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inhalt
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kurz + bündig
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Internationaler Arbeitskampf
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Stichwort: „20-J”: Beim spanischen
Generalstreik kämpften die
Gewerkschaften für Jugendliche und
Arbeitslose
jav-ratgeber extra
So wird’s gemacht: Das neue
Wahlverfahren für die JAV
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landesbezirke + gewerkschaften
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Streik am Bau: Her mit den schönen
Wellen. Interview mit Carsten
Burckhardt, Bundesjugendsekretär der
IG BAU
•
NGG: Arbeitsbedingungen im
Vergnügungspark – Vom Traum zum
Alptraum?
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ILO: Zahnloser Tiger? Das Forum Eine
Welt informierte in Berlin über
Verletzungen von
Arbeitnehmerrechten weltweit
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tipps + termine
■ Im Internet
für junge Menschen – Erste Infos zur
„Beschäftigungsbrücke Ost“, die über
die Jugendarbeitslosigkeit führen soll.
Baubeginn: 1. Juli
Kostet die normalen Telefongebühren.
FAX abruf
0211/43 01-161
Zusätzliche Chancen am Arbeitsmarkt
•
■ Faxabruf-Service
•
Der Zukunftsreport der IG Metall
www.igmetall.de/themen/zukunft/
werkstatt/zukunftsreport/index.html
15.07.2002
Antwort
auf Pisa?!
RALF WOELK, LANDESJUGENDSEKRETÄR DES
DGB, ÜBER STUDIENGEBÜHREN IN NRW
Als die Ergebnisse der europaweiten Bildungsvergleichstudie Pisa bekannt wurden, war der Aufschrei in Deutschland groß: Landauf, landab wurde engagiert
über Konsequenzen debattiert.
Und jetzt? Kaum hat sich der Sturm der Entrüstung über die Ergebnisse der
Pisa-Studie gelegt, gewinnen erneut die Finanzpolitiker Oberwasser in der bildungspolitischen Diskussion.
Die Geschichte ist simpel: Im Land Nordrhein-Westfalen taucht bei der Etatplanung ein finanzielles Loch von rund 1,4 Milliarden Euro auf. Um es zu
schließen, schlägt der Finanzminister(!) die Einführung von Studiengebühren
von 50 Euro pro Semester vor. LangzeitstudentInnen wird gar eine Gebühr von
650 Euro angedroht. Erhoffte Einnahme: knapp 140 Millionen Euro. Natürlich ist
nicht vorgesehen, diese Einnahmen den bedürftigen Universitäten zur Verfügung
zu stellen.
Historisch interessierten Menschen wird dabei der Wahlkampf der britischen
Labour Party einfallen, als sie daran ging, Margaret Thatcher abzulösen: „Bildung, Bildung, Bildung“ hieß das Wahlkampfmotto. Als erstes führte der siegreiche Tony Blair Studiengebühren ein. Es ist sicherlich Zufall, dass in beiden Fällen
Sozialdemokraten die handelnden Personen waren.
Es ist nicht die Höhe der Gebühren für „Normalstudierende“. 50 Euro pro
Semester – das sind maximal zehn Stunden Mehrarbeit im Nebenjob. Das ist einem Studi doch zuzumuten, oder? Aber die Gefahr – das sieht man auch beim
Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (www.abs-nrw.de) so –, ist, dass diese
Gebühren steigen, wenn erst einmal die Einführung von Studiengebühren akzeptiert worden ist.
Nicht zuletzt die Ergebnisse der Pisa-Studie haben gezeigt, dass das deutsche Bildungssystem soziale Auslese strukturell eher fördert denn beseitigt. Immer noch gehört der Anteil von Kindern aus Arbeiterfamilien an Gymnasien und
Universitäten eher zur Ausnahme denn zur Regel. Gleichzeitig hat uns der Europavergleich gezeigt, dass wir in das deutsche Bildungssystem bereits das meiste
Geld investieren – bei anscheinend geringem Output.
Würden wir uns daher konsequent weiter mit den Pisa-Ergebnissen auseinander setzen, kämen wir zu dem Ergebnis, dass strukturelle Veränderungen in der
Bildungspolitik zu einem effizienteren System führen können – Beispiel: die Aufhebung des teuren dreigliederigen, in NRW viergliederigen Schulsystems, das
europaweit einzigartig ist. Die Studiengebühren könnten wir uns dann sparen.
Nachdem es im Parteivorstand der NRW-SPD noch eine Mehrheit für die Gebühren gab, scheitert das Vorhaben nun wohl am Veto des Parteirates, der sich
sozialdemokratischer Grundprinzipien besann und Bildung weiterhin kostenlos
anbieten möchte. Vom Tisch sind vorerst die Gebühren für das Erststudium.
Nach wie vor geplant ist jedoch die Erhebung für
das Zweitstudium, für LangzeitstudentInnen und
GasthörerInnen. Auch für die 2. Ausbildung! Hier
ist in der Tat der 2. Bildungsweg angegriffen. So
folgt dem Widerstand also bestenfalls ein Teilerfolg
– langfristig werden auch die StudentInnen an den
Kosten ihrer Ausbildung beteiligt werden.
„Deine Stimme für soziale Gerechtigkeit“ –
den Wahl-Slogan hatte ich irgendwie anders verstanden, sorry. ■
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NEWSLETTER DER DGB-JUGEND
·aktuell·
A 8895
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FRISTLOS
DEPRESSION
Fiese SMS
Psycho-Kids
Finger weg: Das Landesarbeitsge-
Alarm! Psychische Erkrankungen
richt Rheinland-Pfalz hat die fristlo-
bei jungen Menschen nehmen laut
se Kündigung eines Maschinenfüh-
Krankenkasse DAK dramatisch zu.
rers bestätigt, der einer Auszubil-
Von 1997 bis 2001 habe sich die
denden eine Sex-SMS geschickt
Zahl der Krankheitstage junger Be-
hatte. Nach diesem Urteil müssen
schäftigter aufgrund psychischer
Ab in die Bundesliga: Nato-Ge-
Arbeitnehmer bei sexueller Belästi-
Probleme (Depressionen u.a.) um
neralsekretär George Robert-
gung Auszubildender generell mit
51% erhöht! Besonders stark zeige
son hat sich für eine Abschaf-
einer Entlassung rechnen, egal wie
sich dieser Trend bei den jungen
fung der Wehrpflicht in Europa
lange sie schon in der Firma be-
Kassen-Mitgliedern zwischen 15
ausgesprochen. Der Nato-
schäftigt waren. (Az: 9 Sa 853/01)
und 29 Jahren.
N A T O- KR I E G E
Berufsfrieden
Mann: „Die Professionalisierung ist der einzige Weg, eine
hochmobile Truppe zu schaffen.
Ich sehe keine Zukunft für Wehrpflichtigen-Armeen mehr“, sagte
NRW
Misstrau-Kids
Robertson.
