, das die Finanzierung der FSF auf eine solide Basis
stellt. Wesentlich dabei ist, dass die festen Kosten für die Selbstkontrolleinrichtung
durch einen von der Mitgliederversammlung verabschiedeten Etat nach einem bestimmten Verfahren auf die Mitgliedssender aufgeteilt werden. Darüber hinaus zahlt
jeder Antragsteller für eine konkrete Filmprüfung, so dass die im Rahmen der Prüfung entstehenden Kosten (Prüfer, Reisekosten, etc.) gesondert finanziert werden. So
ist die Finanzierung der Geschäftsstelle unabhängig von der Menge der zu prüfenden Programme gesichert und nicht durch quantitative Schwankungen der Prüfanträge beeinflusst.
1.4.4 Vorgaben für Prüfentscheidungen
Wie oben erwähnt, hat das Kuratorium der FSF bereits 1994 eine umfassende Prüfordnung verabschiedet, die sowohl hinsichtlich des formalen Ablaufs der Prüfungen
als auch im Hinblick auf die Prüfkriterien dem aktuellen Stand der Medienwirkungsforschung entspricht. Durch die kontinuierliche Arbeit des Kuratoriums wurde die
Prüfordnung immer wieder an neue Entwicklungen angepasst.
Zur Vorbereitung auf die Anerkennung der FSF hat das Kuratorium in Zusammenarbeit mit dem Vorstand zahlreiche Änderungen unter Berücksichtigung der im Gesetz aufgeführten Bedingungen vorgenommen. Dies betraf sowohl einige formale
wie auch inhaltliche Fragen. Dennoch gab es bezüglich der Prüfordnung mit der KJM
Erörterungsbedarf, es wurde vereinbart, die Prüfordnung in einigen Punkten gemäß
der Vorstellungen der KJM zu verändern. Im Wesentlichen ging es dabei um die
Festlegung der Sendezeitschienen. Die KJM war der Auffassung, die Prüfordnung
der FSF müsse dezidiert dem im Gesetz vorgeschriebenen Sendezeitrahmen folgen.
Die FSF-Prüfordnung sah hier einige Differenzierungen vor, was die Programmierung an Wochenenden und Feiertagen anging. Das Kuratorium vertrat die Auffassung, dass die Rezeptionssituation von Kindern und Jugendlichen an Wochentagen
unter anderen Bedingungen stattfindet als am Wochenende (Berücksichtigung des
21
Vorgeschichte
Familienkontextes). Außerdem hatte die FSF-Prüfordnung für Sendungen, die zwar
nicht unzulässig, unter Jugendschutzgesichtspunkten aber besonders problematisch
waren, über das Gesetz hinaus eine Sendezeitbeschränkung ab 24.00 Uhr vorgesehen. Das Kuratorium verwies diesbezüglich auf die Zuschauerforschung, der zufolge
das Risiko, dass Jugendliche einen Film nach 24.00 Uhr wahrnehmen, noch einmal
erheblich geringer ist als nach der im Gesetz festgelegten Sendezeitbeschränkung
nach 23.00 Uhr.
Die KJM vertrat hier die Auffassung, die FSF müsse in ihrer Prüfordnung exakt den
Vorgaben des Gesetzgebers folgen.
1.4.5 Vorlage einer Verfahrensordnung über die Vorlagepflicht der Sender
Wesentlich für das Funktionieren einer Selbstkontrolleinrichtung ist die Vorlage der
jugendschutzrelevanten Programme durch die Anbieter. Es ist daher verständlich,
dass der Gesetzgeber auf Grund der neuen Rolle der Selbstkontrolle eine klare Regelung fordert, welche Programme die Sender der FSF vorlegen müssen. Die FSF hat
eine Vorlagesatzung erarbeitet, die für alle Mitgliedssender verpflichtend ist. So soll
gewährleistet werden, dass tatsächlich alle Programme von der FSF geprüft werden,
die unter Jugendschutzgesichtspunkten relevant sein können.
Die Entwicklung einer solchen Verfahrensordnung stellte die FSF-Geschäftsstelle,
den Vorstand und das Kuratorium vor die Aufgabe, zu definieren, welche Programme vorgelegt werden müssen und welche offensichtlich nicht jugendschutzrelevant sind. Angesichts der Programmmenge von 12 Mitgliedssendern, die 24 Stunden täglich Programme ausstrahlen, ist eine Prüfung aller Programme vor der Ausstrahlung weder gefordert noch sinnvoll. Selbst wenn man berücksichtigt, dass ein
großer Teil der Spielfilme bereits auf Grund der Prüfung durch die FSK bestimmten
Sendezeitbeschränkungen unterliegt2 und weiterhin die Berichterstattung und
Sportsendungen von der Programmmenge abzieht, bleibt immer noch ein erhebliches Programmvolumen. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass zahlreiche Serien
und Programme offensichtlich unter Jugendschutzgesichtspunkten vollkommen irre2
Daher muss ein solches Angebot nur dann von der Selbstkontrolleinrichtung geprüft werden, wenn
ein Sender von diesen Sendezeitbeschränkungen abweichen möchte.
22
Vorgeschichte
levant sind, so dass deren Vorlage vor der Ausstrahlung nicht nur eine Überforderung der Kapazitäten von Selbstkontrolleinrichtungen darstellen würde, sondern
auch unter fachlichen Gesichtspunkten als überflüssig erscheint.
Bei einigen Formaten ist es schwierig, sie vorab vorzulegen, da sie entweder live
ausgestrahlt werden oder erst kurz vor der Ausstrahlung fertig gestellt sind. Eindeutig nicht vorlagefähig ist der gesamte Bereich der Nachrichten und der Berichterstattung. Aber auch im Bereich der Unterhaltungsshows gibt es zahlreiche Live–
Ausstrahlungen. Andere Sendungen sind erst so kurz vor der Ausstrahlung fertig,
dass sie zwar theoretisch vorgelegt werden könnten, im Falle einer Ablehnung aber
dem Sender keine Möglichkeit lassen, die Sendung zu verändern oder zu ersetzen.
Auch im Bereich der so genannten neuen Fernsehformate wurden immer dann,
wenn die Programme rechtzeitig zur Verfügung standen, FSF-Prüfungen beantragt
(z.B. Fear Factor oder The Swan).
Die Vorlagesatzung, die schließlich seitens der FSF erarbeitet wurde, fand die Zustimmung der KJM, Meinungsunterschiede gab es allerdings bezüglich einer Sonderregelung für Serien.
Das Typische an Serien ist, dass die einzelnen Folgen in der Regel (bezüglich Darstellung und Handlung) bestimmten gleich bleibenden Mustern folgen. Die Sender vertreten daher die Auffassung, dass die Vorlage bestimmter typischer Folgen einer Serie ausreicht, um eine Gesamteinschätzung der Serie durch die FSF zu ermöglichen.
Um sicherzustellen, dass die gesamte Serie sich im Rahmen der freigegebenen Folgen
bewegt, werden seitens der FSF folgende Maßnahmen getroffen:
1. Der Jugendschutzbeauftragte des Senders legt Folgen, die außerhalb des
Rahmens liegen, der FSF zur Prüfung vor.
2. Bei neuen Staffeln müssen jeweils erneut drei Folgen zur Prüfung vorgelegt
werden.
3. Die FSF führt stichprobenartige Programmbeobachtung durch.
Die KJM äußerte zwar Verständnis dafür, dass die komplette Prüfung aller Folgen
von Serien kaum möglich sein wird. Sie vertrat jedoch die Auffassung, dass der Beurteilungsspielraum der Selbstkontrolleinrichtung nur für die Folgen einer Serie gilt,
23
Vorgeschichte
die auch tatsächlich vorgelegt worden sind.3 Die FSF und die sie tragenden Mitgliedssender haben hier den Wunsch, mittelfristig eine Lösung zu finden, die den
Gesichtspunkten des Jugendschutzes gerecht wird, aber auch die Kapazitäten der
Selbstkontrolleinrichtungen nicht überfordert.
1.4.6 Überprüfung der Entscheidungen durch landesrechtlich bestimmte Träger
der Jugendhilfe
Ziel dieser Regelung ist es, dass die obersten Landesbehörden bestimmte Einrichtungen der Jugendhilfe benennen, die innerhalb der Verfahrensstruktur der Selbstkontrolle eine Überprüfung von Ausschussentscheidungen beantragen können. Dadurch
soll die Spruchpraxis der Selbstkontrolleinrichtung auf eine breite und fachlich kompetente Basis gestellt werden. Die FSF hat hierfür sowohl in ihrer Satzung als auch in
der Prüfordnung eine entsprechende Regelung getroffen.
1.4.7 Anhörung der Anbieter und schriftliche Begründung der Entscheidung
Nach der Prüfordnung der FSF hatten die Antragsteller schon immer die Möglichkeit, ihre Argumente vor den Ausschüssen vorzutragen. Auch die Zusammenfassung der Argumente für oder gegen eine Freigabe in einem ausführlichen Gutachten
war für die FSF selbstverständlich. Durch gezielte Fortbildung der Prüferinnen und
Prüfer, insbesondere der Ausschussvorsitzenden, hat das Kuratorium in Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle von Anfang an eine gute Qualität der Begründungen
erarbeitet.
3
Käme es also zu einem Prüfverfahren durch die KJM für die Folge einer Serie, die gemäß der Vorlagesatzung der FSF eingestuft worden ist, die aber als Einzelfolge der FSF nicht vorgelegen hat, so sieht
sich die KJM nicht an die Kriterien und Begründungen für die Gesamteinschätzung der Serie durch
die FSF gebunden.
24
2.
Inhaltliche Schwerpunkte des Jugendmedienschutzes
Die traditionellen Themen des Jugendschutzes liegen im Bereich der Beurteilung von
Gewaltdarstellungen und Sexualität in den Medien. In diesen beiden Bereichen hat
sich im Laufe der Zeit eine Spruchpraxis etabliert, die sowohl Erkenntnisse der wissenschaftlichen Medienwirkungsforschung, der Entwicklungspsychologie als auch
der Jugendforschung mit einbezieht. Die Grundlagen für die Prüfungen sind zwischen der FSK, der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien und der FSF
nicht zuletzt durch den hohen Anteil gemeinsamer Prüfer/-innen vergleichbar.
Die Darstellung von Gewalt steht dabei sowohl innerhalb der Institutionen des Jugendschutzes als auch in der Öffentlichkeit im Mittelpunkt des Interesses. Der Grund
dafür liegt in der verbreiteten Befürchtung, die Darstellung von Gewalt in den Medien könnte vor allem bei jugendlichen Rezipienten zu einem Ansteigen der Gewaltbereitschaft in der Realität führen. In der Erwartung der Gesellschaft soll der Jugendschutz vor allem dieser Entwicklung entgegentreten.
Nun lassen sich Darstellungen von Gewalt in den Medien durch den Jugendschutz
nicht generell verhindern. Gewalt als Thema der Kunst, der Literatur, des Theaters
und des Films spiegelt die Rolle der Gewalt in der Menschheitsgeschichte im Allgemeinen wider. Zwar ist es ein wichtiges Ziel zivilisatorischer Gesellschaften, zumindest physische Gewalt als Mittel des Machterhalts oder zur Durchsetzung individueller Interessen zurückzudrängen, dennoch wird gerade in den letzten Jahren deutlich, dass radikal religiöse oder politische Interessen mit ungeheuerer Brutalität verfolgt werden. Die Auseinandersetzungen mit den Ursachen, aber auch mit den Folgen der Gewalt ist ein notwendiger Aspekt des Sozialisationsprozesses. Es kann also
nicht darum gehen, die Darstellung von Gewalt aus den Medien zu verdrängen, es
muss vielmehr Aufgabe des Jugendschutzes sein, Filme und Fernsehprogramme danach zu unterscheiden, ob sie die Einstellung des Zuschauers zur Gewalt als berechtigtes Mittel zur Durchsetzung von Interessen fördern oder ob sie eher dazu geeignet
sind, deutlich zu machen, dass Gewalt schreckliche Folgen hat, dass sie letztlich nicht
zum Erfolg führt und dass sie in unserer Gesellschaft ethisch und rechtlich nicht ak-
25
Inhaltliche Schwerpunkte des Jugendmedienschutzes
zeptiert wird. Diese Unterscheidung nach unserem derzeitigen Wissensstand plausibel zu treffen und zu begründen, ist eine wesentliche Aufgabe des Jugendschutzes
und somit der FSF.
Dabei bleibt es nicht aus, dass sowohl die Kriterien als auch die Spruchpraxis oder
Einzelentscheidungen in die öffentliche Diskussion geraten und den Erwartungen
von Menschen, die allein in der Darstellung von Gewalt schon eine hohe Imitationswirkung befürchten, nicht entsprechen. Umso wichtiger ist es, unsere theoretischen
Grundlagen transparent zu machen, sie offensiv zu vertreten, aber auch zu verändern, wenn dies aufgrund neuer Argumente oder Erkenntnisse notwendig ist.
Folgt man den Jugendschutzgesetzen sowie der einschlägigen Rechtsprechung, muss
der Jugendschutz bei seinen Entscheidungen eine Abwägung zwischen dem Freiheitsgedanken und dem Schutzgedanken treffen. Kommen die Prüfausschüsse zu
dem Ergebnis, dass ein Film oder eine Sendung entwicklungsbeeinträchtigend oder
entwicklungsgefährdend ist, so muss er dafür zwar keinen Beweis erbringen, er
muss seine Entscheidung aber plausibel begründen. Um die Kriterienbildung zu untermauern, beziehen die Institutionen des Jugendschutzes vor allem die Ergebnisse
der Medienforschung in ihre Arbeit ein.
2.1
Aspekte der Medienwirkungsforschung
2.1.1
Gewalt
Die etwa 5.000 Studien, die den Zusammenhang zwischen realer und fiktionaler Gewalt untersucht haben, führten dabei allerdings nicht zu eindeutigen Ergebnissen. So
genannte Metaanalysen (vgl. u.a. Kunczik, M. /Zipfel, A.: 2004 Grimm, J. 1999,
Groebel, J., Selg, H. 1993, 1998) finden in den Studien zwar keinen Beweis dafür, dass
mediale Gewaltdarstellungen ursächlich für bestimmte Realgewalttaten sein könnten, sie finden aber insgesamt viele Hinweise darauf, dass es einen Zusammenhang
zwischen der Rezeption medialer Gewaltdarstellungen und realem Gewaltverhalten
gibt. Dies wird so interpretiert, dass die meisten Menschen wohl in der Lage sind,
medialen Gewaltkonsum als Fiktion und Unterhaltung zu verstehen, ohne sich da-
26
Inhaltliche Schwerpunkte des Jugendmedienschutzes
durch in ihrem Verhalten oder in ihrer Auffassung gegen Gewalt beeindrucken zu
lassen. Es werden aber bestimmte Risikogruppen vermutet, die auf Grund individueller oder sozialer Dispositionen über eine ohnehin erhöhte Gewaltbereitschaft verfügen, die dann durch die Erfahrung der medialen Gewalt bestätigt wird.
Der Jugendschutz kann mit solchen relativ pauschalen Aussagen sehr wenig anfangen. Die meisten wissenschaftlichen Wirkungsuntersuchungen basieren auf dem
Vergleich so genannter Vielseher und Wenigseher von Fernsehgewalt. Danach weisen
die Vielseher von medialer Gewalt in ihrer Lebensrealität eine leicht erhöhte Bereitschaft zum Einsatz von Gewalt auf. Es ist jedoch unklar, ob die Vielseher auf Grund
ihrer bereits bestehenden Vordispositionen ein höheres Interesse an Gewaltdarstellungen haben oder ob ihre ex post gemessene erhöhte Bereitschaft zu Gewaltverhalten die Folge des Medienkonsums ist. Ein weiteres Problem dieser Studien besteht
darin, dass sie Gewaltdarstellungen rein quantitativ erfassen, also weder den dramaturgischen Kontext noch die Identifikationsangebote der Programme berücksichtigen. In der neueren Forschung wird daher sehr viel stärker die spezifische Wirkung
von detaillierter oder wenig detaillierter Gewaltvermittlung, die vom Film vorgegebene Perspektive des Zuschauers sowie der Gesamtkontext des Filmes untersucht. Es
zeigt sich, dass Gewaltdarstellungen in Abhängigkeit von der Gestaltungsform des
Filmes sowohl aggressionssteigernde als auch aggressionshemmende Effekte haben
können.
Ziel des Jugendschutzes sollte es also sein, differenzierende Kriterien zu formulieren,
die den Prüferinnen und Prüfern eine seriöse Bewertung der Risikodimensionen eines konkreten Fernsehprogramms ermöglichen. Das Kuratorium der FSF hat dazu
im Jahre 2004 ausführliche Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung entwickelt,
in denen zu den verschiedenen Bereichen des Jugendschutzes Ergebnisse der Medienwirkungsforschung in anwendbare Kriterien umgesetzt wurden (siehe Anhang V: PrO-FSF, u. a. § 30 und 31, und Anhang VI: Richtlinien zur Anwendung der
PrO-FSF § 8).
27
Inhaltliche Schwerpunkte des Jugendmedienschutzes
2.1.2 Angst und Angstverarbeitung
Ein weiterer Aspekt des Jugendschutzes hinsichtlich der Wirkung von Gewaltdarstellungen ist die Erzeugung von Ängsten, die vor allem jüngere Kinder nicht adäquat verarbeiten können (vgl. Michaelis, 2005). Dabei kann es nicht darum gehen,
Kindern möglichst jede Konfrontation mit Angst erzeugenden Bildern zu ersparen,
sondern wir müssen lernen, mediale Angebote so zu differenzieren, dass man Darstellungen, die eine positive Angstverarbeitung ermöglichen, von solchen unterscheidet, die Kinder kurzfristig oder mittelfristig traumatisieren.
In den 70er Jahren gab es in der Pädagogik eine Diskussion um die Frage, ob Märchen, die ebenfalls auf Gewalthandlungen basieren, bei Kindern eine positive Einstellung zur Gewalt fördern könnten. Bruno Bettelheim beendete diese Debatte mit seinem Buch Kinder brauchen Märchen, in dem er unter anderem darauf hinwies, dass
Märchen eine wichtige Funktion für die Angstverarbeitung besitzen. Da Kinder
schnell in der Lage sind, Erzählstrukturen von Märchen zu verinnerlichen, wissen sie
bald, dass Märchen zwar ein hohes Angstpotential entwickeln, dass aber zum
Schluss derjenige, aus dessen Perspektive das Märchen erlebt wird, als Sieger aus der
Geschichte hervorgeht. Märchen, so Bettelheim, entwickeln also die Hoffnung und die
innere Sicherheit, dass Situationen, die Angst erzeugen, zu bewältigen sind. Sie haben so die Möglichkeit, auf einer fiktionalen, real letztlich ungefährlichen Weise
Angst zu erleben, sie auszuhalten und zum Schluss durch die Dramaturgie wieder
abzubauen. (vgl. Vitouch 1993)
Hier begegnen wir bereits der Bedeutung des Begriffes Medienkompetenz, der auch im
Bereich der Fernsehrezeption eine wichtige Rolle spielt: Allein durch die Konfrontation mit Geschichten lernt das Kind, Erzählstrukturen zu durchschauen. Auch die
Erfahrung, die der Jugendschutz in den 80er Jahren mit Gewaltvideos gemacht hat,
nämlich dass Jugendliche bestimmte Filme immer wieder angeschaut haben, unterstützt diese Überlegung: Die Jugendlichen wollen sich vergewissern, dass sie alle
Details der Angstvermittlung genau kennen, denn nur so können sie die Handlungsstrukturen von Filmen sicher beherrschen. Medienkompetenz ist also nicht allein etwas, das durch den Erziehungsprozess von außen vermittelt wird, sondern sie entwickelt sich zu einem großen Teil durch die individuelle Medienerfahrung selbst.
28
Inhaltliche Schwerpunkte des Jugendmedienschutzes
Allerdings ist bei der Beurteilung durch den Jugendschutz darauf zu achten, dass die
verschiedenen Altersgruppen über unterschiedliche Verstehens- und Verarbeitungsfähigkeiten verfügen, Filme mit Angst erzeugenden Inhalten ohne Schaden anzusehen. Es wird davon ausgegangen, dass Kinder bis zum zehnten Lebensjahr Filme als
Addition von Einzelszenen wahrnehmen und erst mit zunehmendem Alter in der
Lage sind, eine längere Gesamtdramaturgie nachzuvollziehen. Angsterzeugung
durch einzelne Szenen kann daher starke Emotionen hervorrufen, die eine Verarbeitung durch das Happy End verhindern. Daher sind längere Ruhephasen im Film
wichtig, um Kindern die Möglichkeit zu geben, Erregungen abzubauen. Darüber
hinaus benötigen sie eine Figur, die ihnen die Sicherheit vermittelt, dass sich angstbesetzte Szenen auflösen. Zwar ist das Erzeugen von Spannung und Angst eines der
Motive, warum sich Menschen überhaupt solche Filme gern anschauen, wenn die
Angst aber nicht adäquat verarbeitet wird, können sich Ängste auch verstärken und
vor allem jüngere Zuschauer traumatisieren.
Auch zu dieser Frage enthalten die von Kuratorium im Jahre 2004 entwickelten
Richtlinien wichtige Kriterien, die differenziert an entsprechende Filme angelegt
werden können (siehe Anhang VI: Richtlinien zur Anwendung der PrO-FSF § 9).
2.1.3 Darstellung von Sexualität
Im Bereich der Wirkung von Sexualdarstellungen auf Kinder und Jugendliche
scheint sich eine Spruchpraxis etabliert zu haben, die sowohl in der Öffentlichkeit als
auch bei den Landesmedienanstalten bzw. der KJM akzeptiert wird. Nachdem es
Ende der 90er Jahre zwischen der FSF und den Landesmedienanstalten erhebliche
Auseinandersetzungen über die Grenze zwischen erlaubten erotischen und verbotenen pornografischen Darstellungen gab, war dieses Thema in den letzten Jahren
kaum noch Gegenstand von Auseinandersetzungen.
In keinem anderen Bereich hat sich der gesellschaftliche Wertewandel so deutlich auf
die Spruchpraxis des Jugendschutzes ausgewirkt wie bei sexuellen Darstellungen.
Während in den 50er Jahren Filme allein deshalb nicht für Jugendliche freigegeben
wurden, weil außereheliche Sexualität auch nur thematisiert wurde, ist heute selbst
die Darstellung nackter Menschen kein Jugendschutzkriterium mehr. Auch mögliche
29
Inhaltliche Schwerpunkte des Jugendmedienschutzes
sexuell stimulative Effekte allein stehen heute nicht mehr unter Jugendschutzgesichtspunkten in der Debatte.
Während man lange Zeit befürchtete, durch die Konfrontation mit medialer Sexualität würden Pubertierende zu immer früheren sexuellen Erfahrungen animiert, geht
es heute eher darum, Heranwachsende vor medial vermittelten Normalitätskonzepten zu bewahren, die sexuelle Erfahrungen als notwendige Voraussetzung darstellen,
um in der sozialen Gruppe akzeptiert und anerkannt zu werden. Der sexuelle Reifungsprozess läuft in sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit ab. Jugendliche sollen
selbstbestimmt und unabhängig von medialen Darstellungen über ihr Verhalten entscheiden können.
Ein weiterer wesentlicher Gesichtspunkt ist das durch sexuelle Darstellungen vermittelte Geschlechterbild. Die Reduzierung der Frau auf die Rolle des Lustobjekts oder
die Stilisierung des Mannes als ständig potenter Sexualpartner gehören zu den Klischees, die zahlreiche Softerotikfilme vermitteln. Pubertierende können diesen Darstellungen noch keine eigenen Erfahrungen entgegensetzen und dadurch übermäßig
beeinflusst werden. Dies steht der pädagogisch gewollten Selbstbestimmung und der
grundgesetzlich garantierten Gleichberechtigung der Geschlechter entgegen.
Im Gegensatz zu der Wirkung medialer Gewalt gibt es bezüglich der Wirkung sexueller Darstellungen keine für den Jugendschutz relevante Forschung. Dennoch zeigen Ergebnisse der Jugendforschung, dass sich beispielsweise trotz unbestrittener
Liberalisierung sexueller Darstellungen in den Medien das durchschnittliche Alter
erster sexueller Erfahrungen seit den 70er Jahren nicht wesentlich nach unten verändert hat. Auch die Befürchtung, sexueller Lustgewinn könnte durch die mediale Präsens sexuell stimulativer Bilder die Beziehungen zwischen jungen Menschen gegenüber zwischenmenschlichen Emotionen und Verantwortungen dominieren, scheint
sich angesichts des hohen Stellenwerts eher konservativer Werte wie Treue und Zuverlässigkeit nicht zu bestätigen. Jugendliche wollen zwar über die Sexualität der
Erwachsenen gut informiert sein, aber sie antizipieren dies eher in der Phantasie als
in ihrer Realität.
Im Zentrum der Kriterien des Jugendschutzes stehen also vor allem die vermittelten
Normalitätskonzepte: Jugendliche sollen nicht aufgefordert werden, etwas zu akzep30
Inhaltliche Schwerpunkte des Jugendmedienschutzes
tieren, was sie selbst nicht wollen, sexueller Lustgewinn soll nicht isoliert von Gefühlen und Verantwortung dargestellt werden, und nicht durch psychischen oder materiellen Druck einseitig zustande kommen. Ebenso wird ein Geschlechterbild, das
nicht auf der Gleichwertigkeit von Mann und Frau beruht, für Heranwachsende als
kritisch angesehen, vor allem dann, wenn sich die agierenden Personen als Vorbilder
für Heranwachsende eignen (siehe Anhang VI: Richtlinien zur Anwendung der PrOFSF § 0).
2.2
Neue Fernsehformate
Bereits seit Mitte der 90er Jahre ist ein neuer Trend zu beobachten, der den Jugendschutz und die Selbstkontrolle vor praktische, aber auch vor inhaltliche Probleme
stellt. Während der Anteil fiktionaler Programme im Fernsehen zurückgeht, entstehen immer mehr Mischformate, in denen Realität, Spiel, Spontaneität und redaktionelle Vorgaben miteinander kombiniert werden. Begonnen hat diese Entwicklung
mit den Talkshows, die dann später von den Gerichtsshows abgelöst wurden. Aber
auch Big Brother, das so genannte Dschungel-TV und die thematische Behandlung
von Schönheitsoperationen zu Unterhaltungszwecken vermischen Realität und
Showelemente.
Organisatorisch stellt sich das Problem, dass viele dieser Sendungen erst kurz vor
der Ausstrahlung fertiggestellt werden bzw. live über den Sender gehen. Eine Vorlage bei der FSF ist also oft nicht möglich. Allerdings wurden auch im Bereich der so
genannten neuen Fernsehformate Sendungen vorgelegt, wenn sie rechtzeitig zur
Verfügung standen.
Das inhaltliche Problem besteht darin, dass alle Untersuchungen über die Wirkung
von Medieninhalten sowie die meisten Kriterien des Jugendschutzes zur Bewertung
von Filmen oder Fernsehprogrammen an fiktionalen Unterhaltungsfilmen ausgerichtet sind. Filme wollen den Zuschauer für eine bestimmte Zeit in eine Scheinrealität
mitnehmen und über attraktive Identifikationsfiguren fesseln. Die Figuren in den
31
Inhaltliche Schwerpunkte des Jugendmedienschutzes
Reality-Shows sind hingegen keine Medienprofis, und es stellt sich die Frage, inwiefern sie als Identifikationsfiguren dienen. Ob allein die Tatsache, dass solche Sendungen zum Teil vorgeben, den Zuschauer an der Realität anderer teilnehmen zu
lassen, dazu führt, dem Geschehen eine Vorbildfunktion für das eigene Verhalten
oder das eigene Denken zu geben, kann bezweifelt werden. Betrachtet man die bisher zu diesem Thema durchgeführten Untersuchungen (z. B. Paus-Haase, I. et al:
1999, Bente, G. / Fromm, B.: 1997), die sich vor allem mit den Talkshows beschäftigten, so scheint dies nur bei einer relativ kleinen Gruppe in einer bestimmten Altersphase der Fall zu sein.
Schon bei den Talkshows, stärker aber noch bei Big Brother oder bei Ich bin ein Star –
Holt mich hier raus! wurde in der Öffentlichkeit die Frage diskutiert, ob es einem Sender erlaubt sein darf, Menschen, die auf Grund mangelnder Medienerfahrung die
Folgen ihrer Teilnahme an einer Sendung möglicherweise nicht richtig einschätzen
können, einem Millionenpublikum zu präsentieren. Einige sahen darin sogar einen
Verstoß gegen den in Artikel 1 Grundgesetz garantierten Schutz der Menschenwürde. Verfolgt man den Diskurs um entsprechende Sendungen, so fällt es schwer, zwischen Argumentationen, die auf der Ebene der Qualität, des Geschmacks oder des
Anstands liegen, von denen zu unterscheiden, die sich auf die Zielsetzung des Jugendschutzes beziehen. Oft wird dieses Dilemma in der öffentlichen Diskussion
wahrgenommen, die Aufsichtsbehörden sind gegenüber diesen Sendungen mit Beschwerdeverfahren oder gar Beanstandungen eher zurückhaltend. Andererseits wird
aber auch von Selbstkontrolle gefordert, das zu schaffen, was der vom Staat bestellten Aufsicht nicht möglich ist, nämlich über die gesetzlichen Rahmenbedingungen
für den Jugendschutz hinaus solche Sendungen ganz oder teilweise zu unterbinden
(vgl. auch Anhang VI: Richtlinien zur Anwendung der PrO-FSF § 12).
32
Inhaltliche Schwerpunkte des Jugendmedienschutzes
2.3
Das Alter als Kriterium für die Verstehensfähigkeit
Der Jugendschutz geht von der Idee aus, dass jüngere Altersgruppen durch Medien
stärker in ihrer Entwicklung beeinträchtigt werden als ältere. Dabei wird immer auf
Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie zurückgegriffen, die Aussagen über kognitive und emotionale Reifungsprozesse trifft.
Folgt man allerdings neueren Ergebnissen der Entwicklungspsychologie, so wird
deutlich, dass weniger das Alter, sondern vielmehr der Erfahrungshintergrund der
Rezipienten die Verarbeitungsprozesse von Medieninhalten bestimmt. Ein wesentlicher Faktor ist darüber hinaus das Geschlecht: Mädchen erleben Gewaltfilme eher
aus der Opferperspektive, Jungen hingegen aus der Täterperspektive. Die Befürchtung einer Gewalt befürwortenden Wirkung trifft also auf Jungen in viel stärkerem
Maße zu als auf Mädchen. Weitere Faktoren wie Bildung, Medienerfahrung oder
Stabilität des eigenen Wertekonzepts sind mit Blick auf die entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung von Medien ebenfalls von hoher Bedeutung.
Dem Jugendschutz stehen allerdings diese Differenzierungsmöglichkeiten nicht zur
Verfügung. Die Freigabe für bestimmte Altersgruppen oder, analog dazu im Fernseher, bestimmte Sendezeiten sind die einzigen Instrumente. Das macht deutlich, wie
schwierig es ist, in der Freigabe die richtige Entscheidung zu treffen: Wird ein Film
in Streitfällen für eine zu junge Altersgruppe freigegeben, ist das Risiko groß, dass
Teile der Altersgruppe in ihrer Entwicklung beeinträchtigt werden; wird für die
nächsthöhere Altersgruppe entschieden, nimmt man den kompetenten Jüngeren die
Möglichkeit, einen für sie vielleicht sogar positiv wirkenden Film zu sehen.
Gerade im Bereich der Kinder- und Jugendfilme führt dies oft zu einem Dilemma.
Die Altersgruppe der 6- bis 12-Jährigen beinhaltet sehr viele Entwicklungsstufen, so
dass manche Filme, die für ab 8-Jährige sogar ausgesprochen geeignet sind, den 6Jährigen nicht zugemutet werden können. Immer dann, wenn das Jugendschutzrecht
reformiert wird, geraten daher auch die Festlegungen der Altersgruppen in die Diskussion.
Der Gesetzgeber hat dies erkannt und im Jugendschutz die Möglichkeit gegeben,
dass Filme im Kino, die ab 12 Jahren freigegeben sind, auch von ab 6-Jährigen in Be33
Inhaltliche Schwerpunkte des Jugendmedienschutzes
gleitung der Eltern gesehen werden dürfen. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Modell
erfolgreich sein wird.
Im Jugendschutz gilt dagegen der Grundsatz, dass bei der Altersfreigabe auf den
gefährdungsgeneigten Jugendlichen abzustellen ist. Das heißt, im Zweifel wird für
die höhere Altersgruppe entschieden. Das mag für die Kino- und Videofreigabe noch
vertretbar sein, im Fernsehen kann das aber auch dazu führen, dass Filme entweder
ganz aus dem Programm fallen oder so spät gesendet werden, dass sie auch für viele
Erwachsene, die am nächsten Tag früh aufstehen müssen, nicht mehr zugänglich
sind. Filme, die vorwiegend ein jüngeres Publikum ansprechen, wird ein Sender
kaum im Hauptabendprogramm ausstrahlen können, wenn sie aus Jugendschutzgründen nicht im Tagesprogramm gesendet werden dürfen, weil sie als Programm
für Erwachsene zu unattraktiv sind. Dies macht es für manche Jugendfilme schwer,
ihr Publikum im Fernsehen zu finden.
Trotz dieser Probleme sind die Altersfreigaben und die Sendezeitbeschränkungen
von hoher Bedeutung. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass sie in den Familien als Orientierung sehr ernst genommen werden. Sie besitzen darüber hinaus vor
allem in Grenzfällen eine wichtige Thematisierungsfunktion. Der Disput über die
richtige Freigabe stärkt letztlich bei Erziehenden und jungen Rezipienten das Bewusstsein, dass Medien nicht gedankenlos und ohne elterliche Kontrolle konsumiert
werden sollten. Es zeigt sich aber auch, dass es fast unmöglich ist, die Spielräume, in
denen im Bereich des Jugendschutzes entschieden wird, immer nachvollziehbar abzustecken.
34
3.
Sicherung der Unabhängigkeit und Qualität der Prüfungen
3.1
Das Kuratorium
Es ist originäre Aufgabe des Kuratoriums, für eine von den Anbietern unabhängige
und inhaltlich qualifizierte Prüfung zu sorgen. Nach § 7 der Satzung der FSF können
dem Kuratorium bis zu 18 Personen angehören, dabei darf der Anteil an von den
Sendern benannten Mitgliedern nicht mehr als ein Drittel ausmachen. Um größtmögliche Transparenz und Unabhängigkeit von den Anbietern zu schaffen, hat sich das
Kuratorium im Jahre 2003 eine eigene Geschäftsordnung gegeben. Nachdem die
Mitglieder des Kuratoriums zunächst von der Mitgliederversammlung bestimmt
wurden, hat das Kuratorium nun beim Ausscheiden von Mitgliedern ein Vorschlagsrecht für die Benennung neuer Mitglieder.
Zur wesentlichen Aufgabe des Kuratoriums gehört die Verfassung und Weiterentwicklung der Prüfordnung (siehe Anhang V), in der alle formalen und inhaltlichen
Fragen, die mit der Prüfung zusammenhängen, geregelt sind. Darüber hinaus ist das
Kuratorium für die Benennung der Prüferinnen und Prüfer zuständig. Die Mitglieder des Kuratoriums wirken maßgeblich auch bei den Prüferfortbildungen mit. Des
Weiteren berät das Kuratorium die Geschäftsstelle der FSF, den Vorstand und die
Mitgliederversammlung in allen den Jugendschutz betreffenden Fragen. Das Kuratorium ist auch in Fällen grundsätzlicher Bedeutung die oberste Prüfinstanz der FSF.
3.1.1 Arbeitsgruppe „Programm und neue Formate“
Die Arbeitsgruppe „Programm und neue Formate“ des Kuratoriums trifft sich regelmäßig, um über aktuelle, für die Prüfung relevante Fragen zu diskutieren und
daraus für die Prüfungen umsetzbare Kriterien und Hilfestellungen zu entwickeln.
Der Arbeitsgruppe gehörten zunächst 5 Mitglieder des Kuratoriums an, die Treffen
stehen aber grundsätzlich allen Mitgliedern offen. Die Arbeitsgruppe traf sich 2004
zu drei ganztägigen Beratungen. Auf die Inhalte und Ergebnisse der Arbeitsgruppensitzungen wird detailliert in Kapitel 4.3 eingegangen.
35
Unabhängigkeit und Qualität der Prüfungen
Thema der ersten Sitzung am 9. Januar 2004 war das Tagesprogramm. Unter anderem wurden die Voraussetzungen der bei einer Ausstrahlung im Tagesprogramm zu
berücksichtigenden Altersgruppe der unter 12-Jährigen diskutiert, Bedingungen verschiedener Genres wie Fantasy und Mystery für eine Tagesprogrammierung, sexualisierte Sprache/Fäkalsprache sowie neue Reality-Formate. Gesichtet wurden folgende Programmbeispiele: Lenya (D 2000, Fantasy/Mystery; gekürzte Fassung, ca. 92
Minuten), Lara Croft – Tomb Raider (USA 2001, Fantasy/Action, FSK 12, gekürzte Fassung, ca. 91 Minuten); Jay & Silent Bob schlagen zurück (USA 2000, Komödie, FSK 12,
ca. 101 Min.); Arabella – Die Abschlussklasse 03 (D 2003, Real-Life-Soap/Talkshow, ca.
120 Minuten).
Bei dem zweiten Treffen am 2. Juli 2004 standen Programme im Vordergrund, die
mögliche Verstöße gegen die Menschenwürde darstellen. Gesichtet wurden Programmbeispiele, die von Prüfausschüssen der FSF als möglicher Verstoß gegen die
Menschenwürde an einen juristischen Sachverständigen weitergereicht worden waren. Dies waren einige Episoden der Sendung Scare Tactics sowie ein Magazinbeitrag
der Reihe RTL-Explosiv, Eistauchen von Babys, der laut einer Pressemitteilung der KJM
einen Menschenwürdeverstoß darstellt. Ein weiteres Thema der Sitzung waren die
zu erarbeitenden Richtlinien zur Anwendung der FSF-Prüfordnung.
Die dritte Arbeitsgruppensitzung am 23. September 2004 war dem Thema „Sendungen über Schönheitsoperationen“ gewidmet. Gesichtet und anhand der vom Kuratorium erarbeiteten Kriterien für Sendungen über Schönheitsoperationen diskutiert
wurde eine Folge der Reality-Show Alles ist möglich.
3.1.2 Arbeitsgruppe „Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung“
Eine wesentliche Aufgabe des Kuratoriums im Jahre 2004 bestand in der Ausarbeitung der Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung der FSF. Ziel dieser Richtlinien ist
es, die in § 5 Abs. 1 JMStV sehr allgemein gehaltene Zielsetzung des Jugendschutzes,
solche Sendungen zu identifizieren und zeitlich zu beschränken, die geeignet sind,
die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu selbstbestimmten und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu beeinträchtigen, durch anwendbare Kriterien zu
konkretisieren und diese auf der Grundlage des aktuellen wissenschaftlichen For36
Unabhängigkeit und Qualität der Prüfungen
schungsstandes und der bisherigen Spruchpraxis des Jugendschutzes für die Prüferinnen und Prüfer nachvollziehbar zu begründen. Zwar werden die gesetzlichen Bestimmungen bereits in der Prüfordnung konkretisiert, bei der Analyse der Prüfpraxis
fällt allerdings auf, dass weitere Differenzierungen von Nöten sind, um eine einheitliche und transparente Spruchpraxis zu gewährleisten. Dabei war es dem Kuratorium wichtig, durch Rückkopplung der Richtlinien mit den Prüferinnen und Prüfern
dafür Sorge zu tragen, dass die Vorgaben für die Praxis relevant und umsetzbar sind.
Die inzwischen verabschiedeten Richtlinien müssen nun regelmäßig auf ihre Praxistauglichkeit überprüft werden, ggf. sind sie durch Kriterien für weitere Fernsehformate, die durch sie noch nicht erfasst werden, zu ergänzen. Im Einzelnen wird im
Kapitel 4.3 auf diese Richtlinien eingegangen.
3.2
Fortbildung der Prüferinnen und Prüfer
Die Prüferinnen und Prüfer der FSF gewährleisten durch ihre berufliche Erfahrung
und durch ihre Ausbildung eine hohe Qualität der Prüfentscheidungen und Gutachten. Bei ihrer Auswahl werden auch Angehörige gesellschaftlicher Gruppen berücksichtigt, die sich in besonderer Weise mit Fragen des Jugendschutzes befassen. Im
Jahr 2004 waren 98 Prüferinnen und Prüfer vom Kuratorium benannt (siehe Anhang
IV).
Die Prüferinnen und Prüfer der FSF kommen aus völlig unterschiedlichen Lebensund Arbeitskontexten. Sie werden von der FSF nach einem Zufallsprinzip im Durchschnitt für zwei bis drei Wochen pro Jahr in die Prüfausschüsse eingeladen.
Für eine plausible und kontinuierliche Spruchpraxis der FSF ist es notwendig, regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen durchzuführen, um die Prüfer über den aktuellen Stand der Forschung und der Diskussion um Jugendschutzfragen zu informieren
und um die Kommunikation zwischen den Prüferinnen und Prüfern einerseits und
mit dem Kuratorium der FSF andererseits zu befördern. Bei den Themen der Prüferfortbildungen handelt es sich zum einen um allgemeine wissenschaftliche Grundlagen, zum anderen werden aber auch aktuelle Fernsehformate unter dem Gesichtspunkt der Medienwirkung diskutiert. Da die Prüferinnen und Prüfer der FSF aus
37
Unabhängigkeit und Qualität der Prüfungen
allen Teilen der Bundesrepublik zusammenkommen, bietet die FSF inzwischen Fortbildungsveranstaltungen nicht nur in Berlin, sondern auch in München und Köln an.
Darüber hinaus führt die FSF zusammen mit der FSK alle 2 Jahre eine gemeinsame
Prüferfortbildung durch. Dabei geht es vor allem um Themen, die von grundsätzlicher Bedeutung sind und sowohl den Jugendschutz in Film und Video als auch im
Fernsehen betreffen.
Die regelmäßige Fortbildung der Prüfer im Hinblick auf die Anwendung der Prüfordnung gehört seit jeher zu den Aufgaben des Kuratoriums der FSF. Gerade die
Kommunikation zwischen dem eher auf wissenschaftliche und theoretische Vorgaben orientierten Kuratorium und den Prüferinnen und Prüfern, die die Prüfkriterien
auf die Fülle des zu begutachtenden Programms umsetzen müssen, befördert eine
vergleichbare, transparente und plausible Spruchpraxis.
Im Jahr 2004 haben insgesamt vier Fortbildungen für Prüferinnen und Prüfer stattgefunden, in denen immer Themen behandelt wurden, die in der aktuellen Prüfpraxis
von Bedeutung waren. Die Inhalte der Prüferfortbildungen werden ausführlich im
Kapitel 4.3 beschrieben.
Am 22. März 2004 wurde eine Prüferfortbildung für Prüferinnen und Prüfer aus Berlin und Brandenburg in Berlin organisiert. Thema war das Verhältnis von Angst und
Gewalt im Tagesprogramm (siehe Kapitel 4.3.2). Gesichtet wurden die Beispielfilme
Lara Croft – Tomb Raider (USA 2001) in der gekürzten Fassung sowie Ausschnitte aus
dem TV-Movie Lenya (D 2000).
Vor dem wissenschaftlichen Symposion anlässlich des 10-jährigen FSF-Jubiläums am
25. Mai 2004 wurde eine Fortbildungseinheit für alle Prüferinnen und Prüfer angeboten. Berichtet wurde zum einen über die Prüffälle Lara Croft und Lenya, des Weiteren
wurden Ausschnitte aus neueren Non-Fiction-Formaten, Viva la Bam und Schürmanns
Gebot, gezeigt und Tabuverletzungen und das Überschreiten von Ekelschwellen in
neueren Programmformaten diskutiert (siehe Kapitel 4.3.5).
Thema der Fortbildungsveranstaltung am 24. September 2004 in Köln waren Sendungen über Schönheitsoperationen im Fernsehen und mögliche entwicklungsbeein38
Unabhängigkeit und Qualität der Prüfungen
trächtigende Wirkungen (siehe Kapitel 4.3.6). Gesichtet und diskutiert wurde eine
Folge der von der KJM beanstandeten Doku-Soap I want a famous face sowie eine Folge der Reality-Show Alles ist möglich. Im zweiten Themenblock wurden Möglichkeiten der Schnittbearbeitung an einem professionellen Schnittplatz demonstriert.
Ein ähnliches Fortbildungsangebot wurde am 26. November 2004 in München für die
Prüferinnen und Prüfer aus dem süddeutschen Raum organisiert. Auf dieser Veranstaltung wurde die Problematik um Sendungen über Schönheitsoperationen am Beispiel der Makeover-Show The Swan – Endlich schön diskutiert. Auch in dieser Veranstaltung wurden möglicher Umfang und technische Durchführbarkeit von Schnittauflagen an einem professionellen Schnittplatz demonstriert.
Von den insgesamt 98 Prüferinnen und Prüfer der FSF haben im Jahr 2004 73 an
mindestens einer der Fortbildungen teilgenommen. Mit den Veranstaltungen wurden somit 75 % der Prüfer/-innen direkt erreicht. Darüber hinaus wurden alle Prüferinnen und Prüfer über die Ergebnisse der Fortbildungen wie auch über andere für
die Prüfungen relevante Fragen in Rundbriefen informiert. Im Jahr 2004 wurden drei
Rundbriefe – im Februar, Juni und Oktober – an alle Prüferinnen und Prüfer versandt. An den Fortbildungsveranstaltungen nehmen regelmäßig auch die Jugendschutzbeauftragten von Mitgliedssendern teil, so dass die Fortbildungen auch in die
Sender hineinwirken.
39
4.
Prüfungen 2004
2004 ist das erste Jahr, in dem die FSF komplett als anerkannte Selbstkontrolle im
Sinne des JMStV gearbeitet hat. An dieser Stelle soll über die Tätigkeit der FSF ausführlich berichtet und dabei auf besondere Problemfälle eingegangen werden, die
sich angesichts der Programmentwicklung in diesem Jahr gestellt haben.
Die Prüfung von Fernsehprogrammen vor der Ausstrahlung ist eine der wesentlichen Aufgaben der FSF. Besonders durch die Anerkennung der FSF als Einrichtung
der Selbstkontrolle im Sinne des JMStV kommt der fachlich fundierten Beurteilung
von Fernsehprogrammen und der nachvollziehbaren und transparenten Begründung
des jeweiligen Prüfergebnisses eine besonders hohe Bedeutung zu.
4.1
Zahlen und Entwicklung
Seit 2003 – dem Jahr der Anerkennung der FSF – hat das Prüfvolumen im Vergleich
zu den Vorjahren erheblich zugenommen. Wurden in den Jahren 2001 und 2002 insgesamt 514 bzw. 543 Sendungen geprüft, waren es 2003 834 Programme und im Jahr
2004 765 Sendungen, die den Ausschüssen vor der Ausstrahlung zur Prüfung vorgelegt wurden. Die Entwicklung des Programmvolumens seit Bestehen der FSF zeigt
Tabelle 1.
Tabelle 1: Auswertung der Prüfanträge nach Kategorien und Jahr – 1994 bis 2004
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
135
144
154
143
65
78
50
24
49
63
148
1.053
9
3
1
2
2
1
102
89
210
5
3
1
5
4
4
7
4
3
6
3
45
159
164
321
176
159
164
162
140
241
361
192
2.239
TV-Movie
56
80
24
38
16
10
11
33
45
94
97
504
Non-Fiction/Reality
17
23
2
5
25
1
3
67
83
226
Erotik
49
30
38
51
104
156
102
309
201
141
153
1.334
Indizierter Film
171
179
97
59
50
39
19
3
Gesamt
601
626
636
476
405
476
353
513
Ausnahmeanträge
FSK-12-Kennzeichen
Kinofilme ohne FSKKennzeichnung
Serie
41
1
2004 gesamt
617
543
834
765
6.228
Prüfungen 2004
Der Rückgang der Zahlen im Jahr 2004 im Vergleich zum Vorjahr erklärt sich weitgehend durch eine geringere Anzahl von Serienprüfungen: In dieser Kategorie sank
die Zahl der Prüfungen von 361 (2003) auf 192 Serienfolgen 2004 (zur Erläuterung
siehe Tabelle 2d). Gegenüber den Serien ist im Bereich der Ausnahmeanträge ein
deutlicher Anstieg zu verzeichnen: Ihre Zahl stieg von 63 Filmen (2003) auf 148 Filme
im Berichtszeitraum 2004 (siehe Tabelle 2a). Die Beispiele zeigen, dass es sich für eine
genauere Betrachtung des Prüfaufkommens lohnt, die Entwicklung der Vorlage in
den einzelnen Prüfungssegmenten zu verfolgen. Die Zahlen aus Tabelle 1 werden
daher in den Tabellen 2a – 2h für die einzelnen Kategorien veranschaulicht.
Tabelle 2a: Ausnahmeanträge 1994 - 2004
180
154
160
140
144
148
143
135
120
100
78
80
65
60
63
50
40
49
24
20
0
1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
Ausnahmeanträge sind Filme, die bereits von der FSK geprüft und mit „Freigegeben
ab 16 Jahren“ bzw. „Keine Jugendfreigabe“ gekennzeichnet wurden. Mit diesen Altersfreigaben sind nach § 5 Abs. 4 JMStV bei der Fernsehausstrahlung bestimmte
Sendezeiten (22.00 bis 6.00 Uhr bzw. 23.00 bis 6.00 Uhr) verbunden, von denen abgewichen werden kann, wenn die Vermutung einer entwicklungsbeeinträchtigenden
Wirkung auf Kinder und Jugendliche unter 16 bzw. unter 18 Jahren nicht mehr vorliegt. Nach § 9 Abs. 1 JMStV kann dies vor allem für Angebote gelten, deren Bewertung durch die FSK länger als 15 Jahre zurückliegt, darüber hinaus werden FSKgekennzeichnete Filme oft auch in bearbeiteten Fassungen zur Prüfung vorgelegt, bei
denen die seitens der FSK inkriminierten Szenen verkürzt wurden oder nicht mehr
enthalten sind.
42
Prüfungen 2004
Mit 148 Ausnahmeanträgen im Jahr 2004 werden in dieser Kategorie wieder die hohen Werte der Anfangsjahre erreicht. Während von 1994 bis 1997 die Ausnahmeanträge mit durchschnittlich 144 Filmen pro Jahr einen beträchtlichen Anteil am Prüfvolumen einnahmen, fiel ihr Anteil 1998 abrupt auf 65 Filme ab. Von 1999 bis 2001
sank der Anteil der Ausnahmeanträge stetig, was die abnehmende Bereitschaft der
Sender dokumentiert, angesichts einer erneuten Prüfung der Filme durch die zuständigen Landesmedienanstalten, die nicht an das Votum der FSF gebunden waren,
diese Programme überhaupt der Selbstkontrolle vorzulegen. Entsprechend wandelt
sich dieser Trend mit Anerkennung der FSF: 2003 werden 63 Ausnahmeanträge
durch die FSF geprüft, 2004 wird diese Zahl mehr als verdoppelt.
Tabelle 2b: Filme mit FSK-12-Kennzeichen 1994 bis 2004
120
102
100
89
80
60
40
20
9
3
1
2
2
1
1
0
1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
Bei Filmen, die nach § 14 Abs. 2 des Jugendschutzgesetzes von der FSK für Kinder
unter 12 Jahren nicht freigegeben sind, ist zu entscheiden, ob sie im Tagesprogramm
ausgestrahlt werden können und die Platzierung somit den Anforderungen des § 5
Abs. 4 Satz 3 JMStV genügt, nach dem bei der Wahl der Sendezeit dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu tragen ist, oder ob eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung zu befürchten ist, die den Anbieter zu einer Sendezeitbeschränkung verpflichtet (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 in Verb. m. § 5 Abs. 4 JMStV).
Seit Anerkennung der FSF durch die KJM haben die Anträge dieser Kategorie erheblich zugenommen. Waren von 1994 bis 2002 insgesamt nur 19 FSK-12-Filme Gegens43
Prüfungen 2004
tand einer FSF-Prüfung, wurden 2003 102 und im Jahr 2004 89 Filme mit FSK-12Kennzeichen geprüft.
Tabelle 2c: Kinofilme ohne FSK-Kennzeichen 1994 bis 2004
8
7
6
5
4
3
2
1
0
1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
Bei dieser Kategorie handelt es sich um Kinofilme, die der FSK nicht vorgelegen haben, weil sie in Deutschland weder für das Kino noch auf Video oder DVD ausgewertet wurden. In der Kategorie finden sich darüber hinaus Kinofilme, die in einer
bestimmten Fassung (z. B. restaurierte Fassungen, so genannte „extended versions“
o. Ä.) der FSK nicht vorgelegen haben, sowie Filme, denen in der Originalfassung
das FSK-Kennzeichen verweigert wurde und die nun in bearbeiteten Versionen vorgelegt werden. Diese Kategorie enthält definitionsgemäß nur wenige Titel und ist
über die Jahre konstant niedrig geblieben. 2004 wurden 3 Filme dieser Kategorie geprüft, im Jahr 2003 6 Filme.
44
Prüfungen 2004
Tabelle 2d: Serien 1994 bis 2004
400
361
350
321
300
241
250
192
200
159
164
176
159
164
162
140
150
100
50
0
1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
Die Prüfung von Serien hat seit Bestehen der FSF einen bedeutenden Anteil am Prüfgeschehen. Die Entwicklung der Serienprüfungen über 10 Jahre zeigt, dass die Anzahl relativ konstant geblieben ist, in drei Jahren – 1996, 2002 und 2003– aber auffällig hoch ausfällt. In diesen Jahren wurden neben den „üblichen“ Serienprüfungen,
d.h. einigen markanten Folgen einer Serie, auch sehr viele Folgen bzw. ganze Staffeln
einer Serie zur Prüfung vorgelegt, weil diese etwa insgesamt mit Blick auf den angestrebten Sendeplatz unter Jugendschutzgesichtspunkten relevant erschien. 1996 (321
Serienprüfungen) waren dies etwa die Serien Walker Texas Ranger (92 Folgen beantragt für das Hauptabendprogramm) und Krieg der Welten (47 Folgen beantragt für
das Spätabendprogramm), des Weiteren die Serie Power Rangers (78 Folgen), von der
nahezu alle Staffeln komplett der FSF zur Prüfung vorlagen. 2002 wurden allein 54
Folgen der Serie Airwolf geprüft, die für den beantragten Sendeplatz am Nachmittag
umfangreich bearbeitet worden waren, sowie japanische Animeserien (24 Folgen
Shin Shan; 15 Folgen Dragon Ball Z) für eine Ausstrahlung im Tagesprogramm. Auch
2003 wurde jeweils eine große Anzahl von Serienfolgen vorgelegt – so etwa 45 Folgen der Serie Sentinel, über 20 Folgen von Dragon Ball Z oder zahlreiche Episoden
von Angel, Buffy, Coupling, Kommissar Rex oder Sex and the City. Im Berichtszeitraum
reduzierte sich die Anzahl der jeweils eingereichten Serienepisoden wieder. Einerseits war eine Orientierung der Antragsteller an den Vorgaben der FSFVorlagesatzung festzustellen, die von der Vorlage von drei typischen Folgen einer
45
Prüfungen 2004
Serie ausgeht (vgl. § 4 Abs. 1 FSF-Vorlagesatzung); andererseits gab es nach wie vor
Fälle, bei denen die Anzahl der geprüften Episoden einer Serie auch deutlich darüber
lag, z.B. bei Nip/Tuck (10 Folgen), Mutant X (7 Folgen) oder den Power Rangers – Ninja
Storm (39 Folgen).
