Die Systemfrage - DGB
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Die Systemfrage - DGB
Newsletter der DGB-Jugend Ausgabe März 2004 A 8895 soli aktuell inhalt Die Systemfrage 2003 war das schwierigste Jahr auf dem Lehrstellenmarkt seit der Wiedervereinigung, sagen Experten. Und 2004? Hat noch schlimmer angefangen. Die DGB-Jugend schlägt eine Lösung vor: die Ausbildungsumlage. ie Fraktionen von SPD und Grünen im Deutschen Bundestag haben der wankelmütigen Bundesregierung das Heft aus der Hand genommen. Sie planen die Einführung einer solidarischen Ausbildungsumlage, die nachhaltig das System der dualen Berufsbildung sanieren und die Situation für viele jugendliche Schulabgänger verbessern würde. Der Weg zu diesem neuen System der Finanzierung ist noch steinig. Die Gegner der Umlage – zu Ihnen zählen Arbeitgeberverbände, Kammern und prominente SPDMinisterpräsidenten – lassen nichts unversucht, um den Gesetzgebungsprozess noch zu Fall zu bringen oder zumindest eine Light-Version einzubringen, damit das Gesetz nie zur Anwendung kommt. Für die Gewerkschaften und die Gewerkschaftsjugend gilt jetzt: Kurs halten, überzeugen, nicht wackeln. Und: Falsch- oder Vorurteile gegen die Umlage ausräumen. D Zunächst geht es nicht um die Umlage: Es geht darum, dass die Jugendlichen den Anspruch auf eine Integration in die Gesellschaft und damit auf eine ordentliche Berufsausbildung haben. ∂ ∂ Wer die Umlage ablehnt, soll sagen, was er statt dessen für die Jugendlichen tun will. Es ist bekannt, dass alle anderen Maßnahmen (freiwillige Verpflichtung der Wirtschaft, Appelle und Klinkenputzen von Politikern) wenig bis nichts genutzt haben. Staatlich finanzierte Ausbildung ist der milliardenteure Notbehelf, wenn Betriebe nicht mehr ausbilden – und schon tagtägliche Realität. Sie ist schlechter als die betriebliche und trägt zur Aushöhlung des dualen Systems bei. In den neuen Ländern steckt schon in 70 Prozent der Ausbildungsplätze staatliches Geld. Die Diskussion ist verlogen: Über die Einführung der Umlage – die ja staatliche Maßnahmen überflüssig machen soll – gibt es ein Riesengeschrei. Auf der anderen Seite werden Milliardenbelastungen für die Steuerzahler billigend in Kauf genommen. ∂ Die Umlage ist kein Strafsteuer, sondern kommt der Schaffung betrieblicher Ausbildungsplätze unmittelbar zugute. Betriebe, die nicht oder zu wenig ausbilden, ∂ 3 internationales ILO-Studie: Kinderarbeit rechnet sich nicht und muss durch Bildung ersetzt werden Von Porto Alegre nach Mumbai: Die DGB-Jugend auf dem diesjährigen Weltsozialforum 5 thema Neinneinnein – Ja! Die häufigsten Einwände gegen die Umlage – und die Argumente des DGB 6 jav-ratgeber Arbeitgeberüberwachung – Die Hauptaufgabe der JAV: Auf die Einhaltung von Gesetzen und Verordnungen achten 7 landesbezirke + gewerkschaften »Wir haben die Abkopplung des Ostens verhindert«: IG MetallBundesjugendsekretär Michael Faißt zum Streik der Metaller Weltweit wie immer: Die Bildungsarbeit in Oberursel zahlen in einen Fonds, um damit zusätzliche Ausbildung in anderen Betrieben zu finanzieren. Betriebe, die über Bedarf ausbilden, können sich mit einem einfachen Antrag ihre zusätzlichen Ausbildungskosten aus dem Fonds erstatten lassen. Alles Unfug? Von wegen: Die Baubranche, wo es seit Jahr und Tag eine Umlage gibt, verzeichnete – laut Berufsbildungsbericht 2004 – die höchste Ausbildungsquote im Jahr 2002: acht Prozent in den alten, 7,3 Prozent in den neuen Bundesländern. Die Branchen und Tarifparteien kennen den Ausbildungsbedarf am besten und können maßgeschneiderte Lösungen entwickeln. Deshalb sollen tarifliche Regelungen im Gesetz Vorrang haben. ∏ Christian Kühbauch ∂ Fortsetzung: Seite 5. Mehr Details, Zahlen und Daten: www.dgb-jugend.de 03.04 soli aktuell 1 kurz + bündig Hartz und die Sozialkassen Zurechtgebogen ■ Der demografische Wandel ist nicht die Hauptursache für die gegenwärtigen Probleme der Sozialkassen. Zu diesem Ergebnis kommt das Internationale Institut für Empirische Sozialökonomie (INIFES). INIFES-Experte Ernst Kistler: »Die heutigen Probleme in den Sozialkassen haben vor allem einnahmeseitige Ursachen. Sie sind nicht hauptsächlich durch die Alterung unserer Bevölkerung begründet, sondern viel mehr durch die hohe Arbeitslosigkeit, die Ausbreitung sozialversicherungsfreier Jobs, die schiefe Einkommensverteilung, eine lange sehr zurückhaltende Lohnpolitik und nicht zuletzt die falsche Finanzierung der deutschen Einheit.« Viele Experten-Gremien wie z.B. die so genannte »Hartz-Kommission«, die RürupGutachter oder die Herzog-Kommission berücksichtigten diese Zusammenhänge nicht. Vielmehr hätten sie im Rahmen ihrer Gutachten Empfehlungen ausgesprochen, denen zum Teil »einseitige oder unrealistische Annahmen« zu Grunde liegen. Schule leer Geburtenstreik ■ Im laufenden Schuljahr ist die Zahl der Schüler an Deutschlands Schulen laut Statistischem Bundesamt weiter zurückgegangen. Rund 9,7 Mio. Mädchen und Jungen besuchten die Grundschule sowie weiterbildende Schulen. Das waren 0,6% weniger als im Vorjahr. Besonders stark war der Schülerschwund in Ostdeutschland mit einem Minus von 5,8%. Grund: der Rückgang der Geburtenrate. Schule doof Lesestreik ■ Der erste Europäische Bildungsbericht gibt den deutschen Schulen, wie sollte es anders sein, schlechte Noten. Während im Schnitt der 15 EU-Mitglieder 17,2% der 15-jährigen Probleme beim Lesen und beim Textverständnis haben, sind dies in Deutschland 22,6%. Schlechter sind die Schüler nur noch in Griechenland (24,4%) und in Luxemburg (35,1%). Beim Fremdsprachenlernen liegen deutsche Schüler leicht unter dem EU-Schnitt von 1,5 Sprachen. 