Klingt schlecht: Jugendliche in Nordrhein-Westfalen stehen nach einer veröffentlichten Studie des Düsseldorfer Jugendministeriums der Politik miss-
O R I E N T I E R U N G S-
trauisch gegenüber. Wenn die heranwachsende Generation Politik mit Ver-
STUFE
sagen gleichsetze, sei das kein gutes Zeichen für die Demokratie, meint Lan-
Soft Skills
desministerin Birgit Fischer (SPD). Junge Menschen an Rhein und Ruhr
suchten nach Stabilität und Verlässlichkeit, hieß es in der Ausweitung der
von der Universität Siegen durchgeführten Untersuchung weiter.
Die Zahl der Plätze im Programm
Die Zehn- bis 18-Jährigen wollten eine Familie gründen und wünschten
„Freiwilliges Soziales Trainings-
sich ein eigenes Haus sowie ein regelmäßiges Einkommen. Nicht die Ausein-
jahr“ wird auf 2000 verdoppelt.
andersetzung mit der Elterngeneration sei das Thema der jungen Menschen,
Das Orientierungsjahr soll sozial
sondern die pragmatische und ideologiefreie Lösung von Alltagsproblemen.
benachteiligten Jugendlichen mit
Ein weiteres Ergebnis der Studie sei, dass sich die junge Generation mangels
geringen Chancen auf dem Ausbil-
Vertrauen in Erwachsene und Politik stärker auf die eigene Kraft verlasse. So sei-
dungs- und Arbeitsmarkt eine Pers-
en Jugendliche offen für Angebote und Aktivitäten aller Art, da sie ihnen in der
pektive bieten. Sie lernen in Projek-
Zukunft beim Übergang von der Schule in den Beruf nützlich sein könnten.
Die Agentur
Stocksauer ist man derzeit bei der
Bundesanstalt für Arbeit (BA): Nicht
nur, dass deren Chef Florian Gerster
im Vier-Sterne-Hotel wohnen soll,
weil ihm die Dienstvilla zu schrullig
ist, und zwei neue Dienstwagen angeschafft worden sein sollen, weil
der Mann ungern BMW fährt, wie
man dort kolportiert – nein, jetzt
wird auch klar, was seine Ankündigung bedeutet, die BA solle in eine
„Agentur“ umgewandelt werden.
Ausgerechnet die Soft-Sex-Postille
„Coupé“ („Mach den Sex-Check“)
präsentiert in Zusammenarbeit mit
den Landesarbeitsämtern „Die besten freien Ausbildungsplätze und Arbeitsstellen!“
Besonders reizvoll in der aktuellen Nummer: die Seiten 102/103.
Rechts klären uns Kabinettsarbeitgeber Gerhard Schröder und KanzlerAzubi Guido Westerwelle darüber
auf, was sie bisher für arbeitslose Jugendliche tun bzw. tun wollen (Westerwelle: „Gemeinsam können wir es
schaffen“), auf der linken Seite stehen dann wie zufällig eine Menge
Telefonnummern, wo man sich vertrauensvoll hinwenden kann: „Blonde Girls warten auf deinen Anruf!“,
„Allein und verdorben“, „Ich stöhne,
wenn du kommst“, erklären uns die
heißen Girls, die offensichtlich schon
einen Ausbildungsplatz in einer
„Agentur“ erwischt haben. Ein
Stückchen weiter gibt’s dann auch
noch ein paar andere Lehrstellenangebote. Im Intranet der BA, so ein
BA-Mitarbeiter, gebe es eine Dienstinformation zum Thema – Tenor:
„Der Zugriff auf die Internetseiten
der o.g. Illustrierten ist aus fachlicher
Sicht nicht erforderlich.“
Ach, echt? Wieso eigentlich
nicht? Und warum kooperiert das Arbeitsamt zwar mit dem Heft, aber
nicht im Internet? Man stelle sich
vor: Die Seiten des Arbeitsamtes gesponsert von „Coupé“. Oder vom Telefonsexcenter. Was da eine Kohle
reinkäme… Oder das Arbeitsamt
legt schnell selbst ein paar 0190Nummern (3,63 Euro/Minute) – zur
Rettung der Sozialversicherung. Und
mal ehrlich gesagt: Wenn uns die Foto-Models von „Coupé“ wie Corina
(„Intimrasur ist ein absolutes Muss“)
die paar Azubi-Angebote aus dem
Stelleninformationsdienst präsentieren, sind die weg wie warme Semmeln. Laut „Coupé“ soll es 230.000
„offene Stellen“ geben. Aber ob damit wirklich Arbeitsplätze gemeint
waren?
kurz + bündig
ten wichtige Verhaltensweisen wie
Guten-Tag-Sagen, Zähne putzen –
pardon: Pünktlichkeit und Teamfähigkeit, wie’s offiziell heißt.
BITTE
OHNE
…
… Kanone
ZAHLENSALAT
Müssen Frauen klauen?
Womöglich ja: Frauen haben in den vergangenen Jahren bei Qualifikation
und Bildung deutlich aufgeholt. Dennoch verdienen sie immer noch weniger
als ihre männlichen Kollegen, obwohl der Grundsatz des gleichen Entgelts
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bei gleichwertiger Arbeit seit langem rechtlich verankert ist. Zu den Ursa-
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Seid gefälligst lieb: Als Lehre aus
chen zähle auch die unterschiedliche Bewertung der Tätigkeiten von Män-
dem Amoklauf von Erfurt sollten El-
nern und Frauen, teilt das Familienministerium mit.
tern und Kinder zu Hause eine
In der Ausbildung haben nach Angaben des Ministeriums die Frauen
„Kultur des konstruktiven Strei-
die Männer teilweise sogar überholt. So hätten im Jahr 2000 insgesamt 27%
tens“ aufbauen. Nur dann könnten
der Schülerinnen an allgemein bildenden Schulen Abitur gemacht, aber nur
Jugendliche frühzeitig lernen, wie
21% der Schüler. Junge Frauen im Alter von 20 bis 24 Jahren verdienten mit
sie mit Problemen umzugehen ha-
95% in Westdeutschland und 98% Ostdeutschland annähernd so viel wie
ben, meint der Münchner Erzie-
gleichaltrige Männer.
hungsexperte Wassilios Fthenakis
Insgesamt aber zeigten sich weiterhin Unterschiede in den Einkommen:
in einem Beitrag für das Magazin
So habe 1997 in Westdeutschland eine abhängig beschäftigte Frau im
„Reader’s Digest“. Soli aktuell, das
Durchschnitt knapp 75% des Jahresbruttoeinkommens eines Mannes ver-
Magazin für extrakrasses konstruk-
dient, in Ostdeutschland 94%. Auch bei Führungspositionen gebe es deutli-
tives Streiten, meint: Wär ja wohl
che Differenzen: Im Jahr 2000 hätten in Westdeutschland 20,3% der Männer
auch mal nötig. Sonst gibt’s was
in Führungspositionen gearbeitet, der Anteil war damit nahezu doppelt so
hinter die Löffel!
groß wie bei Frauen (10,5%).