Tabelle 2e: TV-Movies 1994 bis 2004
TV-Movie
120
94
100
97
80
80
60
56
45
38
40
33
24
16
20
10
11
0
1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
Die Kategorie TV-Movies beinhaltet alle fiktionalen Fernsehproduktionen in Spielfilmlänge. Da TV-Movies vor Bestehen der FSF von keiner Instanz des Jugendmedienschutzes vor Ausstrahlung begutachtet wurden, ist die Prüfung von TV-Movies
neben den Serien wesentliche Aufgabe der FSF. Entsprechend wurde die Vorlage in
diesem Segment häufig als Gradmesser für das Funktionieren der Selbstkontrolle
insgesamt gewertet. Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung der Prüfungen von
TV-Movies in den vergangenen Jahren ein positives Zeichen für die FSF. Auffällig ist
der abrupte Anstieg der Vorlage von TV-Movies seit Anerkennung der FSF: Im Jahr
2003 wurden 102, im Jahr 2004 97 TV-Movies geprüft. Der Anteil der Eigenproduktionen ist dabei entgegen der allgemeinen Programmentwicklung in den letzten Jahren erheblich angestiegen. Seit Anerkennung der FSF ist die Vorlage der eigenproduzierten TV-Movies für alle Mitgliedssender verbindlich. 48 geprüfte Eigenproduktionen bzw. deutsche Koproduktionen im Jahr 2004 und damit ein Anteil von mehr als
52 % an den geprüften TV-Produktionen verweisen darauf, dass diese Regelung der
Vorlagesatzung wirksam ist.
46
Prüfungen 2004
Zu Tabelle 2e: Anteil der Eigenproduktionen an den TV-Movies 1994 bis 2004
60
48
50
37
40
33
30
26
20
10
4
7
1
4
9
6
2
0
1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
Tabelle 2f: Non Fiction/Reality 1994 bis 2004
Non-Fiction / Reality
90
83
80
67
70
60
50
40
30
20
10
25
23
17
2
5
1
3
0
1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
Die Anzahl der Prüfungen nicht fiktionaler Programme ist bis zum Jahr 2003 eher
gering. In den Anfangsjahren 1994 und 1995 wurden Magazinsendungen wie Liebe
Sünde oder Reality-Formate wie Auf Leben und Tod vorgelegt, die bald vom Markt
verschwanden. 1999 waren es einzelne Talkshowsendungen, die einen Anstieg der
Prüfungen auf 26 Programme bewirkten. Seit 2003 ist die Anzahl der Prüfungen in
dieser Kategorie stark angestiegen und beläuft sich auf 67 (2003) bzw. 83 (2004) Sendungen im Jahr. Der allgemeinen Programmentwicklung in dem Bereich nicht fiktionaler Sendungen entsprechend finden sich in dieser Kategorie neben den bekannten
47
Prüfungen 2004
Talk- oder Gerichtsshows auch viele neue Programmformate wie Doku-Soaps oder
Doku-Shows (vgl. Kapitel 4.3.3 – 4.3.5).
Tabelle 2g: Sex- /Erotikfilme 1994 bis 2004
350
309
300
250
201
200
156
141
150
104
153
102
100
49
50
30
38
51
0
1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
Bei Sex- bzw. Erotikfilmen ist zu entscheiden, ob es sich um eine pornografische Darstellung im Sinne des § 184 StGB handelt, was in Verbindung mit § 4 Abs. 2 Nr. 1
JMStV die Sendeunzulässigkeit nach sich zieht, bzw. ob weitere Kriterien für unzulässige Angebote nach § 4 JMStV bzw. § 29 der FSF Prüfordnung (PrO-FSF) auf das
Angebot zutreffen oder schwer jugendgefährdende Momente, die ein Ausstrahlungsverbot gem. § 4 Abs. 2 Nr. 3 JMStV bzw. § 30 PrO-FSF rechtfertigen, auszumachen sind.
Die Anzahl der Prüfungen im Bereich Erotik hängt stark ab von der Mitgliedschaft
von Sendern mit entsprechendem Programmangebot. Im Jahr 2000 etwa wurde Beate
Uhse TV FSF-Mitglied, was im Folgejahr 2001 statistisch zu Buche schlägt (insgesamt
305 geprüfte Erotikfilme, davon 183 Anträge von Beate Uhse TV). Im Jahr 2003 wurden 141 Erotikfilme zur Prüfung vorgelegt, 2004 153 Titel.
48
Prüfungen 2004
Tabelle 2h: Indizierte Filme 1994 bis 2001
200
180
179
171
160
140
120
100
97
80
59
60
50
39
40
19
20
3
0
1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
Die indizierten Filme hatten in der Anfangszeit der FSF einen erheblichen Anteil am
Prüfaufkommen. 1994 nahm die Prüfung indizierter Filme mit 171 Sendungen im
Jahr einen Anteil von ca. 28 % am Prüfvolumen ein. In den darauffolgenden Jahren
reduzierte sich die Anzahl der indizierten Filme stetig, auf 39 Filme im Jahr 1999
bzw. 19 Filme im Jahr 2000. Mit Inkrafttreten des 4. RÄStV ist die Ausstrahlung indizierter Filme in ungeschnittener Fassung im Fernsehen generell verboten und werden diese daher der FSF nicht mehr vorgelegt.
Wie sich die Anteile der einzelnen Programmkategorien am Prüfvolumen seit 2001
entwickelt haben, veranschaulichen die folgenden Grafiken. Es wird deutlich, dass
die verschiedenen Programmarten in den Prüfungen in einem zunehmend ausgewogenen Verhältnis stehen.
49
Prüfungen 2004
Abb. 1a: Anteil der Programmkategorien am Prüfvolumen 2001
Abb. 1b: Anteil der Programmkategorien am Prüfvolumen 2002
50
Prüfungen 2004
Abb. 1c: Anteil der Programmkategorien am Prüfvolumen 2003
Abb. 1d: Anteil der Programmkategorien am Prüfvolumen 2004
51
Prüfungen 2004
Insgesamt zeigt die positive Entwicklung der Vorlagepraxis, dass die Sender das
System der regulierten Selbstregulierung angenommen haben.
Wurde der FSF und den sie tragenden Sendern in den vorangegangenen Jahren oft
vorgeworfen, gerade besonders jugendschutzrelevante Programme würden aus
Angst vor einer Ablehnung nicht vorgelegt, so hat sich das Vorlageverhalten der
Sender offensichtlich gewandelt, wie etwa die Zunahme der Prüfungen im Bereich
TV-Movie zeigt.
Die Prüfergebnisse der FSF werden von den Mitgliedssendern akzeptiert. Die Anzahl
der Berufungen ist im Verhältnis zum gesamten Prüfvolumen nur gering: Im Jahre
2004 wurde lediglich gegen 40 von 765 FSF-Entscheidungen Berufung eingelegt. In
nahezu 50 % der Fälle folgten die Berufungsausschüsse den Einschätzungen der Vorinstanz oder milderten die Entscheidung lediglich ab, was als Indikator für die Kontinuität in der Spruchpraxis gewertet werden kann. Darüber hinaus verweist die hohe Quote an Programmen, die von den Sendern vor Antragstellung z.T. recht umfangreich bearbeitet werden – von den im Jahr 2004 geprüften 765 Sendungen wurden 157 Programme in geschnittenen Fassungen eingereicht –, auf eine verstärkte
Orientierung der Sender an der FSF-Spruchpraxis.
Dennoch wurden im Jahr 2004 186 Programme nicht wie beantragt zur Ausstrahlung
zugelassen. 98 Filme und Fernsehsendungen wurden auf einen späteren Sendeplatz
verschoben. In 80 Fällen wurden Schnittauflagen verhängt. In 8 Fällen wurde ein
Verstoß gegen die Unzulässigkeitsbestimmungen des § 4 JMStV festgestellt und die
Ausstrahlung entsprechend abgelehnt.
4.2
Organisation
Die Art und Weise der Prüfungsorganisation durch die FSF-Geschäftsstelle gewährleistet eine im Voraus festgelegte Besetzung der Prüfausschüsse. Jeweils 5 Prüferinnen und Prüfer pro Woche werden am Jahresende für das kommende Jahr zu einer
Prüfsitzung eingeladen. Bei der Zusammenstellung ist darauf zu achten, dass alle
52
Prüfungen 2004
Prüferinnen und Prüfer im Laufe eines Jahres möglichst gleichmäßig berücksichtigt
werden (vgl. § 6 Abs. 3 PrO-FSF).
Die Disposition der 98 Prüferinnen und Prüfer für das Jahr 2004 wurde im Dezember
2003 abgeschlossen. Auf Grund des gestiegenen Prüfaufkommens wurde jede zweite
Woche ein Doppelausschuss eingerichtet, so dass pro Monat 18 Prüftage fest geplant
waren, hinzu kamen spontan zu organisierende Prüftermine, Berufungssitzungen
und Einzelprüfungen. Einige Doppelausschüsse mussten im Sommer 2004 auf Grund
des rückläufigen Prüfaufkommens abgesagt werden, gegen Ende des Jahres wurde
das geplante Prüfvolumen wieder erreicht.
Die Vertreterinnen und Vertreter der Kirche wurden gebeten, Einarbeitungstage in
das erste Quartal des Jahres zu legen, um in der zweiten Jahreshälfte bereits reguläre
Prüftermine wahrnehmen zu können. Dieser Bitte sind die neuen Kolleginnen und
Kollegen nachgekommen, so dass im zweiten Quartal 2004 bereits Vertreter/-innen
der Kirche als Prüferinnen und Prüfer integriert werden konnten.
Um zu gewährleisten, dass nach Möglichkeit in jedem Prüfausschuss eine hauptamtliche Prüferin bzw. ein hauptamtlicher Prüfer vertreten ist, die bzw. der auf die Kontinuität der Spruchpraxis achten und über vergleichbare Fälle berichten kann, hat das
Kuratorium drei weitere Ausschussvorsitzende als hauptamtliche Prüfer bzw. Prüferin benannt. Hauptamtliche Prüferinnen und Prüfer im Jahr 2004 waren: Claudia Mikat sowie von Februar bis Jahresende Susanne Bergmann, Nils Brinkmann und
Christina Heinen.
Auch die Gruppe der juristischen Sachverständigen wurde um einen vierten Juristen
erweitert. Juristische Sachverständige 2004 waren: Prof. Dr. Oliver Castendyk, Dr.
Marc Liesching, Dr. Claudia Rinke sowie Dr. Matthias Heinze.
53
Prüfungen 2004
4.3
Inhalte
4.3.1 Zusammenspiel von Prüfausschüssen und Kuratorium
Mit den im Folgenden dargestellten Themen und exemplarischen Fällen des Jahres
2004 waren nicht nur Prüfausschüsse, sondern verstärkt auch das Kuratorium der
FSF befasst. Zum Teil wurden einzelne Fälle auch an die juristischen Sachverständigen weitergegeben.
Das Kuratorium wird auf den regulären Sitzungen durch die hauptamtliche Prüferin
auf exemplarische Fälle, offene Fragen in den Prüfungen, strittige Entscheidungen o.
Ä. aufmerksam gemacht. Weiterführend wurde dazu eine Arbeitsgruppe zu Programmfragen und neuen Formaten gegründet, die die Prüfordnung präzisiert und
Interpretationshilfen erarbeitet.
Auf den drei Sitzungen der Arbeitsgruppe im Jahre 2004 wurden Beispiele aus der
Programmprüfung gesichtet und erörtert. Die daraufhin entwickelten Gesichtspunkte für die Bewertung finden sich in den Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung
vom 1. März 2004 wieder oder auch in eigenen Kriterienkatalogen wie etwa für Sendungen zum Thema Schönheitsoperationen vom 6. August 2004. Die Ergebnisse der
Kuratoriumssitzungen und der Arbeitsgruppentreffen wurden auf Fortbildungsveranstaltungen und in Rundbriefen an die Prüferinnen und Prüfer rückgekoppelt. Insofern dokumentieren die hier dargestellten Fallbeispiele die Probleme und Fragestellungen in den Prüfungen und die Entwicklung von Kriterien durch das Kuratorium,
z.T. auch den juristischen Blick auf den Sachverhalt. Sie zeigen darüber hinaus den
ständigen Abstimmungsprozess zwischen FSF-Kuratorium und den Prüfausschüssen
auf, der notwendig ist, um zu einer nachvollziehbaren und sachlich begründbaren
Spruchpraxis zu gelangen.
54
Prüfungen 2004
4.3.2 Lenya und Lara Croft: Angst und das Verhältnis von Angst und Gewalt im
Tagesprogramm
Seit Anerkennung der FSF durch die KJM haben die Anträge für das Tagesprogramm insgesamt zugenommen. Bei der überwiegenden Anzahl der geprüften Serien war eine Ausstrahlung im Tagesprogramm vorgesehen (110 von 191) und auch
die Anzahl der TV-Movies, die z.T. in gekürzter Fassung für eine Wiederholung im
Tagesprogramm vorgelegt wurden, ist von 34 auf 92 angestiegen. Insbesondere Filme, die nach § 14 Abs. 2 des Jugendschutzgesetzes für Kinder unter 12 Jahren nicht
freigegeben sind, waren vor August 2003 kein nennenswerter Prüfgegenstand. Lediglich 18 Filme dieser Kategorie wurden von Januar bis Juli 2003 geprüft; von August bis Dezember 2003 stieg die Anzahl auf 84 an. Im Berichtszeitraum 2004 wurden
insgesamt 89 FSK-12-Filme zur Prüfung vorgelegt. Bei Filmen dieser Kategorie ist zu
entscheiden, ob sie im Tagesprogramm ausgestrahlt werden können und die Platzierung somit den Anforderungen des § 5 Abs. 4 Satz 3 JMStV genügt, nach dem bei der
Wahl der Sendezeit dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu tragen ist, oder ob eine
entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung zu befürchten ist, die den Anbieter zu einer
Sendezeitbeschränkung verpflichtet (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 in Verb. m. § 5 Abs. 4 JMStV).
Analog legt die Prüfordnung der FSF fest, dass für die Tagesprogrammierung die
Voraussetzungen für die Wahrnehmung und Verarbeitung von Kindern unter 12
Jahren zu berücksichtigen sind.
Die Diskussionen in den Ausschüssen und ein z.T. breites Beurteilungsspektrum bei
den Entscheidungen für das Tagesprogramm verwiesen auf Klärungsbedarf in der
Anwendung der Prüfordnung. Fraglich war vor allem, welche Altersgruppe bei einer
Platzierung im Tagesprogramm im Fokus der Betrachtung stehen soll, inwieweit also
die Bestimmung des JMStV, dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu tragen, präzisiert werden kann. Vor allem in Bezug auf mögliche Angst erzeugende Wirkungen
zeigten sich hier Unsicherheiten. Auf der einen Seite ist das Wirkungsrisiko einer
übermäßigen Angsterzeugung vor allem im Tagesprogramm relevant; nach § 31 Abs.
3 Satz 2 PrO-FSF ist der Angstdimension bei unter 12-Jährigen ein höheres Gewicht
zuzumessen als bei älteren Zuschauergruppen. Auf der anderen Seite kann dies wohl
55
Prüfungen 2004
nicht bedeuten, potenziell ängstigende oder auch nur kurzfristig erschreckende Inhalte generell aus dem Tagesprogramm zu verbannen. Schließlich hängt es von der
Verarbeitungsfähigkeit von Kindern verschiedenen Alters ab, inwieweit Ängste verarbeitet und im entsprechenden Medienkontext auch lustvoll erlebt werden können.
Insofern sind auch verschiedene ergänzende Kriterien zu berücksichtigen, wie etwa
relativierende Genrekontexte. Beschäftigt haben die Ausschüsse, wie die beiden folgenden Beispiele zeigen, in diesem Zusammenhang vor allem die Genres Fantasy/Mystery und Action.
Der TV-Film Lenya (D 2000, Fantasy/Mystery, gekürzte Fassung, ca. 92 Minuten)
wurde 2001 in der Originalfassung antragsgemäß für das Hauptabendprogramm
entschieden. Die Ausstrahlung einer gekürzten Fassung im Tagesprogramm lehnten
Prüf- und Berufungsausschuss im November 2003 ab. Beide Gremien sahen das Wirkungsrisiko einer übermäßigen Ängstigung auf unter 12-jährige Kinder gegeben.
Der Kinospielfilm Lara Croft – Tomb Raider (USA 2001, Fantasy/Action) wurde von
der FSK im Jahr 2001 in Originallänge mit „Freigegeben ab 12 Jahren“ gekennzeichnet. Der FSF wurde im Dezember 2003 eine gekürzte Fassung von ca. 91 Minuten zur
Prüfung vorgelegt. Die Ausstrahlung der gekürzten Fassung im Tagesprogramm
lehnten Prüf- und Berufungsausschuss ab.
Auf ihrer ersten Sitzung am 9. Januar 2004 hat sich die Arbeitsgruppe „Programm
und neue Formate“ des Kuratoriums u.a. mit den Themen „Tagesprogramm und die
zu berücksichtigende Altersgruppe“ sowie „Fantasy, Mystery, Action im Tagesprogramm“ befasst und die beiden Filme gesichtet. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Arbeitsgruppe hielten eine Erläuterung der Prüfordnung für notwendig.
Insbesondere mit Blick auf das Tagesprogramm und der hier zu berücksichtigenden
schwer fassbaren Gruppe der jüngeren Kinder unter 12 Jahren sollten neben dem
Alter als Richtschnur ergänzende Kriterien berücksichtigt und den Prüferinnen und
Prüfern vermittelt werden. Vor allem das Wirkungsrisiko der übermäßigen Angsterzeugung müsse präzisiert und um eine positive Bedeutungsbestimmung von Angst
ergänzt werden. Der positive Zusammenhang zwischen notwendiger Angst (z.B.
56
Prüfungen 2004
durch Darstellung der Folgen von Gewalt) und der Entwicklung einer Gewalt ablehnenden Haltung werde in den Gutachten in zu geringem Maße reflektiert, mögliche
Ängste würden oftmals überbewertet. Auch dieser Zusammenhang sei daher näher
zu beleuchten. Darüber hinaus sei auch der symbolische Gehalt von Gewaltdarstellungen und Angst erzeugenden Szenen in bestimmten Erzählkontexten und ihre
Verarbeitung durch Kinder zu erläutern. Auch im Zusammenhang mit Einzelbildern
sei zwischen dramaturgisch erzeugten und notwendigen Ängsten und solchen Bildern oder Szenen zu unterscheiden, die ein übermäßiges Verstörungspotenzial für
jüngere Kinder besitzen.
Lenya und Lara Croft wurden beim Kuratorium als Fälle grundsätzlicher Bedeutung
zur Überprüfung4 beantragt. Diesem Antrag wurde zugestimmt. Am 27. Februar
2004 hat sich das Kuratorium mit den beiden Filmen befasst.
Im Fall des Fantasyfilms Lenya (D 2000) war die Prüfgruppe dem Votum des Prüfund Berufungsausschusses gegen eine Tagesprogrammierung gefolgt, hatte ihr Urteil aber weniger mit der Angst erzeugenden Wirkung einzelner Szenen, sondern mit
dramaturgischen Schwächen, dem Changieren der Figuren zwischen gut und böse
und der mangelnden Auflösung begründet.
Im Fall von Lara Croft – Tomb Raider (USA 2001, FSK 12, gekürzte Fassung), der von
Prüf- und Berufungsausschuss für das Hauptabendprogramm entschieden worden
war, hatte das Gremium eine Ausstrahlung im Tagesprogramm bei weiteren Kürzungen für möglich gehalten und dies vor allem mit den irrealen und fantastischen
Elementen, die Kindern die symbolische Verarbeitung der gezeigten Gewalt ermöglichten, begründet.
Die Ergebnisse der Kuratoriumsprüfung wurden den Prüferinnen und Prüfern auf
verschiedenen Fortbildungsveranstaltungen vermittelt. Die erste dieser Fortbildungen am 22. März 2004 richtete sich an Prüferinnen und Prüfer aus Berlin und Brandenburg. Diskutiert wurden die Konsequenzen der Kuratoriumsprüfung für die
Spruchpraxis unter dem Aspekt des übergeordneten Themas, dem Verhältnis von
Gewalt- und Angstdimension im Tagesprogramm. In der Diskussion wurde deutlich,
4
Ein Fall grundsätzlicher Bedeutung liegt immer dann vor, wenn die zu klärende Frage exemplarisch
für eine Vielzahl von Filmen ist.
57
Prüfungen 2004
dass in den Prüfungen entwicklungsfördernde und –beeinträchtigende Ängste sorgfältiger voneinander zu unterscheiden sind. Der Begriff der Nachhaltigkeit wurde
hier als geeignet angesehen, um „normale“ und in gewissem Maße auch notwendige
Ängste von massiven Ängsten zu trennen, die die kindliche Entwicklung stören können.
Das Prüfergebnis zu Lenya verweist dagegen auf die Grenze dessen, was von unter
12-Jährigen problemlos verarbeitet werden kann, weil der Film kommunikative Vereinbarungen nicht einhält, der offene Ausgang des Geschehens einen Teil der Kinder
im Ungewissen lässt. Die mögliche Unklarheit über den Ausgang der Geschichte
kann rückwirkend auch die Interpretation und Wirkung der vorherigen Szenen beeinflussen, z.B. Ängste schüren vor der Undurchschaubarkeit des „Bösen“, hinsichtlich des Verlustes der eigenen Urteilsfähigkeit und damit auch hinsichtlich der so
notwendigen Deutungskompetenz („Ich – Kind – habe keine Angst, weil ich zumindest vom Filmende her die Geschichte durchschaut habe!“) – so im Kuratoriumsgutachten zu Lenya. Insofern fehlen Bewältigungsmöglichkeiten, und dies kann mit Gefühlen der Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe bei jüngeren Kindern verbunden
sein.
Die Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung wurden von einer weiteren Arbeitsgruppe des Kuratoriums im Laufe des Jahres 2004 erarbeitet und lagen in einer
ersten Fassung am 30. September 2004 vor. Die Überlegungen des Kuratoriums zum
Wirkungsrisiko der übermäßigen Angsterzeugung und zum Tagesprogramm finden
sich in den §§ 9 und 11 der Richtlinien.
§ 9 der Richtlinien präzisiert den Umgang mit Programmen, die Ängste auslösen
können, und den Begriff der Nachhaltigkeit in Bezug auf die Wirkung: „ Bei Programmen, die durch die Darstellung von physischer und psychischer Gewalt, von
Bedrohungen oder von Menschen, die Opfer von Unfällen oder Katastrophen werden, anhaltende und nicht zu verarbeitende Ängste auslösen, muss bei der Wahl der
Sendezeit das Wohl jüngerer Kinder berücksichtigt werden.“ In den Erläuterungen
zu § 9 wird die entwicklungsfördernde Funktion von Ängsten hervorgehoben und
auf ergänzende Kriterien wie etwa die Medien- und Genrekompetenzen von Kindern
58
Prüfungen 2004
verwiesen: „Dass Kinder lernen, Ängste, die während der Filmrezeption entstehen
können, auszuhalten, kann ihnen auch den Umgang mit realen Ängsten erleichtern.
Kinder lernen darüber hinaus schnell die genretypischen Strukturen von Filmen
kennen und wissen daher, dass Filmhelden, aus deren Perspektive sie die Handlung
erleben, Gefahren und Bedrohungen überwinden. Dies gibt ihnen die Hoffnung, dass
auch sie die Ängste in der Realität überwinden können.“ Darüber hinaus wird in den
Erläuterungen die Grenze des für jüngere Kinder Zumutbaren beschrieben und zwischen Kindern verschiedenen Alters differenziert: „Kinder können und müssen zwar
Ängste aushalten, sie sind aber überfordert, wenn die Ängste während des gesamten
Films (von durchschnittlicher Dauer) ununterbrochen anhalten. Dies gilt vor allem
für Kinder unter 10 Jahren, da sie noch nicht in der Lage sind, die nachhaltige Wirkung einzelner Szenen durch das Verständnis des Gesamtkontextes zu verarbeiten,
und für Kinder unter 8 Jahren, da sie Realität und Fiktion noch nicht ausreichend
unterscheiden können. Sie benötigen Erholungsphasen und episodische Lösungen,
weil sie daraus die Gewissheit erlangen, dass ihre Identifikationsfigur die Gefahr
überwinden wird.“
Im § 11 – Sendungen im Tagesprogramm – wird hervorgehoben, dass bei der Freigabe für das Tagesprogramm grundsätzlich von den Verstehens- und Verarbeitungsmöglichkeiten der ab 12-Jährigen auszugehen ist, das Wohl jüngerer Kinder aber insbesondere von Filmen beeinträchtigt werden kann, „die Krieg oder andere Gewalthandlungen in den jeweiligen geschichtlichen, politischen oder sozialen Zusammenhängen darstellen und damit in einen Kontext einordnen, der jüngeren Kindern unverständlich sein kann.“ Solche Programme können bei Kindern unter 12 Jahren zu
übermäßigen Angstreaktionen führen (vgl. § 11 Richtlinien zur Anwendung der PrOFSF). Insofern ist davon auszugehen, so in den Erläuterungen der Richtlinien zu § 11,
dass „Filme mit einer Freigabe ab 12 Jahren auch im Tagesprogramm ausgestrahlt
werden können, sofern sie nicht für jüngere Kinder unter 12 Jahren ein erhebliches
Angstrisiko enthalten oder andere Wirkungsrisiken, die aufgrund geringerer Verarbeitungsfähigkeit dieser Altersgruppen angenommen werden können.
Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass beispielsweise nur Filme, die eine Freigabe ab 6
Jahren erhalten haben, im Tagesprogramm ausgestrahlt werden dürfen, so hätte er
59
Prüfungen 2004
dies ohne weiteres im Gesetz festschreiben können. Es geht also wohl nicht um eine
klare Altersdifferenzierung für das Tagesprogramm, sondern eher darum, die
grundsätzliche Sendeerlaubnis für 12er-Filme im Tagesprogramm für solche Filme
einzuschränken, bei denen das Wirkungsrisiko aufgrund ihres Themas, ihrer Art der
Darstellung und des Kontextes bei Kindern vor Vollendung des 12. Lebensjahres
nicht vertretbar ist.“
4.3.3 Darstellungen von Sexualität und sexualisierte Sprache
Ein weiteres vor allem im Tagesprogramm relevantes Thema war 2004 die Darstellung von Sexualität sowie sexualisierte Sprache in humoresken Kontexten. Mit der
allgemeinen Zunahme der Anträge für das Tagesprogramm und hier insbesondere
der FSK-12-Filme stellte sich in den Prüfausschüssen auch zunehmend die Frage, wie
Sexualität bildlich und verbal im Tagesprogramm dargestellt werden kann und welche Darstellungen das Wohl jüngerer Kinder beeinträchtigen. Teenie-Sex-Komödien,
von der FSK ab 12 Jahren freigegeben, führten hier zu teilweise sehr kontroversen
Diskussionen.
So wurde etwa der Film Mädchen, Mädchen, dem erst ein FSK-Hauptausschuss die
begehrte Freigabe ab 12 Jahren erteilt hatte, im Januar 2004 nur mit knapper Mehrheit im Berufungsverfahren und in einer erweiterten Schnittfassung wie beantragt
für das Tagesprogramm entschieden. Die Kontroverse in diesem Ausschuss wurde in
ähnlicher Weise auch in den Vorinstanzen geführt und findet in der Regel zu vergleichbaren Produktionen statt, die Sexualität von Jugendlichen thematisieren. Aber
auch Serien, die sich klar erkennbar an Erwachsene richten und Sexualität humorvoll-derb verhandeln (Sex and the City), waren in der Vergangenheit für die Wiederholung im Tagesprogramm zur Prüfung vorgelegt und zum Teil äußerst kontrovers
diskutiert worden.
Die Arbeitsgruppe „Programm und neue Formate“ des Kuratoriums griff auf ihrer
ersten Sitzung am 9. Januar 2004 das Thema „Sexualisierte Sprache/Fäkalsprache
und sexuelle Anspielungen in humoresken Kontexten“ ebenfalls auf. Im Ergebnis
60
Prüfungen 2004
kamen die Anwesenden zu dem Schluss, dass bei Filmen, die sexualisierte Sprache
oder Fäkalsprache in gehäufter Form verwenden, sorgfältig zwischen Geschmacksurteil und Gefahrenpotenzial unterschieden werden müsse. Entsprechend müssten
die Prüferinnen und Prüfer ihre Subjektivität stärker in den Blick nehmen und hinterfragen. Drastische Sprache und Verbalinjurien in parodistischen Kontexten beinhalteten nicht per se Gefährdungsmomente, Kriterium sei eher die Vermittlung von
Einstellungen. Zu berücksichtigen seien auch das Humorverständnis und die Rezeptionsgewohnheiten verschiedener Altersgruppen.
Diese Überlegungen des Kuratoriums finden sich in den Richtlinien zur Anwendung
der Prüfordnung wieder. § 10 (Umgang mit der Darstellung von Sexualität und Geschlechterbeziehungen) geht davon aus, dass es weder Aufgabe des Jugendschutzes
sein kann, Kinder oder Jugendliche „vor der Thematisierung sexueller Darstellungen
oder Handlungen zu bewahren“, noch „die Thematisierung bestimmter sexueller
Orientierungen oder Formen des Zusammenlebens der Sexualpartner generell zu
fördern oder zu verhindern, es sei denn, die dargestellten Verhaltensweisen sind
strafrechtlich verboten.“ Der nachfolgend aufgeführte Katalog zu entwicklungsbeeinträchtigenden Programmen hebt daher nicht auf die bildliche oder verbale Ebene
allein ab, sondern betont die Vermittlung von Verhaltensmustern, Lebens- und
Normalitätskonzepten in Bezug auf Sexualität. Stereotype Geschlechterrollen und
Diskriminierungen werden ebenso in den Blick genommen wie sexuelle Praktiken,
die den Erfahrungen von Normalität eines Heranwachsenden widersprechen, dabei
jedoch den Eindruck völliger Normalität vermitteln und so bei Jüngeren Ängste hinsichtlich der eigenen späteren Sexualität auslösen könnten. Eine Rolle spielt u.a.
auch, inwieweit sexuelle Erfahrungen als erstrebenswert oder der sexuelle Lustgewinn in seiner Bedeutung für zwischenmenschliche Beziehungen überbetont werden
und ob sexuelle Handlungen nicht auf gegenseitigem Wunsch, sondern auf Drängen
bzw. gegen den Willen eines Partners oder durch das Ausnutzen von Macht, durch
Geld oder Gewalt verübt werden. Für sexualisierte oder vulgäre Sprache ist entscheidend, inwieweit damit eine Herabwürdigung von Menschen oder eines Geschlechts verbunden ist (vgl. § 10 der Richtlinien zur Anwendung der FSFPrüfordnung).
61
Prüfungen 2004
Diese Kriterien sind vor allem im Hinblick auf Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren zu beachten. In den Erläuterungen zu § 10 wird darauf hingewiesen, dass es bei
der Prüfung weniger darauf ankommt, „dass die hier skizzierten Schutzzwecke
durch die Handlung oder die Darstellung tangiert werden; es ist vielmehr zu prüfen,
ob ein Programm geeignet ist, Einstellungen oder Verhaltensweisen von Kindern
und Jugendlichen der entsprechenden Altersgruppen nachhaltig zu beeinflussen.“
Zum Thema „Darstellungen von Sexualität und sexualisierte Sprache in humoristischen Kontexten“ ist für das Jahr 2005 eine Fortbildungsveranstaltung vorgesehen.
4.3.4 Scare Tactics – Menschenwürdeverstoß im „Versteckte Kamera“-Format?
Die US-amerikanische Sendung Scare Tactics wurde 2004 unter dem Gesichtspunkt eines möglichen
Verstoßes gegen die Menschenwürde diskutiert. In der Sendung werden Menschen in Schrecksituationen oder Horrorszenarien gebracht und mit einer versteckten Kamera aufgezeichnet. Die der FSF
vorgelegten Episoden waren von verschiedenen Ausschüssen geprüft worden, die Ergebnisse reichten
je nach Intensität der Inszenierung bzw. der Angst des so genannten Opfers vom Tagesprogramm bis
hin zur Sendeunzulässigkeit. Darüber hinaus hatten einige Ausschüsse die Wiedervorlage der Episoden nach Synchronisation und neuem Zusammenschnitt einzelner Szenen gefordert.
Der antragstellende Mitgliedssender RTL II hatte das Format kurz nach der Prüfung
aus seinem Programm genommen und an MTV, zu diesem Zeitpunkt noch nicht
FSF-Mitglied, sublizenziert. Der Sender wurde über die Problematik eines möglichen
Menschenwürdeverstoßes informiert.
Die Prüfergebnisse haben aber auch Bewertungsunterschiede zwischen den verschiedenen Ausschüssen offenbart, die auf der Fortbildungsveranstaltung am 22.
März 2005 in Berlin diskutiert wurden. Um hier vor allem im Grenzbereich zwischen
Ausstrahlung im Nachtprogramm und einer möglichen Sendeunzulässigkeit wegen
Verstoßes gegen die Menschenwürde Klarheit hinsichtlich der Kriterien zu gewinnen, hatte die FSF von sich aus die für 23.00 Uhr entschiedenen Episoden an alle drei
juristischen Sachverständigen weitergereicht. Ziel war es, einerseits eine möglichst
breite Diskussionsbasis zu erhalten, andererseits aber auch auf eine sachgerechte,
einheitliche Spruchpraxis hinzuwirken. Die Sachverständigen wurden daher um eine
62
Prüfungen 2004
juristische Meinung zu dem Format gebeten. Sie wurden darüber hinaus aufgefordert, Kriterien zu formulieren, die von den Prüferinnen und Prüfern an diese und
ähnliche Formate anzulegen sind.
Es zeigte sich, dass auch die Juristen zu unterschiedlichen Ergebnissen bzw. Begründungen kamen. Ein Gutachter sah einen Verstoß gegen die Menschenwürde nach § 4
Abs. 1 S. 1 Nr. 8 JMStV in drei der sechs Fälle gegeben. Zentrale Kriterien waren für
ihn eine in den Beiträgen zum Ausdruck kommende Objektdegradierung, die Intensität der Verletzungshandlung in ihrer Stoßrichtung gegen die Subjektqualität des
Menschen sowie eine implizite Befürwortung des Menschenwürdeverstoßes durch
den Kontext. In den als sendeunzulässig eingestuften Beiträgen könnten sich die Opfer einer vermeintlichen Gefahrensituation nicht entziehen, vielmehr werde eine
ausweglos einengende Szenerie geschaffen, in der die Opfer zum bloßen Spielball
der inszenierten Dramaturgie und zum bloßen Reaktionsanschauungsobjekt des Zuschauers würden; die Unwissenheit des Opfers werde ausgenutzt, um es für erniedrigende oder zumindest intime Verhaltensweisen gefügig zu machen; schließlich seien die Gefahrensituationen existenziell bedrohlich, und die Opfer zeigten existenziell-intensive Emotionen bis hin zur Todesangst, was zumindest ein Indiz dafür
darstelle, inwieweit die Szenerie geeignet ist, den anvisierten Menschen der Selbstbestimmung zu berauben.
Der zweite Sachverständige kam dagegen zu dem Ergebnis, dass eine Menschenwürdeverletzung in keinem der sechs Fälle vorliege. Sein zentrales Argument war,
dass die Leugnung der Subjektqualität in den vorliegenden Fällen nicht eine Intensität erreiche, die Voraussetzung für eine Menschenwürdeverletzung wäre. Die Opfer
würden nicht wie Sachen, Untermenschen, handelbare Güter oder wie Schädlinge
behandelt oder angesehen, ihr sozialer Achtungsanspruch würde nicht verletzt. Eingegriffen werde aber in das verfassungsrechtlich ebenfalls garantierte Recht auf freie
Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG und im Einzelfall auch das Recht
auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG. Die damit verbundenen Fernsehaufnahmen verletzten, wenn eine Genehmigung nicht vorliege, das allgemeine
Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG. Insofern, so der
63
Prüfungen 2004
Schluss des Sachverständigen, sei Art. 1 Abs. 1 GG der falsche verfassungsrechtliche
Aufhänger für die Problematik der inszenierten Horrorszenarien.
Der dritte Sachverständige argumentierte schließlich damit, dass die Beteiligten offenbar vorab in die Inszenierung eingeweiht worden seien, und gelangte entsprechend zu der Einschätzung, dass kein Verstoß gegen die Menschenwürde vorliege.
Die Szenen seien in der Regel so gestaltet, dass der Zuschauer Empathie mit dem
Opfer empfinde und mit diesen leide, das Geschehen löse sich in Wohlgefallen auf,
die Opfer seien nach der Auflösung entspannt. Der Straftatbestand der schweren
Körperverletzung könne aber durch das Zufügen von heftigem Schrecken oder intensiver Angst erfüllt sein, sofern das Opfer nicht vorher oder hinterher einer Aufzeichnung bzw. Veröffentlichung zugestimmt habe. Unterhalb der strafrechtlich relevanten Schwelle sah der juristische Sachverständige entwicklungsbeeinträchtigende Wirkungsrisiken der sozialethischen Desorientierung und übermäßigen Angsterzeugung auf unter 16-jährige Zuschauer, weshalb eine Sendezeitbeschränkung zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr geboten sei.
Als sich die Arbeitsgruppe „Programm und neue Formate“ des Kuratoriums in ihrer
zweiten Sitzung am 2. Juli 2004 mit dem Fall Scare Tactics und den unterschiedlichen
Ergebnissen der juristischen Sachverständigen befasste, bestand Einigkeit, die Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung vor allem hinsichtlich § 12, der sich auf
neue Formate bezieht, zu ergänzen. Zum Begriff „Menschenwürde“, der – wie es sich
in der Vergangenheit bewährt habe von den Prüfausschüssen mit zu prüfen sei, gebe
es in den neuen Richtlinien auch weitere konkrete Hinweise, unter welchen Gesichtspunkten das zu geschehen habe. In Zweifelsfällen müsse der Prüfausschuss ein
juristisches Gutachten einholen.
In Teil II der Richtlinien werden in § 12 (Beurteilung von nicht fiktionalen Programmen) Kriterien aufgeführt, die sich auf Scare Tactics und vergleichbare Formate anwenden lassen. In Absatz 4 heißt es etwa: „Wenn Menschen ohne ihr Wissen und
ohne ihre Zustimmung mit Themen oder Ereignissen oder Situationen konfrontiert
werden, muss bei der Wahl der Sendezeit berücksichtigt werden, ob eine Veröffentlichung von intimen Erlebnissen oder Ereignissen ihrer Lebensbereiche erfolgt. Zu
64
Prüfungen 2004
prüfen ist dabei auch, ob die Situation in der Sendung für die Betroffenen eine besondere psychische Belastung darstellt.“ Die Grenze zum Unzulässigkeitstatbestand
wird in Absatz 5 wie folgt definiert: „Unzulässig ist die Konfrontation mit gestellten,
irreführenden Situationen, die Menschen beispielsweise kurzfristig in Todesängste
oder in andere bedrohliche Extremsituationen versetzen können. Dabei ist es unerheblich, ob die Menschen ohne Wissen des Zuschauers in die Handlungen eingeweiht sind. Des Weiteren wird auf Teil III verwiesen.“
In Teil III der Richtlinien zur Anwendung der FSF-Prüfordnung (Unzulässige Sendungen) finden sich die Erläuterungen der Unzulässigkeitsbestimmungen. In § 14
(Programme, über deren Unzulässigkeit der juristische Sachverständige entscheidet)
werden unter Abs. 7 Verstöße gegen die Menschenwürde (§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 8
JMStV, § 29 Abs. 8 PrO-FSF ) erläutert.
4.3.5 Viva la Bam und Schürmanns Gebot – Tabuverletzungen und das Überschreiten von Ekelschwellen
Unter dem Stichwort „Neue Formate“ wurden 2004 in Arbeitsgruppensitzungen des
Kuratoriums und auf Fortbildungsveranstaltungen für die Prüferinnen und Prüfer
Sendungen diskutiert, bei denen es nicht, wie bei Scare Tactics, um Grenzbereiche zu
Straftatbeständen ging, sondern um ethische Fragestellungen und ihre Relevanz für
die Prüftätigkeit. Zu drei Sendungen von Schürmanns Gebot, die von der KJM geprüft
und durch die BLM als zuständige Landesmedienanstalt beanstandet worden waren,
lagen mit dem Beanstandungsbescheid, den der Sender der FSF übermittelt hatte,
auch die Einschätzungen durch die KJM vor und wurden wie die unterschiedlichen
FSF-Ergebnisse auf die zugrunde liegenden Kriterien hin untersucht. Insgesamt zeigten die Bewertungen, dass von den verschiedenen Gremien ähnliche Kriterien herangezogen, z.T. aber anders ausgelegt bzw. unterschiedlich gewichtet worden waren. Die Bewertungsunterschiede wie auch die Abstimmungsverhältnisse in den FSFPrüfausschüssen – es handelte sich ausschließlich um Mehrheitsentscheidungen –
machten deutlich, dass eine Klärung hinsichtlich des Umgangs mit diesen Formaten
und eine Abgrenzung von Geschmacksfragen und persönlichen Wertentscheidungen
65
Prüfungen 2004
zu Kriterien des Jugendschutzes notwendig war. Als Beispiele seien hier zwei Sendungen angeführt, bei denen in der Beurteilung die Frage der Wertevermittlung im
Vordergrund stand.
In der MTV-Serie Viva la Bam albert Jackass-Gruppenmitglied Bam Margera mit seiner Familie und mit seinen Freunden herum. Von den vorgelegten acht Folgen wurden zwei Folgen, wie beantragt, für das Tagesprogramm entschieden, davon eine nur
unter einer Schnittauflage. Bei sechs Folgen wurde mehrheitlich für eine Ausstrahlung erst im Hauptabendprogramm plädiert. In den Begründungen wird für eine
Ausstrahlung im Tagesprogramm die Realitätsferne des Geschehens angeführt. Die
Präsentation der Geschichten (schnelle Schnitte, Zeitraffer, Zwischentitel, Musikeinlagen, Make-up, groteske Situationen) mache auch jüngeren Kindern deutlich, dass
es sich um Klamauk handele. Für eine spätere Platzierung im Hauptabendprogramm
wird dagegen mit der Gefahr der Nachahmung argumentiert sowie mit der Vermittlung von entwicklungsbeeinträchtigenden Einstellungen und Werthaltungen: Die
Komik der dargestellten Scherze beruhe auf Schadenfreude und Häme, der Umgang
mit dem Thema Fettleibigkeit beispielsweise und der gesamte zwischenmenschliche
Umgang sei für jüngere Kinder abträglich und sozialethisch desorientierend, da die
Erwachsenen in diskriminierender Weise vorgeführt würden. Für jüngere Kinder,
die die Ironie und das Parodistische noch nicht richtig einordnen können, vermittle
sich die Botschaft, es sei in Ordnung, sich auf Kosten anderer jeden denkbaren Scherz
zu erlauben.
Von der 9Live-Unterhaltungssendung Schürmanns Gebot, die seit dem 1. März 2004
im Hauptabendprogramm ausgestrahlt wurden, waren die Folgen 1-3 von der BLM
beanstandet worden (Bescheid vom 16. April 2004). Das Format bestehe „von seinem
Konzept her aus der als Unterhaltung inszenierten, gezielten Herabsetzung und Verhöhnung Anderer in Zusammenhang mit der Suggestion von Käuflichkeit“. Die
BLM folgte der Einschätzung der KJM und sah eine entwicklungsbeeinträchtigende
Wirkung auf Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren und entsprechend die Verpflichtung des Veranstalters, die Sendung erst ab 22.00 Uhr auszustrahlen. Als Wirkungsrisiken erkannten KJM bzw. BLM die Vermittlung erziehungsabträglicher Ein66
Prüfungen 2004
stellungen (Ausgrenzung, Häme, Herabsetzung anderer) durch diskriminierende
Verhaltensweisen (z.B. gegenüber Menschen mit körperlichen Behinderungen) sowie
Gesundheitsbeeinträchtigung im Falle einer Nachahmung.
Durch die FSF wurden die Folgen 1-3 am 7. April 2004 begutachtet und für verschiedene Tageszeiten freigegeben: Folge 1 wurde für das Spätabendprogramm, Folge 2
für das Tagesprogramm, Folge 3 für das Hauptabendprogramm entschieden. In der
Begründung werden für die Folge 1 ähnliche Argumente angeführt wie seitens der
BLM. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Folgen liegen nach Meinung des
Ausschusses in der Art der Aufgaben und dem Verhalten des Moderators. In den
Folgen 2 und 3 seien die Scherze weniger gemein, der Nachahmungsanreiz und auch
die Nachahmungsgefährlichkeit weitaus geringer, der Moderator enthalte sich verbal-zynischer Kommentare, die Autonomie und Entscheidungsfreiheit der Kandidaten werde stärker deutlich.
Am 21. April 2004 wurde eine weitere – entschärfte – Folge von Schürmanns Gebot
durch einen FSF-Ausschuss geprüft und für das Tagesprogramm entschieden. Auch
dieser Ausschuss argumentiert mit dem Verhalten des Moderators, der erkennbaren
Selbstbestimmung der Teilnehmenden bzw. nicht Teilnehmenden und mit der Art
der Aufgaben bzw. der Art der Inszenierung. Zwar ziele die Sendung darauf, die
Korrumpierbarkeit von Menschen auszuloten, letztlich setze sich aber nicht der Eindruck durch, dass Menschen bereit oder aus einer Notlage bzw. der konkreten Situation heraus gezwungen seien, für Geld alles Erdenkliche zu tun.
Der Problematik um nicht fiktionale Sendungen wie Viva la Bam oder Schürmanns
Gebot wird nach entsprechenden Diskussionen im Kuratorium in den Richtlinien zur
Anwendung der FSF-Prüfordnung in § 12 (Beurteilung von nicht fiktionalen Programmen) Rechnung getragen. In Abs. 3 heißt es:
„Bei Unterhaltungsprogrammen, in denen die teilnehmenden Personen offensichtlich
und für den Zuschauer erkennbar selbstbestimmt handeln, sich dabei aber beispielsweise aufgrund von Gewinnerwartungen zu Handlungen oder Aufgaben bereit erklären, die als demütigend oder besonders gefährlich eingestuft werden kön-
67
Prüfungen 2004
nen, ist bei der Wahl der Sendezeit zu prüfen, ob die zu berücksichtigenden Altersgruppen aufgrund ihrer Verstehensfähigkeit und Lebenserfahrung in der Lage sind,
die Verhaltensweisen als Grenzfall des Normalen zu erkennen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
a) wie die Teilnehmer oder die Moderation die geforderten Handlungen beurteilen
oder ob eine oder mehrere der Personen ihre Teilnahme daran mit relativierender
Kommentierung ablehnen,
b) ob es sich bei den handelnden Personen um Schauspieler oder im Bereich der Medien geübte Personen handelt oder um andere Personen,
c) ob die Sendung geeignet ist, für den Zuschauer als Anleitung für den Umgang mit
Menschen in seiner Lebenswirklichkeit zu dienen oder Elemente wie z. B. besonders
gefährliche Mutproben nachzuahmen.“
4.3.6 Schönheitsoperationen in Unterhaltungsformaten
4.3.6.1 I want a famous face
Inhaltlich gab es 2004 im Bereich der klassischen Jugendschutzthemen keine Entscheidung der FSF, die in der Öffentlichkeit zu kontroversen Diskussionen geführt
oder die die KJM veranlasst hätte, die Einhaltung des Beurteilungsspielraumes zu
überprüfen.
Auseinandersetzungen mit der KJM gab es allerdings bei drei von der FSF für das
Tagesprogramm freigegebenen Folgen der MTV-Serie I want a famous face. Es handelt
sich um eine von MTV in den USA produzierte Serie, die um 21.15 Uhr ausgestrahlt
wurde. In jeder Folge werden drei Personen, die sich entschieden haben, durch eine
kosmetische Operation einer prominenten Persönlichkeit ähnlich sehen zu wollen,
von einem Kamerateam begleitet. In der Sendung wird deutlich, dass MTV sie dazu
weder motiviert noch die Operationen finanziert hat. Die Protagonisten geben zunächst Auskunft über ihre Motivation und darüber, was sie sich von der Operation
versprechen. Dann folgt das Beratungsgespräch bei einem Schönheitschirurgen, spä-
68
Prüfungen 2004
ter werden kurze, aber eindrucksvolle Szenen aus der Operation gezeigt, anschließend folgt die lange und oft sehr schmerzhafte Phase der Rekonvaleszenz. Abschließend wird beobachtet, ob die Betreffenden mit dem Ergebnis zufrieden und ob sie
dem von ihnen formulierten Ziel näher gekommen sind. Eingeblendet in die jeweiligen Sendungen werden verschiedene Aussagen von Personen, die eine ähnliche Operation vorgenommen haben, die aber entweder nicht geglückt ist oder zu erheblichen gesundheitlichen Komplikationen geführt hat. Auch die Kandidaten, die bei
ihren Operationen begleitet werden, sind teilweise von dem Ergebnis enttäuscht.
Die Sendungen verfügen allesamt über einen rudimentären dokumentarischen Charakter, sie enthalten sich aber jeglichen Kommentars und lassen allein die Personen
sprechen, über die sie berichten. Sowohl auf der Bildebene – in der Schnitttechnik –
als auch auf der Tonebene folgen diese Sendungen der Videoclipdramaturgie. Sie
verfügen dadurch über zahlreiche ironisierende Elemente. So wird der Arzt in seinem Beratungsgespräch beispielsweise mit einem Weitwinkel aufgenommen, so dass
er eher die Züge des Täters in einem Horrorfilm trägt. Auch der hohe Preis der Operation wird effektvoll in die Sendung eingeblendet.
MTV legte die drei Folgen der Sendung der FSF zur Prüfung vor. Sie erhielten am 15.
Juni 2004 eine Freigabe für das Tagesprogramm. Im Gutachten stellte der Prüfausschuss fest, dass bei den vorliegenden Sendungen die klassischen Themen des Jugendschutzes nicht berührt seien. Als Kritikpunkt aus der Perspektive des Jugendschutzes könnte gegenüber einer solchen Sendung angeführt werden, dass vor allem
Pubertierende, die sich oft in einer schwierigen Phase der Selbstakzeptanz befinden,
durch die Sendung motiviert werden könnten, mit dem Blick auf den allgemeinen
gesellschaftlichen Schönheitswahn sich selbst leichtfertig einer solchen Operation zu
unterziehen.
Dieses Kriterium sah der Ausschuss durch die drei Folgen von I want a famous face
jedoch nicht erfüllt. Als Argument dafür wurde angeführt, dass bei einem großen
Teil der dargestellten Personen die Operation nicht zu dem von ihnen gewünschten
Ergebnis geführt habe. Die Zwillingsbrüder, die ihrem Idol Brad Pitt ähnlich sehen
69
Prüfungen 2004
wollten, weil einer der beiden in ein Mädchen verliebt war, das Brad Pitt als Vorbild
verehrte, sahen nach der Operation dem Schauspieler nicht besonders ähnlich. Der
Versuch, durch die Operation die angebetete Freundin zu beeindrucken, scheiterte
ebenfalls. Zwar behauptete die Clique, ihr Aussehen sei deutlich besser und Brad Pitt
ähnlich, aber jeder Fernsehzuschauer sieht, dass dies kaum der Wirklichkeit entspricht. Brad Pitt dürfte in dieser Altersgruppe hinlänglich bekannt sein. Auch die
Tatsache, dass verschiedene Personen eingeblendet werden, bei denen die Schönheitsoperationen misslungen sind, wurde vom Ausschuss eher als abschreckend gegenüber solchen chirurgischen Eingriffen gewertet.
Eine besondere ablehnende Wirkung wurde vor allem den Bildern von der Operation und der Rekonvaleszenz nach der Operation zugemessen. Die Szenen verdeutlichen, so der Ausschuss, dass Schönheitsoperationen mit erheblichen Eingriffen in
den Körper verbunden sind, dass sie lange nach der Operation noch erhebliche
Schmerzen verursachen und dass es sehr lange dauert, bis die Narben verheilt sind.
In einer Pressemitteilung vom 21. Juli 2004 informierte die KJM die Öffentlichkeit
über einen Grundsatzbeschluss, den sie zum Thema „Schönheitsoperationen zu Unterhaltungszwecken“ getroffen hatte. Beschlossen wurde, dass „TV-Formate, in denen Schönheitsoperationen zu Unterhaltungszwecken angeregt, durchgeführt oder
begleitet werden, grundsätzlich nicht vor 23.00 Uhr gezeigt werden dürfen“ (Pressemitteilung der KJM vom 21. Juli 2004). Gleichzeitig wurde empfohlen, solche Programme der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen vorzulegen. Als Begründung
wird in der Pressemitteilung ausgeführt: „In der wichtigen Phase der Realitätsfindung, so der KJM-Vorsitzende, Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, wird jungen Zuschauern
suggeriert, es komme nur auf das Äußere an und dieses sei beliebig formbar. Sie
könnten den Eindruck gewinnen, dass sich Probleme der Selbstakzeptanz durch
Wegschneiden, beliebiges Verkleinern oder Vergrößern von Körperteilen, absaugen
oder einspritzen lösen lassen.“
Gleichzeitig kündigte die KJM an, die MTV-Serie I want a famous face im Eilverfahren
prüfen zu wollen. Über dieses Format hinaus wurde noch auf einige andere Formate
70
Prüfungen 2004
eingegangen, auf die der Grundsatzbeschluss sich ebenfalls erstrecken sollte, die jedoch zum Teil erst im Herbst 2004 auf Sendung gehen sollten.
Etwa zwei Wochen später wurde, ebenfalls in einer Pressemitteilung, darüber informiert, dass zwei der drei von der FSF geprüften Folgen auf einen Sendeplatz nach
23.00 Uhr gesetzt worden waren, eine hingegen auf einen Sendeplatz nach 22.00 Uhr.
Außerdem wurde mitgeteilt, dass nach Auffassung der KJM die FSF bei der Prüfung
dieses Programms den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten habe.
Wieder etwa zwei Wochen später erhielt der Sender die Begründung für die Beanstandung durch die BLM, in der ebenfalls auf die Frage des Beurteilungsspielraumes
der FSF eingegangen wurde. Bemängelt wurde vor allem, dass die FSF zu diesen drei
Folgen ein Sammelgutachten erstellt habe. Das sei nicht angemessen, da alle drei
Folgen unterschiedlich zu bewerten seien. Neben einigen anderen formalen Aspekten kam der Bescheid auch in der Bewertung der Sendung unter Jugendschutzaspekten zu einem anderen Ergebnis. Die Sendung vermittle den Eindruck, so der Bescheid, man könne sein Äußeres durch eine Operation beliebig verändern. Es wird
zwar eingeräumt, dass in der Sendung auch Personen dargestellt werden, bei denen
eine entsprechende Operation negative Folgen hatte, die positiven Ergebnisse würden aber überwiegen. Insgesamt könnte die Sendung jedenfalls den in der Gesellschaft weit verbreiteten Schönheitswahn unterstützen. Sie würde nicht die aus pädagogischer Sicht notwendige Selbstakzeptanz im Pubertätsalter fördern, sie vermittle
eher den Eindruck, man könne über die Schönheitschirurgie seinen Körper in jede
beliebige Richtung formen. Dass aber das Aussehen ein Teil der eigenen Identität ist,
werde in der Sendung verschwiegen.
Die Pressemitteilungen der KJM haben eine Reihe rechtlicher und inhaltlicher Fragen
aufgeworfen und zu Irritationen in den Prüfausschüssen geführt.
Inhaltlich erschien die der Pressemitteilung zu entnehmende Wirkungsvermutung,
gemessen an der gängigen Spruchpraxis des Jugendmedienschutzes, zu pauschal
und wenig geeignet, die verschiedenen Programme zu bewerten. Eine eigene
Spruchpraxis oder Vorgaben durch die KJM, auf die die Ausschüsse sich hätten stüt-
71
Prüfungen 2004
zen können, existieren für den Umgang mit Sendungen über Schönheitsoperationen
bislang nicht.
Um für die weitere Prüfung von entsprechenden Formaten vergleichbare Kriterien
zu schaffen, hat das Kuratorium der FSF in Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle
kurzfristig einen Kriterienkatalog entwickelt, in dem die Haltung der KJM, soweit
bekannt, berücksichtigt wurde.
Die am 6. August 2004 seitens der FSF erarbeiteten Kriterien für die Bewertung von
Sendungen über Schönheitsoperationen (siehe Anhang VII) verfolgen das Ziel, nach
diesen Gesichtspunkten nachvollziehbare und praktikable Kriterien für eine Jugendschutzbewertung der neuen Programmformate zu gewinnen.
Die potenziell entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung durch die Darstellung von
Schönheitsoperationen im Fernsehen liegt nach diesen Kriterien in der unmittelbaren
Verbindung zwischen dem Erreichen eines bestimmten Ideals und sozialer Akzeptanz bzw. im Umkehrschluss zwischen Abweichungen von optischen Schönheitsidealen und sozialer Diskriminierung. Des Weiteren wird als wesentlich erachtet, dass
Schönheitsoperationen nicht als einziger und unproblematischer Weg zur Optimierung des eigenen Aussehens bzw. als einfacher Ausweg aus der Unzufriedenheit mit
dem eigenen Aussehen dargestellt werden (Kriterien für die Platzierung ab 22.00
bzw. 23.00 Uhr).