2 soli aktuell 03.04 Ablasshandel Klauen ∑ Fliegen Schnapsbrenner: Keine Steuern bitte ■ Die Spirituosenindustrie hat Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) die Finanzierung einer groß angelegten Werbekampagne gegen Alkoholmissbruch unter Kindern und Jugendlichen angeboten, wenn die Regierung auf die Einführung einer Sondersteuer auf »Alcopops« verzichtet. Damit könne der Alkoholmissbrauch effektiver bekämpft werden als mit der »Diskriminierung der Mixgetränke«. »Alcopops« sind Mixgetränke aus Limonade und Spirituosen. Die Getränkeindustrie prüft derzeit eine Verfassungsklage, weil mit der Sondersteuer »eine Gattung von alkoholischen Mixgetränken besonders benachteiligt« würde. Die DGB-Jugend hasst Alcopops. Urteil ■ Ein Arbeitgeber darf mit Kündigung und Strafanzeige drohen, um einen Mitarbeiter zum Geständnis eines Diebstahls zu bringen. Eine solche Drohung ist nicht widerrechtlich und ein Geständnis daher nachträglich auch nicht anfechtbar. Land in Sicht Abhilfe ■ Ein neuer Lernserver der Universität Münster hilft Kindern bei der Verbesserung ihrer Rechtschreibfähigkeiten und Lehrern bei der raschen und umfassenden Diagnose der Leistungen ihrer Schüler. Zentrales Anliegen: für Lehrkräfte »endlich das alte pädagogische Ideal erreichbar zu machen, Kinder dort zu unterstützen, wo sie es nötig haben«. www.lernserver.de Jump und Hopp Qualität der Ausbildung ■ Eine halbe Million Arbeitslose im Alter bis 25 Jahre soll von der Bundesagentur für Arbeit bis 2005 Beschäftigungs- oder Qualifizierungsangebote erhalten. Das hat Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) angekündigt. Nach Angaben des Ministers sollen ihnen »Ausbildungs- oder Umschulungsangebote entsprechend den geltenden Zumutbarkeitskriterien« unterbreitet werden. Wer aufmuckt, hat mit finanziellen Konsequenzen zu rechnen. Arbeit runter Italien hat Streiklust ■ Italiener haben Spaß am Streiken: Im öffentlichen Dienst gab es im vergangenen Jahr 2.839 Arbeitskonflikte, die meist mit einem Streik endeten. Fast 1.400 Konflikte gab es im Verkehrssektor, davon mehr als 600 im Nahverkehr, so ein jetzt erschienener Parlamentsbericht. Kürzlich legten Ärzte und Krankenschwestern die Arbeit nieder, auch Lehrer und Postbeamte in Italien tun das gerne. Der Grund: Mitunter sind ihre Verträge seit zwei Jahren nicht mehr erneuert worden. Außerdem verdienen viele Lehrer lediglich 1.200 oder 1.300 Euro im Monat. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Az.: 4 Sa 1161/03 Deutschland-AG Keine Jobs in Sicht ■ Die starke Zunahme von Ich-AGs ist zum großen Teil auf Mitnahmeeffekte zurückzuführen. Indiz: die Beobachtung, dass die Ich-AG-Zuschüsse parallel zu den Ausgaben für das Übergangsgeld steigen, statt diese teilweise zu ersetzen. Eine Zunahme der Selbstständigkeit, wie von der Bundesregierung mit dieser Maßnahme beabsichtigt, sei nicht zu erkennen. Wer das sagt? Einer vom DGB? Nö: Der Arbeitsmarktforscher Hilmar Schneider, Direktor am Institut Zukunft der Arbeit in Bonn. Courage Studie zu Jugendlichen ■ Die neue Studie »Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland« zeigt 13 Jahre nach der Wiedervereinigung kaum noch Unterschiede in den Lebensbedingungen, Werteorientierungen und Einstellungen von Jugendlichen in Ost und West – mit Ausnahme der Einstufung von Arbeitslosigkeit und der wirtschaftlichen Lage als wichtigstes persönliches Problem. Für die Studie des Mannheimer Instituts für praxisorientierte Sozialforschung im Auftrag des Bundesfamilienministeriums wurden ca. 2.000 Jugendliche und junge Erwachsene zu ihren aktuellen Lebenseinschätzungen und Einstellungen befragt. Trends: Die Mehrheit der Befragten zeigt eine ausgeprägte Bereitschaft zum Wohnortwechsel, wenn sich dadurch ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen. Zuwachs an Zivilcourage – die Bereitschaft, in Gewaltsituationen Zivilcourage zu zeigen, soll seit 1993 deutlich angestiegen sein. Nutzung des Internets: Fast die Hälfte der befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen nutzt das Internet für private Zwecke. Weitere Ergebnisse unter www.bmfsfj.de Neues Personal Sex ■ Soli aktuell-Gestalter Heiko von Schrenk hat ein neues Kind: Es kam am 3. März zur Welt. Name: Linus. Erste Reaktion in der Linus? Linux? Redaktion: »Det is doch’n Computerprojramm oda wat?« Wir gratulieren und hoffen auf einen baldigen Gewerkschaftsneueintritt. internationales Ökonomisch betrachtet ILO-Studie: Kinderarbeit rechnet sich nicht und gehört durch Bildung für alle ersetzt. Geschätztes Kostenvolumen: 760 Milliarden US-Dollar. Zynisch oder nicht? derschlägt – dies entspräche einem Ertrag von global mehr als fünf Billionen US-Dollar. Die »Ernte der ökonomischen Früchte größerer Bildungsanstrengungen« hänge von der Fähigkeit eines Landes ab, neue Arbeitsplätze zu schaffen, die Potenziale des höheren Niveaus der Arbeitnehmer zu erschließen und eine Politik des ökonomiedes sechste Kind auf der Welt leisschen Wachstums zu entwickeln. Schon tet Kinderarbeit. Viele von ihnen wenn der Effekt von Bildung auf zukünftige sind gezwungen, ihre Gesundheit Verdienste auf fünf Prozent halbiert würde, und ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Seit lanbeliefe sich der globale Nutzen auf noch Die ILO schätzt, dass ca. 246 Millionen Kingem versucht die Internationale Arbeitsormehr als zwei Billionen US-Dollar. der weltweit in Kinderarbeit involviert sind – ganisation (ILO), diesen ArbeitsverhältnisDie in die Studie einbezogenen Hausdavon sind 179 Millionen sen mit verschiedenen halte sehen sich mit einer weiteren Kostenden schlimmsten ForProgrammen zu begegDie ILO schätzt, dass ca. 246 belastung konfrontiert. Die fortschreitende men der Kinderarbeit nen. Millionen Kinder weltweit in Abschaffung der Kinderarbeit über die nächsausgesetzt, d.h. TätigkeiJetzt aber teilt die Kinderarbeit involviert sind. ten, die das körperliche, ten 20 Jahre entzieht Familien den ökonoILO mit: »Ein Mehr an mischen Wert der Arbeit ihrer Kinder. Die sittliche oder seelische Wohl gefährden. Information hat das öffentliche BewusstILO schätzt, dass sich der Beitrag eines KinDie ILO-Studie kommt zu dem Ergebnis, sein für die Schwere dieses Problems verdes zum Familieneinkommen auf ca. 20 Prodass der ökonomische Nutzen des Kampfs stärkt und der Entwicklung und Finanziezent eines Erwachsegegen die Kinderarrung von Programmen und Politikansätzen, beit die Kosten im Von ihnen sind 179 Millionen Kinder nen beläuft und bei um Kinder aus diesen Beschäftigungsver246,8 Milliarden USVerhältnis 6,7:1 überhältnissen herauszuholen, neuen Nachden schlimmsten Formen der Dollar liegen würde. steigt. Dabei würden druck verliehen.« Kinderarbeit ausgesetzt. Um dies zu bealle Regionen weltDieses Wissen habe aber auch neue Frarücksichtigen, bezieht die Studie die Kosten weit große Nettogewinne aus der Beseitigen über die Kosten aufgeworfen, die enteines globalen Programms zur Einkommensgung der Kinderarbeit ziehen, allerdings stehen, wenn Kinder aus solchen Beschäftiunterstützung für arme Haushalte mit ein – würden einige davon mehr profitieren als gungsverhältnissen herausgeholt werden, Menschen mit geringem Einkommen könnandere. In Nordafrika und im Mittleren ihnen Zugang zu Bildung verschafft wird ten ihre Kinder zur Schule zu schicken. In AnOsten beispielsweise läge das Nutzen- und und damit zu einer menschenwürdigen lehnung an erfolgreiche brasilianische MoKostenverhältnis bei 8,4:1, wohingegen das Kindheit verholfen werden soll. Gleichzeitig delle wurde dazu eine Formel verwendet, woVerhältnis in Afrika südlich der Sahara am fragen die Politiker auch, in welchem Ausniedrigsten wäre (5,2:1). In Asien betrüge die nach 60 bis 80 Prozent des Durchschnittsmaß sich die tatsächliche Abschaffung der wertes der Kinderarbeit pro Kind im SchulalRelation 7,2:1, in den Übergangsländern 5,9:1 Kinderarbeit in Bezug auf die nationale Entter an arme Haushalte transferiert würden. ∏ und in Lateinamerika 5,3:1. Der globale ökowicklung und Armutsverringerung auszahnomische Nettoertrag dieses hypothetilen wird und wie die Kinder und deren Fawww.ilo.org/public/german/region/eurpro/bonn/ schen Aktionsprogramms würde sich auf milien davon profitieren werden. aktuelles_invest.htm 22,2 Prozent des jährlichen Bruttoinlandproduktes belaufen. Eine neue ILO-Untersuchung mit dem Titel »In jedes Kind investieren – Eine ökonoDie Abschaffung der Kinderarbeit ist – mische Studie über die Kosten und den Nutlaut Studie – eine generationenbezogene zen der Beseitigung der Kinderarbeit, deutInvestition und ein nachhaltiger Einsatz für sche Zusammenfassung«, durchgeführt im Kinder von heute und in der Zukunft. In den Rahmen des Programms »Internationales ersten Jahren würden die Kosten freilich Programm zur Beseitigung der Kinderarfast mit Sicherheit die Erträge übersteigen. beit«, kommt zu dem Ergebnis, dass KinderJedoch würden die wirtschaftlichen Nettoarbeit beseitigt und bis zum Jahre 2020 erträge sich dramatisch ins Positive bewedurch Bildung für alle ersetzt werden kann gen, sobald die Effekte verbesserter Ausbil– zu einem geschätzten Kostenvolumen von dung und Gesundheit greifen. Bis zum Jahr 760 Milliarden US-Dollar. 2020 würden die Kosten bei weitem durch »Eine gute Sozialpolitik ist gleichzeitig die Erträge von ungefähr 60 Milliarden USauch eine gute Wirtschaftspolitik. Die BeDollar jährlich aufgewogen. seitigung von Kinderarbeit wird eine enorDie Kosten seien eine »weise Investitime Rendite dieser Investitionen abwerfen on«, weil sich jedes weitere Jahr des allgeund nicht zu beziffernde Auswirkungen auf meinbildenden Schulbesuchs über das 14. das Leben der Kinder und deren Familien Lebensjahr hinaus in einem zukünftigen Jahmit sich bringen«, sagt ILO-Generaldirektor resverdienst von zusätzlich elf Prozent nieJuan Somavia. J Die Untersuchung ist die erste integrierte Kosten-/Nutzenanalyse der Beseitigung der Kinderarbeit weltweit. Sie vergleicht Kosten und Nutzen, nicht zur Rechtfertigung von Aktionen zur Beseitigung der Kinderarbeit, wie dies bereits in den ILOÜbereinkommen 138 und 182 gefordert wird, sondern mit dem Ziel, die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen dieser internationalen Verpflichtung zu verstehen. 