JUGEND
EUROPA
Stichwort: „20-J“
Generalstreik in Spanien: Am 20. Juni kämpften die Gewerkschaften für Jugendliche und Arbeitslose. Von Reiner Wandler
Überreaktion?“ Davon möchte Pilar
Duce nichts hören. Der Generalstreik
der spanischen Gewerkschaften am
20. Juni sei absolut notwendig gewesen. „Die Regierung hat die Arbeitslosengesetzgebung geändert, ohne
mit uns darüber zu verhandeln“, beschwert sich die Jugendsekretärin der
Union General de Trabajadores
(UGT). Die sozialistische Gewerkschaft zeichnet zusammen mit den
kommunistischen Arbeiterkommissionen (CCOO) für den ersten landesweiten Ausstand gegen den seit
sechs Jahren regierenden Konservativen José María Aznar verantwortlich.
Ausgerechnet am Vortag des
EU-Gipfels in Sevilla – der Abschlussveranstaltung der
spanischen EU-Präsidentschaft – legte
der Streik nicht nur
die Fabriken lahm.
Nur wenige Flüge
wurden abgefertigt. Es fuhren kaum Züge und Busse. Die Kneipen blieben geschlossen. Der „20-J“, wie die
Gewerkschaften ihren
Aktionstag tauften,
wird sowohl den angereisten Politikern,
als auch den Tausenden von Gipfel-Berichterstattern in Erinnerung bleiben.
Das neue Gesetz zur Regelung des Arbeitsmarktes sei ohne Debatte im Parlament
per Dekret eingeführt worden, erklärt Pilar
Duce. „Einen Bruch des sozialen Dialogs“ sehen die Gewerkschaften darin. Die Regierung verteidigt die Reformen als „technische
Anpassungen“ an das, was Regierungschef
Aznar selbst im März auf dem EU-Gipfel in
Barcelona als unabdingbar für einen „dynamischen Wirtschaftsraum Europa“ anpries.
Das neue Gesetz weicht die Zumutbarkeitsregelung auf. Künftig gilt jede Beschäftigung, die ein Arbeiter irgendwann einmal
mehr als sechs Monate ausgeübt hat, als Beruf und damit als zumutbar. Wer eine angebotene Arbeit ablehnt, wird für einen Monat
gesperrt. Bei einem weiteren Verstoß sind es
•
IN
internati
drei Monate, und beim dritten Mal ist es ein
halbes Jahr. Beim vierten Mal wird der Arbeitslose ganz aus der Kartei gestrichen.
Auch bei älteren Arbeitnehmern kürzt
die Regierung: Wer künftig in den Vorruhestand geht und eine Abfindung von mehr als
4.600 Euro kassiert, muss auf das Arbeitslosengeld verzichten. Dies belief sich bisher
auf 331 Euro monatlich bis zum 65. Geburtstag. Mit dieser Maßnahme will die Regierung verhindern, dass immer mehr Unternehmen ihre Mitarbeiter mit 52 Jahren in
den Vorruhestand schicken. Zudem lockert
das neue Gesetz den Kündigungsschutz.
Musste ein Unternehmer, der einen fest angestellten Mitarbeiter entließ, bisher im Falle eines Gerichtsverfahrens den Lohn bis
zum Urteil weiterzahlen, so entfällt dies
jetzt. Die Regierung begründet diese Maßnahmen mit „einem zu
großen Andrang auf
die Gerichte, und
außerdem wird dadurch die Entlassung
teurer“.
Am härtesten trifft
das neue Gesetz die
Saisonarbeiter. Wer bisher zum Beispiel im Hotelgewerbe arbeitete
und über Winter regelmäßig vier Monate nach
Hause geschickt wurde,
erhielt in dieser Zeit Arbeitslosengeld. Dies wird
künftig gestrichen. Das
gleiche gilt für Lehrer an Privatschulen, die
über die Sommerferien entlassen werden.
Die Gewerkschaften beschweren sich, dass
die Regierung die Arbeiter bestraft, anstatt
die Unternehmer zu zwingen, den Vertrag
auch über die Zeit der Untätigkeit aufrecht
zu erhalten.
Warum bei den Arbeitslosen gespart
werden soll, will den Gewerkschaften nicht
einleuchten. Schließlich weist die spanische
Arbeitslosenkasse starke Überschüsse auf.
„Die Maßnahmen treffen ganz besonders
junge Arbeitsnehmer“, ist sich Pilar Duce sicher. Noch immer sind 22 Prozent der acht
Millionen jungen Arbeiter unter 30 Jahren
arbeitslos. Das ist doppelt so viel wie beim
Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. 73
Prozent der Jugendlichen haben nur einen
Zeitvertrag. Viele von ihnen sind Saisonarbeiter und kassieren künftig in den Leerlaufzeiten nicht mehr. Und wenn ein Chef auf
die Idee kommt, einen Zeitvertrag vorzeitig
zu kündigen, bleibt jetzt nicht einmal mehr
der Weg zum Gericht. „Die ersten zwölf
Monate Arbeit zusammenzubekommen,
um danach vier Monate Stütze zu beziehen,
wird immer schwerer“, erklärt Pilar Duce.
Wenn Regierungschef Aznar auch nach
dem Generalstreik nicht an den Verhandlungstisch zurückkehrt, sollen die Mobilisierungen weitergehen. ■
GENERALSTREIK
Schwerstes
Geschütz
Es ist nicht das erste Mal, dass Spaniens Gewerkschaften zum äußersten Kampfmittel greifen.
Zum ersten Generalstreik nach Wiedereinführung der Demokratie 1975 riefen die kommunistischen Arbeiterkommissionen (CCOO)
am 20. Juni 1985 im Alleingang. CCOO
demonstrierte damit gegen die Änderung der
Sozialgesetzgebung, die vor allem die Rentner
betraf. Nur drei Jahre später, am 14. Dezember
1988, sah sich der sozialistische Regierungschef
Felipe González erneut einem Generalstreik ausgesetzt. Erstmals machte auch die ihm nahe stehende Gewerkschaft Union General de Trabajadores (UGT) mit. 24 Stunden stand das ganze
Land still. Um Mitternacht hatten Streikende
das Fernsehen abgeschaltet. Am nächsten Tag
erwachte das Land ohne Brot, Zeitungen und
Verkehrsmittel. Alles blieb geschlossen. Gonzalez wollte zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit die Rechte der Jungarbeiter abbauen.
Außerdem sollten die Gehälter der Beamten gesenkt werden.