Bei der Platzierung im Tages- oder Hauptabendprogramm ist darüber hinaus zu beachten, dass die psychischen, sozialen und medizinischen Risiken der chirurgischen
Eingriffe erkennbar dargestellt werden und dass Verletzungen während der Operation nicht in den Vordergrund geschoben oder durch selbstzweckhafte Effekte verstärkt werden. Insgesamt erscheint es bei Sendungen, die Schönheitschirurgie thematisieren, wesentlich, dass kein Druck hinsichtlich des Nacheiferns von Schönheitsidealen erzeugt und die Vorstellung, durch einen chirurgischen Eingriff das eigene Aussehen zu verbessern, nicht als unproblematisch und für Kinder und Jugendliche besonders reizvoll dargestellt wird.
Auf der Grundlage dieses Kriterienkatalogs hat die FSF 41 Sendungen geprüft und
für verschiedene Sendezeiten freigegeben. Bisher gab es dazu keine weiteren Bean72
Prüfungen 2004
standungen durch die KJM. Insgesamt lagen im Berichtszeitraum 47 Sendungen zum
Thema Schönheitsoperationen vor; die beanstandeten Folgen von I want a famous face
im Juni 2004, drei Folgen der Serie Beauty Queen im April 2004. Beide Sendungen
sind somit lange vor der erstmaligen Befassung durch die KJM und vor Beginn der
öffentlichen Diskussion von der FSF geprüft worden.
Die beanstandeten Sendungen von I want a famous face waren Gegenstand von Prüferfortbildungen und Arbeitsgruppensitzungen des Kuratoriums gleichermaßen. In
den Diskussionen zeigten sich Bewertungsunterschiede, wenngleich unter allen Beteiligten Einigkeit darin bestand, dass die Verschiebung der um 21.45 Uhr ausgestrahlten Sendung ins Nachtprogramm überzogen sei und die Fähigkeiten der ab 16Jährigen unterschätzt würden. Im Meinungsbild fand sich eine Minderheit für eine
Platzierung im Spätabendprogramm, mehrheitlich fanden sich Stimmen für das
Hauptabend- und Tagesprogramm.
Konsens bestand weiterhin darin, dass bei der Beurteilung von Sendungen über
Schönheitsoperationen analog zur Bewertung von Gewaltdarstellungen differenziert
gefragt werden muss, welche Art von Darstellung in welchem Kontext Kindern und
Jugendlichen welchen Alters im Sinne einer aktiven Auseinandersetzung mit der
Umwelt zuzumuten bzw. zuzutrauen ist und welche Art von Darstellung geeignet
ist, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen
und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen. Die Pressemitteilung
der KJM bzw. der hierüber übermittelte Grundsatzbeschluss ist für die konkrete Programmprüfung in dieser Hinsicht kaum geeignet, da wesentliche Fragen zur Einschätzung einer möglichen Entwicklungsbeeinträchtigung für die diversen Altersgruppen offen bleiben.
4.3.6.2 Alles ist möglich!
Alles ist möglich! ist eine Reality-Show mit Doku-Soap- und Reportage-Elementen.
Drei Kandidaten werden sechs Wochen lang bei einer „RundumErneuerung“ ihres
Aussehens, die der Sender bzw. die Produktion finanziert, begleitet. Die Probanden
werden zunächst in ihrem alltäglichen sozialen Umfeld vorgestellt, äußern sich zu
73
Prüfungen 2004
ihrer spezifischen Unzufriedenheit mit dem eigenen Äußeren. Lebenspartner, Geschwister oder Eltern kommen zu Wort. Es wird deutlich, dass die Kandidaten sich
schon seit langem eine plastisch-kosmetische Schönheitskorrektur wünschen, sich
diese jedoch bislang nicht leisten konnten. Entsprechend emotional wird der Moment in Szene gesetzt, in dem ihnen die Nachricht überbracht wird, dass ihre Bewerbung bei Alles ist möglich! erfolgreich gewesen ist. Im weiteren Verlauf der Sendung
werden Gespräche der Teilnehmenden mit plastischen Chirurgen, einem Fitnesstrainer, einer Psychologin, einem Zahnarzt etc. über die jeweiligen Problemzonen und
mögliche Korrekturen gezeigt. Die Eingriffe selbst werden visuell nur knapp angedeutet. Ausführlicher werden das Fitnesstraining, Friseurbesuche, Kosmetikbehandlungen und ein Styling mit neuer Kleidung begleitet. Schließlich werden alle drei
Kandidaten jeweils im Finale gezeigt. Sie treffen ihre Angehörigen nach sechs Wochen auf einer Party und dürfen zum ersten Mal einen Blick in den Spiegel werfen.
Bei der Prüfung der ersten Folge zeigten sich große Bewertungsunterschiede.
Der FSF-Prüfausschuss sah eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung auf Kinder
und Jugendliche unter 16 bzw. unter 18 Jahren „durch eine unkritische, affirmative
Darstellung von Schönheitsoperationen“ und votierte entsprechend für die Platzierung des Beitrags im Nachtprogramm. Der FSF-Berufungsausschuss erkannte eine
entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung auf ab 12-Jährige nicht, aufgrund „der Ferne des Geschehens zur Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen und der fehlenden Anknüpfungspunkte für Identifikationen, des deutlichen Inszenierungscharakters sowie unter Berücksichtigung der Voraussetzungen, die 12- bis 16-jährige für die
Wahrnehmung und Verarbeitung von Medieninhalten haben.“ Die Mehrheit schloss
auch eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung auf unter 12-jährige aus und votierte für eine Ausstrahlung der Sendung im Tagesprogramm.
Das Meinungsbild auf der Prüferfortbildung im September 2004 ergab eine Mehrheit
für die Platzierung im Tagesprogramm und eine Minderheit für die Platzierung im
Hauptabendprogramm. Nur zwei Prüfer/-innen hätten für eine Ausstrahlung der
Sendung im Nachtprogramm bzw. im Spätabendprogramm plädiert. Für eine späte
Platzierung ab 22.00 bzw. 23.00 Uhr wurde angeführt, dass Thema und Darstellungsweise der Sendung Entwicklungsthemen von Jugendlichen aufgreifen, indem
74
Prüfungen 2004
sie eine unspezifische Unzufriedenheit von Jugendlichen mit dem eigenen Körper
verstärken könnten. Die geringste Abweichung von der Norm werde als „behandlungsbedürftig“ dargestellt, und das Bewusstsein dafür, dass man mit kleinen Defekten leben könne, werde verwischt.
Die Mehrheit der Anwesenden schätzte die Wahrscheinlichkeit als eher gering ein,
dass Kinder und Jugendliche durch die Sendung darin bestärkt werden, ihrer möglicherweise vorhandenen Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen durch eine OP
zu begegnen. Die Sendung sei extrem stilisiert, die Operationen würden nicht als
etwas Alltägliches dargestellt, und die Diskrepanz zum Interesse und zur Realität
der kindlichen bzw. jugendlichen Betrachtergruppe sei groß.
In der Diskussion um die Grenze zwischen Tages- und Hauptabendprogramm wurden verschiedene Argumente angeführt. Für das Tagesprogramm spreche etwa, dass
die relevante Altersgruppe für den Aspekt der sozialethischen Desorientierung die
12- bis 16-jährigen seien, während unter 12-Jährige die Sendung kaum interessieren
dürfte. Insofern seien die Wirkungsrisiken für die unter 12-Jährigen noch geringer als
für ältere Kinder oder Jugendliche. Für das Hauptabendprogramm spreche dagegen,
dass in der Sendung nicht hinreichend auf Kosten und Risiken der chirurgischen Eingriffe hingewiesen werde.
Ähnlich war in der Sitzung der AG des Kuratoriums für das Tages- bzw. Hauptabendprogramm argumentiert worden. Die Mehrheit der Kuratoriumsmitglieder
war schließlich zu der Auffassung gelangt, dass die Kritik an der Sendung eher an
der journalistischen Qualität anzulegen sei. Dass die Sendung nicht der pädagogischen Forderung nach Selbstakzeptanz folge, sei als solches noch nicht als entwicklungsbeeinträchtigend anzusehen. Über die Ablehnung kosmetisch chirurgischer
Eingriffe gebe es in der Gesellschaft keinen klaren Konsens. Für die Entscheidung
Tagesprogramm versus Hauptabendprogramm gehe es eher darum, zu prüfen, ob
auf der Bildebene unter dem Aspekt der übermäßigen Ängstigung Operationsszenen
gezeigt würden.
75
Prüfungen 2004
4.3.6.3 Nip/Tuck und Beauty Queen
Nip/Tuck und Beauty Queen sind fiktionale Serien mit einer Klinik für Schönheitsoperationen als Setting.
In Nip/Tuck, dem amerikanischen Original, leiten Christian Troy und Sean McNamara eine erfolgreiche Praxis für Schönheitschirurgie. Die Charaktere der beiden
Ärzte sind sehr unterschiedlich, und so erwachsen hieraus zahlreiche Konflikte und
Probleme. Während Christian als attraktiver Single ein abwechslungsreiches Liebesleben genießt (was ihm auch die eine oder andere Patientin einbringt bzw. vice versa), führt Sean ein konventionelles Familienleben, das aufgrund der täglichen Routine zu scheitern droht.
Die Mehrheit der im Berichtszeitraum geprüften Serienfolgen wurde – z.T. in bearbeiteter Fassung – für das Hauptabendprogramm entschieden. Hierfür wurde geltend gemacht, dass „das Thema der Schönheitsoperationen auf fiktionaler Ebene behandelt“ werde und durch „humoristische Elemente, Ironie und zahlreiche durchaus
kritische Aussagen zum Thema (so etwa Verweigerung einer OP aufgrund nicht bestehender Notwendigkeit, ... Thematisierung von Schönheitsoperationen vs. medizinisch notwendiger Eingriffe) gekennzeichnet“ sei. Die Bilder von Operationen seien
zwar „in einigen Einstellungen durchaus eindringlich inszeniert, jedoch filmisch verfremdet und hierdurch in ihrer möglicherweise ängstigenden Wirkung erheblich
gemildert“ (Gutachten zum Serienpiloten). Zwei Serienfolgen, in denen drastische
Operationsbilder nicht zu sehen sind, wurden für das Tagesprogramm entschieden,
eine Folge aufgrund ihrer Selbstmordproblematik für das Spätabendprogramm.
In Beauty Queen führen die Brüder Oskar und Mark Seeberg eine Privatklinik am Bodensee. Oskar ist mit Katja verheiratet und hat zwei Kinder. Mark ist Single, schleppt
aber in regelmäßigen Abständen die schönsten Frauen ab. Die Brüder haben unterschiedliche Vorstellungen, wie die Klinik zu führen sei: Mark geht es nur ums Geld,
Oskar will helfen, auch ohne auf die Finanzen zu sehen.
Alle vier Folgen der Serie wurden von der FSF geprüft und für das Hauptabendprogramm entschieden. Im Gutachten zu den ersten drei Folgen der Serie, die bereits im
April 2004 vorlagen, heißt es: „Sowohl der dramaturgische Aufbau als auch die fil76
Prüfungen 2004
mische Umsetzung unterstützen eine kritische Sicht auf das Thema Schönheitsoperation, die für die Altersgruppe ab 12 Jahren von der Prüfkommission in ihrer Wirkung
positiv eingeschätzt wird. In allen drei Teilen werden sehr detaillierte Operationsbilder gezeigt, die von Zuschauern jeder Altersklasse als belastend empfunden werden
können. Für die relevante Altersgruppe wird durch diese Bilder die Aussage unterstützt, dass eine solche Operation kein Kinderspiel ist. Daher ist durch die vorliegenden Episoden eine nachhaltige Beeinträchtigung von Kindern und Jugendlichen ab
12 Jahren nach den Kriterien aus § 31 PrO-FSF nicht zu befürchten. Kinder unter 12
Jahren sind kaum in der Lage, dem dramaturgischen Ablauf der Handlung durch
den Wechsel innerhalb der Episoden und die Fortsetzung der Handlung über die
Episoden hinweg zu folgen und können durch die zum Teil sehr blutigen und detaillierten Operationsbilder nachhaltig verängstigt werden. Eine Ausstrahlung im Tagesprogramm käme daher nach einhelliger Auffassung der Mitglieder der Prüfkommission nicht in Frage.“
4.3.6.4 The Swan – amerikanisches Original und deutsche Fassung
The Swan ist eine Reality-Dokumentationsserie in der pro Episode zwei Frauen präsentiert werden, die sich aus unterschiedlichen Motiven entschlossen haben, ihr Aussehen zu verändern. Größtenteils geschieht dies durch eine umfängliche Schönheitsoperation, daneben gehören eine begleitende Psychotherapie, teils strenge Diäten
und ein umfassendes Sportprogramm zum „Verwandlungsprozess“. Nach drei Monaten werden die Kandidatinnen in schicker Garderobe und passendem Make-up
einer Jury präsentiert, die dann entscheidet, welche der beiden Frauen die weitesten
Fortschritte gemacht hat. Die Siegerin hat die Chance, „The Ultimate Swan“ zu werden. Am Ende der Sendung sehen sich die Frauen schließlich das erste Mal nach der
langen Zeit im Spiegel und treten vor die Augen ihrer meistens verblüfften Familie.
Nach zwei Folgen der US-amerikanischen Originalserie wurden der FSF 2004 alle
neun Folgen der deutschen Adaption, z.T. in Rohschnitt- und Sendefassung, zur Prüfung vorgelegt. Einige Folgen wurden für das Tagesprogramm, die überwiegende
Mehrheit für das Hauptabendprogramm entschieden. Bei den für das Tagesprogramm freigegebenen Episoden wird als Argument angeführt, dass die „mit der Se77
Prüfungen 2004
rie suggerierte `Verwandlung´ vermeintlich unattraktiver und wenig selbstsicherer
Frauen in absolute Schönheiten … nicht mit unangenehmen Bildern [spart], die nach
Auffassung des Ausschusses keinesfalls geeignet sind, eine leichtfertige Entscheidung in Richtung einer Schönheitsoperation beim Rezipienten zu befördern. Ausführlich werden die physischen und psychischen Leiden der beiden Frauen geschildert, die tagelang unter starken Schmerzen leiden, sich nach ihrer Familie sehnen
oder sich durch das harte Trainingsprogramm arbeiten. Die hierzu verwendeten Bilder wirken zwar sehr eindringlich, sind aber nach Auffassung des Ausschusses nicht
ängstigend, sondern eher distanzierend“ (Prüfgutachten zu Folge 1 des amerikanischen Originals).
Bei der Mehrheit der Folgen wird dagegen problematisiert, dass die Risiken der Eingriffe nicht bzw. in zu geringem Maße thematisiert würden und ausgespart bliebe,
dass die Operationen auch misslingen können. Der Eignung für das Tagesprogramm
steht in der Mehrheit der Folgen auch die animierte Darstellung der Kandidatinnen
entgegen, die von vielen Prüferinnen und Prüfern als sehr schematisch empfunden
wird. Es könne, so die Befürchtung, bei Kindern unter 12 Jahren eventuell der Eindruck erweckt werden, dass Menschen konfektioniert werden könnten. „Kindern ist
diese Form der Darstellung außerdem aus Videospielen mit unterschiedlichen Kandidaten bekannt. Dieser spielerische Eindruck steht der Ernsthaftigkeit des Themas
in einem medizinischen Risikobereich entgegen. Ab 12-Jährige besitzen eher die Medienkompetenz, sich die Risiken der Eingriffe und die alternativen Möglichkeiten zur
Schönheitschirurgie aus dem Gesamtkontext zu erschließen“ (Prüfgutachten zu Folge 9 der deutschen Fassung).
Zwei gleichartige Folgen der Serie The Swan (am. Fassung) lagen im September 2004
auch Arbeitsausschüssen der FSK vor und erhielten eine Freigabe ab 12 Jahren.
4.3.6.5 Schönheit um jeden Preis – Letzte Hoffnung Skalpell
Schönheit um jeden Preis – Letzte Hoffnung Skalpell ist eine Reportagereihe über das
Thema Schönheitsoperationen. In jeder Episode stehen Menschen im Mittelpunkt,
die sich einer Schönheitsoperation unterziehen. Nach dem Aufmacher, der kurze
Ausschnitte aus Szenen der Sendung zeigt, werden die Personen vorgestellt, die sich
78
Prüfungen 2004
für eine Operation entschieden haben. Diese von der Kamera eingefangenen Porträts
werden im Verlauf der 48-minütigen Sendezeit miteinander verwoben, die Geschichten werden abwechselnd weitererzählt.
Die Mehrheit der im Jahr 2004 geprüften 7 Episoden wurde für das Tagesprogramm
entschieden, eine Folge wurde im Hauptabendprogramm platziert.
In der Argumentation für eine spätere Platzierung im Hauptabendprogramm wird
wieder auf das zu geringe kritische Potenzial der Sendung und auf die drastischen
Bilder der Operationen verwiesen: „Die Risiken eines kosmetischen Eingriffs werden
nicht wirklich deutlich herausgearbeitet, da der Film in seiner Gesamtwirkung auf
die Normalität von Schönheitsoperationen im Leben junger Menschen abhebt. Diese
Sendung verstärkt möglicherweise bei jüngeren Zuschauern den Druck, bestimmten
Schönheitsidealen nachzueifern und die kosmetische Operation als ganz normale
Alternative zu Diät, Fitnesstraining etc. zu begreifen.
Gegen eine Ausstrahlung im Tagesprogramm sprach auch, dass die eingestreuten
Operationsszenen, die Halbtotalen mit dem vermummten OP-Personal und der gesamten medizinischen Apparatur, die Groß- und Detailaufnahmen von „getackerten“ Hautstücken, gesetzten Spritzen und malträtierten Brüsten trotz ihrer Kürze für
das Publikum der unter 12-Jährigen die Gefährdungsdimension der nachhaltigen
Verängstigung (§ 31 Abs. 3 Nr. 2 PrO-FSF) durch schockhafte und irritierende Bilder
erfüllt“ (Prüfgutachten zu Folge 3).
Diese Aspekte werden auch im Prüf- und Berufungsausschuss zu Episode 5 diskutiert. Die Episode war im Prüfausschuss für 22.00 Uhr entschieden worden, weil die
Mehrheit in der Episode „eine einseitig positive Berichterstattung über Schönheitsoperationen [sah], die ein verzerrtes Bild entstehen lassen könnte, welches die Risiken chirurgischer Eingriffe verharmlost“. Darüber hinaus spreche allein die Bildebene mit zum Teil drastischen Operationsszenen gegen eine Platzierung im Tagesprogramm. Der Berufungsausschuss sah dies anders und stimmte mehrheitlich einer
Ausstrahlung im Tagesprogramm.
Eine Verbindung von einem Schönheitsideal und sozialer Akzeptanz sei nicht gegeben, Abweichungen vom Schönheitsideal würden nicht als legitimer Grund für sozi79
Prüfungen 2004
ale Diskriminierung erscheinen. Zudem gebe es in der Reportage auch kritische Töne: „Der Schönheitswahn einiger Protagonistinnen wird durch den Kommentar ironisiert (‚Soviel künstliche Schönheit löst echte Begeisterung aus’, heißt es über die
mehrfach operierte Sandra; ‚Drei Mal verpfuscht und dann noch eine SchönheitsOP.’ über Phyllis; ‚Marita und Sandra finden sich immer noch nicht schön genug.’
und ‚Auf Sport hat Marita keine Lust.’ – sie lässt lieber absaugen) ebenso wie die
Blauäugigkeit hinsichtlich der Risiken (‚Risiken sind ihr egal’, heißt es über Mercedes; ‚Noch überwiegt die Gelassenheit.’ über Janine und ihre im Folgenden ausführlich und abschreckend inszenierte OP; Ralfs Unbesonnenheit wird ironisch überhöht
durch die Einbettung – Szenen, die ihn beim Gokartfahren zeigen – und den Kommentar ‚Der schnelle Ralf’)“ (Berufungsgutachten Folge 5).
Auch eine übermäßige Ängstigung wurde mehrheitlich nicht gesehen, da das „abschreckende Potenzial der OP-Szenen ... positiv gewertet wurde ... und die in der
Gesamtbetrachtung kurz gehaltenen Szenen nicht in einer selbstzweckhaften Weise
in der Vordergrund gerückt oder durch den Einsatz filmischer Gestaltungsmittel in
ihrer Wirkung gezielt verstärkt (Loops, Nahaufnahmen, blutige Detailansichten etc.)
wurden. ... Es wird deutlich und auch auf der Bildebene gezeigt, wie aufwändig
Schönheitsoperationen sind und wie schmerzhaft sie sein müssen.“
4.4
Prüfungen durch die juristischen Sachverständigen
Die juristischen Sachverständigen der FSF waren 2004 unter anderem mit der Prüfung von Erotikfilmen befasst, die vor dem 1. August 2003 von der FSF geprüft und
nach der damals gültigen Prüfordnung für 24.00 Uhr entschieden bzw. empfohlen
worden waren. Damals bestand die Möglichkeit, dass Sendungen, die an die Grenze
des gesetzlich Unzulässigen gehen, erst ab 24.00 Uhr bzw. am Wochenende ab 1.00
Uhr platziert werden, um die Wahrscheinlichkeit, dass Jugendliche diese Programme
wahrnehmen, weiter zu verringern. Die Landesmedienanstalten hatten dagegen besonders bei Erotikfilmen vermutet, dass auf diese Weise Programme freigegeben
würden, die die Grenze zur Unzulässigkeit bereits überschritten hätten. Die 24 –Uhr-
80
Prüfungen 2004
Grenze wurde daher aus der Prüfordnung gestrichen. Die Filme, die nach der alten
Regelung eine Freigabe ab 24 Uhr erhalten hatten, wurden den juristischen Sachverständigen vorgelegt, um die Zulässigkeit zu prüfen.
Es handelt sich hierbei um einen Sonderfall der juristischen Einzelprüfung, da nicht
über die Unzulässigkeit des Programms gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-6, 8 und 9 JMStV
zu entscheiden war und auch nicht ein Prüfausschuss das Programm nach § 15 PrOFSF weitergereicht hat. Über das Verfahren der juristischen Einzelprüfung bei Neuvorlage wegen veränderter Spruchpraxis wurde das Kuratorium informiert, das im
Dezember 2003 seine Zustimmung zum Verfahren und zur Aufnahme in die Prüfordnung der FSF gegeben hatte.
Im Berichtszeitraum wurden 17 Erotikfilme mit einer Freigabe für das Nachtprogramm ab 24.00 Uhr durch die juristischen Sachverständigen überprüft. In 11 Fällen
sahen die Sachverständigen bei einer beantragten Platzierung im Nachtprogramm ab
23.00 Uhr keinen Verstoß gegen § 184 StGB und § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JMStV. In vier
Fällen konnte einer Ausstrahlung im Nachtprogramm nur unter Schnittauflagen zugestimmt werden, da die juristischen Sachverständigen in den Filmen Szenen erkannten, die als grob anreißerische Darstellung des Sexuellen im Sinne des § 184
StGB zu werten sind.
Zwei der überprüften Filme wurden als pornografisch eingeschätzt. Verführerisches
Spiel (OT Guilty Pleasures) ist in jedem Fall ein strittiges Beispiel. Der Film war bereits
im Januar 2001 von einem FSF-Ausschuss geprüft und für 24.00 Uhr entschieden
worden. Nach der Ausstrahlung hat die zuständige Medienanstalt BerlinBrandenburg den Film und zwei weitere Fälle bei Beate Uhse TV angefordert und
der Staatsanwaltschaft Berlin vorgelegt, um einen möglichen Verstoß gegen § 184
StGB prüfen zu lassen. Die Staatsanwaltschaft hatte den Pornografieverdacht nicht
bestätigt gesehen und im April 2001 das Verfahren in allen drei Fällen eingestellt.
Der zweite durch einen FSF-Sachverständigen abgelehnte Film, Mystery, die dunkle
Seite der Lust, wurde demselben Sachverständigen in einer um ca. 15 Minuten gekürzten Fassung erneut vorgelegt und hat in dieser Fassung die beantragte Ausstrahlungsgenehmigung erhalten.
81
Prüfungen 2004
4.5
Offene Fragen: Abstimmung zwischen JuSchG und JMStV
Nach § 5 JMStV hat eine FSK-Kennzeichnung „Freigegeben ab 16 Jahren“ bzw. „keine
Jugendfreigabe“ im Fernsehen eine Sendezeitbeschränkung nach 22.00 Uhr bzw. nach
23.00 Uhr zur Folge. Umgekehrt hat die Ausstrahlung zu einer bestimmten Sendezeit
keine Rückwirkung auf die Altersfreigabe nach dem JuSchG.
Die einseitige Bindungswirkung war in der Vergangenheit sinnvoll und ausreichend,
weil fast ausschließlich Filme zunächst im Kino, dann auf Video/DVD und erst danach im Fernsehen veröffentlicht wurden. Inzwischen hat sich dies geändert. TV–
Movies werden zeitgleich mit der Ausstrahlung auf DVD herausgebracht. Da aber
eine FSF–Freigabe keine Relevanz für die Altersfreigabe hat, muss die FSK den Film
so prüfen, als hätte es keine FSF-Prüfung gegeben.
Hier ergibt sich das Problem, dass einige Filme, die sich in Fragen der Jugendschutzrelevanz zwischen einer Freigabe für das Hauptabendprogramm und das Spätabendprogramm bewegen und eine Freigabe für das Fernsehen ab 20.00 Uhr erhalten
haben, von der FSK ab 16 Jahren freigegeben wurden. Es ist nicht ganz klar, ob nach
der gegenwärtigen Rechtslage damit die Sendezeit beeinflusst wird. Umgekehrt
kommt es ebenso vor, dass von der FSF abgelehnte oder nur unter Schnittauflagen
freigegebene Filme bei der FSK eine günstigere Freigabe für die ungeschnittene Fassung erhalten. Bedeutet dies dann, dass er im Fernsehen trotz vorliegender ablehnender FSF-Prüfung ausgestrahlt werden darf?
Gerade in Grenzfällen kommt es vor, dass verschiedene Prüfgremien zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Das ist für Fachleute leicht nachvollziehbar, dem Laien
ist das jedoch kaum zu erklären: Er hält Freigaben unter diesen Umständen für willkürlich. Allein schon aus diesem Grunde sollte darauf abgezielt werden, dass die
Institution, die zuerst mit einem Fall beschäftigt ist, die Freigabe auch für den jeweils
anderen Vertriebsweg erteilt. Eine entsprechende Ergänzung im Gesetz halten wir
für erforderlich.
82
Prüfungen 2004
Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass zahlreiche im Fernsehen bereits ohne Jugendschutzbeanstandungen ausgestrahlte Serien komplett neu geprüft werden müssen, wenn sie auf DVD herauskommen. Ohne hier einen direkten Lösungsvorschlag
unterbreiten zu können, wollen wir auf dieses Problem dringend hinweisen, um den
Jugendmedienschutz in seiner Glaubwürdigkeit nicht zu beschädigen und auf eine
effiziente Organisation in diesem Bereich hinzuarbeiten.
83
5.
Das Verhältnis zwischen KJM und FSF
5.1
Kommunikation
Das System der regulierten Selbstregulierung, so wie die FSF es versteht, sieht vor,
dass die anerkannte Selbstkontrolleinrichtung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben
in eigenen Richtlinien Kriterien für die Beurteilung von Programmen unter Jugendschutzgesichtspunkten entwickelt. Gleichzeitig stellt sie eine fachgerechte Prüfung
des Programmangebotes ihrer Mitglieder in angemessenem Umfang sicher.
Die KJM als Aufsicht soll garantieren, dass die Selbstkontrolle diese in sie gesetzten
Erwartungen erfüllt. Nachdem sie die Selbstkontrolle anerkannt hat, soll sie ihre Tätigkeit zum einen auf Inhalte beschränken, die jugendschutzrelevant sind, aber der
Selbstkontrolle nicht vorgelegt wurden (bzw. bei nicht vorlagefähigen Sendungen
eine Prüfung durch die FSF beantragen und Aufsicht über die Programme der NichtFSF-Mitglieder). Zum anderen soll sie einschreiten, wenn die Selbstkontrolle bei der
Prüfung einen fachlich akzeptablen Beurteilungsspielraum überschreitet. Eine eigene
parallele Überprüfung von Programmen gehört hingegen nicht zur Aufgabe der
KJM. Die doppelte Zuständigkeit von Selbstkontrolle und Aufsicht, wie sie vor dem
Inkrafttreten des neuen Jugendschutzrechts bestand, sollte durch das System der regulierten Selbstregulierung ersetzt werden. Wenn die Anbieter sowohl von der
Selbstkontrolle als auch von der KJM gleichermaßen beaufsichtigt werden, schwächt
das die Akzeptanz und Durchsetzungsstärke der Selbstkontrolle. Die KJM sollte also
den Anbietern gegenüber nur in Ausnahmefällen tätig werden – etwa dann, wenn sie
die Selbstkontrolle umgehen. Vielmehr ist es ihre Aufgabe, durch die Kommunikation mit der Selbstkontrolle deren effektives Arbeiten zu gewährleisten.
Dass sich die KJM diesen Leitvorstellungen des Gesetzgebers anschließt, ist indes
nicht durchgängig erkennbar.
Die KJM sieht in der FSF offenbar weiterhin ausschließlich eine gutachterlich arbeitende Stelle im Dienste der Anbieter. Im Falle von Programmprüfungen erfährt die
FSF nur über die Presse oder die Sender, ob die KJM beispielsweise Beiträge überprüft, die über eine FSF-Freigabe verfügen und bei denen die Einhaltung des Beurtei85
Verhältnis zwischen KJM und FSF
lungsspielraums zur Debatte steht. Eine Aussprache mit der FSF über kontrovers
diskutierte Entscheidungen hat bisher – entgegen diesbezüglicher Ankündigungen
der KJM in ihren Pressemitteilungen und weiteren öffentlichen Äußerungen – nicht
stattgefunden.
Sowohl die FSF als auch die Anbieter erfahren sehr spät von Prüfverfahren oder Beanstandungen der KJM. Dabei ist die Aufhebung des Beurteilungsspielsraums durch
die KJM für die FSF eine wichtige Grenzziehung, die sie in ihrer Prüftätigkeit beachten muss. Es ist ebenso wichtig, von Verfahren zu erfahren, in denen der Beurteilungsspielraum diskutiert, aber letztlich noch anerkannt wird. Gerade die Diskussion
um Grenzziehungen ist für die Kriterienbildung der Prüfer von großer Bedeutung.
Umso mehr ist hier zu kritisieren, dass die FSF über die Prüffälle der KJM praktisch
nichts erfährt. Die entsprechende Kommunikation der KJM gegenüber der Öffentlichkeit, die damit indirekt auch die FSF erreicht, beschränkt sich auf den Inhalt von
Presseerklärungen. KJM–Mitglieder dagegen erhalten auf Wunsch Zugang zur Datenbank der FSF und können alle Prüfergebnisse und Gutachten abrufen. Die FSF hat
der KJM mehrere Male eine offenere Information und Kommunikation vorgeschlagen, bisher ohne Erfolg. Ohne die Leistung der KJM im Übrigen bewerten zu wollen,
halten wir den Mangel an Kommunikation für ein großes Hindernis auf dem Weg zu
einem produktiven Verhältnis zwischen Selbstkontrolle und Aufsicht.
So lag der Arbeitsgruppe „Programm und neue Formate“ des Kuratoriums auf ihrer
zweiten Sitzung am 2. Juli 2004 eine Pressemitteilung der KJM vom 21. Juni 2004 vor.
Der Pressemitteilung war zu entnehmen, dass seit Gründung der KJM von ca. 60
Aufsichtsfällen im Rundfunk bislang 41 Fälle inhaltlich bewertet worden seien, nachfolgend wurden 20 Verstöße gegen die Bestimmungen des JMStV aufgeführt. Einige
der dort genannten Titel hatten zum Teil nach der Ausstrahlung auch der FSF zur
Prüfung vorgelegen, nämlich ein Beitrag des RTL-Magazins Explosiv (Eistauchen von
Babys, Teil 1) wie auch die Folgen 1-3 von Schürmanns Gebot. Im Fall der angeführten
Sendungen von Lenßen & Partner und Blitz handelte es sich offensichtlich um andere
Folgen als die durch die FSF geprüften, bei denen seitens der KJM ein Verstoß gegen
86
Verhältnis zwischen KJM und FSF
den JMStV festgestellt worden war, im Fall von Arabella – die Abschlussklasse 2003 war
anhand der Pressemitteilung nicht ersichtlich, ob es Überschneidungen zwischen den
festgestellten Verstößen und den FSF-geprüften Folgen der Sendung gab. In die Statistik wurden auch alte Fälle aufgenommen, die vor Inkrafttreten des JMStV bereits
Verfahrensgegenstand bei den zuständigen Landesmedienanstalten waren, wie etwa
die bei Premiere ausgestrahlten Filme Machen wir´s wie Cowboys oder Excalibur, die
beide im Dezember 2002 ausgestrahlt worden waren.
Bezüglich dieser in der Pressemitteilung aufgeführten Verstöße gegen die Bestimmungen des JMStV musste die AG des Kuratoriums feststellen, dass die Begründungen der Ergebnisse, die z.T. von den FSF-Ergebnissen abweichen, weder dem betroffenen Sender noch der FSF bekannt waren. Da die Auseinandersetzung mit den Argumenten der KJM für die weitere Tätigkeit der Prüfausschüsse und für die Auslegung von Prüfkriterien wesentlich ist, wurde die hauptamtliche Prüferin beauftragt,
die entsprechenden Entscheidungsbegründungen bei der KJM anzufragen. Von besonderer Relevanz war hier der Fall des RTL-Magazinbeitrags über das Eistauchen
von Babys. Berichtet wurde über einen russischen Kinderarzt, der Babys in Wasserlöcher taucht, die er in zugefrorene Seen gehauen hatte. Angeblich soll diese Methode Kinder psychisch und physisch abhärten. Die vor Angst schreienden Babys wurden diverse Male im Bild gezeigt. Verschiedene Experten aus Deutschland kommentierten die angebliche Therapie äußert kritisch.
Laut Pressemitteilung hatte die KJM den ersten Teil des Beitrags der RTL-Sendung
Explosiv als Verstoß gegen die Menschenwürde gewertet. Die FSF hatte diesen Beitrag geprüft und ein juristisches Gutachten in Auftrag gegeben, um den Verdacht auf
Verletzung der Menschenwürde zu klären. Der juristische Sachverständige gelangte
zu dem Ergebnis, dass es sich hier nicht um einen Verstoß gegen die Menschenwürde handele. Die Machart des Beitrags (insbesondere die mehrfache Wiederholung
der ins Eis getauchten schreienden Babys) errege zwar Anstoß, allerdings weit unterhalb des schweren Vorwurfs einer „Verletzung der Menschenwürde“. Der FSFBerufungsausschuss hatte sich nach der juristischen Prüfung, am 4. November 2003,
gegen die beantragte Platzierung im Tagesprogramm ausgesprochen, weil er das
87
Verhältnis zwischen KJM und FSF
Wirkungsrisiko einer übermäßigen Ängstigung unter 12-Jähiger als hoch einstufte.
Die Mehrheit des Ausschusses votierte für die Ausstrahlung im Hauptabendprogramm, eine Minderheit für die Platzierung erst im Spätabendprogramm.
Im Juli 2004 wurde die KJM um Zusendung der Entscheidungsbegründungen zu den
in der Pressemitteilung aufgeführten Verstößen gebeten. In ihrer Antwort zeigte sich
die KJM kooperationsbereit und aufgeschlossen, effiziente Informationswege zu
schaffen. Es wurde darauf hingewiesen, dass für eine Einsicht der FSF in die Entscheidungsbegründungen der KJM das Einverständnis der betroffenen Rundfunkveranstalter einzuholen sei. Eine schriftliche Einverständniserklärung der FSFMitgliedssender lag kurze Zeit später vor und wurde umgehend an die KJM weitergeleitet. Dennoch wurden der FSF bislang weder Entscheidungsbegründungen der
KJM noch Bescheide der zuständigen Landesmedienanstalten zugesandt, sondern
mussten bei den Sendern angefragt werden. Im Fall der RTL-Explosiv-Sendung, in
dem die Zusendung des Bescheides direkt zugesagt wurde, ist auch dem Sender RTL
bislang kein Bescheid zugegangen. Inwieweit eine Auseinandersetzung mit den Argumenten des juristischen Sachverständigen und des Berufungsausschusses stattgefunden hat und wie die abweichende Einschätzung der KJM im Einzelnen begründet
wird, ist daher bislang nicht ersichtlich. Die Methode, die Öffentlichkeit über eine
Pressemittelung zu informieren, gegenüber dem Sender und der FSF Informationen
aber zurückzuhalten, erscheint in diesem Fall besonders problematisch, weil hier der
Eindruck erweckt und nicht revidiert wird, RTL habe mit seiner Sendung gegen die
Menschenwürde verstoßen. Mit Schreiben vom 21. Juni 2004 wird dem Sender dieser
vermeintliche Verstoß gegen die Menschenwürde auch mitgeteilt, gleichzeitig aber
„aufgrund der Besonderheiten“ des Falls, der bereits im Februar 2003 gesendet wurde, von einer förmlichen Beanstandung abgesehen. Welche Besonderheiten es im
konkreten Fall rechtfertigen, gegen einen angeblichen Menschenwürdeverstoß nicht
rechtsaufsichtlich tätig zu werden, wird in dem Schreiben nicht erläutert. Unklar ist
auch, welche Gremien sich mit den beanstandeten Fällen beschäftigt haben und inwieweit dies überhaupt Gegenstand von Sitzungen der KJM war. Auch zu den anderen festgestellten Verstößen gab es außer der Pressemitteilung keine weiteren
Informationen oder inhaltliche Einlassungen. Offensichtlich ist es aber kein
Einzelfall, dass nach Veröffentlichung eines angeblichen Verstoßes durch die KJM
88
Verhältnis zwischen KJM und FSF
dass nach Veröffentlichung eines angeblichen Verstoßes durch die KJM ein solcher
durch die zuständige Landesmedienanstalt nicht festgestellt bzw. nicht beanstandet
wird. Auch im Fall der Ausstrahlung von Machen wir´s wie Cowboys hat die Hamburgische Anstalt für neue Medien entgegen der Empfehlung der KJM von einer förmlichen Beanstandung abgesehen.
Ebenso unverständlich ist die Vorgehensweise der KJM im Fall der MTV-Sendung I
want a famous face, in dem zum ersten Mal der Beurteilungsspielraum der FSF in einem Prüfverfahren als überschritten angesehen wurde (vgl. Kapitel 4.3.6.1). Dabei
bezog sich die KJM auf einen Grundsatzbeschluss, der ebenfalls nur über eine Pressemitteilung kommuniziert und weder der FSF noch den Sendern offiziell mit den
notwendigen Erläuterungen zugeleitet wurde.
Dass die KJM den Beurteilungsspielraum der FSF als überschritten ansah, erfuhr die
FSF weder durch die KJM noch durch die BLM, sondern aus der Presse. Sie musste
sich beim Sender MTV die nötigen Informationen besorgen. Zwar kündigte die KJM
in ihrer Pressemitteilung zur Beanstandung an, mit der FSF ein Gespräch über Kriterien zu Schönheitsformaten zu suchen, ein konkretes Gesprächsangebot hat es allerdings bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nie gegeben.
Die hier kritisierte Pressearbeit der KJM hat sich bis heute nicht verändert und lässt
keine Einblicke in die Prüftätigkeit zu. In einer aktuellen Pressemitteilung vom 8.
April 2005 wird als Zwischenbilanz zwei Jahre nach Konstituierung der KJM vermeldet, dass „von 129 Prüffällen aus dem privaten Rundfunk … 91 inhaltlich abschließend bewertet“ worden seien. In 49 Fällen sei ein Verstoß gegen die Bestimmungen des JMStV festgestellt worden. Ob es sich dabei um Fälle aus dem Bereich
des Fernsehens handelt, ob die Sendungen der FSF zur Prüfung vorgelegen haben
oder Anbieter betreffen, die nicht FSF-Mitglied sind, ob „Altfälle“ vor Inkrafttreten
des JMStV in diese Statistik einfließen und andere Fragen lassen sich anhand der
Pressemitteilung nicht beantworten. Der FSF wurden weder Entscheidungsbegründungen der Fälle, die ihre Mitgliedssender betreffen, zugesandt, noch liegt ihr eine
Übersicht über die Prüffälle oder Verstöße vor. Wünschenswert wäre zumindest die
Übermittlung einer Liste der festgestellten Verstöße, was bei einer Anzahl von knapp
25 Fällen im Jahr sicher auch zu leisten wäre.
89
Verhältnis zwischen KJM und FSF
5.2
Beurteilungsspielraum
Die Jugendschutzinstitutionen haben sich immer wieder bemüht, plausible Kriterien
zu entwickeln, die es ermöglichen, Filme oder Fernsehsendungen in vergleichbarer
Weise Altersstufen oder Sendzeiten zuzuordnen. Dennoch liegen den Filmprüfungen
immer auch subjektive Bewertungen zugrunde, die selbst bei erfahrenen Prüferinnen
und Prüfern zu unterschiedlichen Einschätzungen führen. Deshalb werden die Prüfungen bei FSK, BPjM oder FSF in Ausschüssen durchgeführt, um durch das Zusammenwirken verschiedener Meinungen nach vorgeschriebenen Regeln zu einem
Ergebnis zu gelangen. Es handelt sich um eine Entscheidung durch ein Verfahren,
auf das sich eine Institution geeinigt hat. Entscheidungen können also nur bedingt
überprüft werden, wenn die Verfahrensvorschriften eingehalten und in der Begründung nicht völlig sachfremde Argumente verwendet werden oder der Sachverhalt
unzutreffend dargestellt wird. Gerade bei Grenzfällen ist es also möglich, dass der
eine Ausschuss beispielsweise für eine Freigabe ab 12 Jahren (20.00 Uhr) entscheidet,
der andere würde sich eher für eine Freigabe ab 16 Jahren (22.00 Uhr) aussprechen.
Dieser Beurteilungsspielraum, der bisher schon für die FSK und die BPjM galt, steht
nun durch den JMStV auch der FSF zu.
Für den Umgang mit Schönheitsoperationen zu Unterhaltungszwecken gab es bislang keine Spruchpraxis. Den FSF-Prüfausschüssen standen außer den allgemeinen
Prüfgrundsätzen keinerlei spezifische Kriterien oder Anhaltspunkte, wie solche Programme aus der Sicht des Jugendschutzes beurteilt werden können, zur Verfügung.
Der Prüfausschuss musste sich also Kriterien erarbeiten, die man aus der Sicht des
Jugendschutzes sinnvollerweise an solche Formate anlegen konnte. Die im konkreten
Fall vom Ausschuss entwickelte Fragestellung war dabei durchaus mit der vergleichbar, die die KJM in ihrem Grundsatzbeschluss bzw. in dem Bescheid zur Beanstandung der Folgen von I want a famous face zum Ausdruck gebracht hat. In der
konkreten Bewertung der Sendung im Hinblick auf diese Fragestellung kam allerdings der Ausschuss zu einem anderen Ergebnis als die KJM. Während die KJM in
der Sendung eine Werbung für Schönheitsoperationen sah, ging der FSF-Ausschuss
eher von einer kritischen, abschreckenden Wirkung aus. Beweisbar ist dabei weder
90
Verhältnis zwischen KJM und FSF
die Position der FSF noch die der KJM. Deshalb ist die FSF der Meinung, dass eine
Überschreitung des Beurteilungsspielraums nicht angenommen werden kann, man
kann zwar zu einem anderen Ergebnis kommen, aber das FSF–Ergebnis ist sachlich
durchaus begründet. Nur wenn die Position des FSF–Ausschusses aus fachlicher
Sicht nicht begründbar wäre, könnte also die KJM den Beurteilungsspielraum als
überschritten ansehen. Es reicht nicht, wenn sie inhaltlich zu einem anderen Ergebnis
kommt. Derzeit wird in einem Gerichtsverfahren geprüft, ob die KJM den Beurteilungsspielraum der FSF in dem genannten Fall zu Recht als überschritten angesehen
hat.
5.3
Rechtliche Auseinandersetzungen mit der KJM
Im Rahmen der Auseinandersetzungen der FSF mit der KJM über den Umgang mit
Schönheitsoperationen in Unterhaltungsformaten ist die FSF derzeit an zwei Gerichtsverfahren beteiligt. Zum einen hat der Sender MTV gegen den Beanstandungsbescheid der BLM zu I want a famous face Klage beim Verwaltungsgericht München
eingereicht. Bei der inhaltlichen Begründung spielt die Tatsache, dass die Sendung
von der FSF eine Freigabe erhalten hat, eine wichtige Rolle. Aufgabe des Verfahrens
ist es aus der Sicht der FSF vor allem, zu klären, welche Bedeutung die KJM dem Beurteilungsspielraum der FSF einräumen muss. Da die Klärung dieser Frage sowohl
für die FSF als auch für die KJM von grundsätzlicher Bedeutung ist (siehe oben), hat
sich die FSF entschlossen an diesem Verfahren als Beigeladene teilzunehmen. Das
Gericht hat einem entsprechenden Antrag zugestimmt.
In einem zweiten Verfahren geht es darum, dass die FSF klären lassen will, ob die
KJM generelle Sendezeitbeschränkungen zu bestimmten und noch nicht konkret vorliegenden Formaten erlassen kann und ob es ausreicht, einen solchen Grundsatzbeschluss ausschließlich über eine Pressemitteilung zu kommunizieren. Letztlich geht
es um die Frage, ob die Selbstkontrolle in ihren Rechten durch einen solchen
Grundsatzbeschluss eingeschränkt wird. Nach unserer Interpretation des Gesetzes
91
Verhältnis zwischen KJM und FSF
sollte es zunächst Sache der Selbstkontrolle sein, Kriterien für die Prüfung neuer
Fernsehformate zu entwickeln.
Die Beteiligung der FSF an diesen beiden Gerichtsverfahren bedeutet nicht, dass die
KJM und die FSF von grundsätzlich anderen Sichtweisen gegenüber dem Jugendschutz ausgehen. Es geht vielmehr darum, dass das System der regulierten Selbstregulierung etwas völlig Neues ist, so dass sich das Verhältnis von FSF und KJM noch
aufeinander einspielen muss. Gleichzeitig gibt es im Gesetz zahlreiche Regelungen,
die in der Gestaltung der praktischen Zusammenarbeit zwischen FSF und KJM Interpretationsspielräume zulassen. Da es sich sowohl bei der Bedeutung des
Grundsatzbeschlusses der KJM für die Arbeit der FSF als auch bei der Bewertung des
Beurteilungsspielraumes um grundsätzliche Fragen handelt, halten wir in diesen
beiden Punkten eine rechtliche Klärung sowohl für die FSF als auch für die KJM für
wichtig.
92
6.
Programmbegleitung
6.1
Anfragen und Beschwerden bei der Jugendschutz-Hotline
Jugendschutz kann nur effektiv umgesetzt werden, wenn er von den Eltern, aber
auch den Kindern und Jugendlichen selbst akzeptiert wird. Das Interesse der Öffentlichkeit an Fragen des Jugendschutzes ist sehr groß, vor allem FSK-Freigaben werden
immer wieder kontrovers diskutiert. Auch die Systematik der Sendezeitbeschränkungen für jugendschutzrelevante Programme im Fernsehen ist bei Eltern und Heranwachsenden weitgehend bekannt und wird im Großen und Ganzen akzeptiert.
Allerdings entstehen aus dem Interesse der Öffentlichkeit immer wieder Fragen zu
den Kriterien des Jugendschutzes, bei denen es teils um Informationsbedürfnis, teils
aber auch um Beschwerden über das Programm oder die Einschätzungen der Jugendschutzinstitutionen geht.
Um auf Fragen und Beschwerden sachgerecht und im notwendigen Umfang reagieren zu können, hat die FSF bereits im Jahre 2002 dafür eigens eine Stelle eingerichtet.
Sie war zunächst als reine Beschwerdestelle geplant, allerdings stellte sich bald heraus, dass sich viele Zuschauer mit unterschiedlichen Anliegen an die FSF wandten.
Um niemanden abzuschrecken, haben wir uns daher entschlossen, sie statt Beschwerdestelle nun Jugendschutz-Hotline zu nennen. Der Kontakt zur Jugendschutzhotline
kann über die FSF-Homepage ([email protected]) aufgenommen werden. Die Hotline ist
inzwischen bekannt und wird als direkter Ansprechpartner akzeptiert.
Während 2003 noch mehr als die Hälfte der E-Mails die Beschwerdestelle über eine
Weiterleitung von der FSK oder die allgemeine E-Mail-Adresse der FSF([email protected])
erreichten, war 2004 auffällig, dass ca. 80 Prozent der Mails und Anrufe direkt an die
Jugendschutzhotline gerichtet waren.
Insgesamt erreichten die Hotline im Jahre 2004 397 Anfragen. Auffällig ist die starke
Zunahme an Telefonanrufen, die sich nicht auf konkrete Programme bezogen, sondern allgemeine Fragen zum gesetzlichen Hintergrund oder zu den aus den Jugendschutzgesetzen resultierenden Kriterien betrafen. Stark zugenommen haben Beschwerden über Schnittfassungen. Der FSF wurde meist vorgeworfen, Filme aus Ju-
93
Programmbegleitung
gendschutzgründen „verstümmelt“ zu haben. Zahlreiche allgemeine Beschwerden
gab es auch zu Beate Uhse TV. Dabei hielten sich diejenigen, denen das Programm in
der gegenwärtigen Form zu weit geht, mit denjenigen, die nicht verstehen wollen,
warum Pornografie im Fernsehen nicht erlaubt ist und die FSF dafür als Schuldigen
identifizieren, die Waage.
6.1.1 Programmbeschwerden im Jahre 2004
Insgesamt 271 Anfragen (190 Mails, 73 Anrufe, 8 per Post oder Fax) und Beschwerden wurden zu konkreten Programmen eingereicht. Die Aufteilung nach Programmformaten zeigt Tabelle 3a:
Tabelle 3a:
Werbespots
95
Nachrichten und Magazine
39
Trailer
17
Zu umfangreiche Schnittbearbeitung
19
Videoclips
17
Sonstige Programme der Musiksender
12
Reality-Shows
10
Comedy
10
Spielfilme (mit FSK-Freigabe)
9
Talk- und Gerichtsshows
8
Spielfilme (Wdh. im Tagesprogramm)
6
Gewinnshows 9live etc.
7
Animes
6
Erotikfilme (Beate-UhseTV etc.)
6
Amerik. Spielfilme und Serien
6
TV Movies und Serien (Eigenproduk.)
4
94
Programmbegleitung
Folgende Tabelle zeigt die Verteilung der Beschwerden auf die Sender. Werbespots
wurden nicht berücksichtigt, da sie sich keinem bestimmten Sender zuordnen lassen.
Tabelle 3b:
Musiksender
30
ProSieben
22
Sat.1
19
Öffentlich-rechtliche Sender
19
RTL II
16
RTL
13
9live
8
Sonstige (Lokalsender)
8
Premiere (Beate Uhse TV)
6
Kabel 1
5
VOX
5
Super RTL
2
Tele 5
2
Im Vorjahr (2003) wurde die Beschwerdestelle von Fans der japanischen AnimeSerien, die bei RTL II im Tagesprogramm ausgestrahlt wurden, in großem Umfang
beschäftigt. Diese versuchten mit immer neuen Argumenten über die FSF zu erreichen, dass diese Serien ungeschnitten im Abendprogramm gezeigt werden. Dieses
Beispiel zeigt, dass Jugendschutz für andere, sachfremde Fragen funktionalisiert
werden kann: die Forderung der Fans, die Serie aus vermeintlichen Jugendschutzgründen ins Hauptabendprogramm zu verschieben, war motiviert von der Hoffnung, dass sie dann ungeschnitten ausgestrahlt wird. Im Jahre 2004 beschäftigte dieses Thema die Hotline nur noch vereinzelt. Beschwerden aufgrund von Gewaltdarstellungen in den (von RTL II geschnittenen) Animes gab es gar nicht mehr.
Mit Abstand die meisten Beschwerden kamen zu Werbespots. Allen voran erregten
Spots für Kaffee in Dosen („K-Fee“) die Gemüter. Diese Spots begannen immer in
besonders harmonischer Atmosphäre mit Szenen in friedlicher Natur und entsprechender musikalischer Untermalung. Plötzlich und unerwartet tauchte für ca. 1 Se95
Programmbegleitung
kunde eine Fratze in der Totalen auf, die einen erschütternden Schrei ausstieß. Etwa
40 Menschen haben sich via E-Mail oder Telefon von Juni bis August über diesen
Spot beschwert und dessen Absetzung gefordert. Sie vermuteten Alpträume bei Kindern oder sorgten sich um die Gesundheit alter Menschen.
Nach einer allgemeinen Antwort mit Informationen über Aufgaben und Arbeit der
Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen leitete die Beschwerdestelle die Mail an den
Deutschen Werberat weiter oder gab dessen Adresse und Telefonnummer weiter.
Der Werberat antwortete stets zeitnah und schickte eine ausführliche Antwort, die in
Kopie an die FSF-Hotline ging.
An zweiter Stelle standen Beschwerden zu Werbespots für Handy-Klingeltöne und
Handy-Logos der Firma Jamba. Hier ging es meist um Geschmacklosigkeiten, die die
Beschwerdeführer für jugendgefährdend hielten („Geh an Dein Handy, Man! Es ist ‚ne
Pussy dran.“ als Klingelton, nackte Frauen dienten als Logo). Gerügt wurde auch,
dass Kinder und Jugendliche hier finanziell „abgezockt“ würden.
Die Beschwerdestelle verfuhr mit diesen Zuschriften und Anrufen ähnlich wie bei
dem K-Fee-Spot – mit dem zusätzlichen Hinweis darauf, dass es sich zum größten
Teil um Geschmacks- und nicht um Jugendschutzprobleme handle. Zu klären ist hier
aber grundsätzlich, wie die FSF mit Werbung im Fernsehen umgehen soll,die, wie
dargelegt, zu den meisten Beschwerden führte.
Darauf folgten im Jahr 2004 (mit annähernd gleicher Anzahl) Beschwerden über Programmtrailer für Abendfilme im Tagesprogramm, über einzelne Beiträge in tagesaktuellen Sendungen (Nachrichten und Magazine) und über Live- und Reality-Shows
wie Big Brother, die Super Nanny oder Frauentausch.
6.1.2 Arbeitsweise der Jugendschutz-Hotline
Die Hotline stellt zunächst fest, ob die Beschwerden tatsächlich den Jugendschutz
betrafen. Vor allem zu Nachrichten oder zur Berichterstattung erreichen die Hotline
oft Beschwerden, die offensichtlich nichts mit Fragen der Entwicklungsbeeinträchti-
96
Programmbegleitung
gung zu tun haben. Häufig betrafen die Beschwerden bestimmte Einstellungen und
Interpretationen von Ereignissen, die die Beschwerdeführer anders bewerteten.
Bei Beschwerden, die den Jugendschutz betreffen, wird überprüft, ob eine FSK- oder
FSF-Freigabe vorliegt. Sollte dies der Fall sein, wird der Beschwerdeführer über die
entsprechenden Argumente informiert. Allerdings sind solche Beschwerden sehr
selten, abgesehen von gelegentlichen Beschwerden über FSK-12-Filme, die im Tagesprogramm wiederholt wurden.
Bei relevanten Beschwerden wird der Sender informiert und um Stellungnahme gebeten. In vielen Fällen nimmt er die Beschwerde zum Anlass, auf Wiederholungen
des Programms zur beanstandeten Zeit zu verzichten. Ansonsten wird er um die Zusendung einer Sendekopie gebeten, die mit einer Kommentierung der Hotline an die
FSF geschickt wird. Dabei klärt die Hotline vor allem die Frage, ob die Beschwerde
inhaltlich zutrifft. Es kommt beispielsweise oft vor, dass Beschwerdeführer behaupten, Bilder und Szenen in einem Film gesehen zu haben, die tatsächlich nicht enthalten sind. Kommt die Geschäftsstelle zu dem Ergebnis, dass es sich um ein jugendschutzrelevantes Programm eines Mitgliedssenders handelt, wird dieser zu einer
nachträglichen Prüfung aufgefordert. Dies ist im Jahre 2004 in 3 Fällen geschehen.
