Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und

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Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und
Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen
Sachstandsbericht zu PFT-Belastungen in Nordrhein-Westfalen
Stand 10.08.2007
2
Einführung
Im Sommer 2006 sind durch Untersuchungen einer Universität Belastungen der Ruhr
und der Möhne mit perflurorierten Tensiden (PFT) festgestellt worden. Ursache für
die dort im Vergleich zu anderen Gewässern deutlich höheren PFT-Konzentrationen
sind illegale Abfallverbringungen durch die Fa. GW Umwelt, Borchen. Folge der erhöhten PFT-Konzentrationen in der Möhne und in der Ruhr war, dass PFT in höheren Konzentrationen ins Trinkwassers insbesondere des Wasserwerks Möhnebogen
durchgeschlagen sind. Gegenmaßnahmen wurden sofort nach Bekanntwerden der
Belastung getroffen.
Inzwischen hat das MUNLV zahlreiche weitere Untersuchungen und Maßnahmen zur
Situationsaufklärung und –verbesserung durchgeführt.
Der jeweils aktuelle Sachstand wurde mit Berichten zu den Sitzungen des Ausschusses für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 14. Juni
2006, 23. August 2006, 18. Oktober 2006 und 28. Februar 2007 berichtet. Im Übrigen wurde die Öffentlichkeit vom Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz kontinuierlich über Pressemitteilungen und Veröffentlichungen im Internet über bedeutende neue Erkenntnisse informiert.
Mit Stand 10.8.2007 wird nachfolgend ausführlich über den derzeitigen Sachstand
berichtet.
3
Inhaltsverzeichnis
1. Kernaussagen ..................................................................................................... 5
2. Gewässermonitoring............................................................................................ 8
2.1.
2.2.
2.3.
2.4.
3.
Einzugsgebiet der Möhne............................................................................. 8
Möhnetalsperre .......................................................................................... 12
Einzugsgebiet der Ruhr.............................................................................. 12
Nordrhein-Westfalen .................................................................................. 13
Eintragsquellen und Maßnahmen...................................................................... 15
3.1. Eintragsquelle: mit PFT-belasteten Abfallgemischen beaufschlagte
Ackerflächen ......................................................................................................... 15
3.1.1. Brilon-Scharfenberg ............................................................................ 15
3.1.2.
3.1.3.
3.1.4.
Ackerfläche bei Rüthen ....................................................................... 16
Bereich Olsberg-Elpe .......................................................................... 17
Strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der Firma
GW Umwelt GmbH & Co KG sowie weitere Beteiligte....................................... 18
3.2. Eintragsquelle: Industriebetriebe ................................................................ 18
3.2.1. Quellensuche ...................................................................................... 18
3.3. Bisher durchgeführte Maßnahmen bei Industriebetrieben.......................... 20
3.4. Einsatz von Feuerlöschschäumen.............................................................. 22
3.5. Unterbindung der landwirtschaftlichen Nutzung von mit PFT belasteten
Klärschlämmen ..................................................................................................... 22
3.6. Eintragsquelle: Industrielle Altlasten........................................................... 22
3.7. Eintragsquelle: Gärrückstände aus Biogasanlagen.................................... 23
4. Initiativen auf Landes- und EU-Ebene ............................................................... 24
4.1. Bioabfall- und Düngeverordnung................................................................ 24
4.2. Verbot von PFT .......................................................................................... 24
5. Gesundheitsschutz ............................................................................................ 26
5.1. Trinkwasserschutzziele .............................................................................. 26
5.2. PFT-Konzentrationen im Trinkwasser / Maßnahmen an Wasserwerken.... 27
5.2.1.
Wasserwerk Möhnebogen .................................................................. 27
5.2.2. Wasserwerke an der Ruhr................................................................... 28
5.2.3. Kleinere Wasserwerke ........................................................................ 30
5.3. Belastungen mit kurzkettigen PFT.............................................................. 30
5.3.1. Leitwerte für kurzkettige PFT .............................................................. 30
5.3.2. Analyseverfahren für kurzkettige PFT ................................................. 31
5.4. Konzentrationen in Fischen........................................................................ 31
5.5. Wirkung erhöhter PFT-Konzentrationen auf die Bevölkerung .................... 32
6. Beurteilungsgrundlagen..................................................................................... 35
7.
Anlagenverzeichnis ........................................................................................... 36
4
5
1. Kernaussagen
Nachdem inzwischen auch aus anderen Bundesländern PFT-Ergebnisse vorliegen,
lässt sich feststellen, dass an der Möhne und nachgelagert an der Ruhr aufgrund
krimineller Machenschaften eine Belastungssituation besteht, die in der Form nirgends anders, nicht in Nordrhein-Westfalen und nicht in Deutschland, bekannt ist.
Diese besondere Belastung im Einzugsgebiet der Ruhr hatte Auswirkungen auf die
Menschen, die mit Trinkwasser aus diesem Einzugsgebiet versorgt worden sind.
Blutuntersuchungen eines Studienkollektiv haben gezeigt, dass durch die über längere Zeit erfolgte Aufnahme von PFT-haltigem Wasser eine Anreicherung im Blut stattgefunden hat.
Ein damit verbundenes erhöhtes Gesundheitsrisiko kann sicher ausgeschlossen
werden.
Die Trinkwasserkommission des Umweltbundesamtes hat in ihrer Stellungnahme
vom 7.8.2007 festgestellt, dass die im Humanbiomonitoring gemessenen PFTKonzentrationen nach aktueller Expertenmeinung keinen Anlass bieten, die PFTBelastung des Trinkwassers im Hochsauerlandkreis mit einer gesundheitlichen Besorgnis für die betroffene Bevölkerung in Verbindung zu bringen.
Unbenommen dessen hat das MUNLV alles Nötige veranlasst, um das Gesundheitsrisiko so weit wie möglich zu minimieren.
Im Einzugsgebiet der Ruhr wurde die Sanierung der am stärksten belasteten Ackerfläche veranlasst. Die Sanierungsmaßnahmen zeigt den erwarteten Erfolg. Die der
Möhnetalsperre zugeführten PFT-Frachten sind deutlich verringert worden.
Im Rahmen des Gewässer- und Bodenmonitorings wurden weitere Ackerflächen auf
PFT analysiert und es laufen Detailuntersuchungen der hydrogeologischen Verhältnisse.
Trotz der Maßnahmen ist davon auszugehen, dass noch mehrere Jahre PFT aus
Ackerflächen ausblutet und insbesondere das in der Talsperre gespeicherte PFT
noch abgegeben werden muss.
6
Die Wasserwerke wurden so eingerichtet, dass der von der Trinkwasserkommission
empfohlene lebenslang duldbare Leitwert von 300 ng/l sicher eingehalten wird und
der Zielwert von 100 ng/l dauerhaft angestrebt wird. Die Wasserwerke wurden dazu
wo erforderlich im ersten Schritt mit Aktivkohleanlagen nachgerüstet. Kurzfristig sind
Investitionen über 60 Millionen Euro an den Wasserwerken an der Ruhr vorgesehen.
Das MUNLV hat diese Maßnahmen in Umsetzung der Arnsberger Erklärung veranlasst und wird die Wirksamkeit der Maßnahmen kritisch prüfen.
Das konsequente und systematische Vorgehen in Nordrhein-Westfalen wurde am
7.8.2007 durch eine Stellungnahme der Trinkwasserkommission ausdrücklich bestätigt.
Sie fordert nach Möglichkeit eine Minimierung von Stoffausträgen an der Quelle und
zur vorausschauenden Reinhaltung des Trinkwassers nötigenfalls auch eine Aufbereitung, z.B. durch adsorptive Aktivkohlefiltration. Die Festlegung der effektivsten
Vorsorge- und Abwehrmaßnahmen soll offensiv kommuniziert werden und ist eine
von allen Akteuren gemeinsam zu tragende Aufgabe.
Diese Aussagen sind ein Abbild der vom MUNLV mit den Wasserwerken an der Ruhr
und dem Ruhrverband geschlossenen Arnsberger Vereinbarung.
Zur Evaluation der Gesamtbelastungssituation mit PFT in Nordrhein-Westfalen wurden zwischenzeitlich weitere potenzielle (legale) Eintragspfade für PFT untersucht. In
einem umfangreichen Untersuchungsprogramm an Kläranlagen wurden 69 Betriebe
identifiziert, die legal mit PFT umgehen und von denen ausgehend PFT in den Klärschlamm und ins Abwasser von Kläranlagen emittiert wird. Die Betriebe, die PFT in
Konzentrationen über dem für Gewässer relevanten Orientierungswert von 300 ng/l
emittieren, werden beraten und es werden gemeinsam mit der Industrie Lösungen
zur Minderung des Schadstoffaustrags ermittelt. Hierzu wurde eine freiwillige Vereinbarung unterzeichnet, zumal ordnungsrechtliche Möglichkeiten zur Durchsetzung von
Maßnahmen nur bei konkreten Gefahren für das Trinkwasser gegeben sind. Es gibt
keine gesetzliche Regelung bezüglich zulässiger PFT-Konzentrationen in Gewässern.