Am 28. Mai 1992 erzürnte González erneut
die Arbeitnehmer. Spanien stand sechs Stunden
lang still aus Protest gegen die Kürzung des Arbeitslosengeldes. Und am 27. Januar 1994 ging
es gegen eine Arbeitsmarktreform der Sozialisten. Unter anderem wurde die Beschränkung
der täglichen Arbeitszeit aufgehoben, der gesetzlich verankerte Überstundenzuschlag abgeschafft und für Jugendliche zwischen 16 und 25
Jahre ein so genannter Anlernvertrag eingeführt,
der sie von der Arbeitslosenversicherung ausschloss. ■
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internationaler arbeitskampf
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•
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jav-ratgeber extra
JAV:
SO
•
Zusammensetzung
des Wahlvorstandes
aktuell 7.02
’S
GEMACHT
Das neue Wahlverfahren
Es ist wieder soweit: In der Zeit vom
1. Oktober bis 30. November finden
die regelmäßigen Wahlen zu den Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAV) statt. Die Arbeit geht aber
jetzt schon los. Und seit der Reform
der Betriebsverfassung gibt es eine
Menge Neues.
Besonders
in der Pflicht bei
Der JAVder Wahl sind
Ratgeber.
die Betriebsräte:
Mit Wolf-Dieter
Sie müssen späRudolph
testens vier Wochen vor Ablauf
der Amtszeit der amtierenden Jugend- und Auszubildenden-Vertretung einen Wahlvorstand und dessen
Vorsitzenden bestellen. Neu ist dabei:
Kommt der Betriebsrat dieser Pflicht nicht
nach, so kann – falls vorhanden – der Gesamt- bzw. der Konzernbetriebsrat diese Bestellung vornehmen. Bereits bei der Bestellung des Wahlvorstands muss sich der Betriebsrat neuerdings Gedanken machen,
nach welchem Wahlverfahren die JAV-Wahl
durchzuführen ist, da dies Auswirkungen auf
die Zusammensetzung des Wahlvorstandes
hat.
Muss die Wahl nach dem neu geschaffenen
vereinfachten Wahlverfahren durchgeführt
werden, so besteht der Wahlvorstand höchstens aus drei Mitgliedern. Findet dieses vereinfachte Wahlverfahren keine Anwendung,
so kann der Betriebsrat selbst die Größe festlegen. Der Betriebsrat ist allerdings gehalten, eines der benannten Wahlvorstandsmitglieder zum Vorsitzenden zu ernennen. Deswegen – und um dem Wahlvorstand auch
die vorgesehenen Mehrheitsbeschlüsse zu
ermöglichen – sollte der Vorstand immer
aus mindestens drei Mitgliedern bestehen.
Auch bei der Bestellung von größeren Gremien ist darauf zu achten, dass sie aus einer
ungeraden Mitgliederzahl bestehen (Mehrheitsentscheidung). Ansonsten hat der Betriebsrat hinsichtlich der Zusammensetzung
des Wahlvorstandes freie Bahn.
Allerdings: Sind im Betrieb unter den
JAV-Wahlberechtigten beide Geschlechter
vertreten, sollen dem Wahlvorstand auch
Frauen und Männer angehören. Das ist aber
keine zwingende Vorschrift. Darüber hinaus
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WIRD
muss der Betriebsrat dafür sorgen, dass mindestens ein für den Betriebsrat wählbarer Arbeitnehmer (ein volljähriger Beschäftigter)
zum Wahlvorstandsmitglied bestellt wird. Es
ist empfehlenswert, ein erfahrenes Betriebsratsmitglied in den Wahlvorstand zu bestellen.
Wahlverfahren
Im Rahmen der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG)
wurde zur erleichterten
und schnelleren Durchführung einer JAV-Wahl das
so genannte vereinfachte Wahlverfahren
eingeführt. Seine Regeln gelten dann, wenn
fünf bis 50 JAV-wahlberechtigte Arbeitnehmer im Betrieb arbeiten. Bei mehr als 50 besteht die Möglichkeit, dass der Betriebsrat
mit dem Arbeitgeber schriftlich die Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens vereinbart. Auch aus diesem Grund ist es wichtig, dass sich bereits der Betriebsrat Gedanken macht, wie viele Wahlberechtigte im
Betrieb vorhanden sind.
Wahlberechtigung
Grundsätzlich kann eine JAV nur dann gewählt werden, wenn am Wahltag mindestens fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer im
Betrieb beschäftigt sind. Wahlberechtigt
sind Arbeitnehmer, die das 18. Lebensjahr
noch nicht vollendet haben, und Arbeitnehmer, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind und das 25. Lebensjahr noch nicht
vollendet haben.
Ohne Bedeutung ist, ob eine der beiden genannten Gruppen die vorgegebene
Mindestzahl erreicht bzw. ob sie im Betrieb
überhaupt existiert. Entscheidend ist, dass
beide zusammen die vorgegebene Mindestzahl erreichen. Wichtig ist, dass von dem betriebsverfassungsrechtlichen Begriff der Berufsausbildung nicht nur Arbeitnehmer, die
sich in einem Ausbildungsverhältnis im Sinne des Berufsbildungsgesetzes befinden,
sondern alle Beschäftigten, die an anderen
Berufsbildungsmaßnahmen im Betrieb teilnehmen, erfasst werden. Zu den zur Berufsausbildung Beschäftigten zählen daher
auch:
● Anlernlinge
● Umschüler und Teilnehmer an berufsvorbereitenden Ausbildungsmaßnahmen
● Volontäre
•
● Praktikanten (Einzelfallprüfung)
● Krankenpflegeschüler, die eine Ausbildung nach dem Krankenpflegegesetz
absolvieren.
Berücksichtigt werden müssen auch die
Beschäftigten, deren Arbeits-/Ausbildungsverhältnis ruht (z.B. wegen Wehr-/Zivildienst oder Mutterschaftsurlaub). Nicht zu
dem Kreis der Wahlberechtigten zählen
Schülerpraktikanten, Helfer im freiwilligen
sozialen bzw. ökologischen Jahr und im Betrieb eingesetzte Zivildienstleistende.
JAV-Wahlen – echt nicht einfach.
Da brauchst du schon Superkräfte – wie …
… Spider-JAVi!
Netzwerkeigenschaften:
Damit wirst du
JAV-Vorsitzender!
Spinndrüsen:
Unersetzlich
zum Betriebsrat
einwickeln.
Haftzellen an Armen
und Beinen: Falls du
mal wieder die Wände
hoch gehen musst …
jav-ratg
Der Wahlvorstand ist verpflichtet, die Wahl
unverzüglich einzuleiten, sie durchzuführen
und abschließend das Wahlergebnis bekannt zu geben.
Erster Schritt: Für die Einleitung der
Wahl muss der Wahlvorstand unverzüglich
eine Liste der Wahlberechtigten (Wählerliste) aufstellen.
