ProLibris

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ProLibris
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IM FOKUS: DISCOVERY SERVICES
IM FOKUS Eine
Einführung in die Welt der
Discovery Services
IM FOKUS FHB Aachen, Köln und Münster
entwickeln ihr Suchportal
IM FOKUS ULB Bonn – Discovery Portal mit
dem Index Summon und der Oberfläche
VuFind
IM FOKUS Seit Ende 2012 nutzt die UB Duisburg-Essen Primo inklusive Primo Central
Das Projekt »Schnellsuche NRW« –
Discovery für alle?
IM FOKUS »One slot« für die Kunden der Stadtbücherei Münster
DENKANSTÖSSE Bibliotheken machen das Gefühl
des Dazugehörens erlebbar
KONZEPTE »Wir sind Bürgermeister!« Wie Kinder mit digitalen Medien kreativ arbeiten
ENTDECKUNGEN In »Papiergewittern« – Sammlung Weltkrieg in der ULB Münster
IM FOKUS
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EDITORIAL
Liebe Leserinnen und Leser von ProLibris,
»Nur Bibliothekare suchen gerne, alle anderen finden lieber!« Diesen Spruch habe ich auf dem letzten Bibliothekartag gehört. Er passt gut zu unserem Fokusthema »Discovery
Services«, denn bei der Entwicklung und Optimierung solcher Systeme zeigt sich immer wieder der Dissens zwischen
den Bibliothekaren einerseits, die die Suchen verfeinern
möchten, und den Nutzern andererseits, die »einfach nur
finden« wollen. Alle Bibliothekssparten beschäftigen sich
mit diesem neuen Erschließungsinstrument, für das es eine
Vielzahl an technischen Lösungen gibt. Wir haben von allen möglichen eingesetzten Systemen und Kombinationen
einen Querschnitt aus unserem Bundesland ausgewählt,
um Ihnen das Thema so anschaulich wie möglich nahezubringen. Für den nicht ganz leichten Einstieg in das Thema konnten wir einen ausgewiesenen Experten auf dem
Gebiet gewinnen. Dr. Peter Kostädt, Leiter der IT-Dienste
an der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, gibt einen
Überblick über Discovery-Systeme im Allgemeinen und in
NRW im Besonderen.
Ich denke, wir haben einen sommerlich bunten Strauß an
Beiträgen aus und über NRW-Bibliotheken für Sie zusammengestellt. Ganz besonders möchte ich Sie diesmal auf
die Rubrik »Denkanstöße« aufmerksam machen. Thomas
Böhm, ehemals Leiter des Literaturhauses in Köln und seit
2012 Programmleiter des Internationalen Literaturfestivals
in Berlin, lässt auch diejenigen an seinen Gedanken zum
Wert der Bibliotheken teilhaben, die nicht beim Bibliothekartag in Bremen dabei sein konnten. Eine wahrlich köstliche Geistesnahrung!
Zum 1. September 2014 hat Prof. Dr. Wolfgang Schmitz die
Leitung der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln in ande-
re Hände gegeben. Eine Würdigung seines Wirkens finden
Sie in dem Beitrag von Dr. Rolf Thiele. Trotzdem sei es den
Herausgebern gestattet, an dieser Stelle noch einige persönliche Worte an Herrn Schmitz zu adressieren.
Wolfgang Schmitz war 16 Jahrgänge lang, von 1996 bis
2011, Mitherausgeber von ProLibris. Als Vertreter der AG
UB im Verband war er zuständig für Berichte und Mitteilungen aus dieser Bibliothekssparte. Er selbst hat zahlreiche Beiträge beigesteuert und dies nicht nur zu seinem eigenen Forschungsgebiet, dem Alten Buch. In den Zeiten, in
denen es sehr kritisch um die Zukunft der Zeitschrift bestellt war, hat er sich auch in seiner damaligen Funktion
als Vorsitzender des Verbands der Bibliotheken des Landes
NRW (vbnw) vehement für ihren Erhalt eingesetzt. In vielen Treffen der Herausgeber und des Verbandsvorstandes,
aber auch in den Arbeitsgruppen des Verbandes hat er es
mit seiner ruhigen und überzeugenden Art geschafft, einen gemeinsamen Nenner für die widerstreitenden Interessen zu finden. So konnte 2005 und 2011 ein tragfähiges
geschäftliches und inhaltliches Zukunftskonzept entstehen.
Dass es ProLibris in der heutigen Form noch gibt, ist nicht
zuletzt ihm zu verdanken. Wir, die Mitherausgeber von
ProLibris, sagen ihm einen herzlichen Dank für seinen jahrelangen engagierten Einsatz sowohl für den vbnw als auch
dessen Sprachorgan ProLibris und wünschen ihm für den
kommenden Lebensabschnitt alles erdenklich Gute.
Als neuen Mitherausgeber aus dem Kreis der AG UB begrüßen wir Herrn Uwe Stadler, Leitender Bibliotheksdirektor
der UB Wuppertal, in unseren Reihen und freuen uns auf
eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit.
ANDREA STÜHN
Mitherausgeberin ProLibris
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INHALTSVERZEICHNIS /
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IMPRESSUM
prolibris
Mitteilungsblatt hrsg. vom Verband der Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen
e.V. und den Bezirksregierungen, Dez. 48.08 – Öffentliche Bibliotheken * V. i. S. d. P.:
Harald Pilzer, Vorsitzender des vbnw. * issn 1430-7235 * Jahrgang 19, Heft 3-2014
herausgebergremium
Irmgard Harmann-Schütz
Dr. Alwin Müller-Jerina
Uwe Stadler
Andrea Stühn
layout
Nieschlag + Wentrup, Münster
redaktion und anzeigen
Susanne Larisch
t 02102 /70 54 19
m [email protected]
druck und verlag
Druckerei und Verlag Peter Pomp, Bottrop
abonnementbestellungen, reklamationen, adressenänderungen
Druckerei Peter Pomp, Jasmin Kikillis
t 02041 /747120 * f 02041 /747160 * m [email protected]
Der Preis für ein Jahresabonnement der Zeitschrift ProLibris beträgt 30 Euro
(einschließlich Mehrwertsteuer und Versandkosten); jedes weitere Abonnement kostet
20 Euro im Jahr. Der Preis des Einzelheftes beträgt 7,50 Euro. Der Preis für ein
Auslandsabonnement beträgt 40 Euro (einschließlich Mehrwertsteuer und Versandkosten). Das Abonnement ist kündbar zum 31. Oktober des laufenden Jahres.
Bei namentlich gezeichneten Artikeln liegt die inhaltliche Verantwortung beim Verfasser bzw. der Verfasserin. © vbnw und Bezirksregierungen, Dez. 48.08 –
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nur mit schriftlicher Genehmigung. Fotos wurden, wenn nicht anders angegeben, von
der entsprechenden Bibliothek zur Verfügung gestellt. Links werden bei Erstellung des
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››Texte werden in neuer deutscher Rechtschreibung abgefasst (Duden 25. Aufl. 2009)
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››Längere Beiträge sind mit Zwischenüberschriften zu versehen.
››Abkürzungen im Text sind zu vermeiden bzw. bei der ersten Nennung aufzulösen.
››Zitationsstellen sind im laufenden Text zu belegen.
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3. Die Redaktion behält sich kleinere Korrekturen und Kürzungen vor, grundlegende Änderungen sind nur im Einverständnis mit der Autorin oder dem Autor möglich.
4. N
ach Erscheinen erhalten Autorin oder Autor ein Belegexemplar.
5. Redaktionsschluss für die Hefte ist jeweils 6 Wochen vor dem Erscheinungstermin:
der 15. 02. für Heft 1, der 15. 05. für Heft 2, der 15. 08. für Heft 3 und der 15. 11. für Heft 4.
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»… durch die Bibliothek ist
man geworden, wer man ist.«
DENKANSTÖSSE
100 Bibliotheken machen das Gefühl des
Dazugehörens erlebbar
In seiner Rede zur Eröffnung des 103.
Deutschen Bibliothekartags in Bremen
bricht Thomas Böhm eine Lanze für
die Bibliotheken – subjektiv, amüsant,
emotional.
IM FOKUS: DISCOVERY SERVICES
104 Eine Einführung in die Welt der
Discovery Services
Was sind Discovery Services? Was leisten sie? Dr. Peter Kostädt (USB Köln)
beschreibt, wie viel unkomplizierter
Max Mustermann den Aufsatz über
Schwarze Löcher mit der »Einschlitzsuche« finden kann.
109 FHB Aachen, Köln und Münster entwickeln ihr Suchportal
112 ULB Bonn – Discovery Portal mit
dem Index Summon und der Oberfläche VuFind
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104
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133
116 Seit Ende 2012 nutzt die UB Duisburg-Essen Primo inklusive Primo
Central
KONZEPTE
KURZ & KNAPP
125 »Wir sind Bürgermeister!« Wie Kinder mit digitalen Medien kreativ arbeiten
Das »Zelius« in Neuenrade ließ im
Rahmen des Projekts »Lesen macht
stark« Viertklässler mit digitalen Medien zum Thema Stadtplanung experimentieren.
135 Der Book-Slam® in Hattingen – Leseförderung für Jugendliche
127 Leverkusen – Mit »Bibliofreak« mehr
Verständnis gewonnen
139 U
lrich Moeske: Ein »Local Hero«
geht in den Ruhestand
Die Technik hinter dem Suchschlitz ist kompliziert.
120 Das Projekt »Schnellsuche NRW« –
Discovery für alle?
Bibliotheken, die auf deutschsprachige Fachliteratur fokussiert sind, finden kein Produkt, um ihren Gesamtbestand in einer zeitgemäßen
Rechercheumgebung anzubieten. Das
will das Projekt »Schnellsuche NRW«
unter Federführung des HBZ ändern.
121 Kommentar: Discovery für die Öffentlichen Bibliotheken entdecken!
122 »One slot« für die Kunden der Stadtbücherei Münster
Die Stadtbücherei Münster gehört zu
den ersten Öffentlichen Bibliotheken
im Land, die ihren Nutzern die Einschlitzsuche ermöglichen wird.
124 Stadtbibliothek Paderborn – langjähriger Partner für »OPEN«
Kunden schätzen die Benutzerfreundlichkeit des Systems.
»Wir sind Bürgermeister!«
ENTDECKUNGEN
Ein zerrupfter Reichsadler
auf beschädigtem Plakat
PERSONALIEN
136 Wolfgang Schmitz: Einer, der nie
»nur« Bibliothekar war
142 Meldungen
128 Kolumne: Neues vom Alten Buch
AUSBLICK
133 In »Papiergewittern« – Sammlung
Weltkrieg in der ULB Münster
Leihgaben aus der 1953 von einem
Privatmann erworbenen Sammlung
wurden bei der ULB Münster anlässlich des Kriegsausbruchs vor 100 Jahren stark nachgefragt.
Heft 4-2014
IM FOKUS
»Ehrenamt«
Titelfoto: shutterstock
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DENKANSTÖSSE /
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BIBLIOTHEKEN MACHEN DAS GEFÜHL
DES DAZUGEHÖRENS ERLEBBAR
Rede zur Eröffnung des 103. Deutschen Bibliothekartags in Bremen
Wir spielten »Verstecken«. Der einzige Ort,
der mich vor dem Aufgespürt-Werden bewahren konnte, war dieser Raum, von dem
ich nur wusste, weil man es von außen sehen konnte, dass darin Bücher aufbewahrt
wurden. Ich war zehn Jahre alt, Kind einer
Bergarbeiterfamilie in Oberhausen-Sterkrade. Wir wohnten in einer Zechensiedlung
namens »Dunkelschlag«. Die einzigen Bücher in unserer Familie waren die KarlMay-Bände aus der Kaufhalle, von denen
es hieß, mein Vater läse sie gerne, was meinem Bruder und mir Weihnachten und Papas Geburtstage ungemein vereinfachte.
Ich habe nie gesehen, dass mein Vater Bücher las. Meine Mutter las eine Zeitschrift
namens »Freizeitrevue«. Es gab auch Lesestoff für uns Kinder, mein liebster war Batman, der mir u. a. die Erkenntnis vermittelte, dass es andere Länder und andere
Sprachen gibt, da Batman in »Sonderband
Nr. 1« um die Welt reist und Verbrechen bekämpft. Einer der gestellten Gangster ruft
im Schatten des Eifelturms überrascht aus:
»Mon Dieu, le Batman.«
Ich hörte die Schritte und die Rufe der anderen Kinder, gleich würden sie da sein.
Verstecken. Hinein in diesen Raum. Schon
stand ich vor dem Schreibtisch einer älteren Dame, die mich anlächelte und sagte: »Hallo. Möchtest Du Bücher ausleihen?
Hast Du denn schon einen Büchereiausweis?« Als ich diese Szene aufschrieb, wurde mir wieder bewusst, was für ein wichtiger Moment meines Lebens das war. Ich
habe mir vorgenommen, einen Augenblick
vor Ihnen zu zögern – aus Dankbarkeit für
diese Frage, die mir vor 35 Jahren eine Kollegin von Ihnen gestellt hat. Und als Hommage an die unzähligen Augenblicke, in denen Sie, meine Damen und Herren, diese
Frage gestellt haben.
»Ja, möchte ich. Kostet das was?« – »Nein.
Du bist doch hier auf der Schule.« Als ich
den Ausweis in Händen hielt, fragte ich:
»Wie viele Bücher kann ich denn ausleihen?« – »Soviel du willst.« – »Und welche?« Irgendwo musste doch ein Haken
sein, wahrscheinlich waren die wirklich
interessanten Bücher nur für die Großen.
»Alle. Schau Dich einfach um, was Dir gefällt.« Ich ging zwischen die Regale. Da
war dieser unvergessliche Geruch: trockenes Papier; ein bisschen staubig. Ein stiller
Geruch. Ich dachte: »Alle. Jedes Buch. Für
mich.« Alle standen sie da und warteten.
Zum ersten Mal hatte ich einen Eindruck
davon, was ein »erfülltes Leben« sein könnte. Dieser Eindruck schlug sich aber nur bedingt in der Wahl meines ersten ausgeliehenen Buches nieder: »Die drei ??? und der
sprechende Papagei«.
Erlauben Sie mir, dieses kleine Selbstportrait als ursprünglich akzidentiel-ler Bibliotheksbesucher mit einer kurzen Episode
zu beenden. Während ich als Programmleiter des Literaturhauses in Köln arbeitete, beschloss der Rat der Stadt 2003, die
Schulbibliotheken zu schließen. Drei Mütter gründeten daraufhin ein Aktionsbündnis, in dem Eltern, Schüler, Bibliothekare
und Lehrer gemeinsam gegen die Schließung kämpften; mit viel Phantasie: Unter anderem gewannen sie für jede Schulbibliothek Kölner Schriftsteller als Paten,
so dass die Streichungspolitiker plötzlich
nicht mehr nur Zahlen vor sich hatten, sondern Gesichter, Werke, Kulturträger. Die
Schulbibliotheken blieben erhalten, die Initiative namens »Leselust statt Pisafrust«
wurde mit der Karl-Preusker-Medaille aus-
Und natürlich waren da Erzähler in unserer Familie, der beste war mein Opa. Meine
Lieblingsgeschichte war die, wie Opa eines
Tages im Zoo von einem ausgebrochenen
Löwen angegriffen wird. Mit weit aufgerissenem Maul baut sich die Bestie auf. Opa
greift ihr blitzschnell tief in den Schlund,
packt zu und zieht das Tier von links auf
rechts, so wie man einen Pullover umstülpt.
Damit war der Löwe unschädlich gemacht.
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Foto: Bibliothekartag
THOMAS BÖHM
Literaturfestival Berlin
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gezeichnet, die Verleihung fand im Literaturhaus statt, in dem sich das Aktionsbündnis von Anfang an traf.
Natürlich kennen Sie derartige Episoden.
Viele von Ihnen sind beständig mit Kürzungen oder nicht ausreichenden Mitteln konfrontiert, was umso weniger zu verstehen
ist, wenn man sieht, was Bibliotheken jeden
Tag leisten: Sie sind die Motoren der Integration, die Orte der lebenslangen Bildung,
des Zugangs zum Wissen. Sie heißen Menschen jeden Alters, jeder Herkunft, jedes
Bildungsstandes willkommen. Keine andere Institution tut soviel auf diesen Gebieten,
die immer wieder als wichtige politische
Ziele, als gesamtgesellschaftliche Aufgaben genannt werden. Wenn man dann aber
hört, dass die Öffentlichen Bibliotheken bis
heute eine »Kann-Aufgabe«, also eine freiwillige Leistung sind, muss man sich fragen, wie ernst es Politikern wirklich damit
ist, wenn sie von Integration, Bildung, Teilhabe sprechen. Vielleicht kennen die ja die
Zahlen nicht: Einer noch nicht veröffentlichten Umfrage nach geben mehr als die
Hälfte der Benutzerinnen und Benutzer der
Bibliotheken in Berlin an, dass ihre Muttersprache nicht Deutsch ist. Sollte die verschriene Parallelgesellschaft am Ende eine
Lesegesellschaft sein?
Eine bekannte Zahl: 210 Millionen Besucher nutzen jedes Jahr die Bibliotheken, die
damit noch vor den Museen die meistbesuchten Kulturinstitutionen in Deutschland
sind. Zuweilen wünscht man sich, es würde sich eine »Partei der Bibliothekennutzer«
gründen. Ich hätte nicht übel Lust, zu deren Gründung aufzurufen, zumal wenn ich
die Polemiken lese, in denen Bibliotheken
im Zeitalter des Internet grundsätzlich infrage gestellt werden, nach den Motti: Warum sich noch Wissen aus den begrenzten
Beständen der Stadtteilbibliothek holen,
wenn das World Wide Web offensteht? Warum sich überhaupt integrieren in lokale
Gemeinschaften, wenn es weltweite Communities gibt? Warum für ein Buch zahlen,
wenn ich die Datei auf einer perfiderweise
sogenannten »Tauschbörse« auch umsonst
bekommen kann? Und schließlich: Warum
noch Bibliotheken unterhalten, die – wie
ausgerechnet eine Schriftstellerin es nannte – doch bloß »Papiermuseen« sind?
Es verrät viel über ein Kulturverständnis,
wenn man das Wort »Museum« gebraucht,
um polemisch auf etwas loszugehen, das
angeblich »überflüssig« ist. Nach dieser Logik ist der Louvre nur ein Stein-, Holz-, Ölfarben und Leinwandmuseum. Den ganzen
Plunder einfach hochauflösend abfotografiert, rein ins Netz und den Laden dichtmachen. Was man da allein an Versicherungspolicen spart. Warum sich mit drei
Dimensionen rummühen, wenn es auch
zweidimensional geht? Alles schön flach.
Gerade lief der Film »Her« in den Kinos, der
durchspielt, wie es aussehen könnte, wenn
wir erstmal die richtige Emotionssoftware
für unsere Handys haben und deshalb auf
die wandelnden Gefühlsmuseen verzichten
können, die wir »Geliebte« nennen.
Die digitale Kultur hat in
unser Inneres gegriffen und
uns von Innen nach Außen
gestülpt. Und da liegen wir
jetzt: im Intimsten
beobachtbar, manipulierbar.
Das Internet, von dem behauptet wird, es
könne alles besser als Bibliotheken, ist zuallererst eine Konsumfalle. Und was wir nicht
mit Geld bezahlen, zahlen wir mit den von
Neurowissenschaftlern im Auftrag der Internetkonzerne entwickelten Angriffen auf
die Gehirnbereiche, die bei impulsiven Entscheidungen aktiv werden, um spontanes,
instinktgesteuertes Verhalten auszulösen:
»Jetzt mit einem Klick kaufen.« Da liefert
die Geschichte meines Opas eine gute Metapher: Die digitale Kultur hat in unser Inneres gegriffen und uns von Innen nach Außen gestülpt. Und da liegen wir jetzt: im
Intimsten beobachtbar, manipulierbar.
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Was dies im Detail für die Bildung, die Forschung, für Bibliotheken und Buchkultur
bedeutet, erläutern jüngst erschienene Bücher, deren Titel bereits eine gute Orientierung geben: »Present Shock: Wenn alles
jetzt passiert« von Douglas Rushkoff; die
Bücher von Roland Reuß »Fors. Der Preis
des Buches und sein Wert«, »Ende der Hypnose. Vom Netz zum Buch« sowie »Die perfekte Lesemaschine. Zur Ergonomie des
Buches« und zudem Jaron Laniers »Wem
gehört die Zukunft? Du bist nicht der Kunde der Internetkonzerne. Du bist ihr Produkt«. Erlauben Sie, dass ich Ihnen diese
Bücher nicht nur zur bereichernden Lektüre, sondern auch zur Anschaffung für Ihren
Bestand empfehle, sie könnten sich als Lebensversicherungen erweisen.
Diese Rede ist entstanden in den Räumen
verschiedener Bibliotheken: Solchen, die
ich in der Erinnerung besucht, anderen, die
ich aktuell aufgesucht habe, um zu recherchieren, vor allem aber auch, um dazusitzen und zu schauen. Davon sind mir einige Bilder und Beobachtungen geblieben,
die ich mit Ihnen teilen möchte. Das erste
Bild – ich hatte grade an einem Fenster der
Amerika-Gedenkbibliothek in Berlin Platz
genommen – war eine Mutter, die in dem
einen Arm ihr Baby trug, in dem anderen
Arm Bücher. Und um beides gleichgut tragen zu können, schloss sie die Arme. Trug
das Kind mit den Bücher und die Bücher
mit dem Kind. Die Poesie dieser Geste ist
selbsterklärend.
Das nächste, was mir auffiel – und diese Beobachtung wiederholte sich in allen Bibliotheken, die ich besuchte – war, dass es dort
eine bestimmte Bewegungsart gibt, die ich
versuchsweise als »Bibliotheken-Schlendern« bezeichnen möchte. Es handelt sich
dabei um ein gemächliches Gehen, das man
auf der Straße nicht mehr sieht. Zu dieser
Bewegungsart gehört, dass sich Menschen,
die sich zwischen den Regalen begegnen,
ansehen, sich oft auch anlächeln. Kurz, unverbindlich, aber nicht ganz sympathielos.
Meine unsystematischen Studien führten
mich zu dem Schluss, dass sich an keinem
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heimisch sind, die keine sozialen Bezienas Fansa) gewandelt hat. Auch möchte
anderen Ort Unbekannte so oft anlächeln
wie in Bibliotheken. Warum ist das so? Die- ich dem Eindruck entgegen treten, mit mei- hungen schaffen, sondern Einsamkeit und
Gleichförmigkeit.
An
ses Lächeln ist Ausdruck
dieser Stelle möchte ich
eines freundlichen, genoch einmal auf die Gegenseitigen
WahrnehIch erlebe mich nicht als Zuschauer, sondern aktiv als
genüberstellung von Inmens, das vielerorts nicht
ternet und Buchkultur
mehr stattfindet. In der
dazugehörend. Ich nehme die anderen Menschen
zu sprechen kommen,
Bibliothek können wir
dort wahr, ich erfahre die Bibliothek als Ort der
weil sie auch verknüpft
uns wahrnehmen, weil es
hier eine grundlegende
Zusammenkunft ganz unterschiedlicher Menschen, als ist mit den Veränderungen des Stadtbildes.
Gleichheit zwischen uns
Ort des Dazugehörens, als Gesellschaft in nuce.
gibt: Wir sind Suchen1984
veröffentlichte
de. Unser Status ist nicht
Paul Virilio einen Auf– wie überall anders – an
Besitz, ans Haben, und damit an das Über- nen Beobachtungen des Lächelns, Schlen- satz, dessen Titel sich schwer ins Deutsche
treffen gekoppelt. Wir sind hier, weil wir et- derns, der Kultivierung würde ich den Um- übersetzen lässt. »La ville surexposée«. Gemeint ist damit zum einen die durch das
gang in Bibliotheken romantisieren. Das ist
was nicht haben.
mitnichten der Fall. Ich wende lediglich das, »falsche elektronische Licht« der Fernseher
was die Kulturwissenschaften in den letz- und Bildschirme »überbelichtete Stadt«; in
Wir sind zudem in der Bibliothek, weil wir
uns anderen Menschen anvertrauen wol- ten Jahren unter dem Begriff der »Perfor- der die traditionellen Grenzen zwischen
Tag und Nacht, Werktag und Wochenenlen; denen, die geforscht, geschrieben, ge- manz« erforscht haben, auf die Bibliothek
de, Arbeit und Freizeit, verschwunden sind.
an. Der große Wert der Betrachtung unter
dacht haben – und an deren Werken uns die
Bibliothek teilhaben lässt. Im wahrsten Sin- dem Gesichtspunkt der Performativität be- Man kann den Titel auch übersetzen mit
ne »teilhaben«. Es gibt für mich kein sinn- steht darin, dass erkannt und beschreib- »die Stadt, die ihr Leben überaus gefährfälligeres Bild für das, was Kultur ausmacht, bar wird, dass etwas scheinbar Alltägliches, det«. Laut Virilio besteht diese Gefährdung
als das Ausleihen eines Buches in einer Bi- wie der Besuch einer Bibliothek, ein kom- darin, dass der städtische Raum seine Bebliothek. Ich erwerbe kein Eigentum daran, plexer Vorgang beständiger Wechselwir- deutung verliert »an Systeme (...), deren
kungen zwischen dem Ort des Geschehens, technologische Intensität unablässig die
es wird für eine kurze Zeit anvertraut. Ich
gesellschaftlichen Strukturen zerstört; an
muss und will mit ihm pfleglich umgehen, den dort zugleich Anwesenden und ihren
Systeme, die es ermöglichen, Objekte unHandlungen ist.
damit drücke ich meinen Respekt aus. Eine
mittelbar von einem Ort zum anderen zu
Bibliothek zu nutzen heißt, sich in Respekt
transportieren oder vielmehr zu deportieund Pflege zu üben, heißt: in einem tiefe- Indem ich den Ort Bibliothek betrete, dort
suche, wahrgenommen werde, Dateien lese, ren; eine Deportation, die zum einen Deren Sinne, sich zu kultivieren.