6.2
Beratung der Sender
Einer der wesentlichen Vorteile von Selbstkontrolleinrichtungen gegenüber der vom
Staat beauftragten Aufsicht ist es, dass sich ihre Tätigkeit nicht allein in Prüfungen
erschöpft, sondern dass sie direkt in die Arbeitsbereiche der Anbieter hineinwirken
kann. Dazu gehört, dass die Jugendschutzbeauftragten der Sender in alle Fortbildungsveranstaltungen der FSF integriert werden und dadurch an dem Diskussionsprozess um Prüfkriterien aktiv teilnehmen. Das erleichtert ihnen, Aspekte des Jugendschutzes in ihren Häusern offensiv und mit Argumenten unterlegt zu vertreten.
Gleichzeitig hat die FSF in der Vergangenheit in Kooperation mit den Jugendschutzbeauftragten verschiedene Vortragsveranstaltungen innerhalb der Sender zu grundlegenden Fragen des Jugendschutzes durchgeführt, um die Produktion, den Pro97
Programmbegleitung
grammeinkauf und die Sendeplanung für die Belange des Jugendschutzes zu sensibilisieren und zu informieren. Auch die vom Kuratorium vorgelegten Richtlinien zur
Anwendung der Prüfordnung der FSF bieten für die Verantwortlichen in den Sendern wichtige Hinweise, um bereits beim Produktionsprozess und beim Programmeinkauf auf die Einhaltung von Jugendschutzvorgaben im Blick auf bestimmte Sendezeiten zu achten. Die Erfahrung zeigt, dass die Programmverantwortlichen überzeugenden Argumenten gegenüber aufgeschlossen sind.
98
7.
Tagungen, Veröffentlichungen, Forschung
Es war seit jeher die Überzeugung der FSF, dass sich die Umsetzung des Jugendschutzes im Fernsehen nicht allein auf die Prüfung von Programmen nach Jugendschutzgesichtspunkten beschränken darf. Die fachliche Beurteilung von Programmen
unter Berücksichtigung der bekannten Wirkungsrisiken stimmt in vielen Fällen nicht
mit populären, subjektiven Vorstellungen über Medienwirkungen überein. Die in der
Gesellschaft verbreitete Vorstellung, das Betrachten dargestellter Gewalt in den Medien führe zu einer höheren Akzeptanz von Gewaltmustern bei den Zuschauern,
insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, wird in der fachlichen Jugendschutzdiskussion differenzierter betrachtet. Entscheidend ist u. a. die Einbettung bestimmter Darstellungen von Gewalt in einen allgemeinen Handlungskontext, wobei die
dem Zuschauer durch den Film nahe gelegte Identifikation (beispielsweise TäterOpfer-Perspektive) eine entscheidende Rolle spielt. Aufgabe der Selbstkontrolle und
der Prüfungen muss es also sein, die wirkungsrelevanten Faktoren auf Grund des
aktuellen Forschungsstandes herauszuarbeiten, in praktikable Kriterien umzusetzen
und diese in den Prüfungen an die entsprechenden Programme anzulegen.
Um Jugendschutzkriterien jedoch sinnvoll umzusetzen, ist nicht nur die Akzeptanz
durch die Anbieter erforderlich, sondern auch die einer breiten Öffentlichkeit. Der
Jugendschutz, in diesem Fall die Selbstkontrolleinrichtung, muss alles daran setzen,
um die Plausibilität ihrer Wirkungsvermutungen ständig neu zu überprüfen und
gegenüber der Öffentlichkeit transparent zu machen. Gleichzeitig muss die Selbstkontrolle bereit sein, Anregungen und berechtigte Kritik aus dem Bereich der Öffentlichkeit in ihre Arbeit mit einzubeziehen.
Um einen regelmäßigen Diskurs mit der Öffentlichkeit, der Wissenschaft und den
Praktikern des Jugendschutzes sowie der Medienpädagogik zu führen, gibt die FSF
seit 1998 die Fachzeitschrift tv diskurs heraus, die aus verschiedenen Blickwinkeln die
Bewertungspraxis des Jugendschutzes beleuchtet und auf den aktuellen Diskurs um
bestimmte neue Programmformate, die in die öffentliche Kritik geraten, eingeht.
99
Tagungen, Veröffentlichungen, Forschung
Daneben wirkt die FSF an zahlreichen Veröffentlichungen zu Themen des Jugendschutzes oder der Medienrezeption mit. Sie initiiert darüber hinaus Veranstaltungen
und Seminare zu aktuellen Fragen des Jugendschutzes, um die Arbeit der FSF gegenüber den Fachleuten und der Öffentlichkeit transparent zu machen und ihre Arbeit durch den Dialog zu verbessern.
Über die FSF-Homepage (www.fsf.de) kann sich die Öffentlichkeit direkt und aktuell
über die FSF und den Jugendmedienschutz allgemein informieren.
7.1
Fachtagungen
Anlässlich ihres 10-jährigen Bestehens hat die FSF am 18.05.2004 eine Fachtagung
zum Thema „Was nützt die Wissenschaft dem Jugendschutz?“ durchgeführt. Da es
nach den gesetzlichen Bestimmungen zum Jugendschutz nicht darum gehen darf,
allein die Inhalte von Filmen oder Sendungen zu bewerten, sondern eine Beeinträchtigung, also eine Wirkung auf Kinder und Jugendliche zu prognostizieren, haben
sich die Institutionen des Jugendschutzes spätestens seit den 70er Jahren immer wieder auf die wissenschaftliche Medienwirkungsforschung berufen. Ihre Ergebnisse
sind, wie schon erwähnt, jedoch zum Teil nicht eindeutig und lassen sich kaum auf
die Bewertung eines bestimmten Filmes oder eines bestimmten Programms übertragen. Darüber hinaus wird in letzter Zeit von einigen Wissenschaftlern bezweifelt,
dass der Versuch, wissenschaftlich eine Kausalbeziehung zwischen dem Konsum
medialer Gewalt und realem Gewaltverhalten zu untersuchen, sinnvoll ist. Die Ursachen- und Motivketten, die letztlich zu einer Gewalttat führen, seien ungleich komplizierter und widersprüchlicher, als dass der mediale Gewaltkonsum direkt für eine
bestimmte Gewalttat verantwortlich gemacht werden kann. Das heißt jedoch nicht,
dass damit Jugendschutz unsinnig wäre. Es wird lediglich davor gewarnt, Jugendschutzkriterien allein wissenschaftlich begründen zu wollen.
Ziel der FSF-Veranstaltung war es vor allem, eine Gesamtschau verschiedener wissenschaftlicher Positionen zu erhalten, um letztlich das Verhältnis zwischen der Kri-
100
Tagungen, Veröffentlichungen, Forschung
terienbildung im Jugendschutz und der wissenschaftlichen Forschungslage angemessen zu interpretieren. Die wesentlichen Beiträge der Veranstaltung wurden in tv
diskurs, Heft 28, dokumentiert.
Es ist seit 1996 Tradition, dass sich die FSF inhaltlich und finanziell am jährlichen
Forum der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK)
beteiligt. Im November 2004 bot die FSF auf dem GMK-Forum in Bielefeld ein Diskussionsforum mit dem Titel „Werbung oder Abschreckung?" über das Thema
Schönheitschirurgie in TV-Formaten an. Nach einem medienwissenschaftlichen Eingangsreferat über die Entwicklung neuer Fernsehformate wurde anschließend die
Position der KJM durch Prof. Ben Bachmair vertreten, die Position des FSFPrüfausschusses trug deren Vorsitzende Susanne Bergmann vor. Zur Information
des Publikums, das im Wesentlichen aus Fachleuten des Jugendschutzes und der
Medienpädagogik bestand, wurde eine Folge von I want a famous face, die Prof.
Bachmair ausgesucht hatte, vorgeführt. Ziel der Veranstaltung war es, sowohl die
Position der KJM als auch die der FSF einem Fachpublikum transparent zu machen
und durch die Diskussion für beide Positionen ein Meinungsspektrum zu erhalten.
7.2
Publikationen
7.2.1 Die Fachzeitschrift tv diskurs
Die zentrale Publikation der FSF ist die Zeitschrift tv diskurs, die vierteljährlich erscheint. Sie dient der Kommunikation zwischen der Wissenschaft, Medienpädagogik,
Fachöffentlichkeit und den Prüferinnen und Prüfern in den Einrichtungen der
Selbstkontrolle wie der FSF. Sie fördert zudem den Dialog zwischen Medienforschung, Medienkritik und Medienpädagogik. Darüber hinaus bietet sie einen guten
Überblick über alle aktuellen Veröffentlichungen, die im Rahmen der Tätigkeit der
FSF und des Jugendschutzes interessant sind. In einem juristischen Teil wird über
alle relevanten gesetzlichen Veränderungen sowie über die Rechtssprechung informiert.
101
Tagungen, Veröffentlichungen, Forschung
tv diskurs wendet sich auch an Behörden, an die Politik und an die Presse, denn nur
durch eine möglichst breit angelegte Kommunikation plausibler Argumentationen
im Jugendmedienschutz kann es gelingen, in der Öffentlichkeit, insbesondere aber
bei den Erziehenden und den Jugendlichen selbst, die Einsicht in die Notwendigkeit
von Jugendschutz innerhalb des Erziehungsprozesses zu schaffen und für Vertrauen
in die Arbeit der Prüfgremien zu werben. Wichtig ist auch, in der Gesellschaft einen
Diskurs über Wirkungsprozesse zu initiieren, um so einen kritischen und reflektierten Medienkonsum zu befördern. Die Thematisierungsfunktion des Jugendschutzes
gerade im Hinblick auf die Darstellung von Gewalt ist in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung nicht zu unterschätzen.
Im Zentrum eines jeden Heftes steht ein Titelthema, das verschiedene teils ergänzende, teils kontroverse Aspekte entweder zu grundsätzlichen oder zu aktuellen Fragen
des Jugendmedienschutzes beleuchtet. Im Jahre 2004 hatten wir folgende Titelthemen:
- Piraten im Netz. Raubkopierer schaden der Wirtschaft und dem Jugendschutz
- Zehn Jahre FSF: Was nützt die Wissenschaft dem Jugendschutz?
- Spiel ohne Grenzen? Neue Fernsehformate beschäftigen den Jugendschutz
- Brutale Jugend? Vorurteile, Fakten und die Rolle der Medien
7.2.2 Bücher
Die FSF kann in ihrer 11-jährigen Tätigkeit auf einige Publikationen verweisen.
Neben der Zeitschrift tv diskurs gibt die FSF, teilweise zusammen mit anderen Institutionen, auch Bücher zu bestimmten Medienthemen heraus. So hat der Geschäftsführer der FSF, Joachim von Gottberg, zusammen mit Prof. Dr. Christian Büttner
(Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung) und Verena MetzeMangold (Hessischer Rundfunk in Frankfurt sowie stellvertretende Vorsitzende der
Deutschen UNESCO-Kommission) im Jahr 2004 das Buch Der Krieg in den Medien
herausgegeben. Ausgehend von der These, dass die Bevölkerung in demokratischen
Gesellschaften schwer davon zu überzeugen ist, sich an Kriegsgeschehen zu beteili-
102
Tagungen, Veröffentlichungen, Forschung
gen, beleuchtet das Buch das Zusammenspiel von Politik und Medien, um am Beispiel verschiedener Kriegseinsätze (Kosovo, Afghanistan oder Irak) die Bedeutung
der Medien auf die Haltungen der jeweiligen Bevölkerungen zu untersuchen. Dabei
wird deutlich, dass in der Einstellung zum Kriegsgeschehen nicht nur die aktuelle
Berichterstattung von Bedeutung ist, sondern auch die Vorstellung von Krieg, die in
einer Bevölkerung durch verschiedene fiktionale Filme (Kriegsfilme, Antikriegsfilme)
geschaffen werden.
7.3
Forschungsprojekte und Studien
7.3.1 Mitwirkung an der Spot-Kampagne „Gewalt ist keine Lösung“ des VPRT
Nach dem Amoklauf von Robert Steinhäuser in Erfurt im Jahr 2002 initiierte Bundeskanzler Gerhard Schröder den Runden Tisch „Medien gegen Gewalt“. Dem von
dort ausgehenden Appell an alle Fernsehanstalten gegen Gewalt in den Medien und
gegen Gewalt unter Jugendlichen etwas zu unternehmen, sind die privaten Sender
gefolgt. Verschiedene Aktionen wurden ins Leben gerufen, um die Öffentlichkeit für
die Gewaltproblematik in Bezug auf Kinder und Jugendliche zu sensibilisieren. Im
Frühsommer 2003 wurde seitens der privaten Rundfunkveranstalter und des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) mit Unterstützung FSF
der TV-Spot-Wettbewerb „Gewalt ist keine Lösung“ gestartet. Kinder und Jugendliche bzw. Schülerinnen und Schüler sollten sich durch die Konzeption eines 30 Sekunden dauernden Clips mit dem Thema „Gewalt“ auseinander setzen.
Insgesamt wurden bei der FSF mehr als 450 Konzepte eingereicht, aus denen der
Gewinnerspot ausgewählt und zu Beginn des Jahres 2004 produziert wurde. Auf der
Pressekonferenz zur Präsentation der Gewinner und des Siegerspots, der ab dem 16.
Februar 2004 in den privaten Fernsehsendern ausgestrahlt wurde, machten Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und Staatsministerin Dr. Christina Weiss deutlich,
wie wichtig die Auseinandersetzung mit der Gewaltthematik ist. Sie drückten
zugleich ihre Hoffnung aus, dass die in ihren Augen gelungene Kampagne fortgeführt werde.
103
Tagungen, Veröffentlichungen, Forschung
7.3.2 Die Show Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! und ihre jugendlichen Zuschauer
Mit der RTL-Show Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!, die im Januar 2004 startete,
entbrannte eine Debatte um bewusste Normverletzungen und Tabubrüche im Fernsehen und um die Zuständigkeit des Jugendschutzes. Die KJM hatte nach Prüfung
der Sendung zwar keinen Verstoß gegen die Menschenwürde festgestellt, die Show,
deren einzelne Folgen im späten Hauptabend- bzw. überwiegend im Spätabendprogramm platziert wurden, aber aus Jugendschutzsicht als grenzwertig eingeschätzt
(vgl. KJM-Pressemitteilung vom 23. Januar 2004). „Häme, Spott und Schadenfreude“
zögen sich durch alle Sendungen der Dschungelshow und würden durch die Kommentare der Moderatoren noch erhöht. „Die bei Kindern und Jugendlichen ohnehin
vorhandenen Tendenzen zu Ausgrenzung und Hänseleien könnten dadurch legitimiert oder noch verstärkt werden.“ Die Vermittlung wichtiger sozialer Werte wie
Achtung und Respekt werde konterkariert.
Um einen ersten Zugang zu dem neuen Format und den möglichen Wirkungen zu
erhalten, hat die FSF eine Studie in Auftrag gegeben, die Inszenierungsstrategien und
Rezeptionsmuster der Show untersucht. Dabei standen zwei Aspekte im Vordergrund: einerseits die Frage, wie die Kandidaten und die Moderatoren inszeniert sind
und welches Werte- und Moralverständnis dabei eine Rolle spielt, und andererseits
die Frage, wie Kinder und Jugendliche vor dem Hintergrund ihrer eigenen Werteund Moralvorstellungen mit dem Format Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! umgehen. Zusammenfassend kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die befragten Kinder und Jugendlichen in der Lage sind, angemessen mit der Show umzugehen. Sie
besitzen ein ausreichendes Medienwissen und genügend Medienkompetenz, um die
Rahmung als Comedy und Spiel zu erkennen und entsprechend die Show als witzige
Unterhaltung wahrzunehmen; sie beurteilen die Sendung vor dem Hintergrund eines moralischen Bewusstseins und vorhandener Werthaltungen, ziehen etwa eine
Grenze, wenn physische Schäden für Kandidaten Bestandteil des Spiels sind, und
empfinden Mitleid, wenn Spielregeln und zentrale Werte wie Fairness verletzt werden. Insgesamt trennen die Kinder und Jugendlichen klar zwischen der sozialen
Wirklichkeit ihres Alltags und der Welt der Show und des Spiels. Lediglich die 10104
Tagungen, Veröffentlichungen, Forschung
bis 12-jährigen Kinder mit geringer Bildung und teilweise die 11- bis 14-jährigen
Mädchen mit geringer Bildung sind hierzu nur begrenzt in der Lage. Sie benutzen
Deutungsmuster aus ihrer sozialen Alltagserfahrung, um die Sendung zu bewerten,
und vermuten, dass man aus der Show etwas lernen könne, weil ihnen aus ihrem
eigenen schulischen Alltag bekannt ist, dass Prüfungen einen didaktischen Sinn haben.5
7.3.3 FSF/FU-Forschungsprojekt „Angst als Risikodimension im Jugendmedienschutz: subjektive Theorien und faktische Erscheinungsformen“
Die im Jahr 2004 begonnene Untersuchung umfasst zwei Bausteine: Der erste dient
der Erfassung unterschiedlicher Perspektiven auf das Phänomen Angst (u.a. wissenschaftliches und gesellschaftliches Verständnis von Angst), der zweite zielt, aufbauend auf den Ergebnissen aus dem ersten Untersuchungsbaustein, auf den Faktor
Angst als Begleiter des Fernsehumgangs von Kindern. Konkret soll hier mit einem
quasiexperimentellen Design auch der Frage einer möglichen Angsterzeugung durch
bestimmte Fernsehinhalte nachgegangen werden. Die Untersuchung wird voraussichtlich im Herbst 2006 veröffentlicht.
5
Die Studie ist nicht veröffentlicht, kann aber über die FSF-Geschäftsstelle bezogen werden.
105
Tagungen, Veröffentlichungen, Forschung
7.4
Die Website der FSF
Seit 1998 ist die FSF auch im Internet präsent. Unter www.fsf.de finden sich nicht nur
ausführliche Beschreibungen ihrer Arbeitsbereiche und Gremien, sondern auch umfangreiche Informationen rund um das Thema „Jugend(medien)schutz“. Durch regelmäßige Aktualisierungen kann das Angebot laufend erneuert und erweitert werden. Im Jahre 2004 wurde ein umfangreicher Relaunch der Site durchgeführt.
In einem Glossar und einem öffentlichen Downloadbereich werden Begriffe aus dem
Jugendmedienschutz erläutert, deren Institutionen vorgestellt sowie relevante Gesetzestexte zur Verfügung gestellt. Auch die Grundlagen der FSF-Prüfpraxis (Satzung,
Prüfkriterien und Richtlinien) sind dort für die Öffentlichkeit zugänglich.
Zur Transparenz der FSF-Prüfungen trägt die Publikation der Prüfergebnisse in
Form einer monatlich aktualisierten Statistik bei.
Die Jugendschutz-Hotline der FSF ist über die Website direkt zu erreichen, um Fragen zum Jugendmedienschutz, aber auch Beschwerden über das Programm der privaten Fernsehsender entgegenzunehmen.
Dokumentationen bereits durchgeführter Projekte in Schulen bieten Interessierten
umfangreiches Material für eigene medienpädagogische Aktivitäten.
In einem englischsprachigen Bereich wird die FSF der internationalen Öffentlichkeit
vorgestellt; dies stellt auch ein Forum für Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland dar.
Dokumentationen von Tagungen zum europäischen Jugendmedienschutz bieten
Einblicke in die Jugendschutzpraxis in anderen Ländern. Die oft unterschiedlichen
Altersfreigaben von Kinofilmen können abgefragt sowie zahlreiche Filmprüfstellen
nicht nur in Europa erreicht werden.
Die Website bietet einen Überblick über Veranstaltungen und Publikationen der FSF.
Ausführlich wird die Zeitschrift tv diskurs vorgestellt. Eine umfangreiche Datenbank
hilft bei der Suche nach Fachliteratur, stellt aber auch einen Großteil der Artikel aus
tv diskurs zur Verfügung.
106
8.
Medienpädagogik
Ob und wie Medien wirken, hängt zum einen von deren Inhalten ab, zum anderen
aber auch von der Kompetenz und Verarbeitungsfähigkeit der Rezipienten. Um einen vernünftigen Jugendschutz zu gewährleisten, ist es daher nicht allein erforderlich, die Anbieterseite zu regulieren, wichtig ist es vielmehr auch, vor allem die jugendlichen Rezipienten zu einem kompetenten und selbstbestimmten Umgang mit
Medieninhalten zu erziehen. Die FSF beschäftigt daher seit 1995 zwei Medienpädagogen, die schwerpunktmäßig zum einen Veranstaltungen mit Kindern und Jugendlichen zu bestimmten Fragen der Medienwirkung durchführen, zum anderen aber
auch ein Unterrichtsmodell entwickelt haben, dass sie in Zusammenarbeit mit verschiedenen Berliner Schulen durchführen. Darüber hinaus entwickeln sie in Kooperation mit anderen Partnern Unterrichts- und Fortbildungsmaterialien zu verschiedenen Medienthemen.
Durch die im Grundgesetz verankerte Meinungs- und Informationsfreiheit (Artikel 5
Abs. 1) sind dem Jugendschutz klare Grenzen vorgegeben. Es kann nicht Aufgabe
des Jugendschutzes sein, Filme und Programme zu beschränken, die den Qualitätsoder Geschmacksvorstellungen bzw. den ethischen Grundsätzen der Gesellschaft
widersprechen. Nur dann, wenn Medieninhalte geeignet sind, Einstellungen oder
Verhaltensweisen zu schaffen, die dem allgemeinen gesellschaftlichen Wertekonsens,
insbesondere den im Grundgesetz festgelegten Wertvorstellungen, zu widersprechen, darf der Jugendschutz eingreifen.
Das heißt im Umkehrschluss: Wenn die Institutionen des Jugendschutzes bei bestimmten Filmen oder Programmen keine Jugendschutzrelevanz feststellen können,
bedeutet dies nicht, dass dem Programm ein bestimmtes Qualitäts- oder Geschmacksprädikat erteilt wird. Es bedeutet weiterhin nicht, dass solche Medieninhalte aus pädagogischer Sicht völlig unproblematisch sind. Der gesetzliche Jugendschutz kann die Erziehungsaufgaben der Eltern, der Schule oder der außerschulischen Jugendbildung nicht ersetzen. Er kann aber durch seine Vorgaben und Ausle107
Medienpädagogik
gungen Orientierungshilfen im Erziehungsprozess geben. Die Förderung eines souveränen und kompetenten Umgangs mit Medieninhalten, der durch die Eltern und
in den Bildungseinrichtungen der Gesellschaft erlernt wird, ist daher seit jeher eine
wichtige Aufgabe für die Pädagogik und den Jugendschutz.
Während es lange Zeit zwischen der Medienpädagogik und dem gesetzlichen Jugendschutz gewisse Berührungsängste gab, hat sich das Verhältnis in den letzten
Jahren erheblich gebessert. In der Pädagogik wird akzeptiert, dass eine bestimmte
gesetzliche Grenzziehung, die durch die Jugendschutzinstitutionen umgesetzt wird,
nötig ist, und es wird eingesehen, dass diese Grenzziehung durchaus auch einen pädagogischen Effekt hat. Auch wenn Heranwachsende damit nicht immer einverstanden sind, so bieten die Reglementierungen doch eine gute Grundlage für die Auseinandersetzung mit dem eigenen Medienkonsum und den aus den Medien resultierenden Wertevorstellungen. Gleichzeitig wird den Institutionen des Jugendschutzes
immer deutlicher, dass nur die Ergänzung von gesetzlichem mit erzieherischem Jugendschutz einen gesellschaftlich verantwortbaren Umgang der Heranwachsenden
mit den Medien ermöglichen kann.
8.1
Unterrichtseinheiten
Seit 1996 hat die FSF ein Unterrichtsmodell entwickelt, das sie Berliner Schulen anbietet. Dieses Modell wird von zwei pädagogischen Mitarbeitern der FSF durchgeführt, wobei der jeweilige Klassenlehrer und die Eltern, aber auch die übrigen Lehrer
der Schule einbezogen werden. Ziel ist es nicht allein, nur mit einer Klasse zu arbeiten, sondern die Lehrer anhand des konkreten Modells zu informieren und zu motivieren, Medienpädagogik umzusetzen. Es geht also einerseits um die Durchführung
eines bestimmten Unterrichtsmodells über sechs bzw. acht Schulstunden, andererseits soll die Zusammenarbeit mit der FSF aber auch zu einem Multiplikations- und
Motivationseffekt führen. Zwar gibt es bisher schon zahlreiche Unterrichtsmaterialien im Bereich der Medienpädagogik, nach unserer Erfahrung wird aber Pädagogen,
108
Medienpädagogik
die ein solches Modell in einer Schule durchführen, mehr Kompetenz zugetraut als
denjenigen, die ein solches Modell nur theoretisch vorgeben.
Dieses Angebot der FSF wird von den Schulen intensiv genutzt. Auf Grund der begrenzten Kapazitäten der FSF kann allerdings nur ein Teil der nachfragenden Schulen bedient werden. Es ist daher unser Ziel, durch fachliche und inhaltliche Kooperationen ein breiteres Angebot zu ermöglichen. Besonders positiv zu erwähnen ist die
Zusammenarbeit mit dem Institut für Lehrerfortbildung in Berlin (LISUM), das im
Jahre 2004 eine Reihe solcher Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit FSFMitarbeitern sowie dem Offenen Kanal Berlin an Schulen durchgeführt hat.
8.2
Internetangebot für Kinder und Jugendliche
Die FSF hat im Jahre 2004 damit begonnen, ein Internetportal zu entwickeln, das vielen Kindern und Jugendlichen zugänglich sein soll. Ziel dieses Angebots ist es, Heranwachsenden die schwierigen Abwägungsprozesse bei Jugendschutzentscheidungen nahe zu bringen. Die Erfahrung zeigt, dass Kinder und Jugendliche sich sehr für
die Grenzziehungen des Jugendschutzes interessieren, nicht zuletzt deshalb, weil sie
beispielsweise selbst von FSK-Freigaben betroffen sind.
Das Internetangebot wird grafisch wie ein Computerspiel gestaltet. Neben grundlegenden, entsprechend der Zielgruppe aufbereiteten Informationen zum Jugendmedienschutz bietet es als wesentliches Element die virtuelle Teilnahme an Prüfungen
bestimmter Programme an. Es wird die Möglichkeit geben, über die Entscheidung
der virtuellen Prüfer abzustimmen oder sich in Chats und Diskussionsforen an den
Prüfungen zu beteiligen. So wird Kindern und Jugendlichen deutlich werden, dass es
bei Prüfentscheidungen keine absolut „richtige“ gibt und dass – wie auch in anderen
Bereichen demokratischer Gesellschaften – das Ergebnis einer Filmprüfung nur
durch ein Verfahren zustande kommen kann, das bestimmten festgelegten Kriterien
folgt. Gleichzeitig bietet dieses Portal die Möglichkeit, durch die Rückmeldungen der
Heranwachsenden die Urteile der Prüferinnen und Prüfer auf eine breitere und fundierte Grundlage zu stellen.
109
Medienpädagogik
8.3.
Mitwirkung am Projekt Media Smart – ein medienpädagogisches Projekt
zum Thema „Werbung“ für den Einsatz in der Grundschule
Seit drei Jahren existiert in England das Werbekompetenz-Projekt „Media Smart“.
Die Idee zu dem Projekt stammt ursprünglich aus Kanada, wo die werbetreibende
Industrie seit zwölf Jahren medienpädagogisches Material unter dem Namen
„Concerned Children’s Advertisers“ finanziert. Das kostenlose Unterrichtsmaterial
hat das pädagogische Ziel, Kinder über Formen von Werbung und deren
Produktionsmechanismen aufzuklären, sie in Bezug auf Werbebotschaften zu
sensibilisieren und über deren Absichten aufzuklären. Außerdem soll die
Selbstreflexion von Kindern gefördert werden, indem man sie anregt, ihre
Informationsquellen in Frage zu stellen und den Einfluss von Werbung auf das
eigene Konsumverhalten zu hinterfragen. Kindern wird so in einem zunehmend
kommerzialisierten Alltag Orientierung geboten und die Fähigkeit vermittelt, die
immer komplexeren Strategien der Werbeindustrie zu durchschauen.
In Deutschland übernahm der private Kinderfernsehsender Super RTL in Zusammenarbeit mit Verbänden der Werbetreibenden und zahlreichen Unternehmen im
Jahre 2003 die Projektorganisation. Zunächst wurde eine unabhängige Expertengruppe formiert mit der Aufgabe, die bestehenden Ideen und Materialien an die hiesigen Verhältnisse anzupassen. Die FSF hat dabei durch einen pädagogischen Mitarbeiter mitgewirkt.
Im Herbst 2004 führte die FSF gemeinsam mit Dr. Norbert Neuß eine intensive Evaluierung der Unterrichtsentwürfe an einer Berliner Grundschule durch. Aufgrund
der Auswertung konnte das Material um zahlreiche Aspekte ergänzt werden. Auch
nach dem geplanten Erscheinungstermin im Sommer 2005 wird das Material in seiner Eignung zur Werbekompetenzvermittlung durch Experten weiterentwickelt.
110
Medienpädagogik
8.4
Projekt „Darstellung von Krieg in den Medien“
In Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung und der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung entwickelt die FSF derzeit verschiedene Materialien zum Thema „Massenmedien und Krieg in Demokratien und
ihre Bedeutung für die politische Bildung Jugendlicher“.
Auf der Grundlage umfangreicher Forschungsarbeiten und Materialien zum Thema
„Krieg in Bildschirmmedien“ soll ein E-Learning-Projekt für die Bildungsarbeit entstehen. Aufgabe des im Jahr 2004 begonnenen Projektes ist die Erstellung einer
Handreichung mit Unterrichtsempfehlungen sowie einer medienpädagogisch gestalteten DVD zum bevorzugten Einsatz an Haupt- und Realschulen. DVD und Handreichung sollen pädagogischen Fachkräften helfen, Inszenierungsstrategien medialer
Kriegsdarstellungen in Nachrichten, Filmen und Computerspielen zu veranschaulichen sowie die aktive Auseinandersetzung der Jugendlichen mit den Medien und
der Kriegsthematik zu fördern. Die Jugendlichen sollen in die Lage versetzt werden,
anhand von Vergleichen, Analysen und praktischen Übungen die ökonomischen,
politischen, sozialen und kulturellen Interessen, die hinter der medialen Verarbeitung des Themas "Krieg" stehen, zu erkennen. Die Einflüsse, Bedingungen und
Grundlagen der Informationsvermittlung sollen durch praktische Übungen kennen
gelernt und die Gestaltungsprinzipien aus den Produkten heraus durchschaut werden. Damit werden wichtige Komponenten der Medienkompetenzentwicklung gefördert.
Da die elektronischen Medien im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen, wird sich
die Auseinandersetzung mit der Thematik genau dieser Medien bedienen. Inhaltliche Beispiele sollen für alle Unterrichtsfächer geboten werden, in denen sich die
DVD einsetzen lässt (Deutsch, Geschichte, Sozial- oder Gesellschaftskunde). Die Materialien werden Ende 2005 wissenschaftlich evaluiert, zudem steht eine didaktischmethodische Beratung zur Verfügung. Abschluss des Projekts wird voraussichtlich
Mai 2006 sein.
111
Medienpädagogik
8.5
Medienpädagogischer Preis für Wissenschaftlich Außergewöhnliche
Leistungen (Medien-WAL)
Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen und die Gesellschaft für Medienpädagogik
und Kommunikationskultur (GMK) haben 1997 den Medienpädagogischen Preis für
wissenschaftlichen Nachwuchs ins Leben gerufen. Jährlich werden herausragende
Diplom-, Magister- und Staatsexamensarbeiten aus dem deutschsprachigen Raum
mit dem Medien-WAL ausgezeichnet. Die Arbeiten müssen im laufenden Jahr oder
im Vorjahr angefertigt worden sein. Eingereicht werden können auch Arbeiten, die
nicht in schriftlicher Form, sondern auf anderen Medien und Datenträgern vorliegen.
Die Arbeiten sollten sich mit Themen wissenschaftlich auseinander setzen, die für
die Theorie und Praxis der Medienpädagogik sowie für Fragen des Jugendmedienschutzes relevant sind, z. B. Arbeiten, die
-
sich mit dem Bereich der Rezipientenforschung befassen,
-
sich mit der Rolle der Medien in der Kinder- und Jugendkultur auseinander
setzen,
-
sich mit der Bedeutung der Medien unter entwicklungspsychologischen Gesichtspunkten beschäftigen,
-
Konzepte und Praxismodelle zum Umgang mit alten und neuen Medien entwickeln,
-
einen Bezug zu aktuellen medienpädagogischen Diskussionen aufweisen,
-
medienpädagogische Theorie und Praxis kritisch reflektieren,
-
sich mit Medien in der schulischen und außerschulischen Erziehung und Bildung sowie in der Erwachsenenbildung befassen,
-
sich mit medialen Gestaltungsmitteln und/oder ihrer Wirkung auseinander
setzen,
-
sich mit Lernprozessen in der Medien- und Informationsgesellschaft beschäftigen,
-
sich aus historischer Perspektive mit Fragestellungen der Medienpädagogik
oder des Jugendmedienschutzes befassen.
112
Medienpädagogik
Eingereicht werden können die Arbeiten durch die betreuenden Hochschullehrer/-innen und Dozent/-innen mit einem begleitenden Gutachten und einer ein- bis
zweiseitigen Zusammenfassung der Arbeit durch die Verfasser/-innen. Der Preis ist
mit 1.500 Euro dotiert. Den Preisträgerinnen und Preisträgern werden Möglichkeiten
zur Veröffentlichung geboten. Die Bewertung der Arbeiten und Auswahl der Preisträger/-innen übernimmt eine vierköpfige Jury, die sich aus Vertreter/-innen der
FSF und der GMK zusammensetzt.
113
ZUSAMMENFASSUNG
Vorgeschichte
Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) wurde im November 1993 von den
damals bundesweit ausstrahlenden privaten Sendern gegründet und nahm am 1.
April. 1994 in Berlin ihre Arbeit auf. Laut Satzung ist es ihre Aufgabe, zu einer Verbesserung des Jugendschutzes im Fernsehen beizutragen. Schwerpunkt der Arbeit
bildet die Prüfung von Fernsehprogrammen vor ihrer Ausstrahlung. Darüber hinaus
berät die FSF ihre Mitgliedssender in Fragen des Jugendschutzes, bietet medienpädagogische Aktivitäten an und entwickelt Informationsmaterialien für Eltern und
Pädagogen. Seit ihrer Gründung hat die FSF 6.581 Fernsehprogramme auf Antrag
der Sender begutachtet (Stand: 31. 05. 2005). Davon wurden 4.217 antragsgemäß freigegeben, bei 1.067 Programmen erfolgte die Freigabe nur unter Schnittauflagen.
1.011 Programme wurden auf eine spätere Sendezeit verschoben, in weiteren 114 Fällen wurden darüber hinaus noch Schnittauflagen verfügt. 172 Programme wurden
nicht für die Ausstrahlung im Fernsehen zugelassen.
Die Prüfungen werden von etwa 98 Sachverständigen durchgeführt, die in der Medienpädagogik, der Jugendarbeit oder im praktischen Jugendschutz arbeiten und
Erfahrungen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen und deren Mediennutzung
besitzen. Sie verfügen in der Regel über ein abgeschlossenes sozialwissenschaftliches
Studium. Etwa die Hälfte der Prüferinnen und Prüfer arbeitet auch in den Prüfausschüssen der FSK und der Bundesprüfstelle mit, so dass die Erfahrungen dieser Institutionen in die Spruchpraxis der FSF mit einbezogen werden. Die Prüfer/-innen
werden am Ende jedes Jahres nach einem festgelegten Verfahren im Durchschnitt für
3 Wochen im darauf folgenden Jahr zu den Prüfungen eingeladen. Die Prüfausschüsse bestehen aus fünf, Berufungsausschüsse aus sieben Mitgliedern.
Die FSF ist als gemeinnütziger Verein organisiert. Für ihre Organisation und Finanzierung ist ein siebenköpfiger Vorstand verantwortlich, der aus den Reihen der Mit-
115
Zusammenfassung
glieder gewählt wird. Für alle formalen und inhaltlichen Fragen, die mit den Prüfungen zusammenhängen, hat der Vorstand ein unabhängiges Kuratorium zusammengestellt, das laut Satzung zwischen 15 und 18 Mitgliedern hat. Dort arbeiten Vertreterinnen und Vertreter der Kommunikations- und Medienwissenschaft, der Medienpädagogik, des Medienrechts, der Medienkritik sowie des praktischen Jugendschutzes mit. Bereits zu Beginn der Prüftätigkeit hat das Kuratorium eine ausführliche
Prüfordnung vorgelegt, die ständig gemäß dem aktuellen Stand der Medienforschung, der Spruchpraxis des Jugendschutzes sowie der Einschätzung neuer Fernsehformate weiterentwickelt wurde. Darüber hinaus ist das Kuratorium für die Benennung der Prüferinnen und Prüfer zuständig. Zu jedem geprüften Programm wird
ein ausführliches Gutachten erstellt, das Auskunft über die Diskussion gibt und die
Entscheidung des Ausschusses bzw. die Voten einzelner Ausschussmitglieder
begründet.
Die FSF hat von der Fachöffentlichkeit für die Qualität ihrer Prüfordnung und ihrer
Arbeit von Anfang an viel Anerkennung erhalten. Dennoch gelang es nicht, die Arbeit der FSF und der vom Staat bestellten Aufsicht, den Landesmedienanstalten, in
zufrieden stellender Weise aufeinander abzustimmen. Die Bundesländer, die für den
Jugendschutz im Fernsehen zuständig sind, haben sich zwar für die Gründung der
FSF ausdrücklich eingesetzt, versäumten es jedoch, im Rundfunkstaatsvertrag eine
klare Aufteilung der Kompetenzen vorzunehmen.
Die FSF und die Landesmedienanstalten prüften teilweise doppelt, eine inhaltliche
Abstimmung fand nicht in ausreichendem Maße statt.
Für die so genannten Ausnahmegenehmigungen etwa, mit denen ein Sender einen
Film mit einer Freigabe ab 16 bzw. nicht unter 18 Jahren zu einer früheren Zeit als im
Rundfunkstaatsvertrag festgelegt ausstrahlen konnte, z.B. nach Bearbeitung der für
die Freigabe im Wesentlichen maßgeblichen Szenen, waren die Landesmedienanstalten zuständig. Sie mussten die Gutachten der FSF in ihre Entscheidungen einbeziehen, waren aber nicht an die Prüfergebnisse der FSF gebunden. Da es sich bei Jugendschutzentscheidungen häufig um Werturteile handelt, kann es gerade in Grenz116
Zusammenfassung
fällen vorkommen, dass unterschiedliche Ausschüsse zu anderen Ergebnissen gelangen. Für die Sender stellte sich hier das Problem, dass sie sich an Ablehnungen ihrer
Anträge durch die FSF in jedem Fall halten mussten, etwa auch bei eigenproduzierten Serien und TV-Movies, bei denen ein FSF-Votum gegen die beantragte Sendezeit
z.T. erhebliche Programminvestitionen in Frage stellte. Im Falle eines positiven Votums der FSF im Bereich der Ausnahmeanträge mussten sie dagegen weiterhin mit
einer Ablehnung durch die Landesmedienanstalt rechnen. Die FSF-Prüfung bot den
Sendern also keine ausreichende Sicherheit, so dass sich bald die Frage stellte, welchen Sinn die Prüfung durch die FSF für sie hatte. Es war eine wesentliche Forderung
der FSF, dass ihren Prüfungen der gleiche Beurteilungsspielraum zugesprochen
wird, wie er im Rahmen der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft und der
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) gewährt wird.
Die regulierte Selbstregulierung
In der Reform des Jugendschutzrechts griff der Gesetzgeber diese Forderung der FSF
auf. Dabei wurde erkannt, dass die Selbstkontrolle gegenüber der vom Staat bestellten Aufsicht den Vorteil aufweist, Programme vor ihrer Ausstrahlung überprüfen zu
können. Die Landesmedienanstalten hingegen können auf Grund des Zensurverbots
des Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz immer erst im Nachhinein tätig werden. Auf grund
ihrer komplizierten Gremienstrukturen und der Tatsache, dass ihre Entscheidungen
bei den Verwaltungsgerichten angefochten werden konnten, zogen sich Beanstandungsverfahren oft über Jahre hin. Damit verfehlten sie meist ihre beabsichtigte Wirkung, bei den Anbietern die nötige Sensibilität für die Belange des Jugendschutzes
zu erzeugen. Die Selbstkontrolle ist dagegen so organisiert, dass der Sender innerhalb von etwa einer Woche ein ausführliches Gutachten erhält, welches ihm nachvollziehbar darlegt, mit welchen Argumenten sein Antrag angenommen oder abgelehnt wurde. Dadurch hat die FSF von jeher ganz entscheidend dazu beigetragen,
innerhalb der Sender die Kompetenz und die Sensibilität für die Belange des Jugendschutzes zu verbessern.
117
Zusammenfassung
Der Gesetzgeber entschied sich für das Modell der so genannten regulierten Selbstregulierung. Nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, der am 1. April 2003 in
Kraft trat, ist für die Kontrolle der Jugendschutzbestimmungen im Fernsehen sowie
im Internet die neu gegründete Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zuständig. Die Anbieter erhalten die Möglichkeit, eine Selbstkontrolleinrichtung aufzubauen. Wenn diese den im Gesetz benannten Kriterien entspricht, wird sie von der KJM
anerkannt und kann dann weitgehend selbstständig für die Durchsetzung des Jugendschutzes bei ihren Mitgliedssendern sorgen. Programme, die vor der Ausstrahlung eine Freigabe durch die Selbstkontrolle erhalten haben, können im Nachhinein
von der KJM nur dann anders beurteilt werden, wenn die Selbstkontrolle den ihr
zugestandenen Beurteilungsspielraum überschritten hat. Nicht vorlagefähige Programme (Livesendungen, Reportagen, Berichterstattungen) muss die KJM der
Selbstkontrolleinrichtungen vorlegen, bevor sie ein eigenes Urteil fällt. Auch in diesem Falle gilt der Beurteilungsspielraum. Eine eigene Entscheidung kann die KJM
nur dann fällen, wenn ein Programm der Selbstkontrolle trotz Geeignetheit zur Vorabkontrolle vor der Ausstrahlung nicht vorgelegen hat.
Erfüllung der Voraussetzungen auf Anerkennung
Die FSF hat die Voraussetzungen für die Anerkennung zeitnah geschaffen. Neben
einigen organisatorischen Maßnahmen mussten dazu die Satzung und die Prüfordnung geändert werden. Bereits in der ersten Sitzung der KJM am 2.4.2003 lag ein ausführlicher Antrag auf Anerkennung der FSF vor. Die KJM setzte eine Arbeitsgruppe
ein, um den Anerkennungsprozess zu beschleunigen. Nach gemeinsamen Gesprächen und Vorlage einer nochmals veränderten Prüfordnung wurde die FSF am
1.8.2003 von der KJM als Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle anerkannt.
Eine wesentliche Aufgabe für die FSF im Rahmen des Anerkennungsverfahrens bestand darin, eine Vorlagesatzung zu erarbeiten, die für alle Sender verbindlich regelt,
welche Programme sie vor der Ausstrahlung der FSF vorzulegen haben. Einer der
wichtigsten Kritikpunkte der Landesmedienanstalten an der FSF vor dem Anerken118
Zusammenfassung
nungsprozess bestand darin, dass den Mitgliedssendern mangelnde Vorlagebereitschaft bei den jugendschutzrelevanten Programmen vorgeworfen wurde. Ziel der
Vorlagesatzung war es also, eindeutige und überprüfbare Maßstäbe für die Vorlagepraxis der Sender zu setzen.
Die FSF als anerkannte Selbstkontrolle
Schon im Laufe des Anerkennungsverfahrens zeigte sich, dass die Sender ihre Programme gemäß der Vorlagesatzung bei der FSF vorlegen. Das Prüfvolumen der FSF
war in wenigen Wochen um ca. 30 % angestiegen. TV-Movies, die um 20.15 Uhr ausgestrahlt werden sollten, wurden der FSF komplett vorgelegt. Auch im Bereich der
Ausnahmeanträge, der Filme mit FSK-12-Kennzeichen und der Non-Fiction- und
Reality-Formate nahm die Prüfung durch die FSF erheblich zu. Nach den bisherigen
Erkenntnissen der FSF wird die Vorlagesatzung von den Sendern befolgt.
Die zentrale Aufgabe des Kuratoriums im Jahre 2004 war es, die Qualität der Prüfgutachten weiter zu verbessern, da ihnen nun eine noch größere Bedeutung zukommt. Im Rahmen dieser Aufgabe wurden die Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung vorgelegt, in denen die Schwerpunktthemen des Jugendschutzes, die bisherige Spruchpraxis, die aktuellen Erkenntnisse der Medienforschung sowie die Anforderung durch neue Fernsehformate in für die Prüfungen anwendbare Kriterien
zusammengeführt wurden. Zum einen sollten damit den Prüferinnen und Prüfern
fundierte und klare Beurteilungsmaßstäbe an die Hand gegeben werden, die ihnen
helfen, gerade in Grenzfällen oder bei neuen Fernsehformaten sachkundige Entscheidungen zu treffen, andererseits sollte damit aber auch erreicht werden, dass die
Spruchpraxis einheitlichen und transparenten Überlegungen folgt. Da die Vorgaben
des Gesetzes sehr allgemein gehalten sind, bieten sie in der Praxis Spielräume, die
dazu führen können, dass bei vergleichbaren Programmen unterschiedliche Entscheidungen gefällt werden.
Gleichzeitig sollten die Richtlinien auch in die Sender hineinwirken. Die Programmverantwortlichen erhalten so die Möglichkeit, auf der Grundlage konkreter und
119
Zusammenfassung
nachvollziehbarer Kriterien bei der Produktion oder beim Einkauf von Programmen
bereits die Belange des Jugendschutzes zu berücksichtigen. Darüber hinaus geben
die Richtlinien zahlreiche Hilfestellungen bezüglich der Einschätzung unzulässiger
Programme (§ 4 JMStV), indem sie den Prüfenden zahlreiche Interpretationshilfen
sowie Informationsmaterial zur Verfügung stellen.
Eine eigens gegründete Arbeitsgruppe des Kuratoriums hat sich mit verschiedenen
Fernsehformaten auseinander gesetzt. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, das Kuratorium
über aktuelle Programmentwicklungen zu informieren, für die Prüferinnen und Prüfer Orientierungshilfen zu bestimmten Fragen, die sich in der Prüfpraxis als klärungsbedürftig erwiesen haben, zu erarbeiten und darüber zu beraten, welche Jugendschutzkriterien an neue Programmformen angelegt werden können. Dabei war
es ein wichtiger Aspekt, zwischen Geschmacksfragen oder der Erzeugung von Ekel
und tatsächlichen Jugendschutzfragen zu unterscheiden.
Darüber hinaus hat das Kuratorium im Jahre 2004 drei Prüferfortbildungen durchgeführt, die der Kommunikation zwischen Kuratorium und Prüferinnen bzw. Prüfern
dienen sollen, die aber auch den Prüferinnen und Prüfern die Möglichkeiten geben,
in einer größeren Gruppe als im Fünferausschuss und anhand aktueller und meist
strittiger Beispiele über Prüfkriterien und Prüfentscheidungen zu diskutieren.
Prüfungen im Jahre 2004
Im Jahr 2004 wurden bei der FSF insgesamt 765 Sendungen geprüft. 2003, im Jahr der
Anerkennung der FSF durch die KJM, waren es sogar 834 Programme. In den Jahren
vor der Anerkennung waren es 513 Sendungen (2001) bzw. 543 Sendungen (2002).
Besonders augenfällig ist die Zunahme von Ausnahmeanträgen: Im Jahr 2004 lagen
immerhin 148 Filme dieser Prüfkategorie vor (zum Vergleich 2003: 63 Filme, 2002: 49
Filme, 2001: 24 Filme). Hier zeigt sich, dass die FSF von den Sendern auf Grund der
Tatsache, dass nun ausschließlich sie über Ausnahmeanträge entscheiden kann, stärker genutzt wird. Neu hinzugekommen ist die Prüfung der Tagesprogrammtaug120
Zusammenfassung
lichkeit von FSK-12-Filmen (2004: 89, 2003: 102, 2002: 1, 2001: 0). Angestiegen ist auch
das Prüfaufkommen im Bereich der TV-Movies und der Reality-Formate.
Als eine der Anerkennungsvoraussetzungen hat die FSF 2004 insgesamt 10 Vertreter/-innen beider Kirchen in die Gruppe der Prüfer aufgenommen. Die Zusammenarbeit mit den Kirchen erwies sich als kollegial und produktiv. Bereits in der zweiten
Jahreshälfte 2004 konnte festgestellt werden, dass die Integration der von den Kirchen benannten Prüferinnen und Prüfer in die FSF sehr gut gelungen ist.
Um die Bedeutung der Kirchen für die Arbeit der FSF zu unterstreichen, hat die FSF
darüber hinaus jeweils einen Vertreter der beiden großen Kirchen in das Kuratorium
aufgenommen. So haben die Kirchen die Möglichkeit, neben der Beteiligung an der
Prüfpraxis über das Kuratorium auch alle grundsätzlichen mit der Prüfung zusammenhängenden Fragen zu beeinflussen.
Erfolge im Bereich des fiktionalen Programms
Im Zentrum des Jugendschutzes stehen traditionell fiktionale Programme (Spielfilme, TV- Movies, Serien). Zu diesen Formaten hat der Jugendschutz eine inzwischen
abgesicherte und weitgehend akzeptierte Spruchpraxis in den Bereichen Wirkung
von Gewaltdarstellungen, übermäßige Angsterzeugung oder Wirkung von sexuellen
Darstellungen erarbeitet. Gerade im Hinblick auf die Frage, ob Gewaltdarstellungen
im Fernsehen zu einem Ansteigen der Gewaltbereitschaft jugendlicher Zuschauer
führen, hat es in der Vergangenheit immer wieder Kritik an der Umsetzung des Jugendschutzes im Fernsehen gegeben. Die Kritik der Landesmedienanstalten an der
FSF richtete sich weitgehend gegen die mangelnde Vorlagebereitschaft der Sender
gerade im Bereich der eingangs genannten Programmformate.
Hier kann das erste Jahr der FSF als anerkannte Selbstkontrolle als großer Erfolg verbucht werden. Nach unseren Kenntnissen gab es im Hinblick auf fiktionale Fernsehformate im Jahre 2004 keinerlei Beschwerden bei der KJM, in keinem einzigen Fall
der von der FSF geprüften Filme hat die KJM den Beurteilungsspielraum in Frage
121
Zusammenfassung
gestellt. Dort, wo die Erwartungen an das System der regulierten Selbstregulierung
besonders hoch waren, konnten sie also durchweg erfüllt werden.
Neue Fernsehformate
Bei Talkshows, Gerichtshows, Formaten wie Big Brother, Ich bin ein Star – Holt mich
hier raus! oder Die Burg handelt es sich um Sendungen, in der sich Fiktion bzw. Inszeniertes und Realität vermischen. Die traditionelle Spruchpraxis des Jugendschutzes ist auf solche Formate nicht ohne weiteres zu übertragen. Während fiktionale
Filme durch die Dramaturgie, die Story und attraktive Figuren darauf zielen, Identifikationen und Emotionalisierungen zu erzeugen, begegnet man in den RealityFormaten Personen aus dem Alltag, die in der Regel nicht als Vorbild taugen. Vieles
spricht daher dafür, dass die Zuschauer gegenüber den dort agierenden Personen die
gleiche Distanz entwickeln wie gegenüber Menschen ihres realen sozialen Umfeldes.
Dagegen steht die Befürchtung, dass solche Sendungen den Eindruck vermitteln
könnten, ein reales Abbild der Wirklichkeit zu sein und somit fragwürdige Normalitätskonzepte vermitteln. All diese Formate haben gemein, dass Menschen in besonderen Situationen aufeinander treffen, die Konflikte oder Streit provozieren. In Sendungen wie Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! oder Die Burg wird durch den produzierenden Sender ein zusätzliches Konfliktpotential geschaffen, indem Menschen
beispielsweise mit Aufgaben konfrontiert werden, die bei jedem durchschnittlichen
Mitteleuropäer Ekelgefühle aufkommen lassen.
Eine Schwierigkeit bei der Prüfung solcher Formate besteht darin, Fragen des gesellschaftlichen Anstands, des Geschmacks oder des Ekels von Fragen des Jugendschutzes zu trennen. Das Kuratorium der FSF hat durch die Erläuterung der Prüfordnung
entscheidend dazu beigetragen, Vorgaben für die Beurteilung solcher Formate unter
Jugendschutzgesichtspunkten zu erarbeiten.
Die Vorabprüfung ist allerdings bei manchen Formaten nicht ohne weiteres möglich.
In manchen Sendungen werden die Zuschauer etwa aufgefordert, während der Sendung anzurufen und ein bestimmtes Votum abzugeben, das den weiteren Verlauf
der Sendung bestimmt. Viele Talk- oder Gerichtshows sind erst einige Tage vor der
122
Zusammenfassung
Ausstrahlung fertig, und eine Vorlage bei der Selbstkontrolle würde im Falle der Ablehnung bedeuten, kurzfristig eine Programmlücke füllen zu müssen.
Dennoch ist es Aufgabe der FSF, auch in solchen Unterhaltungsformaten die Belange
des Jugendschutzes im privaten Fernsehen zu sichern. Allerdings sind hier die Prüfund Mitsprachemöglichkeiten erheblich geringer als bei fiktionalen Programmen.
Die FSF erwartet jedoch von den Sendern, dass sie über die Konzepte solcher Formate im Vorhinein informiert wird und dass die Kriterien, die die FSF dazu aufstellt,
von den Sendern bei der Umsetzung des Konzeptes berücksichtigt werden. Über die
eigene Programmbeobachtung wird festgestellt, ob bei der Umsetzung aus der Sicht
des Jugendschutzes Probleme entstehen. Ist dies der Fall, ist es Aufgabe der FSF, bei
den zuständigen Redaktionen entsprechend Einfluss zu nehmen.
Gerade in Bezug auf die Sendung Ich bin ein Star – holt mich hier raus! hat die KJM die
Auffassung vertreten, der Sender würde die FSF nicht in ausreichendem Umfang in
die Jugendschutzprüfungen mit einbeziehen. In einer gemeinsamen Sitzung der KJM
mit dem Vorstand der FSF schlug der Vorsitzende der KJM, Prof. Dr. Wolf-Dieter
Ring, vor, die FSF solle in ihrer Prüfordnung die Möglichkeit schaffen, für solche
Formate eine Art Konzeptprüfung durchzuführen.
Innerhalb der FSF wurde über diesen Vorschlag einer Konzeptprüfung eingehend
diskutiert. Letztlich wurde entschieden, dass er nicht tatsächlich umgesetzt werden
kann. Das System der Prüfungen bei der FSF ist ebenso wie bei der FSK darauf angelegt, einen fertigen Film oder eine fertige Sendung zu begutachten. Die Beurteilung
von Drehbüchern oder Sendekonzepten kann immer nur eine beratende Funktion
haben, die jedoch nicht in einer Freigabe münden sollte. Zum einen lässt die konkrete
Umsetzung zunächst scheinbar harmloser Konzepte genügend Spielraum, um letztlich jugendbeeinträchtigende Szenarien herzustellen, auf die aus dem Konzept heraus zunächst nicht geschlossen werden konnte. Zum anderen muss bedacht werden,
dass gerade durch die Interaktion der handelnden Personen jugendschutzrelevante
Konstellationen entstehen können, die vorher nicht zu prognostizieren waren.
123
Zusammenfassung
Die FSF setzt daher stärker auf eine Beratung zu den Konzepten bzw. auf Gespräche
mit den verantwortlichen Redaktionen. Dies hat sich bisher im Bereich der Talkshows, aber auch der Gerichtsshows bewährt. Darüber hinaus kann die Vorlage von
Sendungen im Nachhinein wichtige Hinweise geben, welche Kriterien an die Produktion weiterer Folgen anzulegen sind. Von Big Brother wurden beispielsweise verschiedene Folgen der FSF vorgelegt, deren Begutachtung dazu beigetragen hat, sowohl das weitere Konzept als auch die weiteren Zusammenschnitte positiv weiter zu
entwickeln.
Bei neuen Fernsehformaten, die bereits längere Zeit vor der Ausstrahlung vorliegen,
ist eine FSF-Prüfung vor der Ausstrahlung möglich und wird auch von den Sendern
beantragt. Dies trifft zum Beispiel auf die Formate Fear Factor (RTL), Scare Tactics
(MTV) sowie alle Sendungen, die Schönheitsoperationen zu Unterhaltungszwecken
darstellen, zu.