Neu: Die Wählerliste ist getrennt nach
Geschlechtern aufzustellen. Die entsprechenden Daten und Unterlagen muss der
Arbeitgeber dem Wahlvorstand zur Verfügung stellen.
Als zweite Aufgabe hat der Wahlvorstand die Zahl der zu wählenden JAV-Mitglieder festzulegen (§ 62 BetrVG). Im Rahmen der Novellierung kommt es zumindest
in Betrieben mit mehr als 150 Wahlberech-
Nerven wie Drahtseile:
Sollte dich der Personalchef mal abhängen
wollen …
Nachtsichtgerät:
Damit kannst du die
Soli aktuell auch unter
der Bettdecke lesen.
Hirn vom Wissenschaftsgenie: Ohne das kapierst
du das Betriebsverfassungsgesetz nie!
Supersitzfleisch: Wochenlange Geduld wie
die Spinne im Netz – falls der Arbeitgeber
mal wieder nicht die Bücher kauft,
die Wolf-Dieter Rudolph empfiehlt.
(illustration: Michael Arzt)
tigten zu einer Erhöhung der Anzahl der
JAV-Mitglieder.
Neu: Geschlechterquote. Nach dem
neu gefassten Absatz 3 des § 62 BetrVG
muss das Geschlecht, das unter den Wahlberechtigten in der Minderheit ist, mindestens
entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis in der JAV vertreten sein, wenn sie
aus mindestens drei Mitgliedern besteht.
Während es vor der Novellierung keinerlei Vorgaben für die Zusammensetzung
der JAV gab, ist von nun an die Geschlechterquote zu beachten, die der Wahlvorstand
ermitteln muss. Bei der Ermittlung der Mindestsitze für das Minderheitengeschlecht ist
immer die Zahl der Frauen und Männer, die
am Tag der Einleitung der JAV-Wahl tatsächlich im Betrieb beschäftigt sind, ausschlaggebend. Die Einleitung der Wahl erfolgt
durch den Erlass des Wahlausschreibens. Es
enthält u.a. folgende Angaben:
● die Größe des zu wählenden Gremiums
● die Zahl der dem Minderheitengeschlecht zustehenden Mindestsitze
● den genauen Wahltermin.
Die Berechnung der Mindestsitze erfolgt nach dem d’Hondt’schen Höchstzahlverfahren. (Konkrete Rechenbeispiele findet
ihr unter www.dgb-jugend.de, Stichwort
„Betriebliches“).
Information der Wähler
Der Wahlvorstand ist verpflichtet, sowohl
die komplette Wählerliste als auch das Wahlausschreiben innerbetrieblich bekannt zu
machen.
Neu: Die für die Wahl relevanten Informationen kann der Wahlvorstand der Betriebsöffentlichkeit über das „Schwarze
Brett“ zukommen lassen.
Fristen: Nach dem Erlass des Wahlausschreibens beginnen je nach Art des Wahlverfahrens unterschiedliche Fristen zu laufen.
Letzter Tag für Einsprüche gegen die
Richtigkeit der Wählerliste:
● Vereinfachtes Wahlverfahren: drei Tage
nach Erlass des Wahlausschreibens
● Klassisches Wahlverfahren: zwei Wochen
nach Erlass des Wahlausschreibens.
Letzter Tag für die Einreichung von
Wahlvorschlägen/Kandidaten:
● Vereinfachtes Wahlverfahren: eine Woche vor dem Tag der Wahlversammlung
● Klassisches Wahlverfahren: zwei Wochen
nach Erlass des Wahlausschreibens.
Ebenfalls unterschiedliche Zeitvorgaben muss der Wahlvorstand bei der Versendung der Briefwahlunterlagen beachten. Im
Rahmen des vereinfachten Wahlverfahrens
kann ein Wahlberechtigter spätestens drei
geber extra
Tage vor der so genannten Wahlversammlung die Briefwahl beantragen.
Wahlhandlung
Neu: Im Rahmen des vereinfachten Wahlverfahrens findet eine so genannte Wahlversammlung statt. Auch dafür gelten die
Grundsätze der geheimen und unmittelbaren Wahl. Es müssen also Vorkehrungen für
ein unbeobachtetes Ausfüllen der Stimmzettel getroffen werden.
Falls keine schriftliche Stimmabgabe
(Briefwahl) rechtzeitig beantragt wurde,
muss der Wahlvorstand unverzüglich nach
Abschluss der Wahl die Stimmen öffentlich
auszählen und das Wahlergebnis bekannt
geben.
Sollte die schriftliche Stimmabgabe erst
spätestens drei Tage vor der Wahlversammlung beantragt worden sein, hat der Wahlvorstand die Urne zu versiegeln und aufzubewahren, an einem vorher festgelegten
Termin (Nachwahlfrist) die bis dahin eingegangenen Wahlumschläge in öffentlicher
Sitzung in die versiegelte Wahlurne zu legen
und anschließend die Auszählung vorzunehmen.
Erfolgt die Wahl im normalen Wahlverfahren, so dürfen nur die Briefwahlunterlagen bei der Stimmauszählung berücksichtigt werden, die bis zu dem vom Wahlvorstand vorgegebenen Ende der persönlichen
Stimmabgabe vorliegen.
Feststellung des
Wahlergebnisses
Bei der Feststellung, welche der Kandidaten
in die JAV neu gewählt wurden, muss der
Wahlvorstand die von ihm festgelegte Anzahl der der jeweiligen Minderheit zustehenden Sitze beachten.
Schutz der
Wahlvorstandsmitglieder
Damit die Wahlvorstandsmitglieder in der
Lage sind, die Wahl ordnungsgemäß durchzuführen und Entscheidungen zu treffen,
die der Arbeitgeberseite nicht gefallen, haben sie vom Zeitpunkt ihrer Bestellung an
einen besonderen Kündigungs- und Versetzungsschutz. Der Schutz endet nicht mit
der Bekanntgabe des endgültigen Wahlergebnisses, sondern hat von da an eine
Nachwirkung für die Dauer eines halben
Jahres. ■
Literatur: Wolfgang Schneider: Formularmappe
Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Checklisten – Formulare – Stimmzettel –
Musterschreiben – Wahlordnung. Bund-Verlag,
Frankfurt/M., 2000, EUR 19,90
Internet: www.dgb-jugend.de, Stichwort
„Betriebliches“
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aktuell 7.02
Aufgaben des Wahlvorstands
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landesbezirke + gewerkschaften
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STREIK
AM
BAU
Her mit den schönen Wellen!
Interview mit Carsten Burckhardt, Bundesjugendsekretär der IG BAU
Was hat sich im Jugendbereich getan?
Wieviel Bauarbeiter haben sich am Streik be-
gramm „Her mit dem schönen Leben“, da gab es
teiligt?