Neben Kläranlagen wurden auch Altlasten und Feuerlöschschäume als Eintragsquellen von PFT identifiziert. Minderungsmaßnahmen sind veranlasst.
7
Ergänzend zu den konkreten Maßnahmen wurden auf EU- und Bundesebene verschiedene Initiativen eingebracht, die Konsequenzen aus der PFT-Problematik ziehen.
Dem Bericht angehängt sind ausführliche Anlagen mit Untersuchungsdaten. Diese
Daten sind im Bericht bewertet.
8
2. Gewässermonitoring
Die Suche nach PFT-Eintragspfaden sowie die Erfolgskontrolle von Sanierungsmaßnahmen lässt sich am besten über die Untersuchung der Stoffkonzentrationen und
über die Berechnung von Stofffrachten in Gewässern, die sich aus Konzentration x
Abfluss ergeben, darstellen.
In Nordrhein-Westfalen sind inzwischen sehr viele Gewässeruntersuchungen durchgeführt worden. Soweit die Daten dem Land vorliegen, sind diese in der Anlage 1
aufgelistet. Nachfolgend wird eine Einschätzung der Daten gegeben.
2.1. Einzugsgebiet der Möhne
Die Erkenntnisse aus dem regelmäßigen Gewässermonitoring und den gezielten
Einzeluntersuchungen von möglichen belasteten Nebengewässern und Flächen führten zu der Erkenntnis, dass die belastete Fläche in Brilon-Scharfenberg vor Beginn
der Sanierung die überragende Haupteintragsquelle für PFT in die Möhne war.
Das zeigen die Frachtdaten vom Pegel Brilon-Heidberg (unterhalb der Steinbecke
und damit im unmittelbaren Auswirkungsbereich der Fläche in Scharfenberg) im Vergleich zu den Frachtdaten vom Pegel Völlinghausen (vor Talsperre).
In einer Probenserie am 6.9.2006 wurde in Heidberg, unterhalb der Mündung der
Steinbecke eine Fracht von 134 g/ d gemessen, in Völlinghausen, vor Mündung der
Möhne in die Talsperre, eine Fracht von 143 g/ d (s. Abbildung 1). Die über 3 Monate
gemessene mittlere Fracht lag in Brilon-Heidberg im 4. Quartal 2006 bei 56 g/d und
in Völlinghausen bei 110 g / d.
Bei Würdigung der Messungenauigkeiten lässt sich abschätzen, dass sich vor Beginn der Sanierung der Anteil der Fläche in Brilon-Scharfenberg am PFT-Eintrag in
die Möhne innerhalb einer Bandbreite von ca. 60 bis 95% der Gesamtfracht bewegte.
9
Möhnetalsperre - Korrespondierende Abfluss-/
Konzentrationsmessung vom 05. - 06.09.2006
Rüthen
05.09.2006
PFT-Fracht: 130 g/d
Völlinghausen
06.09.2006
PFT-Fracht: 143 g/d
Heidberg
05.09.2006
PFT-Fracht: 134 g/d
Abbildung 1: Lage der Messstellen an der Möhne
Durch die begonnene Sanierungsmaßnahme ist eine starke Minderung dieser Fracht
zu beobachten. An der Messstelle Brilon-Heidberg, die unterhalb der Einmündung
der Steinbecke (Scharfenberg) an der Möhne liegt, wurden im Mittel von jeweils drei
Monaten folgende Frachten gemessen:
Brilon-Heidberg
Völlinghausen
Möhnebogen
unter-
halb Möhnesee
Mittlere Fracht in Gramm / Tag
4. Quartal 2006
56
110
69
1. Quartal 2007
87
323
140
2. Quartal 2007
10
41
141
Abbildung 2 zeigt den Konzentrationsverlauf an der Messstelle Brilon-Heidfeld. Die
PFT-Konzentrationen haben mit Beginn der Sanierung sehr stark abgenommen.
Gleichzeitig fiel in der Zeit aber auch sehr viel Regen und der Abfluss der Möhne war
entsprechend hoch. Dadurch ist der positive Effekt der Sanierungsmaßnahme durch
den negativen Effekt verstärkter Auswaschungen teilweise überlagert worden und es
hat sich im Mittel für das 1. Quartal 2007 ein Konzentrationsanstieg ergeben.
Ohne die Sanierungsmaßnahme in Scharfenberg wären im 1. Quartal 2007 noch
deutlich höhere PFT-Frachten in der Möhne gemessen worden als dies aufgrund der
Sanierung der Fall war.
10
Um den Erfolg der Sanierungsmaßnahme zu beurteilen, müssen daher Monate mit
vergleichbaren Niederschlagsverhältnissen verglichen werden. Dazu eignet sich der
Vergleich des 4. Quartals 2006 mit dem 2. Quartal 2007. Hier ist es zu einer Redu-
Abfluss
PFOA + PFOS ng/l
01.08.07
01.07.07
0
01.06.07
0,0
01.05.07
2000
01.04.07
0,2
01.03.07
4000
01.02.07
0,4
01.01.07
6000
01.12.06
0,6
01.11.06
8000
01.10.06
0,8
01.09.06
10000
01.08.06
1,0
01.07.06
12000
01.06.06
1,2
01.05.06
Abfluss (Brilon) m³/s
zierung von 56 g/d auf 10 g/d gekommen, d.h. die Sanierung hat zu einer deutlichen
Frachtreduzierung geführt.
PFOA + PFOS
Abfluss
PFOA + PFOS ng/l
01.08.07
01.07.07
01.06.07
01.05.07
0
01.04.07
0
01.03.07
200
01.02.07
5
01.01.07
400
01.12.06
10
01.11.06
600
01.10.06
15
01.09.06
800
01.08.06
20
01.07.06
1000
01.06.06
25
01.05.06
Abfluss (Völlinghausen) m³/s
Abbildung 2: Abfluss und PFOA+PFOS-Konzentrationen bei Brilon-Heidberg
PFOA + PFOS
Abbildung 3: Abfluss und PFOA+PFOS-Konzentration in der Möhne (Völlinghausen), Ergebnisse des Ruhrverbandes
11
Die Frachtreduzierung ist bis zur Messstelle Völlinghausen bemerkbar, dort ist die
Fracht im 2. Quartal 2007 (41 g / d) im Vergleich zum 4. Quartal 2006 (110 g / d) um
60 % gesunken.
Brilon-Heidberg
Völlinghausen
Möhnebogen
unter-
halb Möhnesee
Mittlere Konzentration in Nanogramm / Liter
4. Quartal 2006
7450
ca. 500
432
1. Quartal 2007
1950
ca. 400
354
2. Quartal 2007
570
ca. 300
368
Neben der Fracht ist mit Blick auf die Trinkwassernutzung insbesondere die Schadstoffkonzentration von Bedeutung.
Die Abbildung 3 zeigt, dass nach Beginn der Sanierung in Scharfenberg eine deutliche Konzentrationsabnahme am Pegel Völlinghausen, d.h. kurz vor der Talsperre,
festzustellen war. Die mittleren Konzentrationen einer Quartalsmessreihe sind in
obenstehender Tabelle angegeben.
Die Wirkung der Sanierung wird nochmals deutlicher, wenn man die PFTKonzentrationen in der Steinbecke verfolgt. Dieser Bach liegt direkt an der belasteten
Fläche und wurde daher am stärksten von den PFT-Auswaschungen betroffen. Die
Wirkung der Sanierungsmaßnahme ist hier dementsprechend auch am stärksten zu
beobachten, wie Abbildung 3b zeigt.
Steinbecke vor der Mündung in die Möhne
Konzentrationen [ng/l]
160.000 [ng/l]
120.000 [ng/l]
80.000 [ng/l]
40.000 [ng/l]
Überlauf Starkregenperiode
Installation vorläufige Behandlungsanlage
Installation
endgültige
Behandlungsanlage
0 [ng/l]
26.07.06 26.08.06 26.09.06 26.10.06 26.11.06 26.12.06 26.01.07 26.02.07 26.03.07 26.04.07 26.05.07 26.06.07
Abbildung 3b: PFOA+PFOS-Konzentrationen in der Steinbecke unterhalb der Sanierungsfläche
Weitere Daten und Grafiken zur Situation an der Möhne sind der Anlage 3 zu entnehmen
12
2.2. Möhnetalsperre
Die Möhnetalsperre selbst ist ein Wasserspeicher und speichert damit unvermeidbar
auch die vor Beginn der Sanierung ausgetragenen PFT-Frachten. Durch die Abflusssteuerung der Talsperre kann die Fracht im Ablauf der Talsperre gesteuert werden,
womit vor Beginn der Sanierung die Möglichkeit bestand, zum Schutz der Bevölkerung die PFT-Konzentrationen in der Ruhr möglichst niedrig zu halten.