Insgesamt arbeitet die FSF mit hohem Engagement daran, Systeme zu entwickeln,
den Jugendschutz auch bei solchen Sendungen zu sichern, die nicht im Vorhinein
vorgelegt werden können. Es gibt bisher keine Hinweise darauf, dass dies nicht gelungen ist. Die KJM hat sich mit all diesen Formaten eingehend beschäftigt, ohne aber eine dieser Sendungen im Nachhinein beanstandet oder für den Sender nachvollziehbare umsetzbare Kriterien entwickelt zu haben.
Schönheitsoperationen zu Unterhaltungszwecken
Bei drei Folgen der MTV Serie I want a famous face, die der FSF vor der Ausstrahlung
zur Prüfung vorgelegt und von ihr freigegeben worden sind, hat die KJM im Nachhinein eine Beanstandung ausgesprochen und die Auffassung vertreten, die FSF habe ihren Beurteilungsspielraum überschritten. Der Beanstandungsbescheid beruft
sich unter anderem auf einen Grundsatzbeschluss der KJM, der erst einige Wochen
nach der FSF-Prüfung getroffen wurde. Dieser wurde allerdings weder der FSF noch
den beteiligten Sendern jemals direkt zugeleitet, sondern über eine Pressemitteilung
124
Zusammenfassung
kommuniziert. In der Pressemitteilung sind jedoch keine für die Prüfung anwendbaren Kriterien enthalten. Vielmehr wird sehr allgemein die Vermutung und Befürchtung formuliert, dass Jugendliche durch solche Sendungen den Eindruck erhalten
könnten, man könne sein Äußeres beliebig durch einfache und risikolose chirurgische Eingriffe verändern.
Die FSF kam jedoch in der Begutachtung der drei vorgelegten Folgen von I want a
famous face zu dem Ergebnis, dass sie eher eine kritische Haltung zu Schönheitsoperationen vermitteln. Zum einen würden die Folgen eindeutig zeigen, dass Schönheitsoperationen mit tiefen Eingriffen in den Körper verbunden sind und starke sowie
anhaltende Schmerzen verursachen können. Es werde auch nicht verheimlicht, dass
es nach den Eingriffen sehr lange dauert, bis z.B. die Narben verheilt sind und das
normale Leben wieder aufgenommen werden kann. Außerdem werde in den Sendungen auch darüber berichtet, dass man mit solchen Operationen nicht immer den
gewünschten Effekt erzielt, und es zu gesundheitlichen Problemen nach den Operationen kommen kann.
In der Pressemitteilung zum Grundsatzbeschluss der KJM wurde auch auf ähnliche
Formate verwiesen, die zu dem damaligen Zeitpunkt allerdings noch gar nicht produziert waren. Die Sender haben daraufhin alle diese Formate der FSF zur Prüfung
vorgelegt und eine Freigabe für verschiedene Sendezeiten erhalten, eine Beanstandung weiterer Sendungen durch die KJM erfolgte nicht.
Das Verhältnis der Selbstkontrolle zur KJM
Positiv bleibt festzuhalten, dass im Bereich der fiktionalen Programme bisher von der
KJM keinerlei Beanstandungen zu Programmen ausgesprochen worden sind, die von
der FSF geprüft wurden. Im Bereich der neuen Fernsehformate vertritt die KJM zwar
öffentlich die Auffassung, die Mitgliedssender würden die FSF nicht ausreichend
beteiligen. Da es jedoch in diesem Bereich tatsächlich wenige Beanstandungen gibt,
sieht es faktisch eher so aus, dass die FSF auch hier in der Lage ist, den Jugendschutz
125
Zusammenfassung
effektiv umzusetzen. Für diese Sichtweise spricht auch, dass die Befürchtung der
KJM, Formate wie Big Brother, Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!, Die Burg und Ähnliches seien erst der Anfang einer eskalierenden Entwicklung, bisher jedenfalls nicht
bestätigt wurde. Die FSF hat den beteiligten Sendern immer wieder deutlich gemacht, dass es bezüglich solcher Formate Grenzen gibt, vor allem was den Umgang
mit den beteiligten Protagonisten angeht. Dies hat dazu beigetragen, dass von der
Entwicklung weiterer, eskalierender Formate abgesehen wurde.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl in der inhaltlichen Zielsetzung als
auch in der Kriterienbildung vom Jugendschutz zwischen der FSF und der KJM eine
weitgehende Übereinstimmung festzustellen ist. Unterschiedliche Sichtweisen in Detailfragen, die zu konkreten Prüfergebnissen – beispielsweise im Falle I want a famous
face – auftreten, bewegen sich in einem für den Jugendschutz üblichen Abwägungsspektrum und spiegeln zum Teil auch unterschiedliche Meinungen unter den FSFPrüferinnen und -Prüfern wider.
Für die Prüfungen ist es bei der FSF ein wichtiger qualitativer Standard, dass sich der
jeweilige Ausschuss gemeinsam einen Film anschaut und nach eingehender Diskussion zu einem Ergebnis kommt. Auf den Austausch von Argumenten in der Diskussion über das Prüfergebnis kann aus Sicht der FSF nicht verzichtet werden.
Umso mehr stößt es bei der FSF auf Kritik, dass die formalen und inhaltlichen Prüfaspekte der KJM nicht transparent sind. So wird etwa nicht deutlich, ob Entscheidungen von der KJM selbst, von einem Prüfausschuss oder von einem anderen Gremium getroffen wurden. Bei der KJM scheinen zum Teil Prüfgruppen, die im Gesetz
nicht vorgesehen sind, Entscheidungen im Detail vorzubereiten, die dann im schriftlichen Umlaufverfahren von den KJM-Mitgliedern bestätigt werden. Nach Auffassung der FSF kann aber nur durch eine gemeinsame Sichtung mit anschließender
Diskussion gewährleistet werden, dass alle Mitglieder den Film unter den gleichen
Bedingungen und in voller Länge sehen. Nur durch die gemeinsame Beratung gelangt ein Prüfgremium zu einem fachlich fundierten Ergebnis. Eine Abstimmung im
126
Zusammenfassung
Umlaufverfahren, wie es die KJM unternimmt, halten wir für fachlich nicht vertretbar und für rechtlich fragwürdig. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn in einem
solchen Verfahren über den Beurteilungsspielraum der FSF entschieden wird.
Besonders kritisch wird bei der FSF die Art der Kommunikation mit der KJM bewertet. Zwischen Selbstkontrolle und Aufsicht muss ein Mindestmaß an Meinungsaustausch und gegenseitiger Information stattfinden, da ansonsten die für die Umsetzung des Jugendschutzes notwendige Abstimmung zwischen den Beteiligten nicht
erfolgreich stattfinden kann. Die FSF gewährt den KJM-Mitgliedern auf Wunsch Zugang zu all ihren Daten der internen Datenbank, so dass sich KJM-Mitglieder über
alle Prüfungen, Freigaben und Gutachten informieren können. Die KJM ihrerseits
informiert die FSF im Wesentlichen über Pressemitteilungen. Inhaltliche Diskussionen und Schwerpunkte der KJM werden der FSF ebenso wenig übermittelt wie
Nachrichten darüber, welche Fernsehsendungen bei der KJM selbst oder in deren
Ausschüssen behandelt wurden. Es ist völlig unklar, was die KJM mit dieser Diskretion bezweckt. Möglicherweise ist sie auf organisatorische Unzulänglichkeit zurückzuführen. Der Durchsetzung des Jugendschutzes dient sie jedenfalls nicht. Die FSF
muss sich mit Argumentationen der KJM zu bestimmten Programmformen, die ihr
nicht vorgelegt wurden, beschäftigen und sie in die Prüfpraxis mit einbeziehen. Ohne die entsprechenden Informationen durch die KJM ist dies jedoch nicht möglich.
Insgesamt fordern wir die KJM auf, die FSF besser über ihre Arbeit zu informieren. Je
früher die FSF über die Beschäftigung der KJM mit bestimmten Programmen informiert ist, je mehr sie über deren Kriterienbildung weiß, desto besser kann sie diese in
ihre eigene Arbeit und Prüfpraxis mit einbeziehen.
Abstimmung zwischen dem JMStV und dem JuSchG
Während die FSK-Freigaben nach dem Jugendschutzgesetz Sendezeitbeschränkungen im Bereich des Fernsehens zur Folge haben, sind Freigaben der FSF ohne Auswirkungen auf die Jugendfreigaben im Bereich der Kino- oder Videofilme. Dies ist
insofern verständlich, als in der Vergangenheit lange die Kino– und Videoauswer-
127
Zusammenfassung
tungen an erster Stelle standen und erst später die Fernsehauswertung erfolgte. In
letzter Zeit werden jedoch immer häufiger Fernseherstausstrahlungen (TV-Movies,
Serien) praktisch zeitgleich auf Video oder DVD vermarktet. Wir halten es für sinnvoll, im Rahmen einer Evaluation darüber nachzudenken, inwieweit Entscheidungen
der FSF oder der KJM auch Rückwirkungen auf die Altersfreigaben im Bereich des
Jugendschutzgesetzes haben könnten.
Medienpädagogik und Öffentlichkeitsarbeit
Angesichts des immer größeren Medienangebotes vor allem durch das Internet kann
aus Sicht der FSF Jugendschutz nicht bei Programmprüfungen enden. Die FSF führt
daher an Schulen medienpädagogische Projekte durch, sie entwickelt Materialien zu
bestimmten jugendschutzrelevanten Themen und beteiligt sich an zahlreichen Publikationen, die die Fachöffentlichkeit über inhaltliche Schwerpunkte ihrer Arbeit informiert. Aufgabe der von ihr herausgegebenen Fachzeitschrift tv diskurs sowie ihres
Webauftritts ist es, die Prüferinnen und Prüfer, aber auch eine breite interessierte
Öffentlichkeit über aktuelle Jugendschutzthemen zu informieren und sie an dem
Diskurs zu beteiligen.
128
Literaturhinweise
Bente, Gary/Fromm, Bettina (1997) : Affektfernsehen. Motive, Angebotsweisen und
Wirkungen. Opladen: Leske+Budrich.
Bettelheim, Bruno (1980): Kinder brauchen Märchen. München: dtv.
Grimm, Jürgen (1999): Fernsehgewalt. Zuwendungsattraktivität, Erregungsverläufe,
sozialer Effekt. Zur Begründung und praktischen Anwendung eines kognitiv-physiologischen Ansatzes der Medienrezeptionsforschung am Beispiel
von Gewaltdarstellungen. Opladen / Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
Groebel, Jo (1994): Gewaltdarstellungen im Fernsehen. Analyse und Empfehlungen.
Herausgegeben vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des
Landes Nordrhein-Westfalen Duisburg.
Kunczik, Michael / Zipfel, Astrid (2004) : Medien und Gewalt. Befunde der Forschung seit 1998. Projektbericht für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Mainz.
Michaelis, Wolfgang (2005): Unsere Kinder sollen ohne Angst aufwachsen… In: tv
diskurs, Ausgaben 31-33.
Paus-Haase, I./ Hasebrink, U./ Mattusch, U./Keuneke,S./Krotz, F (1999) :Talkshows
im Alltag von Jugendlichen. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Selg, Herbert (1993): Gewaltdarstellungen in Film und Fernsehen – Auswirkungen
auf Kinder und Jugendliche, in: Sonderdruck aus Sozialpädiatrie für Praxis
und Klinik 15, Nr. 10.577-579, Mainz.
Selg, Herbert (1998): Filmhelden als Gewaltmodell? Was gelernt wird, hängt von der
Gesamtaussage ab. Interview mit J.v. Gottberg in: tv diskurs, Ausgabe 6.
Vitouch, Peter (1993): Fernsehen und Angstbewältigung. Opladen. Westdeutscher
Verlag.
129
Anhang
131
Anhang I:
Mitglieder der FSF im Jahre 2004
9Live
Beate Uhse TV
DSF Deutsches SportFernsehen
Kabel 1
n-tv
Premiere Fernsehen
ProSieben
RTL
RTL II
Sat. 1
Super RTL
Tele5
VOX
Anhang II:
Vorstand der FSF im Jahre 2004
Dr. Hans-Henning Arnold
RTL Television GmbH
Aachener Str. 1044
50858 Köln
Klaus Beucher
Freshfields Deringer (Vertretung RTL II)
Heumarkt 14
50667 Köln
Sabine Christmann, LL.M.
Premiere Fernsehen GmbH & Co. KG
Medienallee 4
85774 Unterföhring
Dieter Czaja
RTL Television GmbH
Aachener Str. 1044
50858 Köln
(Vorsitzender)
Annette Kümmel
ProSiebenSat.1 Media AG
Oberwallstr. 6
10117 Berlin
Dr. Anne-Kathrin Luchting
9Live Fernsehen GmbH & Co. KG
Infanteriestr. 19, Haus 1
85737 Ismaning
Dr. Peter Lück
(im Juni 2004 ausgeschieden)
ProSiebenSAT.1 Media AG
Medienallee 7
85774 Unterföhring
Anhang III:
Kuratorium der FSF im Jahre 2004
Prof. Dr. Jürgen Grimm
Professor Jürgen Grimm, geb. 1954, ist Medien- und Kommunikationswissenschaftler. 1992–1994 Leitung des DFG-Forschungsprojekts „Medien: Simulation
und Wirklichkeit“; 1998 Habilitation zum Thema „Wirkungen von Fernsehgewalt“
(Universität Mannheim); Vorsitz des Vereins zur Förderung der Medienforschung.
Seit Januar 2004 Professor für Kommunikationswissenschaft am Institut für Publizistik u. Kommunikationswissenschaft der Universität Wien. Zahlreiche Publikationen u. a. zu Reality TV, Talkshows u. Nachrichtengewalt sowie zu verschiedenen
Themen der Medienunterhaltung u. -information, z. B. Kinder, Jugend u. Medien.
Ausgewählte Studien zum internationalen Forschungsstand mit einigen Schlussfolgerungen für den Jugendschutz. Studie im Auftrag der ULR Kiel (Malik 1994); Informationsleistungen von Medien in Krisenzeiten. In: P. Ludes (Hg.), Informationskontexte
für Massenmedien, Theorien und Trends (Westdt. Verlag 1996); Der RobespierreAffekt. Nichtimitative Wege filmischer Aggressionsvermittlung. In W. Mahle (Hg.), Kultur in der Informationsgesellschaft. (UVK Medien 1998); Talkshows – aus Sicht der
Rezipienten. In: tv diskurs, Heft 7, Januar 1999; Fernsehgewalt. Zuwendungsattraktivität – Erregungsverläufe – sozialer Effekt. (Westdt. Verlag 1999).
Michael Groh
Michael Groh, geb. 1961, absolvierte ein Studium der Rechtswissenschaft an der LudwigMaximilian-Universität München. Nach einer Beschäftigung im Bereich des Medienmarketing war er ab 1993 als Redakteur in der Spielfilmabteilung bei ProSieben tätig. Anfang 1996
wechselte er in die Abteilung Jugendschutz des Senders, die er seit Juni 1996 leitet.
Dr. Peter Hasenberg
Dr. Peter Hasenberg, geb. 1953, studierte Anglistik und Germanistik an der Ruhr-Universität
Bochum, wo er von 1978 bis 1987 als Hochschulassistent am Englischen Seminar beschäftigt
war. Studienbegleitend machte er eine Journalistenausbildung und arbeitete als freier Journalist und Filmkritiker für diverse Publikationen. 1988 übernahm er das Filmreferat der damaligen Zentralstelle Medien der Deutschen Bischofskonferenz, die 2001 im Zuge einer
Strukturreform aufgelöst und in den neu gegründeten Bereich „Kirche und Gesellschaft“
integriert wurde. Seitdem leitet er das Referat Film und Grundsatzfragen, zu dem u. a. die
Jugendschutzthematik gehört. Seit 1989 ist er Vorsitzender der Katholischen Filmkommission für Deutschland. Als Autor und Mitherausgeber ist er an zahlreichen Publikationen der
katholischen Filmarbeit beteiligt (Zeitschrift film-dienst, Lexikon des Internationalen Films, Lexikon Religion im Film, Buchreihe Film und Theologie). Seit 1989 ist er auch als Prüfer bei der FSK
tätig und vertritt die katholische Kirche in Gremien der Filmförderung (Filmförderungsanstalt, Jury Deutscher Filmpreis).
1
Anhang III: Kuratorium
Regina Käseberg
Regina Käseberg, geb. 1958, studierte Philosophie und Rechtswissenschaft und ist seit 1992
für die Landesregierung Rheinland-Pfalz in verschiedenen Aufgabenfeldern tätig. Seit 2001
leitet sie das Referat Rechtsangelegenheiten der Kinder- und Jugendpolitik sowie des Jugendschutzes im Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend Rheinland-Pfalz, in dem die
Rahmenfederführung für Angelegenheiten des gesetzlichen Jugendschutzes sowie die Federführung für die Zusammenarbeit der Bundesländer mit der Freiwilligen Selbstkontrolle der
Filmwirtschaft (FSK) bei der Freigabe und Kennzeichnung von Filmen und Bildträgern angesiedelt ist.
Robert Mehlhose
Robert Mehlhose, geb. 1941. Nach dem Studium der ev. Theologie und der Sinologie einige
Jahre Pfarrer mit einem Schwerpunkt in der Jugend- und Bildungsarbeit (u. a. Gründung
eines Jugend-Film-Clubs). Für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und in Verbindung mit dem Deutschen Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen (DIFF)
Aufbau und Leitung einer Fortbildungseinrichtung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in
der Jugend-, Familien- und Erwachsenenbildung (u. a. im Bereich Medienpädagogik). 1981
Wechsel in die praktische Medienarbeit für die norddeutschen Kirchen und den NDR als
Kontaktmann für den Sender und mit der Verantwortung für die kirchlichen Sendezeiten,
Mitarbeit im Programmausschuss einer Fernsehproduktionsfirma, Beteiligung an der Diskussion um das sich entwickelnde duale Rundfunksystem etc. 1987 bei der EKD Oberkirchenrat in der Bildungsabteilung; 1995 Rückkehr in den Medienbereich; Leiter der Referatgruppe “Publizistik/Medien” mit der Verantwortung für das Handeln der Kirche in den
Medien und für die zahlreichen publizistischen Einrichtungen. Mai 2004 Verabschiedung in
den Ruhestand. Mitglied in verschiedenen Gremien (u. a. Verwaltungsrat Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik; Verwaltungsrat Filmförderungsanstalt; Steering Committee der World Association for Christian Communication). Berufungen durch die AudioEngineering-Society (AES) und die Deutsche Gesellschaft für Photographie (DGPh).
Prof. Dr. Wolfgang Michaelis
Professor Wolfgang Michaelis, geb. 1939, absolvierte nach dem Studium der Klassischen Philologie und der Psychologie zunächst eine postgraduelle Ausbildung in England, bevor er
als Psychologe berufstätig war. Promoviert und habilitiert in Psychologie; ab 1970 Lehrtätigkeiten a. d. Universitäten Kiel, Freiburg, Augsburg. Arbeitsschwerpunkte: Kognition u. Emotion (Aggression, Angst, Sexualität), Lernen u. Informationsverarbeitung, Medienwirkung,
Psychoszene und Psychosekten.
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Anhang III: Kuratorium
Martin Rabius
Martin Rabius, geb. 1948, Studium der Anglistik und Germanistik; Filmreferent des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik; freier Filmjournalist; Festivalleiter des MaxOphüls-Festivals in Saarbrücken u. Mitglied der Gruppe ”Film, Ästhetik und Kommunikation” der Akademie Arnoldshain. Seit 1984 Prüfer der Öffentlichen Hand bei der FSK und seit
1994 Prüfer bei der FSF. Seit Januar 1996 Jugendschutzbeauftragter bei kabel eins.
Alexander Scheuer
Alexander Scheuer, geb. 1968, Studium der Rechtswissenschaften (Universität des Saarlandes u. Katholieke Universiteit Leuven, Belgien); Rechtsreferendar am Saarländischen Oberlandesgericht (1994–1996); Aufbaustudium „Europäische Integration“ (Universität des Saarlandes); stellv. Geschäftsführer des dortigen Europa-Instituts (Sektion Rechtswissenschaft,
1994–1995); wissenschaftl. Mitarbeiter und stellv. Geschäftsführer d. Instituts f. Europäisches
Medienrecht (EMR) (1996–2000); seit Febr. 2000 Rechtsanwalt; seit Sept. 2000 Geschäftsführer
u. Mitglied des Direktoriums des EMR; seit 1999 Autor des Kommentars zum EU- u. EGVertrag (3. Aufl. 2003, hrsg. von C. O. Lenz u. K.-D. Borchardt), Arbeitnehmerfreizügigkeit u.
Niederlassungsfreiheit; Mitglied i. beratenden Ausschuss d. Europäischen Audiovisuellen
Informationsstelle, div. Publikationen zum nationalen u. europäischen Medien- u. Telekommunikationsrecht.
Sandra Singer
Sandra Singer, geb. 1974, studierte Pädagogik mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik.
Praktische Erfahrungen in der Medienpädagogik sammelte sie beim „Augsburger Kinderfilmfest“ (1995-1997); sie war Gründungsmitglied und Dozentin der „Filmschule e. V.“ in
Augsburg und hat das Praxishandbuch „Filmschule. Anregungen – Methoden – Beispiele“
(hrsg. von Annette Eberle) mitverfasst. Beim Bayerischen Fernsehen war sie als freie Mitarbeiterin im Schulfernsehbereich tätig: Moderation der Sendung „Mail and More“ (2000); Redaktion und Moderation der Sendung „Sandras Tier TV“ (2002/03). Seit Anfang 2000 ist sie
Mitarbeiterin in der Jugendschutzabteilung bei Premiere, wo sie Mitte 2003 die Leitung der
Abteilung übernahm.
Dr. Ulrich Spies
Dr. Ulrich Spies, geb. 1947, studierte Rechts- und Sozialwissenschaften in Frankfurt a. M.
und Göttingen. 1978–1981 war er Geschäftsführer der Gesellschaft für interdisziplinäre Sozialforschung in Berlin und seit Oktober 1981 Leiter des Referats Adolf Grimme Preis beim
Adolf Grimme Institut in Marl.
3
Anhang III: Kuratorium
Andrea Urban
Andrea Urban, geb. 1954, übte nach ihrem Studium der Germanistik und Politik fürs Höhere
Lehramt verschiedene Lehrtätigkeiten an Volkshochschulen und ähnlichen Bildungseinrichtungen aus. 1984 wurde sie Medienreferentin der Landesstelle für Jugendschutz in Hannover, wo sie 1985 die Leitung übernahm. Seit 1985 ist sie Jugendschutzsachverständige in den
Ausschüssen der FSK. Sie war von 1992 bis 2004 Mitglied des ZDF-Fernsehrates und ist Mitglied des Beirates ARTE-G.E.I.E.
Andrea Weller
Andrea Weller, geb. 1964, studierte Medienmarketing an der Bayerischen Akademie für
Werbung. Seit 1992 ist sie in der Fernsehbranche tätig, zunächst als Assistentin der Programmdirektion bei TELE 5, anschließend als Assistentin der Geschäftsleitung bei RTL 2.
Seit Januar 1994 ist sie Jugendschutzbeauftragte von RTL II.
Prof. Dr. Dieter Wiedemann
Professor Dieter Wiedemann, geb. 1946, studierte Dramaturgie, Theater- und Filmwissenschaft sowie pädagogischen Psychologie in Leipzig und Potsdam-Babelsberg. Seine Promotion und Habilitation befassten sich mit Themen der Film- und Kunstwirkungsforschung. Seit
1971 war er Mitarbeiter des Leipziger Zentralinstituts für Jugendforschung. Dort übernahm
er 1980 die Leitung der Abteilung „Kultur- und Medienforschung“. Seit 1990 ist er an der
Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg, wo er zunächst
das Institut für Medienforschung leitete. 1993 war er Gründungsbeauftragter des Studiengangs AV-Medienwissenschaft; seit 1995 ist er Professor für Medienwissenschaft. Im gleichen Jahr wurde er zum Rektor und im Jahr 2000 zum Präsidenten der HFF gewählt. Professor Wiedemann ist seit 1991 Mitglied und seit November 1999 Vorsitzender der Gesellschaft
für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK), er gehört der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) und weiteren wissenschaftlichen Gesellschaften an. Er war mehrfach Mitglied in nationalen und internationalen
Film- und Fernsehjurys (u. a. Adolf-Grimme-Preis), ist in den Kuratorien verschiedener
deutscher Film- und Fernsehfestivals und Autor zahlreicher Publikationen zu medienwissenschaftlichen und medienpädagogischen Themen, mit dem Schwerpunkt: Kinder- und
Jugendmedien.
4
Anhang IV:
Prüferinnen und Prüfer der FSF im Jahre 2004
Bernd Allenstein
Jg. 1947; Pädagoge; Referent beim Hamburger Senat für Kultur- und Medienarbeit.
Ursula Arbeiter
Jg. 1958; Diplomsozialpädagogin (FH), langjährige Erfahrung in der offenen Kinder- und
Jugendarbeit. Jugendschutzsachverständige für Baden-Württemberg bei der FSK. Fachreferentin für Medien bei der Aktion Jugendschutz, Landesarbeitstelle Baden-Württemberg.
Dr. Elke Baur
Jg. 1942; Filmemacherin, Autorin und Journalistin; Mitglied des Beirats der Film- und Mediengesellschaft (Filmförderung) Baden-Württemberg; diverse Gremientätigkeiten im Bereich Film und Fernsehen u.a. FBW u. FSK.
Ulrike Beckmann
Jg. 1964; Studium der Publizistik an der Freien Universität Berlin, Produktion von TVBeiträgen und der Dokumentation „Jugendschutz in Film und Fernsehen“. 1996 bis 2000 Jugendschutzbeauftragte bei Premiere; bis 2001 Leiterin Programmeinkauf bei der Helkon Media AG München; seit Sommer 2001 freiberufliche Tätigkeit als Beraterin für internationale
Kinoproduktionen und für das Media-II-Programm „Kids Storys“; seit 2002 Prüferin bei der
FSK.
Susanne Bergmann
Jg. 1961; Studium an der Hochschule der Künste Berlin, Staatsexamen als Kunsterzieherin,
1984–95 Dozentin im Jugendfilmstudio Berlin, seit 1995 freie Autorin u. a. für den Kinderfunk von SWR und SFB. Seit 2004 hauptamtliche Prüferin bei der FSF.
Nils Brinkmann
Jg. 1967; Studium der Publizistik, Kunstgeschichte, Soziologie. Seit 1991 Prüfer für die Öffentliche Hand bei der FSK, 2000–2002 Mitglied der FSK-Grundsatzkommission; 1994–1999
und seit 2002 Prüfer und Ausschussvorsitzender bei der FSF. 2000–2002 Dezernent für Programmaufsicht und Medienwissenschaft bei der Unabhängigen Landesanstalt für das Rundfunkwesen (ULR) Schleswig-Holstein, Kiel; seit 2003 stellvertr. Gutachter bei der Kurz- und
Spielfilmliste; seit 2004 Prüfer bei der FSM und hauptamtlicher Prüfer bei der FSF.
1
Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer
Dr. Wolfgang Brudny
Jg. 1925; Studium der Erziehungswissenschaften u. Publizistik; Mitbegründer u. langjähriges
Vorstandsmitglied des JFF – Institut für Medienpädagogik in Wissenschaft und Praxis; Produktionstätigkeit im FWU (Institut für Film und Bild in Wissenschaft u. Unterricht), zuletzt
als pädagogischer Leiter der Abteilung Produktion. Jurymitglied mehrerer Filmfestivals und
Fernsehpreise (u. a. Westdeutsche Kurzfilmtage, Adolf Grimme Fernsehpreis); medienpäd.
Seminararbeit im In- u. Ausland; freier Journalist; Prüfpraxis bei FBW u. FSK.
Dr. Hans Peter Buba
Jg. 1942; Soziologe an der Sozialwissenschaftlichen Forschungsstelle der Universität Bamberg; Mitarbeit bei jugendsoziol. Arbeiten wie der Shell-Jugendstudien; Studien zu Medien/TV-Konsum bei Kindern und Jugendlichen.
Michael Conrad
Jg. 1949; Studium der Sozial- und Medienpädagogik; Kultur- u. Medienarbeit, Organisation
von kulturellen Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche; Mitarbeit an Film- und Fernsehproduktionen; Jugendschutzsachverständiger für Hamburg bei der FSK.
Horst Dunkel
Jg. 1944; Hauptschullehrer (Deutsch, Geschichte/Politik, Informatik); aktiv in der Jugendkulturarbeit (Schwerpunkte: Fotografie, Videofilm, Computeranwendungen); Kinderschutzbund; Fortbildungen für Lehrer und Erzieher im Bereich Jugendschutz und Internet; Gutachter bei DT-CONTROL (Selbstkontrolle elektronischer Datenträger im Pressevertrieb); seit
1975 ehrenamtlicher Mitarbeiter bei der BPjM; Medienberater für den Erftkreis im Bereich
weiterführende Schulen.
Dr. Barbara Eschenauer
Jg. 1951; Studium der Publizistik, Germanistik und Pädagogik. 1978–1986 wissenschaftliche
Angestellte und Lehrbeauftragte an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz, 1986
Promotion. Seit 1987 Leiterin des Referats Medienpädagogik der Evangelischen Medienakademie im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP).
Klaus-Dieter Felsmann
Jg. 1951; Studium der Germanistik und Geschichte, freiberuflicher Publizist, Autor und Medienfachberater, Veranstaltungsmanagement, FSK Prüfer.
2
Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer
Michael Felstau
Jg. 1962; Studium der Philosophie, Germanistik u. vergleichenden Religionswissenschaft.
Multimedia-Autor (Konzeption und Programmierung von E-Learning- und Informationsanwendungen), Dozent für Multimedia-Drehbuch; bis 2001 Kinderfilmexperte bei einer Programmzeitschrift und dem Kinderfernsehfilmpreis "Emil"; bis 2002 Prüfer bei der FSK.
Prof. Dr. Franz Fippinger
Jg. 1932; Psychologe; ehem. Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Aktion Jugendschutz; Ehrenvorsitzender der Bundesgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz; Prüfer bei
der FSK.
Stefan Förner
Jg. 1965, Theologe, seit 2003 Pressesprecher im Erzbistum Berlin, Filmbeauftragter der Erzdiözese, auch Privatrundfunkbeauftragter, Organisation kirchlicher Aktivitäten in Zusammenhang mit der Berlinale, Mitglied in kirchlichen Jurys, Mitglied der Katholischen Filmkommission, FSK-Prüfer (bis 2003).
Dr. Ingrid Förschner
Jg. 1954; Oberfeldärztin bei der Bundeswehr; tätig in schulischen und außerschulischen Beiräten im Hinblick auf Auswirkungen des Medienkonsums auf Kinder und Jugendliche.
Burkhard Freitag
Jg. 1958; Studium der Psychologie in Heidelberg; seit 1996 wissenschaftlicher Angestellter an
der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.
Dr. Edith Gaida
Jg. 1942; seit 1973 medienpädagogisch tätig: bis 1990 am Zentralinstitut für Schulfunk und
Schulfernsehen an der Pädagogischen Hochschule Potsdam und ab 1991 am Medienpädagogischen Zentrum Land Brandenburg. Veröffentlichungen zum Thema „Medien und Gewalt“
als Schulfernsehbegleitheft und diverse Fortbildungen für Lehrkräfte zum Thema „Sprache
des Films, Filmanalyse, Gewalt in den Medien und Medienerziehung im Deutschunterricht.
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Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer
Angela Göpfert
Jg. 1980; Studium der Politikwissenschaften, Psychologie und VWL an der Universität
Mainz. Diverse Praktika im redaktionellen Bereich sowie in der Öffentlichkeitsarbeit, freie
Redakteurin für das ZDF. Seit 1999 Prüferin für die FSK und dort seit 2003 Vorsitzende der
Filmwirtschaft in den Arbeitsausschüssen.
Achim Hackenberg
Jg. 1969; Kameramann und Studium der Film- und Erziehungswissenschaft. Dissertation
zum Thema: „Filmverstehen als kognitiv-emotionaler Prozess – Ein Beitrag zur sozial- und
erziehungswissenschaftlichen Filmtheorie und Filmanalysemethodik“. Wissenschaftlicher
Mitarbeiter an der FU-Berlin im Rahmen eines DFG-Forschungsprojektes zur Medienrezeptionsforschung bei Jugendlichen.
Susanne Hagemann
Jg. 1973; Studium der Neueren deutschen Literatur, der Soziologie und Publizistik- und
Kommunikationswissenschaften (M.A.) in Göttingen und Berlin mit filmwissenschaftlichem
Schwerpunkt.
Dr. Manfred Hahn
Jg. 1951; Studium der Sozialpädagogik und der Erziehungswissenschaften in Darmstadt und
Frankfurt am Main; Promotion zum Thema „Horrorfilm und Jugendschutz“; mehrjährige
Lehrertätigkeit; Betriebspädagoge bei der Landeshauptstadt Saarbrücken; seit 1996 Jugendschutzsachverständiger bei der FSK.
Irmgard Hainz
Jg. 1954; Studium der Kommunikationswissenschaft, Journalistik, Psychologie (M.A.), Dipl.
Sozialpädagogin (FH); Referentin für Medienpädagogik und Jugendmedienschutz bei der
Landesarbeitsstelle Aktion Jugendschutz in Bayern; Redaktion der Fachzeitschrift „pro jugend“; Jugendschutzsachverständige für das Land Bayern bei der FSK; Mitglied im Bayerischen Filmgutachterausschuss.
Eva Hanel
Jg. 1974; Studium der Pädagogik, Hauptrichtung Jugendmedien und Bildungsmittel; Praktika bei der FSF, dem NDR und beim Kinderschutzbeauftragten im Ministerium für Frauen,
Jugend, Familie und Gesundheit des Landes NRW. Seit 2002 Pädagogische Mitarbeiterin der
Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen.
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Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer
Martina Hasselmann
Jg. 1957; Freie Presse- und TV-Journalistin; ehemalige Mitarbeiterin des Jugendmedienschutzprojektes „Jugendperspektiven in Berlin“ (JuPiB) mit dem Schwerpunkt Fernsehprogrammanalyse.
Dr. Susanne vom Hau
Jg. 1961; Studium der Soziologie, Psychologie, VWL sowie Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
an der Universität Hamburg. Lehraufträge an der Universität der Bundeswehr in Hamburg
und an der Universität Lüneburg, bis 1993 freie Mitarbeit bei einer Hamburger Filmproduktion (Dramaturgie und Lektorat); freiberuflich als Junior PM Assistentin für die Universal
Music Publ. tätig.
Christina Heinen
Jg. 1975; Studium der Soziologie; Filmkritikerin; Promotionsvorhaben über das Verhältnis
von Psychoanalyse und Kino; seit Mai 2003 Journalistenschule der Evangelischen Medienakademie. Seit 2004 hauptamtliche Prüferin bei der FSF.
Josefine Hempel
Jg. 1945; Pädagogin; Redakteurin beim Rundfunk der DDR; ehemalige Leiterin des Jugendschutzprojektes „Jugendperspektiven in Berlin“ (JuPiB).
Wolfgang Hentschel
Jg. 1930; Sozialpädagoge, Wirtschafts- u. Sozialwissenschaftler; 1965–1991 Leitung der Obersten Landesjugendbehörde in Bremen; Sachverständiger für Jugendschutz bei der FSK bis
Ende 2000, Bis Ende 2004 Ständiger Vertreter der OLJB bei der FSK.
Susanne Hetzer
Jg. 1967; Diplom-Sozialwissenschaftlerin; Studium der Soziologie und Gesellschaftswissenschaften an der Karl-Marx-Universität Leipzig, der Freien Universität und der HumboldtUniversität Berlin; Mitarbeiterin des Zentrums für Literaturforschung Berlin.
5
Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer
Ingrid Hillebrandt
Jg. 1962; Studium der Soziologie, Publizistik, Politikwissenschaft (MA); Referentin f. erzieherischen Kinder- und Jugendschutz., Schwerpunkt Medien; Redaktion „Kinder Jugend Gesellschaft“; Beisitzerin bei der BPjM.
Jürgen Hilse
Jg. 1947; Studien der Psychologie, Philosophie und Anglistik; Dipl.-Psychologe; Jugendschutzsachverständiger des Landes Nordrhein-Westfalen bei der FSK; Ständiger Vertreter
der Obersten Landesbehörden bei der Unterhaltungssoftware (USK).
Andreas von Hören
Jg. 1961; Medienpädagoge; Leiter des Medienprojektes der Stadt Wuppertal; freier Referent,
Publizist und Dokumentarfilmemacher.
Oliver Hoffmann
Jg. 1965; Studium der Medienwissenschaft, Germanistik und Politischen Wissenschaft. Ehemaliger Mitarbeiter im DFG-Projekt Medien der Universität Mannheim; Mitarbeit an div.
Medienwirkungsstudien; seit 1995 Creative Direktor beim Verlag Feder & Schwert, Mannheim.
Prof. Dr. Bernward Hoffmann
Jg. 1955; Studium der Erziehungswissenschaften und Theologie. Seit 1988 Professor für Medienpädagogik in der Ausbildung von Sozialarbeitern und Sozialpädagog(inn)en. Seit 1999
am Fachbereich Sozialwesen an der Fachhochschule Münster.
Anja Humberg
Jg. 1963; Studium der Publizistik, Slawistik und Ethnologie in Münster; ehemal. Referentin
für Programme und Öffentlichkeitsarbeit in der Hessischen Landesanstalt für privaten
Rundfunk, Vertretung der LPR Hessen im Arbeitskreis Jugendschutz und Programm der
Landesmedienanstalten; 1996–2000 Jugendschutzbeauftragte bei DF1, später Premiere.
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Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer
Univ.-Prof. Dr. Ludwig J. Issing
Jg. 1940; Psychologe und Erziehungswissenschaftler, Professur für Medienforschung am
Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin.
Edelgard Iven
Jg. 1947; Studium am Institut für Literatur in Leipzig; Tätigkeiten im Kunst- und Kulturbereich; Referentin für Literatur, Theater, Film in Potsdam; Redakteurin bei Rundfunk und
Zeitung; Öffentlichkeitsarbeit; FSK-Prüferin.
Dr. Reinhold Jacobi
Jg. 1941; Direktor der Katholischen Akademie Schwerte (1973–78), 1978–2001 Zentralstelle
Medien der Deutschen Bischofskonferenz (Filmreferent, Rundfunkreferent, seit 1992 Leiter
der Stelle), Sekretär der Publizistischen Kommission der Bischofskonferenz (1992–2001), diverse Funktionen im Filmbereich (FSK, FFA, FBW, Kuratorium junger deutscher Film, Jury
Deutscher Filmpreis u. Ä.), Prüfer bei der FSK, Mitglied der Katholischen Filmkommission.
Prof. Konrad Jentzsch
Jg. 1939; Studium der Kunst- und Werkpädagogik sowie Germanistik; seit 1985 Professor für
Kunstpädagogik an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig; Beisitzer der Gruppe „Kunst“ bei der BPjM.
Monika Käller-Vielhaber
Jg. 1941; Dozentin für audiovisuelle Kommunikation und Medienpädagogik an der Fachhochschule Köln, Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften. Unterrichtsschwerpunkte:
Videofilmen, Filmanalyse und Filmgespräch in der sozialpädagogischen Praxis.
Ralf Knobloch
Jg. 1958; Studium der Soziologe, Politikwissenschaft und Sozialpsychologie; wissenschaftlich-pädagogischer Mitarbeiter beim bundesweiten Schülerfilm- und Videozentrum Hannover; Jurymitglied bei Bundeswettbewerb Jugend u. Video; Gutachter für die Niedersächsische Landesstelle Jugendschutz; Medienreferent beim Medienpädagogischen Zentrum in
Hannover; Initiator und Leiter der „Medientage Zukunft, Umwelt und Entwicklung – Media
21“; seit 2004 Jugendschutzsachverständiger des Landes Niedersachsen bei der FSK.
7
Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer
Christina Koenig
Jg. 1958; Studium der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation/audiovisuelle Kommunikation/Film an der Hochschule der Künste, Berlin und der UFF Rio de Janeiro; Filmemacherin; Buch- und Drehbuchautorin für Kinder und Jugendliche.
Ingelore König
Jg. 1960; Geschäftsführerin der Kinderfilm GmbH (Film- und TV-Produktion); freie Autorin;
Herausgeberin verschiedener Publikationen (Film und Fernsehen; Medienpädagogik). Stellvertretende Vorsitzende des Filmverbandes Brandenburg; Mitglied im Beirat des Filmboard
Berlin-Brandenburg GmbH.
Dr. Torsten Körner
Jg. 1965; Studium der Germanistik und Theaterwissenschaften; verschiedene ehrenamtliche
Tätigkeiten, z.B. Medienarbeit mit straffälligen Jugendlichen, Betreuung von Senioren; seit
1992 diverse journalistische Veröffentlichungen u. a. für „Funkkorrespondenz“, seit 2000
Fernsehkritiker für die „Berliner Zeitung“ und freier Buchautor (u. a. das Jugendbuch „Die
Geschichte des Dritten Reiches“, „Ein guter Freund“, Rühmann-Biografie), 2000–2002 Mitglied der Nominierungskommission und Jury des Adolf-Grimme-Preises.
Ute Kortländer
Jg. 1965; Diplompädagogin, Schwerpunkt Medienpädagogik; seit 1991 Mitarbeiterin der
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM).
Klaudia Kremser
Jg. 1967; Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Völkerkunde und Geschichte an der Universität Wien; seit 1995 Mitglied des Wiener Filmbeirats als Vertreterin
der Jugendorganisationen, seit 1998 Mitglied der Jugendfilmkommission beim Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur; seit 2000 Prüferin bei der FSK.
Gabriele Kriegs
Jg. 1958; ehemalige freie Mitarbeiterin beim SFB (Kinder- und Kirchenfunk); Leiterin des
Frauenhauses beim Caritasverband für Berlin e.V.; Mitglied des Vereins Kommunales Kino
Spandau.
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Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer
Dr. Thomas Kroll
Jg. 1958, Dipl. Theologe (Dissertation über Wim Wenders), wiss. Mitarbeiter am Seminar für
Pastoraltheologie, freiberuflich tätig in der Bildungsarbeit (u. a. Filmseminare), Kommunikationstrainer, seit 1997 als Supervisor tätig, Mitglied der Katholischen Filmkommission, diverse Veröffentlichungen zu Filmthemen.
Heike Kühn
Jg. 1963; Studium der Germanistik, Film-, Fernseh-, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte; freie Journalistin im Film- und Theaterbereich; FSK-Prüferin.
Dr. Marc Liesching
Jg. 1972; Rechtsanwalt in München; vormals Wissenschaftlicher Assistent am Institut für
Strafrecht, Strafprozessrecht u. Kriminologie an der Universität Erlangen; Jugendschutzbeauftragter bei einem Onlineprovider; Verfasser des Beckschen Kommentars zum Jugendschutzrecht.
Ruth Liffers
Jg. 1961; Diplompädagogin; bis 2002 Referentin für außerschulische Kinder- und Jugendmedienarbeit/Sozialpädagogik beim Medienpädagogischen Zentrum Brandenburg/Lisum;
1994-2002 Jugendschutzsachverständige (Brandenburg) bei der FSK; seit 2004 Vertreterin der
Öffentlichen Hand bei der FSK.
Wolfgang Lindemeyer
Jg. 1951; Referent beim Senator für Inneres, Kultur und Sport in Bremen; Tätigkeiten in den
Bereichen Jugendförderung, Jugend-Erziehungshilfe, Jugendschutz, und sozial-kulturelle
Bildungsarbeit; 1977–1998 Vertreter für das Land Bremen bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, 1984–1993 Sachverständiger für Jugendschutz bei der FSK, seit
1994 für die öffentliche Hand Gremienmitglied der FSK.
Thomas Luttermann
Jg. 1961; Politologe; ehem. Dozent für Medientheorie und -praxis beim Projekt Jugendperspektiven in Berlin (JuP iB); Honorardozent für aktive Medienarbeit und freier Mitarbeiter
bei Videoproduktionen.
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Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer
Norbert Mehmke
Jg. 1954; Jugendbildungsreferent im Jugendhof Idingen; Schwerpunkt Medienarbeit; Vorsitzender der LAG Jugend und Film Niedersachsen: Kinder- und Jugendfilmarbeit, Medienprojekte; stellv. Vorsitzender des Bundesverbandes Jugend und Film; FSK-Prüfer.
Reinhard Middel
Jg. 1953; Medienpädagoge, ehemal. Mitarbeiter im Fachreferat Film des Gemeinschaftswerks
der Evangelischen Publizistik (GEP) mit dem Schwerpunkt "Kino und Kirche", Prüfer bei der
FSK.
Gerald Ferro Miesera
Jg. 1952; Studium der Germanistik und Anglistik; Heilpraktiker für Psychotherapie; Mitarbeit bei Filmfestivals (u.a. Internationale Filmfestspiele Berlin, Deutsches Kinder-Film &
Fernseh-Festival „Goldener Spatz“ Gera) und internationalen Film-Koproduktionsmessen;
1999–2001 Tätigkeit in der Produktion bei Zieglerfilm Köln.
Claudia Mikat
Jg. 1965; Studium der Erziehungswissenschaften/Medienpädagogik; freiberufliche Medienpädagogin in der Kinder- und Jugendarbeit; Dozentin in der Erwachsenenbildung; verschiedene Lehraufträge für Medienpädagogik und Jugendschutz; 1994–2001 Leiterin der FSFGeschäftsstelle; seit 2001 hauptamtliche Prüferin und Vorsitzende der Prüfausschüsse bei der
FSF.
Prof. Dr. Lothar Mikos
Jg. 1954; Soziologe; seit 1981 Lehrtätigkeiten an verschiedenen Hochschulen und Arbeit in
der Lehrerfortbildung im Bereich Medien; Durchführung von Drehbuchseminaren und Untertitelung von Filmen und Serien; Professur für Fernsehwissenschaft an der Hochschule für
Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg.
Helmut Morsbach
Jg. 1946; Archivar, langjähriger Mitarbeiter im Bundesarchiv/ Filmarchiv (zuletzt als Referatsleiter), seit Juli 2003 Vorstand der DEFA-Stiftung, stv. Vorsitzender der Katholischen
Filmkommission, Prüfer bei der FSK.
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Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer
Isolde Mozer
Philologin, Koordinatorin der Kommission zur Entwicklung des Curiculums für den Studiengang der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften an der Universität Frankfurt am
Main, Print- und Hörfunkpublizistin u. a. zum Film, langjährige Prüferin bei der FSK.
Milan Nešpor
Jg. 1955; Studium der Psychologie und Sozialwissenschaften; seit 1990 Mitarbeiter der Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen.; Lehrbeauftragter für Sexualpädagogik an der Universität Hannover; Dolmetscher/Übersetzer; FSK-Prüfer.
Dr. Frank Niggemeier
Jg. 1961; Studium der Philosophie, Psychologie, Vergleichenden Religionswissenschaft und
Germanistik; seit 1990 im Bundesgesundheitsministerium, seit 2000 zum Auswärtigen Amt
abgeordnet; Beschäftigung mit Fragen des Jugendschutzes im Zusammenhang mit AIDSPräventionskonzepten und Gewalt verherrlichenden oder verharmlosenden Medien.
Christian Nitsche
Jg. 1967; Diplom-Psychologe; Betreuung seelisch Behinderter und verhaltensauffälliger Kinder und Jugendlicher; Beratung von Mitarbeitern im Umgang mit seelisch Behinderten; Krisenberatung und -intervention; Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten; Prüfer bei der FSK.
Walburga Raeder
Jg. 1950; Lehrerin für Musik und Deutsch; ehemal. Mitarbeiterin des Jugendschutzprojektes
„Jugendperspektiven für Berlin“ (JuPiB) mit den Schwerpunkten Horror- und Gewaltvideos,
Pornografie; Multiplikatorentätigkeit; Produktion von Dokumentarfilmen.
Christian Rink
Jg. 1938; bis zur Pensionierung im Jahr 1998 Seminarleiter am Staatlichen Studienseminar der
FH Hamburg (Geschichte, Politische Bildung); 1981–86 Mitglied im NDR-Rundfunkrat;
1986–98 Mitglied der Hamburgischen Anstalt für neue Medien.
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Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer
Carmen Rosenthal
Jg. 1954; Musikwissenschaftlerin; Mitarbeiterin bei RISM (Internationales Quellenlexikon der
Musik); seit 1992 Vertreterin des Sächsischen Frauenforums in der Versammlung der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM); Vorsitzende der Versammlung der SLM.
Detlef Ruffert
Jg. 1943; Diplom-Pädagoge, Sozialarbeiter; 1966–1980 Kreisjugendpfleger; seit 1980 Geschäftsführer des Landesfilmdienstes Hessen.
Thomas Russow
Jg. 1963; Studium der Germanistik, Erziehungs- und Medienwissenschaft; Mitarbeit im ehemaligen DFG-Projekt Medien der Universität Mannheim.
Ingo Sanftleben
Jg. 1965; Studium der Kommunikationswissenschaften/Journalistik und Dramaturgie/Regie;
nach Auslandsstudien an den Universitäten von Dhakar und Wales Tätigkeiten als Journalist
im Medienbereich, in Medienproduktionsgesellschaften und in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit; seit 1997 Öffentlichkeitsarbeit für die Stadt Leipzig.
Udo Schmidt
Jg. 1955; Studium der Sozialpädagogik; Zusatzausbildung Management; Berufstätigkeit im
Bereich der Jugendarbeit und Jugendhilfe; seit 1985 Angestellter im Bayerischen Landesjugendamt; Geschäftsführung des Bayerischen Filmgutachterausschusses, Prüfer bei der FSK
und Länderbeisitzer Bayerns bei der BPjM.
Dorothee Schnatmeyer
Jg. 1963; Studium der Pädagogik; freiberufl. Medienpädagogin in der Kinder- und Jugendarbeit; Mitarbeit an verschiedenen Forschungsprojekten (z.B. über Tonkassettenmarkt für Kinder, Kinder und Werbung); 1996–2001 Jurymitglied beim Deutschen Jugendvideopreis des
Kinder- und Jugendfilmzentrums (KJF) Remscheid; 1998–2002 wissenschaftl. Referentin in
der GMK-Geschäftsstelle; Lektorat und Herausgabe von Publikationen zu verschiedenen
Medienthemen, u. a. zu Infotainment, neue Medien, Kinderalltag und Werbung.
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Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer
Dr. Bernadette Schnorr
Jg. 1967; Erzieherin, Diplom-Sozialpädagogin mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik,
Doktorandin der Erziehungswissenschaften; langjährige Tätigkeit als Medienpädagogin
beim Landesfilmdienst Rheinland-Pfalz; Sprecherin der GMK-Landesgruppe RheinlandPfalz.
Christiane Schöwer
Jg. 1948; Studium der Pädagogik, Soziologie u. Psychologie (Schwerpunkt Medien); 1986–90
Begleitforschung zum Kabelpilotprojekt Berlin (Schwerpunkt Kinderalltag-Medienalltag);
1987–91 FSK-Prüferin; Aufbau u. Leitung der Offenen Kanäle Wolfsburg/Braunschweig
(1996) und Offenbach/Frankfurt (seit 1997).
Vanessa Ariane Schweihofer
Jg. 1970; Studium der Pädagogik an der Universität Augsburg, Schwerpunkte: Medienwirkungsforschung, Medienaufklärung, Jugendmedienschutz; Praktikum bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien.
Bernd Schwering
Jg. 1945; Studium der Angewandten und Freien Grafik sowie der Bildenden Kunst, Lehrtätigkeit an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz; freischaffender Künstler; FSK-Prüfer.
Dieter Spürck
Jg. 1966; Rechtsanwalt im Oberlandesgerichtsbezirk Köln, Mitglied der Juristenkommission
in der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft, Rechtsreferent bei der Arbeitsgemeinschaft
Kinder und Jugendschutz in NRW, Kommissarischer Ständiger Vertreter der Obersten Landesjugendbehörde bei der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle; Mitarbeit beim Aufbau
der staatlichen Jugendschutzeinrichtung für die neuen Informations- und Kommunikationsdienste „jugendschutz.net“.
Stefan Strauß
Jg. 1968; Studium der Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin, Aufbaustudium Medienberatung an der Technischen Universität Berlin (Schwerpunkte: Fernseh- u.
Filmanalyse, Medienpsychologie); Diplomarbeit zum Thema „Talkshows im deutschen
Fernsehen“; freier Journalist.
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Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer
Matthias Struch
Jg. 1969; Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und der Klassischen Archäologie; Mitarbeiter am Filmmuseum Potsdam; Prüfer bei der FSK.
Lothar Strüber
Jg. 1943, Dipl. Theologe, seit 1981 Leiter der Medienstelle im Erzbistum Freiburg, Mitglied
der Katholischen Filmkommission sowie in verschiedenen Gremien der kirchlichen Medienarbeit, Kinoarbeit (Veranstaltungsreihen) und Festivalarbeit (Mitglied kirchlicher Jurys), Prüfer bei der FSK.
Dieter Strunz
Jg. 1933; bis 1996 Ressortleiter Feuilleton und Film der Berliner Morgenpost; danach Kulturkorrespondent, freier Autor; Prüfer bei der FSK.
Jörg Tänzer
Jg. 1963; Jurist (Studienschwerpunkt Medienrecht); 1986-88 Bundesvorsitzender des Jugendwerks der Arbeiterwohlfahrt; 1992-98 stellvertretendes Mitglied im Landesjugendhilfeausschuss des Landes Brandenburg und Gründungsvorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Aktion Jugendschutz in Brandenburg; Prüfer bei der FSK.
Friederike Tilemann
Jg. 1967; Diplompädagogin (Schwerpunkte: Medien-, Kultur- und Sozialpädagogik,
Erwachsenenbildung, Unternehmenstheater); Partnerin bei SoVal – Netzwerk für
Beratung, Lernen & Entwicklung, Mitbegründerin des medien- und kulturpädagogischen Vereins „Blickwechsel“; freie Mitarbeiterin beim Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) beim Bayerischen Rundfunk,
wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Erziehungswissenschaften an der PH
Heidelberg (Medienpädagogik), Stellvertretende Leiterin des Audiovisuellen Zentrums der Pädagogischen Hochschule.
Tatjana Trögel
Jg. 1949; Journalistin; Redakteurin im Bereich Kultur und Feuilleton; ehemal. Mitarbeiterin
im Jugendmedienschutzprojekt „Jugendperspektiven in Berlin“ (JuPiB), Schwerpunkt: Medienarbeit mit Jugendlichen; Aufbau u. Betreuung eines Jugendmedienzentrums in Wandlitz.
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Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer
Peter Uhlig
Jg. 1928; Studium der Soziologie, Wirtschaftswissenschaften, Pädagogik an der Universität
Heidelberg, München und Hamburg; 1973–1993 Leiter des Fachreferats Fernsehen, Film und
Medienpädagogik der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg; Lehraufträge an den Universitäten Heidelberg und Leipzig. Prüfer und Vorsitzender in den Arbeitsund Hauptausschüssen der FSK.
Peter Wagener
Jg. 1955; Diplom-Pädagoge; Abteilungsleiter der Caritas Berlin e.V., zuständig für Migration
und Wohnungslosenhilfe; ehem. FSK-Prüfer; ehem. SFB-Rundfunkrat.
Dr. Claudia Wegener
Jg. 1970; Studium der Pädagogik und Psychologie an der Universität Bielefeld. Dissertation
über Informationsprogramme im dualen Rundfunksystem. Seit 2001 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Medienpädagogik der Universität Bielefeld. Arbeitsscherpunkte: Jugendforschung, Medienkompetenz und qualitative Methoden. Stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums „Kinder und Jugendfilmzentrum Remscheid“. Sprecherin der GMKFachgruppe „Qualitative Medienforschung“; freiberufliche Tätigkeiten für das AdolfGrimme-Institut (Marl) und das mmb – Institut für Medien- und Kompetenzforschung (Essen).
Roland Wicher
Jg. 1973; Studium der evangelischen Theologie, Kunstgeschichte und Religionswissenschaft
in Frankfurt am Main und Berlin; Dissertation über Filmgewalt an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin; Publikationen zu Film, Medien und Filmgewalt; Mitglied kirchlicher Jurys bei Filmfestivals in Oberhausen und Mannheim.
Frauke Wiegmann
Jg. 1952; Studium der Sozialpädagogik und Soziologie; Diplom-Soziologin; seit 1985 Leiterin
des Referats Medienarbeit beim Amt für Jugend Hamburg; seit 1985 BPjM- und FSKPrüferin.