Aktionen in Frankfurt und Berlin. Die Jugendlichen
Seit einem dreiviertel Jahr läuft das Pro-
Bis zu unserer Tarifverhandlung wa-
haben Rauchbomben geworfen und die Baustellen
ren es knapp 30.000 – fast so viel wie 1989
geentert. Wir hatten andererseits enorme Schwie-
bei den Metallern. Wir haben den Druck
rigkeiten, Arbeitsstellen abzusichern. So gibt es ei-
immer weiter erhöht. Unsere Aktions-
ne Baustelle in München, die 15 Fußballfelder
schwerpunkte lagen im Norden und in den
groß ist – viel Arbeit für Streikposten.
neuen Bundesländern.
Gab es spezielle Forderungen von den Azubis?
Wie wurde gestreikt?
Wir wollten 4,5 Prozent Lohnerhöhung für al-
Wir haben mit verschiedenen Streik-
le, das galt auch für die Azubis. Die Arbeitgeber
wellen von Norden nach Süden angefan-
wollten aber auch, dass nur das, was du tust, be-
gen. Auch Berlin und der Ruhrpott kamen
zahlt wird. Also: Wenn du gut Beton mischst, lernst
dran. Das war lange vorbereitet, wir haben
du nichts anderes mehr. Damit wäre die duale Aus-
ein schlagkräftiges Streikkonzept ent-
gen zwischen deutschen und nichtdeutschen Bauar-
bildung in Gefahr gewesen. Wir haben mit unserer
wickelt.
beitern. Wie sah das jetzt aus?
Aktion „Sklavenhandel“ darauf aufmerksam ge-
Wie hoch war die Beteiligung?
Über das Antirassismus-Projekt Xenos haben
macht. Nichts davon haben sie durchgekriegt: Al-
Die Streikbereitschaft bei den Orga-
wir viele Schulungen gemacht und Informationen
les bleibt so, wie es der Berufsbildungstarifvertrag
nisierten war sehr hoch, dann aber auch
verbreitet, es gab z.B. Extraflugblätter für Nicht-
vorsieht. Wir haben real 3 Prozent erreicht, das ist
bei den Nichtorganisierten im Osten. Das
deutsche. Wir haben klar gemacht: Das ist kein
richtig gut. Das Arbeitgeberangebot lag bei 1,75
ist das „DDR-Phänomen“ – die wollen kei-
Kampf gegen sie, sondern mit ihnen. Die Rumä-
Prozent.
nen Gewerkschaftsapparat, sehen dann
nen, Polen und Portugiesen stiegen voll ein und
Gab es Unterschiede zwischen jungen und alten
aber, dass es nicht anders geht. Wir haben
fuhren nicht nach Hause. Ein 200-Mann-Trupp aus
Streikern?
6.800 neue Mitglieder in zwei Wochen auf-
Gießen etwa war in Oberfranken aktiv – nach dem
Die Azubis sind mutiger
genommen.
Prinzip Schneeball: Erst werden die großen Indus-
als die Alten. Weil sie eine
Vor einigen Jahren gab es auf der Bundes-
triebetriebe lahm gelegt, dann die kleinen Hand-
Zukunft am Bau haben wol-
tagsbaustelle in Berlin Auseinandersetzun-
werksbetriebe.
len. ■
ARBEITSBEDINGUNGEN
IM
DISNEYLAND
PARIS
Vom Traum zum Alptraum?
In Paris fand eine internationale Konferenz zur Einrichtung von Mindestarbeitsbedingungen für junge Arbeitnehmer in den Bereichen Themenparks und Fast-Food in Europa statt. Von Gerd-Joachim Langecker
● Arbeitgeber lehnen Tarifverhandlungen ab
● Auf Beschäftigte, die über 35 Jahre alt sind,
wird Druck ausgeübt, damit sie kündigen. Die
Disneywelt ist jung, und auch Donald wird
Paris ist nicht nur Stadt der Liebe, sondern auch
lang über internationale Aktivitäten zur Verbesse-
Standort des größten europäischen Themenparks,
rung der Arbeitsbedingungen von jungen Leuten.
Doch warum kommen so viele junge Men-
Disneyland Paris. 30 junge europäische Gewerk-
Denn die gute Behandlung, die den Kunden zuteil
schen zum Arbeiten ins Disneyland? Jeden Tag
schafter aus fünf Ländern, darunter zwei Kollegen
wird, wird den Beschäftigten nicht so leicht ge-
gehen immerhin 200 bis 300 Bewerbungen ein.
der jungen NGG, diskutierten im Mai zwei Tage
währt. Die Bedingungen:
gen gelockt. Geld verdienen, Sprachen lernen,
● Niedrige Löhne: 1.000 Euro Brutto/Vollzeit im
Paris erleben – die Unterkunft ist auch schon drin.
aber später für viele kaum zur Wirklichkeit. Schon
● Große Teile des Lohnes werden durch Neben-
aufgrund der geringen Löhne im Vergleich zu den
kosten wieder eingenommen (Unterkunft, Ver-
immensen Lebenshaltungskosten beschränkt sich
pflegung)
das Paris-Erleben auf die Wohnheime am Disney-
300 Euro Miete/Monat/Person)
● Ausländische Arbeitnehmer werden selten länaktuell 7.02
Das scheint auf den ersten Blick verlockend, wird
● 75.000 nicht bezahlte Überstunden
● Bis zu sechs Personen in einem Zimmer (250-
ger als sechs Monate beschäftigt
•
Sie werden einfach mit vielen Versprechun-
● Kurze Beschäftigungszeiten (Teilzeitverträge)
Monat
6
nicht älter.
Park. Auch mit dem Sprachen lernen klappt es
nicht – gute Fremdsprachenkenntnisse werden
bei der Einstellung vorausgesetzt, und das, was
einem dann noch fehlt, ist in der Hektik des All-
GLOBALISIERUNG
UND
ARBEITNEHMERRECHTE
ILO: Zahnloser Tiger?
Das Forum Eine Welt informierte in Berlin über Verletzungen
von Arbeitnehmerrechten weltweit. Von Mirjam Muhs
Senegal: Nach einem Streik werden zahlreiche
Arbeiter inhaftiert, andere entlassen. Ukraine:
Arbeiterinnen in der Textilindustrie erhalten
1998 wurde die Erklärung der Internationalen Ar-
men, gab Karl Sauvant (UN-Konferenz für Handel
Hungerlöhne von 25 Euro im Monat. Indien:
beitsorganisation (ILO) über grundlegende Prinzi-
und Entwicklung/UNCTAD) zu bedenken, dass
Zehntausende Kinder arbeiten in Sportartikel-
pien und Rechte bei der Arbeit, die so genannten
Entwicklungsländer die Wahrnehmung haben,
firmen. Südkorea: Zeitweise sitzt der halbe
Kernarbeitsnormen (Vereinigungsfreiheit, Recht
das WTO-System richte sich gegen ihre Interes-
Gewerkschaftsdachverband im Knast. Welt-
auf freie Tarifverhandlungen, Verbot von Zwangs-
sen. Entwicklungsländer dürften nicht den Ein-
weit: Der Internationale Bund Freier Gewerk-
arbeit, Diskriminierungsverbot, wirksame Ab-
druck gewinnen, die Industrieländer seien ledig-
schaften (ICFTU) konstatiert für das Jahr 2001:
schaffung von Kinderarbeit), mit großer Mehrheit
lich an Sozialstandards, nicht aber an nachhaltiger
223 ermordete oder „verschwundene“, mehr
verabschiedet. Sie bindet alle Mitgliedsländer der
Entwicklung interessiert. Beide Themen müssten
als 4.000 inhaftierte, 1.000 verletzte und
ILO und gehört damit zum Bestand universeller
miteinander verknüpft werden.