Die Abbildung 4 zeigt sehr gut im Vergleich zu Abbildung 3, dass der Abfluss aus der
Talsperre die Witterungsverhältnisse übersteuern kann und Abflussspitzen wegnimmt. Die PFT – Konzentration unterhalb der Talsperre hat trotz der Verzögerung
10
200
5
100
0
0
Abfluss
PFOA + PFOS ng/l
300
01.08.07
15
01.07.07
400
01.06.07
20
01.05.07
500
01.04.07
25
01.03.07
600
01.02.07
30
01.01.07
700
01.12.06
35
01.11.06
800
01.10.06
40
01.09.06
900
01.08.06
45
01.07.06
1000
01.06.06
50
01.05.06
Abfluss (Günne) m³/s
durch die Talsperre nach Beginn der Sanierung abgenommen. Das erkennt man
durch Vergleich der Monate mit ähnlichem Talsperrenabfluss.
PFOA + PFOS
Abbildung 4: PFT – Konzentrationen im Unterlauf der Möhnetalsperre (Messstelle Günne)
2.3. Einzugsgebiet der Ruhr
Ergänzend zu den sehr verdichteten Untersuchungen im Einzugsgebiet der Ruhr und
an den Wasserwerken wird die Ruhr in monatlichen Abständen vom LANUV NRW
auf PFT und PFOA untersucht. Die Ergebnisse sind in Abbildung 6 dargestellt und
unter www.lanuv.nrw.de veröffentlicht.
13
Summe PFOS+PFOA (Konzentrationen)
500
450
400
350
ng/l
300
Fröndenberg
Hattingen
250
200
150
100
50
07
7.
20
07
27
.0
6.
20
07
.0
27
27
.0
4.
20
.0
27
5.
20
07
07
3.
20
.0
27
27
.0
2.
20
1.
20
07
07
06
27
.0
2.
20
.1
27
.1
27
27
.1
0.
20
1.
20
06
06
0
Abbildung 5: Summe PFOA und PFOS in Fröndenberg und Hattingen
Die Konzentrationen für die Summe von PFOS + PFOA liegen unter 150 ng/l.
2.4. Nordrhein-Westfalen
Neben Untersuchungen im Einzugsgebiet der Ruhr sind weitere Untersuchungen von
Gewässern in Nordrhein-Westfalen durchgeführt worden. Die Messstellen wurden
nach folgenden Kriterien ausgewählt
1. Gezielte Quellensuche durch Rückverfolgung von Schadstofffahnen bzw. im
Bereich beaufschlagter Ackerflächen
2. Vorsorgliche Untersuchungen im Anstrom zu Wasserversorgungsanlagen, in
deren weiteren Umfeld möglicherweise belastete Kläranlagenabläufe liegen
bzw. unterhalb möglicherweise belasteter Kläranlagenabläufe.
3. Untersuchungen von ausgewählten Grundwassermessstellen in Wasserversorgungsgebieten
4. Messungen an Überblicksmessstellen, um größere Einzugsgebiete zu erfassen und Trends zu erkennen.
Die Untersuchungsergebnisse sind in Anlage 1 und 2 (Grundwasser) aufgelistet. Die
Messergebnisse zu 4. werden fortlaufend unter www.lanuv.nrw.de aktualisiert. Die
Ergebnisse stellen sich wie folgt dar:
14
Konzentrationen oberhalb des Orientierungswertes von 300 ng/l, bei dessen Überschreitung auf jeden Fall eine Quellensuche erforderlich ist, wurden nur in wenigen
Gewässerabschnitten gefunden, und zwar in der Itter bei Hilden und Düsseldorf, in
der Anger bei Heiligenhaus, in der Gieseler und im Störmeder Bach bei Erwitte, in
der Inde bei Stolberg, im Reiherbach bei Bielefeld, im Rheder Bach bei Rhede.
Für die Wasserversorgung relevant war der Befund im Rheder Bach, wo unterhalb
der Kläranlage Werte bis zu 1100 ng/l gefunden worden sind. Die Eintragsquellen
waren zwei Indirekteinleiter, die in die Kläranlage Rhede einleiten. Das Trinkwasser
war zu keiner Zeit oberhalb des lebenslang duldbaren Leitwertes von 300 ng/l belastet.
Ergänzend zu den Oberflächenwasseruntersuchungen wurden einige Grundwassermessstellen untersucht, die nach verschiedenen Kriterien (Deponieaustrag, Quellen,
Hausbrunnen) ausgewählt worden sind. Die Ergebnisse sind in Anlage 2 dargestellt.
Belastungen wurden zum Teil da festgestellt, wo es im Oberflächenwasser auch Belastungen gab, außerdem im Abstrombereich verschiedener einschlägiger Firmen.
Die Ermittlung der Ursachen für auffällige PFT-Werte in Gewässern außerhalb der
mit PFT-belasteten Abfallgemischen beaufschlagten Gebiete hat i.d.R. ergeben,
dass kommunale Kläranlagen, die maßgeblich durch PFT-emittierende Indirekteinleiter beeinflusst sind, für die Belastung verantwortlich sind. Die Betriebe sind zum einen häufig in der Metallbranche, zum anderen auch z.B. in der Filmrecyclingbranche
tätig.
Die Identifizierung weiterer Belastungsquellen, die sich aufgrund der umfangreichen
Anwendung von PFT ergeben könnte, ist in Nordrhein-Westfalen noch nicht abgeschlossen und wird weiter verfolgt.
15
Eintragsquellen und Maßnahmen
3. Eintragsquellen und Maßnahmen
3.1. Eintragsquelle: mit PFT-belasteten Abfallgemischen beauf-
schlagte Ackerflächen
Wie hinreichend bekannt, sind zahlreiche Ackerflächen mit PFT-belasteten Abfallgemischen beaufschlagt worden, die von der Fa. GW Umwelt geliefert wurden. Viele
dieser Flächen liegen im Sauerland und in der Soester Börde. Durch ein Gewässermonitoring konnte nach Bekanntwerden der erhöhten PFT-Konzentrationen in der
Ruhr sehr schnell der Pfad bis zu einer Ackerfläche in Scharfenberg zurückverfolgt
werden. Damit wurde eine Hauptbelastungsquelle umgehend identifziert. Weitere
stark mit PFT belastete Flächen wurden über ein risikoorientiertes Monitoring systematisch aufgespürt.
Nachfolgend werden der derzeitige Erkenntnisstand sowie laufende und geplante
Sanierungsmaßnahmen beschrieben. Zu den im Auftrag der BR Arnsberg von der
Fa. Ifua GmbH, Bielefeld durchgeführten Pilotuntersuchungen ist der Abschlussbericht in Vorbereitung.
3.1.1. Brilon-Scharfenberg
Nachdem im Herbst letzten Jahres in Brilon-Scharfenberg eine mit PFT hoch belastete Fläche ermittelt wurde, die eine Konzentration von bis zu etwa 6.000 Mikrogramm pro Kilogramm PFT im Boden und eine Gesamtmenge von etwa 400 kg PFT
auf 10 Hektar aufweist, wurden sofort Maßnahmen zur Minderung der Schadstoffausträge aus dieser als eine wesentliche Quelle erkannten Fläche eingeleitet. Ziel
war es, das Oberflächen- und Sickerwasser der Fläche mit einer Drainage vor Eintritt
in den Bachlauf „Steinbecke“ aufzufangen und zu reinigen.
Nach Durchführung der Gefährdungsabschätzung und Sanierungsplanung wurde im
November mit den Baumaßnahmen für die Sanierung mit der Errichtung einer Dränage, von zwei Speicherbecken und der Aktivkohle-Reinigungsanlage begonnen. Die
Bauarbeiten wurden durch starke Regenfälle erschwert. Der hohe Niederschlag im
Herbst und Winter führte bereits seit Ende Oktober zu einem Anstieg der Abflussmenge und in Korrelation hierzu der PFT-Konzentration und damit auch der abfließenden PFT-Frachten. Diese erhöhten Werte können somit nicht auf eine „Mobilisierung durch die Sanierungsmaßnahme“ zurückgeführt werden. Bei einer solchen
Baumaßnahme sind jedoch Eingriffe in den Boden unumgänglich.
16
Eintragsquellen und Maßnahmen
Ende Januar wurde zunächst eine vorläufige Sanierungsanlage mit kleinerer Durchsatzleistung in Verbindung mit den bereits fertig gestellten Speicherbecken in Betrieb
genommen, um die Austräge möglichst kurzfristig zu reduzieren. Diese führte sofort
zu einer erheblichen Minderung der PFT-Konzentrationen und -Frachten in der
Steinbecke. Dieses zeigen eindeutig die Abbildung 4 sowie die Diagramme in Anlage
3. Nur Ende März, bei Starkniederschlägen, liefen die Speicherbecken wegen der
kleineren Durchsatzleistung der vorläufigen Sanierungsanlage über und unbehandeltes Drainagewasser lief in die Steinbecke.
Die vorläufige Anlage wurde ab Mai durch die endgültige Anlage mit einer größeren
Durchsatzleistung (27 m3/h gegenüber 12 m3/h) ersetzt.