03.04 soli aktuell 3 internationales Arm und reich satt Von Porto Alegre nach Mumbai: Das diesjährige Weltsozialforum (WSF) fand im Umfeld des größten Slums Asiens statt. Von Christel Faber die Privatisierung öffentlicher Dienste, die Zunahme von Arbeitsplatzverlagerungen und ungeschützten Beschäftigungsverhältnissen, die Ernährungssicherheit und der Zugang zu Wasser. Daneben wurde das Scheitern der WTO-Ministerkonferenz in Cancún diskutiert wie auch die Steuerflucht und deren Auswirkung auf die öffentlichen Haushalte. sich durch Offenheit aus und verhindern dennoch nicht gemeinsame Handlungen zu bestimmten Anlässen. Einige Beispiele: Ergebnisse von Florenz 2002 und Porto Alegre 2003: Die weltweiten Demonstrationen am 15. Februar 2003 gegen den Irak-Krieg und die kritische Begleitung der WTO-Verhandlungen wurden während des ESF und WSF vorbereitet, begleitet und ausgewertet. Diese Ergebnisse waren trotz aller unterschiedlicher Schwerpunkte der teilnehmenden Organisationen möglich. bwohl auch dieses Jahr 100.000 Leute zum WSF kamen und 1.200 Podiumsdiskussionen und Workshops realisiert wurden, war doch vieles ganz Gewerkschaften und WSF anders. Im Vergleich mit Mumbai – früher Im Vergleich zu den letzten Jahren waren Bombai – ist Porto Alegre »eine gemütliche die (internationalen) Gewerkschaften erKuschelecke«, liegt diese Stadt doch in eifreulicherweise deutlich stärker vertreten. nem relativ »reichen« Teil Brasiliens. Die 14Angesichts der Tatsache, dass die ArbeitMillionen-Metropole-Mumbai mit dem nehmerechte imErgebnisse von Paris 2003 größten Slum Asiund Mumbai 2004: ens schockt dage- »Ein Forschungsvorhaben zur Situation mer weiter abgebaut werden und Für 2004 ist Folgendes geplant: ein weltweigen selbst erfahrejunger Flüchtlinge in Deutschland… die multinationalen ter Demonstrationstag am 20. März gegen ne »Dritte Welt«Konzerne mittlerweile nicht nur ArbeitsKrieg und die US-Besatzung im Irak. Die Reisende mit ihren gravierenden Gegensätplätze in der Produktion, sondern auch in nächste WTO-Ministerkonferenz in Honzen zwischen arm und reich. den qualifizierten Dienstleistungen in Bilgkong soll ähnlich wie die in Cancún kritisch Auch die politischen Ausdrucksformen liglohnländer verlabegleitet werden. der überwiegend indischen und asiatischen gern, müssen sich Die europaweiten Teilnehmer unterschieden sich deutlich von …dass sie längst zu einem festen die GewerkschafAktionstage gegen denen, an die man in Europa und LateinaBestandteil unserer Gesellschaft . ten mehr denn je inSozialabbau am 2. merika gewöhnt ist. Im Grunde genommen ternational vernetzen und Bündnisse mit und 3. April 2004 wären ohne die Diskussiofanden auf dem Gelände einer ehemaligen sozialen Bewegungen schließen. Durch den nen während des ESF in Paris wohl kaum so Fabrik, ca. 30 km vom Zentrum gelegen, Beitritt Chinas in die WTO ist zu befürchten, zu planen gewesen. zwei Weltsozialforen statt: die Workshops dass den Entwicklungsländern bis zu 30 Milund Podien in Hallen und Zelten und parallionen Arbeitsplätze in der Textilindustrie Perspektiven lel dazu die über das Gelände ziehenden, verloren gehen. Auch Jobs in IT-Branche, Der Wechsel des Kontinents hat sich als sich lautstark Gehör verschaffenden DeBuchhaltung, Versicherungsabwicklung richtig und wichtig erwiesen. Nur so lassen monstrationen diverser Gruppen. Diese werden aus den Industrieländern über Indisich die Spektren der teilnehmenden Orgareichten von den Dalits, Angehörigen der so en nach China verlagert. nisationen und damit auch die Vernetgenannten Kaste der Unberührbaren, über zungsmöglichkeiten erweitern. Im nächsten Frauengruppen, Transsexuelle, Kinder, die Ist das WSF als »Happening« der sozialen Jahr steht Porto Alegre als Veranstaltungsihre Rechte forderten, bis hin zu einer Bewegungen ohne Konsequenzen? ort fest, danach ist einerseits Afrika in der großen Gewerkschaftsdemo. In der Presse ist diese Kritik häufig zu lesen. Diskussion, andererseits wird überlegt, die Schwerpunktthemen der VeranstaltunSicherlich hat auch Arundhati Roy Recht, WSF – alternierend zu den regionalen Foren gen waren Krieg und Frieden, hier vor allem wenn sie sagt, dass ein Erfolgserlebnis nötig – nur noch alle zwei Jahre stattfinden zu lasdie US-Besatzung im Irak, die Politik und ist. Allerdings darf dies nicht auf Kosten der sen. Dies ist sinnvoll, schafft es doch mehr Folgen neoliberaler Globalisierung, die RolCharakteristika der europäischen (ESF) und Zeit zur Umsetzung von Vereinbarungen, le der Weltbank und anderer Institutionen, Weltsozialforen gehen. zum Ausbau von Netzwerken etc. Auch die WSF und ESF sind offene Räume, in dein Indien zu beobachtende Tendenz, Großnen sich die sozialen Bewegungen in all ihveranstaltungen mit den »Stars« der Bewechristels wsf-witz rer Vielfalt und Breite, mit all ihren untergung zugunsten kleinerer Workshops mit Kommt ein schiedlichen Themenbereichen und Anlieintensivem Austausch zurückzufahren, hat gen begegnen und austauschen können. Jesich als klug erwiesen. Globalisierungsgegner… der Versuch, Ergebnisse im Sinn politischer Die Forderung nach Einhaltung der Alle WSF-Delegierten in Mumbai erhielten Erklärungen oder eines einheitlichen AkMenschenrechte, zentrales Thema sowohl große Karten, auf die sie ihren Namen, ihre tionsprogramms zu erzielen, widersprechen bei den Demonstrationen auf dem Gelände Organisation sowie das Herkunftsland eindem eigentlichen Anliegen und könnten auf als auch bei den Diskussionen der bereits trugen. Ein deutscher Vertreter von Attac Dauer zerstörerisch wirken. Geht es doch in genannten Themen, kann zu einer gemeinhatte also seinen Namen und des weiteren erster Linie darum, für die eigenen Ziele samen Wertebasis und verbindenden Klam»Attac Germany« auf der Karte notiert. Auf dem WSF-Gelände wurde er von einem InUnterstützung zu finden, sich gegenseitig mer für Gewerkschaften, soziale Bewegunder angesprochen: »Excuse me, I have one durch Informationen zu bereichern und gegen und NGOs werden. ∏ question: Why do you want to attac Germeinsame Handlungsstränge immer wieChristel Faber ist beim Hauptvorstand der GEW Referenmany?« ∏ der neu zu definieren. Netzwerke zeichnen tin für Jugend und Internationales. O 4 soli aktuell 03.04 thema Neinneinnein – Ja! Mit einer Ausbildungsumlage lassen sich keine zusätzlichen betrieblichen Ausbildungsplätze schaffen. Quatsch! Nur noch 23 Prozent der 2,1 Millionen Betriebe in der Bundesrepublik Deutschland bilden aus. Dabei sind 56 Prozent zur Berufsausbildung berechtigt. Demnach könnten fast 700.000 Betriebe zusätzlich ausbilden. Die Ausbildungsumlage sorgt dafür, dass der Anreiz auszubilden steigt. Viele Betriebe werden es sich überlegen, ob es nicht besser ist, das Geld für die Umlage lieber in die eigene Ausbildung zu stecken. Wer aber lieber zahlen will, trägt immerhin dazu bei, dass dadurch neue Ausbildungsplätze in anderen Betrieben gefördert werden. Die Ausbildungsumlage führt nur dazu, dass sich die Betriebe von ihrer Ausbildungspflicht freikaufen. Unfug! Warum sollte ein Arbeitgeber, der bisher freiwillig ausbildet, wegen der Umlage etwas daran ändern? Wer ausbildet, bleibt von der Umlage verschont. Wer sich vor den Kosten der Ausbildung drückt, muss zahlen. Das befürworten auch die meisten (ausbildenden) Arbeitgeber: Laut einer Umfrage des arbeitgebereigenen deutschen Instituts für Wirtschaft (IW) sprachen sich 57,9 Prozent der ausbildenden Betriebe für eine Ausbildungsumlage aus. zahlen zur ausbildung Quelle Zahl Beschreibung BIBB für 2003 DGB Destatis für 2001 BIBB für 2001 Destatis für 2001 BIBB 603.000 678.375 1.684.669 14,66 Mrd. ¤ 904,14 Mrd. ¤ 8.705,- BIBB DGB 5,5% 7% Ausbildungssuchende 2003 Notwendiges Ausbildungsangebot (112.5%) Gesamtzahl Auszubildende 2001 Netto-Ausbildungskosten Brutto-Lohnsumme durchschnittliche Netto-Ausbildungskosten pro Person (für die gesamte Ausbildung), also Bruttokosten abzgl. der Wertschöpfung pro Azubi. betriebliche Ausbildungsquote 2003 derzeit nötige Untergrenze der betrieblichen Ausbildungsquote (Ziel) Eine Umlagefinanzierung führt zu einer neuen Mammutbehörde. Stimmt nicht! Der DGB schlägt vor, auf bestehende Strukturen wie die Berufsgenossenschaften oder das Bundesverwaltungsamt zurückzugreifen. Eine neue Behörde ist deshalb nicht nötig. Das Bildungsministerium geht davon aus, dass mit der Umlage nicht mehr als 150 Menschen befasst wären. Die Ausbildungsumlage zerstört die duale Berufsausbildung. Quark mit Soße! Durch die Umlage soll ja gerade der Trend aufgehalten werden, dass immer weniger junge Menschen einen betrieblichen Ausbildungsplatz erhalten. Nur noch 47 Prozent finden Zugang zum dualen System. Die Umlage wird dafür sorgen, mehr Ausbildungsplätze in den Betrieben zu schaffen. Betriebe werden unzumutbar belastet. umlagevorbilder Im Baugewerbe In Frankreich und Dänemark Grundlage für die Finanzierung der Berufsausbildung im deutschen Baugewerbe ist der »Tarifvertrag über die Berufsbildung im Baugewerbe (BBTV)« in der Fassung vom 19. April 2000. Dieser Tarifvertrag trat erstmals im Jahre 1976 in Kraft. Zielsetzung: die Sicherung des Nachwuchses der Bauwirtschaft. Einerseits sollten die Betriebe eine ausreichende Anzahl von Ausbildungsplätzen bereitstellen, andererseits die Ausbildung so qualifiziert wie möglich sein. Alle erfassten Arbeitgeber haben für die tarifvertraglich festgelegte Erstattung von Kosten der Berufsausbildung als Beitrag einen Gesamtbetrag von 1,2% der Summe der Bruttolöhne aller gewerblichen Arbeitnehmer des Betriebes (Bruttolohnsumme) an die Einzugsstelle abzuführen. Die Sozialkassen des Baugewerbes erstatten dem ausbildenden Arbeitgeber teilweise die tariflichen Ausbildungsvergütungen. Für die vom Arbeitgeber zu leistenden Sozialaufwendungen werden 16% erstattet. In Frankreich sind die Betriebe verpflichtet, 1,5% ihrer Bruttolohn- und Gehaltssumme für eigene Berufsbildungsmaßnahmen nachzuweisen bzw. an Fonds zu überweisen. Hinzu kommt das Geld aus der »Lehrlingssteuer« und eine Umlage für Weiterbildung. Die positive Gesamtwirkung der Umlagefinanzierung in Frankreich ist auch von den Arbeitgebern unbestritten. Anders als beim französischen Modell ist die dänische Umlagefinanzierung AER nur auf die Berufsausbildung bezogen. Dabei werden festgelegte Ausbildungsabschnitte aus Beiträgen der Unternehmen und staatlichen Zuschüssen finanziert. Die Unternehmen entrichten immerhin pro Beschäftigten derzeit rund 400 DKK jährlich, was zu einem Fondsvolumen von knapp 3 Mrd. DKK führt. Auch in Dänemark funktioniert die Umlagefinanzierung bereits 25 Jahre lang, ohne jemals ernsthaft in Frage gestellt worden zu sein. ∏ Quelle: DGB-Jugend Die häufigsten Einwände gegen die Umlage – und die Argumente des DGB. Denkste! Ausbildung hat für die Betriebe zahlreiche Vorteile. Die Auszubildenden bringen bereits während der Ausbildung Erträge und müssen danach nicht erst lange eingearbeitet werden. Betriebe, denen es nachweislich so schlecht geht, dass sie die Umlage nicht bezahlen können, sollten davon befreit werden. Das Gleiche gilt für Betriebe mit weniger als fünf Mitarbeitern und für Existenzgründer. Viele Betriebe können gar nicht ausbilden oder bekommen keine geeigneten Bewerberinnen und Bewerber. Von wegen! Die Zahl der Betriebe, die ausbilden können aber nicht wollen, liegt bei rund 700.000. Es gibt also noch Kapazitäten für Ausbildungsplätze. Außerdem ist es nicht ungerecht, dass Betriebe, die nicht ausbilden können, zahlen. Schließlich profitieren sie davon, dass andere Betriebe diejenigen Mitarbeiter ausgebildet haben, die sie nun brauchen. Die Behauptung, es gäbe nicht genug geeignete Bewerber, ist häufig vorgeschoben. Die Auswahl unter den Bewerbern war selten so hoch wie zur Zeit. 1992 konnten 100 Anbieter von Ausbildungsplätzen unter 108 Schulabgängern auswählen. Im Jahr 2002 unter 158. Der Nutzen einer Ausbildungsumlage steht in keinem Verhältnis zum Aufwand. Träum weiter! Die Bundesagentur für Arbeit spricht von 35.000 Menschen, die im Herbst 2003 keinen Ausbildungsplatz hatten. In Wirklichkeit lag der Bedarf an zusätzlichen betrieblichen Ausbildungsplätzen bei 200.000. Die Differenz kommt dadurch zustande, dass die Bundesagentur nicht diejenigen mitzählt, die sich mit »Ersatzmaßnahmen« abgefunden oder ihre Suche gleich ganz aufgegeben haben. Insgesamt haben etwa 600.000 junge Menschen im Alter von 20 bis 25 Jahren keinen Berufsabschluss. Vor diesem Hintergrund scheint kein Aufwand zu groß, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen. ∏ Weitere Fakten: www.dgb-jugend.de 03.04 soli aktuell 5 jav-ratgeber Arbeitgeberüberwachung Eine der Hauptaufgaben der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV): die Einhaltung sämtlicher Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen zu überwachen, die zu Gunsten der Azubis und minderjährigen Beschäftigten gelten. s versteht sich von selbst, dass die JAV die Überwachungspflicht (vgl. § 70 Abs. 1 Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz, BetrVG) nur dann wirksam erfüllen kann, wenn ihr zumindest die Gesetzestexte und die entsprechenden Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien bzw. Betriebspartner vorliegen. Dem Gesetzgeber sei Dank – man braucht nun nicht seine Ausbildungsvergütung bzw. sein Gehalt für entsprechende Materialien zu opfern. Entsprechend der Regelungen für Betriebsräte muss der Arbeitgeber sämtliche für die Amtsausübung der JAV erforderlichen Materialien zur Verfügung stellen (§ 65 i. V. m. § 40 BetrVG). Aufgrund seiner Funktion als Hilfsorgan des Betriebsrats kann sich die JAV allerdings rein rechtlich nicht direkt an die Arbeitgeberseite wenden, um die Anschaffung bestimmter Sachmittel zu verlangen. Vielmehr muss auch hier der Betriebsrat einen rechtswirksamen Beschluss fassen, in dem die Kostenübernahme für bestimmte JAV-Sachmittel eingefordert wird. Bei dieser Abstimmung steht der kompletten JAV ein Stimmrecht zu. Für den Fall, dass die Sachmittel tatsächlich für die Arbeit der JAV erforderlich sind, steht dem Betriebsrat kein großer Entscheidungsspielraum zu. Die JAV-Mitglieder können verlangen, dass ihr der Betriebsrat die zur Aufgabendurchführung erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellt (§ 70 Abs. 2 Satz 2 BetrVG). E auslegen ist auslegungssache § 77, Absatz 2, Betriebsverfassungsgesetz Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. (…) Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen. ∏ 6 soli aktuell 03.04 Aushangpflichten vom Arbeitgeber eingehalten werden. Vorher sollte man allerdings wissen, was mit dem Begriff »aushangpflichtige Gesetze« gemeint ist: So unterscheidet der Gesetzgeber zwischen »aushängen« und »an geeigneter Stelle auslegen«. Eine Beschränkung auf das »an geeigneter Stelle auslegen« besteht z.B. bei allen geltenden Betriebsvereinbarungen (vgl. § 77 Abs. 2 BetrVG) und allen einschlägigen Tarifverträgen, die im Betrieb gelten. »Auslegung« heißt hier, dass der Arbeitgeber seiner Verpflichtung dann wirksam nachkommt, wenn er die aktuelle Fassung der Tarifverträge z.B. in der Personalabteilung vorhält und ArbeitEtwas einfacher haben es die Der JAV-Ratgeber. nehmern bei Anfrage zur EinJugendvertreter mit Gesetzes- Mit Wolf-Dieter Rudolph sicht bereit steht. texten. Hier sollten sie den Betriebsrat veranlassen, am besten für jedes Anders wird es in der Praxis gehandhabt, JAV-Mitglied die Anschaffung einer aktuelwenn vom Gesetzgeber die Möglichkeit len Ausgabe von arbeitsrechtlichen Gesetzestexten (z. B. Kittner, Arbeits- und Sozial- eines »Aushängens« eingeräumt wird. Hier hängen die Arbeitgeber entsprechende ordnung, Bund-Verlag) zu beschließen. Der Textsammlungen z.B. an das schwarze Betriebsrat sollte darauf hingewiesen werBrett oder an Mitteilungstafeln in der Kanden, dass nach der Rechtsprechung des tine. Bundesarbeitsgerichts (BAG) jedem einzelNur selten tun es sich Personalleute an, nen Betriebsratsmitglied vom Arbeitgeber jedes einzelne Gesetz komplett aus dem eine aktuelle arbeitsrechtliche GesetzesBundesgesetzblatt zu kopieren und dann sammlung zur Verfügung zu stellen ist (vgl. auszuhängen. Entsprechende GesetzesBAG, Beschluss v. 24. Januar 1996 – Az.: 7 sammlungen der aushangpflichtigen GeABR 22/95). Betriebsräte sollten also bei ihsetze werden von Verlagen komplett anrer jeweiligen Bestellung auch immer gleich geboten. Die Arbeitgeberseite ist veran die Bedürfnisse der JAV denken. pflichtet, diese »Sammlung« immer auf Während nun die JAV-Mitglieder die dem aktuellen Stand der Gesetzgebung zu Texte der entsprechenden Vorschriften erhalten. halten und auch einen Anspruch darauf haZu den wichtigsten im Betrieb zu veröfben, dass erläuternde Literatur zur Verfüfentlichenden Gesetzen zählen: gung gestellt wird bzw. die oft schwammi∂ Arbeitszeitgesetz gen Vorgaben des Gesetzgebers im Rah∂ Jugendarbeitsschutzgesetz men von Schulungen oder Beratungen er∂ Mutterschutzgesetz läutert werden, können die nicht der JAV an∂ Unfallverhütungsvorschriften. gehörenden Azubis diese Möglichkeiten nicht wahrnehmen. Es ist Angelegenheit von JAV und Betriebsrat, entsprechende InHäufig vergessen wird, dass auch das so formationen weiterzugeben. genannte Beschäftigtenschutzgesetz und Aber auch der einzelne Arbeitnehmer die sich aus dem BGB ergebenden Gleichoder Azubi hängt nicht völlig in der Luft – berechtigungsvorschriften (letztere in Beder Gesetzgeber hat den Arbeitgeber zum trieben mit mehr als fünf Arbeitnehmern) Bekanntmachen bestimmter gesetzlicher zu den aushangpflichtigen Gesetzen zählen. Vorschriften innerhalb des Betriebs verErgibt die Recherche der JAV bzw. des pflichtet. Durch die bestehenden AushangBetriebsrats, dass die Aushangpflicht nicht pflichten soll die Unterrichtung aller Arbeachtet wurde oder seit Jahren vernachbeitnehmer gewährleistet werden, vor allässigt wurde, sollte die Arbeitgeberseite lem derjenigen, die zur Unterstützung keidarauf hingewiesen werden, dass eine Vernen Betriebsrat haben. letzung dieser Pflichten bei einer Kontrolle Es empfiehlt sich von daher, im eigenen durch die Aufsichtsbehörden Bußgelder Betrieb einmal nachzuforschen, ob die nach sich ziehen wird. ∏ Aufgrund dieser Bestimmung kann man – und das sollte auch für Betriebsräte eine Selbstverständlichkeit sein – zumindest eine Kopie der Betriebsvereinbarungen verlangen, die irgendwie Azubis und Jungarbeiter betreffen. Auch die für die JAV-Arbeit interessanten Tarifverträge sind – soweit im Betriebsratsbüro vorhanden – zur Verfügung zu stellen. Befinden sich im Betriebsratsbüro keine Tarifverträge bzw. ist die Sammlung der Tarifverträge nicht vollständig, so sollte sich die JAV am besten direkt mit der zuständigen Gewerkschaft in Verbindung setzen und um Übersendung der Tarifvertragstexte bitten. landesbezirke + gewerkschaften Metall-Kompromiss Arbeitskampf nützt: Die IG Metall hat neue Tarife ausgehandelt. Ein Kommentar von Michael Faißt ie Forderung der Arbeitgeber nach der unbezahlten Verlängerung der Arbeitszeit konnte abgewehrt werden. Es wurden zwar Regelungen zur flexibleren Gestaltung der Arbeitszeit getroffen. So kann z.B. in Betrieben, in denen mehr als 50 Prozent Ingenieure oder andere hochbezahlte Spezialisten arbeiten, die Arbeitszeit für die Hälfte der Belegschaft auf bis zu 40 Stunden erhöht werden – aber diese Stunden müssen natürlich voll bezahlt werden! Diese Regelung wird wohl vor allem im Forschungs- und Entwicklungsbereich greifen. Darüber hinaus wurde eine Regelung zur Beschäftigungsförderung entwickelt. Wenn in einem Betrieb zusätzliches Arbeitsvolumen dauerhaft notwendig ist, muss über Neueinstellungen geredet werden. Wenn Neueinstellungen vereinbart wurden, kann die Arbeitszeit zur Überbrückung im Rahmen von Flexi-Konten auf bis zu 40 Stunden hochgefahren werden. Allerdings höchstens sechs Monate lang. Auch diese Stunden müssen voll bezahlt werden. Für die breite Masse der Beschäftigten bleibt die 35-Stunden-Woche also bindend. Mit dem Verhandlungsergebnis ist es gelungen, eine akzeptable Steigerung der Ausbildungsvergütungen und Entgelte D durchzusetzen. Die Ausbildungsvergütungen wurden am 1. März 2004 im Volumen um 2,2 Prozent und werden ab März 2005 um 2,7 Prozent erhöht. Wir hätten gerne ein höheres Ergebnis bei den Verdiensten erreicht und auch die Laufzeit entspricht nicht den Vorstellungen der IG Metall. Aber bei einem Kompromiss muss man eben auf beiden Seiten Zuge- ständnisse machen. Alles in allem kann sich der Abschluss aber sehen lassen. Es ist gelungen, dieses Ergebnis auch in den neuen Bundesländern durchzusetzen. Es hätte auf keinen Fall zu einer weiteren Abkopplung kommen dürfen. Michael Faißt ist Bundesjugendsekretär der IG Metall. jetzt neu: Die neuen Ausbildungsbroschüren der DGB-Jugend sind da. Sie können jetzt auf der Internetseite www.dgb-jugend.de, Stichwort »Broschüren«, bestellt werden. dgb-jugendbildungszentrum Bildungsarbeit Anfang Februar – die Delegation aus Israel war da: Die Besucher weilten zur Oberurseler Fachtagung über die aktuelle politischen Situation in Nahost und die Situation des israelischen Gewerkschaftsbundes Histradut und ihres Jugendverbandes Ha Noar Ha Oved. Die Fachtagung fand in Zusammenarbeit mit der Abteilung Jugend beim DGB-Bundesvorstand statt. Offen- Diskussionsfreudig: Yoram Barkovetz vom israelischen Jugendverband Ha Noar Ha Oved sichtlich nicht zum Grausen der Beteiligten – manchen reichte schon die S-Bahn, um sich zu amüsieren. Erwähnenswert: Deutsche Teilnehmerinnen wie z.B. Mirjam Muhs vom DGB-Bundesvorstand waren dem Hörensagen nach angenehm überrascht über die Offenheit bzw. Direktheit der Delegierten in spontan entstandenen spannenden Diskussionen zu Alltagsthemen (u.a.: Sexualität). Und hier das weitere Programm des Bildungszentrums der DGB-Jugend in Oberursel: Exotik und Alltag in Polen Gemeinsam mit polnischen Jugendlichen sollen Gemeinsamkeiten und Besonderheiten der polnischen und deutschen Kultur entdeckt werden. Der erste Teil des Seminars findet in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte Mikuszewo bei Poznan statt. Termin: 21. bis 27. März 2004 Jugend und Jugendpolitik im neuen Russland Während eines Aufenthalts in Moskau und Jaroslawl, der Partnerstadt des Landes Hessen, wird über den Stand der Demokratisierung und der wirtschaftlichen Entwicklung in Russland informiert. In Jaroslawl warten Vertreter von Jugendverbänden, um sich über Jugendpolitik, Jugendalltag und Möglichkeiten einer konkreten deutsch-russischen Zusammenarbeit auszutauschen und Partnerschaftskontakte aufzubauen. Termin: 27. März 2004 bis 3. April 2004 Tagung mit Partnerregionen Hessen Dieses Seminar wird für Fachkräfte der Jugendarbeit angeboten, die sich über die Themen Jugendpolitik, Jugendbeschäftigung und Ausbildung in Polen (Wielkopolska), Italien (Emilia Romana) und Frankreich (Aquitaine) austauschen wollen. Neben der Diskussion werden in thematischen Workshops Erfahrungen ausgetauscht und Informationen vermittelt, Förderprogramme vorgestellt und Anregungen für die internationale Jugendarbeit gegeben. Termin: 21. April 2004 bis 25.April 2004 Infos: Haus der Gewerkschaftsjugend, Königsteiner Straße 29, 61440 Oberursel, Tel.: 06171 / 59 03 0, E-mail: [email protected] 03.04 soli aktuell 7 tipps + termine Absender: DGB-Bundesvorstand, Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin w e b -t i p p d e s m o n at s Jugendbearbeitung: Im Umgang mit Jugendlichen kann man so viele Fehler machen, dass man vorher das ein oder andere Buch zum Thema gelesen haben sollte. Elke von der Haar hat es geschrieben – die Leiterin des Forschungsprojekts Jugendberatung in Berlin weiß alles über Jugendbelange vom Arbeitsschutz über Homosexualität bis zum Wohngeld. + A 8895 Von Amts wegen: »Die soziale Lage in der Europäischen Union 2003. Umfassender Überblick über die demografischen und sozialen Bedingungen des Staatengebildes. + Elke von der Haar: Jugendberatung. Leitfaden für die Praxis der Jugendberatung, Ausbildung und Schule. Luchterhand, München 2004, 278 S., 16 Euro Freizeit: Der Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben hat sein Jugendprogramm 2004 vorgelegt. Die ca. 100 Seminare und Projekte politischer Jugendbildung wenden sich insbesondere an junge ArbeitnehmerInnen, Auszubildende und arbeitslose Jugendliche im Alter bis zu 26 Jahren. Schwerpunkte: Arbeit, Ökologie, Geschlechterrollen, Medien, Toleranz und Zivilcourage, Gesellschaft, Internationales und Fortbildungen. Handbuch: Durch das Betriebsverfassungsreformgesetz von 2001 hat das Ziel der Gleichstellung von Männern und Frauen in der Privatwirtschaft an Bedeutung gewonnen. Dem Betriebsrat fällt die Aufgabe zu, die Umsetzung dieser Forderung voranzutreiben und Lösungsvorschläge anzubieten. Das Handbuch von »Einblick«-Redakteurin Anne Graef und Ex-Soli aktuellChefin Dorothee Beck zeigt hierzu praxisnahe Möglichkeiten auf. Zu bestellen bei: Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben, Hans-Böckler-Str. 39, 40476 Düsseldorf, Tel.: 0211 / 43 01 150, Fax: 0211 / 43 01 103, E-mail: bildung@ arbeitundleben.de Dorothee Beck, Anne Graef: ChancenGleich. Handbuch für eine gute betriebliche Praxis, inkl. CD-ROM. Bund-Verlag, Frankfurt/M. 2003, 185 S., 19,90 Euro Zu Soli aktuell 2-04, Ankündigung der Broschüre »Ausbildung, schwanger – und jetzt«: Dieses Heft ist nicht bei Daniela Linke zu bestellen, die obendrein gar nicht allein erziehende Mutter ist (»Kannste doch nich schreiben, jetzt wo icke eenen jefunden hab.«) Die Broschüre ist ausschließlich als pdf-Format im Download erhältlich. Wir bedauern den Fehler. Kopftuch hin, Kopftuch her: Viele muslimisch geprägte Staaten unterscheiden sich erheblich – in wirtschaftlicher und politischer Lage, in den Rechten, die Arbeitnehmende haben und in ihrer religiösen oder säkularen Ausrichtung. Die Handreichung »Islam und Arbeitswelt. Muslimische Arbeitnehmende in der Arbeitswelt – muslimische Organisationen« von »Migration online« bietet Sachinformationen zu 35 Staaten, die mehrheitlich muslimisch geprägt sind. Im Mittelpunkt einer zweiten Handreichung stehen Informationen zu den Glaubensrichtungen und Glaubensinhalten des Islam. Die Situation von muslimischen Arbeitnehmenden auf dem deutschen Arbeitsmarkt wird in einem abschließenden Kapitel vorgestellt. Dabei geht es gleichermaßen um Möglichkeiten der Religionsausübung als auch um Fragen von Gleichbehandlung und Antidiskriminierung. www.dgb-jugend.de, Stichwort »Broschüren« Infos: www.migration-online.de ko r r e k t u r + + http://europa.eu.int/comm/ employment_social/index2_de.htm + impressum Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Verantwortlich für den Inhalt: Ingrid Sehrbrock Herausgeber: DGB-Bundesvorstand, Abt. Jugend, Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin, Tel.: 030 / 240 60 172, Fax: -409 E-mail: [email protected] Internet: www.dgb-jugend.de Druck: toennes druck+medien gmbh, Erkrath Redaktion: Jürgen Kiontke Grafik: Heiko von Schrenk Aboverwaltung: Daniela Linke, Tel.: 030 / 240 60 166, E-mail: [email protected] Gefördert aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans des Bundes (BMFSFJ) Alle Anbieter von Beiträgen, Fotos und Illustrationen stimmen der Nutzung im Internet zu. Abo-Coupon soli aktuell ausschneiden und im Fensterumschlag an die untenstehende Anschrift schicken. ∂ An den DGB-Bundesvorstand, Abt. Jugend Soli aktuell Henriette-Herz-Platz 2 10178 Berlin 8 soli aktuell 03.04 Ich möchte monatlich ____ Exemplar(e) bestellen. vorname name organisation funktion straße nummer plz ort unterschrift