Bücher ausleihe... bin ich Teil der Perfor- portation von Personen innerhalb der VerWie sehr die Bibliotheken für die Ermög- manz von Kultur, von Gesellschaft. Ich erle- lagerung von Produktionsstätten ist und
zum anderen Deportation der Aufmerklichung der Teilhabe, des nicht-kommer- be mich nicht als Zuschauer, sondern aktiv
samkeit vom menschlichen Augenkontakt
als dazugehörend. Ich nehme die anderen
ziellen Zugangs zur Kultur stehen, zeigt
sich auch daran, dass sie auch zur digita- Menschen dort wahr, ich erfahre die Biblio- (…) hin zum Interface zwischen Mensch
len Welt Zugänge öffnen, kostenlose Ar- thek als Ort der Zusammenkunft ganz un- und Maschine.« Wenn Ihnen »Deportation«
beitsplätze für Internetrecherchen anbie- terschiedlicher Menschen, als Ort des Da- ein zu hartes Wort erscheint, dann schauen Sie sich einmal die Berichte über die Arzugehörens, als Gesellschaft in nuce. Darin
ten, Zugang zu Online-Katalogen, Lektüre
von digitalen Publikationen, zudem Kur- liegt eine große Bedeutung von Bibliothe- beitsbedingungen bei Amazon an, wie dort
Menschen aus anderen Ländern in die »Verken. Wie groß sie ist, erkennt man, wenn
se anbieten, diese digitalen Möglichkeiten
zu nutzen. Indem ich das erwähne, möch- man sich fragt, welche anderen Orten die- sandzentren« gebracht, dort wie Sklaven
se Erfahrungen ermöglichen. Mir fällt kei- gehalten werden.
te ich dem Missverständnis vorbeugen, mir
wäre entgangen, wie sehr sich das Berufs- ner ein; stattdessen aber zahllose, in schier
Auch darüber hinaus ist Amazon ein Beunerschöpflicher Zahl neu entstehende und
bild des Bibliothekars von der freundlichen
leg für das, was Virilio vor 30 Jahren vorumgebaute »Nicht-Orte« (Marc Augé) wie
älteren Schulbibliothekarin meiner Jugend
hin zum den »weltgewandten, kundeno- Einkaufszentren, Supermärkte, Bahnhöfe, aussah. Längst schließen Buchhandlungen,
weil sie der Internet-Konkurrenz nicht mehr
rientierten Informationsspezialisten« (Jo- Flughäfen. Orte, an und in denen wir nicht
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standhalten. Der sich ins Internet verlagernde Handel wird die Strukturen unserer Städte weiter zerstören. Weil diese
Veränderungen aber von vermeintlichen
Bequemlichkeiten verschleiert werden, und
wir uns zugleich freiwillig einer Dressur
zur Billigmentalität unterziehen, die uns
jeden Maßstab für den Wert und die Dignität von Arbeit nimmt, stehen wir diesen
Entwicklungen oft schulterzuckend gegenüber. Die Mütter damals in Köln hätten die
Schließung der Schulbibliothek auch mit
einem Schulterzucken hinnehmen können.
»Dann ist die eben weg. Es gibt ja noch die
Stadtteilbibliothek, die Zentralbibliothek,
die Unibibliothek.« Aber sie haben erkannt,
dass es auf jeden einzelnen Ort ankommt.
Und dass es auf Menschen ankommt, die
sich ihm zugehörig fühlen.
Meine Damen und Herren, in diesem Gefühl des Dazugehörens liegen das Potential
und die Zukunft für die Bibliotheken. Wie
groß der Bedarf nach solchen Orten des Zusammengehörens im Zeichen der Kultur ist,
die Zentren einer gelebten Stadtkultur sind,
zeigen die jüngsten Bibliotheksbauten oder
Umgestaltungen in Arhus, Amsterdam, Birmingham, Bremen, Stuttgart, Wien – um
nur einige zu nennen; die meisten allerdings finden sich bezeichnenderweise nicht
hen soll, dann müssen die Menschen auch
Zugang zu fundierten Informationen haben.
Konkret: Welche Stadtbibliothek hat schon
grundlegende Bestände zum Thema Städtebau. Dem Thema, das die größte Konfliktgefahr besitzt und die Politik immer wieder
in Sackgassen führt.
Lassen Sie mich aber zurückkommen zum
Gefühl des Dazugehörens. Dieses Gefühl
schließt auch Elemente ein wie Dankbarkeit; durch die Bibliothek ist man geworden, wer man ist. Oder das Gefühl der Verpflichtung; so wie ich mich um das einzelne
Buch kümmere, bin ich bereit, mich um die
Bibliothek zu kümmern. Ich glaube, dass
viele Menschen in Bibliotheken diese Gefühle empfinden, die in Besucherumfragen
nicht vorkommen, sie sind zu persönlich.
Zudem sind sie schwer in Worte zu fassen.
Diese Gefühle des Dazugehörens, der Dankbarkeit, der Verpflichtung, die ich gegenüber Bibliotheken empfinde, werden durch
die Bezeichnungen, die die Bibliothek auf
mich anwendet, nicht erreicht. Ich fühle
mich weder als »Benutzer«, noch als »Kunde«, noch als »Gast«, noch als »Besucher«...,
auch wenn ich all das sicher bin. Ich möchte
Ihnen diese Namensgebung nicht vorwerfen, mir ist trotz wochenlangem Überlegen
Die Bibliotheken nutzen den Reichtum der
Menschen nicht, die zu ihnen kommen. Der Reichtum,
der in all den Fähigkeiten liegt, die die Menschen auch
mithilfe der Bibliotheken gewonnen haben.
in Deutschland. Alle Kommunalpolitiker,
die etwas auf sich halten, sollten solche Bibliotheken besuchen, deren immensen Erfolg studieren – sofort hätten sie ein Modell
für eine Stadtentwicklung, die tatsächlich
zukunftsweisend ist. Denn wenn die Demokratie in Sachen Mitbestimmung weiterentwickelt wird, und dies gemeinsam mit
Informierten, nicht mit Wutbürgern gesche-
auch nichts Besseres eingefallen. Trotzdem:
All diese Bezeichnungen weisen für mich
darauf hin, dass die Bibliotheken nicht
wirklich wissen, was sie den Menschen bedeuten. Dementsprechend wenige Aufforderungen habe ich gefunden, mich für Ihre
Belange zu engagieren. Hier mal ein Freundeskreis, dort eine Vorlesestunde für Kinder.
Alles sinnvolle Projekte, aber sehr defensiv.
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Die Bibliotheken nutzen den Reichtum der
Menschen nicht, die zu ihnen kommen. Der
Reichtum, der in all den Fähigkeiten liegt,
die die Menschen auch mithilfe der Bibliotheken gewonnen haben. Ich weiß: Ehrenamtliche Mitarbeit in Bibliotheken ist ein
heikles Thema: Kaum findet man Freiwillige, neue Sponsoren, schon werden die Mittel weiter gekürzt. Und um ehrenamtliches
Engagement zu organisieren, bedarf es Personal. Aber: Lassen Sie uns nicht gleich an
das Geld denken.
Ideen kosten nichts. Laden Sie die Menschen ein: zum Erinnern ihrer Bibliotheksgeschichten. Verstärken Sie das Gefühl des
Zusammengehörens. Und sprechen Sie uns
ruhig an. Sie als diejenigen, die immer ansprechbar, immer hilfsbereit sind. Gehen
Sie einen Schritt weiter. Fragen Sie uns
nach unserem Wissen, wir bringen es genauso gerne ein wie Sie. Formulieren Sie,
wo Sie uns brauchen können. Lassen Sie
uns zusammen neue Geschichten erzählen und – dem Motto des Bibliothekartages
»Wir öffnen Welten« folgend – Welten des
Zusammengehörens öffnen.
Bremen bietet dafür eine wunderbare Inspiration, weil mit der Stadt eine Geschichte
verbunden ist, die davon handelt, dass Wesen mit ganz unterschiedlichen Fähigkeiten
sich zusammentun, um eine Idee zu verfolgen. Diese Idee verwirklichen sie nicht, aber
am Ende haben sie ein Haus, einen Ort, der
ihren ganz unterschiedlichen Bedürfnissen
gerecht wird. Die Gebrüder Grimm haben
ihren Lesern vertraut, deshalb haben sie
diesen Ort nicht weiter beschrieben und vor
allem das Detail weggelassen, von dem sie
wussten, dass die lesende Phantasie es ergänzt. Und zwar wie folgt. »Von nun an getrauten sich die Räuber nicht weiter in das
Haus. Die vier Bremer Stadtmusikanten jedoch entdeckten darin einen Raum voller
Bücher. Und bald schon kamen die Tiere
des Waldes zusammen, um dort bei den Büchern zu verweilen und zu lesen. Und allen
gefiel es so wohl darin, dass sie nicht wieder heraus wollten.«
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IM FOKUS /
›› IM FOKUS: DISCOVERY SERVICES
EINE EINFÜHRUNG IN DIE WELT DER
DISCOVERY SERVICES
Warum geben Bibliotheken Geld für einen kommerziellen Discovery Service aus? Was ist überhaupt ein Discovery Service und wovon genau profitieren eigentlich unsere Benutzer? Der folgende
Beitrag versucht diese Fragen anhand eines Fallbeispiels zu beantworten, das sich so vermutlich
täglich mehrfach in unserer Bibliothekslandschaft abspielt. Am Beispiel der Universitäts- und
Stadtbibliothek (USB) Köln wird abschließend aufgezeigt, wie sich ein Discovery Service in das eigene Webangebot integrieren lässt.
Endanwender, die durch Internetsuchmaschinen und Online-Shops
geprägt sind, finden erst seit einigen Jahren Berücksichtigung. Viele Online-Kataloge gleichen daher auch heute noch eher einem Inventarverzeichnis als einer Literatursuchmaschine.
PETER KOSTÄDT
Universitäts- und Stadtbibliothek Köln
DIE TIEFEN DES DEEP WEB
FALLSTRICKE DER LITERATURSUCHE
Max Mustermann studiert Physik im dritten Semester. Er ist auf der
Suche nach einem populärwissenschaftlichen Aufsatz über Schwarze Löcher, den seine Professorin in der letzten Vorlesung erwähnt hat.
Erscheinungsjahr und Heftnummer hat er sich leider nicht notiert, er
hat aber von einem Kommilitonen erfahren, dass der Aufsatz in elektronischer Form über das Campusnetz abgerufen werden kann. Die
Webseite der Bibliothek kennt Max Mustermann bereits, da er regelmäßig Lehrbücher ausleiht. Mit dem seltsamen Begriff »Web-OPAC«
kann er zwar nach wie vor nichts anfangen, er weiß aber mittlerweile, dass er dort nach der Literatur suchen kann, die in der Bibliothek
vorhanden ist. Den Aufsatz über Schwarze Löcher findet er dennoch
nicht, obwohl er den Aufsatztitel korrekt eingegeben hat.
Die Überführung der Zettelkataloge in weltweit frei zugängliche
Online-Kataloge zählt sicherlich zu den größten Errungenschaften
der Bibliotheksautomatisierung. Seit den ersten Implementierungen in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden die
Programmfunktionen der »elektronischen Zettelkästen« kontinuierlich ausgebaut. Die Weiterentwicklung der Katalogsysteme orientierte sich jedoch mehr als 30 Jahre lang überwiegend an bibliothekarischen Anforderungen. Die Nutzungsgewohnheiten der
Max Mustermann muss in der Bibliothek ein ausgeliehenes Buch zurückgeben. Er nutzt die Gelegenheit, um an der Info-Theke nach dem
Aufsatz über Schwarze Löcher zu fragen. Die freundliche Bibliothekarin erklärt ihm, dass man im Katalog nicht nach Aufsatztiteln, sondern lediglich nach Buch- und Zeitschriftentiteln suchen kann. Sie
zeigt ihm auf der Bibliothekswebseite den Menüpunkt »Datenbanken«,
der eine Vielzahl von unterschiedlichen Aufsatzdatenbanken auflistet, die nach Fachgebieten geordnet sind. Die umfangreiche Auflistung
wirkt auf Max Mustermann eher abschreckend. Er fragt sich, warum man die auf über hundert Fachdatenbanken verstreuten Literaturnachweise nicht auch über eine Internetsuchmaschine, wie z. B.
Google, finden kann.
Die über Fachdatenbanken bereitgestellten Inhalte liegen überwiegend im Deep Web. Das Deep Web bezeichnet den Teil des Internets, der den Datensammlern der Internetsuchmaschinen, den
sogenannten Crawlern, verborgen bleibt. Beispiele sind Informationen aus Datenbanksystemen, die dynamisch durch Suchanfragen generiert werden, oder Inhalte, die nicht frei zugänglich sind
und daher mit einem IP- oder Passwortschutz versehen sind. Die
Datenmenge des Deep Webs ist weitaus größer als die des Visible
Webs, das über die Internetsuchmaschinen erschlossen wird. Das
Web wird daher gerne mit einem Eisberg verglichen, dessen größ-
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ter Teil unterhalb der Wasseroberfläche liegt. Lediglich die Spitze
des Eisbergs ist sichtbar und kann daher über Google, Bing und Co
durchsucht werden.
Natürlich hat Max Mustermann bereits versucht, den Aufsatz über
Google zu bekommen. Er ist auch direkt fündig geworden, da der Verlag die in seiner Zeitschrift publizierten Beiträge auf einer Webseite
auflistet, die für jedermann – und somit auch für die Crawler – frei
zugänglich ist. Die Aufsätze liegen sogar in elektronischer Form vor,
Max Mustermann hat aber keine Zugriffsrechte und das teure Payper-View-Angebot kommt für ihn als Student nicht in Frage. Die Verlagsseite stellt daher für ihn eine Sackgasse dar. Er erfährt weder, dass
seine Bibliothek die Zeitschrift in Printform besitzt, noch, dass die Bibliothek im Uni-Netz einen Zugriff auf die Volltexte über einen Aggregator bietet. Max Mustermann folgt daher dem Tipp der Bibliothekarin und klickt sich durch die Liste der Fachdatenbanken. Erstaunlich,
was man hier alles findet. Dennoch gelingt es ihm nicht, die Datenbank zu finden, die den gesuchten Aufsatz nachweist. Drei Datenbanken von verschiedenen Anbietern hat er bereits ausprobiert, und jedes
Mal hat es eine Zeit gedauert, bis er sich in der jeweiligen Suchoberfläche zurechtgefunden hat. Ideal wäre daher aus seiner Sicht ein System, über das man alle Datenbanken gleichzeitig durchsuchen kann.
METASUCHSYSTEME
filter zur nachträglichen Einschränkung der Ergebnisse, die er von
seinen Einkäufen bei Amazon und eBay kennt. Und es kommt noch
schlimmer: Den Aufsatz »Schwarze Löcher aus der Urzeit« kann er
auch in der DigiBib nicht finden (was daran liegt, dass er mit den Begriffen »Schwarzes Loch Urzeit« gesucht hat).
DISCOVERY-SYSTEME
Mit den Discovery Services sind vor ein paar Jahren neue Produkte auf den Markt gekommen, die eine schnelle und komfortable
Suche in den bibliotheksrelevanten Inhalten des Deep Web bieten.
Die Idee dabei ist, die Daten aus den verschiedenen Quellen einzusammeln und in einem zentralen Suchmaschinenindex zusammenzuführen. Dies garantiert kurze Antwortzeiten und ermöglicht
darüber hinaus ein Relevanzranking der Treffer sowie die Möglichkeit, die Suchergebnisse über Facetten per Mausklick einzugrenzen
(Drill-Down). Aufgrund des hohen Aufwands, der mit der Aggregation und Indexierung der heterogenen Daten aus den verschiedensten Informationsquellen verbunden ist, haben sich am Markt nur
wenige Anbieter von Discovery-Systemen etabliert, die mit ihren
Produkten eine vollständige Content-Abdeckung anstreben:
››Ebsco Discovery Service (Ebsco Information Services)
›› Primo Central (Ex Libris Group)
›› Summon (ProQuest)
››WorldCat Discovery (OCLC)
Die Realisierung einer parallelen Suche in Katalogen und Fachdatenbanken war Ziel des mit Landesmitteln geförderten Projekts Digitale Bibliothek NRW (DigiBib), das von 1998 bis 1999 unter der
Projektleitung der UB Bielefeld durchgeführt wurde. Seit 2000 liegt
die Geschäftsführung beim Hochschulbibliothekszentrum (HBZ)
des Landes Nordrhein-Westfalen, das sich um den Betrieb und die
Weiterentwicklung des Systems kümmert. Die DigiBib wurde ursprünglich als Metasuchsystem konzipiert: Eine vom Nutzer eingegebene Suchanfrage wird im Hintergrund über ein Softwaremodul
an die verschiedenen Zieldatenbanken weitergeleitet. Die Suchergebnisse werden an das Softwaremodul zurückgeliefert, in ein einheitliches Metadatenformat konvertiert und zu einer Ergebnisseite zusammengefasst. Mit einer Anfrage lassen sich auf diese Weise
verschiedene Informationsquellen gleichzeitig durchsuchen, ohne
dass der Endnutzer das Suchinterface wechseln muss.
Max Mustermann hat mittlerweile entdeckt, dass auch seine Bibliothek einen Recherchezugang über die DigiBib anbietet. Die Oberfläche ist an das Layout der Hochschule angepasst und sogar für die Nutzung über Smartphones optimiert. Vom Suchkomfort der Metasuche
ist Max Mustermann allerdings nicht gerade begeistert. Die Datenbanken haben teilweise recht lange Antwortzeiten, die Ergebnisse werden daher in separaten Trefferblöcken angezeigt. Hinzu kommt das
Problem, dass die Sortierung der Treffer nicht einheitlich ist. Er würde gerne alles nach Relevanz sortieren lassen. Zudem fehlen die Such-
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IM FOKUS /
Max Mustermann
macht sich auf die
Suche nach einem
Aufsatz über Schwarze
Löcher.
Die Indizes der kommerziellen Discovery Services umfassen mehrere hundert Millionen Dokumente. Sie werden komplett von den
jeweiligen Anbietern gehostet, so dass die lokale Installation von
Software auf Seiten der Bibliotheken ebenso entfällt wie das regelmäßige Einspielen von Datenaktualisierungen. Hinsichtlich der Benutzeroberfläche ergeben sich für die Bibliotheken aus NRW verschiedene Optionen:
1. Nutzung der Suchoberfläche des Anbieters des
Discovery-Systems
2.Integration des Discovery-Systems in die DigiBib
3.Integration des Discovery-Systems in ein lokales Portal
Bei der Option 1 entsteht für die Bibliothek keinerlei Implementierungsaufwand, da die Suchoberfläche vom Anbieter gehostet wird.
Eine Anpassung der Oberfläche an das Corporate Design der eigenen Einrichtung ist dafür jedoch nur begrenzt möglich. Gleiches gilt
für die Option 2, bei der die Funktionen des Discovery-Systems vom
HBZ über eine Programmierschnittstelle (API) in die DigiBib-Ober-
flächen eingebunden werden. Durch die Integration in die DigiBib
ergeben sich allerdings mehrere Vorteile, wie z. B. die nahtlose
Verknüpfung mit der Online-Fernleihe und den lokalen Bestell- und
Kontofunktionen. Ein Beispiel für Lösung 1 findet sich in der WHUBibliothek, deren Online-Katalog mit einem separaten Sucheingabefeld ausgestattet wurde, das die Nutzer in die Suchoberfläche des
Ebsco Discovery Service führt.(1) Beispiele für Lösung 2 sind die DigiBib-Sichten der FHB Aachen(2), FHB Köln(3), FHB Münster(4) und UB
Wuppertal(5), in denen jeweils über einen separaten Reiter die Suchergebnisse des Ebsco Discovery Service parallel zu den Katalogtreffern angeboten werden. Die Option 3, die für die Bibliothek mit
der größten Flexibilität und dem höchsten Aufwand verbunden ist,
bietet die Möglichkeit der nahtlosen Integration des Discovery-Index in das eigene Suchportal. Anwendungsbeispiele hierfür liefern
die Webangebote der UB Bielefeld (Ebsco Discovery Service)(6), UB
Bochum (Testphase mit Ebsco Discovery Service und Summon)(7),
ULB Bonn (Summon)(8), UB Dortmund (Summon)(9), UB DuisburgEssen (Primo Central)(10), ULB Düsseldorf (Primo Central)(11), USB
Köln (Ebsco Discovery Service)(12), ULB Münster (Primo Central)(13)
und UB Paderborn (Primo Central)(14).
Verschiedene Ansätze existieren auch für das Zusammenspiel zwischen dem Discovery-Index und den lokalen Katalogdaten. Primo
Central wird in NRW bislang ausschließlich von Bibliotheken genutzt, die von Ex Libris auch das Suchportal Primo lizenziert ha-
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Foto: shutterstock
WorldCat Discovery löst die bisherigen OCLC-Produkte FirstSearch
und WorldCat Local ab, die in Deutschland bislang nicht vertrieben
wurden. Ebsco Discovery Service, Primo Central und Summon sind
dagegen schon seit einigen Jahren auf dem deutschen Markt erhältlich. Die Systeme werden daher auch bereits von einigen Hochschulbibliotheken in NRW eingesetzt.
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ben. Primo wird von der Bibliothek oder einem Dienstleister, wie
z. B. dem Kooperativen Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg
(KOBV), betrieben. Die Katalogdaten liegen dabei in einem lokalen
Suchmaschinenindex, der mit dem zentral gehosteten Primo-Central-Index bei einer Recherche zusammengeschaltet werden kann.
Bei den Produkten Ebsco Discovery Service und Summon ist eine
übergreifende Suche nur dann möglich, wenn die Katalogdaten zuvor von Ebsco bzw. ProQuest mit in den zentralen Discovery-Index
eingespielt wurden.
Die Frage, inwieweit die Einbeziehung der lokalen Katalogdaten
sinnvoll ist, wird von den Bibliotheken vor dem Hintergrund der
jeweiligen Rahmenbedingungen unterschiedlich beantwortet. Aufgrund der fehlenden Normdatenanbindung und der heterogenen
Sacherschließung von Aufsatzdaten haben sich die Bibliotheken
teilweise dafür entschieden, getrennte Ergebnislisten für die Treffer aus dem Katalog und dem Discovery-Index anzubieten. Unterschiedliche Herangehensweisen existieren auch in Bezug auf die
Content-Abdeckung: Bei einem Teil der Bibliotheken enthält das
gewählte Indexprofil des Discovery-Systems nur die Inhalte, die
von der Bibliothek in gedruckter oder elektronischer Form vorgehalten werden. Für den anderen Teil der Bibliotheken soll der Discovery-Index dagegen die Möglichkeit einer globalen Suche bieten,
die möglichst viele Quellen abdeckt. Die Zugriffsoptionen werden
dabei erst im zweiten Schritt über einen Link-Resolver ermittelt,
der die Nutzer bei fehlendem lokalem Bestand zur Fernleihe weiterleitet.
Max Mustermann ist am Wochenende zu Besuch bei seiner Freundin Erika, die in Köln studiert. Erika zeigt ihm das Webangebot der
Universitäts- und Stadtbibliothek, auf der sich direkt auf der Startseite ein Sucheingabefeld befindet, über das man auch nach Aufsätzen suchen kann. Eine Recherche mit den Begriffen »Schwarzes Loch
Urzeit« bringt hier in Sekundenschnelle Treffer aus dem Ebsco Discovery Service, unter denen sich der gewünschte Aufsatz mit dem Titel »Schwarze Löcher aus der Urzeit« findet. Bei der Suche in den
mehreren hundert Millionen Dokumenten aus zahlreichen Fachdatenbanken werden also automatisch verschiedene Wortformen der Suchbegriffe mit abgesucht. In der Detailanzeige bekommt Max Mustermann einen Link angeboten, der ihn unmittelbar zum Volltext des
gewünschten Artikels führt. Er ist also bereits nach drei Klicks am Ziel.
DAS SUCHPORTAL DER USB KÖLN
Die USB Köln betreibt seit 2009 ein Webportal, welches die allgemeinen Informationen der Bibliothek mit den vielgenutzten Such-,
Bestell- und Kontofunktionen unter einer Oberfläche vereint.(15)
Das Portal basiert auf dem Open Source Content Management System ZMS und auf der Software IPS des HBZ, die auch für die DigiBib zum Einsatz kommt.
60.000
50.000
40.000
30.000
20.000
10.000
0
08.2011
01.2012
06.2012
01.2013
06.2013
Abb. 1: Nutzung des Ebsco Discovery Service im Portal der USB Köln (Zahl der Suchanfragen)
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01.2014
06.2014
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IM FOKUS /
Zentrales Element der Startseite ist ein Suchschlitz, der die Recherche in den meistgenutzten Suchprofilen ermöglicht:
›› Suchprofil »USB«: Suchmaschinenindex mit 3,5 Millionen Katalognachweisen der USB Köln und der gemeinsamen Fachbibliotheken. Der Index beinhaltet darüber hinaus Nachweise von
rund 3 Millionen gemeinfreien E-Books und Digitalisaten sowie
mehreren tausend ausgewählten Print- und E-Medien aus dem
Buchhandel, die von authentifizierten Benutzern im Namen der
Bibliothek bestellt werden können (Patron-Driven-Acquisition).
›› Suchprofil »Uni«: Suchmaschinenindex mit den Daten des Profils »USB« und den Katalogdaten der Instituts- und Seminarbibliotheken der Universität zu Köln.
›› Suchprofil »Köln«: Kataloge von zehn Kölner Bibliotheken, die
größtenteils nicht im HBZ-Verbundkatalog enthalten sind und
daher über eine Metasuche zusammengeführt werden.
›› Suchprofil »Deutschland«: Metasuchprofil mit den Katalogen
der sechs deutschen Bibliotheksverbünde, der Deutschen Nationalbibliothek, der Zeitschriftendatenbank und der Bibliotheken
der Universität zu Köln.
›› Suchprofil »nur Zeitschriften«: Metasuchprofil mit den Katalogen der Elektronischen Zeitschriftenbibliothek (EZB) und der
Zeitschriftendatenbank (ZDB).
›› Suchprofil »Aufsätze & mehr«: Suchmaschinenindex des Ebsco Discovery Service mit Nachweisen von mehreren hundert
Millionen Artikeln aus Fachzeitschriften, Zeitungen und Büchern.
Die sechs Suchprofile werden in der einfachen Suche über Radionbuttons (»Optionsfelder«) angeboten, d. h. eine Mehrfachauswahl bzw. eine gleichzeitige Recherche in allen Datenquellen ist
hier nicht möglich. Dies ist im Wesentlichen der Tatsache geschuldet, dass aktuell noch kein Discovery- bzw. Suchmaschinenindex
existiert, der die Daten sämtlicher Bibliotheks- und Verbundkataloge zusammenführt. Die USB hat sich daher zunächst bewusst gegen eine Einspeisung der eigenen Katalogdaten in den DiscoveryIndex entschieden.
Die USB Köln bietet ihren Nutzern den Ebsco Discovery Service
(EDS) seit Mitte 2011 an.(16) Abbildung 1 zeigt den kontinuierlichen Anstieg der Nutzung in den vergangenen drei Jahren. Die dargestellten Balken entsprechen jeweils der Anzahl der monatlichen
Suchanfragen, die über das Profil »Aufsätze & mehr« im USB-Portal abgesetzt wurden. Wie sich zeigt, ist die Nutzung in den letzten
drei Jahren um den Faktor fünf angestiegen. Im Mai 2014 wurden
erstmals mehr als 60.000 Suchanfragen an den Discovery Service
abgesetzt, die Anzahl der Einzeltrefferaufrufe lag in diesem Monat
bei 36.000, die Zahl der Volltextklicks bei ca. 19.000.
Stichproben zeigen, dass die Nutzung der Fachdatenbanken über
die originären Suchoberflächen der Provider in den vergangenen Jahren in etwa gleich geblieben ist. Der Discovery-Index ersetzt also nicht das Fachdatenbankangebot mit seinen individuellen, komplexen Suchmöglichkeiten, sondern bietet gerade für die
Studierenden einen einfachen und schnellen Einstieg in die Welt
der Fachinformationsrecherche.
ENDNOTEN
1. h ttp://heine.bib.whu.edu/webOPACClient/start.do
2. www.digibib.net/?LOCATION=A96
3. www.digibib.net/Digibib?LOCATION=832
4. www.digibib.net/Digibib?LOCATION=836
5. www.digibib.net/Digibib?LOCATION=468
6. http://ub.unibi.de/bkat
7. https://suchen.ub.rub.de
Die Trennung der Suchprofile hat aber auch noch einen anderen
Grund: Die Studierenden, die den Großteil der Nutzung verursachen, haben gerade in den ersten Semestern ausschließlich Interesse an (Lehr-) Büchern. Insgesamt 85 % der über die Startseite
des USB-Portals gestellten Suchanfragen entfallen daher auf die
Katalogprofile »USB« (52 %), »Uni« (19 %), »Deutschland« (8 %)
und »Köln« (6 %). Um die Nutzer auch bei einer Katalogsuche auf
die von der USB lizenzierten Volltextartikel aufmerksam zu machen, werden sämtliche Suchanfragen im Hintergrund an den Discovery-Index geschickt. Sofern dort Ergebnisse mit Volltextzugriff
gefunden werden, wird ein entsprechender Hinweis am Rand der
Katalogtrefferliste eingeblendet, der mit den Ergebnissen des Suchprofils »Aufsätze & mehr« verlinkt ist.
8. http://bonnus.ulb.uni-bonn.de
9. www.ub.tu-dortmund.de/katalog
10. http://primo.ub.uni-due.de
11. http://katalog.ulb.hhu.de
12. http://www.ub.uni-koeln.de
13. http://disco.uni-muenster.de
14. https://katalog.ub.uni-paderborn.de
15. Kostädt, Peter: Alles unter einem Dach. Das neue Webportal der USB Köln.
In: ProLibris, 4 (2009) S. 160-163. www.bibliotheken-nrw.de/fileadmin/Dateien/Daten/
ProLibris/ProLibrisPDF/2009/2009-4.pdf
16. Kostädt, Peter: Einsatz und Nutzung des Ebsco Discovery Service in der Universitäts- und
108
Stadtbibliothek Köln. In: ABI-Technik 32 (2012) 3, S. 122-127.
http://dx.doi.org/10.1515/abitech-2012-0025
3 /14
FHB AACHEN, KÖLN UND MÜNSTER
ENTWICKELN IHR SUCHPORTAL
ANDREA STÜHN
Fachhochschulbibliothek
Aachen (1)
Bibliotheken möchten ihren Nutzerinnen und Nutzern einen komfortablen Zugriff auf unterschiedliche digitale Informationsressourcen bieten – nicht nur auf
den Bibliothekskatalog. Discovery-Systeme
unterstützen dieses Ziel, indem sie die Integration verschiedenster Datenquellen in
einem gemeinsamen Index ermöglichen.
Die Hochschulbibliotheken der Fachhochschulen Aachen, Köln und Münster führen
in Kooperation mit dem Hochschulbibliothekszentrum (HBZ) ein Pilotprojekt durch,
um den Sucheinstieg in die Informationsressourcen der Bibliotheken erheblich zu
erleichtern.
BEDIENERFREUNDLICHER ZUGANG
Seit einigen Jahren sind Bibliotheken weltweit bemüht, ihren Nutzern einen schnellen und bedienfreundlichen Zugang zu
einer immer größer werdenden Zahl heterogener Informationsressourcen zu bieten. Der Bibliothekskatalog verweist in
der Regel nur auf einen Teil der zugänglichen Ressourcen, nämlich Monographien und Zeitschriftentitel, nicht aber Aufsätze. Weitere lizenzierte digitale Quellen,
darunter vielfach Volltexte, werden oft getrennt nachgewiesen und müssen separat
durchsucht werden. Wunsch der Bibliotheken ist es, dass möglichst viele digitale Ressourcen von den Nutzern gemeinsam
mit den gedruckten Beständen durchsucht
und »entdeckt« werden können. Um die-
sem Bedarf gerecht zu werden, entstanden in den vergangenen Jahren sogenannte Discovery-Systeme: Mit Einbindung der
Suchmaschinentechnologie werden große
Mengen unterschiedlichster bibliographischer Daten, vor allem Metadaten von Zeitschriftenaufsätzen, E-Journals und E-Books,
aber auch Volltexte über einen Index, der
die Inhalte normiert und erschließt, durchsuchbar gemacht. Es gibt eine Ergebnisliste
für alle Quellen. Die Vorteile liegen in der
schnelleren Verfügbarkeit von Suchergebnissen, in einem Relevanzranking und der
Möglichkeit der Filterung (Facettierung)
sowie der Erzeugung von Rechtschreibvorschlägen (»Meinten Sie...?).
Die Autoren von hochschulpolitischen Strategiepapieren fordern seit Jahren eine
professionellere Inhaltserschließung der
wissenschaftlichen Quellen durch die Bibliotheken und Verbundzentralen.(2) Man
verspricht sich von dem Einsatz auch eine
verbesserte Nutzung von E-Ressourcen,
da sie über diese Systeme besser auffindbar sind. Auch die Nutzerforschung zeigt,
was die Bibliothekskunden erwarten: eine
einfache Einschlitzsuche à la Google oder
Amazon mit Rechtschreibkorrektur, ein
speicherbares Suchprofil zur Individualisierung der Suche, schnelle Antwortzeiten,
relevante Treffermengen, die man filtern
kann, und möglichst den direkten Zugriff
auf die Volltexte bzw. eine Auskunft über
die Verfügbarkeit der gewünschten Texte
und Werke.
Es gibt eine Vielzahl von Wegen, die zum
Ziel führen. Zwei grundsätzliche Vorgehensweisen kann man unterscheiden: Die
Suche in einem großen Index, bestehend
aus eigenen Katalogdaten und externen
Daten, mit der Präsentation in einer ein-
109
zigen Ergebnisliste. Das entspricht weitgehend der Google-Suche. Der Nachteil dabei
ist, dass Trefferlisten sehr lang und unübersichtlich werden. Es ist bekannt, dass Nutzer bei langen Trefferlisten maximal die
ersten drei Seiten anschauen. Trennt man
hingegen die Suchen in Katalogsuche und
eine Suche über alles Andere, hat dies den
Vorteil, dass der Nutzer zwischen zwei Ergebnislisten wählen kann, der sogenannten
»2-Reiter-Lösung«.
Neben der oben genannten Variation ist darüber hinaus auch eine Entscheidung bezüglich der Benutzeroberfläche zu treffen,
über die die Ergebnisse angezeigt werden.
Es kann eine Oberfläche sein, die vom Anbieter der Suchmaschine kommt; mit einer
entsprechenden finanziellen Ausstattung
kann man damit ein »Rundum-Sorglos-Paket” von einem Anbieter erwerben. Man
kann aber auch die eigenen Daten mittels
einer Open-Source-Software (z. B. VuFind)
selbst indexieren und eine eigene Oberfläche dazu entwickeln. Dafür bräuchte man
dann entsprechendes Know-how und personelle Ressourcen in der eigenen Einrichtung. Oder man nutzt eine Oberfläche, die
es schon gibt und die für diese Anzeigen
weiter entwickelt wird, wie beispielsweise die DigiBib vom Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen
(HBZ).
AUSGANGSLAGE
Die drei Fachhochschulbibliotheken Aachen, Köln und Münster gehören mit jeweils 12.000 bis 23.000 Studierenden zu
den größten Fachhochschulen im Land.
Alle drei Bibliotheken sind als Bibliothekssystem mit mehreren Zweigstellen organisiert. Die Ausstattung mit Personal und
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IM FOKUS /
Finanzen erreicht aber nicht die Größenordnung, wie sie ähnlich große Universitätsbibliotheken vorweisen können. Angesichts der begrenzten personellen und
finanziellen Möglichkeiten haben sich die
drei Bibliotheken bereits 2009 mit der Verbundzentrale in NRW, dem HBZ, zusammengeschlossen, um auf der Basis der
vorhandenen Software der Digitalen Bibliothek NRW (DigiBib) eine für alle Seiten finanziell überschaubare und auch personell
durchführbare gemeinsame Discovery-Lösung anbieten zu können.
Angesichts der geschilderten Rahmenbedingungen haben wir uns – wie die allermeisten Bibliotheken – für die parallele
Suche in Katalog- und Indexdaten entschieden und für die sogenannte 2-Reiter-Lösung. Die Reiter heißen in Aachen »Katalog« und »Mehr«, in den anderen beiden
Bibliotheken »Bücher und mehr« und »Aufsätze und mehr«. Die lokalen Bibliotheksbestände, also der klassische OPAC, wird vom
HBZ aus den Verbundkatalogdaten für jede
Bibliothek gefiltert und soll zukünftig über
eine vom HBZ auch schon in anderen Zusammenhängen eingesetzte Suchmaschine namens Elastic Search indexiert werden. Die sonstigen Datenquellen bestehend
aus lizenzierten Materialien wie Volltextdatenbanken, elektronischen Zeitschriften, E-
Books, aber auch frei verfügbaren digitalen
Ressourcen, wie z. B. Hochschulrepositorien etc., werden über den kommerziellen
Suchindex EDS erschlossen. Der Sucheinstieg und sämtliche Suchergebnisse werden unter der Benutzeroberfläche der DigiBib angezeigt. Die DigiBib-Oberfläche ist
seit Jahren bei unseren Nutzern bekannt
und bietet jeder der drei Bibliotheken ein
individuelles Portal, mit Einbindung in das
jeweilige Corporate Design der Hochschule
unter einem einheitlichen Dach.
BISHER VOLLZOGENE SCHRITTE
Ein erster Schritt hin zu solch einem Portal
unter der Suchoberfläche der DigiBib war
die Einbindung von Lokalsystem-Funktionalitäten in diese Metasuchmaschine. Das
heißt, dass die Anzeige sämtlicher lokaler Ausleih- und Benutzerdaten in die DigiBib integriert werden musste. Eingebunden wurden die Funktionen Ausleihstatus
der Medien (auch in Abhängigkeit von der
Zweigstellensicht), Vormerkungs- und Bestellmöglichkeiten sowie sämtliche Informationen aus dem persönlichen Benutzerkonto. Da alle drei Partner das Lokalsystem
SISIS SunRise von OCLC betreiben, konnte hier eine gemeinsame Lösung gefunden werden. Voraussetzung dafür war die
Schnittstellensoftware XSLNP von OCLC,
die für den Datentransport vom Lokalsystem in die DigiBib sorgt. DigiBibIntrO
konnte in der zweiten Jahreshälfte 2012 in
den Produktivbetrieb gehen. Dies geschah
zunächst ohne begleitende Werbeaktion.
Lokaler Katalog und DigiBib mit Lokalsystemfunktion laufen derzeit noch parallel.
Es ist beabsichtigt, dass das HBZ die Katalogdaten der beteiligten Bibliotheken in
ihre Suchmaschine (Elastic Search) einbindet, um die jetzige Anbindung über Z39.50
zu ersetzen. Eine besondere Problematik
stellen hier Bestände dar, die nicht im Verbundkatalog nachgewiesen sind. Diese Bestände müssen derzeit von den Bibliotheken zur Indizierung nachgeliefert werden.
Ein nächster Schritt war die Auswahl eines
kommerziellen Suchindexes, der ein möglichst großes Spektrum der von den beteiligten Bibliotheken lizenzierten Datenquellen verzeichnet. Dazu haben die beteiligten
Partner die Marktangebote gesichtet. Zur
Auswahl standen Primo Central der Firma
Exlibris, Ebsco Discovery Service (EDS) der
Firma Ebsco sowie Summon der Firma ProQuest. In einem längeren Prozess wurden
diese verschiedenen Discovery-Produkte
im Hinblick auf ihre Eignung für eine zentrale Lösung evaluiert – unter anderem auch
das Ebsco System EDS, welches schließlich
Ende 2013 ausgewählt wurde. Der Abdeckungsgrad der von Ebsco angebotenen Inhalte entsprach weitestgehend den jeweils
lokal lizenzierten Inhalten der beteiligten
Hochschulen.
Ein Portal aufzubauen, ist keine kurzfristige Entscheidung. Ist das Portal einmal eingerichtet, sollte es auch langfristig laufen.
Das bedeutete für die Bibliotheken, Finanzierung und Betreuung langfristig sicher zu
stellen. Die Pilotbibliotheken haben daher
Ende 2013 einen dreijährigen Lizenzvertrag mit dem Anbieter abgeschlossen.
Nachdem die Entscheidung gefallen war,
galt es, den Index möglichst schnell auch
den Benutzern produktiv anbieten zu können. Dafür musste das HBZ die Einbindung
So stellt sich die Suche für den Nutzer der FHB Aachen dar.
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nur wenige Treffer gibt, möchte der Nutzer
beispielweise alle Sprachausgaben wählen
können, die er versteht. Diese Möglichkeit
gibt es im EDS-Index, sie wurde aber noch
nicht in die DigiBib übernommen.
von EDS in die DigiBib programmieren, die
Bibliotheken äußerten dabei ihre Wünsche
zu Funktionalitäten und Design. Die Bibliotheken mussten festlegen, ob der komplette Ebsco-Index durchsucht werden soll oder
nur bestimmte Datenbanken. Alle drei Bibliotheken haben sich – um die Treffermenge nicht zu unübersichtlich werden zu lassen – auf Datenbanken mit überwiegend
deutschen und englischen Inhalten beschränkt und auch andere Verbundkataloge
(angeboten wurden BVB und GVK) ausgenommen, da sie überwiegend Print-Monographien enthalten, auf die unsere Benutzer nicht direkt zugreifen können. Relativ
viel Zeit wurde darauf verwendet, in Ebsco einzutragen, auf welche Daten Zugriff
besteht, um damit die Facette »Ist online
verfügbar« möglichst gut steuern zu können. Unter anderem werden dafür regelmäßig Abzüge der Bestände aus der Elektronischen Zeitschriftenbibliothek (EZB) und
E-Book-Bestände aus dem Katalog an Ebsco geliefert. Damit wird es ermöglicht, dass
in der Trefferliste Direktlinks auf die zugehörigen Volltexte angezeigt werden.
Seit März 2014 ist die EDS-Suchmaschine
produktiv. Realisiert ist bis jetzt Folgendes:
Die EDS-Trefferlisten lassen sich unter dem
zweiten Reiter nach Relevanz oder auf- und
absteigend nach Erscheinungsjahr (auch
Zeiträumen) sortieren. Relevanz ist definiert nach der Häufigkeit, in der der Suchbegriff in den Metadaten erscheint. Die
angezeigte Treffermenge kann man dann
nach folgenden Facetten filtern: Zeige nur
Online Verfügbares, Art der Quelle, Thema
(Schlagwörter), Verlag, Publikation, Sprache und Inhaltsanbieter. Alternativ ist es
möglich, die »Suche auch in Volltexten« zuoder abzuschalten, um dadurch die Treffermenge zu erweitern oder einzuschränken.
Derzeit ist das Portal noch nicht vollständig umgesetzt. Die lokalen Bestände werden noch mit Z39.50 durchsucht und erlauben keine Filterung. Hingegen ist die Suche
in den externen Quellen aktiv. Auch hier
wird kontinuierlich an Verbesserungen ge-
AKZEPTANZ DES NEUEN ANGEBOTS
Neben etlichen Einzelschulungen wurden
an der FH Aachen im Sommersemester in
zwölf Seminarveranstaltungen im Bachelorstudium, in vier Veranstaltungen zum
Wissenschaftlichen Arbeiten, in einem Masterkurs und in einer Professorenversammlung eines Fachbereichs der hier so genannte »Katalog plus« vorgestellt. Das Urteil der
Nutzer ist überwiegend positiv. Gerade den
Studierenden der ersten Semester lässt sich
das neue System sehr gut vermitteln. Diese sind begeistert, und für ihren Literaturbedarf reicht das bisherige Portal auch vollkommen aus. Bei den »Suchexperten« in
dem Masterkurs und in der Professorenrunde wurden natürlich sofort die zur Einschränkung noch fehlenden Suchwerkzeuge bemängelt.
Über die Einschränkungen kann gezielt
weitergesucht werden.
arbeitet. So muss z. B. der Weg zum Volltext noch transparenter werden. Denn aufgrund der riesigen zusammengewürfelten
Datenbankpakete fehlt in der Vollanzeige eines Treffers häufig der Volltextlink, so
dass man derzeit am besten über den Button »Wie komme ich dran?« zum Volltext
kommt. Ein zentraler Wunsch der Bibliothekare ist die Möglichkeit, mehrere Facetten gleichzeitig auszuwählen. Wenn es
111
Ein Fazit des bisher Erreichten zieht eine
Informationsbibliothekarin der FH Aachen:
»Abschließend kann ich sagen, dass wir bislang viel positives Feedback erhalten haben.
Wir Bibliothekare neigen ja häufig dazu,
wenn es um Recherche geht, alle Oberflächen perfekt haben zu wollen. Dass unsere
Nutzer häufig ganz anders an die Suche herangehen, wissen wir bereits, aber mit dieser Oberfläche kommen die meisten jetzt
besser klar und finden qualitativ bessere Literaturquellen. Die Zufriedenheit wird also
größer – was wollen wir mehr?«
ENDNOTEN
1 Unter Mitarbeit von Annegret Baade-Kelishani, Margarete
Groos, Dr. Bruno Klotz-Berendes und Dr. Peter Otzen
2 So u. a. der Wissenschaftsrat: „Empfehlungen zur Zukunft
des bibliothekarischen Verbundsystems in Deutschland“
Berlin 2011, S. 11f. www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/10463-11.pdf
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IM FOKUS /
ULB BONN – DISCOVERY PORTAL
MIT DEM INDEX SUMMON UND DER
OBERFLÄCHE VUFIND
Der Discovery Service bonnus(1) wurde Ende 2013 als Beta-Version online gestellt, das
endgültige Release ist für das dritte Quartal 2015 vorgesehen. Im Folgenden werden
Projektverlauf und Projektstand unter verschiedenen Aspekten dargestellt.
ANNETTE SPECHT
Universitäts- und
Landesbibliothek Bonn
DAS PROJEKT
Im Sommer 2012 nahm eine Projektgruppe an der ULB Bonn ihre Arbeit mit dem
Ziel auf, die lokale Literatursuche auf Aufsätze und frei zugängliche Online-Dokumente auszuweiten. Neben dem Kernteam,
das aus einem Entwickler, einem SISIS-Systemadministrator und Metadatenbibliothekar, einer Webdesignerin und einer Lizenzadministratorin besteht, sind Mitarbeiter
der Informationsabteilung sowie Fachreferenten aus geistes- und naturwissenschaftlichen Fachgebieten beteiligt, um das fachliche Spektrum bestmöglich abzudecken.
Die Projektleitung ist beim Dezernat Digitale Dienste angesiedelt.
In einer ersten Phase der Kriterienfindung
und der Evaluierung von Suchportalen stellte sich schnell heraus, dass die Projektgruppe geschlossen eine integrierte Suche über
Bibliotheksdaten und Anbieterindex befürwortete. Da lokale und kommerzielle Daten
zu gleichen Bedingungen durchsucht werden sollten, erschien aus IT-Sicht der Aufbau eines gesonderten Katalogindex nicht
sinnvoll. Die Bonner Katalogdaten sollten
versuchsweise in einen der kommerziellen
Indices eingespielt werden und zwar unter
der Bedingung, dass sich der Informationsverlust besonders bei den lokalen Normdaten in akzeptablen Grenzen hielt.
Für die Portaloberfläche wurde aufgrund
der rasanten Marktentwicklung und zur
Erzielung größerer Flexibilität eine anbieterunabhängige Lösung gewünscht. Nachdem unter diesen Vorgaben die Wahl auf
Summon und VuFind gefallen war, konnte im April 2013 die Implementierung beginnen. Nach einer hausinternen Testphase
ab September erfolgte der Online-Gang im
November 2013. Bonnus hat seitdem zwei
größere Entwicklungsschübe erlebt.
Die ausgedehnte Betaphase bindet zeitweise erhebliche Ressourcen. Sie bewährt sich
aber, weil Erfahrungen interner und externer Nutzer in die weitere Entwicklung einfließen können. Für die Sammlung von Monita, ihre Diskussion, die Lösungsfindung
und deren Test ergeben sich dabei Zyklen,
für die im Projektstadium Ressourcen leichter einzuplanen sind als im Routinebetrieb.
Größere Änderungen erfordern eine Neubetrachtung und bei Bedarf eine Nachjustierung der gesamten Funktionalität des
Portals. Auch die Realisierbarkeit schon
aufgegebener Desiderata lässt sich jeweils
erneut prüfen.
112
Weil der bisherige Online-Katalog im Zuge
des Projekts abgeschaltet werden soll, müssen für alle benötigten Suchfunktionen Alternativen auf der Grundlage des Discovery
Service oder anderer Suchinstrumente gefunden werden.
SUMMON: DER INDEX (2)
Summon enthält nach Deduplikation die
beeindruckende Menge von rund eine Milliarde Titeldaten. Dadurch ergeben sich große und nicht immer plausible Treffermengen, zumal die unscharfe Suche und die
Einbeziehung von Volltexten als Merkmale
von Discovery Services Anwendung finden.
ProQuest hat eine genauere Beschreibung
des Suchverhaltens in Aussicht gestellt,
und es steht zu hoffen, dass diese Maßnahme zur Transparenz beiträgt. Eine Verbesserung der Suche mit deutschen Suchbegriffen ist derzeit in Arbeit. Die Einführung
eines optionalen Filters zur Unterdrückung
der manchmal irreführenden Volltextsuche
fasst der Anbieter bisher nicht ins Auge.
Die Relevanzsortierung liefert nicht in allen Fällen gute Ergebnisse. Ihre Optimierung ist eine Daueraufgabe, bei der auch
die Anwender in der Pflicht sind, den Anbieter durch Fehlermeldungen zu unterstützen. Für die Präsentation der Zeitungsartikel, die rund die Hälfte der Titeldaten
ausmachen, und deren Relevanz sehr von
3 /14
der Fragestellung abhängt, entwickelt Proquest zur Zeit mit den sogenannten »content type rollups« eine neue Darstellungsform.
Der in Summon voreingestellte Filter
grenzt die Suche auf gedruckt vorhandene oder lizenzierte Dokumente ein. Allerdings werden dabei neben zugänglichen
Volltextinhalten auch Treffer aus lizenzierten Bibliographien ausgegeben, so dass
nicht alle gefundenen Publikationen lokal
verfügbar sind. Die Filterung nach Personen oder Schlagwörtern ist aufgrund der
fehlenden Normierung nur bedingt hilfreich, das Vokabular für die Facetten »Format«, »Fach« und »Sprache« wird dagegen
einheitlich gehandhabt.
Neben solchen Möglichkeiten zur Einschränkung lassen sich Suchanfragen auch
an den gesamten Index richten, eine Option,
die im Zuge des Bonner Projekts große Bedeutung gewonnen hat. Dass viele Titelinformationen auch ohne Lizenz durchsuchbar sind, gehört zu den großen Vorteilen
des Systems, auch wenn angesichts der heterogenen Datenmenge die Dublettenproblematik nur schwer beherrschbar ist. Die
Datenherkunft weist der Index nicht immer prominent aus, weil sie aufgrund von
Match & Merge-Verfahren oft nicht mehr
eindeutig zu bestimmen ist.
Funktional bietet Summon interessante
Features, die in den meisten Fällen über
die API (Application Programming Interface) genutzt werden können: Eine Negativfilterung erlaubt den Ausschluss beliebiger Kriterien (interessant zum Beispiel
für Rezensionen). Der Database Recommender schlägt anhand von kooperativ gepflegten Begriffen Datenbanken vor, die für
eine weiterführende Suche in Frage kommen, und hebt so in Ansätzen die Konkurrenz zwischen Discovery-Dienst und Bibliographien auf. Nach dem gleichen Prinzip
lassen sich lokale Informationen über die
sogenannten Best Bets einpflegen und abrufbar machen.
SUMMON: LIZENZ-ADMINISTRATION
Um den Zugang zu lizenzierten und freien
Quellen direkt aus Summon heraus zu ermöglichen sowie Einträge aus Bibliographien zugänglich zu machen, ist die Freischaltung der Ressourcen über ein Client Center
erforderlich. Leider hält sich der Funktionsumfang der Oberfläche in engen Grenzen,
und die enthaltenen Informationen sind rudimentär. Der aktuelle Status einer Datenquelle bezüglich Indexierung und Aktualität lässt sich bei Bedarf nur beim Support
erfragen. Im Zuge der Entwicklung von
Intota und einer völlig neu strukturierten
Knowledge Base (KB) sind allerdings für
viele Kritikpunkte Verbesserungen in Aussicht gestellt.
Summon enthält nach
Deduplikation die
beeindruckende Menge von rund einer
Milliarde Titeldaten.
Dass ein automatisierter Import der EZBDaten bisher an der unterschiedlichen Datenstruktur beider Systeme scheitert, ist
aus Sicht deutscher Anwender ein weiteres
großes Defizit. Inzwischen lässt sich aber
mittelfristig auf einen Datenaustausch auf
Basis von KBART (Knowledge Bases and
Related Tools) hoffen. Für die ULB Bonn
kommt ein Test des ProQuest-eigenen Link
Resolvers, dessen Einsatz zu Synergieeffekten führen würde, erst in Betracht, wenn
die Administration deutlich optimiert ist.
Auch das für den Online-Katalog entwickelte Postprocessing der SISIS-Daten konnte
als Grundlage für die Aufbereitung der Daten genutzt werden. Rasch zeigte sich, dass
für die Bonner Umsetzung auch SummonFelder herangezogen werden, die andernorts wenig genutzt werden und die in der
API-Dokumentation nicht immer korrekt
oder ausreichend beschrieben sind. Die API
selbst stellt aber fast den gesamten Funktionsumfang des Systems bereit, da sie auch
für die anbietereigene Oberfläche genutzt
wird.
Inzwischen sind Datenaufbereitung und
Mapping zufriedenstellend umgesetzt, und
die für die Suche erforderlichen Daten sind
– abgesehen von wenigen Desideraten – im
Index platziert. Den Titeldaten werden für
Personen, Körperschaften und Schlagwörter die Vorzugsbenennung und alle Verweisungsformen mitgegeben, so dass für den
lokalen Bestand eine Suche auch nach Alternativformen möglich ist. ProQuest experimentiert vorsichtig mit Normdaten, aber
für eine Einbeziehung von GND oder VIAF
in die Indexsuche ist bisher keine Perspektive erkennbar.
Da von Anbieterseite nur wenige Vorgaben
gemacht werden, kann das Fehlen einiger
wichtiger Funktionen durch Workarounds
in der Datenaufbereitung und -ausgabe
wettgemacht werden. Ein Beispiel dafür ist
die exakte Suche nach Signaturen oder lokalen Notationen, die im Index nicht vorgesehen ist. Diese Informationen werden mit
einem eindeutigen Anfangs- und Endcode
versehen an das System übergeben und
über die gefelderte Suche in der Regel zuverlässig aufgefunden.
SUMMON: LOKALE DATEN
In den ersten Monaten des Projekts standen das Mapping der lokalen Daten und
die Umsetzung auf das in Summon vorgegebene Vokabular im Vordergrund. Von
Vorteil war die Möglichkeit des Datenaustauschs über ein XML-Format, das an der
ULB bereits seit einigen Jahren für den Aufbau des lokalen FAST-Index im Einsatz ist.
113
Die Datenlieferung aus dem Katalogsystem
erfolgt viertelstündlich, die Einspielung in
Summon derzeit im Abstand von mehreren
Tagen, sie soll allerdings in Kürze beschleunigt werden.
Gerade in der Anfangsphase wirkte sich
das Fehlen von Berichten über die Daten-
3 /14
IM FOKUS /
einspielung negativ aus, da für die dringend benötigte Fehleranalyse kein Instrument zur Verfügung stand. Im Zuge von
Konsolidierungsarbeiten am Index erstellt
ProQuest derzeit rudimentäre Berichte, die
aber nur ein Zwischenschritt auf dem Weg
zur intelligenten Auswertung von Logdateien sein können.
SUMMON: EINSCHÄTZUNG
Entscheidende Vorzüge des Systems sind
neben der Größe des Index� seine Flexibilität und ein überzeugendes Spektrum an
Funktionen, das zu großen Teilen über die
API nutzbar ist. Die große und heterogene Datenmenge führt allerdings auch dazu,
dass fehlende Normierung und Dublettenproblematik als Schwachpunkte aller Discovery-Dienste bei Summon stark zum Tragen kommen.
Die zahlreichen angekündigten Verbesserungen im Hinblick auf Indexverhalten
und Administration sind dringend erforderlich. Darüber hinaus wäre die Einbeziehung
Auch die
Schlagwortketten
aus dem Bibliothekssystem werden angezeigt.
weiterer relevanter Inhalte wünschenswert
(u. a. von Metadaten überregionaler Verzeichnisse, freien Quellen wie Online-Dissertationen, aber auch Ebsco-Daten), auf
deren Fortschritt ProQuest allerdings nur
teilweise Einfluss hat.
VUFIND(3)
VuFind hat sich im Projektverlauf als ein
Glücksgriff erwiesen. Die Portalsoftware ist
flexibel und arbeitet gut mit der SummonAPI zusammen, so dass der Prototyp des
Portals nach wenigen Tagen lauffähig war.
Vergleichsweise reibungslos verlief auch die
Einbindung der SISIS-Schnittstellen XSLNP
und SLNP. Aus dem funktionierenden Zu-
Merklisten, Datenausgabe, …
SUCHOBERFLÄCHE (VuFind)
Suche, Ranking,
Filter, Anzeige
von Indexdaten
Summon
API
LOKALE
KATALOGDATEN
Kontofunktion,
Anzeige von
Katalogdaten
XSLNP
SLNP
Weiterleitung zum
Online-Dokument bzw.
Verfügbarkeitsprüfung
LinkResolver
SFX
Bibliothekssystem SISIS
INDEX
(SUMMON)
LIZENZIERTE /FREI
ZUGÄNGLICHE
DOKUMENTE
114
sammenspiel der Schnittstellen entwickelte sich im Zuge wachsender Anforderungen
das Prinzip, dass an den Index nur Informationen geliefert werden, die für die Suche erforderlich sind. Für die Detailanzeige
wird abhängig von der gewünschten Information die jeweils adäquate Datenquelle
ausgewählt. So werden alle Index-Schlagwörter ausgegeben, zusätzlich werden aber
die Schlagwortketten aus dem Bibliothekssystem angezeigt. Auch Informationen zu
Zeitschriftenbänden werden erst per Link
aus SISIS abgerufen.
Vorteile dieses flexiblen Verfahrens liegen
auf der Hand: Der Summon-Index wird
nicht mit unnötigen Informationen beliefert, das Bibliothekssystem wird erst in der
Detailanzeige belastet, und Informationen
aus beiden Systemen können für die Anzeige nach Bedarf genutzt werden. Dass auch
die Anzeige der Daten manipuliert werden
kann, erlaubt weitere Anpassungen in der
Funktionalität des Systems. So realisiert
bonnus als altes Desiderat die direkte Verlinkung aus der Detailanzeige in den HBZbzw. den ZDB-Eintrag. Erste Versuche wurden mit der lobid-API(4) gemacht, um den
Zugang zu weiteren Informationsquellen
wie GND oder Wikipedia zu ermöglichen.
Allerdings sind inzwischen die Eingriffe in
die Standardoberfläche von VuFind so zahlreich geworden, dass der Umstieg auf eine
neue Version mit großem Aufwand verbunden sein wird.
Das Schaubild zeigt, wie bonnus aufgebaut
ist.
3 /14
kung auf die verfügbaren Inhalte (als »Volltext«, »Bibliotheken Uni Bonn« sowie ihre
Kombination) anzubieten. Das ist angesichts der Möglichkeiten des Index’ konsequent, auch wenn dort noch wichtige bibliographische Daten fehlen, zum Beispiel
aus der ZDB oder anderen überregionalen
Verzeichnissen.
Zu den für die nächsten Monate geplanten
Arbeiten gehören die Anpassung der Hilfetexte und der englischen Oberfläche, die
Optimierung für mobile Geräte sowie eine
grundlegende Überarbeitung der erweiterten Suche. Im Projektkontext muss außerdem die Benutzerführung auf den Webseiten neu durchdacht werden, und der
Einfluss des Discovery-Dienstes auf Schulungen und die Vermittlung von Informationskompetenz ist zu thematisieren.
FAZIT
Der Nutzer entscheidet, wo er weitersuchen
möchte.
BONNUS
Bonnus integriert alle Kontofunktionen
des Bibliothekssystems und stellt Funktionalitäten wie Merklisten und Exportmöglichkeiten bereit. Verfügbarkeitstypen sind
»Volltext«, »Printbestand Uni Bonn« und
»Verfügbarkeit prüfen« mit Überleitung
zum Link Resolver.
Die bisher größte konzeptionelle Änderung
am System erfolgte im Frühjahr 2014: Nach
Einschätzung des Projektteams ließ sich die
Option zur nachträglichen Erweiterung der
Suche auf den gesamten Index zusammen
mit den einschränkenden Filtern nicht konsistent darstellen und nutzbar machen. Im
Lauf der Diskussion entstand die Idee, dem
Benutzer zunächst die größtmögliche Treffermenge und von dort aus die Einschrän-
Die Akzeptanz des Portals im Haus ist unterschiedlich. Für einige Kollegen stellen
die Dublettenproblematik, die großen Treffermengen, die unscharfe Suche und die
Notwendigkeit, Suchgewohnheiten umzustellen, eine deutliche Verschlechterung gegenüber der bisherigen Situation dar. Andere sehen im Discovery Service schon in der
jetzigen Ausbaustufe wegen der deutlich
erweiterten Datenbasis und des Serendipitäts-Effekts (»Zufallsfunde«) einen Gewinn.
Neben den unterschiedlichen Haltungen
und Fachgewohnheiten scheint es eine Rolle zu spielen, ob dem Fach eine umfassende Bibliographie zur Verfügung steht, die
den Recherchebedarf abdecken kann. Über
Suchstrategien wird in der ULB auch unter
fachspezifischen Gesichtspunkten noch viel
zu reden sein, und vor einer Abschaltung
des Katalogs sind ein Funktionsabgleich
beider Verzeichnisse und die Entwicklung
von Alternativlösungen zwingend erforderlich.(5)
gen durch Nutzer in der Anfangsphase treten inzwischen gegenüber gelegentlichem
kritischen Feedback aus dem Kollegenkreis,
das für die Entwicklung des Portals sehr
hilfreich ist, in den Hintergrund. Von einer
geplanten Usability-Studie verspricht sich
die ULB weitere Anhaltspunkte.
Angesichts der weiterhin rapiden Entwicklung wird jede Bibliothek die gewählte Option immer wieder auf den Prüfstand stellen
müssen. Bonnus teilt die bekannten Probleme der großen Discovery Services, dennoch
überwiegen aus Sicht der Projektgruppe
derzeit die Vorteile des Dienstes.(6) Im Zuge
des Projekts hat die Kombination von Summon und VuFind zu einer neuen Sichtweise
geführt, die die Literatursuche in den Vordergrund rückt und die lokale Verfügbarkeit als einen ihrer zentralen, aber nachgeordneten Aspekte betrachtet. Dieser Ansatz
wurde erst durch die eingesetzten Komponenten ermöglicht, auch wenn sich seine
Nutzertauglichkeit im Echtbetrieb noch erweisen muss.
ENDNOTEN
1 bonnus www.bonnnus.ulb.uni-bonn.de,
Zur Entwicklung des Dienstes vgl. auch den bonnusBlog
www.ulb.uni-bonn.de/bonnusblog
2T
he Summon Service. www.proquest.com/products-services/
The-Summon-Service.html
3 VuFind – The library OPAC meets Web 2.0
http://vufind.org
4 lobid: linking open bibliographic data, http://lobid.org und
http://lobid.org/api
5 Als Ausgangsbasis für die Diskussion dürfte sich die folgende, gerade erschienene Arbeit als hilfreich erweisen:
Roscher, Mieke: Fachdisziplinäre Bedürfnisse in der Gestaltung von Discovery-Lösungen. Wirklich ein Katalog für
alle? Berlin 2014. http://edoc.hu-berlin.de/series/berlinerhandreichungen/2014-356
6V
gl. z. B. die überzeugende Analyse bei Wiesenmüller,
Heidrun: Resource Discovery Systeme. Chance oder Verhängnis für die bibliothekarische Erschließung? Vortrag im
Wie zu erwarten war, steigt bisher die Gesamtnutzung von bonnus kontinuierlich an.
Die überwiegend positiven Rückmeldun-
115
Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für
Klassifikation (GfKl). Karlsruhe 2012. http://nbn-resolving.
org/urn:nbn:de:swb:90-290811 3 /14
IM FOKUS /
SEIT ENDE 2012 NUTZT DIE
UB DUISBURG-ESSEN PRIMO
INKLUSIVE PRIMO CENTRAL
Hosting wurde diskutiert, dann aber verworfen. Hauptargumente
gegen diesen Weg waren der erhöhte Abstimmungsaufwand und
die fehlende Unabhängigkeit in der Umsetzung. Statt SFX sollte
zudem der vorhandene Ovid Linksolver weiter eingesetzt werden,
was sich auch später als recht problemlos umsetzbar erwiesen hat.
FRANK LÜTZENKIRCHEN
Universitätsbibliothek Duisburg-Essen
DIE IMPLEMENTIERUNGSPHASE
KATRIN FALKENSTEIN-FELDHOFF
Universitätsbibliothek Duisburg-Essen
Discovery Services sind ein immer wiederkehrendes Thema auf
den Bibliothekartagen der vergangenen Jahre. Auch die Universitätsbibliothek (UB) Duisburg-Essen wollte ein auf Suchmaschinentechnologie basierendes System als Ablösung des bisherigen
Aleph OPACs einführen. Die neue Lösung sollte neben dem lokalen Bestand und den Daten des Dokumenten- und Publikationsservers auch einen zentralen Index von Zeitschriftenartikeln und Datenbankinhalten gemeinsam durchsuchbar machen. Eine Anfang
2010 gegründete Projektgruppe betrachtete verschiedene Systeme,
sowohl Open-Source-Lösungen als auch kommerzielle Angebote
(Summon, Primo, VuFind, IPS, Summa, Ebsco).
Primo von Ex Libris empfahl sich durch die direkte Aleph-Integration, insbesondere der Kontofunktionen (Vormerken, Verlängern, Anzeige des Gebührenkontos etc.). Auch für VuFind war eine
Aleph-Anbindung über Schnittstellen verfügbar, jedoch war die
Befürchtung groß, eine bessere Anpassbarkeit der Weboberfläche
durch höheren Implementierungs- und längerfristigen Pflegeaufwand einer Open-Source-Lösung zu erkaufen. Die Entwicklerkapazitäten im Hause sind bereits im Umfeld des Dokumenten- und
Publikationsservers DuEPublico und der Universitätsbibliographie
gebunden.
Die Entscheidung fiel daher für Primo inklusive Primo Central, in
der von Ex Libris gehosteten Variante. Ein mögliches konsortiales
Die Implementierung begann im März 2012 mit einem Kick-OffMeeting und mehreren Schulungen. Dem Projektteam gehörten im
Kern sieben Personen an, neben Systembibliothekarinnen und der
Aleph-Systemadministratorin auch eine Kollegin mit Know-how
in der Web-Entwickung (HTML, CSS, JavaScript) sowie ein JavaEntwickler, der auch Fachreferent ist. Die Einrichtung des Systems
wurde zwar vorrangig betrieben, es wurden allerdings keine Personen vollständig für dieses Projekt freigestellt, so dass man hier
nicht von Vollzeitäquivalenten ausgehen kann. Weitere Kolleginnen und Kollegen aus Katalogisierung, Information und Fachreferaten wurden bei der Beurteilung der Entwürfe hinzugezogen. Bereits im Juli 2012 wurde eine erste Version hausintern vorgestellt
und für Tests freigegeben.
Im September folgte eine Usability-Studie mit zehn Studierenden, die mittels der Think-Aloud-Methode einige Testaufgaben
lösen und dabei ihre Eindrücke schildern sollten. Die Interviews
dauerten jeweils eine Stunde. Die Bildschirmbewegungen und Audio-Kommentare wurden aufgezeichnet. Das Feedback der Studierenden fiel insgesamt sehr positiv aus. Viele Anregungen, beispielsweise zu missverständlichen Benennungen, konnten aufgegriffen
werden. Allerdings wurde auch deutlich, welche Funktionalitäten
besonders geschult werden mussten, etwa die Verfeinerung der
Suchergebnisse durch Facetten.
Die Primo-Installation der Universität Duisburg-Essen wird vom
Anbieter in einem Amsterdamer Rechenzentrum auf dedizierten
Servern gehostet. Dies war für uns eine neue Erfahrung und mitunter bei Ausfällen und Fehlern mit Schwierigkeiten verbunden. Gerade zu Anfang gab es doch größere Reibungsverluste in der Kommunikation innerhalb des Dreiecks UB, Supportteam Ex Libris,
Hostingteam Ex Libris, die auch durch mehrere Telefonkonferen-
116
3 /14
zen nur langsam beseitigt werden konnten. Zum Support ist anzumerken, dass die Problembehandlung bei Primo im Vergleich noch
nicht auf dem guten Level des seit Jahren angebotenen AlephSystems erfolgt. Anfängliche Stabilitäts- und Performanzprobleme können inzwischen aber als gemeinsam überwunden betrachtet werden. Nach weiteren hausinternen Schulungen erfolgte Mitte
November 2012 die öffentliche Freischaltung. Der Parallelbetrieb
des alten OPAC wurde am 1. April 2013 eingestellt.
DATENQUELLEN UND SUCHRÄUME
Die Definition und Anbindung der eigenen Datenquellen gehörte zu den ersten Schritten des Implementierungsprozesses. Datenquellen werden in Primo über »Pipes« eingebunden. Aufgabe dieser
Pipes ist das regelmäßige Laden und Aktualisieren der Titeldaten
und deren Konvertierung in das interne, einheitliche PNX-Format
(Primo Normalized XML). Die ca. 1,7 Millionen Titel des lokalen
Aleph-Systems werden dazu im MABXML-Format exportiert und
über »Normalisierungsregeln« auf die Such- und Anzeigefelder in
Primo abgebildet. Pflege und Feintuning dieser Abbildungsregeln
zwischen MAB und dem deutlich vereinfachenden Primo-Format
stellten sich als die aufwändigste Aufgabe bei der Einführung des
Systems heraus.
Als zweite Datenquelle wurde der Dokumenten- und Publikationsserver DuEPublico eingebunden. Dazu greift Primo auf die OAI-
Schnittstelle des MyCoRe-basierten Dokumentenservers zu. Eine
Besonderheit ist, dass die Generierung des PNX-Formates hier bereits auf Seiten der Datenquelle im Dokumentenserver implementiert ist, da dort flexiblere und einfachere Abbildungsmöglichkeiten
mittels Java und XSL vorhanden sind. Die so in Primo geladenen
Daten können zusammen mit dem zentralen Index (Primo Central) zu unterschiedlichen Suchräumen (»Scopes«) zusammengefasst werden. In der Weboberfläche werden diese Suchräume über
verschiedene Reiter angeboten: Der Reiter »UB-Katalog« umfasst
nur die lokalen Datenquellen (Aleph-Titeldaten plus Dokumentenserver), der Reiter »UB-Katalog plus Artikel« erweitert diese um
die laut Anbieter ca. 500 Millionen Titel aus Primo Central und ermöglicht die parallele Suche nach Zeitschriftenartikeln und mehr.
Aufteilung und Benennung dieser Bereiche wurde (und wird immer noch) intensiv diskutiert. Die Trennung zwischen lokalem Bestand und zentralem Index hat sicher zur Akzeptanz bei den Kollegen im Hause beigetragen: Man erkennt ein Stück weit den alten
OPAC wieder, tut sich bei Schulungen leichter und muss nicht
fürchten, der eigene Bestand gehe in der schwer greifbaren Masse der zentral bereitgestellten Titeldaten unter. Wirklich notwendig
ist diese Trennung aus Sicht der Autoren nicht, sie läuft zugegeben
eher konträr zum Grundgedanken eines Discovery Services. Auch
verschwimmt die Trennung zwischen »lokalem«, »eigenem« Bestand und »fremdem« Bestand (z. B. durch freie E-Books, Open Access, große Pakete aus Nationallizenzen oder neue Erwerbungsmo-
Die Ergebnisliste mit den
Einschränkungsmöglichkeiten
117
3 /14
IM FOKUS /
delle wie Patron Driven Acquisition) immer
mehr und lässt sie zunehmend willkürlich
erscheinen. Die Aufteilung der Suchräume
muss daher regelmäßig auf den Prüfstand
gestellt werden.
Inzwischen werden täglich
rund 30.000 Suchanfragen
ausgeführt.
Die Suchbereiche »Semesterapparate« und »Universitätsbibliographie« speisen sich aus dem Dokumenten- und Publikationsserver.
Die UB bietet zurzeit rund 1.700 aktive Online-Semesterapparate
an, so dass der einfache Zugang für viele Studierende von direktem Nutzen ist. Über den Reiter »Universitätsbibliographie« werden rund 36.000 Publikationsnachweise von Angehörigen der Universität eingebunden. Diese Datensammlung soll damit besonders
beworben, die Sichtbarkeit erhöht und deren weiterer Ausbau angeregt werden.
Bereits vor Einführung von Primo hat die UB ihre Neuerwerbungen
in Listenform im Netz präsentiert. Dazu werden im Exemplarsatz
jedes neu erworbenen Titels das Inventarisierungsdatum und ein
Fächerkürzel hinterlegt. In Primo können Nutzer die Neuanschaffungen nun darüber hinaus unter einem separaten Reiter »Neuerwerbungen« durchsuchen, nach Fach oder Erwerbungsmonat einschränken oder als RSS-Feed abonnieren.
tor, Thema/Schlagwort oder Notation unserer Aufstellungssystematik werden seltener genutzt.
Die Titel des eigenen lokalen Bestandes
kann Primo als »verfügbar« oder »entliehen« klassifizieren. Nutzer können die Treffermenge auf nur online verfügbare oder nicht entliehene Print-Titel vor Ort weiter eingrenzen. Da der Datenabgleich mit Aleph zur Bildung des lokalen
Suchindex nur einmal täglich erfolgt, spiegelt diese Einschränkung
– was die Suche betrifft – den Stand des Vorabends wider. Bei der
Anzeige der einzelnen Titel fragt Primo den aktuellen Verfügbarkeitsstatus aber live über Aleph-Schnittstellen ab (Real Time Availability), so dass diese Einschränkung praktisch kaum ins Gewicht
fällt und in der Darstellung immer der aktuelle Zustand zu sehen
ist. Bei der Anzeige der Exemplare und der Anbindung des eigenen
Benutzerkontos (OPAC via Primo) interagieren Primo und Aleph
ebenfalls über Schnittstellen, so dass Vormerkungen, Verlängerungen, Gebührenkonto etc. direkt in die Primo-Oberfläche integriert
dargestellt werden.
WIR „FÄRBERN“ UND „BOOSTEN“
Verschiedene Auflagen, Print- und Online-Version eines Titels werden in Primo zu einer FRBR-Gruppe (in Anlehnung an die »Functional
Requirements for Bibliographic Records«) zusammengefasst
ANPASSUNGEN IM DETAIL
und in der Trefferliste der Suche als ein Treffer gemeinsam angeDie Weboberfläche von Primo, das »Front End«, kann zunächst
über die interne Administrationsoberfläche, das »Back Office«, an- zeigt. Nutzer können sich dann in einem zweiten Schritt (Link »Es
gepasst werden. Hier werden z. B. Bezeichner, Facetten und Anord- gibt [n] unterschiedliche Ausgaben/Auflagen«) die verfügbaren
Auflagen anzeigen lassen. Der Algorithmus, der verschiedene Titel
nung der Felder in der Ausgabe definiert. Darüber hinaus gehende
als zusammengehörige Versionen des gleiAnpassungen der Weboberfläche konnchen Werkes erkennen soll, bildet Schlüsten über CSS, eingebundenes JavaScript/
selpaare aus Signatur, Titel und AutorenJQuery oder notfalls serverseitig über ÄnEtwa 25 % der Zugriffe auf
namen. Hier waren einige Anpassungen
derungen an Java Server Pages (JSP) Daunseren Linksolver haben
nötig, um einen guten Kompromiss zwiteien realisiert werden. Bei der Entscheischen korrekten und falschen Zuordnundung für Primo war bewusst, dass bei
ihren Ursprung in Primo.
gen zu finden. Beispielsweise werden Jahjedem kommerziellen Produkt Grenzen gereszahlen oder Versionsnummern im Titel
setzt sind, die man bei einer Open-Sourceignoriert. Wie bei jeder Heuristik gibt es eine Fehlerquote, jedoch
Lösung nicht hätte. Den Weg, die komplette Weboberfläche selbst
sehen wir einen deutlichen Vorteil gegenüber dem alten OPAC, wo
zu entwickeln und Primo nur im Hintergrund über Schnittstellen
Nutzer häufig beispielsweise eine ältere Vorauflage nicht wahrgezu nutzen, wie es die UB Paderborn für sich realisiert hat, war aber
nommen haben, wenn die aktuelle Auflage entliehen war.
aufgrund begrenzter Programmierkapazitäten nicht gangbar.
Neben der Festlegung der Suchräume und Datenquellen war die
Einrichtung der Facetten eine der ersten Entwurfsentscheidungen
im Implementierungsprozess. Primo-Nutzer können die Treffermenge nun über die Facetten Erscheinungsjahr (auch über einen
Schieberegler), Fachbibliothek (für uns als fusionierte Universität
mit zwei Standorten Duisburg und Essen wichtig) und Kollektion
(z. B. Lehrbuchsammlung) einschränken. Weitere Facetten wie Au-
Primo bietet die Möglichkeit, einzelne Titel mit einem »Boosting
Faktor« zu versehen, ihnen damit eine höhere Gewichtung zu verleihen und in der Trefferliste so anderen Treffern vorzuziehen.
Dazu haben wir bestimmten Publikationstypen wie Zeitschriften
und Datenbanken eine tendenziell fixe, höhere Gewichtung gegeben. So konnte auf eine zunächst im Hause geforderte separate Zeitschriftensuche verzichtet werden, da nun übereinstimmen-
118
3 /14
de Zeitschriftentitel in der Regel immer auf der ersten Trefferseite
erscheinen. Weiterhin erhalten aktuelle Monographien aus dem eigenen Bestand abhängig von Erscheinungsjahr und Auflagennummer eine stärkere Gewichtung. Neue Titel werden nun tendenziell
in der Trefferliste weiter vorn angezeigt, auch wenn die Sortierung
primär nach Relevanz erfolgt. Auf weitere Kriterien, etwa häufig
entliehene Titel stärker zu gewichten, wurde bewusst verzichtet.
Es ist insgesamt schwierig, zwischen den internen Relevanzranking-Algorithmen des Produktes und dem Wunsch auszutarieren,
bestimmte Titel zu pushen. Man kann und sollte nicht versuchen,
gegen das Standardverhalten der Suchmaschine zu arbeiten. Die
Algorithmen sind komplex, basieren auf umfangreichen Kriterien
wie Worthäufigkeiten, Position der Suchbegriffe im Titel, Synonymen etc. und sind nicht im Detail transparent. Die Sortierung nach
Relevanz liefert aber insgesamt doch recht brauchbare Ergebnisse.
nisieren und ihre Nutzer an Rückgabetermine erinnern. Die auch
für andere Aleph-Bibliotheken nachnutzbare Erweiterung wird inzwischen von ca. 400 Nutzern regelmäßig verwendet.
FAZIT UND AUSBLICK
Der neue Katalog wird von den Nutzern gut angenommen: Inzwischen werden täglich rund 30.000 Suchanfragen ausgeführt. Durch
die Einbindung von Primo Central werden gerade die Studierenden stärker an die Nutzung von Zeitschriftenartikeln herangeführt.
Dies ist inzwischen auch messbar: Etwa 25 % der Zugriffe auf unseren Linksolver haben ihren Ursprung in Primo.
Für die Kollegen im Hause ist es in Schulungen und Beratungsgesprächen dagegen gelegentlich schwieriger geworden. Man muss
sich daran gewöhnen, dass das Verhalten des Discovery Service in
vielen Punkten auf Heuristiken beruht und nicht immer transparent ist, beispielsweise bei der Verwendung von Synonymen in der
Suche oder beim Ranking. Die Vielzahl der über den zentralen Index eingebundenen Quellen macht es schwieriger, die Suchergebnisse zu interpretieren und zu bewerten.
Insgesamt sehen wir die Einführung von Primo trotz einiger anfänglicher Stolpersteine als klaren Erfolg. Die Vorteile durch die
Einbindung von Primo Central, durch die modernere Benutzeroberfläche mit Funktionen wie Facettierung, Relevanzranking und
Zusammenfassen von Versionen überwiegen deutlich die verbliebenen Schwierigkeiten – noch ist nicht die Darstellung jeden Titels
oder das Verhalten jeder Suchanfrage perfekt.
Der Nutzer kann die Rückgabetermine seiner ausgeliehenen Titel als
Kalenderdatei aufs Handy herunterladen.
EIGENE ERWEITERUNGEN
Bei der Anzeige von Zeitschriften wurde der Dienst »Journals Online & Print« (JOP) von Deutscher Nationalbibliothek und ZDB eingebunden. Die Verfügbarkeit von Online- und gedruckter Version
einer Zeitschrift wird so übersichtlich gemeinsam über ein Icon angezeigt. In der Detailansicht können parallele Erscheinungsformen
übersichtlich dargestellt werden. Bestandsabhängig wird auf verschiedene Bestellformulare unseres internen Zeitschriftenlieferdienstes verweisen.
Aber auch der alte Aleph-OPAC hatte einige Iterationen nötig,
um weiter zu reifen. Aus Rückmeldungen und Nutzungsstatistiken können wir lernen, das Angebot weiter zu optimieren. Zu den
nächsten Schritten wird beispielsweise die Integration der statischen Webseiten der UB in den Suchraum, der regelmäßige Import
der Datenbanktitel aus DBIS und die Nutzung der GND-Nummer
zur Verknüpfung der Autorennamen mit weiterführenden externen
Diensten im Sinne von Linked Open Data gehören.
Im Bereich der Kontofunktionen können sich Nutzer die Rückgabetermine ihrer ausgeliehenen Titel als Kalenderdatei herunterladen
und abonnieren. Dazu ruft ein selbst entwickeltes Java Servlet die
Ausleihdaten über die X-Services Schnittstelle von Aleph ab und
generiert daraus eine iCal-Datei, die über einen permanenten Link
bereitgestellt wird. Alle gängigen Kalenderprogramme (Android,
IOS, Outlook ...) können diese Kalenderdatei selbständig synchro-
119
3 /14
IM FOKUS /
DAS PROJEKT „SCHNELLSUCHE NRW“
– DISCOVERY FÜR ALLE?
CHRISTINE BARON
Hochschulbibliothekszentrum des
Landes NRW (HBZ)
»Ist das kompliziert bei Euch!«, hörte der Mitarbeiter einer großen
deutschen Stadtbibliothek von seiner Tochter, als er sie in die Literaturrecherche einführte. Und das ist nachvollziehbar, da Benutzererwartungen durch Google und kommerzielle Angebote im Internet geprägt werden.(1) Gerade die Vorauswahl von Quellen liegt
nicht im Fokus der Suchenden, denn man ist gewohnt, auf eine Anfrage auch ein Ergebnis zu erhalten.
thek recherchierbar macht. Die Erstellung und Aktualisierung eines indexierten Datenpools ist arbeitsintensiv und erfordert immer
auch das Einverständnis der Datenlieferanten. Dies für die Bedarfe
Öffentlicher und Wissenschaftlicher Bibliotheken umzusetzen, ist
Grundlage für das Projekt »Schnellsuche NRW«. 2013 wurde ein
Vorprojekt durchgeführt, das folgende Fragen beantworten sollte:
›› Gibt es bei Bibliotheken Bedarf für einen auf deutsche Inhalte
optimierten Suchindex? Was wären sie bereit, dafür zu zahlen?
››Welche Inhalte sollen recherchierbar sein? Wieweit divergieren
Anforderungen Öffentlicher und Wissenschaftlicher Bibliotheken?
››Welche Anbieter sind bereit, Daten zur Verfügung zu stellen?
›› Gibt es ein tragfähiges Geschäftsmodell für den langfristigen
Betrieb?
DAS VORPROJEKT
Hochschulbibliotheken setzen deshalb zunehmend moderne Discovery-Systeme ein, mit dem Ziel, alle gedruckten und elektronischen
Bibliotheksbestände in einer Trefferliste anzubieten. Ihre Handhabung ähnelt der der kommerziellen Suchmaschinen. Unter eigenen
Oberflächen oder integriert in lokale Portale werden Suchmaschinenindizes abgefragt, in denen die für die Literaturrecherche relevanten Quellen einheitlich aufbereitet sind. Der Zugriff auf Volltexte erfolgt direkt aus der Trefferliste. Umfang, Fokus und Inhalt
solcher Indices werden auf den Webseiten der Anbieter (z. B. Ebsco(2), Ex Libris(3), Serial Solutions(4)) beschrieben. Die Ausrichtung
der Produkte lag bisher auf dem wissenschaftlichen und englischsprachigen Bereich.
SCHNELLSUCHE NRW
Bibliotheken, die auf das deutschsprachige Fachliteraturszenario fokussiert sind, finden zurzeit kein vergleichbares Produkt, um ihren
Gesamtbestand in einer zeitgemäßen Rechercheumgebung anzubieten. Deshalb wurde das Projekt »Schnellsuche NRW« vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur
und Sport (MFKJKS) in Zusammenarbeit mit den Stadtbibliotheken
Dortmund, Düsseldorf und Köln, der Hochschulbibliothek Niederrhein und dem Hochschulbibliothekszentrum (HBZ) initiiert. Ziel
ist es, die DigiBib für den gesamten Kundenkreis zu modernisieren,
wie es in Teilen für DigiBib IntrX (DigiBib mit integriertem Index)
schon geschehen ist. Die Recherchebasis der Discovery-Systeme
ist ein Suchindex, der möglichst den gesamten Bestand der Biblio-
Das Vorprojekt gliederte sich in drei Arbeitspakete: eine Umfrage
bei Bibliotheken, Gespräche mit Datenanbietern und die Überprüfung möglicher Geschäftsmodelle. Die Untersuchung wurde vom
MFKJKS gefördert und vom HBZ durchgeführt.
Ziel der Umfrage war, die benötigten Inhalte für verschiedene Bibliothekstypen zu identifizieren. Mit den Projektpartnern wurde
ein Fragenkatalog erstellt, den das HBZ den Bibliotheken online
zur Verfügung stellte. 25 Öffentliche Bibliotheken, 13 Hochschulbibliotheken, eine Universitätsbibliothek sowie 6 Fachstellen nahmen teil. Fast alle Bibliotheken waren bereit, sich an den Kosten eines Suchindexes zu beteiligen. Die Öffentlichen Bibliotheken legten
großen Wert auf die Schnelligkeit der Anwendung, die Hochschulbibliotheken auf die Vollständigkeit der Inhalte. Für beide Zielgruppen war der direkte Zugriff auf die Volltexte von hoher Priorität.
Schwerpunkt der Umfrage war die Benennung von Inhaltsbedarfen.
Den Teilnehmern wurden die gängigen Angebote für E-Journals, EBooks und Datenbanken zur Priorisierung vorgelegt. Eine Erkenntnis war, dass es für beide Bibliothekstypen trotz der zu erwartenden Unterschiede einen großen Deckungsgrad bei den Inhalten
gibt. Quintessenz ist, dass die Bibliotheken an einem für den deutschen Markt optimierten Index interessiert und bereit sind, sich in
Maßen finanziell zu beteiligen. Ein Index mit der optionalen Einschränkung auf lokale Inhalte ist ein praktikabler Ansatz.
Das zweite Arbeitspaket bildete die Kontaktaufnahme mit den
Datenanbietern, um ihre Bereitschaft, Daten für das Projekt zur
120
3 /14
Verfügung zu stellen, zu erfragen. Auch wenn einige Anbieter ihre
Daten nicht bereitstellen wollten, gab es erstaunlich viele positive Signale für Kooperationswillen. Offensichtlich bestehen seitens
der Datenanbieter bei einer lokalen Lösung weniger Bedenken als
bei einer Lösung großer internationaler Anbieter, bei denen die
deutschsprachigen Titel häufig eher hinten gelistet werden.
Schließlich wurden Überlegungen zu Geschäftsmodellen angestellt, wobei sich drei grundsätzliche Möglichkeiten unterschieden:
››Aufbau und Betrieb befinden sich in öffentlicher Hand: Die öffentliche Hand kann mittels Projektförderung den Aufbau des
benötigten Indexes leisten, jedoch wird für Betrieb und Pflege
langfristig eine steigende Zahl von Stellen erforderlich, die bei
festen Stellenplänen kaum realisierbar scheint.
››Aufbau und Betrieb liegen bei einem privaten Unternehmen:
Der Vorteil ist, dass ein Privatunternehmen bei der Einstellung
von Mitarbeitern in der Regel flexibler als der öffentliche Dienst
ist. Entgegen steht, dass der Einfluss der Bibliotheken auf die
Gestaltung des Angebots eher gering ist und nicht garantiert
werden kann, dass das Angebot im angestrebten Preissegment
angesiedelt wird.
››Aufbau und Betrieb werden zwischen der öffentlichen Hand
und einem privaten Anbieter in Partnerschaft geleistet: Eine
solche öffentlich-private Partnerschaft könnte die Vorzüge der
beiden anderen Ansätze vereinen, ist jedoch ein komplexes
juristisches Konstrukt, bei dem der Aufwand bei der Vertragsgestaltung und Klärung relevanter Rechtsfragen nicht vernachlässigt werden darf.
AKTUELLER STAND
Grundlage für den langfristigen Erfolg des Projektes und für die
kostengünstige Ausrichtung einer entsprechenden Dienstleistung
ist eine feste Zahl an Kunden, mit denen das Angebot auch langfristig weiterentwickelt und zeitgemäß gestaltet werden kann. Das Projektteam informiert in diesem Jahr auf breiter Ebene, auf Kundenund Fachveranstaltungen über das geplante Projekt. Angesprochen
sind Bibliotheken, die nicht genügend Personal für Eigenentwicklungen einsetzen können oder eine kostengünstige Produktalternative anbieten möchten und die ihren Bestand in einer, den Anforderungen der Benutzer entsprechenden, modernen Form im Internet
präsentieren möchten.
ENDNOTEN
1 Dixon, Lydia u. a.: Finding Articles and Journals via Google Scholar, Journal Portals, and Link
Resolvers. Usability Study Results. In: Reference & user services quarterly. 2010, Nr. 2, S. 170–
182
2w
ww.ebscohost.com/discovery/content
3 www.exlibrisgroup.com/category/PrimoCentral
4 www.serialssolutions.com/en/services/summon/content-and-coverage
›› KOMMENTAR
DISCOVERY FÜR DIE ÖFFENTLICHEN
BIBLIOTHEKEN ENTDECKEN!
Als in den Öffentlichen Bibliotheken (ÖB) vor einer
Menschengeneration
noch
HARALD PILZER
die Kartenkataloge die SzeVorsitzender vbnw
nerie beherrschten, machte
das Schlagwort die Runde,
dass Zuviel an bibliothekarischer Komplexität an die
Besucherinnen und Besucher weitergegeben werde, um von Kundenfreundlichkeit reden zu können. Mit der Einführung der elektronischen OPACs ab Mitte/Ende der 1980er Jahre glaubten wir,
ein gutes Instrument zu haben, bei dem ein mit bliothekarischer
Akribie erzeugter Nachweis über ein im Bestand der Bibliothek befindliches Medium von verschiedenen Suchwegen her aufgefunden
werden konnte. Diese glückliche Zeit währte keine Generation lang.
Sind die Discovery-Systeme die OPACs der Zukunft? Dies fragte auf
dem Hamburger Bibliothekartag 2012 Gerald Steilen. Die Idee, alle
Ressourcen einer Bibliothek, ob gekauft oder lizenziert, und zudem
auch frei zugängliche Webquellen in einem Recherchetool in einem
Index zusammenzufassen, ist bestechend; auch für die ÖBs, die zunehmend digital content in ihr Repertoire aufnehmen und aktuell
ihren Besuchern neben dem eigenen Katalog weitere unterschiedliche Recherchen und Navigationen anzubieten gezwungen sind. In
der Regel haben die gegenwärtig in den ÖBs eingesetzten OPACs
kaum Möglichkeiten, neben dem eigenen Bestandsverzeichnis weitere Verzeichnisse/Indices einzubinden. Häufig entstehen deshalb
auf den Webseiten der Bibliotheken Seiten mit zahlreichen bunten
Kacheln, die auf die Webquellen und ihre ‚proprietären‘ Auftritte
verweisen und verlinken, wie z. B. auf die in den ÖBs populäre Onleihe, aber nicht in eine gemeinsame Suche integrieren.
Die informatorische Visualisierung verschiedener Angebote wird
wohl bleiben. Den Zugang stellen wir uns allerdings eleganter vor.
Zuerst als, wie könnte es anders sein, Google- und Amazon-inspirierten ‚one stop shop‘. Eine Suchzeile ‚fits for all‘. Soweit eine
mögliche Erwartung; dass ein solches Instrument trotz aller äußeren Schlichtheit nicht simpel ist, und sich damit alle Fragen der
Vermittlung von Recherche- und Informationskompetenz nicht wie
von selbst lösen, darauf haben unsere Kollegen aus den Hochschulbibliotheken deutlich hingewiesen. Und um Bertolt Brecht zu zitieren: »Die Mühen der Gebirge liegen hinter uns – Vor uns liegen die
Mühen der Ebenen«.
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3 /14
IM FOKUS /
„ONE SLOT” FÜR DIE KUNDEN DER
STADTBÜCHEREI MÜNSTER
So wurde eine herstellerneutrale Software gesucht, die auch die
Option enthält, zu einem späteren Zeitpunkt zu einem anderen Bibliotheksmanagementsystem zu wechseln, falls erforderlich. Außerdem sollte das Produkt bereits in Bibliothekssystemen im Einsatz sein, die der Größe Münsters ungefähr entsprechen.
MONIKA RASCHE
Stadtbücherei Münster
MECHTHILD BÖHME
Stadtbücherei Münster
Die Stadtbücherei Münster wird ihren Kunden demnächst einen
Online-Katalog auf der Basis eines Discovery-Systems mit Namen
VuFind anbieten. VuFind ist eine an der Villanova University (USA)
entwickelte Open Source Software. Sie bietet eine einfache Suchmaske, die es dem Kunden erlaubt, mit einem einzigen Sucheinstieg auf eine Entdeckungsreise durch die von der Bibliothek bereitgestellten Daten zu gehen. Neben den Titelaufnahmen im Katalog
werden auch andere Datenbestände der Bibliothek durchsucht.
Als lokales Bibliothekssystem setzt die Stadtbücherei Münster Bibliotheca plus von OCLC ein und bietet zurzeit noch den dazugehörigen Web-OPAC an. Hierbei handelt es sich um einen klassischen
OPAC, der mit Boole’schen Operatoren arbeitet und weder eine
moderne Suchmaschinentechnologie einsetzt noch dem Kunden
Funktionalitäten eines Katalogs 2.0 bietet (zum Beispiel Eingabe
von Kommentaren, Anlegen von Listen). Dem Google-gewöhnten
Kunden erscheint der Web-OPAC altmodisch und wenig innovativ.
Daher wollte die Stadtbücherei Münster den OPAC durch ein aktuelleres System ersetzen. Die Software sollte über eine moderne Suchmaschinentechnologie und Web-2.0-Komponenten verfügen. Naheliegend wäre eine Entscheidung für OPEN gewesen, das
Nachfolgeprodukt von OCLC für den Web-OPAC. Mit OPEN verbunden ist jedoch ein recht teures Content Managementsystem (CMS),
das nicht benötigt wird. Die Stadtbücherei Münster ist nämlich gehalten, im Interesse eines einheitlichen Auftritts städtischer Institutionen und Ämter für ihre Homepage das entsprechende CMS (zukünftig Typo 3) zu verwenden.
Hier bot sich die Firma Subkom GmbH an, deren Produkt »MobilOPAC« für Smartphones die Stadtbücherei Münster bereits seit Anfang 2012 einsetzt. Die Firma plante unter Verwendung von VuFind einen Online-Katalog mit dem Namen »smartBib OPAC« zu
entwickeln, der den Bedürfnissen deutscher Öffentlicher Bibliotheken entspricht. Auch wenn das Produkt sich noch im Entwicklungsstadium befindet, erfüllt es doch die Anforderungen. Es ist
herstellerunabhängig und in den USA bereits in zahlreichen public libraries im Einsatz sowie in Deutschland in mehreren Wissenschaftlichen Bibliotheken wie zum Beispiel der Universitätsbibliothek Leipzig.
WAS BIETET VUFIND BZW. SMARTBIB?
Zunächst einmal verfügt VuFind über einen Suchschlitz (»one slot
– one shot«), wie man es heute von Google und anderen kommerziellen Anbietern, aber auch von Wikipedia gewöhnt ist. Bei der
Eingabe werden dem Nutzer bereits automatisch Vervollständigungen angeboten. Sogenannte Facettierungen erlauben die Einschränkungen der Treffermengen, zum Beispiel nach Medientyp
(Hörbuch usw.), nach Bereichen (Pädagogik usw.) und Zweigstellen. Die Basis von VuFind ist die Suchmaschinentechnologie SolR/
Lucene.
Die Trefferanzeige bietet zunächst alle gefundenen Titel an, wobei zwischen verschiedenen Sortierungen (nach Relevanz, Erscheinungsjahr usw.) gewählt werden kann. Entscheidet man sich für
einen Titel, erhält man die vollständige Titelaufnahme einschließlich der Exemplardaten und kann außerdem zu Annotationen oder
Kommentaren wechseln. Letztere kann der Kunde selbst eingeben.
Darüber hinaus werden auch ähnliche Titel angeboten, so dass sich
der Kunde fast wie bei einem Regal im Umfeld des gefundenen
Buchs umschauen kann. Neben den bekannten Kontofunktionen
wie Ausleihkonto, Gebührenkonto, Leihfrist verlängern, Vormerken oder Vorbestellen kann der Kunde den Suchverlauf sowie seine Suchergebnisse speichern und sich darüber hinaus auch Literaturlisten anlegen.
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Die Stadtbücherei Münster bietet ihren
Kunden die „Einschlitzsuche“ an.
Der größte Mehrwert, den ein Discovery
Tool wie VuFind bietet, ist die Möglichkeit,
über dieses System mit einer Suchanfrage
auch direkt auf andere Datenpools der Bibliothek zugreifen zu können wie z. B. die
Onleihe und das Munzinger-Archiv.
In der Stadtbücherei Münster wurden bisher die Daten von Muensterload (dem Onleihe-Angebot) und vom Munzinger-Archiv
in den Katalog importiert. Das hat erhebliche Nachteile, wenn es in diesen Datenbanken zu Änderungen oder Löschungen
kommt. Dann müssen Titeldaten im Katalog aufwändig einzeln geändert werden,
zum Beispiel wenn Lizenzen zeitlich befristet sind und automatisch auslaufen. In einem Discovery-System werden die digitalen Bestände nur in einem
Index zusammengefasst und periodisch dort hineingeladen. Somit
ist eine regelmäßige Aktualisierung gewährleistet.
Die Freischaltung des SmartBib-Online-Katalogs ist für den Herbst
geplant. Zunächst werden Katalog- und Kundendaten noch aus
dem Web-OPAC generiert werden, für das Frühjahr 2015 ist die
Übernahme direkt aus der oracle-Datenbank geplant.
STAND DER DINGE
Der neue Katalog auf der Basis von VuFind befindet sich in der
Stadtbücherei Münster im Moment in der Testphase und ist von
außen noch nicht zugänglich. Über einen Index eingebunden sind
bereits die elektronischen Bücher des Project Gutenberg, weil das
lizenzrechtlich unproblematisch ist und die Daten in MARC 21 vorliegen. Auch eingebunden ist EDMOND NRW – der Onlinedienst
für Bildungsmedien der Medienzentren in NRW, da die Stadtbücherei zum Jahreswechsel die Funktion eines Medienzentrums für die
Schulen der Stadt Münster übernommen hat.
Mit der Gestaltung der Seiten und ICONs für die Medientypen wurde ein Informationsgestalter beauftragt, der bereits die Oberfläche der Touch-Screens für die RFID-Selbstbedienungsstationen der
Stadtbücherei Münster entworfen hat. Ziel ist es, ein ansprechendes Design für die Benutzeroberfläche zu erhalten, das sich deutlich von den nüchternen Auftritten Wissenschaftlicher Bibliotheken
unterscheidet und zugleich durch die Benutzerführung die sogenannte »Usability« erhöht.
AUSBLICK
Es ist wünschenswert, dass weitere für Öffentliche Bibliotheken relevante Datenbanken indexiert werden und diese so in die Suche
eingebunden werden können. Der Kunde findet dann alle Datenbestände unter einem Sucheinstieg. Damit steigt zum einen die Nutzung dieser Bestände, die heute oftmals versteckt sind und der Vermittlung durch den Bibliothekar bedürfen. Zum anderen wird die
Rolle der Bibliothek als Informationsanbieterin gestärkt, wenn Kataloge mehr bieten als nur den Zugriff auf die realen Bestände vor
Ort. Die Indexierung kostet jedoch Geld und wird für eine einzelne Bibliothek teuer, wenn nicht sogar unbezahlbar. Vor diesem Hintergrund ist ein Landesprojekt wie die »Schnellsuche NRW« zu begrüßen, um durch Kooperation die erforderlichen Kosten auf viele
zu verteilen. Das Produkt VuFind ist geeignet, um diese Schnellsuche zu realisieren.
ENDNOTEN
Es wurde eine Einstiegsseite entwickelt, auf der dem Kunden Titelvorschläge gemacht und Bereiche benannt werden, in denen er
stöbern kann (z. B. Kinderbücherei oder Bestseller). Den konservativen Nutzern, ob nun Kunden oder Bibliothekaren, wird als Alternative eine Profi-Suche mit den Boole’schen Operatoren angeboten,
die ebenfalls von der Einstiegsseite erreichbar ist.
1 www.subkom.de
2 www.ub.uni-leipzig.de/alle-kataloge.html
3 www.gutenberg.org/
4 http://edmond20.lvr.de/
5 www.buero-buening.de/portfolio-item/4030-2/
6 S. DigiBib Discovery unter http://bit.ly/1sHPt90
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3 /14
IM FOKUS /
STADTBIBLIOTHEK PADERBORN –
LANGJÄHRIGER PARTNER FÜR „OPEN“
Verlängerungsfunktion für ausgeliehene Medien und die Integration in unsere Webseite«.
Mit der OPEN-Einführung waren die Paderborner damals eine der
ersten Bibliotheken. »Es war wie ein Sprung ins kalte Wasser. Neben der Einführung von OPEN und BIBLIOTHECAplus haben wir
gleichzeitig auf die RFID-Technologie umgestellt, um die Medien
elektronisch zu verbuchen und zu sichern. Wir standen einem Konglomerat aus neuen Technologien gegenüber, die schwer zu differenzieren waren«, blickt Böhning zurück. Die Anstrengung und Eigeninitiative haben sich gelohnt, vor allem im Sinne der Kunden:
Mit jedem Update wurden Anforderungen und optische Verbesserungen für das Benutzerkonto angeregt und umgesetzt. So können
die 13.241 Nutzerinnen und Nutzer der Paderborner Stadtbibliothek die über 120.000 Bücher und Non-Book-Medien beispielsweise schnell und übersichtlich verlängern und haben einen guten
Überblick über die Gebühren. Sie können eigene Merklisten anlegen, bekommen ausgeliehene Medien der Fernleihe angezeigt und
können über 3.700 E-Medien im direkten Link in der Trefferliste
herunterladen. Als nächstes ist geplant, letztere auch im Kundenkonto sichtbar zu machen.
Schnell und übersichtlich arbeiten: Besucherin des naturwissenschaftlichen Bereichs der Stadtbibliothek Paderborn
KATJA EDELMANN
Freie Autorin
»Lernraum, Inspiration, Treffpunkt«: Auf ihrer Webseite präsentiert sich die Stadtbibliothek Paderborn den Besuchern als sozialer
Raum in einladendem Design. Aktuelle Service-Meldungen sparen
den Nutzern Wege und Zeit. Man merkt, welchen Stellenwert moderne Kommunikation und Kundenorientierung in der Einrichtung
haben. Impulsgeber und Umsetzer ist dafür häufig das EDV-Team.
SEIT 2011 DABEI
Seit 2011 sind die Paderborner Projektpartner für OPEN, OCLCs
»WebOPAC und Portal in einem«. Damals brauchte das Team um
EDV-Leiter Roland Dicke eine Webseite mit integrierter Katalogrecherche – der Startpunkt für die gute Zusammenarbeit mit OCLC.
Funktionalitäten und Design werden seither gemeinsam und stetig
weiterentwickelt. 2012 führte die Stadtbibliothek Paderborn das
Web-Portal ein. Bibliotheksmitarbeiterin Regina Böhning erinnert
sich: »Nach und nach sind im System Funktionalitäten hinzugekommen, die wir angeregt haben. Die Recherche und der Komfort
des Katalogs waren uns besonders wichtig, etwa die komfortable
IN FRISCHEM DESIGN
Auf diese Benutzerfreundlichkeit reagieren die Kunden zufrieden:
»Die Nutzer bemerken zum Beispiel, wenn die Verlängerungsfunktion für ihre Medien besser aussieht und besser funktioniert. Dann
bekommen wir in der EDV auch positive E-Mails von unseren Kollegen, die direkten Kundenkontakt haben«, freut sich Mitarbeiterin Böhning. Neben den Funktionen ist der Stadtbibliothek ebenso die Form wichtig. Im April 2014 frischte sie unter Leitung der
EDV das Layout der Webseite auf: In modernem Orange und der
Weniger-ist-mehr-Optik lädt die Einrichtung seine Besucher online
in eine Bibliothek des 21. Jahrhunderts ein.(1) Auch in der Bibliothek selbst leben die Paderborner die neue Rolle als Inspiration und
Treffpunkt: 2013 veranstalteten sie eine Manga-Convention, in diesem Jahr das Treffen der Star-Wars-Fans.
ENDNOTE
1 www.stadtbibliothek-paderborn.de
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KONZEPTE /
„WIR SIND BÜRGERMEISTER!“
WIE KINDER MIT DIGITALEN MEDIEN
KREATIV ARBEITEN
JULIA SCHABOS
Deutscher Bibliotheksverband e. V. (dbv)
In der Leseförderung spielen klassische Medien eine wesentliche
Rolle, werden aber zunehmend durch digitale Angebote ergänzt.
Das Projekt »Lesen macht stark: Lesen und digitale Medien« greift
diese Entwicklung auf. Es bietet Bibliotheken mit fünf altersgerechten Aktionen die Möglichkeit, bewährte Veranstaltungsformate digital anzureichern, cross-medial zu arbeiten und so Text- und
Medienkompetenz zu fördern. Über die Nutzung neuer Medien
können Kinder Inhalte selbst gestalten – sei es über das Internet,
über Smartphones oder Tablet-PCs. Das gemeinsame Leseförderungsprojekt des Deutschen Bibliotheksverbands e. V. (dbv) und
der Stiftung Digitale Chancen ist Teil des Förderprogramms »Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung« des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung.
»Lesen macht stark: Lesen und digitale Medien« setzt auf eine
nachhaltige Vernetzung lokaler Einrichtungen. Bibliotheken initiieren mit mindestens zwei Partnern lokale »Bündnisse für Bildung«. Die so etablierten Partnerschaften und Bildungsnetzwerke
bündeln gemeinsam ihre Kompetenzen. Seit Projektbeginn im Mai
2013 wurden in NRW bereits 31 solcher »Bündnisse für Bildung«
durch Bibliotheken geschmiedet.
VERNETZUNG: BEISPIEL NEUENRADE
Das Zentrum für Lesen, Integration und Sprache (Zelius) in
Neuenrade animierte Viertklässler, sich zum Thema Stadtplanung Gedanken zu machen.
Das Zentrum für Lesen, Integration und Sprache (Zelius) Neuenrade, zwei städtische Schulen sowie der Stadtmarketingverein Neuenrade e.V. bildeten solch ein neues »Bündnis für Bildung« und
setzten gemeinsam mit ehrenamtlich engagierten Bürgern die Aktion »Wir sind Bürgermeister!« um. Der Fokus lag dabei neben der
Vermittlung von Lese- und Medienkompetenz vor allem auf der
Chance zur direkten gesellschaftlichen Teilhabe der Kinder.
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KONZEPTE /
Diese sollten aktiv an der Stadtentwicklung Neuenrades mitwirken können. »Wir sind Bürgermeister!« lautete daher die gemeinsame Losung. Dabei setzten sich die Viertklässler mit ihren Wünschen für die Stadtplanung auseinander. Beim ersten Treffen in
der Bibliothek ging es vor allem um die Figur des Bürgermeisters.
Wer kennt den Bürgermeister von Neuenrade? Ist ein Bürgermeister auch der Chef der Stadt? Zur Einstimmung auf den Besuch im
Rathaus wurden thematisch abgestimmte Kurzgeschichten gelesen
und gemeinsam überlegt, welche Fragen man ans Stadtoberhaupt
richten möchte.
Beim Folgetreffen in der Bücherei wurden erste Ideen für Fotostorys entwickelt. Die Kinder stellten sich dabei Fragen, wie »Was würde ich als Bürgermeister machen?«, »Welche Dinge in Neuenrade
möchte ich verbessern?« und »Was ist durchführbar, was nicht?«
Nach einer Einführung in den Umgang mit den Tablet-PCs entwarfen die Jungen und Mädchen bei einem dritten Termin in Zweierteams Storyboards für ihre Geschichten. An ausgesuchten Plätzen
wurden Fotos gemacht und am Tablet zu Geschichten zusammengeführt. Highlight der Aktion war die Abschlussveranstaltung, bei
der die Kinder ihre Fotostorys und vor allem die Ideen und Wünsche dahinter präsentierten. Mit dabei waren Eltern, Ratsmitglieder und sogar der Bürgermeister.
FÖRDERMÖGLICHKEITEN NUTZEN
Bibliotheken haben bis 2017 die Möglichkeit, sich um Fördergelder für die fünf Projektangebote zu bewerben. Die 4. Ausschreibungsrunde wurde am 1. Oktober 2014 veröffentlicht und läuft bis
15. November 2014. Neu ist: Antragsformular und Weiterleitungsvertrag wurden vereinfacht. Außerdem erhalten die Antragssteller
eine Verwaltungspauschale in Höhe von 5 % der lokalen Fördersumme.
Der neue Internetauftritt zum Projekt »Lesen macht stark: Lesen
und digitale Medien« ist online. Unter www.lesen-und-digitale-medien.de finden sich die wichtigsten Informationen zum Projekt, zur
Antragsstellung und Durchführung.
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LEVERKUSEN: MIT „BIBLIOFREAK“
MEHR VERSTÄNDNIS GEWONNEN
Ich bin
MusikFreak
Fußball, Manga, Pferde, Thriller – »Welcher Freak steckt in
dir?«, fragte das 30-köpfige
Team der Stadtbibliothek Leverkusen Nutzer und Nicht-Nutzer
im Rahmen der sechsmonatigen
»BiblioFreak«-Testkampagne von
August 2013 bis Februar 2014.
Auf Postkarten und der Webseite
verrieten 228 Leverkusener BürBiblioFreak.org
gerinnen und Bürger, welcher Leidenschaft sie verfallen sind. »Wir
haben Schulen und Vereine gezielt angeregt, über ihre Interessen zu sprechen. Der Poetry-Freak
war bei den Schülern besonders beliebt«, erinnert sich Bibliotheksleiterin Lucia Werder, selbst ein Koch-Freak. Die Stadtbibliothek
Leverkusen war einer von fünf Pilot-Standorte der Kampagne »BiblioFreak« in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Hinter der
Aktion steht die Bibliotheksorganisation OCLC GmbH mit den Kooperationspartnern ekz.bibliotheksservice, der Werbeagentur necom, den Landesverbänden des Deutschen Bibliotheksverbandes,
dem Bibliotheksverband Österreich und der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der allgemeinen Öffentlichen Bibliotheken.
Welcher Freak steckt in dir? Vieles was Du dazu brauchst hat Deine Bibliothek.
Zeige was DICH bewegt und unterstütze deine Bibliothek unter:
BiblioFreak unterstützt die Öffentlichkeitsarbeit von Öffentlichen Bibliotheken - initiiert von ekz und OCLC.
Für ihren Einsatz erhielt die Leverkusener Einrichtung sehr viel Resonanz. Für die Kampagne erstellte die Stadtbibliothek erstmals
einen Facebook-Account, um vor allem mit den jungen Freaks zu
kommunizieren. Dennoch haben alle Altersgruppen auf die Kampagne reagiert: »BiblioFreak hat uns eine hohe Aufmerksamkeit gebracht und einen leichten Anstieg der Entleihungen. Durch die vielen persönlichen Gespräche während der Kampagne hat sich vor
allem das Verhältnis zu Dienstleistern und Partnern stark verbessert, so dass es mehr Verhandlungs- und Kompromissbereitschaft
gibt«, berichtet die Bibliotheksleiterin.
SCHWEIZ MACHT WEITER
Auch an den anderen Modell-Standorten hat sich BiblioFreak als
Aktionsprogramm zur Weiterentwicklung der Bibliotheken in den
Regionen bewährt. Der Verband Bibliothek Information Schweiz
(BIS) will die Kampagne 2014 bis 2015 in der Schweiz in den drei
Landessprachen umsetzen, um zu zeigen, wie Bibliotheken heute selbst aktiv werden. Einen Anschub für die Kommunikation der
Kampagne war der BIS-Kongress im September.
Weitere Informationen zur Kampagne sind online abrufbar unter
www.bibliofreak.de/infos-fuer-bibliotheken
Foto: Stefan Andres
„GEEK THE LIBRARY“
Inspiriert von der US-amerikanischen Bibliothekskampagne »Geek
the library« wollen die Initiatoren unterschiedlichste Interessen
»herauskitzeln«, Menschen und Wissen mit den lokalen Bibliotheken verbinden und so neue Nutzer gewinnen. In Leverkusen bettete die Stadtbibliothek die Freak-Suche in 167 Veranstaltungen
und Führungen ein. Bibliotheksleiterin Lucia Werder erinnert sich
gern an die Presse-Einladung zum Kampagnenstart: »Wir Mitarbeiter haben unseren eigenen Freak vorgestellt – mit Kochlöffel, dem
eigenen Hund und in Feldhockey-Montur saßen wir vor den Journalisten«. Zuvor hatte OCLC das Team in einem Auftakt-Workshop
informiert, bei dem man festlegte, wer welche Zielgruppe ansprechen und welche Materialien vorbereiteten sollte. Lucia Werder
hält es für wichtig, dass bei einer solchen Aktion das Team grundsätzlich für Neuerungen und Veränderungen offen ist, da die Aktionen der Kampagne die Beteiligung von jedem Mitarbeiter erfordern – und damit einen hohen Personalaufwand.
Mit Helm und Hund: Das Team der Leverkusener Stadtbibliothek
präsentierte den „Freak in sich“ zum Kampagnenstart 2013; Benedikt
Gilgenberg, Eva-Marie Urban, Marc Adomat, Agid Jumpertz (stehend), Lucia Werder, Brigitte Heiden, Anika Baschien, Ursula Gilgenberg (sitzend).
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ENTDECKUNGEN /
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›› KOLUMNE: NEUES VOM ALTEN BUCH
UNTERSCHRIFTSREIF: VERTRAG FÜR
NOTFALLVERBUND BONN-RHEIN-SIEG
MICHAEL HERKENHOFF
Universitäts- und
Landesbibliothek Bonn
Der Arbeitskreis Historische Bestände in
Rheinland und Westfalen organisiert 2014
und 2015 in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Bibliotheks- und Informationswissenschaftliche Weiterbildung (ZBIW)
mehrere Fortbildungen zu Alt- und Sonderbeständen. Reinhard Feldmann (ULB
Münster) und Dr. Armin Schlechter (LBZ
Rheinland-Pfalz) führten Ende September
2014 in »Historische Einbände in Bibliotheken« ein.
Dr. Michael Herkenhoff (ULB Bonn) und
Annelen Ottermann, M. A. (StB Mainz)
bieten am 29. und 30. Januar 2015 in der
Wolfsburg (Mühlheim/Ruhr) unter dem
Titel »Gebrauchsspuren in Büchern« eine
Fortbildung zur Provenienzenerschließung
an. Die Veranstaltung wird am ersten Tag
in den gegenwärtigen Stand der Provenienzenerfassung in den Bibliotheken des HBZVerbundes und anderen Verbünden einführen. Der zweite Tag ist als Übung angelegt.
Anhand ausgewählter Beispiele erlernen
die Teilnehmer das Erkennen von Überlieferungsspuren und Exemplarspezifika sowie deren Bestimmung.
Kupferstich aus La Crozes Beschreibung der
Geschichte des Christentums in Äthiopien
und Armenien (EDDB Köln, HE-2232).
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›› STADTBIBLIOTHEK TRIER
Die Umbauarbeiten in der Stadtbibliothek Weberbach machen gute Fortschritte.
Die Schatzkammer wird am 14. November
2014 nach einer ca. dreijährigen Umbauphase in neuem Glanz in Anwesenheit der
Ministerpräsidentin wiedereröffnet. Insgesamt stehen dann 360 Quadratmeter Ausstellungsfläche und Nebenräume zur Verfügung. Dafür wurde ein wenig genutzter
Atriumgarten überdacht und in ein Ausstellungsfoyer verwandelt. Der ehemalige Eingangsbereich der Schatzkammer wird zu
einem Medienraum mit Medientisch, an
dem Handschriften virtuell umgeblättert
werden können. Die wertvollen barocken
Coronelli-Globen erhalten einen Platz in
der Schatzkammer selbst.
Die Dauerausstellung erhält künftig zwei
miteinander verbundene Räume. Die besonders wertvollen Stücke – Egbert-Codex,
Ada-Evangeliar und Gutenbergbibel – werden im ehemaligen Wechselausstellungsraum hervorgehoben präsentiert. Zur Ausstellung werden ein Audioguide und eine
herunterladbare App geschaffen. Die Texte werden in Deutsch, Französisch, Englisch und Niederländisch zur Verfügung stehen. Für Kinder werden spezielle Angebote
bereitgestellt. Die Betreuung der Schatzkammer erfolgt durch ehrenamtliche Mitarbeiter. Neben der architektonischen
Neugestaltung wurde auch modernen konservatorischen Gesichtspunkten und Sicherheitsbelangen Rechnung getragen. Ne-
ben einer Landesförderung und Mitteln aus
dem EU-Fonds zur Förderung der regionalen Wirtschaft (EFRE) werden erhebliche
Eigenmittel investiert.
Zeitgleich hat dieses Jahr der letzte Bauabschnitt begonnen. Er umfasst die Sanierung
des Katalogsaals, des Zeitschriftenlesesaals,
die Überdachung und Nutzbarmachung
des zweiten Atriums und die Sanierung des
größeren Vortragsraums.
›› ERZBISCHÖFLICHE DIÖZESAN- UND DOMBIBLIOTHEK KÖLN
Von Januar 2013 bis Januar 2014 erinnerte die Ausstellung »In aeternum cantabo – Zeugnisse aus 1.300 Jahren kölnischer DomMusikGeschichte« an die Umgestaltung der Kölner Dommusik 1863
durch die Gründung eines Knabenchors. In den vier Jahrzehnten
davor waren die Gottesdienste von einer Domkapelle gestaltet worden, die eng mit dem Musikleben der Stadt verwoben war. Das oft
handschriftlich vervielfältigte Notenmaterial dieser Zeit, aber auch
Zimelien wie der Nürnberger Erstdruck (1587) der Motetten Orlando di Lassos, sind heute in der Sammlung des Domkapellmeisters Carl Leibl in der Dombibliothek erhalten. Die Ausstellung zeigte, wie sich aus diesen Anfängen heraus die mittlerweile vier Chöre
des Kölner Doms entwickelt haben. Der reich illustrierte Katalog,
herausgegeben von Stefan Klösges und Eberhard Metternich, kann
noch in der Bibliothek erworben werden.
Die Ausstellung über »Die orientalischen Christen – eine unterdrückte und verfolgte Minderheit« (30. April bis 16. Juli 2014)
nahm auch Bezug auf leider immer noch aktuelles Tagesgeschehen.
Dargestellt wurden u. a. Geschichte und Liturgie der Nestorianer,
der koptischen Kirche, der syrischen und der armenischen Christen. Die Themenkreise wurden mit älteren Drucken aus dem eigenen Bestand sowie mit neu erworbenen liturgischen Handschriften
illustriert. Lange Zeit bestimmten mehr oder weniger fantasievolle
Reiseberichte das Bild, das sich der Westen von den orientalischen
Christen machte. So lieferte etwa der portugiesische Priester Francisco Àlvares 1540 einen ersten realistischen Einblick in das Christentum Äthiopiens wie auch zur Wirtschaft, Kultur und Natur des
Landes. Dennoch setzte auch seine mehrfach aufgelegte »Kurtze
und Warhafftige Beschreibunge aller gründlichen erfarnus von den
Landen des mechtigen Königs in Ethiopien, den wir Priester Johan
nennen« (Eißleben: Joachim Heller, 1567; Sign.: Ae 719) den Negus (Kaiser) von Äthiopien schlicht mit dem sagenhaften Priesterkönig Johannes gleich. Dieser Druck ist wie alle anderen Exponate in einem begleitenden Ausstellungskatalog (Libelli Rhenani, 49)
beschrieben.
Die aktuelle Ausstellung (bis Anfang 2015) hat »Die Dreikönigstranslation und Dreikönigsverehrung im Spiegel der Reichspolitik«
zum Thema. Sie ist ein Beitrag der Bibliothek zur Übertragung der
Dreikönigsreliquien von Mailand nach Köln, die sich 2014 zum 850.
Mal jährt, und an die mit Aktionen in der ganzen Stadt erinnert
wird. U. a. sind Dreikönigsdarstellungen in kostbaren Handschriften und Inkunabeln der Bibliothek zu sehen. Eine Tagung am 24.
Oktober 2014 wird die Reliquientranslation in historischer und literaturwissenschaftlicher Hinsicht aufarbeiten.
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ENTDECKUNGEN /
›› LBZ RHEINLAND-PFALZ/PFÄLZISCHE LANDESBIBLIOTHEK SPEYER
Im LBZ/Pfälzische Landesbibliothek Speyer wird im Rahmen eines
Projekts ein bisher nur rudimentär erschlossener Teil des Nachlasses von Ernst Lieber (1838–1902) bearbeitet. Lieber war Abgeordneter des Reichstags und einer der Gründer der Zentrumspartei.
Es handelt sich um umfangreiche Materialsammlungen, die die
Grundlage für seine parlamentarische Arbeit bildeten. Neben der
Einzelverzeichnung steht die modellhafte konservatorische Sicherung im Vordergrund. Zur Ende Mai 2014 unter großer öffentlicher
Resonanz eröffneten Ausstellung im gemeinsamen Gebäude von
Landesarchiv und Landesbibliothekszentrum Speyer zum Ersten
Weltkrieg ist eine umfangreiche Begleitpublikation erschienen.(1)
Im LBZ/Bibliotheca Bipontina wurde von Juli bis Ende September
2014 die Ausstellung »… dass Sie ‚kecklich zu reden geschickt werden‘ – Vier Jahrhundert Schuldrama im Zweibrücker Gymnasium«
gezeigt. Vom 16. bis zum frühen 18. Jahrhundert fiel dem humanistischen Gymnasium in Zweibrücken indirekt auch die Funktion
eines Hoftheaters zu.
›› UNIVERSITÄTS- UND LANDESBIBLIOTHEK BONN
Die Archive und Bibliotheken der Stadt
Bonn und des Rhein-Sieg-Kreises sind
schon seit längerer Zeit intensiv damit beschäftig, an einem Konzept für einen Notfallverbund Bonn-Rhein-Sieg zu arbeiten.
Die Vorbereitungen für diesen Zusammenschluss sind nunmehr abgeschlossen. Die
Unterzeichnung des Vertragstextes steht
unmittelbar bevor. Die beteiligten Einrichtungen verpflichten sich darin zur Erarbeitung eigener Alarmpläne sowie zur gegenseitigen Unterstützung im Notfall. Die
Universitäts- und Landesbibliothek Bonn
wird Partner in dem Notfallverbund.
Seit 1992 erfasst die ULB Bonn ihre Nachlässe und Autographen mit dem Erfassungssystem HANS. In dem überregionalen Verbundkatalog Kalliope sind dagegen
bisher nur die Bonner Bestände recherchierbar, die früher an die Zentralkartei der
Autographen gemeldet worden sind. Um
einen besseren Nachweis und somit auch
eine bessere Nutzung ihrer handschriftlichen Materialien zu gewährleisten, exportierte die ULB im Juli 2014 nahezu alle in
HANS katalogisierten Bestände als MABExport in Kalliope. Die Pflege dieser Daten
in dem Verbundkatalog übernimmt die ULB
Bonn mit Hilfe eines in der Handschriftenabteilung installierten Kalliope-Klienten.
Ihren kleinen, aber durchaus bedeutenden
Bestand an rheinischen Kalendern und Almanachen des 18. und beginnenden 19.
Jahrhunderts hat die ULB Bonn inzwischen
digitalisiert und online veröffentlicht.(2)
Noch bestehende Bestandslücken sollen
mit Hilfe anderer Bibliotheken geschlossen
werden.
›› UNIVERSITÄTS- UND STADTBIBLIOTHEK KÖLN
Anlässlich des 450. Geburtstages von William Shakespeare hat das
Museum für Angewandte Kunst (MAK) in Köln von März bis Juli
2014 eine Ausstellung mit dem Titel »A Party for Will! Eine Reise
in das Shakespeare-Universum« gezeigt. Glanzstück war die »First
Folio« der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, also die erste Gesamtausgabe der Theaterstücke Shakespeares von 1623. In der Sekundärliteratur wird das Kölner Exemplar zu den »14 perfect copies« gezählt. Es wurde 1960 vom Verein der Freunde und Förderer
zusammen mit der zweiten, dritten und vierten Auflage der Gesamtwerke bei Hauswedell in Hamburg gekauft.
Die Kölnische Bibliotheksgesellschaft, der Förderverein der Universitäts- und Stadtbibliothek, hat anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens der USB eine hochwertige Scanner-Kamera geschenkt. Mit
dieser Kamera kann die vor einigen Jahren im Projekt »Verteilte Digitale Inkunabelbibliothek (vdIb)« begonnene Digitalisierung von
Inkunabeln weiter betrieben werden. Die auf einem Wolfenbütteler
Buchtisch gescannten Wiegendrucke sollen in die »Digitale Sammlung Inkunabeln und Blockbücher« geladen werden, in die bereits
die Digitalisate des vdIb-Projekts eingeflossen sind.
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›› UNIVERSITÄTS- UND LANDESBIBLIOTHEK DÜSSELDORF
Die niederrheinischen
Regionalia konnten unter anderem um zwei
Pläne zur Belagerung
Krefelds im Sommer
1758 erweitert werden (gedruckt 1758 in
Amsterdam bzw. 1765
in Den Haag). In ungewöhnlicher
Form
präsentiert sich die
Darstellung
einer
Rheinreise vom Rheinwaldgletscher bis nach
Rotterdam: Es handelt sich um ein Brettspiel, das – da Schachtel, Spielanleitung und
Figuren fehlen – bisher nicht näher identifiziert werden konnte. Die Pharmaziehistorische Bibliothek Dr. Helmut Vester konnte
um die Erstausgabe der »Pharmacia Galenica et chymica« (Amsterdam 1657) ergänzt
werden, die nun zum Vergleich mit zwei
späteren, überarbeiteten Ausgaben, die bereits Teil der Sammlung waren, zur Verfügung steht.
Im Zuge einer sukzessiven Schadenskartierung des Altbestandes wurden zu den Be-
standssegmenten »Folio« und »Binterim-Bibliothek« Schadensbilanzen erstellt. Zudem
wurden die Bände gereinigt, vermessen
und auf Digitalisierbarkeit geprüft. In den
Bestandssegmenten »Plakat« sowie »Kartenwerke und Kunstmappen« wurde die auf
die Schadenskartierung folgende konservatorische Bearbeitung abgeschlossen.
Eine kleine Ausstellung im Foyer der Zentralbibliothek präsentierte von Ende Februar
bis Ende Juni »Westentaschenmusik«: klein-
formatige Notenausgaben des
19. und 20. Jahrhunderts für
die unterschiedlichsten Anlässe vom Liedzettel für den St.
Martinsumzug über Karnevalsliederbücher bis hin zu Musenalmanachen mit ausfaltbaren Musikbeilagen. Ihr folgt
eine Ausstellung zu den ungewöhnlich gestalteten Künstlerbüchern der Alpha Presse. Zu
einigen dieser Bücher entstanden Video- oder Klangperformances, die ebenfalls präsentiert wurden. Im Mai wurde
erstmals eine kostenlose Büchersprechstunde angeboten,
die künftig im zweimonatigen
Turnus stattfinden wird. Besitzer alter Bücher werden dabei über Inhalt, Erhaltungszustand und Schätzwert ihrer Stücke informiert.
Zum Brettspiel „Rheinreise vom
Rheinwaldgletscher bis nach Rotterdam“
fehlen Schachtel, Anleitung und Figuren.
›› WISSENSCHAFTLICHE STADTBIBLIOTHEK MAINZ
Der 100. Jahrestag des Beginns des Ersten
Weltkriegs war für die Wissenschaftliche
Stadtbibliothek Mainz Anlass für die Ausstellung »Wir spielen Krieg. Patriotisch-militaristische Früherziehung in Bilderbuch
und Spiel 1870–1918«. Die Ausstellung
wurde in Zusammenarbeit mit der Mainzer
Sammlerin Beatrix Mühlberg-Scholtz erarbeitet. An zahlreichen Beispielen – in erster
Linie aus der Privatsammlung von Beatrix
Mühlberg-Scholtz, aber auch aus der Sondersammlung Scholz der Stadtbibliothek
Mainz – wird deutlich, dass Krieg, Soldatentum, Hurra-Patriotismus und Aggressivität gegenüber dem Feind in einer Flut von
Bilderbüchern und Spielen des Kaiserreichs
allgegenwärtig waren.
Zur Ausstellung ist eine 120 Seiten umfassende Begleitpublikation innerhalb der
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Schriftenreihe der Bibliothek erschienen.
Neben einem historischen Überblick über
das Kaiserreich sind themenbezogene Aufsätze zu patriotisch-militaristisch ausgerichteten Bilderbüchern und Spielen im
Zeitraum 1870 bis 1914 und zur Kinderund Jugendliteratur im Ersten Weltkrieg
sowie ein umfangreicher Abbildungsteil
enthalten.
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ENTDECKUNGEN /
›› LIPPISCHE LANDESBIBLIOTHEK DETMOLD
Bei der diesjährigen Frühjahrsauktion des
Hauses Stargardt wurden Dichterbriefe aus
dem Verlagsarchiv Brockhaus angeboten.
Ein Konvolut von 14 Briefen Freiligraths,
das die Lippische Landesbibliothek mit
Sponsorenhilfe erwerben konnte, wirft ein
interessantes Licht auf Freiligraths Bemühen, den Verleger zu wechseln, nachdem er
Cotta in Stuttgart verärgert hatte. Außerdem erwarb die Bibliothek einen umfangreichen Brief des Hermannsdenkmal-Erbauers Ernst von Bandel und ein Schreiben des
Komponisten Albert Lortzing über die russische Erstaufführung seiner Oper »Zar und
Zimmermann«.
Im April gedachten Schülerinnen und Schüler ihres Lehrers, des Klavierprofessors
Hans-Martin Theopold (1904–2000). Den
Verlagsbriefwechsel mit Theopold übergab
bei dieser Gelegenheit Dr. Wolf-Dieter Seif-
fert, Geschäftsführer des Henle-Verlags, an
die Lippische Landesbibliothek; Theopold
hatte über 200 Ausgaben des Verlages mit
Fingersatz versehen.
2014 feiert die Lippische Landesbibliothek
ihr 400-jähriges Bestehen als öffentliche Bibliothek: 1614 stiftete Simon VII., Graf und
Edler Herr zur Lippe, die Büchersammlung
seines Vaters Simon VI. als »Gräflich öffentliche Bibliothek« zu Detmold. Eine Ausstellung »400 Jahre, 400 Bücher« macht seit
dem 30. Juni den Zeitraum mit ausgewählten Büchern aus dem Bestand erfahrbar.
Brief Erich von Bandels an Georg Heinrich
Crola vom 5. Januar 1846
(ULB Bonn, Kriegsbriefe 44:3)
›› BIBLIOTHEK DES BISCHÖFLICHEN PRIESTERSEMINARS TRIER
Von März bis Mai 2014 wurde der Großteil einer historischen Bibliothek aus der Pfarrei St. Kastor in Koblenz katalogisiert, der
2010 und 2012 als Geschenk in die Bibliothek des Priesterseminars
gekommen war. Die Titel sind jetzt im HBZ-Verbundkatalog recherchierbar (bisher 1.162 Datensätze). Die Bücher sind geschlossen
aufgestellt in der Reihenfolge eines 1991/1992 angelegten Inventars. Die Kennzeichnung mit Signaturen erfolgte durch Einlegezettel, deren Papier alle Anforderungen an den Bestandsschutz erfüllt.
Eine professionelle Reinigung und weitere konservatorische und
restauratorische Maßnahmen stehen noch aus.
Für die Pfarrbibliothek St. Kastor und ähnliche Sammlungen, darunter die Bibliothek des 1921 verstorbenen Trierer Bischofs Michael Felix Korum, wurden im OPAC eigene »Standorte« eingerichtet, so dass diese Sammlungen gezielt durchsucht werden können.
Als nächster Erschließungsschritt ist die Aufnahme der im Fall der
Kastor-Bibliothek sehr aufschlussreichen Provenienzen geplant, die
zum größten Teil schon vorläufig erfasst sind. Die Pfarrbibliothek
St. Kastor soll dabei als internes Pilotprojekt dienen.
Im Mai 2014 konnte die Bibliothek ein handschriftliches »Processionale« aus dem Marienstift Pfalzel bei Trier vorstellen, das 1759
für den dortigen Dekan Johann Ulrich Miltz geschrieben wurde.
Die Neuerwerbung ist der Findigkeit eines Trierer Antiquars und
der Großzügigkeit des langjährigen Förderers der Bibliothek Prof.
Dr. Franz Ronig zu verdanken. In einem Vortrag erschloss der Liturgiewissenschaftler Prof. Dr. Andreas Heinz die bisher unbekannte
Handschrift als wertvolles Zeugnis für die Trierer Eigenliturgie und
die jährliche Gottesdienstordnung eines Kanonikerstiftes.
ENDNOTEN
1. Krauß, Martin; Rummel, Walter (Hrsg.): »Heimatfront« – Der Erste Weltkrieg und seine
Folgen im Rhein-Neckar-Raum (1914–1924). Ubstadt-Weiher/Heidelberg/Neustadt an der
Weinstraße/Basel 2014
2. ULB Bonn: Hof- und Staatskalender http://digitale-sammlungen.ulb.uni-bonn.de/ulbbn/nav/
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classification/2926126
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IN „PAPIERGEWITTERN“ – SAMMLUNG
WELTKRIEG IN DER ULB MÜNSTER
REINHARD FELDMANN
Universitäts- und
Landesbibliothek Münster
Anfragen nach Leihgaben sind wie sensible
Seismographen: Sie kündigen große Ereignisse an. Gleichzeitig machen sie bewusst,
wie vielschichtig und reichhaltig unsere Bibliotheksbestände sind und welch enormes
Potential mit hohem Quellenwert in ihnen
steckt.
Im konkreten Fall ging es um Leihgaben für
die derzeit beliebten Ausstellungen zum
Ausbruch des Weltkrieges vor 100 Jahren.
Nicht nur das Deutsche Historische Museum in Berlin, sondern auch das Ruhrmuseum in Essen (»1914. Mitten in Europa«)
oder die Bundeskunsthalle in Bonn (»1914.
Die Avantgarde im Kampf«), um nur zwei
der bedeutendsten Museen in NRW zu nennen, sondern auch viele andere Museen,
Bibliotheken und Archive engagieren sich
2014 in dieser Thematik. Auch die Regionalbibliotheken stehen nicht zurück und
legten soeben den Sammelband »Kriegssammlungen 1914 – 1918« vor.(1)
Die ULB Münster verfügt über eine große »Sammlung Weltkrieg«, nicht aus eigenem Sammeleifer zusammengetragen,
sondern 1953 von einem Privatsammler erworben. Die »Sammlung Weltkrieg« mit etwas mehr als 5.000 Dokumenten ist entstanden aus der Sammlung »Krieg und
Kunst 1914–1918« des gelernten Bibliothekars und leidenschaftlichen Kunstsammlers
Hanns Heeren (1893–1964). Nachdem er
Nicht zu übersehen: Das Plakat wies schwere Schäden auf.
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ENTDECKUNGEN /
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den Ersten Weltkrieg überlebt hatte, in dem
er Mitglied einer Fliegerstaffel war und als
»Leutnant mit der Laute« bekannt wurde,
widmete er sich Schöngeistigem und dem
Aufbau großer graphischer Sammlungen.
schlossen, seitdem liegt ein umfangreiches
digitales Findbuch vor.(2) Außerdem wurde
die Sammlung mit den übrigen Nachlässen
und Sammlungen kontextualisiert.(3)
Seine Sammlung enthält schwerpunktmäßig Materialien zum Ersten Weltkrieg, zusätzlich finden sich aber auch Dokumente
aus der unmittelbaren Nachkriegszeit wie
zum Friedensvertrag von Versailles 1919,
zu den Freikorps-Kämpfen im Baltikum, zu
den Volksabstimmungen in Oberschlesien,
den Reichstagswahlen von 1924 (Wahlplakate), außerdem wenige Materialien zum
Zweiten Weltkrieg.
Einen erstaunlich großen
Anteil nehmen künstlerische
Auseinandersetzungen mit
dem Kriegsgeschehen ein.
Die meisten Dokumente sind deutschen
und österreichischen Ursprungs, aber es
existiert auch eine dichte Überlieferung mit
französischer sowie (geringer an Umfang)
englischer sowie US-amerikanischer Provenienz. Neben Büchern, Zeitschriften und
Zeitungen (Kriegszeitungen, Zeitungen von
Armee-Einheiten, Lagerzeitungen) wurden
Plakate und Flugblätter mit Durchhalteparolen, Aufrufe zur Zeichnung von Kriegsanleihen oder Spenden sowie Rekrutierungsaufrufe gesammelt. Des Weiteren finden
sich Karten, Erinnerungsblätter, Kalender,
Kriegsbilderbögen, Briefe, Briefkarten und
Postkarten, außerdem (in geringerem Umfang) Lebensmittelmarken und Notgeld.
Das Material spiegelt die politische Situation im Ganzen sowie besonders das große
Leid der Beteiligten in dieser Epoche wider.
Einen erstaunlich großen Anteil nehmen
künstlerische Auseinandersetzungen mit
dem Kriegsgeschehen ein, oftmals in umfangreichen Folgen oder Serien. Dabei sind
alle künstlerischen Techniken in zum Teil
bemerkenswerter Qualität vertreten. Meist
sind es Radierungen, wobei hier der Anteil
französischer Radierungszyklen (»Eaux fortes«) sehr hoch ist. An Künstlern sind unter anderem André Devambez, Fritz Gärtner, Louise Ibels, Lucien Jonas, Fernand
Truffaut oder Theophil Steinlen zu nennen.
Die Sammlung wurde vor zwei Jahren er-
Neben der Erschließung standen die konservatorischen Maßnahmen. Vor allem war
für eine angemessene Lagerung sowie für
die Restaurierung insbesondere der Großund Überformate Sorge zu tragen. Hier
traf es sich gut, dass die Landesregierung
Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2007
bis 2011 ein Programm »Erhalt des schriftlichen Kulturerbes« aufgelegt hatte.(4) Die
vier größten und bedeutendsten Bibliotheken des Landes (ULB Bonn, Düsseldorf und
Münster, USB Köln), denen zudem besondere Verantwortung für die Bestandserhaltung zufällt, konnten durch die Mittel aus
diesem Programm auf drei Ebenen in die
Lage versetzt werden, dieser Verantwortung gerecht zu werden: Zum einen im Bereich der Schadensprävention, ebenso im
Bereich der Konversion (Übertragung von
Informationen in ein anderes Textformat)
und somit einer Entlastung der wertvollen
Originale sowie schließlich durch gezielte Einzelrestaurierung besonders wertvoller Werke.
Die ULB Münster setzte die Mittel u. a. gezielt für die Sammlung Weltkrieg ein. Zur
besseren Unterbringung wurde eine spezielle Regalanlage für Karten sowie Großformate installiert, zum anderen wurden ca.
500 Plakate fachgerecht restauriert, die infolge ihrer Größe besonders schwer handhabbar waren und starke Beschädigungen
aufwiesen. Exemplarisch sei eines dieser
Plakate beschrieben. Das Plakat zeigt Soldaten mehrerer Staaten (Kanada, Großbri-
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tannien, Belgien, Serbien) angeführt von
einem französischen Soldaten, der dem
Reichsadler, der das Deutsche Reich symbolisiert, entgegenrückt, um ihn zu ergreifen. Der Adler, bzw. das Reich, ist schon arg
zerrupft, befindet sich also in der Defensive, was durch die Datierung des Plakates
(Terminus post quem: Kriegserklärung der
USA am 6.4.1917) bestätigt wird. Auch die
Parole am rechten Bildrand »un dernier effort et on l’aura« (»Eine letzte Anstrengung
noch, dann haben wir ihn«) deutet auf das
Jahr 1917 bzw. Anfang 1918 hin.
Das Plakat befand sich in einem schlechten
Zustand, da sowohl Fasern des Papiers gebrochen waren als auch mehrere Fehlstellen mit Bildverlust zu konstatieren waren.
Mit der Restaurierung konnte die Stabilität
des Papiers wiederhergestellt werden. Dies
geschah zunächst durch eine Trockenbehandlung (Reinigung mit Latexschwamm),
danach durch eine Nassbehandlung (Wässerung und Auswaschen der Schmutzpartikel) und schließlich durch eine zweifache
Stabilisierung (Nachleimung und vollflächige Kaschierung). Eine Retuschierung im
Bereich der Fehlstellen und eine ausführliche Dokumentation schlossen sich an.
ENDNOTEN
1 Kriegsammlungen 1914–1918. Hrsg. von Julia Hiller von
Gaertringen. Frankfurt 2014
2 www.ulb.uni-muenster.de/sammlungen/nachlaesse/sammlung-weltkrieg.html
3 www.ulb.uni-muenster.de/sammlungen/nachlaesse/2014_
weltkrieg-in-nachlaessen.html
4 http://l.hh.de/Kulturerbe
KURZ & KNAPP /
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›› KURZ & KNAPP
DER BOOK-SLAM® IN HATTINGEN
LESEFÖRDERUNG FÜR JUGENDLICHE
HEIKE BEIN
Stadtbibliothek Hattingen
ANJA WARNKROSS
Medienberatung NRW
Poetry Slams sind eine Erfolgsgeschichte: die große, quirlige und medienpräsente deutschsprachige Slamszene begeistert
seit den 1990er Jahren vor allem ein junges
Publikum für Lyrik. Dass sich dieser Effekt
auch auf andere Bereiche übertragen lässt,
beweist der Book-Slam® der Stadtbibliothek Hattingen, bei dem Schülerinnen und
Schüler Lesetipps in Szene setzen. Die Idee
für diese »schlagkräftige« Buchvorstellung
stammt ursprünglich aus der Akademie
Remscheid und ist dort inzwischen eine
eingetragene Marke. Im Rahmen des Zertifikatskurses für Beschäftigte in Öffentlichen Bibliotheken »Experten für das Lesen«
unter der Leitung von Professorin Gudrun
Marci-Boehncke und Corinna Wulf von TU
Dortmund wurde sie zu einem Konzept für
ein gemeinsames Book-Slam®-Projekt von
Stadtbibliothek und Gesamtschule Hattingen weiterentwickelt. Für die intensive und
systematische Kooperation der Stadtbibliothek mit ihren Partnerschulen, insbesondere den weiterführenden Schulen, ist der
Book-Slam® die aktuellste Bereicherung.
DIE KOOPERATIONSIDEE
Eine klassische Buchpräsentation vorzubereiten, ist oft besonders für ohnehin leseaffine Jugendliche schon eine interessante
Aufgabe. Fügt man die Zutaten eines SlamEvents in der Bibliothek hinzu, geht es zu-
sätzlich um Tempo, mediale Kreativität, Aktualität und Publikumswirksamkeit. Schon
sind auch Schüler mit nicht so starkem Leseinteresse beim Bücherwettstreit dabei.
Zunächst werden die Lehrkräfte der beteiligten 7. und 8. Klassen in einem Workshop in der Bibliothek mit dem Konzept des
Book-Slam® vertraut gemacht. Wenn dann
die Klassen von der Bibliothek mit aktuellen Jugendbüchern ausgestattet werden,
sind die Lehrkräfte in der Lage, ihre Schüler bei der Erstellung der Slambeiträge zu
begleiten sowie den Vorentscheid durchzuführen. Die drei besten Book-Slams® jeder
Klasse werden ca. vier Monate nach dem
Auftaktworkshop in die Bibliothek eingeladen, um die ultimative Hitliste der Buchempfehlungen zu ermitteln. Dabei ist der
schulexterne Schauplatz des Events mit seinem Bühnencharakter und vielen Gästen
etwas Besonderes für die Slammer.
EVENT MIT NACHHALTIGEM MEHRWERT
Der Book-Slam® besitzt viele Attribute, die
ihn schnell zu einem attraktiven Baustein
innerhalb der fest etablierten Bildungspartnerschaften zwischen der Stadtbibliothek
Hattingen und Hattinger Schulen gemacht
haben. Er ist abwechslungsreich, multimedial und ein Gruppenerlebnis, kurz gesagt:
Er trifft den Nerv der Jugendlichen. Verknüpft mit diesem positiven Erlebnis erhalten sie von ihrer Peer Group Leseanregungen und entdecken selbst neue Bücher – so
entstehen Anreiz und Bestärkung, die örtli-
135
che Bibliothek ausgiebiger zu nutzen. Desweiteren wird den Schülern deutlich, dass
Möglichkeiten des Lernens, schulischen Arbeitens und der zielorientierten Mediennutzung nicht auf den Ort und den Zeitraum
»Schule« begrenzt sind, und welche großen Potentiale diesbezüglich die Bibliothek
besitzt. Sie erfahren, wie mit Hilfe der Bibliothek im schulischen Kernlehrplan festgeschriebene Kompetenzen vermittelt und
eingeübt werden, hier »Sprechen und Zuhören« sowie »Lesen – Umgang mit Texten
und Medien«. Gleichzeitig nehmen sie die
Bibliothek als Ort der Freizeitkultur wahr.
FORMEN DER ZUSAMMENARBEIT
Die Stadtbibliothek pflegt und betreibt aktiv die kontinuierliche Kooperation mit den
schulischen Einrichtungen in der Stadt.
Dies geht weit über die regelmäßigen Klassenbesuche in der Bibliothek hinaus. Bei
der bekannten Kinder- und Jugendbuchwoche, die alle zwei Jahre unter anderem
Motto stattfindet, sind die Bildungspartner bei interaktiven Autorenbegegnungen,
Workshops oder innovativen Buchpräsentationen eingebunden. Weitere Highlights
sind die Vorleseaktionen des Stadtrats in
den Grundschulen zum bundesweiten Vorlesetag und das gemeinsame Schreibprojekt »Leben an der Ruhr« von Schülern und
Senioren. Der Freundeskreis der Bibliothek
gestaltet mit den Eltern in den Grundschulen interkulturelle Leseprojekte.
Ein detaillierter Artikel zum Book-Slam®
findet sich in der aktuellen Ausgabe der DoLiMette, der Onlinezeitschrift für angehende Lehrkräfte der TU Dortmund.
KURZ & KNAPP /
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›› PERSONALIEN
WOLFGANG SCHMITZ: EINER,
DER NIE „NUR“ BIBLIOTHEKAR WAR
ROLF THIELE
Universitäts- und
Stadtbibliothek Köln
Wolfgang Schmitz trat zum 1. September
2014 in den Ruhestand. Hinter ihm liegen – rechnet man das Referendariat mit
– 39 Jahre im nordrhein-westfälischen Bibliothekswesen. Mitarbeiter der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln (USB) ist er
seit 1982, leitender Bibliotheksdirektor seit
1999. Für beide eine lange und prägende
Zeit.
Für den Verfasser dieser Zeilen ist es schwer,
eine umfassende Darstellung der Tätigkeitsbereiche und der Wirkungen zu geben:
Einerseits war der Verfasser lange Jahre
zu nah an Wolfgang Schmitz dran, es fehlt
mithin die für eine Würdigung vielleicht
notwendige Distanz bzw. Objektivität. Zum
anderen ist Wolfgang Schmitz nie »nur« Bibliothekar gewesen, auf Grund seiner Neigungen und Interessen ist er ein herausragendes Beispiel für die selten gewordene
Spezies des wissenschaftlich arbeitenden
Bibliothekars. Vieles kann also nur angedeutet werden.
Ein erster Hinweis darauf ist seine langjährige Tätigkeit als Dozent, die schon 1978
mit einem Lehrauftrag am Lehrstuhl für Bibliothekswissenschaft an der Universität zu
Köln (UzK) einsetzt. Weitere Stationen sind
die Fachhochschule für das Öffentliche Bibliothekswesen in Bonn mit einem Lehrauf-
1990 habilitiert sich Wolfgang Schmitz im
Fach Bibliothekswissenschaft (die Ernennung zum apl. Professor an der UzK erfolgte 1999). Bemerkenswert daran ist, dass
die Habilitationsschrift über »Die Überlieferung deutscher Texte im Kölner Buchdruck
des 15. und 16. Jahrhunderts« nebenbei
entstanden ist, d. h. neben seiner Tätigkeit als Fachreferent der USB, als stellvertretender Leiter des damals so bezeichneten Benutzungsdezernats und als Leiter der
Abteilung Altes Buch. Die Habilitation war
Grundlage des Rufs an die Humboldt-Universität Berlin, wo Wolfgang Schmitz im
Wintersemester 1993/94 als kommissarischer Geschäftsführender Direktor das heutige Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft in der schwierigen Phase
der Zeit nach der »Wende« geleitet hat und
durch Neuberufungen auch ein wenig den
Grundstein für das heutige Institut mit gelegt hat. Wenn ich mich an unsere Gespräche nach der Rückkehr erinnere, so war ein
Grund dafür, dass es ihn nach einem Semester wieder nach Köln zurückgezogen
hat, dass in dieser frühen Phase des Umbruchs der politischen Systeme Personalentscheidungen umzusetzen waren, die er
nicht selbst getroffen hatte und die fachlich auch nicht immer einsichtig waren. Der
Hauptgrund aber war die (auch familiäre)
Bindung an Köln.
Eduard Prüssen gestaltete den Linolschnitt,
der auch in der Festschrift „Buch-BibliothekRegion“ abgebildet ist.(3)
Köln spielt wie »das« Buch und »die« Bibliothek eine gewichtige Rolle im Wirken von
Wolfgang Schmitz. Er war lange Jahre Vorsitzender des Kölnischen Geschichtsvereins,
Mitglied der Bibliophilen Gesellschaft Kölns,
als deren »Auffangbecken« nach ihrer Auflösung der Freundes- und Förderkreis der
USB, die Kölnische Bibliotheksgesellschaft
(KBG), wie selbstverständlich bereit stand.
Er war Vorstandsmitglied der Germania Judaica oder seit 2011 Vorstandsvorsitzender
des Vereins »Bildung Stiften«, eines Fördervereins des »Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds« – dessen Bücherschätze, die
»Gymnasialbibliothek«, seit langem von der
USB als Depositum verwaltet wird. Für die
Vollständigkeit dieser Aufzählung legt der
Verfasser keine Hand ins Feuer.
trag für Buchwesen und Buchhandel und
die Fachhochschule Köln im Rahmen der
Ausbildung der Bibliotheksreferendare. In
diesem Zusammenhang haben sich der Verfasser und Wolfgang Schmitz im Übrigen
auch kennen gelernt – eine kleine persönliche Reminiszenz findet sich im Vorwort zur
Festschrift für Wolfgang Schmitz, auf die
noch kurz einzugehen ist.
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Für die USB Köln haben sich diese Kontakte,
diese Vernetzung in der Kölner buchinteressierten oder besser buchliebenden Gesellschaft durchaus auch ausgezahlt: Sie bilden
den Grundstein für eine Neubelebung der
Tradition des Bürgers, der seine nach unterschiedlichen Gesichtspunkten entstandene
Privatbibliothek als Stiftung der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Diese Sammlungen, so sie die Bibliothek denn als solche
zusammenhält und aufbewahrt, bilden einerseits ein bleibendes Andenken an den
Stifter. Zum anderen stellen sie neben ihrem möglicherweise vorhandenen materiellen Wert einen unschätzbaren Fundus für
Wissenschaft und Forschung dar.(1) Dank
Wolfgang Schmitz hat die USB Köln ihren
Bestand nicht nur an historischen, sondern
auch an zeitgenössischen Sammlungen bedeutend ausbauen können – ihr Sammlungsportal gibt einen guten Überblick.(2)
Foto: sla
Aber nicht nur auf Köln und die Kölner
Buch- und Bibliothekstradition hat sich
die wissenschaftliche Arbeit von Wolfgang
Schmitz beschränkt. Das gesamte Buchund Bibliothekswesen hat in seinem Leben
eine bedeutende Rolle gespielt, ihn über
den »normalen« Alltag hinaus beansprucht.
Als äußerliche Anzeichen dafür möchte ich
auf seine vielfältige Gremientätigkeit hinweisen: den Wolfenbütteler Arbeitskreis für
Bibliotheks-, Buch- und Mediengeschichte, die Historische Kommission des Börsenvereins für den deutschen Buchhandel oder
die Internationale Buchwissenschaftliche
Gesellschaft. Ein weiteres Indiz ist sein umfangreiches Publikationsverzeichnis, das
belegt, dass über die Gremientätigkeit hinaus eine profunde Beschäftigung mit den
verschiedenen Aspekten – vom alten Buch
bis zum Medienwandel – des Buch- und Bibliothekswesens das Denken von Wolfgang
Schmitz bestimmt hat.
Der Verfasser kann es sich an dieser Stelle
einfach machen (und gleichzeitig ein wenig
Werbung betreiben) und auf die Festschrift
»Buch – Bibliothek – Region. Wolfgang
Schmitz zum 65. Geburtstag«(3) hinweisen,
die die Arbeitsfelder von Wolfgang Schmitz
aus der Sicht seiner Freunde und Weggefährten aufnimmt und aus verschiedenen
Perspektiven beleuchtet.
Zwei Bereiche sind noch aufzuführen: Für
den Verband der Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen hat sich Wolfgang Schmitz in langen Jahren an vorders-
genden Vorstandsperiode umgesetzt. Mit
der Ausstellung »Schätze aus den Bibliotheken Nordrhein-Westfalens« im Landtag
Nordrhein-Westfalens(4) wurde der Versuch
unternommen, den politisch Verantwortlichen die Bedeutung der Bibliotheken für
das kulturelle Erbe des Landes unmittelbar,
im Wortsinne augenscheinlich deutlich zu
machen.
vbnw-Mitgliederversammlung 2013: neben Prof. Dr. Schmitz Dr. Jan-Pieter
Barbian (r.) und Sigurd Prätorius.
ter »Front« eingesetzt, stets geleitet von
der Einsicht, dass die Bibliotheken der verschiedenen Sparten politisch als Einheit
auftreten müssen. Er war von 1996 bis
2011 Mitherausgeber von ProLibris und
hat das Gesicht der Verbandszeitschrift entscheidend mitgeprägt. Von 2003 bis 2005
war er Vorsitzender des vbnw. Hier seien
vor allem zwei Aspekte hervorgehoben, die
beide auf das gleiche Motiv – die Sichtbarkeit der Bibliotheken im politischen Raum –
zurückgehen: Er hat den Anstoß gegeben, den vbnw über die bisher vorhandene Vorstandsstruktur hinaus um einen
Präsidenten zu erweitern, der aus der Politik kommend das Gewicht des Verbands
im Kontakt zum Landtag und dessen Ausschüssen und zu den Ministerien stärken
konnte. Diese Idee wurde dann in der fol-
137
Und nicht zuletzt seien ein paar Zeilen dem
Haupttätigkeitsbereich der letzten 15 Jahre von Wolfgang Schmitz, der Leitung der
USB Köln, gewidmet: Auf die Bedeutung
der Sammlungen wurde schon hingewiesen. In diesem Zusammenhang ist die 2003
erfolgte Gründung des Freundes- und Förderkreises der USB Köln zu erwähnen: die
Kölnische Bibliotheksgesellschaft (KBG).(5)
Auch sie war der (erfolgreiche) Versuch,
die Bibliothek über Buchpatenschaften und
andere finanzielle Fördermaßnahmen hinaus im politisch-kulturellen Raum zu etablieren.
Organisatorisch hat sich in der USB Köln
während dieser Zeit eine Menge getan:
Das Dezernat »Informationsdienste und
Neue Medien« wurde gegründet; die Ab-
3 /14
KURZ & KNAPP /
teilungen/Dezernate Katalogisierung und
Erwerbung wurden zusammengelegt, der
integrierte Geschäftsgang eingeführt; die
Fotostelle wurde in das Digitalisierungszentrum überführt. Die elektronischen Medien bilden einen herausragenden Schwerpunkt in der Erwerbungspolitik der USB,
der direkte Zugriff auf die Informationen
vom Arbeitsplatz aus ist für die Kölner Wissenschaftler eine Selbstverständlichkeit geworden und wird vom Rektorat und den
Fakultäten entsprechend gefördert. Neue
Projekte wie die Umstellung der Erwerbung auf Warenkorbsysteme, die benutzergesteuerte Erwerbung (»patron driven acquisition«) sind an der USB in Verbindung
mit Partnern aus dem Buchhandel mit- bzw.
weiterentwickelt worden. Die Verstärkung
der Kooperation mit den Institutsbibliothe-
ken – die Universität zu Köln hat immer
noch ca. 150 davon – in Form von Gemeinsamen Fachbibliotheken bildet ebenfalls
einen Schwerpunkt der letzten 15 Jahre.
Wolfgang Schmitz hat diese Entwicklungen
angestoßen bzw. nach Kräften gefördert –
für Anregungen war er immer offen.
Anstöße und Projekte überhaupt angegangen und umgesetzt werden.
ENDNOTEN
1. Krauß, Vgl. z. B. die »Empfehlungen zu wissenschaftlichen
Das gibt vielleicht Anlass für ein paar persönliche Worte: Der Verfasser hat seit
1987 eng und nicht nur kollegial, sondern
freundschaftlich mit Wolfgang Schmitz zusammengearbeitet. Eine Eigenschaft (neben vielen anderen) ist seine Souveränität.
Aus dem Wissen um die eigenen Fähigkeiten hat er den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Freiraum für selbständiges
Arbeiten und eigenständige Entscheidungen eingeräumt. Nur so konnten die vielen
Sammlungen als Forschungsinfrastrukturen« des Wissenschaftsrats. Berlin, Drucksache 10464-11. 2011
2. Vgl. www.ub.uni-koeln.de/sammlungen/index_ger.html
3. Haug, Christine; Thiele, Rolf (Hrsg.): Buch – Bibliothek –
Region. Wolfgang Schmitz zum 65. Geburtstag. Wiesbaden 2014
4. vbnw (Hrsg.): Schätze aus den Bibliotheken NordrheinWestfalens. Katalog zur Ausstellung vom 23.2. bis zum
4.3.2005 im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Weilerswist 2005
5. www.koelnische-bibliotheksgesellschaft.de/index_ger.html
FÜR DIE BUCHWISSENSCHAFT GRUNDLEGENDES GELEISTET
CHRISTINE HAUG
Institut für Deutsche Philologie an der
Ludwig-Maximilians-Universität München
Wolfgang Schmitz hat für die Buchwissenschaft Grundlegendes geleistet. Seine Forschungsinteressen und -aktivitäten sind vielfältig
und umfassen den kompletten Zeitraum von der Frühdruckzeit bis
zu den Herausforderungen des digitalen Zeitalters. Sicherlich: Vor
allem die Frühdruckforschung hat Wolfgang Schmitz viel zu verdanken. Neben zahlreichen Fachartikeln und Sammelbänden legte
er mit seiner Habilitationsschrift zur Überlieferung deutscher Texte
im Kölner Buchdruck des 15. und 16. Jahrhunderts einen wichtigen
Grundstein für alle seine späteren Forschungen. Als langjähriger
Vorsitzender des geschäftsführenden Vorstands des Wolfenbütteler
Arbeitskreises für Bibliotheks-, Buch- und Mediengeschichte richtete er u. a. 2013 die Jahrestagung über Inkunabeln in der Herzog
August Bibliothek aus, eine Veranstaltung, die auf Wunsch der Teilnehmer 2015 fortgesetzt wird.
Doch reines Spezialistentum allein ist nicht Wolfgang Schmitz’
Sache: Er stand und steht neuen Entwicklungen in der Buchforschung, in der Buchbranche und im Bibliothekswesen aufgeschlos-
sen gegenüber. So widmet er sich als Vorsitzender der Internationalen Buchwissenschaftlichen Gesellschaft (IBG) tagesaktuellen
Themen, die die Medienbranche beschäftigen, an erster Stelle ist
hier die Digitalisierung zu nennen. Schmitz sorgt dafür, dass wichtige Debatten – ob bequem oder nicht – angestoßen und geführt
werden, selbst wenn er nicht darüber publiziert. Denn neben der
aktiven Forschung gehört die Fähigkeit, zu wichtigen Themen die
richtigen Gesprächspartner zusammenzubringen, zu seinen Kerneigenschaften. Dies tut er als Vorsitzender oder als aktives Mitglied
vieler Berufsverbände und Wissenschaftsvereinigungen. Sein Augenmerk gilt auch den Bibliophilen und Sammlern; als Vorsitzender der Maximilian-Gesellschaft gelang es ihm häufig, wichtige Privatsammlungen für die Stadt- und Universitätsbibliothek Köln zu
akquirieren. Und Wolfgang Schmitz bemüht sich – das darf keineswegs unerwähnt bleiben – stets darum, Nachwuchsforscher zu
fördern, an Forschungsdesiderata heranzuführen, sie auf Themen
neugierig zu machen und für eine Mitwirkung in den wissenschaftlichen Verbänden zu gewinnen. Der große Erfolg von Wolfgang
Schmitz’ wissenschaftlichem Wirken ist zweifelsohne auf ganz besondere und in der Forschungscommunity eher selten anzutreffende Eigenschaften zurückzuführen – auf seine unaufgeregte Art im
Umgang mit Fachkollegen und sein stets ergebnisorientiertes Denken und Arbeiten, bar jeder Eitelkeit.
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ULRICH MOESKE: EIN „LOCAL HERO“
GEHT IN DEN RUHESTAND
JAN-PIETER BARBIAN
Stadtbibliothek Duisburg
Im Rahmen der Kulturhauptstadt »Ruhr.2010« konnten sich die 53
Städte der Metropole Ruhr abwechselnd jeweils eine Woche lang
mit besonderen Kulturveranstaltungen als »Local Hero« präsentieren. Über solchen öffentlich inszenierten Spektakeln – so gut und
anregend sie auch sein mögen – wird meistens vergessen, dass es
vor allem die Menschen waren, die das Gesicht des Ruhrgebiets mit
seinem besonderen Flair geprägt haben. Das hat Heinrich Böll einfühlsam erkannt, als er 1957/58 zusammen mit dem Kölner Fotografen Chargesheimer durch das Ruhrgebiet fuhr und das Vorwort
zu einem beeindruckenden Bildband schrieb (die damaligen Fotos sind bis zum 18. Januar 2015 im Ruhr Museum auf Zeche Zollverein in Essen zu sehen). Nach wie vor sind immer noch die Menschen das Wichtigste in dieser alten Industrieregion, die sich seit
mehr als 40 Jahren im permanenten »Strukturwandel« befindet.
Ulrich Moeske zählt zu diesem bemerkenswerten Menschenschlag
– mit Körper, Geist und Seele.
ELAN UND DURCHSETZUNGSVERMÖGEN
In den wilden politischen Zeiten, von 1968/69 bis 1974, hat er
an der wenige Jahre zuvor gegründeten Ruhr-Universität in Bochum studiert: Geschichte und Sozialwissenschaften. Nach seinem
1. Staatsexamen für das höhere Lehramt entschied sich Moeske
dann aber nicht für den Schuldienst, sondern für die Bibliothekswelt. Am 1. April 1975 wurde er Bibliotheksreferendar für den höheren Bibliotheksdienst am damaligen Bibliothekar-Lehrinstitut in
Köln. Während seines Zweitstudiums sammelte Moeske erste praktische Erfahrungen in der Universitätsbibliothek Bochum und in
der Stadtbücherei Dortmund. Nach seinem erfolgreichen Studienabschluss wurde er im April 1977 als Städtischer Bibliotheksrat
bei der Stadt Dortmund eingestellt. In der Stadtbücherei war er
zunächst zuständig für die Koordinierung des großen Zweigstellensystems mit damals 18 festen Einrichtungen und vier Bücherbussen. In der Folge engagierte sich Moeske auch in Fragen der
konzeptionellen Gesamtplanung, der Aus- und Fortbildung für das
Personal, des Informations- und Auskunftsdienstes in der Zentralbücherei und als Lektor für die Sachgebiete Politik, Soziologie und
neueste Geschichte. Seine hohe Fachkompetenz, seine wache Intelligenz, sein unermüdlicher Elan, sein großes Durchsetzungsvermögen und seine ausgezeichnete politische Vernetzung mit der
in Dortmund regierenden SPD förderten seine rasche Karriere in
der Stadtbücherei Dortmund: Bereits im April 1979 wurde Moeske zum stellvertretenden Direktor und mit 31 Jahren am 1. Januar
1981 zum Direktor ernannt.
WEGBEREITER DER KULTURBETRIEBE DORTMUND
Das Alltagsgeschäft ist auch für Bibliotheksdirektoren mühsam. Es
erfordert ein hohes Maß an Selbstdisziplin, die prinzipielle Offenheit für Veränderungen, ein dickes Fell angesichts von regelmäßig
wiederkehrenden Anfeindungen und Zumutungen aus der Verwaltung, der Politik oder der Öffentlichkeit und einen langen Atem
bei der Verfolgung von Zielen. Solche Tugenden werden meistens
übersehen, wenn man nur auf die eher seltenen »Highlights« einer
Berufskarriere blickt. Ulrich Moeske hat beides aufzuweisen: die
genannten Tugenden im Alltag und die großen Erfolge, die richtungweisend für seine Stadt, das Land Nordrhein-Westfalen und
die Bundesrepublik Deutschland wurden. Dazu zählen die im Juni
1987 vom Rat der Stadt Dortmund beschlossene Zusammenlegung
der Stadt- und Landesbibliothek mit der Stadtbücherei, mit der das
traditionsreiche Konzept einer wissenschaftlichen und öffentlichen
Einheitsbibliothek revitalisiert wurde. Seit dem Februar 1988 war
Moeske Direktor der neuen Stadt- und Landesbibliothek. Es folgte
1995 die Eingliederung seiner Bibliothek in die neu gegründeten
»Kulturbetriebe Dortmund«, deren stellvertretender Geschäftsführer
er 2006 wurde. Das damit verbundene innovative Verwaltungskonzept, das einerseits die Eigenverantwortung in der Ressourcenverwaltung stärkte, andererseits aber auch zu einer Mitverantwortung
für die finanziellen Fehlkalkulationen anderer Eigenbetriebe (z. B.
der Museen) führt, brachte die Stadt- und Landesbibliothek mit
elektronischen Techniken für die Bewirtschaftung und das Controlling in Verbindung und öffnete sie damit früh für die zukunftsweisenden neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Die damit eingeleitete Entwicklung wurde in den vergangenen
zwei Jahrzehnten konsequent vorangetrieben und hat die Stadtund Landesbibliothek Dortmund zu einer der führenden Bibliotheken bei den elektronischen Dienstleistungen werden lassen – mit
der Digitalen Bibliothek als einem hochwertigen Ausrufezeichen.
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In den 1990er Jahren wurden in Dortmund nicht nur die Verwaltungsstrukturen modernisiert, sondern auch das Stadtbild einer
grundlegenden Neuplanung unterzogen. Die nördliche City in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs, die noch den altmodischen
Stil der 1950er Jahre repräsentierte, wurde zu einem »Kulturwall«
umgestaltet: mit dem Museum für Kunst- und Kulturgeschichte,
der Volkshochschule, dem Konzerthaus und einem Neubau für die
Stadt- und Landesbibliothek.
Literatur und Kultur der Arbeitswelt, das seit 1958 von dem langjährigen Dortmunder Stadtbüchereidirektor Fritz Hüser (1908–
1979) als Archiv aufgebaut wurde und seit 2007 im Industriemuseum Zeche Zollern II/IV in Dortmund-Bövinghausen beheimatet
ist. »Verbundwirtschaft« gibt es eben nicht nur in der Industrie des
Ruhrgebiets.
DIE WELT DER BIBLIOTHEKEN ERKUNDET
Das Spektrum der Aktivitäten und des ehrenamtlichen Engagements von Ulrich Moeske ist damit noch keineswegs vollständig
gewürdigt. In die Veranstaltungsarbeit des eigenen Hauses bringt
er sich regelmäßig mit eigenen Lesungen, Vorträgen, Buchempfehlungen und Moderationen ein. Seit 1988 ist er Geschäftsführer des
Vereins der Freunde der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund,
der schon seit 1913 die Öffentliche Bibliothek finanziell und ideell fördert. Von 1987 bis 1989 und noch einmal von 2000 bis 2002
war Moeske Vorsitzender des Verbandes der Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen. Seine Reden in dieser Funktion waren
immer präzise, anregend und den jeweiligen Adressaten freundlich zugewandt. Für den 1947 gegründeten Landesverband mit seinen rund 350 Mitgliedern leitete er zudem über einen langen Zeitraum die Arbeitsgemeinschaft der Großstadtbibliotheken. Darüber
hinaus wirkte Moeske auch auf der Bundesebene: Er war Vorsitzender der Rechtskommission des Deutschen Bibliotheksverbands und
viele Jahre auch der Sektion 1. Dabei kam ein weiteres Talent zum
Tragen: Moeske erkundet nicht nur selbst gerne die Welt, sondern
Fotos: Markus Steur, Dortmund
Niemand außer Ulrich Moeske selbst wird das Ausmaß der Kraftanstrengung, der Sorgen und des Ärgers kennen, die vom Auszug
aus dem 1958 errichteten »Haus der Bibliotheken« am Hansaplatz
und dessen Abriss im Juli 1997 über die dezentrale Zwischenlagerung als »1.000 Tage-Bibliothek« in den Jahren 1995/96 bis zur Eröffnung des neuen Gebäudes am Max-von-der-Grün-Platz auszuhalten waren. Doch die Mühen haben sich gelohnt. Die Eröffnung
des von dem Schweizer Stararchitekten Mario Botta entworfenen,
zweiteiligen Komplexes am 19. Mai 1999 wurde zu einem Meilenstein für die Entwicklung des Bibliothekswesens in Deutschland.
In der markanten schwarzen »Rotunde« mit einer transparenten
Glasfassade für die Medienpräsentation und Mediennutzung auf
4.000 Quadratmetern und dem lang gezogenen Riegel des Hauptgebäudes mit einer eleganten Steinfassade stehen den Besuchern
insgesamt eine Million physische Medien zur Verfügung. Zum Haus
gehören auch die Handschriften- und Nachlass-Sammlung, die Artothek, die Dortmunder Autorendokumentation, das 1926 gegründete Institut für Zeitungsforschung und das Fritz-Hüser-Institut für
Ulrich Moeske, der „local hero“, an seinem Schreibtisch in der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund.
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ALLES GUTE, LIEBER HERR KOLLEGE!
HARALD PILZER
Vorsitzender vbnw
Wäre der hier zu verabschiedende Kollege
Moeske der langjährige Vorsitzende eines
Sportvereins, sagen wir des TuS Eintracht
aus Bexterdissen-Stapelbrede, dann würde
die örtliche Presse ihn womöglich mit dem
ebenso kernigen wie herzigen wie schiefen
Bild verabschieden: »Urgestein geht in Unruhestand«. Ähnliches könnte ihm als treu
gedientem Kassierer eines Unterbezirks einer großen Volkspartei widerfahren, der er
zudem 35 Jahre lang als Bezirksverordneter und sachkundiger Bürger gedient hat.
In beiden Fällen zeigte das dazugehörige
Bild einen rundlichen gutgelaunten Herrn
im karierten Hemd im Sommer auf einer
stark geblümten Hollywood-Schaukel oder
im Winter im nicht minder stark gemusterten Jacquard-Pullover.
Was diesen Berichten trotz aller ungewollten Komik eignet, ist die Achtung für eine
Lebensleistung, die immer auch ein hohes Maß an altruistischem und zivilgesellschaftlichem Engagement aufweist. Die
Verdienste des Kollegen Moeske sind von
ähnlicher Art. Einer, der im kollegialen Miteinander nie viel Aufhebens von seiner Person gemacht hat, aber immer zur Stelle war.
Wenn man ihn zum Beispiel im Verband der
Bibliotheken unseres Landes brauchte, hat
er sich nicht geziert, sondern zu Verfügung
gestellt. Ein unprätentiöses, leinenbeutelbewehrtes, gleichwohl von einer gewissen
Aura umwehtes Auftreten spricht für ihn
sowie die Fähigkeit, auch in kniffligen Situationen kreative Ideen zu entwickeln, diese mit einem Gespür für Timing zu platzieren, und dabei immer freundlich, höflich
und zugleich heiter zu bleiben, das zeichnet ihn aus. Für diese Ideen, für seinen Einsatz, die vielfach gelungenen Reiseleitungen in Diensten der Sektion I des dbv und
viele Gespräche und Vermittlungen danken
wir. Alles Gute, lieber Herr Kollege!
Zum Beispiel London: Die Kolleginnen und Kollegen erkundeten
gemeinsam die Bibliotheken im näheren und weiteren Ausland.
er vermittelte den Bibliotheksdirektoren der 21 größten Städte aus
Deutschland, Österreich (Wien) und der Schweiz (Zürich) im Rahmen von Reisen die Vielfalt der bibliothekarischen Welt in Europa
und Übersee. Ob Frankreich, New York, Kanada, Amsterdam, Österreich oder London – überall konnten die Mitreisenden wertvolle
Erfahrungen sammeln und interessanten Kollegen begegnen, weil
der »Reiseführer« die Exkursionen sorgfältig vorbereitet und organisiert hatte, einschließlich der Grundlagen für die Finanzierung.
Für Ulrich Moeske gehört zur Kultur seiner Heimat selbstverständlich auch der Fußball. Daher besitzt er als treuer Fan seit langem
eine Dauerkarte für die Heimspiele von Borussia Dortmund. Während hier auf international höchstem Niveau gespielt wird, lassen die wirtschaftlichen, sozialen und finanziellen Probleme
Dortmunds ebenso wie des gesamten Ruhrgebiets einen seit Jahrzehnten schleichenden Niedergang und eine bedauerliche intellektuelle Provinzialisierung erkennen (wobei Letzteres keineswegs auf
diese Region begrenzt ist). Die Kultur und die Bibliotheken bleiben
davon leider nicht verschont: Sie waren und sind aufgrund der hohen Verschuldung aller Ruhrgebietskommunen und der »Freiwilligkeit« ihrer Dienstleistungen von einem kontinuierlichen Rück-
bau der Infrastruktur bedroht. Die Wehmut, den Schmerz, die Wut
und die sanfte Resignation, die so etwas bei einem leidenschaftlichen Bibliothekar wie Ulrich Moeske auslöst, ist sehr gut nachvollziehbar. An der positiven Bilanz nach 37 Berufsjahren ändert dies
überhaupt nichts. Diese beachtliche Lebensleistung verdient Anerkennung und Respekt, allerdings auch die hoffnungsvolle Erwartung, dass man den hinterlassenen Bibliotheksschatz in Dortmund
weiterhin pflegt.
Wir werden den fachlich kompetenten, politisch versierten und mit
viel Humor ausgestatteten Kollegen in unserem Kreis in jedem Fall
sehr vermissen.
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›› MELDUNGEN
›› NRW-ERGEBNISSE DES
›› STLB DORTMUND BEI
Von den 280 Bibliotheken, die sich in diesem Jahr am BIX beteiligten, bildeten Bibliotheken aus Baden-Württemberg, Bayern und
Nordrhein-Westfalen die größten Teilnehmergruppen. Knapp 20 %
der Teilnehmer erreichten in allen Leistungsgruppen Bestnoten und
wurden mit vier Sternen ausgezeichnet. Von den Öffentlichen Bibliotheken (ÖBs) in NRW beteiligten sich insgesamt 34 am BIX. In
die Topgruppe mit vier Sternen schafften es die ÖBs in Emsdetten,
Greven, Hattingen und Verl. Sehr gut bewertet wurden auch Dinslaken, Gladbeck, Herten, Hilden, Langenfeld, Moers, Münster, Rheine und Werther. Ein gutes Zeichen: Bei dem überwiegenden Teil
der Teilnehmer wird das Entwicklungspotential positiv bewertet.
Bei den Wissenschaftlichen Bibliotheken im Land (5 Teilnehmer)
schnitten die ULB Düsseldorf und die UB Bielefeld am besten ab.
Bis zum 15. November 2014 findet die mittlerweile siebte Ausgabe von »Mord am Hellweg« statt, das nach Angaben der Initiatoren
Europas größtes internationales Krimifestival ist. Rund 150 Veranstaltungen erwarten die Besucher in der Hellweg- und Ruhrregion.
Die Elite der Krimiautoren wie Sebastian Fitzek, Donna Leon, Deon
Meyer oder Håkan Nesser, aber auch Newcomer und Stars von morgen präsentieren sich an ungewöhnlichen Orten. An der Organisation und Durchführung sind auch einige Bibliotheken beteiligt, so
u. a. die Gemeindebibliothek Holzwickede, die Stadtbücherei Kamen und die Stadt- und Landesbibliothek Dortmund. Bei »ExtraFahrt! mit dem Crime Express« gibt es am 26. Oktober Aktionen an
den Bahnhöfen Unna, Dortmund, Holzwickede, Soest und Hamm.
Programm und Ticketinfo: www.mordamhellweg.de
BIBLIOTHEKSINDEX BIX 2014
„MORD AM HELLWEG“ DABEI
Der BIX vergleicht seit 15 Jahren bundesweit in den Öffentlichen
und Wissenschaftlichen Bibliotheken das bibliothekarische Angebot, den Medienbestand und den Etat für Neuerwerbungen, die
Nutzung in Besuchen und Entleihungen, die Nutzbarkeit in Öffnungsstunden, die Effizienz der Bibliothek und ihrer Mitarbeiter
sowie das Entwicklungspotential. Auch 2015 können sich Bibliotheken wieder am BIX beteiligen, doch wurde das Finanzierungsmodell geändert. Mehr dazu: www.bix-bibliotheksindex.de
›› ZULASSUNGEN ZUM LEIHVERKEHR
Mit Wirkung vom 24. Juni 2014 wurden folgende Bibliotheken in
NRW zum deutschen Leihverkehr zugelassen:
Gemeindebücherei Hiddenhausen [DE-1828]
Rathausplatz 15, 32120 Hiddenhausen
Telefon: 05221 96 41 20,
E-Mail: [email protected]
›› VERWALTUNG VON E-MEDIEN
WIRD KOMFORTABLER
Die ekz-Tochter divibib und OCLC kooperieren, um eine bessere Integration des E-Medien-Angebots der Onleihe in den OPAC der Bibliotheken zu ermöglichen. So genügt künftig zum Beispiel eine
Anmeldung am Web-OPAC oder OPEN, um auch für die Onleihe
authentifiziert zu sein. Die Verfügbarkeit der E-Medien ist bei der
Suche im OPAC in der Titelanzeige sofort sichtbar. Auf einen Blick
kann nun der Nutzer in seinem OPAC-Konto auch seine Daten aus
dem Onleihe-Konto finden. Zunächst werden die Anwender von BIBLIOTHECAplus (in Web-OPAC und OPEN) und SISIS SunRise (in
webOPAC, InfoGuide und TouchPoint) in den Genuss der Optimierungen kommen. Die Entwicklung wird später aber auch anderen
Systemhäusern zur Verfügung gestellt.
Bibliothek der Kunstakademie Düsseldorf [DE-Due18]
Eiskellerstr. 1, 40213 Düsseldorf
Telefon: 0211 13 96-461 und 462,
E-Mail: [email protected]
Stadtbücherei Porta Westfalica [DE-2148]
Kirchhofsweg 6, 32457 Porta Westfalica
Telefon: 0571 79 11 77,
E-Mail: [email protected]
Die Zulassung erfolgte auf Grundlage der Leihverkehrsordnung für
NRW vom 8. März 2004. Die Amtliche Leihverkehrsliste NordrheinWestfalens (Stand: Juli 2014) befindet sich unter:
www.hbz-nrw.de/angebote/online_fernleihe/leihverkehr/leihverkehrsliste_nrw.
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›› AUCH DÜSSELDORF TESTET DEN ONLEIHE-KAUFBUTTON
Mit einem Klick gelangt der Nutzer auf das
Kaufportal www.sofortwelten.de des Anbieters 4Readers GmbH & Co. KG, der wie
die divibib zur ekz-Unternehmensgruppe
gehört. Hier kann sich der Nutzer ein kostenloses Kundenkonto einrichten und einkaufen. Daten von der Onleihe werden dabei nicht übermittelt. Dies ist technisch
unmöglich, da alle persönlichen Nutzerangaben ausschließlich bei der Bibliothek lokal gespeichert sind. Onleihe-Bibliotheken
können frei entscheiden, ob sie den Kaufbutton in ihr lokales Angebot integrieren
wollen. Für jedes verkaufte E-Book erhalten sie eine Provision.
Ein »Kaufbutton« soll es Nutzern der Onleihe jetzt ermöglichen, ein verliehenes EBook mit wenigen Klicks käuflich zu erwerben. Diesen neuen Service führt die digitale
Ausleihplattform Onleihe der divibib in einer Pilotphase mit den Stadtbüchereien
Düsseldorf, den Hamburger Öffentlichen
Bücherhallen sowie dem Onleihe-Verbund
Oberlausitz ein. Trifft ein Bibliothekskunde im E-Book-Bestand seiner Bibliothek auf
einen bereits ausgeliehenen Titel, so wird
ein zusätzlicher Button angezeigt, der auf
die Möglichkeit zum Kauf dieses Mediums
hinweist.
›› MEDIENEXPERTE THOMAS FEIBEL ERHÄLT
KARL-PREUSKER-MEDAILLE
Der Dachverband der Bibliotheksverbände, Bibliothek & Information Deutschland
(BID) e. V., verleiht die Karl-Preusker-Medaille 2014 an den Journalisten, Kinderbuchautor und Medienexperten Thomas
Feibel. Die Bundesvereinigung würdigt damit Feibels herausragendes Engagement im
Bereich der Leseförderung und der Vermittlung elektronischer Medien für Kinder und
Jugendliche. Die Auszeichnung wird am 31.
Oktober in der Bibliothek am Luisenbad
in Berlin übergeben. In ihrer Begründung
hebt die Jury hervor, dass sich Thomas Feibel in seinen Publikationen über Jahre hinweg kritisch und fundiert mit dem Thema
Computerspiele und Lernsoftware, mit so-
zialen Netzwerken und anderen elektronischen Medien für Kinder auseinander gesetzt habe. Er begleite die Veränderung der
Medienwelt mit sehr viel Fachkompetenz
und sei ein wichtiger Ratgeber für Öffentliche Bibliotheken geworden. Feibel leitet
das Büro für Kindermedien Feibel.de (www.
feibel.de) in Berlin. Dort entsteht seit 1995
der Kindersoftware-Ratgeber, in dem kontinuierlich elektronische Medien für Kinder
bewertet werden.
143
Die divibib wertet ihre Onleihe als Erfolg:
2014 werden voraussichtlich von den rund
2.000 Teilnehmerbibliotheken in Deutschland, Österreich und der Schweiz 12 bis 16
Millionen elektronische Ausleihen erzielt
werden.
›› B.I.T. ONLINE
INNOVATIONSPREIS
Raphaela Schneider, Absolventin des Instituts für Informationswissenschaft, wurde
für ihre von Prof. Dr. Ursula Georgy betreuten Bachelorarbeit »Erfolgreiches Crowdfunding als alternative Finanzierungsmethode in Bibliotheken« mit dem B.I.T.
online Innovationspreis 2014 ausgezeichnet. Der mit 500 Euro dotierte Preis wird
in einem bundesweiten Wettbewerb für
herausragende Abschlussarbeiten aus bibliothekarischen und informationswissenschaftlichen Studiengängen vergeben. Er
wird seit 1999 jährlich von der Fachzeitschrift B.I.T. online und der Kommission
Ausbildung und Berufsbilder des BIB ausgelobt.
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›› NRW-BIBLIOTHEKEN UNTERSTÜTZEN „RIGHT
TO E-READ“-KAMPAGNE
Die Problematik ist bekannt: Zurzeit vergeben einige Verlage E-Book-Lizenzen nicht
an Bibliotheken und hindern sie damit
am Kauf und Verleih von E-Books. Das beschneidet das Angebot für die Nutzer und
schränkt deren gesetzlich garantierten freien Zugang zu Informationen ein. Mehr als
30 Öffentliche Bibliotheken in NordrheinWestfalen machen zurzeit publik, dass sie
das nicht hinnehmen wollen. Sie unterstützen die Kampagne »The Right to E-Read«
des europäischen Bibliotheksverbandes EBLIDA, indem sie ihre Kundinnen und Kun-
den über die Problematik informieren und
sie dazu animieren, die Online-Petition von
EBLIDA zu unterzeichnen. Darin fordert
EBLIDA von der EU-Kommission ein aktualisiertes, präzises Urheberrecht, das das EBook dem gedruckten Buch gleichstellt.
Der Verband der Bibliotheken in NordrheinWestfalen e. V. unterstützt die Bibliotheken
mit Handzetteln, Pressetexten, Plakaten
sowie der Umsetzung und Bestellung von
Roll-ups zu der europaweiten Kampagne.
›› ZBIW-ZERTIFIKATSKURS „TEACHING LIBRARIAN“
Ab dem kommenden Jahr bietet das ZBIW
der Fachhochschule Köln den Zertifikatskurs »Teaching Librarian« an. Dieser vermittelt innerhalb eines Jahres in sieben
Modulen eine umfassende Qualifizierung
im Bereich Informationskompetenz. Sein
Ziel ist eine Professionalisierung bei der
Vermittlung von Informationskompetenz
für unterschiedliche Zielgruppen. Der Kurs
richtet sich an Studierende, Postgraduale
und Forschende. Er beginnt am 23. Februar
2015 und ist als Blended-Learning-Kurs mit
insgesamt vier Präsenz- und weiteren Online-Phasen konzipiert. Informationen unter: www.fh-koeln.de/weiterbildung/zertifikatskurs-teaching-librarian_9840.php
ZDBB: SPEZIALSAMMLUNG IM SCHLOSS LEMBECK ERÖFFNET
Das barocke Schloss Lembeck bei Dorsten-Wulfen (NRW) beherbergt, wie man einer Meldung vom 1.4.2014 der Liste FORUMOEB
entnehmen kann, seit dem 18. Jahrhundert eine weithin bekannte
Adelsbibliothek. Jetzt ist in den alten Gemäuern auch eine bundesweit einmalige Spezialsammlung untergebracht. Bundespräsident
a. D. Richard von Weizsäcker eröffnet die Zentrale Deutsche Beilagen-Bibliothek im Beisein zahlreicher Vertreter von Bibliotheken
aus dem deutschsprachigen Raum. Die Idee zu dieser Sammlung
hatte Dr. Edgar von Reburg: »Als langjähriger Abonnent der Liste
FORUMOEB war mir bekannt, wie oft in der Praxis Beilagen vermisst werden. Deshalb hatte ich begonnen, Lösungshefte, Schnittmuster, Spiel- und Bastelbögen sowie Kartenbeilagen zusammenzutragen.« Dank großzügiger Unterstützung der Pro-Malus-Stiftung
stehen allen Bibliotheken in Deutschland, Österreich, der Schweiz
und Südtirol inzwischen 43.000 Beilagen zur Verfügung. Als nächstes Projekt ist geplant, ein Archiv aller CD-ROM-Seriennummern
aufzubauen.
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