10.000 gefeuerte GewerkschafterInnen.
Menschenrechte. Das Forum Eine Welt der SPD
Aus der Befürchtung heraus, multinationale
lud im Juni dieses Jahres zu einer Konferenz ein,
Unternehmen nur durch niedrige soziale Stan-
auf der VertreterInnen internationaler Gewerk-
dards in ihr Land locken zu können, so James Ho-
len Produkte, die entsprechende Garantien aufwei-
schaftsverbände, Institutionen und Unternehmen
ward (Internationaler Bund Freier Gewerkschaf-
sen.“ Der Otto-Versand habe sich deshalb dem
über Möglichkeiten der Durchsetzung weltweiter
ten/ICFTU), wendeten sich viele Entwicklungslän-
Standard SA 8000 angeschlossen, nach dem er
Sozialstandards diskutierten.
der gegen die Einführung von Sozialklauseln. Da-
auch seine Zulieferer und Hersteller auswählt.
Viele der Länder, in denen massive Verletzun-
bei bringen Verstöße gegen Arbeitnehmerrechte
Rund zwei Drittel der 2.500 existierenden
gen der Arbeitnehmerrechte beobachtet werden,
keine wirtschaftlichen Vorteile, wie Christoph
Sozialkodizes ignorierten jedoch bestehende ILO-
haben Standards der ILO unterzeichnet und sich
Scherrer von der Universität Kassel erläuterte. Sie
Standards; es gebe keine unabhängige Instanz,
damit verpflichtet, gegen solche Verletzungen vor-
verhinderten vielmehr den „Aufbau von Human-
die die Einhaltung überprüfe, kritisierte Richard
zugehen. Die ILO hat jedoch keine Sanktionsmög-
kapital“ und verschärften die Konkurrenz unter
Howitt (EU-Ausschuss für Beschäftigung und So-
lichkeiten, um Länder zur Einhaltung der Stan-
Ländern, die ähnliche Produkte erzeugen.
ziale Fragen). Ein externes, unabhängiges Moni-
dards zu zwingen. Die Podiumsteilnehmer waren
Dem steigenden Druck der KonsumentInnen
toring sei aber die Voraussetzung für wirkungs-
sich darin einig, dass die ILO gestärkt werden müs-
rechnete Ingeborg Wick von Südwind e.V. das star-
volle Kontrollen. Rein freiwillige Verpflichtungen
se. Sie dürfe kein „zahnloser Tiger“ bleiben.
ke Interesse von Konzernen an freiwilliger Selbst-
griffen zu kurz. Erfolgversprechender sei eine Mi-
Kontrovers wurde die Forderung der Enquete-
verpflichtung an. Und Michael Arretz, Bereichslei-
schung aus freiwilliger und bindender Verpflich-
Kommission „Globalisierung“ des Bundestags
ter Umwelt- und Gesellschaftspolitik beim Otto-
tung. ■
nach der Verankerung von Kernarbeitsnormen im
Versand, bestätigte: „Seit Mitte der Neunziger Jah-
Rahmen des WTO-Systems diskutiert. Während
re wird der Aspekt ‚Soziale Standards‘ öffentlich
Heinz Putzhammer (DGB) fand, man müsse die
diskutiert. Wir reagieren sehr sensibel auf die Er-
lidaritätsaktion zur Freilassung der Inhaftierten
WTO (Welthandelsorganisation) in die Pflicht neh-
wartungen der Konsumenten. Unsere Kunden wol-
in Südkorea durch.
Der Internationale Bund Freier Gewerkschaften
(IBFG) führte am 27. Juni eine internationale So-
tags kaum zu lernen. So wird vermieden, dass die
sich gemeinsam gegen die Arbeitsbedingungen
zur Wehr setzten. Einzelne, die sich beschweren,
werden dann sogleich vor die Tür gesetzt. Gewerkschaftliche Aktivitäten werden kaum geduldet, zumal Disneyland versucht, verstärkt Werbung im osteuropäischem Ausland zu machen, da
diese Kollegen „für noch weniger Geld arbeiten“,
so die Direktion. Ähnliche Verhältnisse herrschen
auch in der Fast-Food-Gastronomie. Ein Gegenpart zu den globalisierten Arbeitsbedingungen
kann nur eine verstärkte Zusammenarbeit der Gewerkschaften auf europäischer Ebene sein. Denn
nur vergleichbare Standards verhindern das gegenseitige Ausspielen der Beschäftigten. ■
Die vollständige Dokumentation zu den Arbeitsbedingungen im Disney-Park kann über die
NGG-Hauptverwaltung bezogen werden. Tel.:
040/38013-152, E-mail: [email protected]
Projekt CEGAS
Die Europäische Union fördert derzeit unter
dem Projektnamen CEGAS die Erstellung einer
Sozialcharta für die Bereiche Fast-Food-Gastronomie und Themen-/Freizeitparks. Hierbei geht
es insbesondere um die jungen Menschen die
in diesen Bereichen arbeiten. Beteiligt sind der
europäische Gewerkschaftsbund (EGB), EFFAT,
CGT aus Frankreich, FGTB aus Belgien, CCOO
aus Spanien und die Gewerkschaft Nahrung
Genuss Gaststätten (NGG) aus Deutschland.
Nach Treffen in Paris und Brüssel richtete die
Junge NGG Anfang Mai ein Treffen in Frankfurt/Main aus. Diskutiert wurden die Art der Beschäftigungsverhältnisse, die Einführung eines
Mindestlohnes, das Recht auf Ausbildung, Arbeitszeiten, Sicherheit und Hygiene am Arbeitsplatz, gewerkschaftliche Kontrollrechte und die
Rechte von Saisonarbeitern. Mit den Impulsen
dieses Treffens wurde die letzte Sitzung in Barcelona von der CCOO ausgerichtet. Auch hier
wurden die oben benannten Themen weiter
besprochen und voran gebracht. Ziel ist es, auf
der Abschlusskonferenz im Oktober in Paris den
Sozialen Dialog mit den Arbeitgebern und der
Politik über die Ergebnisse und die Forderungen der Gewerkschaften auf europäischer Ebene einzuläuten. Fazit aller bisherigen Treffen ist,
dass in den Bereichen der Fast-Food-Gastronomie und den Themenparks in allen Ländern die
gleichen Probleme für die Beschäftigten auftreten. Hier gilt es zu handeln und gemeinsam auf
europäischer Ebene für eine grundlegende Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu streiten.