Silvia Wilhelm
Jg. 1969; Studium der Publizistik; Diplomarbeit über BPjM und FSK; freie Journalistin.
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Anhang IV: Prüferinnen und Prüfer
Margit Witzke
Jg. 1969; Studium der Erziehungswissenschaften; freiberufliche Medienpädagogin in verschiedenen Arbeitsfeldern; Lehraufträge an der Universität Leipzig; Sprecherin der Fachgruppe „Kinder und Jugendliche“ der GMK; Seit 2003 Bereichsleiterin Jugend und Familie
beim Humanistischen Verband Deutschlands, Landesverband Berlin e.V.
Prof. Ernst Zeitter
Jg. 1924; emeritierter Professor für Medienpädagogik an der PH Heidelberg; Medienpraxis
beim Südwestfunk (Schulfunkredaktion), beim Institut für Film und Bild in Wissenschaft
und Unterricht (FWU); zahlreiche Projekte der medienpädagogischen Forschung für Landesund Bundesministerien; Prüfpraxis in der FBW und FSK.
Meinhard Zumfelde
Richter am Arbeitsgericht Gelsenkirchen; Jugendschutzsachverständiger für NordrheinWestfalen bei der FSK; Mitglied der Juristenkommission der SPIO; Leiter des Kinos ONIKON in Herdecke; Gast bei der französischen Filmprüfstelle in Paris.
Renate Zylla
Jg. 1955; Studium der Pädagogik (Schwerpunkt Medienpädagogik) und Sozialarbeit. Tätigkeiten als Sozialarbeiterin und Jugendberaterin; 1988–2002 Leiterin des Kinderfilmfestivals
der Internationalen Filmfestspiele Berlin; seit 1993 Supervisorin beim Kinderfilmfest in Tokyo/Japan und seit 2003 Ehren-Direktorin des Festivals; seit Februar 2003 Lektorin für den
SWR: Kinder- und Familienprogramm; seit Mai 2004 Lektorin für das Kinderprogramm des
WDR; Organisation von Kinderfilmprojekten im In- und Ausland; Offizielle Beraterin des
Children und Youth Film Festival Buenos Aires seit 2004. Prüferin bei der FSK seit 1991.
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Anhang V:
Prüfordnung der FSF vom 01.09.2003
Prüfordnung der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen e.V.
(PrO-FSF)
I. Prüfung von Programmen vor der Sendung
§ 1 Vorlagepflicht
§ 2 Antragsrecht
§ 3 Prüfantrag
§ 4 Verfahren der Geschäftsstelle
§ 5 Zuständigkeit der Prüfausschüsse
§ 6 Besetzung der Prüfausschüsse
§ 7 Hauptamtliche Prüfer
§ 8 Bindung an Prüfkriterien
§ 9 Rechte des zur Sitzung des Prüfausschusses erschienenen Antragstellers
§ 10 Mehrheitsentscheidung
§ 11 Prüfrahmen
§ 12 Auflagen
§ 13 Prüfgutachten
§ 14 Einzelprüfer
§ 15 Zuständigkeit juristischer Sachverständiger
§ 16 Verfahren der Geschäftsstelle nach der Prüfung
§ 17 Weitergabe der Prüfgutachten
§ 18 Vertrauliche Prüfungen
§ 19 Recht zur Berufung
§ 20 Besetzung der Berufungsausschüsse
§ 21 Besonderheiten des Berufungsverfahrens
§ 22 Begründung der Berufungsentscheidung
§ 23 Geltung der Vorschriften über den Prüfausschuss
§ 24 Berufung gegen Entscheidungen juristischer Sachverständiger
§ 25 Prüfung durch das Kuratorium
§ 26 Geltung der Prüfentscheidungen für inhaltsgleiche Programme
§ 27 Erneute Vorlage
§ 28 Allgemeine Prüfgrundsätze
§ 29 Unzulässige Sendungen gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 11 und
Absatz 2 Nummer 1 und 2 JMStV
§ 30 Unzulässige Sendungen gemäß § 4 Absatz 2 Nummer 3 JMStV
§ 31 Kriterien für die Platzierung
§ 32 Prüfung von Serien
II. Prüfung von Programmen nach der Sendung
§ 33 Prüfung auf Antrag
§ 34 Prüfung ohne Antrag
§ 35 Besonderheiten bei nachträglicher Prüfung
§ 36 Recht zur Berufung und zur Anrufung des Kuratoriums
§ 37 Entsprechend anzuwendende Vorschriften
III. Schlussvorschriften
§ 38 Inkrafttreten
Prüfordnung der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen e.V.
(PrO-FSF)
I. Prüfung von Programmen vor der Sendung
§ 1 Vorlagepflicht
Die ordentlichen Mitglieder der FSF, die Fernsehprogramme veranstalten, die nicht
Telemedien sind, legen alle Programme, die im Hinblick auf die geplante Sendezeit
unter den Gesichtspunkten des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) und
der hierzu erlassenen Satzungen nicht offensichtlich unbedenklich sind, der FSF vor
der Ausstrahlung zur Entscheidung vor. Näheres regelt die Vorlagesatzung.
§ 2 Antragsrecht
(1) Berechtigt, Prüfanträge zu stellen, sind die ordentlichen Mitglieder der FSF.
Nichtmitglieder sind nach Maßgabe der Satzung antragsberechtigt. Antragsberechtigte, die einen Jugendschutzbeauftragten bestellt haben, üben ihr Recht durch
diesen aus.
(2) Antragsberechtigt sind auch die Mitglieder des Kuratoriums. Stellt ein Mitglied des
Kuratoriums einen Prüfantrag, so sind die für den Antragsteller geltenden Vorschriften der §§ 3, 4 Absatz 1; 9, 11, 14 bis 16 und 19 auch auf den von der Prüfung Betroffenen anzuwenden. Die für den Antragsteller geltenden Bestimmungen der §§ 12,
17 Absatz 2 und 18 gelten in diesem Fall nur für den von der Prüfung Betroffenen.
§ 3 Prüfantrag
(1) Der Antrag auf Prüfung ist an die Geschäftsstelle der FSF zu richten. Er enthält
die wesentlichen Daten zur Identifizierung des Programms sowie die vom Antragsteller angestrebte Prüfentscheidung.
(2) Der Antragsteller hat das Recht, seinen Antrag schriftlich und mündlich zu begründen.
1
§ 4 Verfahren der Geschäftsstelle
(1) Nach Eingang eines Prüfantrags sorgt die Geschäftsstelle der FSF dafür, dass
eine Prüfung innerhalb eines angemessenen Zeitraums, der in der Regel nicht mehr
als eine Woche betragen soll, durchgeführt wird. Sie teilt dem Antragsteller den Termin der Prüfung mit.
(2) Stellt ein Mitglied des Kuratoriums einen Prüfantrag, so übersendet die Geschäftsstelle dem von der Prüfung Betroffenen eine Kopie des Antrags und gibt ihm
Gelegenheit, hierzu in angemessener Frist Stellung zu nehmen. Die Geschäftsstelle
übersendet dem Mitglied des Kuratoriums eine Kopie der Stellungnahme.
§ 5 Zuständigkeit der Prüfausschüsse
Sofern nachfolgend nichts anderes bestimmt ist, sind für die Programmprüfungen die
Prüfausschüsse der FSF zuständig.
§ 6 Besetzung der Prüfausschüsse
(1) In die Liste der Prüfer der FSF nimmt das Kuratorium Personen auf, die durch ihre berufliche Erfahrung oder durch ihre Ausbildung Gewähr für eine hohe Qualität der Prüfentscheidungen und -gutachten bieten. Bei ihrer Auswahl werden auch Angehörige gesellschaftlicher
Gruppen berücksichtigt, die sich in besonderer Weise mit Fragen des Jugendschutzes befassen. Die Prüfer werden für die Dauer von 2 Jahren bestellt. Wiederbestellung ist zulässig.
(2) Die Prüfer dürfen nicht bei ordentlichen Mitgliedern der FSF, ihren Anteilseignern oder
Programmlieferanten beschäftigt sein. An der Prüfung von Programmen, die von Nichtmitgliedern vorgelegt worden sind, dürfen Prüfer, die bei ihnen, ihren Anteilseignern oder Programmlieferanten beschäftigt sind nicht mitwirken.
(3) Die Prüfausschüsse sind mit 5 Prüfern besetzt. Sie werden von der Geschäftsstelle am
Ende eines Jahres auf Grund der Meldungen der Prüfer für alle Prüfwochen des folgenden
Jahres zusammengestellt. Hat sich für eine Prüfwoche mehr als die erforderliche Zahl von
Prüfern gemeldet, so achtet die Geschäftsstelle bei der Zusammenstellung des Prüfausschusses darauf, dass alle Prüfer der FSF im Laufe eines Jahres möglichst gleichmäßig berücksichtigt werden. Hat sich für eine Prüfwoche eine zu geringe Zahl von Prüfern gemeldet,
sind Mitglieder eines Prüfausschusses verhindert oder müssen im Jahresplan nicht vorgesehene zusätzliche Prüfausschüsse gebildet werden, so fragt die Geschäftsstelle abwechselnd
in alphabetischer und umgekehrter Reihenfolge der Prüferliste bei den Prüfern an, ob sie zur
Verfügung stehen. Hat ein Prüfer zugesagt, so fährt sie bei weiteren Anfragen mit dem nach
dem in Satz 4 genannten Verfahren auf ihn folgenden Prüfer fort. Auch bei Anfragen nach
Satz 4 und 5 achtet die Geschäftsstelle darauf, dass alle Prüfer im Laufe eines Jahres möglichst gleichmäßig berücksichtigt werden. Die Geschäftsstelle achtet ferner darauf, dass den
Prüfausschüssen die zur Einhaltung der Frist des § 16 Satz 2 erforderliche Zahl von Vorsitzenden angehört.
(4) Den Vorsitz im Ausschuss führen Prüfer, die von den Vorsitzenden des Kuratoriums hierfür bestellt worden sind. Sind zwei oder mehr Mitglieder eines Prüfausschusses als Vorsitzende bestellt, so wählt der Ausschuss eines von ihnen mit einfacher Mehrheit zum Vorsitzenden.
2
§ 7 Hauptamtliche Prüfer
(1) Hauptamtliche Prüfer im Sinne des § 13 Absatz 4 der Satzung der FSF sollen regelmäßig
an den Programmprüfungen teilnehmen und auf eine einheitliche Spruchpraxis der Prüfgremien hinwirken.
(2) Beschäftigt die FSF keine hauptamtlichen Prüfer oder sind diese verhindert, so werden
die ihnen in § 27 Absatz 1 und 2 und § 33 zugewiesenen Aufgaben von Vorsitzenden von
Berufungsausschüssen wahrgenommen, die von den Vorsitzenden des Kuratoriums hierfür
bestellt worden sind.
§ 8 Bindung an Prüfkriterien
Die Prüferinnen und Prüfer sind in ihrem Abstimmungsverhalten unabhängig und nur
an die Bestimmungen des JMStV, die dazu erlassenen Satzungen, Richtlinien und
diese Prüfordnung gebunden.
§ 9 Rechte des zur Sitzung des Prüfausschusses erschienenen Antragstellers
Ist der Antragsteller oder sein Vertreter zur Sitzung des Prüfausschusses erschienen, so
kann er vor oder nach der Sichtung des Programms durch den Ausschuss mündlich Stellung
nehmen. Zur Beratung und Abstimmung sind nur die Mitglieder des Ausschusses zugelassen. Nach der Entscheidung unterrichtet der Vorsitzende des Ausschusses den erschienenen Antragsteller oder dessen Vertreter unverzüglich über deren Inhalt.
§ 10 Mehrheitsentscheidung
Der Prüfausschuss entscheidet mit einfacher Mehrheit. Stimmenthaltung ist unzulässig.
§ 11 Prüfrahmen
(1) Beantragt der Antragsteller die Freigabe eines Programms für eine bestimmte
Sendezeit oder Sendezeitschiene (§ 30 Absatz 2 Nummer 1 bis 4), so entscheidet
der Ausschuss zunächst darüber, ob es für die beantragte Zeit oder Zeitschiene ohne
oder mit Schnitt- oder sonstigen Auflagen freizugeben ist. Kann das Programm ohne
Auflagen freigegeben werden, so entscheidet er auch darüber, ob es für eine frühere
als die beantragte Zeit oder Zeitschiene zuzulassen ist. Ist eine Freigabe gemäß Satz
1 nicht möglich, so entscheidet der Ausschuss darüber, ob das Programm ohne oder
mit Auflagen für eine spätere Sendezeit oder Sendezeitschiene zugelassen wird.
(2) Abweichend von Absatz 1 wird eine Entscheidung über eine andere als die beantragte Sendezeit oder Sendezeitschiene oder über eine Freigabe mit Schnittauflagen
nicht getroffen, wenn der Antragsteller seinen Antrag ausdrücklich entsprechend beschränkt.
3
§ 12 Auflagen
(1) Mit Zustimmung des Antragstellers kann der Ausschuss die Freigabe eines Programms für eine bestimmte Sendezeit oder Sendezeitschiene oder in einer bestimmten Fassung auch mit anderen als Schnittauflagen verbinden.
(2) Ist ein Ausschuss, der erwägt, ein Programm mit Schnittauflagen zuzulassen, der
Ansicht, diese Entscheidung erst auf Grund der entsprechend geschnittenen Fassung treffen zu können, so kann er dies dem Antragsteller mitteilen und ihn zur Vorlage der Schnittfassung auffordern. Der Ausschuss kann in diesem Fall auch die Zulassung des Programms unter Schnittauflagen vorläufig beschließen und den Vorsitzenden ermächtigen, auf Grund der Schnittfassung zu entscheiden, ob der Beschluss in Kraft treten soll. Setzt der Vorsitzende den Beschluss nicht in Kraft, so
veranlasst die Geschäftsstelle eine erneute Prüfung. An dieser sollen möglichst viele
Mitglieder des Ausschusses mitwirken, der die vorläufige Entscheidung getroffen hat.
§ 13 Prüfgutachten
(1) Das Prüfgutachten ist vom Vorsitzenden des Prüfausschusses schriftlich abzufassen. Es besteht aus der Prüfentscheidung, einer Angabe des für die Entscheidung
wesentlichen Inhalts des Programms sowie einer Begründung. Bei der Abfassung
der Gutachten ist die besondere Bedeutung zu berücksichtigen, die ihnen auf Grund
des JMStV zukommt.
(2) Die Prüfentscheidung enthält die für die Identifizierung des Programms erforderlichen
Angaben und spricht aus, ob und für welche Sendezeit oder Sendezeitschiene es zur Sendung freigegeben wird. Bei einer Freigabe unter Schnitt- oder anderen Auflagen (§ 12) sind
diese in der Entscheidung genau und vollständig anzugeben.
(3) Die Begründung muss die für die Entscheidung maßgeblichen Erwägungen enthalten und
angeben, auf welchen Bestimmungen des JMStV, der dazu erlassenen Satzungen oder dieser Prüfordnung sie beruht.
(4) Ist ein Ausschuss der Ansicht, Änderungen eines Programms, über die er in seiner Sitzung weder abschließend noch gemäß § 12 Absatz 2 entscheiden konnte,
könnten zu einer Entscheidung führen, die für den Antragsteller günstiger als die getroffene ist, so weist er in der Begründung seiner Entscheidung darauf und auf die Art
dieser Änderungen hin.
§ 14 Einzelprüfer
(1) Liegen zu Serien oder anderen wiederkehrenden Programmen bereits Prüfgutachten der FSF vor, so kann der hauptamtliche Prüfer eine vorgelegte Folge auf begründeten Vorschlag des Antragstellers einem Einzelprüfer zuweisen. Dasselbe gilt,
wenn die Beurteilung eines Programms auf Grund der Spruchpraxis der FSF unzweifelhaft und eine Entscheidung durch einen Prüfausschuss oder einen juristischen
Sachverständigen nicht erforderlich erscheint oder Anträge gemäß § 9 Absatz 1
4
JMStV für Programme gestellt werden, deren Bewertung mehr als 20 Jahre zurückliegt.
(2) Einzelprüfer können nur Prüfer sein, die zu Vorsitzenden von Prüf- oder Berufungsausschüssen bestellt sind.
(3) Folgen von Serien oder anderen wiederkehrenden Programmen sollen Einzelprüfern zugewiesen werden, die mit der Beurteilung solcher Programme besondere Erfahrung haben. Hat ein Einzelprüfer bereits Folgen einer bestimmten Serie oder eines bestimmten wiederkehrenden Programms begutachtet, so sollen ihm auch weitere vorgelegte Folgen zugewiesen werden.
(4) Hat der Einzelprüfer Zweifel, ob oder für welche Sendezeit oder mit welchen Auflagen das Programm zuzulassen ist, so gibt er die Sache mit einer schriftlichen Begründung an die Geschäftsstelle zurück. Die Geschäftsstelle teilt dies dem Antragsteller mit und führt die Entscheidung eines Prüfausschusses herbei. Der Antragsteller und der Prüfausschuss erhalten Kopien der Begründung, mit der der Einzelprüfer
sich einer Entscheidung über das Programm enthalten hat.
(5) Gegen eine Entscheidung des Einzelprüfers kann der Antragsteller einen Prüfausschuss anrufen. §§ 19 und 25 bleiben unberührt.
(6) Im Übrigen gelten für die Prüfungen durch Einzelprüfer die Bestimmungen über
Prüfungen und Entscheidungen von Prüfausschüssen entsprechend.
§ 15 Zuständigkeit juristischer Sachverständiger
(1) Über die Unzulässigkeit eines Programms gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1
bis 6, 8 und 9 JMStV entscheiden Sachverständige, die die Befähigung zum Richteramt besitzen müssen (juristische Sachverständige), als Einzelprüfer. Sie werden vom
Kuratorium im Einvernehmen mit dem Geschäftsführer bestellt und im Einzelfall mit
der Prüfung beauftragt.
(2) Ist ein Prüfausschuss oder ein Einzelprüfer der Ansicht, dass ein Programm gemäß Absatz 1 zu prüfen ist, so teilt er dies der Geschäftsstelle mit. Diese unterrichtet
den Antragsteller, gibt ihm Gelegenheit, in angemessener Frist Stellung zu nehmen,
und veranlasst die Prüfung.
(3) Der juristische Sachverständige verfasst ein schriftliches Prüfgutachten gemäß § 13 Absatz 1 Satz 2 und 3. Die Prüfentscheidung enthält die für die Identifizierung des Programms
erforderlichen Angaben und spricht aus, ob es gemäß § 4 Absatz 1 JMStV unzulässig ist.
Die Begründung muss die für die Entscheidung maßgeblichen Erwägungen enthalten und
angeben, auf welchen der vorgenannten Bestimmungen des JMStV sie beruht. Ist der Sachverständige der Ansicht, ein in der vorgelegten Form unzulässiges Programm könne in der
Weise geändert werden, dass seine Ausstrahlung nicht gegen die vorgenannten Bestimmungen des JMStV verstößt, so soll er die erforderlichen Änderungen in der Begründung
seines Prüfgutachtens angeben.
5
§ 16 Verfahren der Geschäftsstelle nach der Prüfung
Über die Prüfentscheidung wird der Antragsteller von der Geschäftsstelle unverzüglich schriftlich unterrichtet. Das Prüfgutachten soll ihm möglichst eine Woche
nach der Prüfung durch die Geschäftsstelle zugesandt werden.
§ 17 Weitergabe der Prüfgutachten
(1) Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und die Mitglieder des Kuratoriums erhalten Prüfgutachten auf Anfrage.
(2) Die Gutachten können in begründeten Fällen mit Zustimmung des Antragstellers
auch an Dritte weitergegeben werden (z.B. für Forschungszwecke, für pädagogische
Zwecke oder für journalistische Recherchen). Hierüber entscheidet der Geschäftsführer.
(3) Den Mitgliedern der FSF, den Mitgliedern des Kuratoriums und der KJM werden
regelmäßig Zusammenstellungen der erstellten Prüfgutachten sowie deren Ergebnisse auf Anfrage zur Verfügung gestellt.
§ 18 Vertrauliche Prüfungen
In besonderen Fällen kann ein Antragsteller die FSF verpflichten, die Tatsache der
Prüfung sowie das Prüfgutachten vertraulich zu behandeln. Dies gilt insbesondere
dann, wenn das Prüfgutachten eine mögliche Voraussetzung für die Entscheidung
über den Kauf des geprüften Programms ist. Die Vertraulichkeit darf nur so lange
gewahrt werden, wie der Antragsteller hierfür hinreichende Gründe darlegt. Hierüber
entscheidet der Geschäftsführer.
§ 19 Recht zur Berufung
Gegen die Entscheidung des Prüfausschusses können der Antragsteller und, sofern
dieser ein Fernsehveranstalter ist, landesrechtlich bestimmte Träger der Jugendhilfe
den Berufungsausschuss anrufen.
§ 20 Besetzung der Berufungsausschüsse
(1) In die Liste der Prüfer in Berufungsausschüssen nimmt das Kuratorium besonders
erfahrene oder auf Grund ihres Arbeitsbereichs besonders kompetente Prüfer auf.
(2) Die Berufungsausschüsse sind mit 7 Prüfern besetzt. Die Geschäftstelle stellt sie
bei Bedarf aus der vom Kuratorium erstellten Liste zusammen. Dabei achtet sie darauf, daß die in die Liste aufgenommenen Prüfer im Laufe von 3 Jahren möglichst
gleichmäßig berücksichtigt werden. Prüfer, die an der angefochtenen Entscheidung
mitgewirkt haben, können nicht Mitglied des Berufungsausschusses sein.
(3) Den Vorsitz im Ausschuss führen Prüfer, die von den Vorsitzenden des Kuratoriums hierfür bestellt worden sind. Sind zwei oder mehr Mitglieder des Berufungsaus-
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schusses gemäß Satz 1 bestellt, so wählt der Ausschuss eines von ihnen mit einfacher Mehrheit zum Vorsitzenden.
§ 21 Besonderheiten des Berufungsverfahrens
(1) Hat ein landesrechtlich bestimmter Träger der Jugendhilfe oder ein Mitglied des
Kuratoriums (Berufungsführer) den Berufungsausschuss angerufen, so übersendet
die Geschäftsstelle dem von der Prüfung Betroffenen (Berufungsgegner), eine Kopie
des Berufungsantrags und gibt ihm Gelegenheit, hierzu in angemessener Frist gegenüber der FSF schriftlich Stellung zu nehmen. Die Geschäftstelle übersendet dem
Berufungsführer eine Kopie der Stellungnahme.
(2) Der Prüfausschuss, der die angefochtene Entscheidung getroffen hat, kann eines seiner
Mitglieder beauftragen, die Entscheidung vor dem Berufungsausschuss zu vertreten. Das
beauftragte Mitglied wird von der Geschäftsstelle zur Sitzung des Berufungsausschusses
eingeladen. Der Prüfausschuss kann auch eine schriftliche Stellungnahme zur Berufung abgeben. Sie wird dem Berufungsausschuss von der Geschäftsstelle vorgelegt.
(3) Die Sitzung des Berufungsausschusses beginnt mit der Feststellung des Vorsitzes oder der Wahl gemäß § 20 Absatz 2 Satz 2. Das erstinstanzliche Prüfgutachten,
Berufungsbegründungen, -erwiderungen sowie schriftliche Stellungnahmen des erstinstanzlichen Prüfausschusses werden verlesen. Sind der Berufungsführer, der Berufungsgegner, ihre Vertreter oder ein gemäß Absatz 2 Satz 1 beauftragtes Mitglied
des erstinstanzlichen Prüfausschusses zur Sitzung erschienen, so ist ihnen die Anwesenheit bei der Verlesung zu gestatten und nach ihrer Wahl anschließend oder
nach der Sichtung des Programms Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Zur
Beratung und Abstimmung sind nur die Mitglieder des Berufungsausschusses zugelassen. Nach der Entscheidung unterrichtet der Vorsitzende des Berufungsausschusses die in Satz 3 Genannten unverzüglich über deren Inhalt.
§ 22 Begründung der Berufungsentscheidung
Weicht der Berufungsausschuss in seiner Entscheidung oder in deren Begründung
von dem erstinstanzlichen Prüfgutachten ab, so muss er in seinem Gutachten die
wesentlichen Gründe hierfür nennen. Gutachten des Berufungsausschusses werden
den Mitgliedern des Prüfausschusses, der die angefochtene Entscheidung getroffen
hat, zugesandt.
§ 23 Geltung der Vorschriften über den Prüfausschuss
Im Übrigen gelten, soweit vorstehend nichts anderes bestimmt ist, für das Berufungsverfahren und die Gutachten des Berufungsausschusses die §§ 3, 4, 10 bis 13
sowie 16 bis 18 entsprechend. Hat ein landesrechtlich bestimmter Träger der Jugendhilfe oder ein Mitglied des Kuratoriums den Berufungsausschuss angerufen, so
gilt § 2 Absatz 2 Satz 3 entsprechend.
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§ 24 Berufung gegen Entscheidungen juristischer Sachverständiger
(1) Gegen Entscheidungen juristischer Sachverständiger (§ 15) können die zur Berufung
Berechtigten (§ 19) den Juristenausschuss anrufen.
(2) Der Juristenausschuss besteht aus drei der gemäß § 15 Absatz 1 Satz 2 bestellten
Sachverständigen, die vom Geschäftsführer mit der Entscheidung über die Berufung beauftragt werden. § 20 Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Die Sitzung des Juristenausschusses beginnt mit der Wahl des Vorsitzenden. Das erstinstanzliche Prüfgutachten, Berufungsbegründungen und -erwiderungen werden verlesen.
Sind der Berufungsführer, der Berufungsgegner oder deren Vertreter zur Sitzung erschienen,
so ist ihnen die Anwesenheit bei der Verlesung zu gestatten und nach ihrer Wahl anschließend oder nach der Sichtung des Programms Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Zur
Beratung und Abstimmung sind nur die Mitglieder der Juristenausschusses zugelassen.
Nach der Entscheidung unterrichtet der Vorsitzende des Ausschusses die in Satz 3 Genannten unverzüglich über deren Inhalt.
(4) Im übrigen gelten für das Verfahren und die Gutachten des Juristenausschusses die
§§ 3, 4 sowie 10, 13 Absatz 1, 15 Absatz 3 Satz 2 bis 4, 16 bis 18 entsprechend. Hat ein
landesrechtlich bestimmter Träger der Jugendhilfe oder ein Mitglied des Kuratoriums den
Juristenausschuss angerufen, so gilt § 2 Absatz 2 Satz 3 entsprechend.
§ 25 Prüfung durch das Kuratorium
(1) Gegen eine Entscheidung des Berufungsausschusses können die zur Einlegung
der Berufung Berechtigten (§ 19) das Kuratorium anrufen, wenn die Nachprüfung der
Entscheidung zur Fortbildung der Prüfgrundsätze und -kriterien der FSF oder zur Sicherung einer einheitlichen Spruchpraxis erforderlich erscheint. Hat ein landesrechtlich bestimmter Träger der Jugendhilfe das Kuratorium angerufen, so übersendet die Geschäftsstelle dem Fernsehveranstalter, der das Programm vorgelegt
hat, eine Kopie des Antrags und gibt ihm Gelegenheit, hierzu in angemessener Frist
gegenüber der FSF Stellung zu nehmen. Die Geschäftsstelle übersendet dem Träger
der Jugendhilfe eine Kopie der Stellungnahme. Über die Zulassung von Anträgen auf
Prüfung durch das Kuratorium entscheidet ein hauptamtlicher Prüfer im Einvernehmen mit den Vorsitzenden des Kuratoriums.
(2) Für die in Abs. 1 genannten Fälle bildet das Kuratorium einen Ausschuss, der aus
sechs derjenigen seiner Mitglieder besteht, die nicht von einem ordentlichen Mitglied
der FSF entsandt sind. Mitglieder des Kuratoriums, die die Prüfung des Programms
beantragt oder an seiner Prüfung im Prüf- oder Berufungsausschuss mitgewirkt haben, können dem Ausschuss nicht angehören.
(3) §§ 3, 4, 8, 10 bis 13, 16 bis 18 sowie 24 Absatz 3 gelten für das Verfahren vor
dem Kuratorium und dessen Gutachten entsprechend. Hat ein landesrechtlich bestimmter Träger der Jugendhilfe oder ein Mitglied des Kuratoriums das Kuratorium
angerufen, so gilt § 2 Absatz 2 Satz 3 entsprechend.
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§ 26 Geltung der Prüfentscheidungen für inhaltsgleiche Programme
Die Entscheidungen der Prüfgremien gelten für die Fassung, in der ein Programm vorgelegt
worden ist oder die es auf Grund von Schnittauflagen erhalten hat, sowie für Fassungen, die
mit der vorgelegten oder der Schnittfassung wesentlich inhaltsgleich sind.
§ 27 Erneute Vorlage
(1) Ein gemäß § 2 Absatz 1 Antragsberechtigter kann ein Programm nach wesentlicher Änderung erneut zur Prüfung vorlegen. Ein hauptamtlicher Prüfer entscheidet
darüber, ob die Bearbeitung ausreicht, um das Programm als wesentlich geänderte
Fassung anzuerkennen.
(2) Ein Programm kann unverändert zur erneuten Prüfung vorgelegt werden, wenn
der gemäß § 2 Absatz 1 Antragsberechtigte glaubhaft machen kann, dass aufgrund
einer veränderten Spruchpraxis der Prüfausschüsse der FSF das Prüfergebnis bei
einer erneuten Prüfung anders ausfallen könnte. Über die Annahme zur Prüfung entscheidet ein hauptamtlicher Prüfer.
(3) Gegen ablehnende Entscheidungen kann der Berufungsausschuss angerufen
werden. § 24 gilt entsprechend.
§ 28 Allgemeine Prüfgrundsätze
(1) Ziel der Prüfungen ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Sendungen,
die geeignet sind, ihre Entwicklung oder Erziehung zu eigenverantwortlichen und
gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu beeinträchtigen oder zu gefährden, sowie
der Schutz vor solchen Sendungen, die die Menschenwürde oder sonstige durch das
Strafgesetzbuch geschützte Rechtsgüter verletzen.
(2) Grundlagen der Prüfungen sind §§ 4 und 5 JMStV, die hierzu erlassenen Satzungen sowie die in §§ 29 bis 31 genannten Kriterien.
(3) Bei jeder Prüfung sind der Aufbau, der Handlungskontext und der Gesamtzusammenhang der Sendung zu berücksichtigen.
(4) Handelt es sich bei einem Programm um Kunst i. S. d. Art. 5 Absatz 3 Satz 1 des
Grundgesetzes, so muss das Gutachten zwischen den Interessen der Kunst und den
Interessen des Jugendschutzes sorgfältig abwägen; dies gilt insbesondere für Programme, die möglicherweise nach § 29 als unzulässig eingestuft werden. Äußerungen von Fachkreisen zu den Programmen (z.B. Filmkritiken) sind dabei zu berücksichtigen.
§ 29 Unzulässige Sendungen gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 11 und
Absatz 2 Nummer 1 und 2 JMStV
(1) Gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 JMStV sind Programme unzulässig, die
Propagandamittel
9
1. einer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Partei oder
einer Partei oder Vereinigung, von der unanfechtbar festgestellt ist, dass sie Ersatzorganisation einer solchen Partei ist,
2. einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
oder von der unanfechtbar festgestellt ist, dass sie Ersatzorganisation einer solchen
verbotenen Vereinigung ist,
3. einer Regierung oder Einrichtung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, die
für die Zwecke einer der in Nummer 1 oder 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen tätig ist, oder
4. Propagandamittel, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer
ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen, darstellen.
Propagandamittel im Sinne dieser Bestimmung sind nur solche Programme, deren
Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist.
(2) Gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 JMStV sind Programme unzulässig, die
Kennzeichen der in Absatz 1 Nummer 1, 2 oder 4 genannten Parteien oder Vereinigungen verwenden. Kennzeichen im Sinne des Satz 1 sind insbesondere Fahnen,
Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind.
(3) Gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 JMStV sind Programme unzulässig, die
zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, dass Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft,
böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden.
(4) Gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 JMStV sind Programme unzulässig, die
eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6
Absatz 1 und § 7 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuchs bezeichneten Art in einer
Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, leugnen oder verharmlosen.
(5) Gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 JMStV sind Programme unzulässig, die
grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art
schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten
ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die
Menschenwürde verletzenden Weise darstellen. Dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen.
(6) Gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 JMStV sind Programme unzulässig, die
geeignet sind, als Anleitung zu einer der in § 126 Absatz 1 Strafgesetzbuch (StGB)
genannten rechtswidrigen Taten zu dienen, und nach ihrem Inhalt bestimmt sind, die
Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine solche Tat zu begehen.
(7) Gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 7 JMStV sind Programme unzulässig, die
den Krieg verherrlichen.
(8) Gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 8 JMStV sind Programme unzulässig, die
gegen die Menschenwürde verstoßen, insbesondere durch die Darstellung von Men10
schen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt
sind oder waren, wobei ein tatsächliches Geschehen wiedergegeben wird, ohne dass
ein berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Darstellung oder Berichterstattung vorliegt. Eine Einwilligung in die Darstellung ist unbeachtlich.
(9) Gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 9 JMStV sind Programme unzulässig, die
Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen.
Dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen.
(10) Gemäß § 4 Absatz 1 Nummer 10 und Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 JMStV sind
Programme unzulässig, die pornographisch im Sinne des § 184 StGB sind. Dies sind
Programme, die sexuelle Vorgänge in aufdringlicher Weise in den Vordergrund rücken, in ihrer Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf sexuelle Stimulation angelegt sind und dabei die im Einklang mit allgemeinen gesellschaftlichen
Wertvorstellungen gezogenen Grenzen eindeutig überschreiten.
(11) Gemäß § 4 Absatz 1 Nummer 11 und Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 JMStV sind
Programme unzulässig, die mit einem gemäß § 18 Absatz 1 JuSchG in die Liste jugendgefährdender Medien aufgenommenen Medium ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind. Dies gilt gemäß § 4 Absatz 3 JMStV auch nach wesentlichen inhaltlichen Veränderungen gegenüber dem in die Liste aufgenommenen Medium bis zu
einer Entscheidung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien.
(12) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn das Programm oder seine Ausstrahlung
der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen,
der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen
Zwecken dient. Absatz 5 gilt nicht, wenn die Ausstrahlung des Programms der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte dient.
§ 30 Unzulässige Sendungen gemäß § 4 Absatz 2 Nummer 3 JMStV
(1) Gemäß § 4 Absatz 2 Nummer 3 JMStV sind Programme unzulässig, die offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten unter
Berücksichtigung der besonderen Wirkungsform des Verbreitungsmediums schwer
zu gefährden. Als im Sinne des Satz 1 geeignet sind insbesondere folgende Programme anzusehen:
1. Programme, die extreme Gewalt in ihren physischen, psychischen und sozialen
Erscheinungsformen verherrlichen oder verharmlosen. Von Bedeutung ist hierbei
insbesondere, ob
(a) Gewalt als probates Handlungskonzept im Kontext des Programms unzureichend relativiert dargestellt wird;
(b) die Darstellungen von Gewalt so aneinandergereiht sind, dass die Problematik
von Gewalt als Mittel der Konfliktlösung nicht hinreichend zum Ausdruck kommt;
(c) die Gewalthandlungen insofern verkürzt dargestellt sind, als z.B. deren Folgen
und Wirkungen für die Opfer verschwiegen werden;
(d) die einzelnen Darstellungen von Gewalt derart breit und in grausamen Details
ausgespielt sind, dass sie weit über das dramaturgisch Notwendige hinausgehen;
11
(e) die Gewalt gegen Personen, die nach ihrem Aussehen, ihrem kulturellen und
sozialen Selbstverständnis, ihren Gewohnheiten oder ihrem Denken als andersartig empfunden werden, verharmlosend oder als gerechtfertigt dargestellt wird.
2. Über pornographische Darstellungen (§ 184 Strafgesetzbuch) hinaus solche Sendungen, die sexuelle Darstellungen enthalten und
(a) physische und sonstige Gewalt zur Durchsetzung sexueller Interessen befürworten;
Vergewaltigung als lustvoll für das Opfer erscheinen lassen;
(b) ihrer Gesamttendenz nach ein Geschlecht degradieren;
(c) in erheblichem Umfang Darstellungen enthalten, die Personen wegen ihrer
sexuellen Orientierung degradieren.
3. Sendungen, die den Krieg verherrlichen oder als heldenhaftes Abenteuer zur Bewährung besonderen Mutes darstellen.
4. Sendungen, die zum Rassenhass oder zum Hass gegen Personen, Personengruppen oder Minderheiten aufstacheln.
§ 31 Kriterien für die Platzierung
(1) Soweit Programme nicht nach den gesetzlichen Regelungen oder gemäß § 29
unzulässig sind, ist bei der Entscheidung über die Platzierung zu berücksichtigen, ob
die jeweilige Sendung im Tages-, Vorabend-, Hauptabend-, Spätabend- oder Nachtprogramm platziert werden soll. Hierbei sind die Auswirkungen auf Handlungen, Einstellungen und Erlebnisweisen der Zuschauer getrennt einzuschätzen. Ganz besonderes Augenmerk ist darauf zu richten, inwieweit Programminhalte oder Darstellungsformen bei Kindern und Jugendlichen unterschiedlicher Altersstufen gewaltbefürwortende Einstellungen fördern, übermäßig ängstigend oder sozialethisch desorientierend wirken. Bei der Abschätzung der Wirkungsrisiken sind der Kontext innerhalb der Sendung zu berücksichtigen sowie die altersspezifische Zuordnung zu den
oben genannten Risikodimensionen zu beachten und im Gutachten deutlich zu machen.
(2) Folgende Platzierungen werden unterschieden:
1. Sendungen im Tagesprogramm.
Für die Zeit von 6.00 bis 20.00 Uhr sind die Voraussetzungen zu berücksichtigen, die
Kinder unter 12 Jahren für die Wahrnehmung und Verarbeitung von Fernsehinhalten
haben.
2. Sendungen im Hauptabendprogramm.
Für die Zeit von 20.00 bis 22.00 Uhr sind die Voraussetzungen zu berücksichtigen,
die Kinder ab 12 Jahren und Jugendliche unter 16 Jahren für die Wahrnehmung und
Verarbeitung von Fernsehinhalten haben.
3. Sendungen im Spätabend- (22.00 bis 23.00 Uhr) und im Nachtprogramm (23.00
bis 6.00 Uhr).
Für die Sendezeit von 22.00 bis 23.00 Uhr sind entsprechend den Maßstäben der FSK die
Voraussetzungen zu berücksichtigen, die Jugendliche ab 16 Jahren für die Wahrnehmung
und Verarbeitung von Fernsehinhalten haben.
12
(3) Bei der Entscheidung darüber, für welche der in Abs. 2 genannten Sendezeiten
ein Programm freigegeben werden kann, sind die drei Risikodimensionen Gewaltbefürwortung bzw. -förderung, übermäßige Angsterzeugung und sozialethische Desorientierung im Hinblick auf die prüfungsrelevanten Altersgruppen getrennt zu beurteilen und in die Gesamtrisikobewertung einzubringen. Bei über 12-Jährigen ist in der
Regel der Angstdimension ein geringeres Gewicht zuzumessen als bei jüngeren Zuschauergruppen. Grundsätzlich ist das altersspezifische Risiko unter Berücksichtigung des Kontextes innerhalb der Sendung im Einzelfall zu prüfen.
1. Indikatoren für Gewaltbefürwortung bzw. -förderung sind insbesondere
(a) Angebote von Identifikationsfiguren mit gewalttätigen oder anderen sozial unverantwortbaren Verhaltensmustern;
(b) Präsentation von einseitig an Gewalt orientierten Konfliktlösungsmustern oder
deren Legitimation;
(c) die Darstellung von Gewalt als erfolgreichem Ersatz von Kommunikation;
(d) Darstellungen, die eine Desensibilisierung gegenüber Gewalt fördern, indem
sie die Wirkung von Gewalt verharmlosen oder verschweigen.
2. Indikatoren für übermäßige Angsterzeugung sind insbesondere
(a) drastische Darstellung von Gewalt;
(b) drastische Darstellung des Geschlechtsverkehrs;
(c) unzureichende Darstellungen realitätsnaher Inhalte, die im Lebenskontext von
Kindern besonders angstvoll erlebt werden (z. B. Familienkonflikte);
(d) eine gemessen an der Realität überproportionale Darstellung von Gewalt mit
der Folge der Empfindung allgegenwärtiger Bedrohung.
3. Indikatoren für sozialethische Desorientierung sind insbesondere
(a) unzureichend erläuterte Darstellungen realen Gewaltgeschehens (z. B. Krieg);
(b) Darstellung von Fiktion als Realität wie auch von Realität als Fiktion in einer
Art, die eine Trennung sehr erschwert oder unmöglich macht;
(c) die kritiklose Präsentation von Vorurteilen oder Gewalttaten gegenüber Andersdenkenden;
(d) die anonymisierte Präsentation von Kriegsgeschehen;
(e) die Befürwortung von extrem einseitigen oder extrem rückwärtsgewandten
Rollenklischees;
(f) befürwortende Darstellungen entwürdigender sexueller Beziehungen und Praktiken.
(4) Die Kriterien der Absätze 2 und 3 sind durch die Prüferfahrungen zu konkretisieren und fortzuschreiben.
(5) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Nachrichtensendungen und Sendungen zum
politischen Zeitgeschehen, soweit ein berechtigtes Interesse gerade an der gewählten Form der Darstellung oder Berichterstattung vorliegt.
§ 32 Prüfung von Serien
(1) Für Serien gelten dieselben Prüfkriterien wie für sonstige Programme. Bei ihrer
Anwendung ist jedoch auf die spezifischen Wirkungen von Serien (z. B. Zuschauerbindung, Gewöhnung an Serienfiguren und bestimmte Handlungsmuster) zu achten.
Bereits vorliegende Gutachten zu einer Serie sind bei weiteren Gutachten zu berücksichtigen.
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(2) Die Entscheidung über die Zulassung einer Serie gilt für diese insgesamt, es sei
denn, dass gemäß § 4 Absatz 3 der Vorlagesatzung eine erneute Vorlage erforderlich ist.
II. Prüfung von Programmen nach der Sendung
§ 33 Prüfung auf Antrag
(1) Ist die KJM der Ansicht, durch die Ausstrahlung eines Programms, zu dem im
Zeitpunkt der Ausstrahlung keine Entscheidung der FSF vorlag, sei gegen Bestimmungen des JMStV oder der hierzu erlassenen Satzungen verstoßen worden, so ist
das Programm auf ihren Antrag nachträglich zu prüfen.
(2) Berechtigt, eine nachträgliche Prüfung zu beantragen, ist auch das Mitglied der
FSF, das das Programm ausgestrahlt hat.
§ 34 Prüfung ohne Antrag
(1) Sofern sich aus Zuschauerbeschwerden oder auf andere Weise Gründe hierfür
ergeben, prüft ein hauptamtlicher Prüfer, ob durch die Ausstrahlung eines Programms, zu dem im Zeitpunkt der Ausstrahlung keine Entscheidung der FSF vorlag,
gegen Bestimmungen des JMStV oder der hierzu erlassenen Satzungen verstoßen
worden ist. In geeigneten Fällen kann der hauptamtliche Prüfer auch einen anderen
Prüfer als Einzelprüfer beauftragen oder die Prüfung durch einen Prüfausschuss veranlassen.
(2) Ist der hauptamtliche Prüfer der Ansicht, es handele sich um einen Fall von
grundsätzlicher Bedeutung, so teilt er dies den Vorsitzenden des Kuratoriums mit.
Diese können eine Prüfung durch das Kuratorium veranlassen.
§ 35 Besonderheiten bei nachträglicher Prüfung
(1) In den Fällen des §§ 33 Absatz 1 und 34 übersendet die Geschäftsstelle dem
Mitglied, das das Programm ausgestrahlt hat, eine Kopie des Antrags oder teilt ihm
die Gründe für die nachträgliche Prüfung mit und gibt ihm Gelegenheit, dazu in angemessener Frist Stellung zu nehmen.
(2) In den in Abs. 1 genannten Fällen steht das Recht aus § 9 auch dem Mitglied, das
das Programm ausgestrahlt hat, oder seinem Vertreter zu.
(3) Bei nachträglichen Prüfungen spricht die Prüfentscheidung aus, ob die Ausstrahlung des Programms zulässig war. War sie dies nicht, so bestimmt sie ferner, ob
und zu welcher Sendezeit das Programm in der gesendeten Fassung künftig ausgestrahlt werden darf. Auf Antrag des Mitglieds, das das Programm ausgestrahlt hat,
findet eine Prüfung gemäß § 11 Absatz 1 statt.
14
§ 36 Recht zur Berufung und zur Anrufung des Kuratoriums
Das Recht zur Berufung und zur Anrufung des Kuratoriums steht im Fall des § 33
Absatz 1 der KJM, landesrechtlich bestimmten Trägern der Jugendhilfe sowie dem
Mitglied zu, das das Programm ausgestrahlt hat. In den Fällen des § 33 Absatz 2 und
des § 34 steht es dem Mitglied, das das Programm ausgestrahlt hat, und landesrechtlich bestimmten Trägern der Jugendhilfe zu.
§ 37 Entsprechend anzuwendende Vorschriften
Im übrigen gelten, soweit vorstehend nichts anderes bestimmt ist, die §§ 3 bis 17 und
19 bis 32 Absatz 1 für nachträgliche Prüfungen entsprechend.
III. Schlussvorschriften
§ 38 Inkrafttreten
Diese Prüfordnung tritt am 01.09.2003 in Kraft. Zugleich verliert die bis dahin geltende Prüfordnung ihre Gültigkeit.
15
Anhang VI:
Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung der FSF
vom 01.03.2005
Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung der
Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen
Berlin, 1. März 2005
Inhalt
RICHTLINIEN
TEIL I: ALLGEMEINES ..............................................................................................3
§
1
Zielsetzung .....................................................................................................3
§
2
Umsetzung der Vorgaben des JMStV.............................................................3
§
3
Grundlage der Prüfung ...................................................................................3
§
4
Ausnahmeanträge nach § 9 JMStV / Beanstandete Sendungen ....................3
§
5
Rechte des Antragstellers...............................................................................4
§
6
Einbindung juristischer Sachverständiger.......................................................5
TEIL II: § 5 JMSTV: ENTWICKLUNGSBEEINTRÄCHTIGUNG ................................6
§
7
Ziel der Prüfungen ..........................................................................................6
§
8
Umgang mit Darstellungen von Gewalt ..........................................................6
§
9
Umgang mit Filmen, die Ängste auslösen können..........................................7
§ 10
Umgang mit der Darstellung von Sexualität und Geschlechterbeziehungen ..7
§ 11
Sendungen im Tagesprogramm .....................................................................8
§ 12
Beurteilung von nicht-fiktionalen Programmen ...............................................9
ERLÄUTERUNGEN zu Teil I und II
Zu TEIL I: ALLGEMEINES........................................................................................ 11
Zu § 1
Zielsetzung ............................................................................................... 11
Zu § 2
Umsetzung der Vorgaben des JMStV ...................................................... 11
Zu § 3
Grundlage der Prüfung ............................................................................. 12
Zu § 4
Ausnahmeanträge nach § 9 JMStV / Beanstandete Sendungen.............. 13
Zu § 5
Rechte des Antragstellers ........................................................................ 14
Zu § 6
Einbindung juristischer Sachverständiger................................................. 14
FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Inhalt
Zu TEIL II: § 5 JMSTV: ENTWICKLUNGSBEEINTRÄCHTIGUNG ........................ 15
Zu § 7
Ziel der Prüfungen ................................................................................... 15
Zu § 8
Umgang mit Darstellungen von Gewalt.................................................... 15
Zu § 9
Umgang mit Filmen, die Ängste auslösen können ................................... 16
Zu § 10
Umgang mit der Darstellung von Sexualität und
Geschlechterbeziehungen ....................................................................... 17
Zu § 11
Sendungen im Tagesprogramm............................................................... 19
Zu § 12
Beurteilung von nicht-fiktionalen Programmen......................................... 21
TEIL III: § 4 JMSTV: UNZULÄSSIGE SENDUNGEN .............................................. 22
§ 13
Allgemeines.................................................................................................. 23
§ 14
Nicht zu prüfende („indexbetroffene“) Programme (§ 4 Abs. 1 S. 1
Nr. 11, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JMStV, § 29 Abs. 11 PrO-FSF) ............................. 24
§ 15
Programme, über deren Unzulässigkeit der juristische Sachverständige
entscheidet (§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 6, 8, 9 JMStV,
§ 29 Abs. 1 bis 6, 8, 9 PrO-FSF i. V. m. § 15 PrO-FSF)............................... 25
§ 16
Programme, deren Unzulässigkeit von den Prüfausschüssen oder
Einzelprüfern zu prüfen ist (§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 7, 10,
Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 3 JMStV, § 29 Abs. 7, § 10, § 30 PrO-FSF) ..................... 44
FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Teil I: Allgemeines
TEIL I: ALLGEMEINES
§1
Zielsetzung
Die Richtlinien verfolgen das Ziel, konkrete Fragen, die sich in der Anwendung der
Prüfordnung der FSF (PrO-FSF) auf Programme ergeben, so weitgehend wie möglich zu beantworten. Dabei sollen auch die neuere Entwicklung von Programmen sowie der aktuelle Stand der Forschung berücksichtigt werden. Ergänzend zur Prüfordnung, sollen sich diese Richtlinien auf die Prüfpraxis beziehen und regelmäßig in Anpassung an neue Entwicklungen fortgeschrieben werden. Dabei wird auch auf die
Spruchpraxis der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) sowie auf die von ihr
im Zusammenwirken mit den Landesmedienanstalten und deren Gremien erlassenen
Satzungen und Richtlinien Bezug genommen werden.
§2
Umsetzung der Vorgaben des JMStV
Die Vorgaben des Gesetzes sind in die Prüfordnung eingearbeitet und in ihr konkretisiert und erläutert worden. Die Prüfordnung dient somit als Grundlage für die Prüfung. Geschmacksfragen oder Qualitätsurteile sind bei der Beurteilung außer Acht zu
lassen.
§3
Grundlage der Prüfung
Aufgabe der Prüfausschüsse der FSF ist es, im Rahmen einer im Sinne des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) anerkannten Selbstkontrolleinrichtung
Programme auf der Grundlage der §§ 4 und 5 JMStV sowie § 28 Abs. 2 der PrO-FSF
zu prüfen. Das Gesetz bildet dabei die Grundlage für die Prüfung. Eine Beachtung
weiterer, über das Gesetz hinausgehender Aspekte findet nicht statt.
§4
Ausnahmeanträge nach § 9 JMStV
1. Bei Ausnahmeanträgen nach § 9 JMStV entscheidet ein hauptamtlicher Prüfer
darüber, ob die Voraussetzungen für die Annahme des Antrags gegeben sind. Dies
ist insbesondere dann der Fall, wenn
a) die Prüfung durch die FSK länger als 15 Jahre zurückliegt oder
b) der Antragsteller den Film so bearbeitet hat, dass die wesentlichen Gründe,
die zur Ablehnung einer günstigeren Freigabe im Jugendentscheid der FSK
3
FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Teil I: Allgemeines
genannt werden, auf die der FSF vorgelegten Fassung nicht mehr zutreffen
oder
c) der Antragsteller glaubhaft machen kann, dass sich bezüglich der Thematik
oder des Genres eines Films die Spruchpraxis des Jugendschutzes seit dem
Zeitpunkt der Prüfung durch die FSK wesentlich geändert hat.
2. Wurde ein Ausnahmeantrag vor dem 01.04.2003 durch die FSF positiv entschieden, von den damals zuständigen Landesmedienanstalten jedoch abgelehnt, so kann
der Film nach 10 Jahren der FSF erneut zur Entscheidung vorgelegt werden. Legt
der Antragsteller einen solchen Film in einer bearbeiteten Fassung vor (vgl. § 10 der
Vorlagesatzung der FSF), in der die Gründe berücksichtigt sind, die zur Ablehnung
durch die Landesmedienanstalten geführt haben, entscheidet zunächst der hauptamtliche Prüfer, ob die Voraussetzungen für eine erneute Prüfung erfüllt sind.
3. Wird für ein Programm eine Sendezeit beantragt, die bei dessen früherer Ausstrahlung zu einer Beanstandung durch eine Landesmedienanstalt geführt hat, so
kann der Antrag nur angenommen werden, wenn die Beanstandung länger als zehn
Jahre zurückliegt oder wenn aufgrund der Bearbeitung der Sendung durch den Antragsteller die wesentlichen Gründe, die zur Beanstandung geführt haben, nicht mehr
zutreffen.
4. Der Ausschuss hat die Gründe, die im FSK-Jugendentscheid oder in einer Beanstandung einer Landesmedienanstalt aufgeführt sind, in seiner Beratung zu berücksichtigen. Entscheidet er sich für eine Freigabe im Sinne des Antragstellers, so ist im
Prüfgutachten darzulegen, welche Erwägungen oder welche veränderte Sachlage
gegenüber den Vorentscheidungen aus der Sicht des Prüfausschusses die Freigabe
rechtfertigen.
§5
Rechte des Antragstellers
1. Der Antragsteller kann hilfsweise eine Freigabe unter Schnittauflagen beantragen.
Der Ausschuss ist gehalten, in diesem Falle auch über weitergehende Schnittauflagen zu diskutieren. Das setzt voraus, dass dies im Rahmen der Prüfung zumutbar ist
und dazu führen kann, dass die Sendung unter den Aspekten des Jugendschutzes
verantwortbar ist.
4
FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Teil I: Allgemeines
2. Schnittauflagen sind auch ohne Hilfsantrag möglich. Nach § 11 Abs. 2 PrO-FSF
kann der Antragsteller sie allerdings ausdrücklich ausschließen.
3. Bestehen Zweifel, ob der Film nach Durchführung der Schnittauflagen tatsächlich
in seiner Gesamtwirkung so verändert ist, dass eine Entwicklungsbeeinträchtigung
auszuschließen ist, so beschließt der Ausschuss, dass der Film nach Durchführung
der Schnitte zeitnah durch einen hauptamtlichen Prüfer oder den Vorsitzenden des
Ausschusses begutachtet wird.
4. Gelangt der Ausschuss zu dem Ergebnis, dass der Film zwar grundsätzlich unter
(weiteren) Schnittauflagen freigegeben werden kann, dass er sich jedoch aufgrund
der notwendigen Menge von Schnitten nicht (mehr) in der Lage sieht, diese als verbindliche Schnittauflagen zu erteilen, so soll er dies dem Antragsteller möglichst unter Angabe der entsprechenden Szenen mitteilen.
5. Auf Antrag kann der Ausschuss statt Schnittauflagen auch die Szenen angeben,
die zur Ablehnung der angestrebten Freigabe führen, und die Zielsetzung der Überarbeitung beschreiben. In diesem Fall überarbeitet der Antragsteller das Programm
nach den Vorgaben des Ausschusses und führt darüber ein exaktes Protokoll, das er
zusammen mit der überarbeiteten Fassung dem hauptamtlichen Prüfer oder einem
vom Ausschuss hierfür bestimmten Prüfer zur Freigabe vorlegt.
§6
Einbindung der juristischen Sachverständigen
Wenn Zweifel bestehen, ob ein Programm gegen Bestimmungen des § 29 Abs. 1 bis
6, 8 und 9 PrO-FSF verstößt, knüpft der Ausschuss das Prüfergebnis an die Bedingung, dass das Programm gemäß § 15 der PrO-FSF zeitnah einem juristischen
Sachverständigen vorgelegt wird. Die vom Ausschuss erteilte Freigabe gilt nur dann,
wenn die Sendung von dem juristischen Sachverständigen als zulässig eingestuft
wird.
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
TEIL II:
PRÜFUNG DER ENTWICKLUNGSBEEINTRÄCHTIGUNG BEI ZULÄSSIGEN PROGRAMMEN
§7
Ziel der Prüfungen
Allgemeines Ziel der Prüfungen ist es, Kinder und Jugendliche vor Fernsehprogrammen zu schützen, die geeignet sind, ihre Entwicklung zur eigenverantwortlichen und
gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen. Dazu zählen auf jeden Fall
Programme, die Verhaltensweisen, Weltanschauungen oder ethische Grundhaltungen fördern, die im Widerspruch zum gesellschaftlichen Wertekonsens, insbesondere
zu den Grundwerten unserer Verfassung und den daraus abzuleitenden Grundprinzipien für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft sowie den allgemeinen Gesetzen stehen. Dabei geht es nicht darum, entsprechende Themen zu tabuisieren, sondern den Gesamtkontext und seine Botschaft im Hinblick auf die Verstehens- und
Verarbeitungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen der entsprechenden Altersstufen zu bewerten. Zur Annahme einer Entwicklungsbeeinträchtigung bedarf es nicht
eines wissenschaftlichen Beweises, die Annahme muss aber auf der Grundlage der
Prüfordnung plausibel und nachvollziehbar dargestellt werden.
§8
Umgang mit Darstellungen von Gewalt
1. Ein hohes Wirkungsrisiko im Sinne von § 31 PrO-FSF ist bei Programmen anzunehmen, die Gewalt darstellen oder Gewalthandlungen thematisieren und dabei unter Berücksichtigung der Handlung, des Inhalts, der Dramaturgie, der Darstellungsebene und der Identifikationsprozesse den Einsatz von physischer Gewalt als Mittel,
Konflikte zu lösen oder Interessen durchzusetzen, nicht eindeutig ablehnen, sondern
legitimieren.
2. Neben der Gesamtaussage eines Programms im Sinne von Absatz 1 sind die Verstehens- und Verarbeitungsfähigkeit der jeweiligen Altersgruppen sowie deren soziale Erfahrung zu berücksichtigen. Programme, bei denen ein Wirkungsrisiko nach Absatz 1 vorliegt, werden für eine Sendezeit zwischen 06.00 Uhr und 22.00 Uhr nicht
freigegeben. Ist die sozialethisch desorientierende bzw. Gewalt befürwortende Wirkung eines Programms derart eindringlich und suggestiv, dass ältere Jugendliche
diese Botschaft angesichts ihrer noch eingeschränkten sozialen Erfahrung und ihrer
ethischen Einordnungsfähigkeit nicht relativieren können, so ist für eine Ausstrahlung
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Teil II: § 5 JMStV Entwicklungsbeeinträchtigung
im Nachtprogramm (23.00 Uhr bis 6.00 Uhr) zu entscheiden. In besonders schweren
Fällen gilt ein solches Programm als unzulässig.
§9
Umgang mit Filmen, die Ängste auslösen können
Bei Programmen, die durch die Darstellung von physischer und psychischer Gewalt,
von Bedrohungen oder von Menschen, die Opfer von Unfällen oder Katastrophen
werden, anhaltende und nicht zu verarbeitende Ängste auslösen, muss bei der Wahl
der Sendezeit das Wohl jüngerer Kinder berücksichtigt werden. Auf § 11 wird verwiesen.
§ 10
Umgang
mit
der
Darstellung
von
Sexualität
und
Geschlechter-
beziehungen
Es gehört nicht zu den Aufgaben des Jugendschutzes, Kinder oder Jugendliche vor
der Thematisierung sexueller Darstellungen oder Handlungen zu bewahren. Es kann
auch nicht darum gehen, die Thematisierung bestimmter sexueller Orientierungen
oder Formen des Zusammenlebens der Sexualpartner generell zu fördern oder zu
verhindern, es sei denn, die dargestellten Verhaltensweisen sind strafrechtlich verboten. Als entwicklungsbeeinträchtigend sind hingegen Programme einzustufen, wenn
a) stereotype Geschlechterrollen mit diskriminierenden Verhaltensmustern vermittelt werden, die für Kinder oder Jugendliche mangels Erfahrungen und Einordnungsfähigkeit als gesellschaftlich normal und akzeptiert wirken;
b) Lebenskonzepte, sexuelle Verhaltensweisen oder Praktiken dargestellt werden, die den Erfahrungen und Vorstellungen von Normalität eines Heranwachsenden entscheidend widersprechen, dabei jedoch den Eindruck völliger
Normalität vermitteln und so bei Jüngeren die Angst auslösen könnten, in Zusammenhang mit eigenen späteren sexuellen Erfahrungen auf entsprechende
Erwartungen des Partners oder der Umwelt zu stoßen;
c) sexuelles Verhalten und sexuelle Erfahrungen vor allem bei Jugendlichen als
erstrebenswert überbetont werden und dadurch der Eindruck entstehen könnte, jemand sei weniger wert, wenn er über entsprechende Erfahrungen nicht
verfügt;
d) Menschen, insbesondere Jugendliche, dargestellt werden, die entgegen den
eigenen Wünschen auf Drängen eines Partners sexuelle Handlungen vor-
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Teil II: § 5 JMStV Entwicklungsbeeinträchtigung
nehmen, ohne dass dieses Verhalten durch den Gesamtkontext relativiert
wird;
e) sexuelle Handlungen mit vulgärer Sprache benannt werden und damit eine
Herabwürdigung von Menschen oder eines Geschlechts verbunden ist;
f) bestimmte sexuelle Praktiken nicht auf gegenseitigen Wunsch, sondern gegen
den Willen einer der beteiligten Personen ausgeübt werden und der Eindruck
entstehen könnte, entsprechende Forderungen seien gerechtfertigt;
g) sexuelle Handlungen oder bestimmte sexuelle Praktiken durch das Ausnutzen
von Macht, durch Geld oder mit Gewalt herbeigeführt werden, ohne dass dies
durch den Gesamtkontext negativ bewertet wird;
h) bestimmte sexuelle Praktiken nicht nur dargestellt und thematisiert werden,
sondern durch den Gesamtkontext der Eindruck entsteht, sie seien gegenüber
anderen Praktiken vorzuziehen;
i) der sexuelle Lustgewinn in seiner Bedeutung für zwischenmenschliche Beziehungen singulär/dominant dargestellt wird und Gefühle sowie Verantwortung
in Beziehungen nicht nur ignoriert, sondern negiert werden.
Diese Kriterien sind vor allem im Hinblick auf Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren zu
beachten. In Betracht kommen dabei Filme, die im Rahmen einer Spielhandlung (z.B. einer
Teenykomödie) entsprechende Wirkungen hervorrufen können. Eine Entscheidung für das
Nachtprogramm oder die Unzulässigkeit ist angezeigt, wenn die hier dargestellten Kriterien
ganz oder teilweise auf Programme zutreffen, die ausschließlich oder überwiegend das Ziel
verfolgen, den Betrachter sexuell zu stimulieren. Auf die Ausführungen zu unzulässigen
Sendungen in Teil III wird verwiesen.
§ 11
Sendungen im Tagesprogramm
1. Filme, die gemäß § 14 Abs. 2 Jugendschutzgesetz (JuSchG) von der FSK ab 12
Jahren freigegeben worden sind, unterliegen nach dem Gesetz grundsätzlich keinerlei Sendezeitbeschränkungen. Allerdings ist bei der Wahl der Sendezeit dem Wohl
jüngerer Kinder Rechnung zu tragen.
2. Das Wohl jüngerer Kinder kann vor allem von Programmen beeinträchtigt werden,
die Gewalt darstellen oder Gewalt zum Inhalt haben. Solche Programme sind für junge Menschen ab Vollendung des 12ten Lebensjahres aufgrund ihres umfangreichen
Wissens und robusterer Verarbeitungsfähigkeit verantwortbar, können jedoch bei
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Teil II: § 5 JMStV Entwicklungsbeeinträchtigung
Kindern unterhalb dieses Alters zu übermäßigen Angstreaktionen führen. Dazu zählen insbesondere Filme, die Krieg oder andere Gewalthandlungen in den jeweiligen
geschichtlichen, politischen oder sozialen Zusammenhängen darstellen und damit in
einen Kontext einordnen, der jüngeren Kindern unverständlich sein kann.
3. Grundsätzlich ist jedoch bei der Freigabe für das Tagesprogramm von den Verstehens- und Verarbeitungsmöglichkeiten der ab 12-Jährigen auszugehen.
§ 12
Beurteilung von nicht-fiktionalen Programmen
1. Grundsätzlich gelten bei der Festlegung von Sendezeitgrenzen die hier aufgeführten Beurteilungskriterien auch für nicht-fiktionale Programme. Es muss dabei allerdings berücksichtigt werden, dass die wirkungsrelevanten Faktoren sich von denen
fiktionaler Programme unterscheiden.
2. Gemäß § 5 Abs. 6 JMStV sowie § 31 Abs. 5 PrO-FSF muss die jeweilige Bedeutung des Programms im Hinblick auf den Informationswert berücksichtigt werden.
Dies gilt vor allem für die Berichterstattung über reale Ereignisse. Hier kann der Freiheit der Berichterstattung im Wege der Abwägung gegebenenfalls Vorrang gegenüber den Belangen des Jugendschutzes einzuräumen sein. Bei der Bewertung von
Programmen ist bei der Auswahl von Bildern realer Gewalthandlungen, Anschlägen,
Unglücken oder Katastrophen zwischen dem Informationswert und der Wirkung auf
Kinder und Jugendliche abzuwägen.
3. Bei Unterhaltungsprogrammen, in denen die teilnehmenden Personen offensichtlich und für den Zuschauer erkennbar selbstbestimmt handeln, sich dabei aber beispielsweise aufgrund von Gewinnerwartungen zu Handlungen oder Aufgaben bereit
erklären, die als demütigend oder besonders gefährlich eingestuft werden können, ist
bei der Wahl der Sendezeit zu prüfen, ob die zu berücksichtigenden Altersgruppen
aufgrund ihrer Verstehensfähigkeit und Lebenserfahrung in der Lage sind, die Verhaltensweisen als Grenzfall des Normalen zu erkennen. Dabei ist insbesondere zu
berücksichtigen,
a) wie die Teilnehmer oder die Moderation die geforderten Handlungen beurteilen
oder ob eine oder mehrere der Personen ihre Teilnahme daran mit relativierender
Kommentierung ablehnen,
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Teil II: § 5 JMStV Entwicklungsbeeinträchtigung
b) ob es sich bei den handelnden Personen um Schauspieler oder im Bereich der
Medien geübte Personen handelt oder um andere Personen,
c) ob die Sendung geeignet ist, für den Zuschauer als Anleitung für den Umgang mit
Menschen in seiner Lebenswirklichkeit zu dienen oder Elemente wie z. B. besonders
gefährliche Mutproben nachzuahmen.
4. Wenn Menschen ohne ihr Wissen und ohne ihre Zustimmung mit Themen oder
Ereignissen oder Situationen konfrontiert werden, muss bei der Wahl der Sendezeit
berücksichtigt werden, ob eine Veröffentlichung von intimen Erlebnissen oder Ereignissen ihrer Lebensbereiche erfolgt. Zu prüfen ist dabei auch, ob die Situation in der
Sendung für die Betroffenen eine besondere psychische Belastung darstellt.
5. Unzulässig ist die Konfrontation mit gestellten, irreführenden Situationen, die Menschen beispielsweise kurzfristig in Todesängste oder in andere bedrohliche Extremsituationen versetzen können. Dabei ist es unerheblich, ob die Menschen ohne Wissen
des Zuschauers in die Handlungen eingeweiht sind. Des Weiteren wird auf Teil III
verwiesen.
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Erläuterungen zu Teil I
ERLÄUTERUNGEN
ZU TEIL I: ALLGEMEINES
Zu § 1 Zielsetzung
Diese Richtlinien sollen den Prüfern helfen, die Kriterien der §§ 4 und 5 JMStV, die
auch in der PrO-FSF aufgelistet sind, für die Prüfpraxis auszudifferenzieren und so
weit wie möglich zu vereinheitlichen.
Der Versuch dieser Richtlinien, die verschiedenen Aspekte, die unter Jugendschutzgesichtspunkten geprüft werden, weitgehend zu konkretisieren, birgt die Gefahr in
sich, dass sie auf manchen Einzelfall nicht zutreffen, insbesondere dann, wenn neue
Formate geprüft werden müssen, die bisher nicht bekannt sind. Nicht zuletzt deshalb
wird angestrebt, Anregungen oder Ergänzungen, die aus Sicht des Kuratoriums und
der Prüfer notwendig sind, bei der Weiterentwicklung dieser Richtlinien zu berücksichtigen.
Zu § 2 Umsetzung der Vorgaben des JMStV
Die für die Prüfung von Sendungen zu beachtenden Bestimmungen sind § 4 JMStV
(Unzulässige Angebote) und § 5 JMStV (Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote).
Die Bestimmungen für unzulässige Sendungen werden in § 29 PrO-FSF erläutert
und sind dort bereits aufgeführt, soweit dies derzeit möglich ist. Da allerdings einige
Bestimmungen neu in das Gesetz aufgenommen wurden, liegen noch nicht für alle
ausreichende Erfahrung und Rechtsprechung vor, um sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt hinreichend detailliert zu erläutern. Teil III der Richtlinien gibt daher nur den
gegenwärtigen Diskussionsstand wieder; es ist damit zu rechnen, dass mit fortschreitender Spruchpraxis und Rechtsprechung Änderungen und Ergänzungen folgen werden.
Die Jugendschutzbestimmungen für zulässige Programme finden sich in § 5 JMStV.
Er findet seinen Niederschlag in § 31 f PrO-FSF. Zu beachten ist dabei, dass der Gesetzgeber in § 5 JMStV gegenüber den bisherigen Bestimmungen des RundfunkStaatsvertrages eine andere Formulierung zur Kennzeichnung jugendschutzrelevanter Programme wählt. Bisher waren dies laut gesetzlicher Definition Sendungen, die
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Erläuterungen zu Teil I
geeignet waren, das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern oder Jugendlichen einer bestimmten Altersgruppe zu beeinträchtigen. Nach dem nun geltenden Gesetz geht es darum, Programme danach zu beurteilen, ob sie „geeignet sind,
die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und
gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen“ (§ 5 JMStV Abs. 1).
Zu § 3
Grundlage der Prüfung
Seit dem 01.08.2003 ist die FSF als Einrichtung der Selbstkontrolle nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag anerkannt. Das Gesetz wählt dabei das Modell der
regulierten Selbstkontrolle. Originär zuständig für die Umsetzungen der Bestimmungen des JMStV ist die KJM, die jedoch Einrichtungen der Selbstkontrolle bei Vorliegen der in § 19 JMStV aufgeführten Bedingungen anerkennt. Damit kann die FSF
nahezu alle aus dem Gesetz resultierenden Aufgaben selbständig übernehmen.
Die KJM kann ein Programm, das die FSF vor der Sendung freigegeben hat und bei
dessen Ausstrahlung sich der Sender an die Auflagen der FSF gehalten hat, nur beanstanden, wenn die Entscheidung der FSF einen fachlich zu begründenden Beurteilungsspielraum überschritten hat. Konnte ein Programm, das nicht gem. § 4 Abs. 1
JMStV unzulässig ist, der FSF vor der Ausstrahlung nicht vorgelegt werden, so kann
die KJM es nur beanstanden, wenn sie zuvor eine Entscheidung der FSF herbeigeführt hat und diese Entscheidung die Grenzen des Beurteilungsspielraums überschreitet.
Tätig werden kann die KJM weiterhin bei Programmen,
- bei denen der Sender die Entscheidung der FSF nicht beachtet hat,
- die der FSF vor der Ausstrahlung hätten vorgelegt werden können, aber nicht
vorgelegt worden sind und/oder
- die zwar vor der Ausstrahlung nicht vorgelegt werden konnten, aber gem. § 4
Abs. 1 unzulässig sind.
Die Prüfordnung der FSF ist nach § 19 Absatz 3 Ziffer 3 JMStV eine wesentliche
Voraussetzung für die Anerkennung der FSF durch die KJM. Sie enthält eine Reihe
von Regelungen, die das Gesetz zur Anerkennung der Selbstkontrolle fordert. Die
Prüfordnung dient dem Ziel, die formalen und inhaltlichen Vorgaben des Gesetzes
umzusetzen und gegebenenfalls zu interpretieren.
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Erläuterungen zu Teil I
Gegenstand der Prüfung ist ausschließlich die Frage, ob Sendungen nach § 4 und
§ 5 JMStV unzulässig oder entwicklungsbeeinträchtigend sind. Die Qualität einer
Sendung ist nur dann zu berücksichtigen, wenn sie bei der Beurteilung der Unzulässigkeit beziehungsweise Entwicklungsbeeinträchtigung eine Rolle spielt.
Die Arbeit der FSF-Prüfausschüsse und ihre Prüfergebnisse besitzen eine höhere
Bindungswirkung/Verbindlichkeit als bisher.
Zu § 4
Ausnahmeanträge nach § 9 JMStV / Beanstandete Sendungen
Grundsätzlich unterliegen nach § 5 JMStV Filme, die nach dem Jugendschutzgesetz
eine Freigabe ab 16 erhalten haben, einer Sendezeitbeschränkung zwischen
22.00 Uhr und 6.00 Uhr; Filme ohne Jugendfreigabe dürfen grundsätzlich nur zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr ausgestrahlt werden. Die KJM oder die FSF können
Ausnahmen zulassen, insbesondere dann, wenn die Freigabe durch die FSK mehr
als 15 Jahre zurückliegt.
Bevor ein Film als Ausnahmeantrag von den Ausschüssen der FSF zu Prüfung angenommen wird, muss zunächst festgestellt werden, ob ein Ausnahmetatbestand
vorliegt. Dies ist generell der Fall, wenn die Prüfung mehr als 15 Jahre zurückliegt.
Das Gesetz (§ 9 Abs. 1 Satz 1 JMStV) lässt aber auch im Einzelfall eine erneute Prüfung zu, ohne hierfür weitere Kriterien zu nennen. Bei der Zulassung zur Prüfung als
Ausnahmeantrag muss daher festgestellt werden, ob es plausible Gründe für die Annahme gibt, dass sich gegenüber den Umständen, die zu der jeweiligen FSKFreigabe geführt haben, etwas geändert hat, das für die Bewertung unter Jugendschutzgesichtspunkten relevant ist. Die grundsätzliche Verknüpfung von Altersfreigaben und Sendezeitschienen soll dabei beachtet werden und durch willkürliche Anträge auf Ausnahmeprüfungen nicht außer Kraft gesetzt werden.
Weiterhin geht es in § 4 der Richtlinien darum, Regelungen für den Umgang mit
Sendungen zu treffen, die bereits von den Landesmedienanstalten beanstandet wurden oder bei denen, wie im Falle von Ausnahmegenehmigungen, in der Zeit vor der
Anerkennung der FSF ein entsprechender Antrag von den Landesmedienanstalten
abgelehnt wurde. Eine erneute Prüfung ist nur zulässig, wenn die in § 4 aufgeführten
Voraussetzungen zutreffen.
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Erläuterungen zu Teil I
Zu § 5
Rechte des Antragstellers
Wenn der Antragsteller besonderes Interesse an einer Freigabe für eine bestimmte
Sendezeitschiene bekundet und dies für die von ihm vorgelegte Fassung einer Sendung aus Jugendschutzgesichtspunkten nicht möglich ist, so soll der Ausschuss über
Schnittauflagen entscheiden, soweit dadurch die beantragte Freigabe verantwortbar
ist. Die in § 5 getroffenen Regelungen geben je nach Einzelfall den Ausschüssen
sowie dem Antragsteller verschiedene Möglichkeiten, um innerhalb des Prüfverfahrens eine Freigabe unter Schnittauflagen zu erreichen.
Zu § 6
Einbindung der juristischen Sachverständigen
Die Aufgabe der Ausschüsse bezieht sich überwiegend auf die Prüfung der möglicherweise entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungen einer Sendung nach § 5
JMStV. Darüber hinaus gilt es aber auch zu prüfen, ob bestimmte Sendungen nach
§ 4 JMStV unzulässig sind. Kommt der Ausschuss zu dem Ergebnis, dass eine Sendung auf Grundlage der Bestimmungen des § 4 JMStV oder § 29 PrO-FSF unter Berücksichtigung der dazu in Teil III dieser Richtlinien getroffenen Erläuterungen unzulässig ist, trifft er die Entscheidung entsprechend. Der juristische Sachverständige
steht dem Ausschuss dann zur Verfügung, wenn der Ausschuss bei der Bewertung
Zweifel hat, ob er über den im Einzelfall notwendigen juristischen Sachverstand verfügt. Dies kann vor allem dann der Fall sein, wenn er bei neuen Formaten noch nicht
über ausreichende Erfahrungen im Umgang mit den rechtlichen Kriterien verfügt oder
wenn zu neuen Unzulässigkeitstatbeständen noch keine ausreichende Spruchpraxis
vorliegt.
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Erläuterungen zu Teil II
ZU TEIL II: PRÜFUNG DER ENTWICKLUNGSBEEINTRÄCHTIGUNG BEI ZULÄSSIGEN PROGRAMMEN
Zu § 7
Ziel der Prüfungen
Die vom Gesetzgeber in § 5 JMStV verwendete Generalklausel für die Prüfung unter
Jugendschutzgesichtspunkten (Entwicklungsbeeinträchtigung) soll hier in einen Gesamtkontext gestellt und präzisiert werden. Das, was als für die Entwicklung beeinträchtigend angesehen wird, kann je nach Standpunkt des Betrachters sehr unterschiedlich sein.
Zu beachten ist, ob eine Sendung nicht gegen Bestimmungen des § 4 JMStV verstößt und damit unzulässig ist. Eine Prüfung nach Gesichtspunkten der Entwicklungsbeeinträchtigung kann nur für zulässige Sendungen stattfinden.
Zu § 8
Umgang mit Darstellungen von Gewalt
Eine Gewalt legitimierende Wirkung kommt vor allem bei Filmen in Betracht, in denen
der Held, mit dem sich der Zuschauer nach der Anlage des Films identifiziert, Gewalt
ohne nachvollziehbaren und zu rechtfertigenden Grund anwendet, damit erfolgreich
ist und sein Verhalten für ihn folgenlos bleibt. Darüber hinaus zählen dazu Filme, die
Gewalthandlungen ohne einen einordnenden Kontext darstellen und ihren Reiz für
den Zuschauer ausschließlich aus den spektakulären oder detaillierten Bildern beziehen.
Bei der Beurteilung von Einzelszenen ist darauf zu achten, ob die Gewalt aus der
Perspektive des Täters oder des Opfers gezeigt wird. Auch wenn die opfer-zentrierte
Perspektive beim Zuschauer oft erheblichen Einfühlungsstress verursacht und für
den Laien als unerträglich und damit gewaltfördernd empfunden wird, so erzeugt sie
doch ein starkes Mitgefühl mit dem Opfer und bewirkt beim Zuschauer letztendlich
eher eine Ablehnung der Gewalt.
Die Täterperspektive hingegen macht die dargestellte Gewalt leichter konsumierbar,
der Zuschauer identifiziert sich mit der Macht und Stärke des Täters und empfindet
kein Mitgefühl für die Opfer. In solchen Fällen ist eher ein Ansteigen der Gewaltbereitschaft und der Akzeptanz von Gewalt zu befürchten.
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Erläuterungen zu Teil II
Zu § 9
Umgang mit Filmen, die Ängste auslösen können
Es ist wohl eine verbreitete Fehleinschätzung, dass Kinder in einem angstfreien Umfeld aufwachsen. Viele Situationen, die für jeden Erwachsenen ohne weiteres als ungefährlich einschätzbar sind, können bei Kindern große Ängste auslösen: Der dunkle
Keller oder der angeleinte, aber laut bellende Hund auf dem Weg in den Kindergarten oder in die Schule stellen für kleinere Kinder scheinbar unüberwindbare Hürden
da.
Kinder können auch nicht realistisch einschätzen, wie gefährlich die im Film dargestellten Situationen sind. Sie reagieren spontan auf Gesichtsausdrücke: Ein Mensch,
der ein ängstliches Gesicht hat, zeigt mehr Angst als ein Mensch mit unbeweglichem
Gesichtsausdruck, dem gerade die Erschießung droht.
In Bezug auf Filme verändern Kinder spontan ihre Gefühlsäußerungen: Furcht, Entspannung und Freude wechseln oft in sehr kurzen Abständen.
Würde man Kinder grundsätzlich von Angst auslösenden Inhalten fernhalten, fehlten
ihnen wichtige Lernfelder, in denen sie proben können, Ängste zu empfinden, auszuhalten und zu überwinden. Die Simulation Angst auslösender Handlungen, die daraus entstehende Spannung und die Entspannung, wenn die Bedrohung beseitigt ist,
gehört auch für Kinder zu den ausschlaggebenden Motiven, sich Filme anzuschauen.
Dass Kinder lernen, Ängste, die während der Filmrezeption entstehen können, auszuhalten, kann ihnen auch den Umgang mit realen Ängsten erleichtern. Kinder lernen
darüber hinaus schnell die genretypischen Strukturen von Filmen kennen und wissen
daher, dass Filmhelden, aus deren Perspektive sie die Handlung erleben, Gefahren
und Bedrohungen überwinden. Dies gibt ihnen die Hoffnung, dass auch sie die Ängste in der Realität überwinden können.
Zu beachten ist weiterhin, dass für Kinder der Tod noch nicht als etwas Endgültiges
erscheint und sie noch nicht wissen, was er tatsächlich bedeutet. Für sie hat daher
der dargestellte Tod im Film nicht die Bedeutung wie für erwachsene Zuschauer.
Kinder identifizieren sich stark mit anderen Kindern oder auch mit Tieren, die in Gefahr geraten. Werden beispielsweise Kinder über einen langen Zeitraum von erwachsenen Verbrechern gefangen gehalten und bedroht, ohne dass sich für das Kind bald
Lösungsmöglichkeiten abzeichnen, löst dies höhere Angstreaktionen aus, als wäre
ein Erwachsener in der gleichen Situation.
Kinder können und müssen zwar Ängste aushalten, sie sind aber überfordert, wenn
die Ängste während des gesamten Films (von durchschnittlicher Dauer) ununterbro16
FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Erläuterungen zu Teil II
chen anhalten. Dies gilt vor allem für Kinder unter 10 Jahren, da sie noch nicht in der
Lage sind, die nachhaltige Wirkung einzelner Szenen durch das Verständnis des Gesamtkontextes zu verarbeiten, und für Kinder unter 8 Jahren, da sie Realität und Fiktion noch nicht ausreichend unterscheiden können. Sie benötigen Erholungsphasen
und episodische Lösungen, weil sie daraus die Gewissheit erlangen, dass ihre Identifikationsfigur die Gefahr überwinden wird.
Folgt man der Entwicklungspsychologie, so hängt die entsprechende Verarbeitungsfähigkeit von Kindern eher mit individuellen Faktoren als mit ihrem Alter zusammen.
Insofern muss es zu einem Teil den Eltern überlassen bleiben, die Sensibilität ihrer
Kinder einzuschätzen.
Ab 12-Jährige sind bereits in der Lage, Filmkontexte zu verstehen und durch die z. B.
im Happy End gegebene Überwindung der Gefahr zum Ende des Films ihre Ängste
aufzulösen.
Zu § 10
Umgang mit der Darstellung von Sexualität und Geschlechterbeziehungen
In unserer pluralistischen Gesellschaft gehen die Vorstellungen darüber, was als anstößig gilt oder ab welchem Alter welche sexuellen Praktiken in welcher Form von
Beziehung adäquat sind, weit auseinander. Es ist nicht die Aufgabe des Jugendschutzes, durch Beschränkungen bestimmter Darstellungen eine bestimmte gesellschaftliche Moral zu unterstützen.
Allerdings sind nach verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Thematisierung oder
Darstellung von Sexualität die Menschenwürde, das Recht auf freie Entfaltung der
Persönlichkeit, die Gleichheit der Geschlechter und der Schutz von Ehe und Familie
zu berücksichtigen. Die Menschenwürde kann verletzt sein, wenn der Mensch zum
Objekt herabgewürdigt wird. Die Menschenwürde (vgl. Teil III § 14 (7)) ist grundsätzlich zu beachten; Programme, die sie bezüglich der sexuellen Selbstbestimmtheit im
Gesamtkontext negieren, sind daher unzulässig, es sei denn, die diesbezüglichen
Botschaften werden durch den Gesamtkontext relativiert.
Gerade Heranwachsenden zwischen 12 und 15 Jahren muss ein Freiraum zugestanden werden, damit sie die physische und psychische Reife entwickeln können,
um selbst bestimmen zu können, ob sie sexuelle Beziehungen eingehen. Es geht
nicht darum, ihnen das Recht auf Sexualität abzusprechen, sondern darum, ihnen
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Erläuterungen zu Teil II
eine eigene, selbstbestimmte Entscheidung und Entwicklung zu ermöglichen. Die
freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit setzt voraus, dass sie nicht durch Medieninhalte
den Zwang verspüren, sexuelle Erfahrungen zu benötigen, um mit anderen Gleichaltrigen mithalten zu können. Gerade in dieser Altersphase haben wir es mit großen
Entwicklungsunterschieden zu tun und die Heranwachsenden sollten eher ermutigt
werden, sich nicht zu sexuellen Handlungen drängen zu lassen, wenn sie es selbst
nicht wollen, als dass sie durch mediale Darstellungen dazu veranlasst werden, sexuelle Beziehungen nur einzugehen, um vermeintlich den eigenen Selbstwert zu
steigern.
Für die Präsentation bestimmter Sexualpraktiken oder Beziehungskonzepte gilt: Solange Menschen selbstbestimmt und in gegenseitiger Übereinkunft handeln, kann bei
der Bewertung größere Toleranz gewährt werden. Wird aber eine sexuelle Praktik
oder ein Beziehungskonzept in einem Kontext thematisiert oder dargestellt, in dem
der Eindruck entsteht, jeder müsse dies(e) erleben und alle anderen Praktiken oder
Beziehungskonzepte seien weniger wert, so könnte dies für die bis 16-Jährigen beeinträchtigend bei der Entwicklung einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit sein,
da ihnen mangels eigener Erfahrung in der Regel die Einschätzungsmöglichkeiten
fehlen.
Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der Verfassung. Das heißt
nicht, dass andere Formen des Zusammenlebens oder andere Lebenskonzepte abzulehnen sind, sie können also thematisiert und dargestellt werden. Das Konzept von
Ehe und Familie sollte aber nicht generell abgelehnt, verunglimpft oder lächerlich
gemacht werden.
In Programmen vermittelte Rollenklischees, die beispielsweise die Unterordnung des
einen Geschlechts unter das andere zum Ausdruck bringen, müssen vor allem bezüglich der Altersgruppe der bis 16-Jährigen daraufhin überprüft werden, ob sie angesichts der Unerfahrenheit und Orientierungssuche in dieser Altersphase eine entsprechende negative Wirkung erzeugen können.
Bei der Prüfung kommt es weniger darauf an, dass die hier skizzierten Schutzzwecke
durch die Handlung oder die Darstellung tangiert werden; es ist vielmehr zu prüfen,
ob ein Programm geeignet ist, Einstellungen oder Verhaltensweisen von Kindern und
Jugendlichen der entsprechenden Altersgruppen nachhaltig zu beeinflussen.
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Erläuterungen zu Teil II
Zu § 11
Sendungen im Tagesprogramm
Die Verarbeitungsfähigkeit setzt z. B. bestimmte historische Kenntnisse voraus, die
bei den Jüngeren kaum zu erwarten sind. Filme wie Schindlers Liste, die bereits für
die Freigabe im Hauptabendprogramm kontrovers diskutiert wurden, sind daher für
das Tagesprogramm nicht geeignet, da jüngeren Kindern die Fähigkeit fehlt, sich von
der Handlung durch die Kenntnis des historischen Kontextes zu distanzieren. Aufgrund ihrer mit 12 Jahren gut entwickelten Fähigkeit, dramaturgische Zusammenhänge nachzuvollziehen und Ängste emotional zu steuern, sind Filme verantwortbar,
die Gewalthandlungen in einer Weise thematisieren, die zwar belastend ist, sich in
ihrer Gesamtaussage jedoch gegen die Gewaltereignisse wenden. Ob eine Freigabe
dieser Filme für das Tagesprogramm in Betracht kommt, muss im Einzelfall unter
Berücksichtigung der hier aufgestellten Grundsätze erörtert werden.
Es ist davon auszugehen, dass Filme mit einer Freigabe ab 12 Jahren auch im Tagesprogramm ausgestrahlt werden können, sofern sie nicht für jüngere Kinder unter
12 Jahren ein erhebliches Angstrisiko enthalten oder andere Wirkungsrisiken, die
aufgrund geringerer Verarbeitungsfähigkeit dieser Altersgruppen angenommen werden können. Der Gesetzgeber legt also eine Freigabe ohne Altersbeschränkung oder
ab 6 Jahren nicht als grundsätzliche Voraussetzung für die Ausstrahlung im Tagesprogramm fest. Er geht davon aus, dass die Rezeption von Fernsehprogrammen und
die Verantwortung für einen adäquaten Fernsehkonsum nicht ausschließlich beim
Programmveranstalter, sondern auch in der Familie liegt. Hier sieht der Gesetzgeber
einen Unterschied zu Kino- oder Videofilmen, die im öffentlichen Raum zugänglich
gemacht werden. In diesem Fall sieht das Gesetz eine stärkere Differenzierung nach
Altersstufen vor.
Im Bereich des Fernsehens kam der Veranstalter vor 1994 seiner Verantwortung
ausreichend nach, wenn er in der Zeit zwischen 06.00 Uhr und 22.00 Uhr Sendungen
ausstrahlte, die für eine Freigabe ab 12 Jahren geeignet sind.
Filme mit einer Freigabe ab 12 Jahren waren im Tagesprogramm ohne Einschränkungen einsetzbar. Dies wurde geändert, weil einige Sender damals die 12er-Filme
des Hauptabendprogramms regelmäßig am Vormittag im direkten zeitlichen Umfeld
der regelmäßigen Kindersendungen wiederholten. Darunter befanden sich beispielsweise auch Kriegsfilme, deren Dramaturgie und Kontext zwar von 12-Jährigen ohne
Beeinträchtigung verarbeitet werden konnten, die aufgrund der Massierung von Gewaltdarstellungen ohne kindgerechte Pausen zur Verarbeitung für jüngere Kinder
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Erläuterungen zu Teil II
jedoch zu belastend erschienen. Dies veranlasste den Gesetzgeber, die Zulassung
von 12er-Filmen im Tagesprogramm einzuschränken. Es wurde eine Formulierung in
das Gesetz aufgenommen, die den Sender verpflichtet, bei der Ausstrahlung von
12er-Filmen durch die Wahl der Sendezeit dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu
tragen.
Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass beispielsweise nur Filme, die eine Freigabe ab
6 Jahren erhalten haben, im Tagesprogramm ausgestrahlt werden dürfen, so hätte er
dies ohne weiteres im Gesetz festschreiben können. Es geht also wohl nicht um eine
klare Altersdifferenzierung für das Tagesprogramm, sondern eher darum, die grundsätzliche Sendeerlaubnis für 12er-Filme im Tagesprogramm für solche Filme einzuschränken, bei denen das Wirkungsrisiko aufgrund ihres Themas, ihrer Art der Darstellung und des Kontextes bei Kindern vor Vollendung des 12. Lebensjahres nicht
vertretbar ist. Dabei kann sich die Wahl der Sendezeit nicht nur auf eine bestimmte
Tageszeit beziehen, sondern beispielsweise auch auf das Programmumfeld. So sollten entsprechende Filme beispielsweise nicht zu einer Zeit ausgestrahlt werden, zu
denen Eltern und Kinder spezielle Kinderprogramme erwarten.
Die Landesmedienanstalten haben in ihren Richtlinien aus dem Jahre 2000 festgeschrieben, dass dem Wohl jüngerer Kinder auf jeden Fall dann Rechnung getragen
wird, wenn ein 12er-Film, der diese Kennzeichnung aufgrund seiner Gewalthaltigkeit
erhalten hat, im Hauptabendprogramm ausgestrahlt wird.
Abgesehen von den erwähnten Ausnahmen will es der Gesetzgeber in die Entscheidungskompetenz der Eltern legen, welche Programme ihre unter 12-jährigen Kinder
verkraften können. Dies korrespondiert auch damit, dass nach § 14 JuSchG auch 6Jährigen dann der Besuch von Filmen gestattet wird, die ab 12 Jahren freigegeben
sind, wenn sie in Begleitung ihrer Eltern ins Kino gehen. Diese Parental-GuidanceRegelung entspricht im Übrigen den Annahmen der Entwicklungspsychologie, die
davon ausgeht, dass die unterschiedlichen Sensibilitäten und Verstehensfähigkeiten
bei Kindern eher von individuellen Dispositionen und Erfahrungen abhängig sind als
von ihrem Alter. Eine entsprechende Einschätzung können also am besten die Eltern
vornehmen.
Bei der Freigabe von Sendungen im Tagesprogramm geht es also um eine Risikoabwägung. Grundsätzlich ist die Beeinträchtigung der ab 12-Jährigen zu prüfen, die
jüngeren Altersgruppen sind aber dadurch zu berücksichtigen, dass Programme, die
– gemessen an übrigen ab 12 Jahren freigegebenen Sendungen – ein höheres Wir20
FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Erläuterungen zu Teil II
kungsrisiko aufweisen, für das Tagesprogramm nicht freigegeben werden dürfen.
Geht beispielsweise aus einem Jugendentscheid zu einem Film, der in der Kino- oder
Videofassung von der FSK geprüft wurde, hervor, dass eine überstimmte Minderheit
für eine Freigabe ab 16 Jahren gestimmt hat, so ist dies auf jeden Fall ein Hinweis
darauf, dass der Film bei einer Ausstrahlung im Tagesprogramm das Wohl jüngerer
Kinder tangieren könnte.
Zu § 12
Beurteilung von nicht-fiktionalen Programmen
Entscheidende Faktoren für die Wirkung nicht-fiktionaler Programme sind vor allem
darin zu sehen, dass der Zuschauer davon ausgeht, dass die Darstellungen und
Handlungen nicht gespielt sind und nicht auf erfundenen Geschichten basieren.
Im Gegensatz zu den fiktionalen Programmen ist der Zuschauer in solche Formate
weniger emotional involviert, da die vor allem in Spielfilmen eingesetzten Identifikationen, Emotionalisierungen und Dramaturgien weitgehend fehlen.
Er kann sich gegenüber solchen Formaten weniger distanzieren, sie besitzen eine
höhere Wirklichkeitsrelevanz. Dies trifft vor allem auf Nachrichten oder auf Berichterstattung zu. Unterhaltende Formate wie Talk-Shows, Gerichtsshows oder so genannten Reality-Soaps (Big Brother etc.) sind Mischformen, die fiktionale und nonfiktionale Elemente enthalten. Medienkompetente, erfahrene und ältere minderjährige
Zuschauer wissen aber auch durch die Kommentierung solcher Formate in anderen
Medien, dass solche Formate weitgehend inszeniert sind und daher nicht unmittelbar
die Realität abbilden. Dennoch dienen sie, wie vergleichbare Personen im Leben der
Zuschauer, durch Aneignung oder Ablehnung der eigenen Orientierung.
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
TEIL III: § 4 JMSTV: UNZULÄSSIGE SENDUNGEN
Auszug: Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (vom 27.09.2002, gültig ab 01.04.2003)
§ 4 JMStV: Unzulässige Angebote
(1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn sie
1. Propagandamittel im Sinne des § 86 des Strafgesetzbuches darstellen, deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist,
2. Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sinne des § 86a des Strafgesetzbuches verwenden,
3. zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch
ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern
oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, dass Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden,
4. eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 und § 7
Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen
Frieden zu stören, leugnen oder verharmlosen,
5. grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art schildern, die
eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame
oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt; dies gilt
auch bei virtuellen Darstellungen,
6. als Anleitung zu einer in § 126 Abs. 1 des Strafgesetzbuches genannten rechtswidrigen Tat dienen,
7. den Krieg verherrlichen,
8. gegen die Menschenwürde verstoßen, insbesondere durch die Darstellung von Menschen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren, wobei ein tatsächliches Geschehen wiedergegeben wird, ohne dass ein berechtigtes Interesse gerade für diese
Form der Darstellung oder Berichterstattung vorliegt; eine Einwilligung ist unbeachtlich,
9. Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen; dies gilt auch
bei virtuellen Darstellungen,
10. pornografisch sind und Gewalttätigkeiten, den sexuellen Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand haben; dies gilt auch bei
virtuellen Darstellungen, oder
11. in den Teilen B und D der Liste nach § 18 des Jugendschutzgesetzes aufgenommen sind oder mit
einem in dieser Liste aufgenommen Werk ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind. In den Fällen
der Nummern 1 bis 4 und 6 gilt § 86 Abs. 3 des Strafgesetzbuches, im Falle der Nummer 5 § 131
Abs. 3 des Strafgesetzbuches entsprechend.
(2) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote ferner unzulässig, wenn sie
1. in sonstiger Weise pornografisch sind,
2. in den Teilen A und C der Liste nach § 18 des Jugendschutzgesetzes aufgenommen sind oder mit
einem in dieser Liste aufgenommenen Werk ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind, oder
3. offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu
einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit unter Berücksichtigung der besonderen Wirkungsform des Verbreitungsmediums schwer zu gefährden. In Telemedien sind Angebote abweichend von Satz 1 zulässig, wenn von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass sie nur
Erwachsenen zugänglich gemacht werden (geschlossene Benutzergruppe).
(3) Nach Aufnahme eines Angebotes in die Liste nach § 18 des Jugendschutzgesetzes wirken die
Verbote nach Absatz 1 und 2 auch nach wesentlichen inhaltlichen Veränderungen bis zu einer Entscheidung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien.
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
§ 13
Allgemeines
Welche Programme unzulässig sind, ergibt sich aus § 4 JMStV und §§ 29, 30
PrO-FSF. Gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 11, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JMStV und § 15 Abs. 1
PrO-FSF sind drei Arten unzulässiger Programme zu unterscheiden. Programme, die
mit einem von der Bundesprüfstelle indizierten Medium inhaltsgleich sind oder vor
der Vornahme von Schnitten inhaltsgleich waren, werden vor ihrer Freigabe durch
die Bundesprüfstelle nicht geprüft. Bei Programmen, bei denen in Betracht kommt,
dass sie gem. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 6, 8 oder 9 JMStV, § 29 Abs. 1 bis 6, 8 oder 9
PrO-FSF unzulässig sind, wird darüber von einem juristischen Sachverständigen
entschieden. Über die Unzulässigkeit von Programmen gem. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 7
und 10, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 3, § 29 Abs. 7, § 10 und § 30 PrO-FSF entscheiden die
Prüfausschüsse oder Einzelprüfer.
Gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 JMStV ist in den Fällen des S. 1 Nr. 1 bis 4 und 6 die Sozialadäquanzklausel des § 86 Abs. 3 StGB entsprechend, d. h. so, wie sie in § 29
Abs. 12 S. 1 PrO-FSF formuliert ist, anzuwenden. Von praktischer Bedeutung ist sie
jedoch nur in den Fällen des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 29 Abs. 2 PrO-FSF (Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen). In den anderen im Gesetz und § 29 Abs. 12 S. 1 PrO-FSF genannten Fällen (Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung, „Auschwitzlüge“, Anleitung zu Straftaten) kommt das Eingreifen der Sozialadäquanzklausel nicht in Betracht.
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
§ 14 Nicht zu prüfende („indexbetroffene“) Programme
(§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 11, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JMStV, § 29 Abs. 11 PrO-FSF):
§ 4 JMStV
(1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn
sie
11. in den Teilen B und D der Liste nach § 18 des Jugendschutzgesetzes aufgenommen sind oder mit einem in dieser Liste aufgenommen Werk ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind
(2) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote ferner unzulässig,
wenn sie
2. in den Teilen A und C der Liste nach § 18 des Jugendschutzgesetzes aufgenommen sind oder mit
einem in dieser Liste aufgenommenen Werk ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind
Erläuterung:
Nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 11, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JMStV sind Programme unzulässig, die
mit einem in einen der vier Teile der Liste der jugendgefährdenden Medien aufgenommenen Medium ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind. Gem. § 4 Abs. 3
JMStV gilt das Sendeverbot aber nicht nur im Fall der Inhaltsgleichheit, sondern besteht auch nach wesentlichen inhaltlichen Änderungen fort. Es endet erst mit einer
Freigabeentscheidung der Bundesprüfstelle. Programme, die mit einem in einen der
vier Teile der Liste aufgenommenen Medium inhaltsgleich sind oder waren, werden
daher vor einer Freigabe durch die Bundesprüfstelle von der FSF nicht inhaltlich geprüft. Obwohl der JMStV nur Programme nennt, die in einen der durch das JuSchG
eingeführten vier Teile der Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen sind, gilt
dies – der Intention des Gesetzes entsprechend – auch für Programme, die mit einem in die frühere, einheitliche Liste jugendgefährdender Schriften aufgenommenen
Medium inhaltsgleich sind oder waren.
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
§ 15 Programme, über deren Unzulässigkeit, der juristische Sachverständige
entscheidet (§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 6, 8, 9 JMStV, § 29 Abs. 1 bis 6, 8, 9
PrO-FSF i. V. m. § 15 PrO-FSF):
(1) § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 JMStV, § 29 Abs. 1 PrO-FSF (Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen):
§ 4 JMStV
(1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn
sie
1. Propagandamittel im Sinne des § 86 des Strafgesetzbuches darstellen, deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der
Völkerverständigung gerichtet ist
Erläuterung:
Unzulässig sind nach diesen Bestimmungen Sendungen, die Propagandamittel
i. S. d. § 86 StGB „darstellen“. Dabei ist unter „darstellen“ nicht das Zeigen oder Abbilden solcher Propagandamittel (z. B. von Plakaten oder Flugblättern) zu verstehen.
Das Sendeverbot gilt vielmehr nur, wenn eine Sendung ein Propagandamittel ist.
Das setzt u. a. voraus, dass sie sich ihrem Inhalt nach gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet.
Anlass, eine Sendung von einem juristischen Sachverständigen prüfen zu lassen, besteht
daher, wenn sie
- gegen die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung oder das demokratische Wahlrecht Stellung nimmt, z. B. den „Volkskampf gegen Demokratie und Ausbeutung“
propagiert,
- sich gegen die Bindung der Gesetzgebung an die Verfassung und die der Exekutive
und der Rechtsprechung an Recht und Gesetz wendet,
- sie die Abschaffung des Rechts auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen
Opposition fordert, z. B. für die Schaffung einer Einheitspartei oder eines „volksdemokratischen“ Regimes eintritt,
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
- sich gegen den Grundsatz der Ablösbarkeit der Regierung und deren parlamentarische Verantwortlichkeit richtet oder
- gegen den Ausschluss von Gewalt- und Willkürherrschaft Stellung nimmt.
Eine juristische Prüfung ist ferner angezeigt, wenn eine Sendung sich gegen das
friedliche Zusammenleben der Völker auf der Grundlage gewaltloser Einigung
wendet.
(2) § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 JMStV, § 29 Abs. 2 PrO-FSF (Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen):
§ 4 JMStV
(1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn
sie
2. Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sinne des § 86a des Strafgesetzbuches verwenden
Erläuterung:
Kennzeichen sind nach der in § 29 Abs. 2 PrO-FSF wiedergegebenen Bestimmung
des § 86a Abs. 2 StGB insbesondere Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen
und Grußformen. Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschließend, so dass nach allgemeiner Meinung auch Lieder in Betracht kommen. Als NS-Kennzeichen werden
von der Rechtsprechung daher auch das „Horst Wessel-Lied“ sowie das Lied „Es
zittern die morschen Knochen“ angesehen, wobei bereits die Melodien ausreichen
sollen, so dass ein verfremdeter Text den Kennzeichencharakter nicht ausschließt.
NS-Kennzeichen ist nach einer Entscheidung des BGH auch das Porträt Hitlers.
Das Verwendungsverbot gilt nur für Kennzeichen der in § 29 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 4
PrO-FSF genannten Parteien oder Vereinigungen. Eine vollständige Liste aller verbotenen Parteien und Vereinigungen, ihrer Ersatzorganisationen sowie ihrer Kennzeichen ist jedoch, soweit ersichtlich, nicht erhältlich. Eine Liste der wegen Rechtsextremismus verbotenen Organisationen findet sich jedoch in der im Internet angebotenen Information des Landeskriminalamts Niedersachsen. Dort sind auch die ebenfalls von dem Verwendungsverbot erfassten NS-Kennzeichen aufgeführt (z. B. Hakenkreuz, SS-Runen, der Hitlergruß, die Grußformen „Heil Hitler!“, „Sieg Heil!“, „Mit
deutschem Gruß!“ usw.). Hinzuweisen ist ferner darauf, dass die FDJ seit 1954 in der
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
Bundesrepublik verboten ist, so dass auch die Verwendung ihres Abzeichens unzulässig ist.
Zu beachten ist, dass neben den Originalkennzeichen auch solche unter das Verbot
fallen, die den Originalen zum Verwechseln ähnlich sind. Dies ist von der Rechtsprechung z. B. bei Hakenkreuzen mit zu kurzen Querbalken und bei der leicht
veränderten Sigrune des „Deutschen Jungvolks“ angenommen worden. Weitere
Beispiele finden sich in der erwähnten Information des Landeskriminalamts
Niedersachsen.
Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 JMStV ist eine Sendung schon dann
unzulässig, wenn sie eines der hier fraglichen Kennzeichen „verwendet“, d. h. optisch
oder akustisch wahrnehmbar macht. In aller Regel werden Sendungen, in denen diese Kennzeichen zu sehen oder zu hören sind, jedoch zulässig sein. Denn gem. § 4
Abs. 1 S. 2 JMStV ist die sog. Sozialadäquanzklausel des § 86 Abs. 3 StGB im Fall
des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 JMStV entsprechend, d. h. so, wie sie in § 29 Abs. 12 S. 1
PrO-FSF formuliert ist, anzuwenden. Bei Spielfilmen, TV-Movies usw., die z. B. in der
NS-Zeit spielen, ist die Verwendung entsprechender Kennzeichen daher durch die
Kunstfreiheit gedeckt. Dasselbe gilt für Spielfilme aus der NS-Zeit. Aufgrund der
Kunstfreiheit ist ferner auch die satirische Verwendung der hier fraglichen Kennzeichen erlaubt. Dokumentationen und sonstige Informationssendungen, die sich z. B.
mit der NS-Zeit oder mit heutigen rechtsradikalen Organisationen befassen, dürfen
entsprechende Kennzeichen verwenden, weil sie der Berichterstattung über Vorgänge der Geschichte oder des Zeitgeschehens dienen. Im Übrigen ist es nach der
Rechtsprechung auch erlaubt, die hier fraglichen Kennzeichen ironisch oder zur kritischen Kennzeichnung von Personen oder Zuständen zu verwenden. So wäre es
nicht zu beanstanden, wenn ein Moderator einen Bericht über eine ausländerfeindliche Aktion mit „Sieg Heil!“ kommentieren würde, um die Aktion als nazistisch zu
brandmarken.
Einer Prüfung durch einen juristischen Sachverständigen bedarf es daher nur, wenn
in einer Sendung Kennzeichen i. S. d. § 86a StGB verwendet werden und zweifelhaft
ist, ob dies durch die Sozialadäquanzklausel des § 29 Abs. 12 S. 1 PrO-FSF gedeckt
ist oder ironisch oder kritisch zu verstehen ist.
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
(3) § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 JMStV, § 29 Abs. 3 PrO-FSF (Volksverhetzung):
§ 4 JMStV
(1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn
sie
3. zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffor-dern oder die Menschenwürde anderer dadurch
angreifen, dass Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft,
böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden
Erläuterung:
Teile der Bevölkerung sind Gruppen der inländischen Bevölkerung, die sich durch
irgendein gemeinsames Merkmal von der anderen inländischen Bevölkerung unterscheiden (z. B. die Arbeiter, Soldaten, Beamten, Richter, Ausländer, Asylbewerber,
„dunkelhäutigen Menschen“, Juden, Katholiken, Protestanten, Schwaben, Bayern
usw.). Außer Gruppen der innerdeutschen Bevölkerung schützt die Bestimmung aber
auch im Ausland lebende Gruppen von Menschen, die durch ihre Nationalität, ihre
Rasse, Religion oder ihr Volkstum gekennzeichnet sind. Geschützt sind also z. B.
auch die Aborigines in Australien und die Amish People in den U.S.A.
Aufstacheln zum Hass ist das Anreizen zu einer nicht nur ablehnenden, sondern gesteigert feindseligen Haltung gegen die Angehörigen der betroffenen Gruppe. Darunter fällt z. B. die Behauptung, die Juden betrieben als Urheber einer Vernichtungslegende die politische Unterdrückung und finanzielle Ausbeutung des deutschen Volkes, die Parole „Juda verrecke!“ und die Darstellung von Asylbewerbern als betrügerische Schmarotzer, die auf Kosten der schwer arbeitenden Deutschen ein faules
Leben führen und sich über die dummen Deutschen auch noch lustig machen. Zu
Gewalt- und Willkürmaßnahmen wird aufgefordert, wenn zu körperlicher Gewalt, gewaltsamer Vertreibung, Eingriffen in die Freiheit oder zu sonstigem diskriminierenden
Verhalten (z. B. Boykott) aufgerufen wird. Beim Beschimpfen, Verächtlichmachen
oder Verleumden einer geschützten Gruppe muss hinzukommen, dass damit die
Menschenwürde der Angehörigen der Gruppe angegriffen wird. Da der Begriff der
Menschenwürde hier ebenso zu verstehen ist wie in Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG (dazu Näheres unten (7)), ist dies der Fall, wenn Gruppenangehörigen als „Unpersonen“, als
minderwertige Wesen dargestellt werden, denen entweder das Recht auf ihr biologisches Leben (z. B. durch die Äußerung, dass man Ausländer „vergasen“ solle oder
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
die Darstellung von Kapitalisten als „Pappscheiben“, auf die man schießen könne)
oder das Recht auf ein Leben als gleichwertige Persönlichkeiten bestritten wird (z. B.
durch einen Bericht über schwarz/weiße Ehen, in dem von „gierigen schwarzen
Pranken auf der weißen Haut“ die Rede ist, oder durch die Bezeichnung der Gruppenangehörigen als unwürdig, bestimmte Ämter zu bekleiden).
Die Begehungsmodalitäten der Volksverhetzung werfen vielfache Abgrenzungs- und
Streitfragen auf. Die juristische Prüfung einer Sendung ist daher stets angezeigt,
wenn aufgrund der vorgenannten Kriterien und Beispiele Zweifel an ihrer Zulässigkeit
bestehen.
Unzulässigkeit gem. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 JMStV, § 29 Abs. 3 PrO-FSF setzt allerdings voraus, dass die fragliche Sendung selbst eine volksverhetzende Tendenz verfolgt. Sendungen, die über volksverhetzende Äußerungen, Schriften, Filme usw. informieren und sie dabei ganz oder teilweise wiedergeben, sind nicht unzulässig, ebenso wenig z. B. Spielfilme, in denen eine Figur volksverhetzende Äußerungen
macht. Bestehen jedoch Anzeichen dafür, dass eine solche Sendung sich die fraglichen Äußerungen, die in ihr vorkommen – sei es auch „zwischen den Zeilen“ – zu
Eigen macht, so ist sie rechtlich zu prüfen.
(4) § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 JMStV, § 29 Abs. 4 PrO-FSF („Auschwitz-Lüge“):
§ 4 JMStV
(1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn
sie
4. eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6
Abs. 1 und § 7 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise,
die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, leugnen oder verharmlosen
Erläuterung:
Das Verbot des Verharmlosens und Leugnens gilt bezüglich solcher unter dem NSRegime begangener Taten, die die Voraussetzungen der §§ 6 Abs. 1 oder 7 VStGB
erfüllen.
§ 6 Abs. 1 VStGB erfasst Taten, die zu dem Zweck begangen werden, eine nationale, rassische, religiöse oder ethnische Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören. Die29
FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
sem Zweck diente die nationalsozialistische Verfolgung von Juden, Sinti und Roma,
nicht jedoch das NS-„Euthanasieprogramm“ gegen Geisteskranke oder die Verfolgung politischer Gegner. Obwohl § 6 VStGB die Überschrift „Völkermord“ trägt, erfasst die Bestimmung nicht nur (massenweise) Tötungen. Vielmehr genügt, sofern
damit der vorgenannte Zweck verfolgt wird, schon die Tötung oder schwere körperliche oder seelische Schädigung eines einzelnen Mitglieds der Gruppe (z. B. durch
medizinische Experimente), ferner das Schaffen zerstörerischer Lebensbedingungen
für Gruppenmitglieder (z. B. in Konzentrationslagern oder Ghettos) sowie Maßnahmen zur Verhinderung von Geburten in der Gruppe und das Trennen von Kindern
von ihrer Gruppe.
§ 7 VStGB betrifft Verbrechen gegen die Menschlichkeit und erfasst Taten im Rahmen völkerrechtswidriger ausgedehnter oder systematischer Angriffe gegen eine Zivilbevölkerung.
Bei den meisten der in § 7 VStGB genannten Taten handelt es sich um Gewaltakte
(Tötung, schwere körperliche oder seelische Schädigung, Freiheitsberaubung, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Vertreibung, zwangsweise Umsiedlung), bei denen es
genügt, dass ein Einzelner betroffen ist. Daneben nennt die Bestimmung aber auch
zwei Taten, die sich gegen Gruppen von Menschen richten. Die eine besteht darin,
dass eine Bevölkerung oder Teile einer Bevölkerung in der Absicht der Zerstörung
unter entsprechende Lebensbedingungen gestellt werden, die andere darin, dass
eine Gruppe oder Gemeinschaft aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen,
kulturellen oder religiösen Gründen, aus Gründen des Geschlechts oder sonstigen
den allgemeinen Regeln des Völkerrechts widersprechenden Gründen verfolgt wird,
indem ihr grundlegende Menschenrechte entzogen oder wesentlich eingeschränkt
werden.
Das Leugnen von NS-Taten des Völkermords oder des Verbrechens gegen die
Menschlichkeit muss nicht ausdrücklich und konkret erfolgen, sondern kann auch
„zwischen den Zeilen“ und pauschal geschehen, indem z. B. Vernichtungslager als
Erfindung bezeichnet werden oder Begriffe wie „Auschwitzlüge“ oder „Auschwitzmythos“ verwendet werden. Das Verharmlosen kann sowohl in einem teilweisen Leugnen (z. B. durch Herunterspielen der Zahl der Opfer) als auch in der Beurteilung der
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
NS-Taten als „nicht so schlimm“ (z. B. bei Vergleich mit der Gesamtzahl der Opfer
des 2. Weltkriegs oder späterer Kriege oder Bürgerkriege) bestehen.
Vorbild des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 JMStV ist § 130 Abs. 3 StGB, der nicht nur das
Leugnen und das Verharmlosen der hier fraglichen NS-Taten unter Strafe stellt, sondern auch das Billigen. Offenbar haben Verfasser und Gesetzgeber des JMStV dies
übersehen und diese Tatmodalität nicht in § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 JMStV aufgenommen. Folge ist, dass nach dem Gesetzeswortlaut eine Sendung, die z. B. den Massenmord an den Juden weder leugnen, noch verharmlosen, aber z. B. als „bittere
Notwendigkeit“ darstellen würde, zulässig wäre. Schon wegen der Strafbarkeit einer
solchen öffentlichen Billigung, wäre jedoch auch eine derartige Sendung von der FSF
als unzulässig zu behandeln.
Zu beachten ist, dass eine Sendung – wie sich aus dem zu § 6 Abs. 1 und § 7
VStGB Gesagten ergibt – nicht erst dann unzulässig ist, wenn sie z. B. den Massenmord an den Juden in Abrede stellt, sondern auch dann, wenn sie eine Tat leugnet,
verharmlost oder billigt, die gegen eine einzelne Person begangen worden ist.
Zu beachten ist andererseits aber auch, dass das Sendeverbot nur dann eingreift,
wenn das Leugnen, Verharmlosen oder Billigen Aussage der Sendung ist. Sendungen, die über solche Aussagen nur berichten, oder Diskussionssendungen, in denen
„Unbelehrbare“ ihre Auffassung vertreten, sind zulässig. Freilich ist darauf zu achten,
ob eine solche Sendung sich derartige Äußerungen nicht „zwischen den Zeilen“ zu
Eigen macht.
Eine juristische Prüfung ist hiernach angezeigt, wenn eine Sendung sich mit NSTaten, die als historische Tatsachen nicht mehr ernstlich umstritten sind und die
möglicherweise die Voraussetzungen des Völkermords oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit i. S. d. VStGB erfüllen, beschäftigt und eine Tendenz erkennen lässt, die diese Taten in Frage stellt, herunterspielt oder rechtfertigt.
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Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
(5) § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 JMStV, § 29 Abs. 5 PrO-FSF (Gewaltdarstellung):
§ 4 JMStV
(1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn
sie
5. grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer
Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten
ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die
Menschenwürde verletzenden Weise darstellt; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen
Erläuterung:
Das Sendeverbot setzt hier zunächst voraus, dass ein Programm grausame oder
sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen schildert.6
Gewalttätigkeiten sind Handlungen, mit denen physische Kraft gegen einen anderen
eingesetzt wird, durch die er körperlich verletzt oder gefährdet wird. Das Unterlassen,
jemanden aus einer Gefahr für Leib oder Leben zu retten, ist daher keine Gewalttätigkeit, ebenso wenig psychische Gewalt. Da Gewalttätigkeit ein Handeln voraussetzt, kommen ferner auch Tierangriffe und das Wirken von Naturgewalten (Erdbeben, Hurrikane usw.) nicht in Betracht. Jedoch ist nicht erforderlich, dass ein Mensch
als Täter dargestellt wird. Gewalttätigkeiten i. S. d. Bestimmung sollen nach Ansicht
der Rechtsprechung auch menschenähnliche Wesen (z. B. ein Roboter) begehen
können, denen in einem Film die Fähigkeit planmäßigen Vorgehens zugeschrieben
wird. Auch ist es ohne Bedeutung, ob die dargestellte Gewalt in der Realität möglich
oder ein reines Phantasieprodukt ist. Nach überwiegender Ansicht steht es dem
Sendeverbot auch nicht entgegen, dass das Opfer der dargestellten Gewalttätigkeit
mit dieser einverstanden ist.
Die Gewalttätigkeiten müssen nach den geltenden Fassungen des § 4 Abs. 1 S. 1
Nr. 5 JMStV, § 29 Abs. 5 PrO-FSF gegen lebende Menschen begangen werden. Am
1.4.2004 ist eine Änderung des § 131 StGB, auf dem diese Bestimmungen beruhen,
in Kraft getreten, durch die dieser Straftatbestand jetzt auch Gewalttätigkeiten gegen
menschenähnliche Wesen erfasst. Im Vorgriff auf eine Änderung von § 4 Abs. 1 S. 1
6
Der in § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 JMStV enthaltene und in § 29 Abs. 5 PrO-FSF übernommenen Zusatz,
wonach das Verbot auch für virtuelle Darstellungen, also für solche gilt, die durch elektronische Simulation den Eindruck eines realen Geschehens vermitteln, ist überflüssig. § 131 Abs. 1 StGB a. F., dessen Text Nr. 5 im Übrigen wiedergibt, erfasst nicht nur die Darstellungen realer Gewalt, sondern auch
32
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01.03.2005
Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
Nr. 5 JMStV und einer Anpassung von § 29 Abs. 5 PrO-FSF wird die FSF diese Bestimmungen in der erweiterten Fassung des § 131 StGB anwenden. Als Beispiele für
menschenähnliche Wesen werden Androide, künstliche Menschen, Außerirdische,
Untote, die Verkörperung übersinnlicher Wesen und ähnliche Wesen genannt.7
Grausam sind Gewalttätigkeiten, die dem Opfer besondere körperliche oder seelische Schmerzen oder Qualen zufügen und die aus brutaler unbarmherziger Gesinnung begangen werden. „Sonst unmenschlich“ ist eine Gewalttätigkeit, die Ausdruck
einer menschenverachtenden, rücksichtslosen Einstellung ist (z. B. Töten eines anderen „aus Spaß“ oder bedenkenloses, kaltblütiges und sinnloses Niederschießen
von Menschen).
Eine Sendung schildert Gewalttätigkeiten, wenn sie sie bildlich oder akustisch wiedergibt oder sie verbal darstellt. Nicht ausreichend ist es, wenn lediglich die Folgen
von Gewalt (z. B. das verletzte Opfer) gezeigt oder lediglich der Eindruck einer Gewalttätigkeit erweckt wird (z. B. durch Schreie aus einem im Film als Folterkeller vorgestellten Raum). Geschildert werden muss gerade auch das Grausame oder sonst
Unmenschliche der Gewalttätigkeiten, so dass auch die dafür erforderliche Gesinnung und Einstellung des Täters zum Ausdruck kommen muss.
Das Sendeverbot setzt ferner voraus, dass die Gewalttätigkeiten durch die Art der
Schilderung entweder verherrlicht oder verharmlost werden oder ihre Grausamkeit
oder Unmenschlichkeit in einer die Menschenwürde verletzenden Weise dargestellt
werden.
Als verherrlichend ist eine Schilderung anzusehen, die die dargestellten Gewalttätigkeiten positiv (z. B. als erstrebens- oder nachahmenswert oder als heldenhaft) erscheinen lässt. Verharmlost werden Gewalttätigkeiten, wenn sie bagatellisiert oder
als übliche, akzeptable oder jedenfalls nicht zu missbilligende Art des Verhaltens
dargestellt werden. Das ist jedoch nicht schon dann der Fall8 wenn dem Täter ein
solche fiktiver Vorgänge, u. zw. unabhängig davon, wie schwierig oder leicht das Dargestellte als fiktiv
(z. B. als in der Realität unmöglich, dazu sogleich) zu erkennen ist.
7
Allerdings sind erhebliche Interpretationsprobleme zu erwarten. So ist offen, welche Merkmale mindestens erfüllt sein müssen, damit ein Wesen als dem Menschen ähnlich angesehen werden kann.
Auch menschenähnliche Tierwesen (z. B. Fix und Foxi), die über Sprechfähigkeit, Denkvermögen und
die Fähigkeit, Gefühle zu empfinden und auszudrücken, verfügen und daher wesentliche Eigenschaften des Menschen aufweisen, wären von der Neufassung der Bestimmung als Gewaltopfer erfasst.
8
a. A.: OLG Koblenz, Neue Zeitschrift für Strafrecht 1998, 40.
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Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
Motiv für sie (z. B. ein psychischer Konflikt) zugeschrieben wird, das sein Verhalten
lediglich erklärt, jedoch weder rechtfertigt noch entschuldigt.
In der Alternative der die Menschenwürde verletzenden Darstellungsweise der Grausamkeit oder Unmenschlichkeit der Gewalttätigkeiten ist der Begriff der Menschenwürde ebenso wie in Art.1 Abs. 1 S. 1 GG zu verstehen (dazu Näheres unter (7)).
Darstellungen fiktionaler Gewalt können sie nur als ein Grundprinzip der Verfassung,
als „abstrakten Rechtswert“ verletzen, Darstellungen realer Gewalt können dagegen
(auch) gegen die Würde der tatsächlichen Gewaltopfer verstoßen. Dementsprechend
sind die Voraussetzungen, unter denen die „Menschenwürde-Alternative“ des Verbotstatbestands erfüllt ist, für Darstellungen fiktionaler und realer Gewalt unterschiedlich zu bestimmen.
Eine die Menschenwürde verletzende Darstellungsweise bei der Schilderung fiktionaler Gewalt liegt vor, wenn die Schilderung des Grausamen oder Unmenschlichen der
Gewalttätigkeiten darauf angelegt ist, beim Rezipienten eine Einstellung zu erzeugen
oder zu verstärken, die den fundamentalen Wert- und Achtungsanspruch leugnet,
der jedem Menschen zukommt. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn sie sadistisches Vergnügen an dem dargestellten Geschehen erzeugen soll oder die Opfer
der Gewalttätigkeiten als menschenunwert, als verfügbare Objekte, mit denen nach
Belieben verfahren werden kann, erscheinen lässt und dabei den Rezipienten zu bejahender Anteilnahme an der gegen sie verübten Gewalt, also zur Identifikation mit
den Tätern anregt. Dagegen liegt eine Menschenwürde verletzende Darstellung fiktionaler Gewalt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes noch nicht vor,
wenn Gewalttätigkeiten in aufdringlicher Weise anreißerisch und ohne jegliche sozial
sinnhafte Motivation oder zum Zweck der Unterhaltung gezeigt werden.
Bei Darstellungen realer Gewalt ist die „Menschenwürde-Alternative“ erfüllt, wenn
durch das Darstellen von Gewalttätigkeiten in allen Einzelheiten und unter Ausklammerung aller sonstigen menschlichen Bezüge die geschundene menschliche Kreatur
in den Vordergrund gerückt wird und dies ausschließlich zu dem Zweck geschieht,
dem Rezipienten Nervenkitzel oder genüsslichen Horror zu bieten (Übersteigerung
von Schilderungen realer Gewalt zu physischen Erregungszwecken und reiner Unterhaltung, ohne dass ein berechtigtes Dokumentations- und Berichtsinteresse im
Sinne der Aufklärung, Abschreckung und/oder Gewaltkritik besteht). Im Fall der
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Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
Schilderung grausamer oder unmenschlicher realer Gewalttätigkeiten reicht es schon
aus, wenn das Opfer zum bloßen Objekt gemacht wird, das vorrangig der Befriedigung voyeuristischer Neigungen der Zuschauer dient. Bei der Entscheidung darüber,
ob dies der Fall ist, sind neben den einzelnen gezeigten Bildern und gegebenenfalls
ihrer redaktionellen Einbettung und Kommentierung der Gesamtcharakter der Sendung und deren dramaturgische Gestaltung zu berücksichtigen.
Zu beachten ist schließlich, dass das Sendeverbot nicht schon dann eingreift, wenn
einzelne Gewaltszenen eines Programms (z. B. eines Kriegsfilms) die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 JMStV erfüllen, sondern nur dann, wenn die Verherrlichung oder Verharmlosung der geschilderten Gewalttätigkeiten oder die Missachtung
der Menschenwürde, die in der Art der Darstellung zum Ausdruck kommt, die Gesamttendenz des Programms ausmachen. Daher sind z. B. auch Programme zulässig, die sich kritisch mit unter § 131 StGB fallenden Horrorvideos auseinander setzen
und Ausschnitte daraus zeigen.
Gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 JMStV i. V. m. § 131 Abs. 3 StGB gilt das Sendeverbot nicht,
wenn die Ausstrahlung des Programms der Berichterstattung über Vorgänge des
Zeitgeschehens oder der Geschichte dient. Dieses Berichterstatterprivileg betrifft
nicht nur Programme, die tatsächliche Ereignisse aus dem Zeitgeschehen oder der
Geschichte wiedergeben, sondern auch Dokumentationen und historische Spielfilme,
die solche Vorgänge in nachgestellten Szenen rekonstruieren. Da Berichterstattung
aber nach allgemeiner Ansicht nicht vorliegt, wenn eine Sendung eine Gewalt verherrlichende, verharmlosende oder gegen die Menschenwürde gerichtete Gesamttendenz aufweist, ist das Berichterstatterprivileg ohne praktische Bedeutung.
Angesichts der Vielzahl unbestimmter Begriffe, die das Verbot von Gewaltdarstellungen schon bisher aufwies und die durch die Einbeziehung der menschenähnlichen
Wesen noch erhöht worden ist, sollten alle Programme, bei denen aufgrund der hier
gegebenen Erläuterungen Anzeichen für die Möglichkeit der Unzulässigkeit bestehen, dem juristischen Sachverständigen vorgelegt werden.
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Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
(6) § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 JMStV, § 29 Abs. 6 PrO-FSF (Anleitung zu Straftaten):
§ 4 JMStV
(1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn
sie
6. als Anleitung zu einer in § 126 Abs. 1 des Strafgesetzbuches genannten rechtswidrigen Tat dienen
Erläuterung:
Die Unzulässigkeit setzt voraus, dass die Sendung als Anleitung zu einer der in
§ 126 StGB genannten Taten dienen kann. § 126 StGB enthält einen umfangreichen
Katalog von Straftatbeständen, die hier nicht im Einzelnen aufgezählt oder gar erläutert werden, sondern nur allgemein gekennzeichnet werden können. Zu ihnen gehören:
1. Erschwerte Fälle des Landfriedensbruchs. Landfriedensbruch begeht, wer sich als
Täter, Anstifter oder Gehilfe an Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen
oder an der Bedrohung von Menschen mit solchen Gewalttätigkeiten beteiligt, die
aus einer Menschenmenge heraus mit vereinten Kräften begangen werden.
Landfriedensbruch begeht ferner auch, wer auf eine Menschenmenge einwirkt, um
sie zu solchen Gewalttätigkeiten oder Drohungen zu veranlassen. Die erschwerten
Fälle, die § 126 StGB nennt, sind die, in denen jemand, der an einem Landfriedensbruch beteiligt ist, eine Schusswaffe bei sich hat, eine andere Waffe in der
Absicht bei sich hat, sie bei der Tat zu verwenden, einen anderen durch eine
Gewalttätigkeit in Todesgefahr oder die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder plündert oder bedeutenden Schaden anrichtet.
2. Vorsätzliche Tötungen und Körperverletzungen mit schweren Folgen.
3. Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit (dazu Näheres unter (4)) sowie
Kriegsverbrechen gem. §§ 8 bis 12 VStGB. Die Tatbestände der Kriegsverbrechen
nehmen in einer üblichen Textausgabe strafrechtlicher Gesetze fast drei Seiten ein
und können hier daher nur sehr generell und durch einige Beispiele erläutert werden.
§ 8 VStGB betrifft Kriegsverbrechen gegen Personen und erfasst – z. T. zwischen
Krieg und Bürgerkrieg differenzierend – Verbrechen (von der Tötung über schwere
körperliche oder psychische Schädigung bis zur erniedrigenden Behandlung) gegen
Zivilpersonen, Kranke, Verwundete, und Kriegsgefangene. § 9 VStGB enthält
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Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte und erfasst sowohl für den
Fall des Kriegs als auch für den des Bürgerkriegs, z. B. Plünderungen, die nicht
durch die Erfordernisses des Kriegs geboten sind, das völkerrechtswidrige Zerstören
von Sachen der gegnerischen Partei sowie Anordnungen, mit denen Rechte oder
Forderungen eines wesentlichen Teils der Angehörigen der gegnerischen Partei aufgehoben oder für nicht einklagbar erklärt werden. § 10 VStGB betrifft Kriegsverbrechen gegen humanitäre Operationen und Embleme. Unter Strafandrohung stehen
hier – im Krieg wie im Bürgerkrieg – Angriffe auf Angehörige und Einrichtungen humanitärer oder friedenserhaltender Missionen, die in Einklang mit der UN-Charta stehen, ferner auch z. B. der Missbrauch der Schutzzeichen der Genfer Konvention und
der Flagge, der Abzeichen und der Uniformen der UN. § 11 VStGB betrifft das
Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung. Auch diese Bestimmung gilt für den Krieg wie für den Bürgerkrieg und stellt es u. a. unter
Strafe, mit militärischen Mitteln die Zivilbevölkerung als solche oder zivile Objekte wie
z. B. Kirchen, Krankenhäuser, Museen oder unverteidigte Städte anzugreifen oder
militärische Angriffe in der sicheren Erwartung zu führen, dass die Zahl der getöteten
oder verletzen Zivilpersonen außer Verhältnis zu dem erwarteten militärischen Vorteil
stehen wird. § 12 enthält das Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Mittel der
Kriegsführung und stellt im Krieg und im Bürgerkrieg die Verwendung von Gift, von
biologischen und chemischen Waffen sowie von Dumdumgeschossen unter Strafe.
4. Schwere Straftaten gegen die persönliche Freiheit, wie z. B. erpresserischer Menschenraub und Geiselnahme.
5. Raub und räuberische Erpressung.
6. Jede Art vorsätzlicher Brandstiftung; das Herbeiführen einer Explosion oder einer
Überschwemmung; das Beimischen gesundheitsschädlicher Stoffe zu Wasser in gefassten Quellen, Leitungen oder Trinkwasserspeichern, wenn das Wasser für den
persönlichen Gebrauch von Menschen (z. B. zum Trinken oder Waschen) bestimmt
ist; das Beimischen gesundheitsschädlicher Stoffe zu Waren oder Gegenständen, die
der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen (z. B. Bücher in öffentlichen Bibliotheken),
und das Abgeben solcher infizierter Gegenstände oder Anbieten zum Verkauf.
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Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
7. Gefährliche Eingriffe in den Straßen-, Bahn-, Schiffs- oder Luftverkehr (z. B. durch
Beschädigen von Fahr- oder Flugzeugen oder von Einrichtungen, die der Verkehrssicherheit dienen).
8. Luft- und Schiffspiraterie sowie räuberische Angriffe auf Kraftfahrer oder Mitfahrer.
9. Gesetzwidriges und für Menschen oder bedeutende Sachwerte gefährliches Freisetzen radioaktiver Strahlung oder Bewirken einer Kernspaltung.
10. Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit eines Menschen durch Beschädigung wichtiger baulicher Anlagen (z. B. Dämme, Deiche, Brücken) oder von Bergwerkseinrichtungen.
11. Sabotageakte gegen öffentlichen Zwecken dienende Telekommunikationsanlagen, gegen Unternehmen oder Anlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Postdienstleistungen, mit Wasser, Licht, Wärme, Kraft oder anderen besonders wichtigen
Gütern oder Dienstleistungen dienen.
12. Sabotageakte gegen Einrichtungen oder Anlagen, die der öffentlichen Ordnung
oder Sicherheit dienen (z. B. Einsatzfahrzeuge der Polizei, der Feuerwehr oder des
Bundesgrenzschutzes, Notrufsäulen, Feuermelder).
Unzulässigkeit einer Sendung setzt voraus, dass sie als Anleitung zur Planung, Vorbereitung oder Durchführung einer der oben genannten Taten dienen kann, also entsprechendes Wissen vermittelt. Das ist z. B. der Fall, wenn sie über Methoden zur
Herstellung von Sprengstoff oder die Dienstvorschriften der Bundeswehr zu Brückensprengungen im Verteidigungsfall informiert oder wenn in einem Krimi oder auch
in einer Dokumentation Planung oder Ausführung einer der hier in Betracht kommenden Taten in einer zur Nachahmung verwendbaren Weise geschildert werden. Hinzukommen muss aber, dass die Sendung ihrem Inhalt nach dazu bestimmt ist, die
Bereitschaft anderer zur Begehung einer solchen Tat zu wecken oder zu fördern.
Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn sie zu solchen Taten auffordert, sondern auch
dann, wenn sie in irgendeiner Weise (z. B. durch Befürworten oder Billigen früherer
Taten) einen Anreiz zu ihrer Begehung schafft.
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Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
(7) § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 JMStV, § 29 Abs. 8 PrO-FSF (Verstoß gegen die Menschenwürde):
§ 4 JMStV
(1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn
sie
8. gegen die Menschenwürde verstoßen, insbesondere durch die Darstellung von
Menschen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren, wobei ein tatsächliches Geschehen wiedergegeben wird, ohne
dass ein berechtigtes Interesse gerade für diese Form der Darstellung oder Berichterstattung vorliegt; eine Einwilligung ist unbeachtlich
Erläuterung:
Der Verbotstatbestand schützt nicht nur die Menschenwürde konkreter Personen,
sondern auch die Menschenwürde als Grundprinzip der Verfassung, als „abstrakten
Rechtswert“. Dabei ist der Begriff der Menschenwürde ebenso zu verstehen wie in
Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG. Da § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 JMStV im Gegensatz zu den Unzulässigkeitstatbeständen der Volksverhetzung (oben unter (3)) und der Gewaltdarstellung (oben unter (5)) nicht nur bestimmte Angriffe gegen die Menschenwürde erfasst,
sondern generalklauselartig jede Art ihrer Verletzung untersagt, bedürfen der Begriff
der Menschenwürde und die daraus resultierenden Möglichkeiten ihrer Verletzung
hier einer näheren Erläuterung.
Die in Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG als „unantastbar“ bezeichnete Menschenwürde ist das
einzige Grundrecht, das nicht durch Abwägung mit anderen Grundrechten oder Verfassungswerten eingeschränkt werden kann, sondern ihnen stets vorgeht. Daher und
damit andere Grundrechte nicht unter Berufung auf die Menschenwürde in bedenklicher Weise beschnitten werden, sind der Begriff der Menschenwürde und der daraus
resultierende Achtungsanspruch eng zu fassen. Nach der in der verfassungsrechtlichen Literatur gebräuchlichen und auch vom Bundesverfassungsgericht verwendeten sog. Objektformel ist eine Verletzung der Menschenwürde daher nur anzunehmen, wenn die Subjektqualität des Menschen prinzipiell missachtet, er als bloßes
Objekt behandelt wird.
Dies bedeutet zunächst, dass ein Programm nicht schon deshalb unzulässig ist, weil
es geschmack- oder niveaulos ist oder durch polemische Ausfälle oder sprachliche
Entgleisungen gekennzeichnet ist. Auch liegt eine Verletzung der Menschenwürde
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01.03.2005
Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
nicht schon stets dann vor, wenn Menschen instrumentalisiert werden oder sich
selbst entwürdigen oder ihnen Leid oder Schmerz zugefügt wird.
Das Sendeverbot des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 JMStV greift vielmehr erst dann ein, wenn
a) die Verletzung der Menschenwürde realer Personen gezeigt werden soll, ohne
dass damit ein berechtigtes Aufklärungs-, Abschreckungs- und/oder GewaltkritikInteresse durch den Bericht selbst wahrgenommen wird bzw. ein entsprechendes
allgemeines öffentliches Interesse an dem Bericht angenommen werden kann;
b) wenn durch einzelne Bilder (insbesondere über extremes Leid von Gewaltopfern)
und die Gesamttendenz der Darstellung eine Haltung nahe gelegt wird, die die Menschenwürde als Grundwert prinzipiell in Frage stellt.
Im Fall a) liegt die Verletzung der Menschwürde primär auf der Ebene der realen
dargestellten Personen, die durch den Bericht eine zusätzliche und durch kein Aufklärungsinteresse gerechtfertige Herabwürdigung ihrer Person erfahren würden.
Der Fall b) betrifft Menschenwürde-Verletzungen, die im Wirkungspotenzial des Films
angelegt sind. Dabei wird angenommen, dass Darstellungsform und -inhalt des Films
eine die Menschenwürde negierende Einstellung fördern. Dies trifft allerdings nicht
schon dann zu, wenn die dargestellten Menschen in einer Szene als unselbständige
und in ihrem Willen eingeschränkte Wesen erscheinen. Vielmehr muss dies durch die
Gesamttendenz zusätzlich gestützt werden. Daher reicht auch eine einfache Beleidigung oder öffentliche Herabwürdigung einer Person auf der Darstellungsebene nicht
aus, um ein Sendeverbot zu rechtfertigen. Das Verächtlichmachen muss vielmehr
höchst intensiv erfolgen und zudem durch kommentierende und dramaturgische Einbettungen als positives und erstrebenswertes allgemeines Verhaltensmuster bewertet werden.
Da der Verbotstatbestand allein auf die Verletzung der Menschenwürde konkreter
Personen oder des „abstrakten Rechtswerts“ der Menschenwürde abstellt, können
auch Darstellungen realer oder fiktionaler Gewalt, die nicht von § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 5
JMStV erfasst sind, sowie Darstellungen sonstigen entwürdigenden, erniedrigenden
oder menschenverachtenden Umgangs mit Menschen zur Unzulässigkeit eines Programms führen. Wann dies der Fall ist, richtet sich nach den oben in den Erläuterungen zu dem Merkmal der die Menschenwürde verletzenden Darstellungsweise in § 4
Abs. 1 S. 1 Nr. 5 JMStV, § 29 Abs. 5 PrO-FSF genannten Kriterien.
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01.03.2005
Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
Nach allgemeiner Ansicht besteht der aus der Menschenwürde resultierende Achtungsanspruch auch nach dem Tod eines Menschen fort. Daher können auch das
voyeuristische Zurschaustellen z. B. verstümmelter oder entstellter Leichen oder das
Verunglimpfen Verstorbener, mit dem in Frage gestellt wird, dass sie zu Lebzeiten
Subjektqualität besessen haben, einen Verstoß gegen die Menschenwürde
darstellen.
Programme, die Menschen darstellen, die sterben oder schweren körperlichen oder
seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren, und ein tatsächliches Geschehen
wiedergeben, waren früher durch die sog. „Reality-TV-Klausel“ des § 3 Abs. 1 Nr. 4
RStV untersagt. Sie stellen jetzt nur noch ein Beispiel für Programme dar, durch die
die Menschenwürde verletzt sein kann. Da Voraussetzung ist, dass ein tatsächliches
Geschehen wiedergegeben wird, sind fiktionale Programme nicht erfasst, ebenso
wenig der Fall, dass innerhalb einer Darstellung realen Geschehens (z. B. eines Berichts über einen Verkehrsunfall) jemand schwerste Verletzungen vortäuscht. Hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen die hier fraglichen Darstellungen gegen
die Menschenwürde verstoßen, gelten die oben in den Erläuterungen zum Merkmal
der die Menschenwürde (konkreter Personen) verletzenden Darstellungsweise in § 4
Abs. 1 S. 1 Nr. 5 JMStV, § 29 Abs. 5 PrO-FSF genannten Kriterien entsprechend.
Unzulässig sind solche Sendungen daher, wenn sie Vergnügen am Leid der Dargestellten bereiten sollen oder sie zum bloßen Objekt des Voyeurismus machen (z. B.
durch Überbringen der Todesnachricht an einen nahen Angehörigen des Verstorbenen vor laufender Kamera oder durch ein Interview mit der noch unter Schock stehenden Mutter eines Ermordeten zum Thema Selbstjustiz) sowie ferner auch dann,
wenn sie das gezeigte Leid nicht als das von Menschen, sondern von minderwertigen Wesen erscheinen lassen. Verletzt ein Programm die Menschenwürde, so kann
es entgegen der gesetzlichen Regelung ein berechtigtes Interesse gerade an dieser
– gegen die Menschenwürde verstoßenden – Form der Darstellung nicht geben.
Denn die Menschenwürde ist, wie oben gesagt, durch eine Abwägung mit anderen
Grundrechten nicht einschränkbar.
Ebenso wie im Fall des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 JMStV, § 29 Abs. 5 PrO-FSF kommt es
auch hier darauf an, ob ein Programm seiner Gesamttendenz nach den Verbotstatbestand erfüllt. Programme, die z. B. lediglich Handlungen zeigen, die gegen die
Menschenwürde verstoßen (z. B. Praktiken eines diktatorischen Regimes) oder sich
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01.03.2005
Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
mit Filmen auseinander setzen, die die Menschenwürde verletzen, und zu diesem
Zweck entsprechende Ausschnitte aus ihnen bringen, sind nicht unzulässig.
Sind aufgrund der vorstehenden Erläuterungen Anhaltspunkte dafür gegeben, dass
ein Programm gegen die Menschenwürde verstößt, so ist es dem juristischen Sachverständigen vorzulegen. Dieser soll auch darüber befinden, ob trotz der Einwilligung
einer von dem Programm betroffenen Person eine Verletzung ihrer Menschenwürde
vorliegt, so dass die Einwilligung, wie in dem Verbotstatbestand vorgesehen, unbeachtlich ist.
(8) § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 JMStV, § 29 Abs. 9 PrO-FSF (Kinder oder Jugendliche in
unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung):
§ 4 JMStV
(1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn
sie
9. Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen
Erläuterung:
Die Bestimmung lehnt sich an den – allerdings etwas anders gefassten § 15 Abs. 2
Nr. 4 JuSchG an („in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung“). Die amtliche Begründung des JuSchG führt dazu aus, dass nach kriminalpolizeilichen Erkenntnissen erwachsene pädophile Täter Darstellungen der hier fraglichen Art oft
benutzen, um Kinder oder Jugendliche „einzustimmen“ und für den beabsichtigten
Missbrauch gefügig zu machen. Derartige Darstellungen suggerierten Natürlichkeit
und Harmlosigkeit, vermittelten die falsche Vorstellung der Normalität sexuellen Umgangs von Erwachsenen mit Minderjährigen und täuschten über die Grenzen des
Selbstbestimmungsrechts von Kindern und Jugendlichen. Sie begründeten daher
das ernst zu nehmende Risiko, dass Kinder und Jugendliche in ihren Möglichkeiten
beeinträchtigt würden, sich gegen sexuelle Übergriffe von Erwachsenen zu wehren.
Diesen Erwägungen entspricht es, dass die Vorschrift nicht alle Darstellungen erfasst, die auf Pädophile stimulierend wirken können (z. B. nicht solche, in denen nur
durch die Bildperspektive der Blick des Betrachters auf den Genitalbereich gelenkt
wird). Unzulässig sind nur Sendungen, die durch die unnatürlich geschlechtsbetonte
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
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Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
Körperhaltung der dargestellten Minderjährigen Kindern und Jugendlichen ein falsches Rollenbild vermitteln können.
Was unter einer unnatürlich geschlechtsbetonten Körperhaltung zu verstehen ist, ist,
da die Vorschrift erst seit kurzer Zeit in Kraft ist, noch nicht geklärt. Jedoch wird man
als geschlechtsbetont eine Körperhaltung anzusehen haben, die die Geschlechtsmerkmale hervorhebt oder auf sonstige Weise (z. B. dadurch, dass eine Minderjährige der Kamera ihr Gesäß entgegenhält) einen sexuellen Reiz auslösen können.
Nicht erforderlich ist, dass die Dargestellten unbekleidet sind.
Andererseits ist zu beachten, dass es nach der Bestimmung nur auf die Körperhaltung ankommt. Übermäßige Schminke oder das Tragen von Reizwäsche allein reichen nicht aus; ebenso wenig das Herumspielen mit sexuellem „Zubehörbedarf“
(Kondome, Vibratoren o. ä.).
Die Reichweite des Sendeverbots wird dadurch eingegrenzt, dass die Körperhaltung
des dargestellten Minderjährigen in unnatürlicher Weise geschlechtsbetont sein
muss. Da der oben erwähnte Zweck der Vorschrift dahin geht, Minderjährige vor einem falschen Rollenverständnis zu bewahren, wird man eine geschlechtsbetonte
Körperhaltung dann als unnatürlich anzusehen haben, wenn sie nicht altersadäquat
ist, so dass z. B. eine Sendung, in der geschlechtsbetonte Posen eines 17-jährigen
Models zu sehen sind, nicht unzulässig ist.
Da allerdings gesicherte Maßstäbe noch nicht vorhanden sind, ist eine juristische
Prüfung stets geboten, wenn sich bei einer Sendung anhand der hier genannten Kriterien Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sie unzulässig sein könnte. Dies gilt auch
für Informationssendungen, in denen z. B. über Kindesmissbrauch berichtet wird und
die von einem Täter zur Einstimmung des Opfers genutzten Bilder gezeigt werden.
Unklar ist bislang auch, welche Bedeutung dem in § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 JMStV enthaltenen und in § 29 Abs. 9 PrO-FSF übernommenen Zusatz zukommt, nach dem
das Sendeverbot auch für virtuelle Darstellungen gilt. Es könnte so zu verstehen
sein, dass nur Abbildungen der Realität und Darstellungen, die ihren Gegenstand
durch elektronische Simulation als real erscheinen lassen, untersagt sind. Andererseits ist es für den Begriff des Darstellens – wie für den des Schilderns in § 131
Abs. 1 StGB (oben unter(5)) – nach herkömmlichem Verständnis gleichgültig, ob das
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01.03.2005
Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
Dargestellte real ist, als real erscheint oder als nicht real erkennbar ist. Geht man
hiervon aus, so ist die ausdrückliche Einbeziehung virtueller Darstellungen in den
Unzulässigkeitstatbestand überflüssig, da er ohnehin jede Art bildlicher Darstellung
erfasst. Davon ist in der Prüfpraxis der FSF – bis zu einer verbindlichen Klärung der
Bedeutung der die virtuellen Darstellungen betreffenden Klausel – auszugehen.
§ 16
Programme, deren Unzulässigkeit von den Prüfausschüssen oder Einzelprüfern zu prüfen ist (§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 7, 10, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 3
JMStV, § 29 Abs. 7, § 10, § 30 PrO-FSF)
(1) § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 JMStV, § 29 Abs. 7 PrO-FSF (Kriegsverherrlichung):
§ 4 JMStV
(1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn
sie
7. den Krieg verherrlichen
Erläuterung:
Als kriegsverherrlichend i. S. d. Bestimmung sind nicht nur Programme anzusehen,
die den Krieg glorifizieren, als heldenhaftes Abenteuer zur Bewährung besonderen
Mutes darstellen (§ 30 Nr. 3 PrO-FSF) oder in sonstiger Weise positiv bewerten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts werden vielmehr auch
Programme erfasst, die den Krieg verharmlosen. Dies kann im Einzelfall auch dadurch geschehen, dass Leiden und Schrecken des Kriegs gänzlich unerwähnt bleiben und Kriegsereignisse nur aus der Sicht des Siegers dargestellt werden. Sachliche Kriegsberichterstattung wird von der Bestimmung nicht erfasst; ebenso wenig ein
Programm, das sich kritisch mit kriegsverherrlichenden Medien befasst und aus ihnen zitiert.
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Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
(2) § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 10, und Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JMStV, § 29 Abs. 10 PrO-FSF
(Pornographie):
§ 4 JMStV
(1) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn
sie
10. pornografisch sind und Gewalttätigkeiten, den sexuellen Missbrauch von Kindern
oder Jugendlichen oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand haben; dies gilt auch bei virtuellen Darstellungen
(2) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote ferner unzulässig,
wenn sie
1. in sonstiger Weise pornografisch sind
Erläuterung:
Wie sich aus § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 i. V. m. S. 2 JMStV ergibt, sind schon (einfach)
pornographische Programme im Rundfunk unzulässig. Die Ausnahmeregelung des
S. 2 gilt nur für Telemedien. Der selbständige Verbotstatbestand des § 4 Abs. 1 S. 1
Nr. 10 JMStV, der Gewalt-, Kinder- und sodomitische Pornographie erfasst, ist daher
für die Prüfungen der FSF ohne Bedeutung. Denn auch diese qualifizierte Pornographie muss zunächst die Merkmale einfacher Pornographie erfüllen.
Die FSF hat die Definition der Pornographie (die allerdings versehentlich in § 29
Abs. 10 PrO-FSF nicht vollständig wiedergegeben ist) aus dem Bewertungsleitfaden
der Landesmedienanstalten übernommen. Danach sind Sendungen pornographisch,
wenn sie unter Ausklammerung sonstiger menschlicher Bezüge sexuelle Vorgänge in
grob aufdringlicher Weise in den Vordergrund rücken, in ihrer Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf sexuelle Stimulation angelegt sind und dabei die im
Einklang mit allgemeinen gesellschaftliche Wertvorstellungen gezogenen Grenzen
eindeutig überschreiten.
Diese Begriffsbestimmung findet sich in der Sache und teils auch in der Formulierung
ebenfalls in Entscheidungen des BGH und des BVerwG.
Sie ist allerdings mit zwei überflüssigen Elementen behaftet. Denn das Erfordernis
der Überschreitung der durch gesellschaftliche Wertvorstellungen gezogenen (Anstands-)Grenzen weist lediglich auf die Selbstverständlichkeit hin, dass die Antwort
auf die Frage, ob eine Sexualdarstellung aufdringlich oder anreißerisch ist, von sich
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
im Laufe der Zeit wandelnden gesellschaftlichen Anschauungen abhängt. Überflüssig
ist auch das Element der Stimulierungstendenz, das auch in der Rechtsprechung
keine eigenständige Rolle spielt, sondern ohne weiteres bejaht wird, wenn die anderen Merkmale der Pornographie gegeben sind.
Die wesentlichen Elemente einer pornographischen Sendung sind demnach die folgenden: Sie isoliert physische Sexualität von personalen Beziehungen, verabsolutiert
sexuellen Lustgewinn, degradiert Menschen zu auswechselbaren Objekten der
Triebbefriedigung und lässt sie als bloße Reiz-Reaktionswesen erscheinen. Diese
Einstellung zu Sexualität transportiert sie durch eine aufdringliche und anreißerische
Darstellung sexueller Vorgänge. Erforderlich ist schließlich, dass nicht nur einzelne
Szenen der Sendung diese Merkmale aufweisen, sondern dass das Pornographische ihre Gesamttendenz ausmacht, ihre Botschaft also darin besteht, entpersönlichte Sexualität als erstrebenswert oder normal darzustellen.
Auf der Grundlage dieser Definition der Pornographie lassen sich einige Kriterien
benennen, die typischerweise bei der Entscheidung darüber, ob eine Sendung einen
pornographischen Gesamtcharakter hat, von Bedeutung sind.
Ein Indiz für Pornographie ist es, wenn Sexszenen unverbunden nebeneinander stehen oder durch eine Geschichte verbunden sind, die sich darauf beschränkt, nicht
oder nicht näher miteinander bekannte Personen zusammentreffen zu lassen und
ihnen Gelegenheit zur Triebbefriedigung zu geben. Dies gilt insbesondere, wenn die
an den Sexszenen Beteiligten häufig wechseln. Gegen eine Bewertung als Pornographie spricht dagegen, wenn die Sendung für die Sexszenen auch andere Motive
als physischen Lustgewinn (z. B. Liebe, Verliebtheit, Freundschaft oder auch Enttäuschung über einen anderen Partner oder Rache an ihm) glaubhaft macht.
Ein Indiz für Pornographie ist es ferner, wenn der Anteil der Sexszenen an der Gesamtlänge des Films überwiegt. Ebenso, wenn sexuelle Vorgänge detailliert und überdeutlich, in Slow Motion oder in realer zeitlicher Dauer gezeigt werden oder im
Wesentlichen der Unterleib der Akteure ins Bild gesetzt wird. Die Fokussierung auf
Genitalien (z. B. durch Detailaufnahmen oder Zooms) ist allerdings allein noch nicht
hinreichend, um das Urteil „pornographisch“ zu begründen. Andererseits wird dieses
Urteil auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass keine Genitalien gezeigt werden.
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
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Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
Ein Kriterium kann schließlich die verwendete Sprache sein. So kann der Gebrauch
grob anreißerischer oder derb zotiger Wörter oder das Dominieren parasprachlicher
Laute (z. B. Stöhnen) in Sexszenen dazu führen, dass eine Sendung, die sonstige
Indizien für Pornographie aufweist, die Schwelle zur Unzulässigkeit überschreitet.
(3) § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 JMStV, § 30 PrO-FSF (Offensichtlich schwere Jugendgefährdung):
§ 4 JMStV
(2) Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote ferner unzulässig,
wenn sie
3. offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder
ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit unter Berücksichtigung der besonderen Wirkungsform des Verbreitungsmediums
schwer zu gefährden.
Erläuterung:
Da die Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV nur für Telemedien gilt, sind
offensichtlich schwer jugendgefährdende Programme im Rundfunk generell unzulässig.
Der Begriff der „schweren“ Gefährdung i. S. d. Bestimmung bezeichnet nicht etwa ein
erhöhtes Risiko schädlicher Folgen, gemeint ist vielmehr die Möglichkeit, dass es zu
schwerwiegenden Entwicklungsschäden kommt. Ob diese Möglichkeit besteht, ist
wie bei sonstigen Programmprüfungen unter Berücksichtigung der „besonderen Wirkungsform“ des Fernsehens zu beurteilen.
Auf der Basis einer Entscheidung des BVerwG zum früheren § 6 GjS sind als schwer
gefährdend zunächst Sendungen anzusehen, die – ebenso wie die in § 4 Abs. 1
Nr. 1 bis 8, 10, 11 JMStV genannten – eine der Wertordnung des Grundgesetzes
krass widersprechende Tendenz haben, sich also z. B. gegen die Achtung der Menschenwürde, die verfassungsmäßige Ordnung, die Völkerverständigung usw. richten,
und Minderjährige daher zu einer entsprechenden Einstellung verleiten können. Beispiele für solche Sendungen sind in § 30 PrO-FSF aufgeführt. Hinzuzufügen ist allerdings, dass Sendungen die in § 30 Abs. 1 und 2 PrO-FSF genannten oder ähnliche
Tendenzen (Verherrlichung von Gewalt, Befürwortung von Gewalt zu Durchsetzung
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Teil III: § 4 JMStV: Unzulässige Sendungen
sexueller Interessen usw.) nicht nur dann aufweisen können, wenn sie Gewaltdarstellungen und sexuelle Darstellungen enthalten, sondern sie auch rein verbal, z. B.
durch die Äußerungen eines Moderators, verfolgen können.
Schwer gefährdend können aber nicht nur sozialethisch desorientierende Sendungen
sein, sondern auch solche, die dazu führen können, dass Minderjährige sich selbst
schädigen oder – wie im Fall des § 4 Abs. 1 Nr. 9 JMStV – Schädigungen durch andere dulden oder in der Entwicklung ihrer Eigenverantwortlichkeit gravierend geschädigt werden. Unzulässig sind daher auch Sendungen, die z. B. Selbstmord verherrlichen oder verharmlosen, selbstgefährdende Verhaltensweisen zeigen und eine
erhebliche Gefahr der Nachahmung begründen, zum Drogenkonsum anreizen, aber
auch solche, die Minderjährige dazu veranlassen können, sich als minder berechtigt
als Erwachsene anzusehen und deren rechtswidrige Handlungen zu dulden oder
auch solche, die z. B. für eine Sekte werben, deren Mitglieder dazu gebracht werden,
die Verantwortung für sich aufzugeben und unbedingten Gehorsam gegenüber der
Sektenleitung zu üben. Sendungen, die lediglich dazu führen können, dass Minderjährige einem in der Gesellschaft umstrittenen – teils akzeptierten, teils abgelehnten
– Trend (z. B. zu kosmetischen Operationen) folgen, fallen dagegen nicht unter das
Verbot. Eine schwere Gefährdung der Entwicklung zur Eigenverantwortlichkeit wäre
bei einer solchen Sendung erst dann anzunehmen, wenn sie Kinder oder Jugendliche unter psychischen Druck setzten würde, dem propagierten Trend zu folgen.
Unzulässig ist eine Sendung gem. § 4 Abs. 2 Nr. 3 JMStV aber nicht bereits dann,
wenn sie in dem o. g. Sinne schwer jugendgefährdend ist. Hinzukommen muss vielmehr, dass dies offensichtlich ist. Nach einer Entscheidung des BVerfG zu § 6 GjS.
deren Aussagen auch für § 4 Abs. 2 Nr. 3 JMStV gelten, bedeutet dies, dass der
schwer jugendgefährdende Charakter einer Sendung sich für jeden unbefangenen
Betrachter aus ihrem Gesamteindruck oder aus besonders ins Auge springenden
Einzelheiten ergeben muss. An der Offensichtlichkeit fehlt es dagegen, wenn die
Feststellung der Eignung zur schweren Gefahrdung eine detaillierte Inhaltskontrolle
der Sendung erfordert.
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FSF-Richtlinien zur PrO-FSF
01.03.2005
Anhang VII:
FSF-Prüfkriterien für Sendungen über Schönheitsoperationen (Entwurf vom 6. August 2004)
FSF-Prüfkriterien für Sendungen über Schönheitsoperationen
Entwurf vom 6. August 2004
Überlegungen zu Kriterien für Sendungen über Schönheitsoperationen
1. Vorbemerkung
Das Aussehen sowie das Körperbewusstsein sind seit jeher Themen, die für Menschen zur Identitätsbildung gehören. Spätestens seit der Verbreitung von Printmedien dient die Darstellung vor allem von Frauen, die in der jeweiligen Kultur als
„schön“ angesehen werden, als Vorbild für das eigene Schönheitsideal. Rubens bildete zeitgemäß eher rundliche Modelle ab, Twiggy dagegen hat in den 60er Jahren
mit der Vorwegnahme der Thematisierung eines androgynen Geschlechts, einen
Schlankheitswahn ausgelöst. Die Beatles galten mit ihren Langhaarfrisuren als Vorbilder bei männlichen Jugendlichen. Männer mit langen Haaren gab es in der Geschichte allerdings vorher auch schon. Jugendzeitschriften wie BRAVO lieferten ebenso optische Vorbilder wie GALA oder die BUNTE, in denen Fotomodelle sowie
die Reichen und Schönen abgebildet werden. Sie setzen damit für die Betrachter
einen Standard, dem sie selbst meist nicht genügen können. Die gesamte Mode- und
Kosmetikindustrie lebt davon, dass sie Menschen verspricht, durch Konsumartikel
ihre optischen Grundvoraussetzungen zu verbessern, ganz zu schweigen von Fitness-Studios, Diäten und Pillen, die angeblich eine Gewichtsreduktion zur Folge haben. Wir leben in einer Konkurrenzgesellschaft, in der sich Erfolg im Beruflichen wie
Privaten stark mit der optischen Wirkung einer Person verbindet. Vor dem Hintergrund einer Gesellschaft, die das Altwerden ausblendet und das Jungsein zum Idealbild erkoren hat, werden die Diskussionen über aufgespritzte Lippen bei Schauspielern, Botox-Spritzen gegen Gesichtsfalten und die Übernahme von Symbolen
aus einer Jugend- und Protestbewegung wie Tattoos und Piercings erst erklärlich.
Die Grenzen sind dabei fließend geworden. Tattoos und Piercings sind bei Jugendlichen wie bei deren Eltern oft schon eine Selbstverständlichkeit. Gesichtsoperationen
bei Silvio Berlusconi oder Kylie Minogue werden auf den Klatschseiten verhandelt.
Videoclips und Jugendzeitschriften sprechen dieselbe Sprache: Wenn Britney Spears
ein paar Pfunde zugenommen hat ist sie unglücklich, alkoholabhängig und lässt sich
gehen. So ist es fast folgerichtig, dass sich Mädchen zur Konfirmation Geld für eine
Schönheitsoperation wünschen, um den strengen Regeln eines perfekten Aussehens
genügen zu können.
Die Beschäftigung mit dem eigenen Aussehen gehört bei Kindern in der Vorpubertät
und für Jugendliche in der Pubertät zu ihren Entwicklungsaufgaben. Sie befinden
sich in einem Zwischenstadium, sind nicht mehr Kind, aber auch noch nicht erwachsen. Hinzu kommt, dass sie mit den typischen pubertären Begleiterscheinungen (Pickel, fettige Haare etc.) zu kämpfen haben. Zur Identitätsentwicklung gehört es unter
anderem, zwischen einer realistischen Selbsteinschätzung und dem Streben nach
dem optischen Idealtypus eine Balance herzustellen, zu einem Selbstbild zu finden
und dies für sich zu akzeptieren. Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen und
der Wunsch, dem Vorbild näher zu kommen, ist ein typisches Phänomen dieser Altersphase. Die ersten Begegnungen mit dem jeweils anderen Geschlecht, aber auch
die Anerkennung durch das soziale Umfeld werden stark mit der eigenen optischen
Wirkung verbunden. Der Wunsch nach Veränderung oder Verwandlung ist deshalb
so lange ein Thema dieser Altersgruppe, bis man gelernt hat, sich selbst im Einklang
mit der Wahrnehmung durch das soziale Umfeld zu akzeptieren.
Vieles spricht dafür, dass die gegenwärtige Generation von Kindern und Jugendlichen besonders daran interessiert ist, ihr Äußeres zu optimieren. Das mag an dem
zunehmenden Konkurrenzdruck im Bereich des späteren beruflichen Erfolgs liegen,
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FSF-Prüfkriterien für Sendungen über Schönheitsoperationen
Entwurf vom 6. August 2004
bei dem ein optimales Äußeres als nützlich angesehen wird. Der Hamburger Trendforscher Peter Wippermann sieht darin einen Abgrenzungsversuch zu einer immer
älter werdenden Gesellschaft: Jugendliche stellen der Macht, dem Geld und dem
Einfluss der Alten die optimierte Schönheit eines Jugendlichkeitskults entgegen, den
die Alten selbst propagieren. Der Druck auf Jugendliche, das eigene Aussehen zu
optimieren, wird vor allem für diejenigen zum Problem, bei denen die Diskrepanz
zwischen dem eigenen Aussehen und dem kulturellen Trend des jeweils Idealem
besonders groß ist. Die Vorstellung, beispielsweise durch Kleidung, Kosmetik oder
einem chirurgischen Eingriff das eigene Aussehen zu verbessern, könnte daher für
Jugendliche durchaus reizvoll sein. Allerdings gibt es zu den Trends, sich an bestimmten Schönheitsidealen zu orientieren, auch immer wieder den Trend zur Individualisierung. Schöne, aber nichtssagende Gesichter führen mittelfristig zu einem ästhetischen Abnutzungsprozess. Stereotypen Schönheitsidealen werden daher immer
häufiger individuelle Typen entgegengesetzt, die nicht nur äußerlich, sondern auch
inhaltlich etwas zu sagen haben. Außerdem ist der Trend zum Schönheitschirurgen
eher ein Phänomen des Alters, also von Menschen, die sich z. B. durchs Liften ihre
altersspezifischen Falten entfernen lassen, um wieder jung auszusehen. Dies wird in
der Regel bei Jugendlichen belächelt: Die wollen jung aussehen, wir sind es!
2. Kriterien
Es bleibt festzuhalten: Der Druck auf Jugendliche, ihr Äußeres zu optimieren, ist enorm hoch. Gelingt es nicht, die eigene optische Wahrnehmung mit den vermeintlichen Anforderungen des sozialen Umfeldes in ein als akzeptabel empfundenes
Selbstbild zu bringen, kann dies zu schweren psychischen und gesundheitlichen Krisen führen. Die Befürchtung, dieser Druck könne durch die Darstellung von Schönheitsoperationen im Fernsehen in entwicklungsbeeinträchtigender Weise verstärkt
werden, ist daher grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen
Daraus folgt:
Sendungen, die zu Unterhaltungszwecken Schönheitschirurgie thematisieren, sollen
je nach Schwere der folgenden Kriterien nicht vor 22.00 Uhr bzw. 23.00 Uhr platziert
werden, wenn sie
1. den Eindruck vermitteln, das Erreichen eines bestimmten Ideals sei eine notwendige Voraussetzung für soziale Akzeptanz;
2. Abweichungen von optischen Schönheitsidealen, unter denen Jugendliche leiden
könnten, als normalen und legitimen Grund für soziale Diskriminierung darstellen;
3. Schönheitsoperationen als unproblematischen Weg zur Optimierung des eigenen
Aussehens bzw. als einfachen Ausweg aus der Unzufriedenheit mit dem eigenen
Aussehen bewerten.
4. die besondere Situation der Fernsehproduktion dafür ausnutzen, die Probanden, insbesondere Kinder und Jugendliche, allein durch die Aussicht auf Übernahme aller Kosten einer Schönheitsoperation dazu zu bringen, in einen Eingriff einzuwilligen.
Bei der Tagesprogrammierung ist grundsätzlich zu beachten, dass Verletzungen
während der Operation, die Schnitte in die Haut, das Bluten der Wunden und der
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FSF-Prüfkriterien für Sendungen über Schönheitsoperationen
Entwurf vom 6. August 2004
verquollene Körper danach zwar nicht verschwiegen werden sollten, da sie eine aufklärende Wirkung entfalten. Sie sollten gleichwohl nicht in den Vordergrund geschoben oder durch selbstzweckhafte Effekte (Zeitlupe, ständiges Wiederholen besonders schockierender Einstellungen) verstärkt werden. Jüngere Kinder könnten
dadurch übermäßige Angst vor ärztlichen Eingriffen entwickeln, denen sie sich aus
gesundheitlichen Gründen möglicherweise einmal unterziehen müssen.
Bei der Platzierung im Tages- oder Hauptabendprogramm ist zu beachten, dass die
psychischen, sozialen und medizinischen Risiken solcher Eingriffe erkennbar dargestellt werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Sendungen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
deutlich machen, dass die Akzeptanz durch das soziale Umfeld nicht ausschließlich durch das perfekte Aussehen erfolgt;
darauf hinweisen, dass Änderungen des Aussehens auch zur negativen Veränderung der Wahrnehmung durch das soziale Umfeld führen können;
aufzeigen, dass mit solchen Operationen erhebliche gesundheitliche Risiken
verbunden sind;
darauf hinweisen, dass Operationen misslingen können und dann das Gegenteil des erhofften Effekts eintritt;
darstellen, dass manche Eingriffe auch mit einer Umstellung der Essgewohnheiten und der Notwendigkeit abzunehmen oder mit Einschränkungen der Lebensgewohnheiten verbunden sein können;
deutlich machen, dass nicht bekannt ist, wie lange der gewünschte positive Effekt anhält und ob er überhaupt eintritt;
einen realistischen Einblick darüber vermitteln, was ein solcher Eingriff für den
Körper bedeutet, welche Schmerzen und Nachbehandlungen als Folge der Operation auszuhalten sind, wie lange es dauert, bis die Narben geheilt sind, und
welche Kosten damit verbunden sein können.
3. Fazit
Da das Thema bereits durch die Medien weitgehend bekannt ist, besteht ein berechtigtes Interesse, darüber zu informieren oder informiert zu werden. Dass auch Unterhaltungsformate Informationen beinhalten können, steht dabei außer Frage. Es geht
also nicht um eine Tabuisierung des Themas, sondern um eine differenzierte Begutachtung nach den aufgeführten Kriterien. Wichtig ist dabei zusammengefasst, dass
kein Druck hinsichtlich des Nacheiferns von Schönheitsidealen erzeugt wird, dass
über Risiken informiert wird und dass der Eingriff realistisch und nicht als Spaziergang dargestellt wird.
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