Diese Maßnahmen haben sofort zu einer erheblichen Minderung der der MöhneTalsperre zufließenden PFT-Konzentrationen und –frachten geführt. Dabei zeigen
insbesondere die Messkurven des Pegels bei Völlinghausen (Abbildung 3) die deutlichen Auswirkungen der Sanierung. Es ist gelungen, die Konzentration am Zulauf zur
Möhnetalsperre dauerhaft deutlich unter 200 Nanogramm pro Liter zu senken.
Im Sommer 2006 lag die Konzentration in der Talsperre im Durchschnitt noch bei
650 Nanogramm pro Liter. Während in den anderen Nebenbächen der Möhne, z. B.
der Küttelbecke größere Schwankungen in den PFT-Werten, bedingt durch unterschiedliche Niederschlagsmengen, festzustellen sind, zeigt die Steinbecke mit Ausnahme des Überlaufzeitraums der Behandlungsanlage im März konstant niedrige
PFT-Konzentrationen und Frachten.
Zur Ergänzung der Sanierungsmaßnahme für den südlichen Teilbereich der Fläche,
der zu einem anderen Bachlauf entwässert, liegt inzwischen das beim Geologischen
Dienst in Auftrag gegebene Gutachten vor. Darin wird der Bau eines ergänzenden
Fangdräns an der Südfläche vorgeschlagen. Die Maßnahme soll in Kürze umgesetzt
werden und das damit aufgefangene Sickerwasser wird anschließend in der vorhandenen Reinigungsanlage mitbehandelt.
3.1.2. Ackerfläche bei Rüthen
Über das risikoorientierte Gewässermonitoring wurde vor wenigen Wochen bei Rüthen im Kreis Soest im Einzugsbereich der Möhne und des Wasserwerks Eikeloh
eine weitere hoch belastete Fläche festgestellt. Die Messwerte liegen bei 9.000 µg
PFOS / kg TS und 210 µg PFOA / kg TS. Es handelt sich um eine Teilfläche von ca.
2 ha eines rd. 10 ha großen Feldes, dessen Oberflächenwasser und oberflächenna-
17
Eintragsquellen und Maßnahmen
hes Sickerwasser über den Kitzelbach und die Küttelbecke zur Möhne fließt. Möglicherweise entwässert diese Fläche auch unterirdisch nach Norden zur Lippe und
ggfs. zum Wasserwerk Eikeloh.
Die PFT-Belastung der Küttelbecke, die insbesondere auf diese Fläche zurückzuführen ist, wird im Rahmen des Gewässermonitorings seit Juli 2006 beobachtet und ihre
Auswirkung auf die Möhnetalsperre bewertet.
Gegenüber der Sanierungsfläche in Brilon-Scharfenberg ist die Konzentration der
geringer löslichen Komponente PFOS höher, hingegen der Anteil der leichter löslichen PFOA deutlich geringer. In der Küttelbecke sind zwar beim Gewässermonitoring zu einzelnen Zeitpunkten erhöhte PFT-Werte ermittelt worden, die der Möhnetalsperre zufließende Fracht ist aber erheblich geringer als die von der BrilonScharfenberger Fläche vor der Sanierung über die Steinbecke ausgetragene Fracht.
Ein in der Nähe gelegener Hausbrunnen wies keine PFT-Belastung auf. Die Bedeutung des unterirdischen Abflusses zum Wasserwerk Eikeloh lässt sich derzeit noch
nicht einschätzen.
Da die PFT-Konzentration am Pegel Völlinghausen (Möhneseezulauf) seit Beginn
der Sanierungsmaßnahme in Brilon-Scharfenberg ständig unter 200 ng/l und damit
deutlich unter dem Orientierungswert von 300 ng/l liegt und das Wasserwerk Eikeloh
abgeschaltet wurde, besteht kein akuter Handlungsbedarf zur Gefahrenabwehr bei
dieser Fläche.
Notwendige weitere Untersuchungen, insbesondere zur Ermittlung des Ausmaßes
der Bodenbelastung und zu den bodenkundlichen und hydrogeologischen Verhältnissen des Gebietes, sind vom Kreis Soest in Abstimmung mit der Bezirksregierung
Arnsberg eingeleitet worden.
3.1.3. Bereich Olsberg-Elpe
Ein weiterer Untersuchungsschwerpunkt ist die der oberen Ruhr zufließende Elpe.
Dort wurden erhöhte PFT-Konzentrationen im Oberflächenwasser gefunden. Die Bodenuntersuchungen der in diesem Bereich bekannten Aufbringungsflächen des Abfallgemisches haben bisher jedoch keine auffälligen Befunde ergeben, sodass weitere Recherchen notwendig sind.
18
Eintragsquellen und Maßnahmen
3.1.4. Strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der
Firma GW Umwelt GmbH & Co KG sowie weitere Beteiligte
Das Umweltministerium unterstützt die Ermittlungsbehörden bei fachlichen Fragestellungen, die sich im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ergeben. Die Stabstelle Umweltkriminalität des MUNLV ist im ständigen Kontakt zu den zuständigen Ermittlungsbehörden.
Die Zuständigkeit für das Ermittlungsverfahren liegt bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung von Wirtschaftsstraftaten bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld. Die polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen dauern an.
3.2. Eintragsquelle: Industriebetriebe
PFOS und PFOA sind über viele Jahre legal bei zahlreichen industriellen Anwendungen eingesetzt worden. Seit dem 27. Dezember 2006 gilt EU-weit ein Stoffverbot für
PFOS, das jedoch Ausnahmen zulässt. PFOS ist ein wichtiger, oft zur Zeit noch unverzichtbarer Hilfsstoff für bestimmte Industriebranchen und ein Zusatz für Feuerlöschschaum. Anwendungsverbote für PFOA gibt es noch nicht.
3.2.1. Quellensuche
Quellensuche über Branchen
Zur Klärung der Frage, wo in NRW ggf. relevante Mengen perfluorierter Tenside gehandhabt werden, hat das MUNLV die Bezirksregierungen des Landes aufgefordert,
unter Einbeziehung der unteren Wasserbehörden mit Vertretern der in Betracht
kommenden Industriebereiche abzuklären, wer PFT lagert, einsetzt und/oder emittiert.
Nach den dazu bisher beim MUNLV eingegangenen Berichten kann festgestellt werden, dass in den Branchen, in denen nach der EU-Richtlinie der Gebrauch von
PFOS noch zulässig oder beschränkt zulässig ist, entsprechende Stoffe auch gehandhabt werden. Dort muss daher mit Belastungen gerechnet werden.
Hervorzuheben ist hierbei insbesondere
• der Einsatz von PFOS in der Metallindustrie als Netzmittel,
• der Einsatz bei der Hartverchromung und
19
•
Eintragsquellen und Maßnahmen
die Vorhaltung und erforderlichenfalls der Einsatz der bis 27. Juni 2011
noch zulässigen PFOS-haltigen Feuerlöschschäume.
Quellensuche durch Untersuchung von Kläranlagenabläufen und Klärschlamm
Zur weiteren Identifizierung von Belastungsschwerpunkten wurden die Bezirksregierungen beauftragt, relevante Industrieeinleitungen und die Einleitungen von kommunalen Kläranlagen mit einer Ausbaugröße ab 2000 EW auf PFOA- und PFOS- Belastungen untersuchen zu lassen. Insgesamt wurden alle kommunalen Kläranlagen
>2000 EW (insgesamt 550 kommunale Kläranlagen) untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass kein flächendeckender Eintrag erfolgt, punktuell aber auffällige Konzentrationen auftreten.
Über den Orientierungswert von 300 ng/l PFT im Abwasser hinausgehende Belastungen wurden bei 33 kommunalen Kläranlagen und bei 7 industriellen Direkteinleitern gefunden.
Im Rahmen des landesweiten Untersuchungsprogramms wurden auch Klärschlämme von 289 kommunalen Kläranlagen auf PFT untersucht. Bei 32 Anlagen lag der
PFT-Gehalt im Klärschlamm oberhalb von 100 µg/kg TS (Summe PFOS + PFOA).
Soweit Klärschlämme aus diesen Anlagen bislang landwirtschaftlich verwertet worden sind, wurde dieses eingestellt.
NRW ist das erste Bundesland in Deutschland, das ein derart intensives Monitoring
der kommunalen und der industriellenEinleitungen vorgenommen hat. Inzwischen ist
Baden Würtem diesem Beispiel gefolgt. Die Ergebnisse Baden-Württembergs, dass
am 1.8.2007 ein vergleichbares Untersuchungsprogramm vorgestellt hat, stellen sich
ähnlich dar wie in Nordrhein-Westfalen.
Eingrenzung der Quellen durch Untersuchung von Indirekteinleitern
Im Einzugsgebiet der auffälligen kommunalen Kläranlagen wurde intensiv nach den
Verursachern gesucht. Insgesamt konnten im Einzugsgebiet der genannten kommunalen Kläranlagen 69 Indirekteinleiter (kleine und mittlere Gewerbe- und Industriebetriebe) identifiziert werden. Es ist absehbar, dass weitere Industrie- und Gewerbebetriebe identifiziert werden.
20
Eintragsquellen und Maßnahmen
3.3. Bisher durchgeführte Maßnahmen bei Industriebetrieben
Alle gewerblichen und industriellen Verursacher werden unter Einbindung der jeweils
zuständigen unteren Wasserbehörden und der Bezirksregierungen aufgefordert, den
Austrag von PFT ins Betriebsabwasser zu unterbinden bzw. soweit zu reduzieren,
dass die Toleranzgrenze von 300 ng/l im Abwasser nicht überschritten wird.
Falls dies nicht möglich ist, sind Maßnahmen zur Abwasserreinigung durchzuführen,
und zwar nach Möglichkeit direkt an der Anfallstelle im Betrieb.
Im Falle der Kläranlage Rhede wurde als Sofortmaßnahmen wegen der Beeinträchtigung der Trinkwassergewinnung in einem ersten Schritt angeordnet, vorübergehend
einen Teilstrom mit Aktivkohle zu behandeln. In einem zweiten Schritt wurde bei einem der beiden in die Kläranlagen indirekt einleitenden Betriebe nun eine Vorbehandlungsanlage errichtet. Bei einem anderen Indirekteinleiter wurde ein Abwasserteilstrom abgetrennt. Dieser Teilstrom wird jetzt einer Verbrennung zugeführt.
Es ist davon auszugehen, dass in jedem Einzelfall eine individuelle Lösung gefunden
werden muss. Ordnungsrechtliches Vorgehen wird nur dann möglich sein, wenn die
Besorgnis besteht, dass die PFT-Belastungen im Gewässer über dem von der
Trinkwasserkommission empfohlenen Leitwert von 300 ng/l liegt und das Gewässer
für Trinkwassernutzungen vorgesehen ist.
Ansonsten werden die Akteure sensibilisiert und beraten um schließlich gemeinsam
Lösungen zu finden.
Bei den Verursachern, die ihr Abwasser als Indirekteinleiter einer kommunalen Kläranlage zuführen, handelt es sich meist um kleinere und mittlere Betriebe die PFT
belastete Hilfsmittel einsetzen. Kleine und mittlere Gewerbebetriebe verfügen in der
Regel nicht über das für solche spezifischen Fragestellungen notwendige „know
how“. Die Verursacher der PFT-Belastungen im Indirekteinleiterbereich benötigen
daher Unterstützung bei der Entwicklung von Maßnahmen zur Reduzierung der von
ihnen ausgehenden PFT-Belastungen.
Im Rahmen des Dialogs „Wirtschaft und Umwelt“ hat sich das MUNLV daher an die
einschlägigen Industrieverbände gewendet und diese gebeten, ihre jeweiligen Mitgliedsunternehmen bei der Lösung der PFT Probleme zu unterstützen.
21
Eintragsquellen und Maßnahmen
Hierzu wurde mit den Verbänden der Abschluss der als Anlage beigefügten „Freiwilligen Vereinbarung“ verabredet, welche am 7.8.07 durch das MUNLV abschließend
unterzeichnet wurde.
Bei der Lösung der PFT-Probleme setzt das MUNLV soweit wie möglich auf die freiwillige Mitwirkung der Betriebe. Es ist daher vorgesehen, die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen mit den Betrieben im Rahmen von öffentlich rechtlichen Verträgen
durchzusetzen. Ein entsprechendes Vertragsmuster ist vorbereitet und wird den
nachgeordneten Behörden unter Bezugnahme auf die Freiwillige Vereinbarung mit
den Industrieverbänden zur Verfügung gestellt.
Weiterhin wurden Gespräche mit Vertretern verschiedener Industriebranchen geführt, um branchenspezifische Lösungsansätze zu entwickeln:
a) Gespräche mit Verbänden der Textilindustrie
Wegen der PFOA – Emissionen eines Textilbetriebes in Rhede wurde ein Gespräch
mit dem Verband der Nordwestdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie e.V. und
der TEGEVA geführt. Die Vertreter der beiden Verbände betonten hierbei, dass in
der Textilindustrie entgegen anders lautenden Behauptungen kein gezielter Einsatz
von PFT erfolgt. Eingesetzt werden allerdings Fluorcarbonharze, die in Spuren
PFOA- oder PFOS- Restbelastungen aufweisen können.
b) Abfrage bei Herstellern von Fluorcarbonharzen
Bei den in den Fluorcarbonharzen enthaltenen Verunreinigungen handelt es sich
vornehmlich um PFT- Verbindungen und hier insbesondere um PFOA. Das MUNLV
hat deshalb Hersteller und Formulierer von Fluorcarbonharzen um Auskunft über die
PFT- Restbelastung ihrer für die Textilindustrie und ggf. auch für andere Industriebranchen erzeugten Produkte gebeten.
Drei von insgesamt 5 der hier bekannten Hersteller und 13 von insgesamt 22 hier
bekannten Formulierunternehmen haben sich bislang zur Restbelastung ihrer Produkte geäußert. Nach den vorliegenden Antworten weisen die Fluorcarbonharze extrem unterschiedliche PFOA-Restbelastungen auf. Die Angaben zur PFOA-Restbelastung schwanken hierbei zwischen <1µg/l und < 0,1%.
PFOS-Belastungen werden (chemiebedingt) mit einer Ausnahme ausgeschlossen.
Bei der Ausnahme wird der PFOS-Gehalt mit < 0,1 % beziffert.
22
Eintragsquellen und Maßnahmen
3.4. Einsatz von Feuerlöschschäumen
Nachdem auf Grund der eingangs zitierten EU-Richtlinie klar ist, dass PFT-haltige
Feuerlöschmittel weiterhin eingesetzt werden dürfen, wurden die Feuerwehren des
Landes in einem mit dem Innenministerium verabredeten gemeinsamen Runderlass
auf die Gefahren der PFT hingewiesen und es wurde bestimmt, dass der Einsatz entsprechender Löschmittel ausschließlich zur Abwehr realer Gefahren, also nicht zu
Übungszwecken erfolgt und die dabei jeweils anfallenden Löschwässer aufgefangen
werden müssen.
3.5. Unterbindung der landwirtschaftlichen Nutzung von mit PFT
belasteten Klärschlämmen
Durch die Einstellung des Einsatzes von mit PFT belasteten Klärschlämmen auf
landwirtschaftlichen Flächen wird ein PFT-Eintrag in Böden und Gewässer durch
Klärschlämme verhindert. Das MUNLV hat als Orientierungswert dafür, wann Klärschlämme als mit PFT belastet gelten, 100 µg/kg in der Trockensubstanz (Summe
PFOS und PFOA) festgelegt.
Alternative Entsorgungsmöglichkeiten für Klärschlämme stehen in ausreichender
Kapazität in Klärschlammverbrennungsanlagen und anderen geeigneten und dafür
zugelassenen Mitverbrennungsanlagen zur Verfügung.
3.6. Eintragsquelle: Industrielle Altlasten
Im Rahmen von Altlastenuntersuchungen sind bei je einer Fläche in Wuppertal und
Solingen neben anderen altlasttypischen Schadstoffen deutlich erhöhte PFTBelastungen von mehreren tausend Nanogramm PFT im Grundwasser festgestellt
worden.
Sanierungsmaßnahmen an den Schadstoffquellen zur Begrenzung des Austrags von
PFT und anderen umweltrelevanten Schadstoffen aus diesen Altlasten werden derzeit geprüft.
23
Eintragsquellen und Maßnahmen
3.7. Eintragsquelle: Gärrückstände aus Biogasanlagen
Im Zusammenhang mit der Suche nach möglichen Eintragsquellen wurden vom
Umweltministerium im vorigen Jahr auch Untersuchungen von Gärrückständen ausgewählter Biogasanlagen veranlasst. Es wurden vor allem Anlagen ausgewählt, die
neben Gülle, Wirtschaftsdüngern und nachwachsenden Rohstoffen auch in erheblichem Umfang biologisch abbaubare Abfälle von Dritten annehmen und behandeln.
Insgesamt wurden 11 Anlagen beprobt und deren Gärrückstand untersucht. In den
Gärrückständen von vier Anlagen wurden PFT-Gehalte oberhalb des vom Umweltministerium festgelegten Orientierungswertes von 100 µg/kg TS (Summe PFOS +
PFOA) gefunden (3400 µg/kg TS, 2700 µg/kg TS, 400 µg/kg TS und 260 µg/kg TS).
Die Flächen im Hochsauerland und Kreis Soest, auf denen die Gärrückstände aufgebracht wurden, wurden von den zuständigen Behörden ermittelt. Seitens der Kreise wurden in Abstimmung mit der Bezirksregierung Proben von Oberflächengewässern und Böden im Bereich der beaufschlagten Flächen genommen.
Die Aufbringung der Gärrückstände aus diesen Anlagen auf landwirtschaftliche Flächen wurde zunächst gestoppt und weitere Ermittlungen zur Ursachensuche für die
PFT-Belastungen durchgeführt.
Aktuelle Überprüfungen der zuständigen Behörden haben ergeben, dass in drei der
vier Anlagen die PFT-Gehalte des Gärrückstands nunmehr deutlich unterhalb von
100 µg/kg TS liegen. Die künftige Ausbringung von Gärrückständen aus diesen Anlagen wird daher von den zuständigen Behörden mit der Maßgabe zulassen, dass
vor der nächsten Ausbringung eine Untersuchung auf PFT erfolgt und die PFTGehalte unterhalb des Orientierungswertes liegen. Die PFT-Gehalte im Gärrückstand
der vierten Anlage liegen weiterhin deutlich darüber. Für diese Anlage bleibt die Ausbringung der Gärrückstände weiterhin untersagt.
24
Initiativen auf Landes- und EU-Ebene
4. Initiativen auf Landes- und EU-Ebene
4.1. Bioabfall- und Düngeverordnung
Auf Initiative Nordrhein-Westfalens haben sich die Agrarminister des Bundes und der
Länder im September letzten Jahres für eine Novelle der Bioabfall- und der Düngemittelverordnung ausgesprochen.
Die Umweltministerkonferenz hat sich ebenfalls damit befasst und das Bundesumweltministerium gebeten, zu einem Bund-Länder-Gespräch einzuladen, um den möglichen Änderungsbedarf zu erörtern. Das Gespräch hat im April 2007 stattgefunden.
Nordrhein-Westfalen hat dort seine Vorschläge dazu erläutert, wie die Regelungen
praxistauglicher und für die zuständigen Behörden besser kontrollierbar auszugestalten sind. Die Vorschläge sind von vielen Ländern und vom Bund grundsätzlich begrüßt worden. Das Bundesumweltministerium hat angekündigt, entsprechende Regelungen zur besseren Rückverfolgbarkeit bei Gemischen und bei den Nachweisregelungen in die Novelle der Bioabfallverordnung aufzunehmen. Zur Frage, ob und in
welchem Umfang die Positivliste grundsätzlich geeigneter Bioabfälle gestrafft werden
soll, konnte noch keine Einigkeit erzielt werden.
Auch in die derzeit laufenden Diskussionen zur Novellierung der Düngemittelverordnung und der Klärschlammverordnung sind entsprechende Vorschläge eingebracht
worden.
4.2. Verbot von PFT
Im Dezember 2006 wurde auf EU-Ebene ein Verbot von Perfluoroctansulfonaten
(PFOS) verabschiedet. Dabei handelt es sich um ein generelles Verbot für die Herstellung und das Inverkehrbringen mit wenigen Ausnahmen. Hierunter fallen fotolithografische Prozesse, fotografische Beschichtungen, Antischleiermittel und Netzmittel in Galvanotechniksystemen sowie Hydraulikflüssigkeiten in der Luft- und Raumfahrt.
Wie vom Bundesrat auf Initiative Nordrhein-Westfalens bereits Anfang 2006 gefordert, ist darin keine Ausnahme mehr für neue Feuerlöschschäume enthalten, jedoch
25
Initiativen auf Landes- und EU-Ebene
dürfen diese noch bis Juni 2011 aufgebraucht werden. Außerdem ist eine Überprüfung der Ausnahmen vorgesehen.
Die Risikobewertung für Perfluoroctansäure (PFOA) sowie die Verfügbarkeit weniger
bedenklicher Alternativen werden durch die EU-Kommission ständig überprüft und
münden in Maßnahmenvorschlägen.
26
Gesundheitsschutz
5. Gesundheitsschutz
5.1. Trinkwasserschutzziele
Aktuelle Stellungnahme der Trinkwasserkommisssion des Bundes (TWK)
In einer aktuellen Stellungnahme der TWK vom 07.08.07 wurden, unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Human-Biomonitoring (HBM)–Studie der Ruhr-Uni Bochum,
die Empfehlungen zur Bewertung von PFOA und PFOS vom Juni letzten Jahres ausdrücklich bestätigt.
Danach gilt für die allgemeine Bevölkerung (auch Säuglinge) weiterhin der toxikologisch abgeleitete Summenwert in Höhe von 300 ng/l PFOA und PFOS pro Liter
Trinkwasser als „lebenslang gesundheitlich duldbarer Leitwert“.
Im Vergleich zu anderen Staaten hat Deutschland damit einen sehr vorsorgeorientierten Schutz der menschlichen Gesundheit vor den möglichen schädlichen Wirkungen von PFT durch das Trinkwasser. Generell wird allerdings die Nahrung als
Haupteintragspfad für den Menschen angesehen. Einzig der für den US-Bundesstaat
errechnete Wert von 40 ng/l für PFOA ist niedriger und scheint – nach Aussage der
Trinkwasserkommission – „wesentliche biochemische, tierexperimentelle und epidemiologische Entlastungsmomente außer Acht zu lassen.“
Da nach den vorliegenden Erkenntnissen vorerst davon auszugehen ist, dass auch
die kürzer- und längerkettigen PFCS, ebenso wie PFOA und PFOS ein ähnliches
Kumulationspotential im menschlichen Körper besitzen, fordert die TWK darüber hinaus alle Behörden, die für Gewässer- und Trinkwasserschutz verantwortlich sind auf,
dass durch geeignete Maßnahmen zum Schutz des Rohwassers auch der Zielwert
von 100 Nanogramm pro Liter Trinkwasser möglichst durch naturnahe Aufbereitungsverfahren langfristig erreicht bzw. unterschritten wird.
27
Gesundheitsschutz
5.2. PFT-Konzentrationen im Trinkwasser / Maßnahmen an Was-
serwerken
Wegen der illegalen Aufbringung von mit PFT belasteten Abfallgemischen auf Ackerflächen ist das Wasser der Ruhr deutlich stärker belastet als andere Gewässer in
Nordrhein-Westfalen und in Europa. Da gleichzeitig das Ruhrwasser zur Trinkwasseraufbereitung genutzt wird, waren und sind Maßnahmen an den Wasserwerken
notwendig, um das PFT-belastete Rohwasser aufzubereiten.
5.2.1. Wasserwerk Möhnebogen
Im hauptbetroffenen Wasserwerk Möhnebogen sind unverzüglich nach Bekanntwerden der PFT-Belastung Aktivkohlefilter eingesetzt worden. Hierüber wurde schon
ausführlich berichtet.
In der Zeit von Anfang Dezember ’06 bis Anfang Februar ’07 sind alle 8 Aktivkohlefilter ausgetauscht worden. Damals stiegen die Werte (Summenwert PFOA und PFOS)
über den Zielwert von 100 Nanogramm pro Liter Trinkwasser, hielten aber immer
noch einen genügend großen Abstand zum Leitwert von 300 Nanogramm pro Liter.
Nach dem Austausch der Aktivkohlefilter liegen die PFT-Konzentrationen wieder
deutlich unter dem von der TWK empfohlenen Zielwert.
PFT-Konzentrationen TW Möhnebogen
700
600
PFOA
PFOS
ng/l
500
Summe
400
300
200
100
Abbildung 6: PFT-Konzentrationen WW Möhnebogen
09.07.2007
09.06.2007
09.05.2007
09.04.2007
09.03.2007
09.02.2007
09.01.2007
09.12.2006
09.11.2006
09.10.2006
09.09.2006
09.08.2006
09.07.2006
09.06.2006
0
28
Gesundheitsschutz
Ein zweiter Austausch der Aktivkohle wurde in der Zeit von Mitte Juni bis Mitte Juli
’07 vorgenommen. Die Werte liegen derzeit im Bereich der Nachweisgrenze.
5.2.2. Wasserwerke an der Ruhr
Die aus dem Ruhreinzugsgebiet gespeisten Wasserversorgungsanlagen halten in
der Regel den Zielwert von 100 Nanogramm/Liter für die Summe von PFOS und
PFOA ein. Nur in Einzelfällen sind höhere Werte gemessen worden
In Abbildung 7 sind die dem MUNLV vorliegenden Messwerte aus Trinkwasseruntersuchungen der Ruhrwasserwerke aufgetragen.
Es sind die Mittelwerte der bisher vorliegenden zum Teil über ein Jahr durchgeführten Untersuchungen und die Minimal- und Maximalwerte dargestellt. Die ausführlichen Daten finden sich in Anlage 4.
0,5
0,45
0,4
Summe PFOS + PFOA in ug/l
0,35
Maximum
Minimum
Mittelwert
0,3
0,25
0,2
0,15
0,1
0,05
M
M
ül
h
ei
m
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ty
ru
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he
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im
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TW
en
H
al
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n
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nb
TW
er
Ec
g
ht
ha
us
en
0
Abbildung 7: Mittelwerte, Min- und Maxwerte im Trinkwasser der Wasserwerke an der Ruhr
In den Monaten Mai bis Juni wurden leicht steigende Werte entlang der Ruhr gemessen, jedoch blieben die Konzentrationen konstant unter 200 Nanogramm/ Liter. Aktuelle Messergebnisse von Juli deuten darauf hin, dass die Konzentrationen bereits
29
Gesundheitsschutz
wieder rückläufige Tendenz aufweisen. Beispielhaft ist nachfolgend der Konzentrationsverlauf für das Wasserwerk Echthausen dargestellt.
PFOS-PFOA WW Echthausen
500
450
400
350
ng / l
300
250
200
150
100
50
20.06.2007
20.05.2007
20.04.2007
20.03.2007
20.02.2007
20.01.2007
20.12.2006
20.11.2006
20.10.2006
20.09.2006
20.08.2006
20.07.2006
0
Abbildung 8: Konzentrationsverlauf WW Echthausen
Der Stand der Aufbereitungstechniken in den Wasserwerken an der Ruhr ist in Anlage 5 dargestellt: Mit den zur Zeit installierten Multi-Barrierensystemen ist an allen
noch in Betrieb stehenden Wasserwerken sichergestellt, dass der gemäß Empfehlung der Trinkwasserkommission lebenslang gesundheitlich duldbare Leitwert von
300 Nanogramm / Liter durchgängig eingehalten wird. In der Regel wird auch der
Zielwert von 100 Nanogramm / Liter eingehalten.
Um den Sicherheitsabstand zum lebenslang gesundheitlich duldbaren Leitwert von
300 Nanogramm pro Liter für die Summe von PFOS und PFOA weiter zu erhöhen
und um die Konzentrationen von anderen organischen Spurenstoffen, zum Beispiel
von Röntgenkontrastmitteln und Medikamentenrückständen vorsorglich zu mindern,
sind von den Wasserwerken an der Ruhr Investitionen von mehr als 60 Mio. Euro
geplant. 1/3 der Investitionen ist für die Ertüchtigung vorhandener Aktivkohleanlagen
bzw. zur erstmaligen Einrichtung solcher Anlagen vorgesehen. Am Wasserwerk Wickede-Echthausen ist eine Pilotanlage in Betrieb, mit der andere Technologien neben der Aktivkohlebehandlung auf ihre Eignung am dortigen Standort untersucht
werden. In den konkreten Bau der dann identifizierten bestmöglichen Technik werden die Wasserwerke Westfalen 2008 / 2009 bis zu 40 Mio. Euro investieren.
Der Erfolg der Maßnahmen wird vom MUNLV kritisch geprüft werden.
30
Gesundheitsschutz
5.2.3. Kleinere Wasserwerke
Die Ergebnisse einiger kleinerer Wasserwerke im Kreis Soest sind in Anlage 6 aufgelistet. Besonders belastet war die Trinkwasserversorgungsanlage Eikeloh, die seit
Oktober 2006 nicht mehr in Betrieb ist.
Dort wurden neben erhöhten Befunden an PFOS und PFOA auch kürzerkettige
perfluorierte Verbindungen festgestellt.
5.3. Belastungen mit kurzkettigen PFT
Nachdem im Wasserwerk Eikeloh auch kürzerkettige PFT-Verbindungen im Trinkwasser nachgewiesen worden sind, hat das MUNLV
• die Trinkwasserkommission aufgefordert, auch für diese Verbindungen eine
Empfehlung herauszugeben und
• das Hygiene-Institut der Uni Bonn (Prof.Dr. Exner) beauftragt, gemeinsam mit
dem LANUV ein validiertes Analyseverfahren für diese Verbindungen zu entwickeln.
5.3.1. Leitwerte für kurzkettige PFT
Ergänzend zu den Empfehlungen der TWK vom 21.06.06, die sich auf die Bewertung
von PFOA und PFOS im Trinkwasser beschränkten, wurden am 12.12.06 die Empfehlungen um die kürzer- und längerkettigen PFCS wie folgt erweitert:
•
Für die allgemeine Bevölkerung gilt weiterhin der toxikologisch abgeleitete
Summenwert in Höhe von 300 Nanogramm / Liter für PFOA und PFOS als
„lebenslang gesundheitlich duldbarer Leitwert“ im Trinkwasser.
•
Der bisher gültige Vorsorge-Maßnahmenwert von 5.000 Nanogramm / Liter
als Summenwert von PFOA und PFOS, gilt nun für die Summe aller gemessenen perfluorierten Verbindungen im Trinkwasser.
•
Für sensible Gruppen (Säuglinge, Schwangere, stillende Mütter) gilt nach wie
vor der Vorsorge-Maßnahmenwert in Höhe von 500 Nanogramm / Liter PFOA
und PFOS. Wird dieser Wert überschritten, sollte das Trinkwasser nicht mehr
zur Zubereitung von Säuglingsnahrung verwendet werden.
Zusätzlich hat die TWK für die Summe aller perfluorierten Verbindungen den
•
Wert von 1000 Nanogramm / Liter festgelegt, mit der Maßgabe, dass auch
31
Gesundheitsschutz
hierbei der Summenwert von PFOA und PFOS in Höhe von 500 Nanogramm /
Liter nicht überschritten werden darf.
5.3.2. Analyseverfahren für kurzkettige PFT
Bis dato wurden kurzkettige PFT nur von wenigen Laboren, u.a. vom TZW in Karlsruhe untersucht. Das Verfahren war nicht ohne weiteres in die Routine anderer Labore so übertragbar, dass reproduzierbare und vergleichbare Messwerte erhalten woden wären.
Das MUNLV hat daher das Hygiene-Institut der Universität Bonn – Prof. Exner - beauftragt, ein zuverlässiges Analyseverfahren zur Bestimmung der kurzkettigen PFT
zu entwickeln. Inzwischen sind die Grundlagen erarbeitet und es läuft nun die Validierung des Verfahrens. Daran beteiligen sich die Labore WWU-Gelsenkirchen,
Ruhrverband, Hygiene Institut des Ruhrgebietes, IWW, TZW, Hygiene Institut der Uni
Bonn, Bez.Reg. Köln und Bez. Reg. Detmold. Es wurden zwei Vergleichuntersuchungen durchgeführt, um die Vorgaben für die Quantifizierung und für die Kontrollmessung festlegen zu können. Die zweite Vergleichsuntersuchung ist recht zufriedenstellend ausgefallen und soll Ende August beraten werden.
Der hohe Aufwand zur Entwicklung des Verfahrens zeigt, dass hier noch Verbesserungsbedarf bestand und bisherige Messergebnisse mit gewissen Unsicherheiten
belegt sind.
Der in der Presse kürzlich zitierte Wert von 353 Nanogramm / Liter PFT in einem
Dortmunder Wasserwerk ist im übrigen von einem der an der Verfahrensentwicklung
beteiligten Institute ermittelt worden. Er betraf die Summe aller PFT, der für die Beurteilung von Gesundheitsgefahren heranziehende Summenwert von PFOS und PFOA
lag in dieser Probe bei 156 Nanogramm / Liter.
5.4. Konzentrationen in Fischen
Die schon frühzeitig herausgegebenen Verzehrsempfehlungen gelten nach wie vor.
Das hohe Schutzniveau, das damit erreicht wurde wird durch die Bewertung des
Bundesinstitutes für Risikobewertung gestützt.
Ein erneutes Fischmonitoring bei einheimischen Fischen und bei Fischen aus dem
Handel ist fast abgeschlossen. Auf Grundlage der damit gewonnenen Daten werden
die Verzehrsempfehlungen aktualisiert werden.
Unter http://www.munlv.nrw.de/umwelt/pft/index.php können alle Untersuchungsergebnisse im Internet abgerufen werden.
32
Gesundheitsschutz
5.5. Wirkung erhöhter PFT-Konzentrationen auf die Bevölkerung
Im Auftrag des MUNLV wurde unter Leitung von Professor Michael Wilhelm von der
Ruhr-Universität Bochum eine Studie durchgeführt, für die das Blut von 700 Kindern,
Frauen und Männern aus Arnsberg sowie den Vergleichsgebieten Brilon und Siegen
auf perfluorierte Verbindungen analysiert worden war („Human-Bio-Monotoring“). Die
Ergebnisse wurden am 12.3.2007 der Öffentlichkeit durch den Umweltminister vorgestellt und sind auf der Homepage des Umweltministeriums abrufbar.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass der Konsum PFT-verunreinigten Trinkwassers bei der Arnsberger Studiengruppe zu einer erhöhten Belastung mit der PFTVerbindung PFOA (Perfluoroktansäure) im Blut geführt hat. Im Mittel fanden sich bei
der Arnsberger Studiengruppe fünf- bis achtfach höhere PFOA-Werte im Blut als bei
den Vergleichsgruppen aus Brilon und Siegen. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist
nach Auffassung aller beteiligten Wissenschaftler davon auszugehen, dass bei der
Bevölkerung aus Arnsberg aufgrund der erhöhten PFOA-Konzentrationen im Blut
auch langfristig nicht mit schädlichen Auswirkungen zu rechnen ist. Die Probanden/innen aus Arnsberg werden im Herbst dieses Jahres erneut untersucht, um zu
ermitteln, in welchem Ausmaß die PFOA-Belastung im Blut zurückgegangen ist. Die
erforderlichen finanziellen Mittel stellt das Umweltministerium zur Verfügung.
Bei den beiden in aktuellen Presseartikeln zitierten Human-Biomonitoring-Werten der
PFT-Verbindung Perfluoroktansäure (PFOA) in Höhe von 383 und 218 µg/l handelt
es sich um die Belastung bei zwei Kindern aus Arnsberg mit einer angeborenen
Stoffwechselerkrankung. Diese beiden Kinder gehörten ursprünglich nicht zum Studienkollektiv, wurden aber auf Wunsch der Eltern wegen deren sehr hohen Trinkwasserkonsums in die Studie aufgenommen. Beide Analysenergebnisse finden sich
zwar im Abschlußbericht (Langfassung) zum Projekt. Auf die Darstellung weiterer
Details im Bericht musste aber zum damaligen Zeitpunkt aus datenschutzrechtlichen
Gründen verzichtet werden, da ansonsten eine eindeutige Zuordnung der Ergebnisse
zu den beiden Kindern hätte hergestellt werden können. Mittlerweile liegt nach Information der Abteilung für Hygiene, Sozial- und Umweltmedizin der Ruhr-Universität
Bochum seit Ende Juni 2007 eine schriftliche Einverständniserklärung der Eltern zur
Veröffentlichung weiterer Details der ermittelten Ergebnisse vor. Die bei den Kindern
festgestellten Werte liegen um Faktor 17 bzw. 10 über der mittleren Belastung von
Kindern aus Arnsberg. Die untersuchten Kinder aus Arnsberg wiederum wiesen eine
um Faktor 4,5 höhere PFOA-Belastung als die Vergleichsgruppe aus Siegen auf, so
dass die beiden Kinder mit der Stoffwechselerkrankung um Faktor 77 bzw. 45 stärker
mit PFOA belastet sind als Kinder aus der Vergleichsregion. Zurzeit werden beide
33
Gesundheitsschutz
Kinder individualmedizinisch von der Abteilung für Hygiene, Sozial- und Umweltmedizin der Ruhr-Universität Bochum gemeinsam mit dem St. Josefs-Hospital in Bochum betreut und kontinuierlich untersucht. Zusätzliche Behandlungskosten der Untersuchung hat das MUNLV übernommen.
Die in der Presse vorgebrachte Forderung nach Durchführung weiterer, flächendeckender PFT-Blut-Untersuchungen im Bereich des Ruhrgebietes wird aus Sicht des
MUNLV als nicht zielführend angesehen. Die Ergebnisse der vom MUNLV durchgeführten Human-Bio-Monitoring-Studie zeigen eindeutig, dass sich eine erhöhte Aufnahme an PFOA über das Trinkwasser in einer erhöhten Belastung des Blutes mit
PFOA äußert. So erhöhen sich bei den Arnsberger Kindern die Medianwerte für
PFOA im Plasma von weniger als 20 µg/l auf mehr als 30 µg/l, wenn die täglich konsumierte Trinkwassermenge von unter 0,25 Liter/Tag auf über 1,5 Liter/Tag ansteigt.
Bei den Männern ist der Einfluss des Trinkwasserkonsums auf den PFOAPlasmaspiegel am stärksten ausgeprägt. Im Bereich der der täglich konsumierten
Trinkwassermenge von unter 0,25 Liter bis über 1,5 Liter steigen die mittleren PFOAWerte im Plasma von etwa 15 auf 40 µg/l an.
Diese Zusammenhänge würden durch weitere Blut-Untersuchungen in Gebieten mit
weniger stark PFT-belastetem Trinkwasser als es in Arnsberg der Fall zwar bestätigt
werden. Damit gäbe es jedoch keinen neuen Erkenntnisgewinn, zumal die höchste
PFOA-Belastung im Trinkwasser der betroffenen Arnsberger Gebiete ermittelt worden waren. Da gesundheitliche Auswirkungen bei der Arnsberger Bevölkerung aufgrund der PFOA-Belastung im Trinkwasser nicht angenommen werden, würde dies
umso mehr für einen Personenkreis gelten, dessen Trinkwasser deutlich geringere
PFOA-Konzentrationen aufweist.
Aus Sicht des MUNLV sollten künftige PFT-relevante epidemiologische Untersuchungen daher nicht „in die Fläche gehen“. MUNLV geht daher spezifischen Fragestellungen zur inneren PFT-Belastung des Menschen nach. Entsprechende Konzepte werden zur Zeit vom MUNLV in Zusammenarbeit mit dem LANUV erarbeitet.
Seit Januar 2007 werden vom MUNLV kostenlose Muttermilchuntersuchungen angeboten. Wie bereits angekündigt, wurde im Juni 2007 eine erste Auswertung der
bisher ermittelten Analysenergebnisse vorgenommen. Insgesamt wurden Proben von
183 Probandinnen aus ganz Nordrhein-Westfalen untersucht. In 99 Proben konnte
die PFT-Verbindung „PFOA“ und in 120 Proben die PFT-Verbindung „PFOS“ nachgewiesen werden. Der Mittelwert der ermittelten Konzentrationen beträgt für PFOA
0,16 µg/l und für PFOS 0,09 µg/l und liegt damit im Bereich der üblichen Hintergrundbelastung von Muttermilch. Die toxikologische Bewertung der Ergebnisse durch
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Gesundheitsschutz
das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz zeigt, dass die in allen
Muttermilchproben gemessenen PFT-Konzentrationen für Säuglinge gesundheitlich
unbedenklich sind und keine Auffälligkeiten aufweisen. Das PFT-MuttermilchProgramm läuft weiter. Interessentinnen aus NRW können sich direkt an das CVUA
NRW wenden.
In einem Artikel der Welt am Sonntag vom 05.08.07 wird eine Studie zur Untersuchung der Wechselwirkungen von PFT mit dem Arzneimittel Cyclophosphamid (CPP)
zitiert. CPP ist ein sehr starkes Medikament, das in der Krebstherapie sowie zur Behandlung besonders schwer verlaufender Multiple Sklerose sowie bei Autoimmunerkrankungen zum Einsatz kommt. Bei der zitierten Studie konnte gezeigt werden,
dass PFOS (Perfluoroktansulfonsäure) in hohen Konzentrationen (12.500 µg/l) die
gentoxische Wirkung von CPP verstärken kann. Der eigentliche gentoxische Effekt
geht aber eindeutig auf CPP zurück. Bei der Interpretation dieser Studie ist zu beachten, dass sehr hohe Konzentrationen eingesetzt wurden, die weit über den in der
Umwelt festgestellten Konzentrationen liegen. Zum Vergleich: Der höchste gemessene Wert der Summe von PFOA und PFOS im Arnsberger Trinkwasser war 0,56
µg/l. Eine Übertragung der Befunde auf Umweltbedingungen ist, wie die Verfasser
selbst anmerken, nicht möglich. Die Aussagekraft der Studie ist darüber hinaus wegen der angewendeten Methodik begrenzt. Die Studie selbst steht daher bei der Ableitung gesundheitsbezogener Werte für PFT nicht im Vordergrund.
Die ebenfalls in dem Artikel zitierte Publikation zu den Wechselwirkungen von PFT
mit Östrogenen liegt dem MUNLV als Publikation nicht vor. Eine kurzfristig durchgeführte Literaturrecherche verlief diesbezüglich ergebnislos, wird aber fortgesetzt.
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Gesundheitsschutz
6. Beurteilungsgrundlagen
Trinkwasser
Summe aus PFOS
und PFOA
Lebenslang duldbarer Leitwert für alle
300 ng/l
Summe aller PFT
Bevölkerungsgruppen
Zielwert
(Langfristiges Mindestqualitätsziel bzw.
100 ng/l
allgemeiner Vorsorgewert)
Vorsorglicher Maßnahmewert für Säuglinge und sensible Gruppen
500 ng/l
Maßnahmewert für Erwachsene
1000 ng/l
5000 ng/l
Oberflächenwasser
Summe aus PFOS
und PFOA
Orientierungswert (Orientierungswert
zum Erkennen weiteren Bedarfs zur
300 ng/l
Summe aller PFT
Quellensuche und zur Überprüfung möglicherweise beeinflusster Wasserversorgung)
Klärschlamm / Gärrückstand
Summe aus PFOS
und PFOA
Orientierungswert (Orientierungswert, ab
100 µg/kg
Summe aller PFT
dem auf eine Aufbringung von Klärschlamm oder Gärrückständen auf
landwirtschaftliche Flächen verzichtet
werden soll)
Boden
Einzelfallbeurteilung aufgrund Expositionsabschätzung
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Anlagenverzeichnis
7. Anlagenverzeichnis
Anlage 1
PFT-Messwerte des Gewässermonitorings
Anlage 2
PFT-Messwerte von Grundwasserbeprobungen
Anlage 3
Daten zur Entwicklung der PFT-Belastung in Steinbecke und
Möhne
Anlage 4
PFT-Messwerte der Trinkwasserwerke an der Ruhr
Anlage 5
Aufbereitungstechniken in den Wasserwerken an der Ruhr
Anlage 6
Ergebnisse einiger Wasserwerke im Kreis Soest