■ G.L.
7
aktuell 7.02
Beschäftigten mit „einer Stimme sprechen“ und
A B S E N D E R : DGB-B U N D E S V O R S TA N D , H E N R I E T T E -H E R Z -P L AT Z 2, 10 178 B E R L I N
•
tipps + termine
•
■ Arena heißt das neue Magazin für JAVis bei
der ver.di-Jugend. Das Heft im praktischen
Kleinformat bietet Informationen rund ums
Thema Ausbildung, JAV-Wahlen und zur Politik der Gewerkschaftsjugend. Mit Kritik wird
auch nicht gespart. In einer der ersten Ausgaben wünscht ver.di-Vorstandsmitglied Frank
Werneke der eigenen Gewerkschaftsjugend
„klarere politische Konturen“ an den Hals.
Andererseits zeigt gerade Werneke selbst, dass man es als Jugendlicher bei ver.di weit bringen kann: Er selbst ist ja noch so
jung (34), dass er fast als JAVi durchgehen könnte! Die Texte in
„Arena“ sind allesamt hervorragend geschrieben, und hinten
drauf gibt es pro Ausgabe einen Witz. Das Heft ist kostenlos und
kann bei ver.di angefordert werden.
A 8895
■ Staatliche Mittel wer-
Und zwar beim: ver.di-Bundesvorstand, Bereich Jugend, Potsdamer Platz 10, 10785 Berlin, Tel.: 030/69 56 23 62,
E-mail: [email protected]
■ Eine „Ideenbörse“ gibt es bei
•
web-tipp des
monats
•
Diesmal in Zusammenarbeit mit Ole Schwede, DGBJugend Hamburg:
Hallo Jürgen,
ich möchte mal etwas Kritik loswerden. Wenn
Du über Ereignisse berichtest, die sich in Hamburg
zutragen und dazu sogar einen Leitartikel schreibst
(Soli 6-02, Seite 1), wäre es nett gewesen, wenn Du
statt über SPD, GAL und Ingo Schlüter etwas über
die Arbeit der DGB-Jugend in diesem Bereich geschrieben hättest. Eine Resolution zu dem Thema
„Privatisierung der Berufsschulen“ findest Du auf
unserer Website www.dgb-jugend-hamburg.de unter „Material“. Ich würde Dir diese Webseite, die von
einer fitten Ehrenamtlichen betreut wird, eh noch
mal ans Herz legen wollen.
Ansonsten herzliche Grüße, Ole Schwede
Soli aktuell: www.was? Material? Wieso nicht
hinteres Regal? Bei der Recherche hab ich mich auf
deine Hinweise verlassen. So weit ich weiß, hattet ihr
damals noch nix fertig.
Hallo Jürgen,
tut mir leid, wollte Dich nicht anmaulen. War auch mein Fehler! Wollte
Dir nur fair meine Kritik mitteilen. Bin
da manchmal etwas unfair direkt. Tut
mir leid… Okay? Nächstes Mal besser!
Liebe Grüße, Ole
der Koordinationsstelle Gewerkschaftliche
Arbeitslosenarbeit
(KOS). Das Heft versteht sich als
Handlungshilfe zur präventiven
Arbeitsmarktpolitik und zum JobAqtiv-Gesetz. Vorgestellt wird
auch das Modell BAFF – wie aus
Überstunden(-Abbau) neue Arbeitsplätze entstehen können.
den gekürzt, reduziert,
gestrichen, Mitgliederzahlen gehen zurück: Institutionen und gemeinnützige Organisationen
haben es zunehmend
schwer. Nicole Fabisch
hat einen praktischen
Ratgeber geschrieben über die Kunst des
Fundraising – wo gibt’s zusätzliche Mittel?
Mit Fallbeispielen, Checklisten, Experteninterviews zum Thema Finanzierungsquellen.
Nicole Fabisch: Fundraising. Spenden, Sponsoring und mehr. Beck-dtv, München 2002,
351 S., EUR 14
Kriegt ihr bei: KOS, Fax: 0521/96
78 422, E-mail: [email protected], für 3 Euro
■ Privjet, ein Projekt zur Integration von russlanddeutschen Jugendlichen im Raum Münster,
stellt seine Arbeit jetzt auf CD-Rom
vor. Die jugendlichen Aussiedler
berichten über ihre Herkunft und
Situation. Die CD richtet sich an
alle, die mit der Integration russlanddeutscher Jugendlicher zu tun
haben – und an alle, die sich ganz
einfach für die Herkunft und die
Hoffnungen, die Probleme und Lösungsansätze dieser Bevölkerungsgruppe interessieren.
impressum
Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht
unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Verantwortlich für den Inhalt:
Ingrid Sehrbrock
Herausgeber:
DGB-Bundesvorstand, Abt. Jugend, HenrietteHerz-Platz 2, 10178 Berlin, Tel.: 030/240 60172, Fax: -409, M.: 0171/140 85 99
E-Mail:
[email protected]
Internet:
www.dgb-jugend.de
Druck:
toennes satz + druck gmbh, Erkrath
Redaktion:
Jürgen Kiontke
Grafik:
Heiko von Schrenk
Gefördert aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans des Bundes (BMFSFJ)
tipps + termin
Na also, geht doch, www.dgb-jugend-hamburg.de.
Zu haben bei: Tel.: 0251/492 59
03, Fax 0251/492 79 06, E-mail:
[email protected]
•
❏ Ja, ich möchte Soli aktuell drei Monate lang kostenlos zur Probe abonnieren.
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❏
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Ich möchte mehrere Exemplare der Soli aktuell bestellen. Ich bezahle für das erste Exemplar der Soli aktuell 7,70 Euro, für alle weiteren werden nur die zusätzlichen Portokosten erhoben. Diese betragen beispielsweise jährlich bei 2 bis 30 Exemplaren 9,20 Euro, bei 31 bis 60 Exemplaren 38,50 Euro. (Weitere Angaben bitte telefonisch unter 0211/43 01-181 bei der Abt. Jugend des DGB erfragen.) Bitte das Geld erst nach Erhalt der Rechnung überweisen.
Kündigungsfrist drei Monate zum Juni eines jeden Jahres.
AN
DGB-B UNDESVORSTAND , A BT. J UGEND
S OLI
AKTUELL
H ENRIETTE -H ERZ -P LATZ 2
10178 B ERLIN
Vorname / Name . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Organisation / Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Straße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
aktuell 7.02
PLZ / Ort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
Unterschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .