Deutsch perfekt September 09/08
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58-61_Romy_0908_Quark7.qxd:DP Einstiegsseiten 4c 07.08.2008 16:12 Uhr Seite 58 DIE VIELEN GESICHTER EINER FRAU Sie war Schauspielerin und ein Weltstar. Geliebte, Ehefrau und Mutter. Mit nur 43 Jahren starb ROMY SCHNEIDER 1982 in Paris. In diesem Monat wäre sie 70 Jahre alt geworden. an eine ganz besondere Frau. Besondere Filme Mit 17 Jahren wurde Romy Schneider an der Seite von KarlHeinz Böhm in Sissi weltberühmt (oben). 1981 spielte sie die Hauptrolle in ihrem letzten Film Die Spaziergängerin von Sans-Souci (unten). „Rosemarie Albach“ steht auf ihrem Grabstein in Boissy-sans-Avoir. Darunter ihre Lebensdaten: 239-38 – 29-5-82. In dem kleinen französischen Ort, circa 50 Kilometer von Paris entfernt, vermutet man keinen Weltstar – schon gar keinen, der mit Star-Regisseuren wie Claude Chabrol, Orson Welles oder Luchino Visconti gearbeitet hat. Aber Rosemarie Albach alias Romy Schneider hat sich dort auf dem Land im März 1982 ein Haus gekauft. Es sollte ein neuer Anfang werden, wie schon so oft. Fünf Wochen später war sie tot. ANDREA LACHER erinnert MITTEL Die Suche nach Ruhe, Glück, Anerkennung, beruflichem Erfolg, Liebe und Geborgenheit zieht sich wie ein roter Faden durch Romy Schneiders Leben. Ein Leben, in dem man die öffentliche Person von der Privatperson nur schwer trennen kann. Auch die Schauspielerin selbst trennte nur selten zwischen öffentlicher und privater Tragödie. Sie profitierte von den Medien. Aber sie litt auch unter ihnen. Die in Wien geborene Tochter der Schauspieler Magda Schneider und Wolf AlbachRetty beginnt schon früh, ein öffentliches Leben zu leben. Mit 14 spielt sie in ihrem ersten Film, Wenn der weiße Flieder wieder blüht, unter Ernst Marischka. 1955, sie ist 17, kommt Sissi in die Kinos. Romy Schneider ist noch nicht erwachsen, aber schon ein Star. Der Film über das Leben von Elisabeth Amalie Eugenie von Wittelsbach, der Kaiserin von Österreich, genannt Sissi, wird ein Welterfolg. 1956 kommt Sissi, die junge Kaiserin, 1957 Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin. Für Romy Schneider wird das SissiImage aber bald zum goldenen Käfig. Stein auf dem Grab mit dem Namen und den Lebensdaten des Toten (das Grab, ¿er Platz, an dem ein Toter liegt) schon gar kein(e/er) ≈ vor allem kein(e/er) der Regisseur, -e franz. Leiter, der Schauspielern Instruktionen gibt die [nerkennung ≈ positive Reaktionen die Geb¶rgenheit Gefühl, sicher und geschützt zu sein s“ch ziehen hier: ≈ sein der rote Faden ≈ Motiv profitieren Vorteile haben leiden ¢nter hier: ≈ sehr traurig sein wegen der Flieder, ≈ Pflanze, die im Frühling kleine weiße oder lila Blüten bekommt (die Blüte, -n hier: Teil einer Pflanze, der eine schöne Farbe hat und gut riecht) der Grabstein, -e DEUTSCH perfekt 9/08 FOTOS: CINETEXT (5) 58 58-61_Romy_0908_Quark7.qxd:DP Einstiegsseiten 4c 07.08.2008 16:12 Uhr Seite 59 Hilfe kommt 1958 aus Frankreich: In dem Jahr soll Christine gedreht werden. Alain Delon, ein zu dieser Zeit in den deutschsprachigen Ländern noch unbekannter Schauspieler, ist ihr Filmpartner. Im Sommer 1958 fliegt Romy Schneider nach Paris. Sie soll Delon kennenlernen. „Ich fand den Knaben uninteressant“, erklärt sie später. rin auf einer Pariser Theaterbühne einen großen Erfolg. Visconti erklärt sie zu einer der genialsten europäischen Schauspielerinnen. Nach den aristokratischen Rollen sieht das Publikum Romy Schneider nun als verheiratetes Callgirl (Boccaccio ‘70) und als Ehebrecherin Das ändert sich schnell. Zum belgischen Filmball reisen beide mit dem Zug. In Brüssel steigt dann ein flirtendes Paar aus dem Zug. Als die Dreharbeiten zu Christine zu Ende gehen, zieht Romy Schneider zu Alain Delon nach Paris – obwohl ihre Eltern dagegen protestieren. „Romy Schneider – Für Deutschland verloren?“, fragt eine deutsche Zeitschrift. Sie sagt später über diese Zeit: „Ich hatte immer dieselben Angebote, bis ich dick und fett geworden wäre.“ Schneiders Familie versucht zu retten, was zu retten ist. Auf Wunsch der Eltern verloben sich (Der Kampf auf der Insel ), außerdem als sich prostituierende Violinistin in Die Sieger und als sexuell freizügige Leni in Der Prozeß. „Vom Deutschen hat diese junge Pariserin nichts mehr“, zitiert Der Spiegel 1963 die Pariser Wochenzeitschrift L’Express. Als Schauspielerin hat Romy Schneider Erfolg. Anders ist es mit ihrem Privatleben. Als sie von einer Reise in die USA zurückkommt, ist niemand mehr in der gemeinsamen Wohnung. Neben ein paar Rosen liegt ein Zettel: „Ich bin mit Nathalie nach Mexiko, alles Gute. Alain.“ Die Presse berichtet über die private Katastrophe. Romy Schneider ist verletzt. Sie hat das Gefühl, dass sie den Erfolg damit bezahlt, „dass man keine Ruhe mehr hat“. Ihr Problem: „Im Leben bin ich eine ziemlich schlechte Schauspielerin“, erklärt sie dem Hamburger Abendblatt. Im Frühjahr 1965 lernt Romy Schneider den Schauspieler und Regisseur Harry Meyen kennen. Sie verliebt sich in den 14 Jahre älteren Intellektuellen. Die beiden heiraten im Juli 1966. Knapp fünf Monate > die beiden am 22. März 1959 – es ist eine „Die Erinnerung ist oft das Schönste im Leben, glaube ich …“ Romy Schneider bürgerliche Farce. Aber der Streit mit der Familie ist wenigstens beendet. Romy ist 21 und verliebt. Trotzdem sind diese ersten Jahre in Paris nicht ganz einfach für sie. Alain Delon dreht mit Luchino Visconti und Michelangelo Antonioni. Filmangebote für seine Verlobte gibt es erst einmal keine. Im März 1961 ruft Luchino Visconti an. Er will sie für das Theaterstück „Schade, dass sie eine Dirne ist“. Romy Schneider sagt nicht sofort Ja. Sie hat keine Erfahrungen auf der Theaterbühne. Trotzdem feiert sie mit dem Stück als Auslände- blühen Blüten haben die Kaiserin, -nen oberste Monarchin das Sch“cksalsjahr, -e Jahr mit wichtigen Ereignissen im Leben eines Menschen der g¶ldene Käfig hier: ≈ Situation, dass eine Person unglücklich ist, obwohl sie viel Erfolg hat drehen hier: einen Film machen der Knabe, -n Junge; hier: junger Mann der F“lmball, ¿e Tanzfest von Firmen, die im Bereich Film arbeiten s“ch verloben sich versprechen, dass man heiraten wird b•rgerlich hier: ≈ konservativ verliebt sein ≈ lieben die D“rne, -n Prostituierte 9/08 DEUTSCH perfekt erklären zu … die Ehebrecherin, -nen der Sieger, sexu¡ll freizügig zitieren kn„pp (offiziell sagen), dass jemand … ist verheiratete Frau, die eine sexuelle Beziehung mit einem anderen Partner hat Gewinner ohne sexuelle Tabus Worte nennen, die jemand anders gesagt oder geschrieben hat nicht ganz, fast Privates Glück, beruflicher Erfolg Romy Schneider mit Sohn David und Harry Meyen (unten), mit Daniel Biasini (oben) und Orson Welles in Der Prozeß (Mitte) 59 58-61_Romy_0908_Quark7.qxd:DP Einstiegsseiten 4c Comeback 1968 an der Seite von Alain Delon in Der Swimmingpool (unten). Für den Film Gruppenbild mit Dame (oben) erhält Romy Schneider 1977 das Filmband in Gold. 07.08.2008 Seite 60 später wird Sohn David in Berlin geboren. „Ich habe meinen krankhaften Ehrgeiz verloren“, sagt Romy Schneider nun über ihren Beruf. „Natürlich gibt es etwas anderes: mein Leben.“ Ihr Leben, das ist David. Sie genießt es, Mutter zu sein – knapp zwei Jahre lang. 1968 klingelt das Telefon. Es ist ein Filmangebot – an der Seite von Alain Delon. Der Swimmingpool heißt das Projekt. Es soll ihre Rückkehr ins Filmgeschäft sein. Der Plan funktioniert. Der Film wird auch kommerziell ein großer Erfolg. Der Erfolg tut ihr gut. Anfang 1969 erklärt sie: „Ich bin so glücklich wie noch nie!“ Nun beginnt beruflich die erfolgreichste Zeit. Sie dreht mit Claude Chabrol, Andrzej Zulawski und Claude Sautet und wird in Frankreich zu einem großen Filmstar. kr„nkhaft der Ehrgeiz genießen die R•ckkehr erf¶lgreich s“ch scheiden l„ssen der S¡lbstmord, -e die Niere, -n hier: so stark, dass es nicht mehr normal ist sehr starker Wunsch nach Erfolg Freude haben an Zurückkommen mit Erfolg ≈ geschieden werden Suizid Organ, das Wasser und Gifte aus dem Körper nimmt hier: bei einer Operation herausnehmen hier: Untersuchung kriminelles Tun, bei dem man Geld im Geheimen behält und keine Steuern dafür bezahlt Aber die Popularität hat ihren Preis. Die Ehe mit Harry Meyen ist in der Krise. 1975 lassen sich die beiden scheiden. Wenig später heiratet Romy Schneider ihren Sekretär, Daniel Biasini. Zwei Jahre später wird Tochter Sarah geboren. Für ihren fünften Film mit Claude Sautet, Eine einfache Geschichte, bekommt sie 1979 ihren zweiten César. Kurze Zeit später bekommt sie die Nachricht von Harry Meyens Selbstmord. 1980 werden Romy Schneider und Alain Delon von den Lesern von Paris-Match zu den „Stars des Jahres“ gewählt. Noch knapp zwei Jahre bleiben Romy Schneider da bis zu ihrem Tod. Zwei Jahre, in denen ihr eine Niere entfernt wird, sie von Biasini geschieden wird und das französische Finanzamt ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung einleitet. Im Frühjahr 1981 trifft Romy Schneider den Fotografen Robert Lebeck für eine Fotoserie an der bretonischen Küste. Ein Bild zeigt sie ungeschminkt, die Haare zu einem Zopf zurückgekämmt. Sie hält die Hände vor ihre Lippen, ihre Augen blicken an der Kamera vorbei, fixieren einen Punkt in der Ferne. Lebeck besucht sie kurze Zeit später auch in Paris. Er fotografiert sie, während Tochter Sarah auf ihr herumklettert. „Das sind meine liebsten Fotos von ihr“, sagt Lebeck später, „weil sie so entspannt ist und man ganz viel Liebe spürt.“ Wenige Monate später bricht Romy Schneiders Welt zusammen. Am 5. Juli 1981 kommt ihr Sohn David am Nachmittag vom Spielen zurück, das Tor zum Haus seiner Großmutter ist geschlossen. Er klettert – wie so oft – über den Zaun und rutscht aus. David wird mit schweren inneren Blutungen ins Krankenhaus einleiten ¢ngeschminkt der Z¶pf, ¿e zur•ckkämmen die L“ppe, -n die F¡rne her¢mklettern entsp„nnt spüren zus„mmenbrechen der Zaun, ¿e beginnen ohne Kosmetik ≈ lange Haare, die man am Hinterkopf zusammennimmt mit einem Kamm nach hinten nehmen weicher, oberer oder unterer Teil des Mundes £ Nähe hier: hinauf- und hinuntersteigen hier: erholt, ohne Stress hier: fühlen hier: ≈ kaputtgehen Konstruktion aus Holz oder Metall, die die Grenze zu einem privaten Stück Land markiert DEUTSCH perfekt 9/08 FOTOS: CINETEXT (3) entf¡rnen das Verfahren, die Steuerhinterziehung, -en 60 16:13 Uhr 58-61_Romy_0908_Quark7.qxd:DP Einstiegsseiten 4c 07.08.2008 16:13 Uhr Seite 61 Auf der Suche nach tieferen Rollen 1961 macht Romy Schneider den Episodenfilm Boccaccio ‘70. gebracht und stirbt wenig später dort. Romy Schneider bricht im Krankenhaus zusammen. Fotografen kommen als Pfleger verkleidet ins Krankenhaus und fotografieren das tote Kind. „Wo ist die Moral?“, fragt Romy Schneider später in einem Fernsehinterview. Im Oktober 1981 steht Romy Schneider wieder vor der Kamera. In Berlin beginnen die Dreharbeiten zu dem Film Die Spaziergängerin von Sans-Souci. Sie widmet den Film David und Harry Meyen. Es wird ihr letzter sein. Im Februar 1982 erholt sich Romy Schneider mit ihrem neuen Lebensgefährten Laurent Pétin und Tochter Sarah auf den Seychellen. Den Kummer über ihren toten Sohn betäubt sie mit Schlafund Beruhigungsmitteln. „Ich bin eine kaputte Frau. Und das mit 43 Jahren“, erklärt sie. In der Nacht vom 28. zum 29. Mai 1982 stirbt Romy Schneider in ihrer Pariser Wohnung. Ein Herzversagen, wahrscheinlich nach der Einnahme von Beruhigungsmitteln und Alkohol. Am 2. Juni 1982 wird Romy in Boissysans-Avoir beerdigt. Alain Delon organisiert die Beerdigung. Er sorgt auch dafür, dass David an ihre Seite verlegt wird. Nach ihrem Tod setzt eine Verehrung ein. Bis heute ist das Interesse an dem Star groß: Zwei Filme über ihr Leben sind zurzeit geplant. In mehr als 60 Filmen, in vielen Foto- und Bildbänden ist Romy Schneiders Leben dokumentiert. Auch noch 26 Jahre nach ihrem Tod berühren die Bilder den Betrachter. Vielleicht weil sie die Intensität dieses kurzen, von Glück und Leid so vollen Lebens spüren lassen, vor der Kamera und privat. < ≈ fallen Verlieren von Blut hier: durch einen Schock körperliche und psychische Kraft verlieren verkleidet „ls hier: in der Kleidung von w“dmen hier: symbolisch schenken der Lebensgefährte, -n Lebenspartner der K¢mmer hier: große Traurigkeit betäuben machen, dass man einen Schmerz nicht mehr fühlt das BeruhigungsMedikament, damit man sich sicher und mittel, ruhig fühlt ausrutschen die Blutung, -en zus„mmenbrechen 9/08 DEUTSCH perfekt BIOGRAFIE 1938: 23. September, Geburt von Rosemarie Magdalena Albach in Wien. 1975: 5. Juli, Scheidung von Meyen. 18. Dezember, Hochzeit mit Daniel Biasini in Berlin. 1955 - 1957: Als Kaiserin Elisabeth von Österreich wird Romy Schneider durch die SissiFilme in ganz Europa bekannt. 1977: 4. Juni, Filmband in Gold des Bundesfilmpreises für Gruppenbild mit Dame. 21. Juli, Geburt der Tochter Sarah. 1959: 22. März, Verlobung mit Alain Delon in Lugano. 1981: 5. Juli, Schneiders Sohn David stirbt nach einem Unfall. Oktober bis Dezember, Arbeiten an Schneiders letztem Film Die Spaziergängerin von Sans-Souci. 1963: Juni, Schneider bekommt in Frankreich den Preis als beste ausländische Schauspielerin für ihre Rolle in Der Prozeß. 1964: Alain Delon löst die Verlobung. 1966: 15. Juli, Schneider heiratet den Schauspieler und Regisseur Harry Meyen. 3. Dezember, Geburt des Sohnes David. 1968: August, Alain Delon bietet Schneider eine Rolle in Der Swimmingpool an. Schneiders französische Karriere beginnt. 1982: 29. Mai, Romy Schneider stirbt in Paris und wird am 2. Juni in Boissy-sans-Avoir beerdigt. die Kaiserin, -nen die Verlobung, -en der Preis, -e lösen der Regisseur, -e franz. drehen die Scheidung, -en das F“lmband, ¿er (der F“lmpreis, -e 1971: Januar bis April, Schneider dreht mit Luchino Visconti Ludwig II. das H¡rzversagen die Einnahme beerdigen s¶rgen für verlegen einsetzen die Verehrung der B“ldband, ¿e berühren der Betr„chter, das Leid beerdigen oberste Monarchin Eheversprechen hier: Gegenstand oder Geld, das ein Gewinner bekommt hier: beenden Leiter, der Schauspielern Instruktionen gibt hier: bei einem Film mitmachen ≈ offizielle Trennung wichtigster deutscher Filmpreis (bis 1999) Gegenstand oder Geld für sehr gute Filme) ein Loch in die Erde machen und einen Toten hineinlegen ≈ starkes Defizit des Herzens: Das Herz hört auf zu arbeiten. von: einnehmen = hier: trinken, nehmen ein Loch in die Erde machen und einen Toten hineinlegen alles tun, was nötig ist, damit etwas Bestimmtes passiert hier: (an einen anderen Ort) bringen hier: beginnen von: verehren = besonders lieben großes Buch mit vielen Bildern hier: starke Emotionen wecken bei Person, die etwas ansieht ≈ schlimme Probleme 61 6-10_Kurz_und Knapp_0908.qxd 07.08.2008 16:07 Uhr Seite 6 KURZ & KNAPP LEICHT WELTKULTURERBE AUS BERLIN der [nteil, -e 6144 hier: Zahl ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 47/48 6 6144 Professorinnen unterrichten an deutschen Universitäten. Ihr Anteil wird seit rund zehn Jahren immer größer, liegt aber immer noch bei nur 16,3 Prozent. DEUTSCH perfekt 9/08 QUELLE: STATISTISCHES BUNDESAMT WELTKULTURERBE AUS BERLIN Häuser und Städte in das Weltkulturerbe aller Welt: Sie sollen so bleiben, wie sie sind, und man darf sie nicht kaputt machen. Gruppe von Wohndie Wohnsiedlung, -en häusern sogenannte(r/s) ≈ mit Namen das Kulturdenkmal, ≈ historisches Objekt: Es ¿er soll bleiben, wie es ist, und man darf es nicht kaputt machen. aufnehmen hier: ≈ schreiben bauen hier: machen verh“ndern hier: ≈ stoppen, dass die Brücke gebaut wird Diese Wohnsiedlung in Berlin-Neukölln ist jetzt Weltkulturerbe: Die UNESCO hat die sogenannte Hufeisensiedlung und fünf andere Berliner Wohnsiedlungen in die Liste der Kulturdenkmäler aufgenommen. Alle sechs Siedlungen sind aus den 20er- oder 30er-Jahren und Beispiele für den sozialen Wohnungsbau dieser Zeit. Die Stadt Dresden verliert den Titel „Weltkulturerbe“ aber vielleicht schon bald. Denn die Stadt will im Elbtal eine Brücke bauen (siehe Deutsch perfekt 10/2006). Die UNESCO will das verhindern. Ein Jahr hat die Stadt noch Zeit, die Arbeiten zu stoppen – wenn sie das nicht tut, nimmt die UNESCO Dresden von der Liste. 6-10_Kurz_und Knapp_0908.qxd 07.08.2008 16:07 Uhr Seite 7 EIN PARTNER FÜR DEN GOLDFISCH der G¶ldfisch, -e kleiner Fisch mit gelber bis roter Farbe das Meerschweinkleines (Haus-)Tier chen, der Käfig, -e Metallkonstruktion: Man schließt Tiere dort hinein. h„lten hier: haben der W¡llensittich, -e kleiner blauer oder grüner Vogel das Kaninchen, kleines Tier mit langen Ohren das Pferd, -e Tier: Man kann auf ihm sitzen und sich tragen lassen. Kleines Pferd = Pony EIN PARTNER FÜR DEN GOLDFISCH Ein Meerschweinchen allein im Käfig, ein Goldfisch allein im Glas: Das ist in der Schweiz ab sofort verboten. Jetzt ist es nicht mehr erlaubt, diese Haustiere alleine zu halten. Denn Meerschweinchen und Goldfische leben in der Natur in Gruppen zusammen. Allein sind sie unglücklich. Deshalb müssen die Schweizer für ihre Haustiere jetzt mindestens einen Partner kaufen. Außer Meerschweinchen und Goldfischen müssen auch Wellensittiche, Kaninchen und Pferde einen Partner bekommen. Katzen müssen jeden Tag Kontakt mit Menschen haben – oder wenigstens andere Katzen sehen können. Und jemand, der sich einen Hund kaufen will, muss vorher 15 Stunden lang einen Kurs machen. ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 47/48 FOTOS: SÜDDEUTSCHE ZEITUNG PHOTO; FOTOLIA/L. SMOKOVSKI; MUTTODAYA BUDDHISMUS IM FRANKENWALD das Kloster, ¿ Kirche mit Wohn- und Arbeitshäusern: Dort leben und arbeiten sehr religiöse Männer oder Frauen. der Mœnch, -e Mann: Er lebt nur für seine Religion, z. B. heiratet er nicht. str¡ng hier: ≈ sehr genau die Regel, -n ≈ Norm: Sie sagt, was verboten und was erlaubt ist. bes“tzen haben die H•tte, -n kleines Haus aus Holz bauen hier: machen Deutsch lernen in Österreich Deutsch lernen mit Qualitätsgarantie BUDDHISMUS IM FRANKENWALD Im Frankenwald, in der Nähe von Bayreuth (Bayern), gibt es seit kurzer Zeit ein buddhistisches Kloster. Drei Mönche (Foto, mit Besuch) leben dort nach strengen Regeln. Sie stehen früh am Morgen auf, machen Meditationsübungen und arbeiten viel. Sie essen nur am Vormittag, dürfen kein Geld besitzen und nicht selbst kochen. Mehrere Familien aus dem Dorf bringen ihnen Lebensmittel. Ein Koch kocht für sie. Jeder Mönch lebt allein im Wald – in einer Hütte, die er selbst gebaut hat. Auf der Internetseite des Klosters gibt es Fotos und Informationen über das Leben der Mönche im Frankenwald (www.muttodaya.org). Die Seite kann auf Deutsch, Englisch, Tschechisch und Thai gelesen werden. 9/08 DEUTSCH perfekt 16 Schulen in ganz Österreich • Sommerkurse – Jahreskurse • Kinder- und Jugendkurse mit Full-Package Programmen • Allgemeine Deutschkurse auf allen Stufen • Österreichisches Sprachdiplom mit Prüfungsvorbereitung • Kultur, Sport, Spaß www.campus-austria.at 32-34_diskutieren_0908.qxd 07.08.2008 14:13 Uhr Seite 32 DIREKT ZUM PROBLEM Wenig emotional, schnell zum Thema: Der Diskussionsstil der Deutschen gilt als sachlich und ernst. BARBARA DUCKSTEIN und DANIELA NIEBISCH geben Tipps fürs Argumentieren auf Deutsch. MITTEL ie haben es sicher auch schon einmal gehört: Alle Deutschen sagen offen und deutlich, was sie denken, sind sachlich und ernsthaft und wollen immer zu einem Ergebnis kommen. Realität oder Klischee? „Ich finde, dass die Deutschen sehr direkt und deutlich ihre Meinung sagen“, sagt Vivian Bunge von den Philippinen. „Sie diskutieren auch viel lauter als die Philippinen. Aber sie sind auch lauter, wenn sie sich freuen.“ In einer Diskussion würde sich Bunge auch nach 18 Jahren in Deutschland nicht als Erste zu Wort melden. „Ich bin vorsichtig mit einer offenen Meinung, denn ich will niemanden verletzen.“ S 32 Leandra Pérez aus Spanien hat andere Erfahrungen gemacht: „Am Anfang habe ich nicht verstanden, dass die Deutschen so ruhig eine Meinung vertreten können. Das kam mir kalt vor. In Spanien diskutieren wir viel emotionaler. Deutsche bemühen sich auch mehr, dass es nicht so persönlich wird. Sie sagen Sätze wie ‚Das meine ich nicht persönlich.‘ Ich würde den deutschen Diskussionsstil klar und sachlich nennen. Man weiß, woran man ist.“ Zwei Menschen, zwei Meinungen. Es zeigt: Verallgemeinerungen haben wenig Sinn. Trotzdem können Tendenzen festgestellt werden. Das gilt vor allem für Diskussionen DEUTSCH perfekt 9/08 32-34_diskutieren_0908.qxd 07.08.2008 14:13 Uhr Seite 33 im Beruf. „In Spanien sind Diskussionen chaotischer, und oft enden sie ohne Ergebnis“, beschreibt Pérez den Verlauf von Meetings in ihrem Heimatland. Wie wichtig den Deutschen ein Ergebnis in beruflichen Gesprächen ist, weiß Stephan Petersen, Trainer für Interkulturelle Kommunikation aus Aachen: „Deutsche Diskussionen sind ungeschlagen in der Geschwindigkeit des Problemlösens.“ Dafür nehmen sich die Diskussionsteilnehmer weniger Zeit für andere Aspekte der Kommunikation. „Amerikanische Studenten zum Beispiel sind oft überrascht, wie schnell es in auf Teamwork legen, wird erwartet, dass die Mitarbeiter eigene Ideen einbringen. Nicht einfach für jemanden, der wie der Japaner Satoshi Morita aus einer Kultur mit klaren Hierarchien kommt. „Ich finde es immer noch sehr schwierig, offen meine Meinung zu sagen. Bei uns widerspricht man nicht so deutlich. Der andere muss zum Beispiel am Gesicht erkennen, ob man einverstanden ist. Wir verwenden auch seltener das Wort ‚Ich’. Immer ‚Ich finde, …’, ‚Ich meine …’ zu sagen, das kommt mir unhöflich vor.“ Wer auf Deutsch mitdiskutieren will, muss argumentieren lerDeutschland ans EinAuch für Kritik gibt es Regeln. nen. Dabei sind typigemachte geht.“ Die sche Einleitungen „Du hast ja keine Ahnung!“ Phase des Small Talks, wie „Meiner Meiist nicht ehrlich, die in Amerika oder nung nach“ und „Ich auch in den arabischen bin überzeugt, dass sondern beleidigend. Ländern sehr wichtig …“ eine Hilfe. Aber: ist, ist relativ kurz: „In keiner anderen Kultur „Wenn Japaner den deutschen Gesprächsstil kommt man so direkt zum Problem wie bei imitieren, passiert es immer wieder, dass uns.“ ausgerechnet sie in deutschen Ohren unhöflich klingen“, sagt die Deutschlehrerin Sonja Dabei wollen die Deutschen den anderen Krell, die ein Jahr in Japan studiert hat. „Das nicht vor den Kopf stoßen. „Wir wollen einfach etwas verstehen“, erklärt Petersen. Zum Problem ist, dass sie zwar versuchen, ihre Beispiel auch, warum der Projektentwurf Meinung deutlich zu sagen, aber Weichmaeines Mitarbeiters für die Firma von Vorteil ist. Kritische Fragen bedeuten deshalb keine persönliche Abwertung, sondern sollen oft hel- fen, die beste Lösung zu finden. Dabei zählen überzeugende Argumente und klare Fakten. In modernen Firmen und Branchen, die Wert g¡lten „ls s„chlich beleidigen ¡rnsthaft s“ch zu W¶rt m¡lden vertreten vorkommen s“ch bemühen M„n weiß, wor„n m„n “st. die Verallgemeinerung, -en der Verlauf, ¿e nach Meinung vieler etwas Bestimmtes sein emotional Gefühle verletzen durch Worte oder Gesten lustig hier: seine Meinung sagen hier: ≈ sagen hier: finden; meinen, dass etwas … ist viel tun, damit etwas klappt ≈ Man kann darauf vertrauen, dass der andere meint, was er sagt. ≈ für alle geltendes Prinzip, Generalisierung ¢ngeschlagen die Geschw“ndigkeit, -en dafür/dafür hier: ≈ aber hier: Man kommt zum zentralen ]s geht „ns Eingemachte. Thema. vor den K¶pf stoßen unhöflich sein, Gefühle verletzen der Proj¡ktentVorschlag/Plan für ein Projekt wurf, ¿e 9/08 DEUTSCH perfekt Angestellter hier: ≈ Kritik, durch die man sagt, dass jemand unwichtig ist oder nichts kann zählen hier: wichtig sein überzeugend hier: richtig, gültig der F„kt / das F„k- Sache, die Wirklichkeit ist; auch: Informatum, F„kten tion die Branche, -n franz. Teilbereich der Wirtschaft Wert legen auf meinen, dass etwas wichtig ist erw„rten hier: wünschen hier: etwas vorschlagen, über das dann einbringen diskutiert wird widerspr¡chen eine andere Meinung haben und diese sagen die Einleitung, -en Beginn überzeugt sein ≈ sicher sein, richtig finden ausgerechnet hier: ≈ überraschend kl“ngen hier: wirken der Weichmacher, - Wort, das das Gesagte freundlich und weich wirken lässt „bschwächen hier: freundlicher machen der M“tarbeiter, die [bwertung, -en 2 Zur Sache: In Meetings kommt man meistens schnell zum Thema. Ein paar höfliche Fragen, zum Beispiel zum Wetter, sind okay. Dann sollten Sie sich aber ganz auf das Diskussionsthema konzentrieren. 2 Direkt: Nennen Sie Ihren Standpunkt klar und deutlich. Sie dürfen und sollten es auch sagen, wenn Sie anderer Meinung sind. Das geht am besten mit einleitenden Floskeln wie „Das sehe ich nicht so.“ oder „Das finde ich nicht.“ 2 Logisch: Überzeugen Sie Ihren Gesprächs- partner mit sachlichen Argumenten und Fakten. Auf den Sammelkarten (Seite 35/36) finden Sie Redehilfen. 2 Respekt: Direkt bedeutet nicht respektlos! Abwertungen des Gesprächspartners wie „Sie reden nur Unsinn!“ oder emotionale Ausbrüche wie „Ohne mich! Das könnt ihr gleich vergessen!“ sind in einem Meeting fehl am Platz. 2 Tabus: Unter Geschäftspartnern sind Politik, Religion, Gehalt, persönliche Probleme oder schwere Krankheiten keine passenden Themen. der St„ndpunkt, -e ≈ Aspekt, Meinung einleiten beginnen die Fl¶skel, -n Standard-Kombination von Wörtern ≈ mit Argumenten erreichen, überzeugen dass jemand seine Meinung ändert s„chlich hier: objektiv der F„kt / das Sache, die Wirklichkeit ist; F„ktum, F„kten auch: Information der Resp¡kt ≈ Akzeptanz resp¡ktlos ohne Respekt die [bwertung, -en hier: ≈ Kritik, durch die man sagt, dass jemand unwichtig ist oder nichts kann der Ausbruch, ¿e hier: plötzliche, emotionale Reaktion fehl „m Pl„tz unpassend der Geschæftshier: Angestellter, Manager partner, oder Leiter einer anderen Firma, mit dem man aus beruflichen Gründen zusammentrifft 33 FOTOS: PROJECT PHOTOS/R. EISELE; FOTOLIA/D. CERVO von: verlaufen = hier: (in einer bestimmten Reihenfolge) passieren hier: so, dass kein anderer besser ist Tempo cher der deutschen Sprache nicht erkennen oder verwenden.“ Weichmacher, das sind zum Beispiel Formulierungen im Konjunktiv („Ich hätte da einen Vorschlag.“, „Wir könnten es doch so machen.“) und abschwächende Wörter > 5 GOLDENE REGELN FÜR DISKUSSIONEN IM BERUF 32-34_diskutieren_0908.qxd verb“ndlich f¶lgen bed„cht sein auf gehören zu n“cken nachfragen eher der Resp¡kt der Einwand, ¿e unterbr¡chen einhalten br¡chen zur {rdnung rufen ausreden 07.08.2008 hier: höflich hier: nach etwas kommen hier: konsequent und genau achten auf ≈ ein Teil sein von den Kopf auf und ab bewegen und damit „Ja“ sagen hier: noch einmal und in Details fragen ≈ mehr ≈ Akzeptanz andere Meinung, Kritik hier: nicht weitersprechen lassen hier: ≈ tun, was eine Regel sagt hier: verletzen sagen, dass man aufhören soll, Regeln zu verletzen hier: zu Ende sprechen 14:13 Uhr Seite 34 wie „vielleicht“ und „vermutlich“ („Vermutlich haben Sie recht, aber …“). Auch Modalpartikeln (siehe Deutsch perfekt 8/08) können das Gesagte freundlicher und verbindlicher machen. Wer weiß, dass „Wie meinst du das?“ in deutschen Ohren härter klingt als „Wie meinst du das denn?“, hat in Diskussionen einen Vorteil. Außerdem ist es ja nicht so, dass in Diskussionen unter Deutschen ein Argument auf das nächste folgt und jeder immer nur darauf bedacht ist, seine Meinung zu sagen. Im Gegenteil: „Deutsche hören besser zu und verlieren sich nicht in ihren eigenen Ideen und Emotionen“, hat Pérez festgestellt. Es gehört zu einem guten Diskussionsstil, zuzuhören und das auch durch „Aha“, „Mhm“ oder Nicken zu signalisieren. Wiederholungen und Nachfragen wie „Wenn ich das richtig verstanden habe, meinen Sie, dass wir für den polnischen Markt eine andere Marketingstrategie brauchen, oder?“ zeigen, dass man zuhört und konzentriert beim Thema ist. Auch für Kritik gibt es Spielregeln: Wer glaubt, dass ein direktes „So ein Quatsch!“ oder „Du hast ja keine Ahnung!“ offen und ehrlich ist, wird beleidigte Gesichter sehen. Kritik sollte besser vorsichtig verpackt wer- den. Formulierungen wie „Könnte es nicht auch so sein, dass …?“, „Wäre es nicht besser, wenn wir …?“ oder „Ich glaube eher …“ wirken neutral. Sie geben dem anderen die Möglichkeit, neue Argumente für seine Position zu finden. Gut ist es, in der Ich-Form zu sprechen. „Ich finde den Vorschlag nicht überzeugend.“, ist höflicher als „Dein Vorschlag ist nicht überzeugend.“ Respekt vor der Meinung des anderen zeigt, wer seinen Einwand so einleitet: „Ich verstehe schon, was Sie meinen, aber …“ oder „Das stimmt schon, aber man muss auch sehen, dass …“. Und schließlich: den anderen zu Ende sprechen lassen! Auch das wird als Respekt interpretiert. Dass diese Regeln nicht immer funktionieren, ist in den Talkshows im Fernsehen zu sehen. Dort wird emotional diskutiert, beleidigt, gleichzeitig gesprochen und unterbrochen. Die Deutschen, immer deutlich und direkt – aber gar nicht sachlich? Aber nein: Die Regeln werden vielleicht nicht eingehalten, aber wer sie bricht, wird deutlich zur Ordnung gerufen: „Herr Müller, darf ich bitte meinen Satz zu Ende sagen? Ich habe Sie auch ausreden lassen.“ Und Ordnung, das ist nun wirklich typisch deutsch. Oder? < MITARBEIT: LAURA HENRICI DEUTSCHLAND DISKUTIERT 34 (Sat. 1) und „Oliver Geissen“ (RTL) über Liebe, Sex und Freundschaft diskutiert (und oft heftig gestritten). Politiker diskutieren bei „Anne Will“, „Hart aber fair“ (beide ARD) und „Maybritt Illner“ (ZDF). 2 Debattierclubs: Immer populärer werden Debattierclubs – eigentlich eine britische Erfindung. Das Diskussionsthema wird erst kurz vor der Debatte genannt, Pro- und Contrapositionen werden ausgelost. Adressen von Debattierclubs an Universitäten: www.vdch.de. beobachten ausdrücken verœffentlichen die Auswahl der N¢tzer, - hier: genau zusehen hier: sagen publizieren von: auswählen = hier: mehrere aus einem großen Angebot wählen hier: Person, die ein Internetportal benutzt h¡ftig die Erf“ndung, -en auslosen (das Los, -e hier: intensiv neue Idee durch das Los wählen kleiner Zettel, mit dem etwas zufällig entschieden wird) DEUTSCH perfekt FOTO: NDR/W. BORRS Wie in Deutschland diskutiert wird, können Sie am einfachsten durch Beobachten und Mitmachen lernen. Hier können Sie Ihre Meinung sagen oder Diskussionen beobachten: 2 Zeitungen und Zeitschriften: Viele Leser drücken ihre Meinung zu einem Thema oder Artikel in Leserbriefen aus. Die meisten Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichen eine Auswahl der Briefe. Viele Leserbriefe publizieren zum Beispiel der Stern und Der Spiegel. 2 Internet: Diskussionsforen gibt es zum Beispiel auf den Internetseiten von Medien. Dort können die Nutzer ihre Leserbriefe online schreiben und mit anderen Nutzern debattieren. 2 Fernsehen: Alltagsthemen, Privates, Politik: Im Fernsehen gibt es Talkshows zu fast allen Themen. Am Nachmittag wird zum Beispiel bei „Britt“ 9/08 11-Andrea Benda_0908.qxd 07.08.2008 14:08 Uhr Seite 11 KOLUMNE MITTEL ANDREA BENDA über Einrichtung und Hysterie ls Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihr neues Büro zog, wollte sie den Schreibtisch ihres Vorgängers rausschmeißen. Das ging aber nicht so einfach. Denn das Ding war fest in den Boden geschraubt. Warum sie das überhaupt wollte? Ganz einfach: Die Deutschen richten sich gerne neu ein. Jeden Samstag sind die Straßen leer und die Möbelhäuser voll. Ich kenne Menschen, für die ist die Suche nach einer neuen Couch schwieriger als die nach einem Lebenspartner. Mein Nachbar fährt jeden zweiten FOTO: A. BENDA; ILLUSTRATION: B. FÖRTH A die Couch, -s/-en engl. ≈ Sofa Person, die vorher die Position der Vorgänger, und die Aufgaben hatte rausschmeißen hier: wegwerfen mit kleinen Stiften aus Metall f¡st “n den Boden geschraubt stabil in den Boden gemacht Geschäft, in dem man Material der Baumarkt, ¿e zum Bauen kaufen kann der P¡p engl. ≈ modernes Design tapezieren Tapeten an eine Wand kleben ausbrechen hier: plötzlich beginnen die Moderatorin, -nen hier: Frau, die in einer Fernsehsendung Renovierungstipps gibt s“ch l¢stig m„chen über ≈ lachen über verlegen hier: ≈ unsicher peinlich unangenehm schl“cht hier: ≈ funktional, einfach ≈ zu schwer, zu groß und pompös luxuriös die W¡rbeagentur, -en Firma, die für andere Firmen die Werbung macht hier: Möbel an einen bestimmaufbauen ten Platz stellen die Schr„nkwand, ¿e ≈ sehr breiter, hoher Schrank das S¡ktglas, ¿er Glas für ein alkoholisches Getränk, z. B. Champagner l„chsfarben ≈ in hellem Rot die Couchgarnitur, -en Sofa mit Sesseln die Schw„mmtechnik ≈ Technik, bei der man mit einem Schwamm die Farbe auf die Wand macht (der Schw„mm, ¿e ≈ weiches Material, das große Mengen Wasser speichern kann) hier: langes, flaches, geschnittedas Regalbrett, -er nes Stück Holz als Regal ers¡tzen hier: etwas anderes an die Stelle einer Sache bringen W“rkung zeigen einen Effekt haben streichen Farbe auf die Wand malen ≈ eine gemeinsame Meinung kons¡nsfähig sein finden können 9/08 DEUTSCH perfekt Tag in den Baumarkt. Seine Frau möchte mehr Wänden, die Sabine aus dem Urlaub mitge„Pep“ in die Wohnung bringen, sagt er. „Sie bracht hat, um sich „mediterran“ zu fühlen. muss nur noch die richtige Farbe finden.“ Sabine dachte immer, dass sie modern eingeMan könnte glauben, die ganze Republik richtet ist. Dann fing sie an, Einrichtungsshows soll einmal neu tapeziert werden. In Deutsch- anzuschauen. Jeden Tag sieht sie, wie helle land ist eine Renovierungshysterie ausgebro- praktische Schrankwände auf dem Müll lanchen. Daran ist wahrscheinlich mal wieder den. Und durch kleine Regalbretter ersetzt das Fernsehen schuld. In allen Programmen werden. Auf die nur eine Kerze passt. Das ist nicht mehr praktisch, sieht aber toll aus. wird ohne Pause renoviert. Das Prinzip ist immer gleich: Eine Mode- Irgendwann wird Sabine einen großen Eimer ratorin besucht die Wohnung, die renoviert Farbe kaufen. Und zu Ikea fahren. werden soll. Und macht sich über die EinrichDie Shows zeigen Wirkung. Das merkte tung lustig. Die Leute, die dort leben, lachen ich auf der Party eines Freundes. Er hatte eine verlegen. Und sagen: „Ja, die Couch ist WIRK- Wand in der Farbe „Florentiner Rot“ gestriLICH hässlich!“ Eigentlich denken sie: „So chen. „Hab ich auch so“, sagte ein Gast. „Ich schlimm ist sie auch nicht.“ Aber das sagen sie auch“, sagte meine Freundin Steffi. „Hab ich nicht. Schließlich gibt das Fernsehen viel Geld im Fernsehen gesehen!“ Insgesamt hatten siefür ihre neuen Möbel aus. Wenn das Einrich- ben Leute die Farbe an der Wand. Angela Mertungsteam fertig ist, weinen die Besitzer ein kel würde sich freuen, dass wir Deutschen so bisschen. Weil alles so schön geworden ist. konsensfähig sein können. Als ich in dieser Vielleicht auch, weil sie merken, dass es in der Nacht nach Hause kam, nahm ich den Eimer neuen Wohnung ein störendes Element gibt: „Florentiner Rot“, den ich am Tag vorher sie selbst. Aber sie beschweren sich nicht. gekauft hatte, und stellte ihn ungeöffnet in Denn unmodern zu wohnen ist vielen Deut- den Keller. < schen inzwischen peinlich. Auch wenn sie es eigentlich gemütlicher finden. Eigentlich hatten wir Deutschen schon zu einem eigenen Einrichtungsstil gefunden. Nicht gerade im schlichten BauhausStil. Aber auch nicht mehr nur im pompösen „Gelsenkirchener Barock“. Wie das aussieht, zeigt die Werbeagentur Jung von Matt. Sie hat in Hamburg ein typisch deutsches Wohnzimmer aufgebaut (siehe Deutsch perfekt 4/2006). Dort wohnt die Durchschnittsfamilie: Sabine, Thomas und ihr Sohn Alexander. Alles, was in diesem Zimmer steht, passt zu den Statistiken und Umfragen, wie die Deutschen wohnen. Die helle, praktische Schrankwand. Wo der Fernseher Platz hat. Und „Für manche ist die Suche nach einer die Sektgläser. Die lachsfarneuen Couch schwerer als die nach bene Couchgarnitur. Die „Schwammtechnik“ an den einem Lebenspartner.“ 11