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eigenart �83 pin pon Territorium des Chaotischen intellektuelle Bastelei Interpassivität klinische Philosophie Zuhören Schweigen 2 3 Unser Thema s p i e l t auf e i n e n Aufschlag an, d en Aufschlag allen Handelns. Über die Netzgarnitur unserer Wahrnehmung flattert das Ping: Konterball! U n d alles was zu sagen b l e i b t i s t Pong. Ping Pong ist der Klang d e s Drangs n a c h schnellen Antworten. Aber a u c h unsere inneren S c h l ä g e r unterliegen d i e s e r Formel, n e h m e n an, spielen zurück. Der G a n g der Gedanken f o l g t dem P r i n z i p des H i n und Her. So krümmt sich die Linie, wird kreisförmig, g e s c h l o s s e n . Über d i e s e s Spiel führen wi r Buch: eine A r c h ä o l o g i e von A k t i o n und Reaktion. Und setzten unsere K ro n e auf d en , der den Satz verfolgen kann, den reinen Zuschauer. 1. Satz 28 Let it Be Dennis Gärtner 53 3 Ping Pong Spieler Hans Lichtenwagner 54 Scolyt Marco Merkel 12 Call & Responce – rund & eckig Thomas Düllo 42 Ping Pong Daniela Dicks & Sebastian Häger 26 Streifzüge Monica Nunes 32 Über Ping Pong in der Musik? – Ein ehemaliger UdK-Student spielte im UdK-Konzertsaal. Jan Baalmann 2. Satz 16 Eines Morgens Perlentauchen Anna Lazarescu, Bild: Margot Chicy 38 Floating Water Lillies (2013) Charles Dennigton 50 Willenskraft Robert Eckstein 06 Die Ähnlichkeit zur Suppe Lea Meyer Inhalt 30 Cool Glasses Tully Arnot 90 Über anschlussfähige und aufschluss reiche Systeme - Eine Übung Tobias Reisch, Bild: Léon Giogoli 3. Satz 84 Abhängig / Horizontalität Judith Grohmann 76 Doppelmatch Silke Schwarz 78 Pong als Wunder des fliegenden Pixels Konstantin Daniel Haensch 96 Luisa Rund 86 3 Themen Tingwei Li 60 Octavio Garabello & Eva Pedroza 83 Untitled Frank Sievers 64 Ein Ende des Bla Bla: Kommunikationsmöglichkeiten jenseits von Mustern? Klaus Gasteier, Daniela Kuka, Tobias Reisch 97 Impressum Die Ähnlichkeit zur Suppe Lea Meyer Mach das G en e ra t e s r i e c h t n a c h fris c hem f i s c hfa n g z u einem b r e i g e w o r f e n s c h l a g e ton a u s grabmoder u n t e r eiweiss artig s c h l a g en e i g e l b u n d z w e i n i e ren in t e i g reiben bis katzen dich küssen schlage zwischen sachen und dinge hunde schnelle hasen und termitenteile d a n n unter die ratten eine schicht schmieröl nerz in wild von g e s t e r n schichten den topf schlagen bis er kaputt geht mensch iss d i e suppe oder nich. 6 7 8 9 Lea Sophie Meyer studiert Geographie und Bildende Kunst – Sie reist neugierig durch die Welt, findet Ähnlichkeiten wo es keine gibt und zerstört die offensichtlichen. Suppen und PingPong mag sie Chinesisch. We c h s e l s p i e l 1. Satz unmittelbare Körperlichkeit Aktanten Frühlingsgefühle Streifzüge Sommerp hobie Swingende Notwendigkeit Protestbewegung hypnotischen A b fo l g e Ping-Pong-D i p l o m a t i e Beschleunigungsinszenierungen 10 11 Te m p o w ec hsel Call & Responce – rund & eckig Thomas Düllo In den Salons Mitte der zwanziger Jahre tut es die Wiener Gesellschaft und trägt dabei feinstes steifes Tuch und polierte Schuhe – wie in Heimito von Doderers Roman Die Dämonen. Der Bebop-Pianist und verquere Komponist Thelonious Monk (Round Midnight) tut es in den fünfziger Jahren gelegentlich vor seinen Auftritten im schwarzen Anzug und mit einer bizarren Pelzmütze – eine von Monks ver- rückten Kopfbedeckungen. Selbst auf dem windigen Achterdeck des Luxusliners Nadir tun sie es in den neunziger Jahren: der literarische Journalist und Lebensweltethnograf David Foster Wallace und ein Mitglied der Schiffsbesatzung. Sie alle spielen das, was dem höflichen „Erbsenkleinkind aus Mandala“ seinen Namen gab in der asiatisierten Episode von Jim Knopf und Prinzessin Li Si: „Ping Pong“, wie das zweiunddreißigste Kindeskind von Herrn Schu Fu Lu Pi Plu 1 heißt, dessen Kopf so klein ist wie ein Tischtennisball. Die Erstgenannten frönen alle der kleinsten Ballsportart. Beim Kickern, beim Minigolf sind es eher Kugeln als Bälle – im Grunde gilt das auch für Golf: denn ein Golfball ist doch eher eine Kugel als ein Ball!? Ping Pong spielt man aber mit Bällen. Bälle sind innen hohl, Kugeln voll – in der Regel. Der Ping Pong-Ball ist superleicht, aber hart. Er hat seinen eigenen, windanfälligen Flug und seinen eigenen, plöpplöpp artigen, fast perkussiven Ton. Und rund ist er. Deshalb wohnt ihm wie allen Bällen und allem Runden ein ewiger Anfang inne, wie Francois Jullien schreibt: „solange noch nichts eine sichtbare Form angenommen hat [...], führt man den Lauf der Dinge in die <Rundheit>; wenn sich dann erste Anzeichen abzeichnen, geht man mit der Situation in <eckiger> Weise um. [...] Anders gesagt, man muss <rund> sein, bis sich die Situation aktualisiert, und <eckig>, wenn sie sich aktualisiert.“ (Jullien: Über die Wirksamkeit) Und auch hier will das Runde ins Eckige wie beim Fußball, sprich auf die Tischplatte. Und das zweimal, also Ping und Pong. Volleys sind nicht erlaubt, nur Netzroller. Wie bei vielen Ballsportarten mit einem Gegenüber, wo die Gegner ein eigenes Terrain haben, gleicht das Spiel strukturell einem Frage-Antwort-Spiel. Auf den Aufschlag folgt der Return und so weiter. Und am besten immer fort, bis einer nicht mehr retournieren kann. Den Ball im Spiel halten, und zwar einmal mehr als der Gegner, das ist das Gesetz. Quasi das letzte Wort behalten. Aus dieser Situation gewinnen Spiel filme aberwitzige Beschleunigungsinszenierungen. So in Forrest Gump mit Tom Hanks (je einfältiger der Ping Pong-Spieler, um- so maschinenhafter sind die Returns automatisiert; welch einfältige Überlegung); so in Balls of Fury mit Christopher Walken und Dan Fogler im Geiste der Martial-A rts-Filme. In beiden Filmen wird trickt echnisch das 1 http://de.wikipedia.org/ wikiJim_Knopf _und_Lukas _der_Lokomotivf% C3%BChrer#Herr_Schu_ Fu_Lu_Pi_Plu 12 13 Frage- und Antwortspiel so überdehnt, dass es eigentlich nur noch darum geht, den Ball immer im Spiel zu halten, es nie zu beenden. Der ewige Anfang ohne Ende. Doch sind solche Szenen schnell langweilig, auch weil sie die Platte, das Eckige, verlassen. Interessanter sind andere Weisen, das Tischten nisspiel in anderen Kontexten fast phänomenologisch aufleuchten zu lassen. Beiläufige Dekonzentration: Spielreden So in Heimito von Doderers monumentalem Epochenroman über 1926. Gespielt wird im Salon – wie Billard oder Bridge. Ein „Tischtennis-Fünfuhrtee am Samstag“, genauer ein „Tischtennis-Herren-Tournier“, bei dem dann doch die Frauen mitmischen und die Umstehenden Small-Talk betreiben oder die politische Großwetterlage sondieren, die zwischen 1926/1927 in der Tat einen Umbruch signalisiert, nicht nur in Wien. Spielen und Reden sind dabei von einer wechselseitigen Beiläufigkeit und dekonzentrieren sowohl den Ernst des sportlichen Wettbewerbs als auch des politischen Raisonnierens. En passant wird „Geschichte als die Wissenschaft der Zukunft“ ausgerufen und über die Verflechtung der Metall- und Holzverabeitungs industrie mit der Politik nach 1914 gestritten. Das Ping Pong-Turnier gleicht hier einer „Plenarversammlung“ und einer heiteren diskursiven „Geselligkeit“. Vielleicht ist damit ein Grund angestimmt, warum Ping Pong sich zum Spielreden eignet und man Tischtennisplatten in manchen Instituten, Kneipen oder Agenturen findet. Es können Bälle und Gedanken fliegen. Ein beiläufiger Gedankenaustausch beim Einspielen kann sich schon mal bis zur Stunden strecken, erst dann geht es ans Punkte machen. Thomas Düllo lehrt als Kulturwissenschaftler im Fachbereich „Verbale Kommunikation“ der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunika tion. Vor seiner Professur an der Universität der Künste Berlin forschte und dozierte er in Magdeburg und Münster in den Studiengängen Angewandte Kulturwissenschaften und Cultural Engineering. Ensemblebildung: Spielgerät, Spieler und Raum Ein Schiffsstuart und der literarische Reporter David Foster Wallace spielen Tischtennis auf einem Luxusliner, deren merkwürdige Erlebniswelt Wallace ethnographisch beobachtet und beschreibt. Beide sind Ping Pong-Spieler von semipro fessionellem Kaliber und „beherrschen das Tischtennisspiel mit jener schlafwandlerischen, zenmäßigen Sicherheit, dass fast der Eindruck entsteht, der Ball spielte mit uns statt wir mit dem Ball, so direkt und automatisch kommen die Hecht sprünge und Pirouetten, die Schmetterbälle und dramatischen Rückhand-Konter in letzter Sekunde – vollendete Harmonie zwischen Hand und Auge und Killerinstinkt, aber ganz ohne nachdenken, sodass wir uns daneben noch unterhalten können.“ (Wallace: Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich). Was Menschen so können! Volle Konzentration aufs Spiel, aber doch eher zenbuddhistisch. Eine automatische Maschine, die dabei Freiheit zur Unterhaltung gewinnt. Das ist eine Kombination aus der Beatnik-Vision von der Verbindung von Spiritualität und unmittelbarer Körperlichkeit mit Bruno Latours symmetrischer Anthropologie, die von der Ensemblewerdung von Mensch und Ding träumt, den beiden gleichberechtigten Aktanten des Handelns. Hier handelt der Ball so sehr wie die Spieler – auf Augenhöhe. Ping Pong metaphorisch eins: Stereo Aufnahme- und wiedergabetechnisch findet Ping Pong seinen Widerpart in den sechziger Jahren: im Stereo-Prinzip vor allem der Pop-, Rock- oder Beatmusik. Voraussetzung ist eine Stereoanlage mit zwei Lautsprecherboxen, die zumeist erst Ende der Sechziger die Musikzimmer der Jugendlichen zierte – oder ein Kopfhörer. Das Call & ResponsePrinzip, fundiert im Wechselgesang der afroa merikanischen Gospelmusik (Sweet low, sweet chariot), des Blues (Worksong), des Jazz (respondierende Bläsersätze im Swing und Ruf & Antwort in der Improvisation des Free Jazz) oder später des HipHop (Battle-Rap), wird durch das StereoPrinzip in ein technisches Prinzip verwandelt. 1958 schreibt der Spiegel, als i m September die ersten Stereoplatten auf den Markt kommen: „So klingt Stereo, das Ergebnis jahrelanger Studien unserer Toni ngenieure. Jetzt wird Musik so gehört, wie wir sie im Konzertsaal hören. Ein Wunder wurde wahr!“ (Spiegel 40/1958) Von „räumlicher Durchsichtigkeit“ und „Naturtreue“ ist die Rede und vom Ping Pong-Effekt: „Achten Sie darauf“, wird ein Branchenvertreter zitiert, „links – rechts –Ping – Pong ... Sie können dank Stereo den Ort des Aufschlags feststellen, Sie können die Schallquelle orten.“ Das gilt zunächst für klassische Musikaufnahmen und für Hörspiele sowie Disneys Fantasia (1940), wird aber erst in der zweiten Hälfte der Sechziger 14 15 zum Muss in der Popmusik. Dem Pophörer, vor allem dem Progrockhörer, schien nichts avangardistischer als das dual verteilte Hören der Instrumente und Stimmen, am liebsten im mehrfachen Wechsel der Kanäle (Sweet Smokes Just A Poke; Pink Floyd, Yes). Die große B’s der Sechziger – Beatles, Beach Boys und Byrds – haben vor den Progrockern das Stereo-Ping Pong zum Klangsignum ihrer Zeit gemacht. Zunächst als Optimierung des räumlichen Hörens gedacht, wurde das Stereo-Prinzip bisweilen zum Fetisch. Die Kristallisation der politischen und gesellschaftlichen Systeme im Kalten Krieg der Nachkriegszeit entspricht dieser Fixierung auf das Duale genauso wie seine Überwindung, denn die Töne wandern beim Ping Pong-Stereo ja von links nach rechts und umgekehrt. Ping Pong metaphorisch zwei: Schreiben nach dem Call & Responce-Prinzip. Auch lassen sich Bücher nach dem Ping Pong-Prinzip schreiben. Es gibt ja gute Vorbilder für die Doppelautorenschaft (Alexander Kluge + Oskar Negt; Gilles Deleuze + Felix Guattari; Karl Marx + Friedrich Engels). Etwas tiefer gehängt versuchen Franz Liebl und ich uns darin immer wieder. Einer macht den ersten Aufschlag, der andere retourniert. Und so weiter. Auch beim Redigieren. Die unterschiedliche Sprachspielstile müssen dabei ja nicht getilgt werden. Es gilt vielmehr die alte textspieltheoretische Maxime: im Spiel gerät man unter die Gemeinsamkeit einer Sache. Wenn man so eine Gemeinsamkeit im Differenten, zum Beispiel anlässlich einer langweiligen Konferenz, vermisst, ist es immer gut, eine freie Tischtennisplatte in seiner Nähe zu wissen. Wie in Klagenfurt vor zehn Jähren, als Daniela Kuka und ich (beide damals noch nicht GWK) die Tischtennisplatte am Wörther See nicht mehr freigeben wollten und im Rhythmus des Klackklack und der angeregten Unterhaltung den Weg in den Tagungssaal kaum noch zurückfinden wollten. Wir hielten den Ball lange im Spiel. Wer spielt mit uns in der UdK/ GWK wieder – zwischen und nach den Seminaren? Schweißbäche rinnen an Stirn u n d R ü c k e n herab. D i e Luft ist so schwül, dass man sie trinken kann. Zu träge sie abzu wischen, s p ü r e ich w i e s i e sich i m Stoff meines Hemdes versickern. Die Haare s i n d feucht, die S c h r i t te s c h w e r f ä l l i g , ein unangenehmer Z u s t a n d . Trägheit und eine Lähmung des Ve r s t a n d e s . N i c h t s außer e i n Vi b r i e ren i n d e r Luft, die Schwingungen a n d e r e r Lebewesen, die w e l l e n a r t i g a u f branden und s i c h w i e d e r zurückziehen. Ich sende zurück. Eine dicke f e t t e Wand der Abwehr. Z u h a u s e a n k o m m e n , das i s t alles w a s ich will. Ich h a b e keine L u s t a u f euch. Auf i r g e n d j e m a n d e n . E s riecht nach C r e m e und heißem A s p h a l t u n d meine U n t e r h o s e s c h e u e r t nervend im Schritt. Ein weißer Ball rollt auf den We g und bleibt vor meinen Füßen stehen. Ich bin versucht daran v o r b e i zu l a u f e n , a b e r Eines Morgens Perlentauchen Anna Lazarescu, Bild: Margot Chicy das dazugehörige K i n d versperrt mir den Weg. Fragende Augen, k l a r u n d unverblümt. Glatter K o p f , kurze Hose, reine H a u t . Wie Porzellan, s o als habe sie ke i n e Poren und keine H ä r c h e n . D i e Bewegungen d e s Kindes s e h e n e i n wenig s t a r r a u s . Ic h k a n n nicht s a g e n , o b e s ein J u n g e oder e i n M äd c hen i s t , b e i d e Attribute s c h e i n e n auf dem Gesicht vorhanden u n d doch i n e x i s t e n t . D a s K i n d b l i c kt m i c h weiter an und gi b t einen L a u t v o n s i c h . O d e r es ko m m t m i r nur s o vor. E s hört sich an wie ein „ P o c “. D i e S o n n e brennt m i r auf den Nacken u n d schließlich laufe i c h weiter, ohne e i n Wort z u sagen. Ic h bin i m m e r h i n zu nichts verpflichtet. Das Kind bleibt einfach stehen. 16 17 Der S c h l ü s s e l fällt zwischen meinen f e u c h t e n Händen hindurch, mein S c h l i p s erstickt mich. G e r e i z t reiße ich Kraw a t t e und Tü r auf, werfe meine S c h u h e in e i n e Ecke, h a s t e z u m K ü h l s c h r a n k . Tzs c hh. In großen gierigen Schlucken trinke ich Bier aus der D o s e . Prickelnde Wohltat. Meine Au g ä p f e l fühlen sich geschwollen a n u n d ich drücke d a s k ü h l e Metall dagegen bis ich spüre, d a s s sie sic h in ihre H ö h l e n z u r ü c k z i e h e n . Es Anna Isabella Lazarescu studiert im letzten Semester im Master Kulturjourna lismus an der UdK. Sie erschafft und liebt Kunst aller Art und hat einen unstillbaren Hunger nach Kultur und Schönheit in all ihren Formen. Ständig verliebt in das Leben und angezogen vom Licht, schlägt sie ihre Wurzeln tief in die pulsierenden Adern Bukarests und Berlins. Sie interessiert sie sich besonders für die asiatische Kultur, das Kino und die Literatur. Schreiben ist ihr Lebensinhalt. ist e i n ganz n o r m a l e r S o m m e r t a g. Wi e jeden Sommer b i n i c h allein – meine Liebschaften v e r f l i e g e n zeitgleich mit s e i n e r A n k u n f t . Sie w e r d e n i m m e r s e l t e n e r, ich i m m e r e i n s i e d l e r i s c h e r . S o als würde mein Körper die Lust am B a l z e n verlieren, p ra l l t j e d e r Flirt und j e d e r Versuch d e r Kommu nikation an mir ab. Die Hitze w i r k t s i c h a u c h negativ a u f meine Libido aus. Und nicht nur d a r a u f. I c h falle i n e i n e A r t emotionale Starre, e i n e n Unmut einer Zweisamkeit gegenüber, die fast s c h o n a n Ekel g r e n z t . I c h h a s s e S o m m e r l i e b e n . Zu k l e b r i g, zu intensiv. I c h k a m damit noch nie z u r e c h t . M e i n e Zunge wird jeden Sommer s c h we r. Mein Kopf leer. Da ist nichts, w a s i c h d a g e g e n s a g e n oder t u n k ö n n t e . Während a l l e meine B e ka n n t e n ihre Partner mit an d e n S t r a n d brachten, ins Eiscafé, a n s M e e r , war ich immer alleine u n d a u c h zufrieden so. E s i s t n i c h t so a l s w ä r e ich g e r n e e i n s a m , Gesellschaft schadet n i c h t , d o c h kann ich auch nicht behaupten, dass eine meine Beziehungen jemals den E i n b r u c h des S o m m e r s ü b e r l e b t hätte. Es endet einfac h, s o als würden jegliche Energien und Gefühle aus uns heraus f l i e ß e n . U n d dann sind sie e i n f a c h w e g . J e d e E i n z e l n e von i h n e n . Ohne ein K o m m e n t a r . E i n Schulterzucken r e i c h t mir meist um d a r ü b e r h i n we g z u k o m m e n . I c h habe noch n i e versucht j e m a l s eine meiner Verflossenen z u k o n t a k t i e r e n . E s w a r einfach normal, d a s s sie ve rs c hwa n d en sobald d i e H i t z e kam. Die Beziehung hatte schon davor begonnen, wie f l ü s s i g e s Wachs z u ve rd a m pfen . Ich schmeiße m i c h a u f die Couch u n d t r i n k e mein B i e r leer. Meine dritte Freundin sagte immer zu mir, dass ich abhängig von R o u t i n e sei. Wenn ic h s i e nicht e i n h i e l t e , würde ich stinkig werden. V i e l l e i c h t h a t s i e recht. Aber für m i c h s i n d e s e h e r R i t u a l e , ohne die ic h m i c h nicht v o l l s t ä n d i g f ü h l e . Im ommer lasse ich unter der D u s c h e kaltes W a s s e r über meinen S Körper g l e i t e n , wasche d e n S c h m i e r des Ta g e s ab. E s prasselt m o n o t o n u n d beruhigend. Kein Vibrieren u n d Aufwogen, keine a b g e f e u e r t e n Aussagen a u f d i e man r e a g i e r e n m u s s . Alles w i e i m m e r . U n d doch…normalerweise b i n i c h n i c h t mehr g e r e i z t sobald i c h mein B i e r habe u n d unter der Dusche stehe. Klamm u n d e ke l e r r e g e n d h ä l t e t w a s an m i r fest. E s mac ht m i c h schwindelig. I c h denke a n g e s t re n g t darüber n a c h , w a s e s s e i n k ö n n t e und ob ich noch etwas zu erledigen habe. Poc, t ö n t e s i n meinem Kopf. Ein G e r ä u s c h , als würde jemand seine Fingerknöchel knacken lassen. Die letzte Frau, d i e m i t mir z u s a m m e n war, hatte zu mir g e s a g t , dass ich e i n f a c h viel zu v i e l i n d i e D i n g e r e i n i nterpretierte. M i r ausmalte u n d v o r s t e l l t e , w a s e s gar nicht gab. Deswegen wäre ich a u c h nicht in d e r L a g e eine Beziehung zu f ü h re n , w e i l ich nie gab, s o n d e r n immer nur n a h m und darauf Hirngespinste aufbaute, wie m e i n e Sommerp hobie. E s ist a b e r keine P h o b i e , sonder einfach meine Art. Als i c h aus der Dusche s t e i g e , muss ich ihr b e d i n g t recht g e b en . V i e l l e i c h t bildete i c h mir w i r k l i c h was e i n . Denn e i n e g ro ß e S c h i l d k r ö t e s t a r r t m i c h a u s trägen Augen aus dem Waschbecken a n . Ich blinzle. I m m e r noch da. D i e Sc hildkröte bewegt ihre H i n t e r b e i n e langsam hin und her. I c h nähere m i c h und sehe, dass sie Ei e r l e g t . Glibschige, r u n d e , weiße kleine E i e r, d i e alle mit e i n e m sanften „Pic“ i n den Abfluss f a l l e n . Eins nach dem a n d e r e n in e i n e r fast hypnotischen Abfolge. Die Schildkröte sieht mich unberührt an, macht w e i t e r . Mir fällt auf, dass sie z i e m l i c h weiß ist, a u s g e w a s c h e n irgendwie, als hätte j em a n d ihr d i e Farbe weggenommen. Pic.P i c . Pic. Ich s e t z e mich n a c k t auf d i e Fensterbank u n d sehe ihr dabei zu, w i e sie E i e r legt. Ei n e eigentümliche Ruhe befällt m i c h . I c h folge den Eiern m i t Blicken den Abfluss herunter. Pic. P i c . Sie w e r d e n n i e schlüpfen, denke i c h . Die Schildkröte g r ä b t und g r ä b t mit ihren Füßen in dem Porzellanbecken, o h n e Erfolg auf e i n e g rö ß e r e Ö ff nu n g. Ich streife mir einen dünnen Bademantel ü b e r, g e h e langsam r a u s , zum Kühlschrank. I c h n e h m e mir ein Bier und laufe d a m i t wieder z u r ü c k . I c h lasse die Dose absichtlich laut zischen und w a r t e auf e i n e R e a k t i o n der S c h i l d k r ö t e . S i e s i t z t u n b e w e g t da und blickt m i c h an, während s i e legt. Pic P i c P i c . Mir wird langweilig. Ich g e h e ins Wohnzimmer, soll sie doch. Poc. Ich drehe m i c h u m und hinter mir steht das Kind vo n der Straße. Es sieht mich an. Ich s te l l e mein Bier auf den Tisch u n d 18 19 setzte m i c h a u f das Sofa. Ich k a n n nicht beschreiben, o b d a s Kind tatsächlich vo r mir steht oder doch eher h i n te r m i r. Es s c h e i n t überall gleichzeitig z u s e i n . I c h fühle mic h unangenehm beobachtet, beschließe m i r nichts anmerken zu lassen. Soll e s doch. Mir egal. P i c . P o c . P i c . P o c . P i c . P o c . Erst d a s s a n f t - f e u c h t e Geräusch der fallenden Eier und d a n n das t ro c ken -helle v o n knackenden Knoc hen. Das K i n d h a t keine A u g e n b r a u e n , bemerke i c h , a l s es p l ö t z l i c h v o r m i r steht mit der Schildkröte u n t e r d e m A r m . „Danke“, sagt es. U n d dann läuft es a u s dem Apartment, schließt die Tür h i n t e r s i c h und is t verschwunden. Ich k a n n m i c h nicht b e w e g e n . E i n e Weile sitze i c h einfac h da und tue g a r nichts. E s dunkelt. Ich bin z u faul a u f z u s t e h e n und wüsste a u c h nicht was ich machen s o l l t e , we n n i c h es dann g e t a n h ä t t e . Konzentrieren kann ich mich auf n i c h t s u n d was zu t u n , habe ich a u c h n i c h t . Letztendlich strecke ich ein Bein aus u n d drücke mit m e i n e m Zeh den K n o pf d e r Stereoanlage. The F i r e m a n mit „Bison“ laufen an. Ich g e h e i n s B a d , schaue i n d e n A u s g u s s d e s B e c k e n s . E r ist voller Eier. Sie s i n d i n der D u n k e l h e i t g u t zu e r kennen. E i n S c h i m m e r liegt d a r ü b e r und fa s t s i e h t es so a u s , als würden sie von Innen leuchten. M e i n Mund ist trocken. Ich t r i n ke Wasser aus dem Hahn. Dann fische i c h e i n E i aus d e m R o h r. Es f ü h l t sic h merkwürdig weich u n d warm a n . Tr o p i s c h , oder so w i e sich tropisch a n f ü h l e n m u s s . Der S c h ut z f i l m d a r a u f bleibt auf der Haut k l e b e n u n d zieht f a s t s o fo r t ein. Ich ro l l e das Ei auf meiner Handfläche hin u n d h e r . Poc. Zerdrückt l i e g t e s zwischen meinen Fingern. M e i n Herz rast von dem Gefühl d e r d u r c h b r e c h e n d e n Schale, der we i c h e n M a s s e , die nachgibt u n d sich dann ü b e r m e i n e Hand v e r t e i l t u n d zu B o d e n t r o p f t . I c h fühle m i c h w i e ein Mörder, auch we n n kein S c h i l d k r ö t e n b a b y zwischen d e r Schale u n d d e m D o t t e r z u e r k e n n e n ist. Nur Wasser. Vorsichtig rieche ich daran. Ein salziger Geruch steigt in m e i n e Nase und ohne Nac hzudenken s t re c ke i c h d i e Z u n g e n s p i t z e in das Nass. M e i n e vorletzte Freundin hat immer gesag t, i c h s e i vi e l z u lethargisch. Ich würde n i e wa s u n t e r n e h m en , hätte keine I n i t i a t i ve. I c h würde v o r m i c h h i n l e b e n , bis i c h an m e i n e r eigenen 20 21 L a n g e w e i l e i n e i n en Z u s t a n d d e r A p a t h i e v e rf i e l und alle damit w e g e k e l t e . Vielleicht h a t t e s i e r e c h t . T h e F i r e m a n t ö n t i m m e r noch d u r c h die Wo h n u n g , als i c h einen Kübel m i t Eis fülle. Ich baue das Wa s c h b e c ke n r o h r a b und l a s s e die Eier a u f das Eis f a l l e n . D a n n g re i fe ich rein und vermische alles gut. Einige der E i e r z e r p l a t z e n und ich s e h e zu w i e sich die Flüssigkeit daraus auf d e n W ü r f e l n verteilt, s i e dadurch k l a re r werden lässt. I c h h o l e m i r noch ein Bier und l e g e m i c h damit i n s Bett. D e r Kübel steht neben mir auf dem Boden. Zwischen d e m E i s s i n d die w e i ß e n Eier gut z u erkennen. S i e sehen a u s wie große Perlen. Mondlicht s i c k e r t durch die Vorhänge, die sich s a n f t in d e r warmen Zugluft w i e g e n . Ic h t r i n ke m e i n Bier l a n g s a m a u s, bis d e r Zeiger meines Weckers Mitternacht ü b e r s c h r i t t e n hat. P i c . Pic, Pic. I s t er d u r c h d i e Dunkelheit zu h ö ren . Jetzt bin ich 35. Seit e i n e r M i n u t e 3 5 . E s f ü h l t s i c h a l l e s a n wie vorher. Eine meiner Freundinnen meinte mal, i c h würde g a n z alleine bleiben. Ve r b i t t e r t und v o l l ko m m e n von der Welt vergessen. Ich h a t t e gerade meinen 2 8 t e n Geburtstag u n d sie hatte sich sehr viel Mühe gemacht, eine Feier f ü r mich zu organisieren. Damals hielten m e i n e Beziehungen noch ein S t ü c k i n den Sommer hinein und zeichneten sich d u r c h d i e besondere Hartnäckigkeit m e i n e r Partner a u s . Als heimkam, ich arbeite als Verkäufer i n e i n e m G e b ra u c h t wa g en h a n d e l , war es s c h o n ziemlich spät, da e i n Kunde s i c h mit der Abholungseines Wagens v e r s p ä t e t hatte u n d dann a u c h noch einige Hunderte zu wenig Geld dabei hatte, w e s w e g e n er n o c h m a l zur Bank l i e f. Ic h war g e r e i z t u n d hatte ihr s c h o n Wochen vorher gesagt, dass i c h nichts unternehmen w o l l t e . A l s ich i n s Haus k a m , s t a n d e n dort v i e r L e u t e a u s u n s e re m g emeinsamen Bekanntenkreis, d re i d a v o n m i t Partnern u n d ließen Konfetti a u f meinem Kopf n i e d e r reg n en und Wu n d e r t ü t e n p l a t z e n . D e n ganzen Abend ließ ich f a s t schwei- g e n d über mich e r g e h e n . Als wir im B e t t lagen, f i n g m e i n e F r e u n d i n a n über meine U n d a n k - b a r ke i t herzuziehen. D a s s ich a l l e unhöflich behandelt hätte u n d keinerlei Spaß a n d e r Sache gehabt h ä t t e . Sie hätte umsonst Ku c h e n gebacken, ich h ä t t e eine Gabel genommen und i h n d a n n stehen lassen. Da ic h n i c h t a n t w o r t e t e , verließ sie schweigend d a s H a u s . Ich s a h s i e n i e w i e d e r. V i e l l e i c h t hatte s i e r e c h t und ich würde wirklich alleine bleiben b i s an mein Lebensende. Aber b i s jetzt fiel mir das gar nicht s c h w e r. Das K i n d lieg t ü b e r mir, als ich d i e A u g e n wieder aufm a c h e . Es i s t noch dunkel im Zimmer. E s sitzt a u f meiner Brust und blickt mich stumm an, eine Hand sanft auf meine Schult e r g e l e g t . Poc. E s beugt s i c h über mich und kommt n a h an mein G e s i c h t . Studiert mich. I c h l a s s e es gewähren. Seine B e r ü h r u n g fühlt sich s e l t s a m k ü h l und b e r u h i g e n d a n . Poc, Poc. Poc. Es f ä h r t mit den F i n g e r n über m e i n e Lippen u n d öffnet mir m i t ein w e n i g mehr Druck a l s e r w a r t e t den Mund, z i e h t meine Zunge h e r a u s. Seine Hand schmeckt salzig. Es d r ü c k t die Zunge zwischen den F i n g e r n zusammen, s p ü r t d e n Widerstand und lässt e t w a s locker. „Sprache.“, s a g t es nur u n d schüttelt l a n g s a m den Kopf. Poc. Poc. P o c , m a c h t e s , a l s das K i n d meine Z u n g e zwischen den Finge r windet, als hätte es n o c h nie eine g e s e h en . Keine Spur von S c h w ü l e m e h r im Z i m m e r. D i e L u f t ist sauber und k l a r. Der Mond steht h o c h am H i m m e l . Keine Falten und kein einziges H a a r sind a u f d em G e s i c h t des K i n d e s z u sehen. B l a u g r ü n e , w i m p e r n l o s e Augen mustern mich. Ich frage mich, wie es in mein Bett gekommen ist, denn der Dielenboden quietscht b e i jedem Schritt laut, s o d a s s i c h es gehört hätte, noch bevor es d a s Zimmer betreten hätte. Po c . Das Kind greift neben s i c h . Pic. Es lässt ein Schildkrötenei i n meinen n o c h geöffneten Mund f a l l e n . E s l ä c h e l t und schließt m i r d e n Mund. „Aufnahme“, sagt es und schnappt i n d e r L u f t nac h unsic htbaren Pa r t i ke l n , w i e ein Fisch und kichert dann - e i n seltsames L a c h e n , wi e d u r c h Wasserschichten verzerrt. Es streichelt meine Stirn, mich durchfährt e i n e angenehme K ü h l e . Poc. Poc. P o c . I c h schlucke, o h n e es z u m e r k e n , d a s E i h e r u n t e r . An einem S t ü c k . D a s 22 23 Kind sieht zufrieden aus. D a n n ö f f n e ich wieder den M u n d , diesmal von alleine. Meine erste Freundin, war unglaublich geduldig. M i t m i r, mit a l l em . Ic h war 22. Sie war 2 1 . Mit ihr konnte i c h reden. Über d i e Welt, über Mitmenschen, über Tiere, Essen, über Autos und ü b e r Fernsehsendungen, die wir b e i d e moc hten. Sie hörte sich immer alles a n , lächelte s a n f t u n d wies m i c h auf andere interessante Aspekte, d i e ich nic ht b e d a c h t hatte, hin. Irgendwie v e r s t a n d e n wir u n s . S i e liebte Fruchtsorbet und war i m m e r w i l d d a r a u f s c h o n w e l c h e s z u m Fr ü h s t ü c k zu essen. Gemeinsam fuhren w i r in d e n Urlaub. Der E i n z i g e, d e n i c h seitdem mit e i n e r Fra u g e m a c h t habe. Wi r hatten wenig G e l d und eine kleine Pension i n der Nähe d e s Meeres gefunden, d i e ein enges aber gemütliches Zimmer fü r uns hatte, das direkt ü b e r einem k l e i n e n Hobbyraum lag, der e i n en K i c k e r, eine Tischtennisplatte u n d eine D a r t s c h e i b e hatte. Wir s p a z i e r t e n abends l a n g e a m Strand, bohrten die F ü ß e t i e f i n den Sand u n d b e o b a c h t e t e n w i e die M öw e n ü b e r dem Wasser i m m e r weniger wu rd en , j e d u n k l e r es w u r d e . Sie liebte es mit i h r e n Sohlen z u fühlen, wie die H i t z e d e s Ta ges a u s dem S a n d w i c h . S i e v e r l o r sich i n d e r W e i t e d e s Meeres, ihre Gedanken wa n d e r ten an Orte, d i e ich nicht erreichen konnte. Ich war mir nicht mal s i c h e r , ob ich sie verstanden hätte. Ic h sah ihr zu und unterbrach sie n i c h t , während sie in diese Pausen versank u n d weit weg von mir zu r ü c k e n schien. Sie hatte Som mersprossen auf dem Rücken u n d roch nach Sonnenblumenkernen. W e n n wir i n der Pension ankamen, w u s c h ich ihr die Füße vorsichtig um sie nicht mit dem S a n d zwischen i h r e n f e i n e n Zehen z u k ra t z en . Sie s a ß a u f dem R a n d der To i l e t t e , während ich v o r ihr im Schneidersitz m i t einem w a r m e n Wa s c h l a p p e n über ihre Fü ß e f u h r , bis alle K örner w e g waren. Sie schwieg, lächelte und genoss aus vollen Zügen. Wie u m s i e a u s der T r a n c e zu holen, begann ich a m Schluss ihr B e i n entlang z u kü s s e n , b i s w i r gemeinsam im B e t t l a n d e t e n u n d miteinander schliefen, während unter u n s leise und monoton d a s P i c -Poc P i c - P o c eines Ping Pong Balles z u hören war. Ab und zu w u r d e e s von zueinander geworfenen Worten unterbrochen. Pic-Poc. Wo r t P i c , Wort-Poc. Wir l i e b t e n u n s jeden A b e n d auf d i e s e Weise. Einen M o n a t später, w a r sie weg. Es w a r noch f r ü h , ich w a r zum S u p e r m a r k t an die E c k e gegangen, um d o r t frisches F r u c h t s o r b e t zu h o l e n u n d s i e am B e t t d a m i t z u überraschen. D e r H i m m e l war s t r a h l e n d b l a u . Es würde ein h e i ß e r Ta g w e r d e n . Als i c h zu H a u s e a n k a m , s t a n d die Wohnungstür offen. Ich wunderte mich, aber dachte, dass ich sie v i e l l e i c h t beim G e h e n nicht richtig z u g e m a c h t h a t te. Ihre B e t t s e i t e war noch warm, die La ke n zerwühlt. Ich g i n g ins Bad, s i c h e r, d a s s sie s c h o n aufgestanden und duschen war. N i c h t s . I c h wartete den ganzen Tag, sie k a m n i c h t zurück. Ich hatte nie eine Num mer von ihr g e h a b t , oder eine A d r e s s e . Irgendwie h a t t e n wir zueinander gefunden u n d miteinander gelebt - s c h o n n a c h z w e i Tagen war s i e zu m i r gezogen. I c h h a t t e ihren Namen, aber i m Telefonbuch w a r er nicht ve r z e i c h n e t . I c h w u s s t e , dass s i e Studentin g e w e s e n war, die U n i v e r s i t ä t a b e r w i e d e r abgebrochen hatte. I c h wusste, d a s s si e i n e i n e m Geschäft für Duftöle u n d Cremes arbeitete. Aber n i c h t w e l c h e s . I n der ersten Wo c h e suchte i c h alle L ä d e n dieser Art ab, aber n i r g e n d s kannte man sie. Vielleicht war es auch nicht ihr richtiger Name g e w e s e n . „Wie ein S p i e l , hin u n d her…“, sagt das Kind und schiebt m i r ein neues S c h i l d k r ö t e n e i z w i s c h e n die L i p p e n . E s streicht m i r die H a a r e aus dem Gesicht und s i e h t z u , wie ich erneut s c h l u c ke . Plötzlich bricht eine We l l e der Schwermut ü b e r mir zusammen. Das Kind tätschelt m e i n e Wange und gibt mir noch ein E i . „Lass raus. Wie ein S p i e l . H i n und h e r. Sprache geht h i n u n d h e r . Wort geht hin und h e r. Gefühl geht h i n und her. Vo n Herz zu H e r z “, sagt e s. Einige T r ä n e n laufen m e i n e Wange h i n a b . F r e m d k ö r p e r , d i e Fu r c h e n auf meiner H a u t zurücklassen. P i c . P o c . I c h f ü h l e wie sich m e i n e Kehle zuschnürt, meine Br u st heiß w i r d und ein riesiger K l u m p e n in m i r entsteht. Das Kind streicht m i r zuversichtlich d e n Kopf und gi b t m i r ein Ei nach d e m a n d e r e n z u e s s e n . Die Eier fliessen k ü h l e n d meinen Hals h i n a b, bis sich d e r 24 25 Klumpen w i e d e r auflöst. „Fallen lassen.“, s a g t das Kind u n d s t r e i c h t mir ü b e r die Augenlider. Kleine, zarte Finger. Noch e i n Ei. P i c . Po c . P i c . Po c . „Sich e i n l a s s e n a u fe i n a n d e r. W i e ein Spiel.“ Ich s c h l u c k e ein l e t z t e s Mal. E i n letztes E i . P i c . Die kühlende H a n d des K i n d e s l i e g t über meinen Augen, wie Seide. D a s Brennen h ö r t auf. P o c . I c h atme t i e f e i n , alles aus. Lasse los. Als ich a m nächsten Tag aufwache, s c h e i n t d i e S o n n e s c h w a c h . Das E n d e d e s Sommers naht. The s e r i e s Streifzüge (started in 2 0 1 0 ) c o n s i s t s i n v a r i o u s p i c t u r e s m a d e f ro m p hys i c a l i n t e r v e n t i o n s p erformed onto chosen locations. These are ranging f ro m t h e m o s t s u b t l e , u n n o t i c e a b l e c h a n g e s , to c l e a r reconfigurations o f t h e p l a c e . T h e p i c t u r e itself i s t h e r e s u l t o f a m i x t u r e o f t h e c h o s e n place, w i t h a l l i t s c h a ra c te r i s t i c s, the c h a n g e s p e r fo r m e d t o i t a n d t h e Streifzüge Monica Nunes a c t u a l f ra m i n g. Monica Nunes ist im Hin und Her der Entstehung diese Heftes leider verschollen gegangen. Auf das ihr das nicht während ihrer Streifzüge passiert. 26 27 Let it Be Dennis Gärtner Glenn Cowan, ein 18 Jahre junger Hippie, reis te 1971 als Teil der a me r i kan is c hen Tischtennis-Nationalmannschaft zur We l t m e i s t e rs c h a f t nach J a p a n . Als er morgens etwas verpeilt von s e i n e r Unterkunft in den Mannschaftsbus steigen wollte um z u m Turnier zu gelangen, fand e r sich auf einmal im B u s der chines ischen Nationalmannschaft wieder. Der Fa h re r s c h l i e ßt die Tür, fährt zügig los und Glenn Cowan schaut in die verunsicherten Gesichter d e r c h i n e s i s c h e n S pi e l e r. Das Verhältnis z wi s c h en den USA und China ist in diesen Jahren außerordentlich s c h l e c h t und dazu kam die A n o rd n u n g von O b e n , dass d i e c hinesis c hen Sportler weder mit Amerikanern sprechen sollen, ihnen die Hand schütteln oder sich mit i h n e n fotografieren lassen dürfen. Doc h Zhuang Ze d o n g, d re i fa c h e r We l t m e i s t e r und eine Art Manns c haftssprec her, geht auf Glenn C owa n zu und sag t: „O bwo h l die a m e r i ka n i s c h e Re gi e r u n g nicht freundlic h g eg enü b e r China wa r, sind die Mens c hen in Am e r i ka immer die Freunde der Chinesen gewesen. Um diese Freundschaft auszudrücken, m ö c h te ich dir dieses Geschenk machen.“ Er überreicht d e m Amerikaner ein Bi l d auf Seide, das er in seiner Tasche gefunden hatte. E s kam ihm passender vor, a l s seine M a o - M ü t z e. Glenn Cowan nimmt dankend an und überreicht ihm im G eg en z u g i n der H a l l e, vo r a l l den Fotografen, ein S h i r t m i t der Aufs c hrift „ Le t I t Be“ und einem Friedenszeichen. Und dann nahm die Sac he an Fahrt a u f : die Fotografen d r ü c k t e n ab, das Foto erschien in den M e d i e n , Mao sah es und nahm es zum Anlass die Amerikaner z u einem Freunds c haftsspiel einzul aden. Weitere Reisen amerikanischer Po l i t i ke r folgten und schließlich kommt a u c h 1972 N i xo n zu B e s u c h , die sog. Ping-Pong-Diplomatie nimmt ihren lauf, ausgelöst durch eine freundliche, menschliche Geste. Dennis Gärtner lässt es nicht sein, sondern geschehen. 28 29 Cool Glases (2012) Tully Arnot A pair of glasses carved from a single cucumber. Each day of the exhibiton the work was remade. 30 31 Tully Arnot (b. 1984, Australia) studied Visual Arts in Klasse Gregor Schneider. His work explores the relationships we have with objects, using subtle alchemical shifts of material and form to rethink everyday experiences. Eigentlich ist es e i n Leic htes, d a s Motto d i e s e r eigenart- Ausgabe a u f d i e Musik zu ü b e r t r a g e n : Da s We c h s e l s p i e l v o n einzelnen Instrumenten oder Stimmen, die sich im Orchester oder i m kammermusikalischen Kontext die M e l o d i e n hin und her spielen, das Wechselspiel vo n laut und leise, schnell und langsam, Moll und Dur – all d a s l i e ß e sich unter dem Leitbild ‚Ping Pong’ betrachten. H ä t t e d e r Dirigent eine PingPong-Kelle a n s te l l e eines Zauberstabes in der H a n d , es stände ihm sicher nicht schlecht z u Gesicht. Oder z.B. der Wettstreit der beiden S o l o i n s t r u m e n t e im Doppelkonzert: ein echter ‚Ping Pong’-Fight! Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass das Wo r t Konzert vom lateinischen concertare abstammt, was wetteifern o d e r kämpfen – entweder g e g e n e i n a n d e r oder auch miteinander – bedeutet. Ein Einschub. Passend z u m Thema lateinische Wortherk u n f t : Wussten Sie, verehrte Leserinnen und Leser, d a s s das Wort Kommilitone von commilitio = Kriegskamerad kommt? Das Über Ping Pong in der Musik? – Ein ehemaliger UdK-Student spielte im UdK-Konzertsaal. Jan Baalmann Wort wurde im Lateinischen nahezu ausschließlich im militärischen Kontext g e b ra u c h t . Einmal, 1997, als die Kom militoninnen u n d K o m m i l i t o n e n mal w i e d e r auf dem Kriegspfad w a re n und im Zuge d e r größten bundesweiten P r o t e s t b e w e g u n g s e i t 1968 e i n E n d e d e r Unterversorgung d e r U n i v e r s i t ä t e n forderten, mischte e i n P h y s i k - S t u d e n t mit seinen P rot e s t l i e d e r n ordentlic h m i t . So k o m p o n i e r t e dieser Student z. B. den Streik- song, über den er später s a g e n wird: „der Ti te l i s t n i c h t wirklich originell, aber man weiß wenigstens gleich, w o r u m e s g e h t “, und spielte ihn unter a n d e re m a u f einer Kundgebung am Wi t t e n b e r g p l a t z , d e r s o „rappelvoll war mit Studenten, das s man den A s p h a l t nicht mehr sehen konnte. D a s war w i e Woodstock!“ Diese künstlerische Erfahrung schien ihm so gut gefallen zu h a b e n , dass er einige Zeit s p ä t e r von Phy- z u Musik wec hselte und ein Lehramtsstudium an der H d K begann. Auch hier engagierte er s i c h mit seinen Liedern hochschulpolitisch. Im Zuge d e r Namensänderung von HdK z u U d K s c h r i e b er ein L i e d , in dem es im ersten Re f r a i n z . B. heißt: 32 33 „Sie war als Uni wohl z u unbekannt. Drum h a t man uns’re Uni umbenannt in – traurig, a b e r wahr! – UdK.“ U n d an anderer Stelle: „ Au ß e r d e m k o m m t n o c h dazu, d i e s e r Wechsel a u f U ist voll t e u e r ! Auf j e d e s HdK-Formular muß n u ’ ein U a n s t a t t H - w i e bescheuert! Bitte, lieber H d K - D e k a n , w i r w o l l e n u n s e r H wiederham’! (Denn) w a s wär’ d i e H d K ohne H ? “ Es f o l g e n ein r a s a n t e r Karriereaufstieg, CD-Ve r ö ff e n t l i c h u n g e n u n d u n d u n d … M e i n e sehr verehrten Leserinnen Jan David Baalmann ist MA1-(StR)-Student mit Hauptfach Klavier im 1. Semester. u n d Leser, ich bemerke gerade, dass ich ein wenig v o m Thema abgekommen b i n . E s s o l l hier ja e ig en t l i c h um ‚Ping Pong’ in der Musik g e h e n . Also: Dieser Artikel h a t keine S t u d e n t e n p ro t e s t e, sondern zwei Konzerte, die a m 8. und 9. Dezember des ve rga n g en en Jahres im Konzertsaal der UdK in der Fa s a n en s t ra ß e 1 stattfanden, zum An l a s s. Auf d e r B ü h n e standen d a s C a p i t a l D a n c e O r c h e s t r a u n t e r der L e i t u n g des Geigers David C a n i si u s und – einige mögen es s c h o n erraten h a b e n – d e r ehemalige U d K S t u d e n t : B o d o Wartke. D i e meisten, die ihn kennen, ke n n e n i h n vermutlich alleine a u f der B ü h n e sitzend, entweder ein Flügel oder Klavier neben sich s t e h e n d oder den Stofflöwen Carl a l i a s d i e S p h i n x a u f d e r H a n d haltend. Das We c h s e l s p i e l mit der S t o ff p u p p e und vor allem mit dem K l a v i e r beherrscht B o d o Wartke meisterlich. M a l singt er a l l e i n e , m a l e r klingt nur das Klavier, meist a b e r singt und s p i e l t er gleichzeitig und dabei kommt beste Unterhaltung heraus. Im Dezember g a b es nun also, groß angekündigt, e i n e n neuen konzertübergreifenden Spielpartner, das C a p i t a l Dance Orchestra. E s wurde ein Wechsel- und Z u s a m m e n s p i e l der besonderen und bemerkenswerten Art, s a h man doch den s o n s t durch den Flügel in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkten Solokünstler plötzlich tanzen und springen, als hätte er nie etwas a n d e r e s getan. Ich habe Herrn Wartke gefragt, was denn d i e Vor- und Nachteile vom Musizieren in s o großer Runde seien und ich lasse es mir nicht n e h m e n seine vollständige Antwort hier a bd ru c ken zu lassen: „Mit Orchester kann ich all d a s machen, w a s ich immer schon mal m a c h e n w o l l t e , zum Beispiel Tanzen! Das geht natürlich nicht oder nur sehr ein ges c hränkt, wenn i c h am F l ü g e l sitze. U n d ich k a n n die Geschichte, die ich einem Lied e r z ä h l e, ganz anders präsentieren. Im Duett mit Melanie Haupt, zum Beispiel, haben wi r bei „Frühlingsg efühle“ szenisch und s c h a u s p i e l e r i s c h ganz andere Möglichkeiten, wenn wir nicht am Klavier sitzen, sondern frei und frontal z u m Publikum s p i e l e n . U n d apropos P u b l i k u m , auch meine P r ä s e n z v e r ä n d e r t sich. Ic h genieße d a s, wenn die ganze Bühne zur Spielfläche w i r d und d e r Kontakt zu d e n M e n s c h e n im S a a l , aber a u c h z u m Orchester hinter mir, intensive und bisher ungekannte Qualitäten entwickelt. Mit Orchester k a n n ich bestimmte Lieder in d e r Stilistik präsentieren, in der si e e i g e n t l i c h gedacht w a r e n . „Architektur in Deutschland “ i s t so ein Lied. D a s O r c h e s t e r wird zur Po l i z e i ka p e l l e und das Lied erhält die Klangfarbe, gerade durch die Blechbläser, d i e ich mit einem Flügel so nicht h e r vo r r u fen kann. Und dieses Schwelgen in unterschiedlichen Klangfarben von S o n g zu Song ist durch die Vi e l f a l t der Instrumente möglich und das ist was Besonderes. N a t ü r l i c h ist die Beschränkung - d i e j a nu r eine scheinbare ist - auf d e n Flügel und in der Solo-P rä s e n ta t i o n auch spannend. Das Lied „ B e t t i n a “ zeichnet sich dadurch aus, dass ich a l l e drei Ins t ru mente selbst spiele und meine Ta n z e i n l a g e n g a n z 34 35 reduziert und n a h a m F l ü g e l stattfinden. Umgekehrt ka n n ich mit Orchesterbegleitung e b e n t a n z e n und d a l i e g t zugleic h ein N a c h t e i l . „Befreit“ v o m Flügel si n g e ich n u n m e i n e n Text tanzend vorm Mikro fon und stelle f e s t , dass mir doch g e l e g e n t l i c h eine Textzeile nicht sofort einfällt. Das l i e g t a m Körpergedächtnis. I c h lerne Text ja nicht nur mit dem Kopf! Die Zeilen und Verse sind auc h ganz klar an Bewegungen und unterschiedliche Körperhaltungen gebunden, die ich so nur am Flügel mache. Ein ganz k l a r e r Nac hteil ist der, dass ganz viele Verabredungen getroffen w e r d e n müssen. Das Lied „ I c h t r a u mich n i c h t “ h a t z u m Beispiel viele Te m p o wechsel und p l ö t z l i c h e Einsätze, die dramaturgisch begründet sind. Spiele i c h dieses L i e d alleine, setzte ich alle Punkte nach Belieben. Mit einem Orchester heißt das aber: lange Proben, aufeinander achten, gleiches Timing erarbeiten und p u n k t g e n a u landen. Wenn das Timing auch ohne Blickkontakt stimmt, s o geschehen a m Sonntag, dann i s t d a s n a t ü r l i c h s e h r beglückend, Teil eines Klangkörpers zu sein, der s o perfekt harmoniert.“ D a s Publikum belohnte diesen perfekten Klangkörper mit s te h en d en O v a t i o n e n und a l s Z u ga b e gab es dann doc h n o c h e i n Stück am K l avi e r. Die zwei Abende waren ein we i te re r Höhepunkt i n dieser steilen Sängerkarriere und zudem eine Rückkehr an den O r t , an dem er 1 9 9 9 m i t dem G e w i n n des Bundesgesangswettbewerbs einen seiner ersten E r f o l g e feiern d u r f te: „Immer wenn ich d e n Saal betrete, h a b e ich schöne Erinnerungen. [ ... ] Ich h a b e m i c h r i c h t i g s c h ö n versungen, a u s g e r e c h n e t i n der Finalrunde, trotzdem oder vielleicht auch deswegen bin i c h auf d e m 1 . Platz gelandet.“ E s war eine Rückkehr zu den Anfängen s e i n e r Laufbahn. Auch einige We g g e f ä h r t e n , die ihn i n s e i n en Karriereabsichten bestärkt u n d gefördert hatten, wie s e i n e n früheren Klavierlehrer und den damaligen Dekan, t r a f er wieder: „Das war jedes Mal ein ‚ g r o ß e s Hallo!’“ 2005 brach Bodo Wa r t ke sein Studium an der UdK a b, weil sich nicht mehr leugnen ließ, dass seine Zukunft nicht i n der Schule, sondern i n d e n Theatern der R e p u b l i k und sogar ü b e r deren Grenzen hinaus liegen wü rd e. Dass er seine ehemalige Universität aber n i c h t vergessen hat z e i g t sich auch in seinem neuen Bühnenprogramm, in d e m er auch noch mal a u f die Namensumbenennung e i n g e h t . S t a t t UdK sollte die Universität, an d e r ja vornehmlic h ‚E-Musik’ (für ernste Musik) u n d weniger ‚ U - M u s i k ’ ( f ü r Unterhaltungsmusik) vermittelt wi rd , b e s s e r EdK h e i ß e n . Fü r alle, denen dieser Humor zusagt, seien seine A u f t r i t t e w ä r m s t e n s empfohlen; diejenigen, die besonders an dem Wechselspiel zwischen dem K l av i e r ka b a re t t i s t e n u n d dem Swingorc hester interessiert sind, haben die Möglichkeit das „beswingte E n s e m b l e “ a m 21., 22., 23., 24. oder 25. Oktober 2013 im Admiralspalast an der Fr i e d r i c h s s t ra ß e z u erleben. Die „Swingende Notwendigkeit“ wird also fortgesetzt, der ehemalige UdK-Student wird w e i t e r für Fu r o r e s o r g e n , d e r Vorverkauf hat bereits gestartet. Foto: N. Martensen/ T. Klapsch 36 37 KEIN MONOTONER POP Sven, Berlin Plastic ball, gouache, cardboard, fans, power adaptor, glue. In my practice I am often looking at ways of changing one material in a crucial way, so that it exists as something else. In changing one raw material or object to become another thing I become aware of the poetic nature - of the elemental process - of materializing an artwork from an everyday material. I may cut circular holes in a yellow towel so that it resembles a towel pretending to be a piece of Swiss cheese. A real piece of popcorn may be mechanized to hop skip and jump. Floating Water Lillies uses this idea similarly to make a cardboard box produce an airflow for levitation. A ping pong ball is floating Floating Water Lillies (2013) Charles Dennigton almost like a secondary artwork, by being displayed in mid air by this box. This work was originally created for an exhibition titled Birdbath hence the decision for the impressionistic water lillies to be depicted on the ball. The ball becomes a floating painting, as an nonchalant take on the expansion of painting, turning and bobbing as though it is a tiny planet earth. https:// vimeo.com/57328235 38 39 I am an Australian Artist currently living and working in Berlin. I explore the ways that abbreviated forms can appear to symbolize a whole being or a whole object. To further extend upon this world of the depiction of parts of things, I like to change existing matter through a transmutative process so that an object exists with a new function, and as a surprise to our perception or the world around us. 2. Satz Scripted Reality Zettelkasten a b s o l u t e Kommunikation Paradoxon Ähnlichkeiten große Irritationen Computersysteme freien Willen 40 41 kompetitiven Raum Territorium des Chaotischen Interpassivität Zuhören Schweigen Papiermaschine Das Ping lebt vom Pong, das Pong vom Ping. Keines der beiden Elemente ist isoliert das, was es in der Sym biose mit dem anderen ist. Dem liegt aber kein additives Prinzip zugrunde, denn PingPong ist mehr als die Summe seiner Teile. Das kleine, partikulare, treibende Etwas liegt versteckt im Prozess und mag sich nicht offenkundig offenbaren. Eingehüllt in ein Mäntelchen des Schweigens und Verbergens entzieht es sich un- Ping Pong Daniela Dicks & Sebastian Häger serer kognitiven Wahrnehmung und wird dadurch zur personifizierten Mystik: Alles, was uns bleibt, ist eine Spur, die uns immer schon voraus ist. So wie Emmanuel Lévinas unser Verhältnis zu dem anderen, dem Fremden beschreibt, lässt sich auch unser Verhältnis zum Symbiose-Prinzip des PingPong beschreiben. Wir bewegen uns innerhalb eines möglicherweise uns bekannten Rahmens; wir kennen möglicherweise die Gesetzmäßigkeiten dieses Gebietes, wir können versuchen, uns darauf einzustellen, Pläne zu schmieden, auf Prozesse in diesem Raum einzuwirken. Wir können versuchen, Ähnlichkeiten zu erkennen oder die Bewegungen innerhalb des Gebietes zu kartographieren. Aber die Spuren des Ping und des Pong entziehen sich unserer Kontrolle. Sie sind das Ergebnis ihrer gegenseitigen Wechselbeziehung, Aktion und Reaktion gepaart mit der Komponente des glücklichen Zufalls. Das Paradoxon ihres Verhältnisses zueinander besteht darin, dass sie kompetitiv und harmonisch zugleich sind und sein müssen: Die Runde wird eröffnet, der Ball wird gespielt, mit dem Ziel, einen Punkt zu erzielen, neue innovative Bahnen zu nehmen. Gleichzeitig muss aber das Harmonische bewahrt bleiben, um die Gesamtkonzeption nicht zu gefährden. Jede Aktion am Ping hat direkten Einfluss auf die von Pong und nicht zuletzt auf das PingPong, sodass sich ständige Kontextverschiebungen vollziehen. Die Arbeiten sind a ls das Resultat von einem PingPong von Bildern zu begreifen. Die Vorderseite macht 42 43 den Aufschlag und betritt mit der Rückseite einen kompetitiven Raum, in dem am Ende keine Sieger, sondern das symbiotis c he Neue hervorgebracht wird – mit Licht als Netz, das die beiden Seiten, Welten, das Ping und Pong zunächst trennt und dann in einer Rekon struktion vereint. Dieser Prozess liegt für den Betrachter im Verborgenen; Die Entität Licht wird zum Gehilfen in der Suche nach Spur und Wa h r n e h m u n g. Jedwede Erwartung, die wir an dieses nicht-statische System stellen, verflüchtigt sich in der Spur ihrer selbst. Das Netz im PingPong bricht mit unserem Habituellen und manövriert uns erneut in ein Territorium des Chaotischen, das von seiner verselbstständigten, uns nicht greifbaren Ordnung zehrt. Die Bilder dekonstruieren und rekombinieren die beiden Seiten einer Magazinseite, sodass etwas neues Unvorhersehbares und Tiefschichtiges entsteht: Das PingPong par exellence, ohne dem Ping oder Pong das kompetitive Element genommen oder das Harmo nische überhöht zu haben. Das Mystische besteht in der Abwesenheit von Anwesendem. Licht verhilft dem vermeintlich zufälligen Cha otischen zur Präsenz. Die Bilder sind in gewisser Weise eine Hommage an das Gesamtkunstwerk als Ergebnis von mehr als Ingre dienz plus Ingredienz – von mehr als bloß Ping+Pong. Daniela Dicks studiert Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation im vierten Master-Semester an der UdK. Schreiben und Berlin in allen Facetten das sind ihre Leidenschaften. Sebastian Häger studiert GWK im 6.Semester an der UDK. Er interessiert sich für Massenmedien und alternativen, visuellen Zugängen und Lesarten dieser. 44 45 46 47 Sebastian Häger studiert GWK im 6.Semester an der UDK. Er interessiert sich für Massenmedien und alternativen, visuellen Zugängen und Lesarten dieser. 48 49 Der h a r t n ä c ki g e M a n n w e i ß , dass e s nur darum g e h t , einen Willenskraft Robert Eckstein f e s t e n Willen z u haben (und ihn d a n n lang g e n u g durchzu halten), um so das zu e r r e i c h e n , was man erreichen will. Da g i b t es nichts weiter, auch ke i n e i rg e n d wi e g e a r t e t e n Geheim nisse. Er kniet s i c h nieder, beugt d e n Oberkörper v o r, bis sein Gesicht e i n e Handbreit von dem Stein entfernt i s t – einem etwas länglichen, abgerundeten grauen Stein – und spricht ganz klar: Da. Er fixiert den Stein mit s e i n em Blick, bohrt seine Au g e n in j e d e k l e i n e U n e b e n h e i t und versucht, ihn g a n z zu erfassen, eine absolute Kommunikation aufzubauen, d a m i t der Stein sic h, von i h m e i n e H a n d b r e i t entfernt, in eine Erweiterung seiner selbst ve r w a n d e l t . Es ist M i t t a g und d i e Brise mildert d i e Kraft der Sonne. M i t Bedacht öffnet e r wieder d i e Lippen: ! Da. Er h a t „Da“ g ewä h l t , weil er immer gehört hat, dass Kinder d a s a l s erstes sagen. Es ist der Ausruf, mit dem sie die Eltern über raschen, die leichteste S i l b e, um mit dem S p r e c h e n zu beginnen. Da. Der S t e i n s c h w e i g t weiter. Der hartnäckige Mann lächelt. Er gibt sich nicht leicht g e s c h l a g e n , w e n n sich Steine ihm quer i n den We g legen o d e r sonstige Widrigkeiten auftauchen. A l s e r sich das Ziel gesetzt hat, dem Stein das S p r e c h e n beizubringen, w a r i h m k l a r , d a s s es keine l e i c h t e Aufgabe sein würde. Er weiß, dass die Menschen über jahrhundertelang die verbalen M ö g l i c h ke i t e n d e s Mineralreiches u n te rs c h ä t z h a b e n und dass es vielleicht das erste Mal seit vielen Jahren i s t , dass ein n ü c h t e r n e r Mens c hen vo n A n g e s i c h t zu Angesicht vor einen S t e i n s i t z t u n d ve r s u c h t , diesen zu S p r e c h e n z u bringen. Ein schwieriges U n t e r n e h m e n k ö n n t e m a n meinen. Da –, drängt der hartnäckige Mann. Der Stein s c h w e i g t . Der Mann wirft f ü r einen M o m e n t d e n Kopf nach h i n t e n , u m i h n aber s o fo r t erneut vorzubeugen b i s das Gesicht zehn Zentimeter vo r d e m Stein ist: Da da da da da da da. Da! Keine Antwort. Der Mann lächelt wieder, streicht über s e i n K i n n , r i c h t e t seinen Oberkörper a u f, s t e h t auf, holt e i n e Schachtel Z i g a r e t t e n aus d e r Tasche , n i m m t sic h eine Z i g a r e t t e aus der Schachtel u n d z ü n d e t s i e an. Wä h r e n d e r so r a u c h t , 50 51 Robert Eckstein, 28, studiert den Master der GWK an der UdK – als schwärmerischer Wahrheitssucher hat er das erklärte Ziel von der Langeweile zur Muße vorzudringen. beobachtet er den S t e i n . Wi e k a n n er den Ko n ta kt herstellen? Wie mit i h m kommunizieren? M i t den Fingern s c h n i p p t er die Zigarette g e g e n e i n e n Baum u n d stürzt sich (wie eine L ö w e auf seine Beute) auf den Stein und s c hreit: DAAA!!! D i e Gleichgültigkeit d e s Gesteins rührt i h n . Er s t r e i c h e l t es mit den Fi n g e r s p i t z e n . Jetzt spricht er m i t verführerischer Stimme: Stein. H a l l o, Stein. Stein? Ste – in. S t e i n. Stein . . . Er streichelt ihn. Mal l a n g s a m, m a l s c h n e l l . Erst streichelt er i h n s a n f t , dann s t ü r m i s c h . Komm, sag : da Der Stein sagt nichts. Der hartnäckige Mann g i b t ihm einen Kuss. Ich weiß, dass du es k a n n s t . Ich weiß n i c h t , ob d u mir zuh ö r e n k a n n s t , aber d u k a n n s t mich z u m i n d e s t verstehen. Verstehst d u m i c h ? Hörst du w a s ich s a g e ? Ich weiß, dass d u e s sagen kannst. I c h w e i ß , dass du „da“ sagen k a n n s t . Ich w e i ß auch, dass d u reden k a n n s t , w e n n auch nur ein bisschen. Ich weiß auch, dass e s für dich schwierig ist, d e n n v i e l l e i c h t hat n o c h nie jemand mit d i r geredet oder dich z u m R e d e n a u f g e f o r d e r t , am A n f a n g , w e n n man nicht daran gewöhnt ist, ist das alles sehr mühselig. Mir ist das schon alles klar. Darum habe ich Verständnis f ü r d i c h : ich verlange nichts von dir, was d u n i c h t m i t ein bisschen Anstrengung h i n b e k o m m e n k ö n n t e s t . I c h sage es j e t z t noch mal u n d du wirst es d a n n g l e i c h m i t mir zusammen wiederholen. Einverstanden? Komm. Es ist n i c h t e i n f a c h , aber auch n i c h t u n m ö g l i c h . K o m m , sag: d a . D a . Da. Er l eg t das Ohr auf d i e Oberfläche d e s Steines, um z u h ö r e n , o b die Anstrengungen desselben s i c h vi e l l e i c h t wenigstens in einem Flüstern bemerkbar machen. Aber n e i n : Schweigen. Absolutes Schweigen. Der h a r t n ä c k i g e M a n n a t m e t tief durch und wendet sich wi e d e r seinem Auftrag z u . Er trägt dem S t e i n neue Argumente v o r, erklärt ihm, warum es für ihn s o anstrengend sein könnte zu sprechen u n d wie e s i h m trotz gelingen kann. Als es Abend wi rd , nimmt e r ihn in die H a n d u n d reibt d i e E r d e ab, d i e u n ten an ihm klebt. E r bringt den Stein nach Hause. Er legt ihn auf d en Tisch i m E s s z i m m e r, achtet darauf, d a s s e r bequem l i e g t . Er l ä s s t i h n d i e ganze Nacht a u s r u h en . Am nächsten Morgen w ü n s c h t e r i h m e i n e n G u t e n Tag, wäscht ihn s o rg fä l t i g u n t e r dem Wasserhahn mit l a uwa r m en Wa s s e r, nic ht zu kalt und nicht z u warm. Danach l eg t er ihn a u f den Balkon. Vo m Balkon a u s überblickt man das g a n z e Tal mit d e r vereinzelten Villen d e r Sommergäste, m a n sieht einen Zipfel des Sees und in der Ferne die Lichter d e r Autobahn. Er legt den Stein a u f den T i s c h u n d s e t z t s i c h auf einen Stuhl. Komm, sag: da. Drei Ta g e später zeig t der h a r t n ä c k i g e M a n n s e i n e n aufkommenden Z o r n : Nun gut. Wenn du nicht willst, dann redest du eben n i c h t . Glaubst du im Ernst, dass ich deine schweigende Verachtung nicht merke? Man b r a u c h t nichts z u sagen, um s e i n e Verachtung z u z e i g e n . Ich sage dir n u r eins: Über mich macht sich niemand lustig. Der hartnäckige Mann nimmt d e n Stein mit s e i n e r rechten Hand, drückt ihn z u s a m m e n (so s e h r, d a s s sein G esi c h t ganz rot wird) und wirft ihn schließlich m i t K r a f t in d i e Luft. A m Himmel zieht d e r S t e i n einen B o g e n : ü b e r d em Ta l , den V i l l e n und Swimming-Pools der Sommererquickenden, ü b e r dem Mann, der den Rasenmäher l a u f e n lässt, ü b e r der Straße mit der B a u s t e l l e , über d e r ziemlich leeren Autobahn, über d e m Gewerbegebiet, über d e m Fu ß b a l l p l a t z , auf dem eine Mannschaft mit grüne Trikots und weißen Hosen a u f eine Manns c haft m i t roten Trikots u n d blauen Hosen ein Spiel austragen, d a s s im Augenblick u n e n t s c h i e d e n s t e h t , über den Häusern der Provinzstadt, bis er letztlich m i t t e n a u f d e m P l a t z vor d e n Füßen vo n e i n p a a r deutschen Touristen landet, d i e so vertieft die Kathedrale fotografieren, dass sie den Fall d e s Steins nicht b e m e r k e n , der beim Au f p r a l l auf das Pflaster auseinanderbricht und d a b e i einen kurzen To n von sich gibt, der ziemlich ä h n l i c h klingt wi e „Da!“ 52 53 3 Ping Pong Spieler Hans Lichtenwagner Hans Fichtenradler, studiert Visual Communications und ist Independent Freelance-New-MediaBlogger. Seine GraphicDesigns könnt ihr auf www. colapommes.com finden. Born as rest i t o n l y s u r vi ve d with a greater effort. taking advantage of modern technology t o keep it alive, making it even stronger. You can see no failure, n o mistake. Flawless s ki n . Pure beauty within a clear shape. Die Scolyt NC Serie b a s i e r t auf d e r S c o l y t S e r i e, kehrt a b e r ihren Grundgedanken um. Wo man in d e r Scolyt Scolyt Marco Merkel S erie n o c h d e n Zufall r e g i e r e n und entwerfen lässt, r e i ß t man j e t z t wieder a l l e Macht u n d E n t s c h e i d u n g s g e w a l t an s i c h . Die Idee d e r Scolyt S e r i e i s t d e n Zufall w i e d e r i n d e n Designprozess z u lassen, um m i t seiner Hilfe oder a l l e i n durc h ihn z u gestalten. D i e entsprechenden Ausdrucksmittel sind hierfür G l a s u n d Holz. Zur G l a s f e r t i g u n g werden normalerweise Holzformen hergestellt, i n denen dann das heiße Glas geblasen wird. Diesen ersten Schritt d e r Formenherstellung wollte i c h umgehen u n d war aus diesem Grund auf der S u c h e n a c h natürlichen Formen m i t denen gearbeitet werden k a n n . Ich gebe also d i e Entscheidung über die jeweilige Form der Objekte ab. Die in die n a t ü r l i c h e n Formen geblasenen Gläser sind e i n Negativabdruck d e s Holzes, j e d o c h ke i n perfekter, denn durch die Z ä h f l ü s s i g ke i t d e s Glases wird d i e Fo r m abstrahiert. Zu a l l den h e r g e s t e l l t e n Gläsern gehört die p a s s e n d e H o l z fo r m . In e i n i g e d e r Holzformen w u r d e mehrmals G l a s e i n g e b l a s e n , was z u r F o l g e hat, dass man n i c h t j e d e m G l a s o b j e k t ein eine passende Holzform zuordnen k a n n . Für d i e s e „heimatlosen“ Gläser werden j e t z t mit größerem A u f w a n d Fo r m e n g e fe r t i g t . 54 55 H i e r z u werden die O b j e k t e 3 D -g e s c a n n t . Die s o erhaltenen Dateien werden d i g i t a l überarbeitet und dann m i t t e l s e i n e r CNCFräse in Holz g e f r ä s t . S o e r h ä l t man e i n e perfekt passende Form für das Glas. Es entsteht eine A r t „ A b f o r m - P i n g - P o n g “. Man formt von Holz in Glas in Holz. A u f diesem W e g verändert sich die Form a u f jedem Schritt und mit j e d e r Abformung gewinnen die Objekte a n ä s t h e t i s c h em u n d inhaltlichem We r t . Marco Merkel studiert seit 2008 Produktdesign an der UdK Berlin. Wenn er nicht gerade eine CNC-Fräse bedient, bereist er Berlins Straßen mit dem Longboard. 56 57 58 59 Octavio Garabello& Eva Pedroza 60 61 Zusammen h a b en O c t avi o G a r a b e l l o u n d Ev a Pe d ro z a e i n e V o r z ü g l i c h e L e i c h e v o n F l e c k e n o d e r g e n a u e r g e s a g t e i n P i n g P o n g v o n Z e i c h n u n g e n g e s p i e l t . D i e Ergebnisse d i e s e r Austaus c herfahrung s i n d d i e h i e r p u b l i z i e r t e n Aq u a r e l l e , d i e t e i l w e i s e vo n d en beiden angefertigt wurden. Die Künstlerin Eva Pedroza stammt ursprünglich aus Buenos Aires. Sie beschäftigt sich mit verschiedenen visuellen Medien. Ihre Arbeiten wurden vielfach international ausgestellt. Nach ihrem Abschluss in Freie Kunst in Argentinien studiert sie zurzeit Kunst und Medien an der UdK in Berlin. Für weitere Informationen: evapedroza.com. Octavio Garabello ist Maler und Musiker aus Argentinien, dessen Werke bereits auf mehreren Einzel- und Gruppenaustellungen in Buenos Aires zu sehen waren. Zurzeit verbringt er einen Aufenthalt in Berlin, wo er die Möglichkeit hatte sich der Musikperformance zu widmen und seine Malerei auszustellen. Er ist mit Hilfe des Otto Borus-Stipendiums nach Berlin gekommen. 62 63 Ein Ende des Bla Bla: Kommunikationsmöglichkeiten jenseits von Mustern? Klaus Gasteier, Daniela Kuka, Tobias Reisch Das Interview wurde auf Basis eines vorbereiteten„Skripts“ (generiert durch ein papierbasiertes Regelwerk aus Karten) geführt. Vorher vereinbart wurden lediglich die Metadaten (Hauptthemen, Tags und Frageintentionen), auf denen die Fragen beruhen. Das Skript versucht Elemente von Antworten vorwegzunehmen, es antizipiert die Fragen. Aus mehreren Redeteilen werden abhängig von rheto rischen und inhaltlichen Parametern Antwortmöglichkeiten zusammengesetzt, die in jedem Durchlauf anders ausfallen könnten, stets aber schon im System als Bausteine vorhanden sind. Inwiefern ist es möglich, ausschließlich auf der Basis von antizipierbaren Kommunikationsmustern ein Interview zu führen, das so wirkt, als wäre es spontan entstanden? Ist es möglich, dass eine Maschine auf der Basis vereinbarter Codes und Regeln an unserer Stelle antwortet, ohne dass es der Leser merkt? Die Redeakte des Skripts bestehen aus Modulen zur Annahme der Frage, zur Konstruktion einer Meta-These zu den Leitthemen des Interviews, taggeleiteten Brückenthesen zu spezifischeren Frageinhalten, einer Reihe von Beispielen, Fragmenten zu Theorie, Vision, Erfahrung und pauschalen, teilweise selbstreferenziellen Verbindungsgliedern und Einschüben. Neben konkreten inhaltlichen Ausführungen gibt es vorgefertigte Reaktionen, durch die das Unvorhersehbare abgefangen und wieder in die Möglichkeitsbahnen des Skripts geleitet werden soll. Wir sitzen hier gemeinsam, Klaus Gasteier und Daniela Kuka sind anwesend. Klaus Gasteier ist Professor für Audiovisuelle Kommu nikation/Neue Medien, Daniela Kuka wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Verbale Kommunikation, beide im Studiengang Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation. Gemeinsam gestalten sie ein interdisziplinäres Seminar für Konzeptionsentwicklung, „MetaDating“, das, wie wir sehen werden, unser Heftthema Ping Pong direkt adressiert. Wir sind zusammen gekommen, nicht um über dieses Thema zu sprechen, sondern ein vorbereitetes Skript auf die Metadaten der eigenart-Fragen reagieren zu lassen. Guten Abend Frau Kuka, guten Abend Herr Gasteier, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben. 64 65 Skript: Hallo Tobias. Smalltalk(Dank erwidern), informell Kein Problem, wir machen das gerne. Smalltalk(Begrüßung), informell Erklären Sie bitte was mit Kommunikationsmustern in Scripted Reality gemeint ist! Kommunikationsmuster, Scripted Reality,Theorie Skript: Reaktion(erste Frage), affirmativ Meta-These (Kommunikationsmuster), neutral Erläuterung Meta-These (Kommunikationsmuster), Detail1, selbstreferentiell Erläuterung Meta-These (universell), Detail2, selbstreferentiell Brücke Tag(ScriptedReality) Brückenthese (Muster/ScriptedRality), Detail1, deskriptiv (Muster/ScriptedReality), Detail1, analytisch (Muster/ScriptedReality), Detail2, referenzierend (Muster/Scripted Reality), Detail3, wertend Brücke Beispiel(Meta-Dating) Brückenthese (Meta-Dating/ScriptedReality), Detail1, deskriptiv Schluss(ersteFrage), affirmativ Das ist eine gute Einstiegsfrage. Eine kritische Auseinandersetzung mit Mustern bleibt immer ein Paradoxon. Ohne ein Schema oder Skript können wir dieses Gespräch gar nicht führen. Jetzt müssen wir zum Beispiel erst mal eine Brücke suchen, die uns zu Ihrer Frage führt. Aber kommen wir direkt auf Scripted Reality zu sprechen. Jede Kultur unterliegt einer Vielzahl von Skripten – sie kann überhaupt erst entstehen, wenn es eine bestimmte Regelhaftigkeit in Diskursen und Praktiken gibt. Wenn wir von Kultur sprechen, sprechen wir in gewisser Weise auch von einer spezifischen Form geskripteter Realität. Clifford Geertz spricht von Kultur als „selbstgesponnenes Bedeutungsgewebe“ und ein Gewebe ist nur dann stabil, wenn es auf verlässlichen Mustern beruht. Werden Muster dabei zur unreflektierten Routine oder gar institutionalisiert, sind sie ein mächtiges Herrschaftsinstrument, weil sie unsichtbar werden und zu repetitiven Denkweisen, Interaktionsformen und Handlungen verleiten, von denen wir glauben, dass sie unsere eigenen seien. Nehmen wir Meta-Dating als Beispiel. Meta-Dating sucht geskriptete alltägliche Situationen und versucht, sie formal so gut zu beschreiben, dass das Abspulen des zugrunde gelegten Skripts den Eindruck erzeugt, die Situation wäre spontan tatsächlich so entstanden, weil wir sie so kennen. Wir hoffen mit dieser Ausführung einen hilfreichen Einstieg in das Thema gegeben zu haben. 66 67 Wer schreibt dieses Skript? Liegt es an unserer Kommunikationskultur, dass auf jedes Ping ein Pong folgt oder ist das Wie-Vorgezeichnet-Sein ein eher menschliches Phänomen? Kommunikationskultur, Scripted Reality, Theorie Skript: Reaktion(Frage), affirmativ Metathese (Kommunikationskultur), neutral Erläuterung Meta-These (Kommunikationskultur), Detail1, referenzierend Erläuterung Meta-These (universell), Detail2, selbstreferentiell Erläuterung Meta-These (Kommunikationskultur), Detail2, analytisch Erläuterung Meta-These (universell), Detail3, wertend, selbstreferentiell Brückenthese (Kultur/ScriptedReality), Detail1, analytisch Zwischenspiel(Akzentuierung) (Kultur/ScriptedReality), Detail2, analytisch (Kultur/ScriptedReality), Detail3, wertend Brücke Beispiel(Meta-Dating) Brückenthese (Meta-Dating/NeueMedien), Detail1, deskriptiv (Meta-Dating/NeueMedien), Detail2, selbstreferentiell (Meta-Dating/NeueMedien), Detail3, analytisch Das ist eine gute Frage, wir freuen uns, dies im Detail ausführen zu können. Wir leben in einer Kultur in der alles, von bestimmten Formen der Arbeit über sozialer Interaktion bis hin zum Genuss, delegierbar wird, weil sie als kulturelle Praktiken wiederkehrenden Mustern unterliegen. Der Philosoph Robert Pfaller hat die Denkfigur der „Interpassivität“ etabliert. Wir folgen auch jetzt gerade einem Skript, das außerhalb dieses Interviews liegt und delegieren die Aushandlung unserer Interaktion an eine Konvention, von der wir glauben, dass sie den Erfolg eines Interviews sicherstellt. Wir denken, sprechen und handeln kaum noch selbst. Das, was wir hier sagen können, ist im Vorfeld schon stark eingegrenzt. Es sind insbesondere Alltagssituationen, die die meisten Menschen teilen, in denen Muster Regie über das Denken und Handeln übernehmen. Und das heißt auch: Je öfter wir bestimmte Aktivitäten oder Denkabläufe wiederholen, desto evidenter erscheinen sie uns. Es ist immer sicherer, sich auf ein Skript zu berufen, als – wie zum Beispiel in einem Interview – sich spontan der Vielfalt aller Möglichkeiten auszuliefern. Nehmen wir Meta-Dating als Beispiel. Bei Meta-Dating arbeiten wir mit einer Art „Papier maschine“, die Alltagsskripte durch die Funktionen semantischer Medien simuliert. Aber lassen Sie uns nicht so viel mit Worthülsen wie „neue Medien“ reden. Die Auseinandersetzung mit der Antizipation von Mustern in vereinbarten Kommunikationskontexten Einschub (Meta-Dating/NeueMedien), selbstreferentiell Beispiel(Zettelkasten) Schluss (Frage), selbstreferentiell ist ein kulturelles Phänomen und daher medienunabhängig zu sehen. Sie sehen doch, man kann selbst in Papierform durch Musteriteration sinnvolle Zusammenhänge erzeugen. – Denken Sie an Luhmanns Zettelkasten! Das mag jetzt klingen, als sei es von Karten abgelesen, und doch ist es eine legitime Aussage. Können Sie ein Beispiel aus einer alltäglichen Sitatuion wiedergeben, die Ihnen wie determiniert erscheint? Kommunikationsmuster, Scripted Reality, Alltagssituation, Erfahrung Skript: Brücke Frageintention (Erfahrung), Detail1, selbstrefentielle (Erfahrung), Detail2 (Erfahrung), Detail3 Brücke Beispiel (universell), selbstreferentiell Beispiel(PolitischeRede) Kontext Beispiel (PolitischeRede) Erläuterung Beispiel (Politische Rede) Erfahrungen sind nichts anderes als eine Form der Mustererkennung. Wir beobachten, finden und analysieren Ähnlichkeiten und Unterschiede. Lernen ist Mustererkennung, neues Lernen ist Musterverschiebung. Man kann ein beliebiges Beispiel zur Demonstration anschließen. Politische Reden. Kürzlich bot die ZEIT auf dem Online-Portal ihren Lesern einen – recht simplen – interaktiven Rede generator zur Erzeugung einer Merkel-Rede an, die aus Versatzstücken tatsächlicher Reden aus der Vergangenheit zusammengesetzt wurden. Leser konnten auf der Basis einfacher Selektionen thematisch verschlagworteter Bausteine unterschiedliche Varianten erzeugen, ohne dass bei den möglichen Endprodukten auffiel, dass die Rede so möglicherweise nie geschrieben worden ist. Was lehrt uns die Analyse von Mustern diskursiven Denkens in Bezug auf den freien Willen? Kommunikationsmuster, Muster durchschneiden, Theorie 68 69 Skript: Metathese (Kritik) Erläuterung Meta-These (Kritik), Detail1, analytisch Erläuterung Meta-These (Kritik), Detail2, wertend Brückenthese (Muster/Zuhören; ScriptedReality), Detail1, analytisch (Muster/Scripted Reality), Detail2, analytisch (Muster/ScriptedReality), Detail 3, wertend Es ist wichtig zu erkennen, dass es ein Trugschluss ist zu glauben, dass wir Muster nur auf inhaltlicher Seite finden. Besonders dominant sind Muster erst auf struktureller Ebene, weil sie dort unsichtbar sind. Es gibt klare Regeln, was in unserer Kultur als legitimes Wissen gelten kann. Wir müssen uns immer an bestimmte Konventionen einer Gesprächssituation halten, um gehört und ernst genommen zu werden. Ein Wissenschaftler darf keine neuen Gedanken in die Welt setzen, ohne die gesamte Genealogie seiner Begriffe und Denkfiguren mitzuliefern. Werden Muster dabei zur unreflektierten Routine oder gar institutionalisiert, sind sie ein mächtiges Herrschaftsinstrument, weil sie unsichtbar werden und zu repetitiven Denkweisen, Interaktionsformen und Handlungen verleiten, von denen wir glauben, dass sie unsere eigenen seien. Wie entwickeln wir Gedanken, ohne dass das Ego mit vorgefertigten Alltagstheorien reagiert? Kommunikationsmuster, Muster durchschneiden, Vision Skript: Reaktion (Frage), relativierend Brückenthese (Muster/durchschneiden), Detail1, analytisch (Muster/durchschneiden), Detail2, analytisch Vision (Kommunikationskultur) (Muster/durchschneiden), Detail2, analytisch Uns ist der Kern dieser Frage noch nicht ganz klar, wir versuchen sie aber so gut wie möglich zu beantworten. Um Muster durchzuschneiden müssen wir erst mal eine Sprache finden, sie sichtbar zu machen. Unsere Sprache liefert nur so gut wie keine semiotischen oder rhetorischen Mittel, in der praktischen Anwendung die durch sie und den Sprecher transportierten Muster sichtbar zu machen und mitzureflektieren. Wir brauchen eine Metasprache, die zunächst sichtbar machen kann, was wir nicht wahrnehmen können, wenn wir zum Sender oder Empfänger einer Aussage werden. Paradoxerweise scheint es so als brauchen wir heute Agenturen, Dienstleister und Institutionen wie Innovationstrainer, Kunst und Wissenschaft, die sich den Auftrag annehmen, evidente Wirklichkeitswahrneh mungen aufzubrechen. (Muster/durchschneiden), Detail3, analytisch (Muster/durchschneiden), Detail3, wertend Ausgerechnet in einer Kultur, in der alles möglich erscheint, wächst der Bedarf nach Kreativitätstechniken und Methoden der Intervention und Störung von Routinen. Es scheint als würde der Bedarf der Überwindung eigener Muster selbst wieder zum planbaren Skript. Welche Rolle spielt unser Verhalten in Facebook und Twitter für unser diskursives Denken? Kommunikationskultur, Neue Medien, Scripted Reality, Theorie Skript: Brückenthese (Kultur/NeueMedien), Detail1, wertend (Kultur/NeueMedien), Detail2, referenzierend (Kultur/NeueMedien), Detail3, wertend Sprung zu (Muster/NeueMedien), RhetorischeFrage, Detail2 (Muster/NeueMedien), RhetorischeFrage, Detail3 (Muster/NeueMedien), universell Man könnte fast meinen, dass wir durch den Umgang mit neuen Medien selbst wie musterverarbeitende Maschinen zu reagieren beginnen. Man spricht hier in der Persuasionsf orschung ganz offen von so genannten „Desire Engines“, Maschinen, die durch die Ansprache von biochemischen Triggern zur Produktion von Glücks- und Stresshormonen, etwa beim Erhalten oder Nichterhalten einer eMail, uns darauf programmieren, ad hoc zu reagieren. Es geht scheinbar nicht mehr um den Inhalt einer Botschaft, sondern um ihr bloßes Eintreffen oder Ausbleiben. „The medium is the message“, das bekommt hier eine ganz neue Dimension. – Ist es nicht paradox, dass es auf der einen Seite Datingplattformen mit Matching-Algorithmen gibt und auf der anderen Seite Agenturen wie „die Schluss macher“, die für uns sowohl das Beginnen als auch das Beenden von Beziehungen übernehmen? Und während der Beziehung erinnert uns dann Siri an den Geburtstag, Amazon schlägt Geschenke vor und Ratingsysteme steuern unseren Weg in das nächstbeste Restaurant. Die Computersysteme, so scheint es, sind uns immer schon einen Schritt voraus. 70 71 Wir sprechen über das Sprechen. Wie ist es mit dem Zuhören: Leben wir in einer Kultur des Zuhörens? Kommunikationskultur, Zuhören, Erfahrung Skript: Brückenthese (Kultur/Zuhören), Detail1, selbstreferenziell Sprung zu Beispiel(Grebe) (Kultur/Zuhören), universell, selbstreferenziell (Kultur/Zuhören), universell, selbstreferenziell (Kultur/Zuhören), Detail2, selbstreferenziell (Kultur/Zuhören;NeueMedien), Detail3, selbstreferenziell Wir lesen doch hier beide nur von Zetteln ab, was man uns über Interviews beigebracht hat. Der Kabarettist Reinhald Grebe berichtet in einem Interview, dass er Interviews hasst, weil Journalisten ihre Fragen aus Wikipedia abschreiben und ihre Beantwortung genauso gut von einem anderen als ihm selbst übernommen werden könnte. Auch eine Maschine könnte dieses Gespräch an unserer Stelle führen. Hören Sie uns denn wirklich zu? Wir wissen doch beide schon, was wir sagen wollen und tun nur so als würden wir hier ein spontanes Gespräch führen. In einer Kultur, in der Kommunikation von allen Seiten etwas von uns will, tendieren wir mehr und mehr dazu, wie Maschinen nur noch auf Keywords zu reagieren. Können wir durch besseres Zuhören unsere kommu nikatives Geschwätz umgestalten? Zuhören, Vision Skript: Brücke Beispiel(Meta-Dating) Brückenthese (Meta-Dating/Zuhören), Detail1 (Meta-Dating/Zuhören), Detail2 (Meta-Dating/Zuhören), universell, selbstreferenziell Sprung zu (Meta-Dating/Durchschneiden), Detail1 Nehmen wir Meta-Dating als Beispiel. Meta-Dating erweckt Zuhören auf neue Weise. Wir hören auf das Vorwegnehmbare im situativen Einsatz von Sprache und Mustern sozialer I nteraktion. „Zuhören“ als Stichwort in einem Interview zu M etaDating entbehrt nicht einer gewissen Ironie, finden sich darin doch Antworten und Fragen, die nicht einander zugehört, sondern vorweggenommen haben. Meta-Dating basiert direkt auf dem Prozess des bewussten Zerschneidens von Sprache in kleine Sprung zu (Meta-Dating/Durchschneiden), Detail2 (Meta-Dating/Durchschneiden), Detail3 Zwischenspiel(Akzentuierung) (Durchschneiden), universell funktionale Einheiten. Wir zerstören, um neu zusammenzusetzen und dabei Regeln herauszukristallisieren. In Meta-Dating können wir Muster paradoxerweise gerade dadurch überwinden, dass wir sie überernst nehmen. Dadurch, dass man doch nicht alles vorwegnehmen und formalisieren kann, entstehen neue Kombinationen und Effekte. Und daraus folgern wir: Das Neue entsteht nur noch durch Zufall und Fehler. Sie haben nicht auf meine Frage geantwortet: Können wir durch besseres Zuhören unserer kommunikatives Geschwätz umgestalten? Zuhören, Vision Skript: Fehlerreflexion Themenwechsel erzwingen Ich glaube, wir haben den Faden verloren. Aus Gründen nicht weiter aufrechtzuerhaltender Kohärenz wechseln wir doch bitte einfach das Thema. Wird die Scripted Reality so tatsächlich erfahrbar? Was nehmen Ihre Studenten mit aus den Seminaren? Seminar, Erfahrung Skript: Frageintention (Erfahrung/Meta-Dating), Detail1, deskriptiv (Erfahrung/Meta-Dating), Detail1, wertend (Erfahrung/Meta-Dating), Detail2 (Erfahrung/Meta-Dating), universell (Erfahrung/Meta-Dating), Detail3 Sprung zu Brückenthese (Meta-Dating/ScriptedReality), Detail2 Für die Teilnehmer gibt es zunächst keine Erfahrungswerte, das ist Teil der Aufgabe. Die Reaktionen der Studenten zeigen zunächst große Irritationen. Man ist Muster und vorgefertigte Lösungen gewohnt. Doch nach einigem Ausprobieren kommen dann die hochinteressante Ideen, die uns selbst überraschen. Alle Teilnehmer sind gezwungen, unvoreingenommen über Sprache und ihre Rolle nachzudenken. Unserer eigenen Erfahrungen mit den realisierten Projekten führen uns immer wieder zur Ausweitung des Konzepts in neue „Alltagsgenres“ und zu neuen Ansätzen für die Inszenierung der Endergebnisse – momentan arbeiten wir zum Beispiel an einem interaktiven Prototypen, der durch Frageskripte von extern gesteuert werden kann. Die Frage hinter Meta-Dating ist: Wenn Du herausgefordert bist, spielerisch Alltag zu dekonstruieren und einer fiktiven aber plausiblen Skriptlogik zu unter72 73 (Meta-Dating/ScriptedReality), Detail3 (Meta-Dating/ScriptedReality), Detail3 Sprung zu Frageintention (Vision/Meta-Dating) ziehen, inwiefern werden dadurch tatsächlich die Skripte der tagtäglich erlebten Realität sichtbar? Meta-Dating ist sozusagen wie eine Brille für scripted reality. Ganz wie in Carpenters legendärem Film „They Live“ machen wir jetzt spekulativ antizipierte ungeschriebene Regeln der alltäglichen Kommuni kation sichtbar. Meta-Dating ist damit sozusagen der Umkehrschluss von scripted reality. Wir erfinden mittels einer spekulativen, deskriptiven Logik auf Meta-Ebene eine „scripted virtuality“, die wiederum Rückschlüsse auf die Realität zulässt. Wir versuchen eine Sensibilisierung für die Skripte der Alltagskommunikation zu erreichen und suchen zugleich nach kreativen Formen, sie auch zu überwinden. Wozu kann das Meta-Dating-Format hilfreich zur Anwendung kommen? Seminar, Neue Medien, Vision Skript: Frageintention (Vision/Kommunikationsmuster) Beispiel (Vision/Kommunikationsmuster) Die Vision ist, eine neue Sprache zu entwickeln, die die Kommunikationskultur beherrschende Muster wie eine zweite Kommunikationsebene sichtbar macht und so zur Hinterfragung und Reaktion zwingt. Wir arbeiten aktuell zum Beispiel auch in anderen Seminaren an Ideen für eine neue Diskussions- und Debattenkultur, indem Muster eingesetzt werden, um sie zugleich zu überwinden. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Verabschiedung Skript: Schlussfloskel (Absichtsbekundung) Wir könnten unsere Gedankenkollage noch stundenlang weiter fortführen und kämen immer wieder auf neue Aussagen. 3. Satz Dependenz M ö rs e r ra ke ten Wettbewerb Auflöseprozess koitalen Ende Horizontalität Wartezimmer der Möglichkeiten Fiktionsvertrag Textumgebung 74 75 intellektuelle Bastelei klinische Philosophie Materialismustherapie Doppelmatch Silke Schwarz 76 77 Silke Schwarz studiert Visuelle Kommunikation mit dem Schwerpunkt Fotografie. Ihre Arbeiten beleuchten auf feinfühlige Art Menschen und die Beziehung zu ihrem Umfeld. www.schwarzsilke.de Es ist e i n w a r m e r Fr ü h l i n g s t a g im s p ä t e n M ä r z 1999 i rg en d wo in der Mitte Deutschlands. Die Kälte d e r dunklen Jahreszeit ist ve r t r i e b en und die Natur erwacht zu d e m Le b en , wonach s i e n a c h ihrem großen Sterben i m Wi n t e r i m m e r strebt. B l ü t e n b r e c h e n a u s den Knospen… aber – von ä h n l i c h e m schrieb ich s c h o n i n meinem l e t z ten B e i t r a g : „ K n o s p e n b i l d e n , B l ä t t e r spreizen, B l ü t e n beten…“ (eigenart 82, S . 4 6 ) . Das lyrische Fe t t m u s s a n d i e s e r Stelle n i c h t bemüht we rd en . Was gibt e s also im späten März 1 9 9 9 an diesem prachtvollen F r ü h l i n g s t a g f ü r m e i n e F r e u n d e und mich z u t u n? Was ist die, in u n s e re n Au g e n , vernünftigste Beschäftigung? Es ist ein Spiel – wir spielen I RC - Po n g: [13:31] <@Dark[D-walk]> | . [13:33] <@ocr|hTm]> . | [13:35] <@Dark[D-walk]> | . Pong als Wunder des fliegenden Pixels Konstantin Daniel Haensch [13:35] <@ocr|hTm]> [13:36] *** sCa-p0s sets mode: +s [13:36] <@fuerst[D-walk]> xD [13:36] <@Dark[D-walk]> . | | . [13:36] <@ocr|hTm]> . | [13:36] <@Dark[D-walk> | . [13:37] <@ocr|hTm]> | . P o n g im Chat. Wir imitieren einen der g rö ß t e n Videospielklassiker, d e r in s i c h mindestens drei Wunder d e r d igi ta l en Zeit vereint. Wa s macht den Zauber aus? Wa s h a t uns z u r Nachahmung angestiftet? Im Folgenden ein Versuch einer Annäherung a n das Faszinosum Pong. Zuvor f o l g e n wir der s u b v e r s i v e n S p u r u n s e r e r P o n g - A b w a n d l u n g : Das Wissen um d a s Prinzip von Pong k a n n mit Sicherheit bei der Rezipientenstruktur der e i g e n a r t vorausgesetzt we rd en . Anders wird es sic h wohl b e i dem Begriff „IRC“ verhalten, d e m Akronym von „Internet Relay C h a t “. IRC ist ein t e x t b a s i e r t e s ChatSystem. Die Internet-Vorläufer BITNET/EARN, t r a n s a t l a n t i s c h e Universitäts-Netzwerke v o n Rechenmaschinen, bringen die Technologie relaisartig v e r s c h a l t e t e r Server hervor, die technisch ve r m i t t e l t e B ot s c h af ten senden, verarbeiten u n d darstellen k ö n n e n . W ä h r e n d sich heute die „Kommunikation“ über „Medien“ wie Fa c e b o o k , S ky p e oder die technologischen Anhängsel d e r mobilen E n d g e rä te vollzieht (auch immer als Chat; der Dienst SMS f o l g t demselben P r i n z i p), sind i n der Anfangszeit der Popularisierung d e s Internets C h a n n e l s der IRC Server der halböffentliche Treffpunkt und o b s k u r e r Ort digitaler Gesprächsrunden. I n der e i n ga n g s zitierten technischen Textumgebung der 9 0 e r Jahre finden sich also User (meine Freunde u n d ich) in einem solchen exklusiven Kreis zu dem 78 79 Thema Online-Gaming ein. Das Spiel beginnt: | Konstantin Daniel Haensch studiert an der UdK Berlin und arbeitet als Tutor von Prof. Dr. Thomas Düllo am Lehrstuhl für Verbale Kommunikation. Er verneigt sich vor der Redaktion der letzten drei Ausgaben und wünscht für das Neue alles Gute. . Der B a l l w i r d angestoßen und es vollzieht s i c h eine semiotische BenutzerBastelei im besten S i n n e e i n e s „Wi l d e n Denkens“ (1968) d e s Ethnologen und Strukturalisten Claude L é v i - S t r a u s s (vgl. S. 2 9 ff ) . D i e „intellektuelle Bastelei“ mit „abwegigen“ Mitteln, die Zweckentfremdung d r e i e r Zeichen einer Computertastatur: Der Strich und ein Punkt – viel m e h r benötigt man nicht – neben dem s e h r präsenten „Nichts“ der Leerzeichen, u m zu spielen. Ähnliche s em i ot i s c h e Bricolagen k u r s i e re n unter d e m Neologismus „Emoticons“, einer s t e r b e n d e Kulturtechnik aus den Anfangstagen solcher Text-Gespräche, die mittlerweile von bunten Grafik-Icons ersetzt werden, besonders b u n t z.B. b e i WhatsApp. Nachdem a l s o „dark[D-walk]“ den Ball i m C h a t angestoßen hatte, stieg d e r Druck. Der fliegende Pixel drohte aus d e m Sichtfeld z u entschwinden. E i n e S p a n n u n g entfaltete sich im Chatroom, d i e kaum a u s z u h a l ten w a r. Ich musste antworten, musste den Ball zurückspielen. . | Ko m m e n w i r zum Urahn, der selber Produkt verschiedener B a s t e l e i e n ist: In einer der ersten dokumentierten Versionen des digitalen Ping-Pong-Prinzips im Jahr 1969 ist der Schläger nic ht n u r vertikal, sondern auch h o r i z o n t a l beweglich. In der namens gebenden A t a r i Variante „ P o n g “ von 1972, einer nominativen Verleg e n h e i t s l ö s u n g , da der N a m e „Ping-Pong“ rechtlich s c h o n gesichert war, fällt die h o r i z o n t a l e B ewe g u n g s d i m e n s i o n w e g . Reduktion. Übrigens ist das Vi d e o s p i e l Pong mittlerweile auch musealisiert, beispielsweise im B e r l i n e r Computerspiele M u s e u m in d e r Karl-Marx-Allee 93 a ; das MoMA in N e w York belässt es derzeit bei e i n e r Ankündigung d e r Au f n a h m e, d a r ü b e r hinaus a u c h demokratisiert: Man k a n n für k l e i n e s Geld über das I n t e rn e t einen Bausatz b e s t e l l e n u n d s e l b e r an einer Pong-P l a t i n e löten, basteln und schrauben. Pong bleibt so seinem emanzipatoris c hen C h a ra kte r treu: D i e M a s c h i n e Po n g ist keine Black Box, en t z i e h t s i c h der technischen Tendenz unserer Ze i t , ihr Inneres vor dem Benutzer z u v e r b e r g e n . Auch a u f einer a n d e r e n Ebene w i r d d i e Grenze zwischen M e n s c h und Maschine aufgebrochen. Das erste Wunder wirkt in der Kraft eigener Hände d a s Fernsehbild beeinflussen zu können. Die erwähnte Emanzipation des Empfängers über das Screen-Bild. D a s gab es vor d i e s e r A r t v o n t e l e m a t i s c h e n S p i e l e n nur b e i den wenigen b i n ä r -konstituierten Schaltern (an/aus, h e l l /d u n ke l , laut/ l e i s e , Programm 1/Programm 2 ) der Fernsehgeräte oder den Radio-Frequenz-Schiebern (Logik: Sender 1 an/aus), jedoch nie in d i r e k t e r Einflussnahme des gesendeten Program ms. Der a u s Graz stammende Au t o r und Chaos Computer Club-Ehrenmitglied Peter Glaser schildert diesen Paradigmenwechsel a n h a n d seiner ersten Begegnung mit der g l a s s c h e i b e n d u r c h b r e c h e n d e n Interaktivität eines Computers in den 80ern: „Und dann passierte folgendes, er sagte i c h darf jetzt auch mal was tippen. Und ich setzte m i c h dahin und tippte: ‚hallo‘ und es war sofort im Fe r n s e h e n . Und es war der Hammer schlechthin.“ Der Monitor, i n direkter Linie mit d em Fe r n s e h e r verwand, bricht mit d em „Mysterium t r e m e n d u m “, mac ht d a s „Tempelinnere“ über die manuellen Interfaces z u g ä n g l i c h u n d sogar gestaltbar. In der Ko n s e q u e n z we rd e n S h a n n o n und We a v e r a u s demselben Tempel herausgeschmissen, Sender um Empfänger lösen sic h i n der interaktiven, i t e r a t i v e n Schleife auf, aus P i n g - Pong wi rd Pong. In welchem R a u m vollzieht sich d i e s e Interaktivität? I n e i n e r vi s u e l l e n Umgebung g r ö ß t e r R e d u k t i o n und s c h w a r z -we i ß e r Monotonie i s t es d a s Versprechen des Kampfes und d e s Spiels, das einen wunderbaren Wa h n bei d e n Wettkämpfern heraufbeschwört. Das Wu n d e r des Wettbewerbs. Diese Duelle malen die schönsten Farben von emotionaler Involviertheit, die eckigen Kanten d e s Pixels we rd e n über die Bewegung z u m feurig-brennenden Schweif, die Spannung lässt d i e S t r i c h e e n e rgi s c h z i t t e r n . Die mahnenden Zahlenziffern von dominanter Größe stellen Signifikanten einer puren Idee von Leistung dar, d e ren Erfüllung die S p i e l e r in eine wirklich a n d e re Welt versetzt. Dass a k t u e l l e S p i e l e p ro d u z e n t e n diese Urkraft der v o m Wettbewerb angestachelten Imagination ü b e r i h re 3 D - E n gi n e s m i t ihren S h a d e r n , B u m p - M a p s und Partikelsystemen fast vergessen haben, bleibt eine Randnotiz. B e i m T h e m a Wettbewerb, s o l l n o c h a u f e i n e Besonderheit unseres Spiels h i n g e w i e s e n werden, d i e u n s auch für die Analyse der Fa s z i n a t i o n von P o n g helfen kann. Neben s e i n e r s c h i e ren Originalität lebt die e i n ga n g s geschilderte ChatVersion von einem äußerst interessanten Fiktionsvertrag: „Wir tun so, als gäbe es e i n e n Wettbewerb“. Das Spiel geht s o lange, 80 81 bis jemand sich entscheidet zu verlieren. Es kam nie dazu, dass jemand nicht verlieren wollte. Interessant wäre es j e d o c h geworden, wenn in einer anarchistischen Anwandlung der kompetitive Fiktionsvertrag aufgebrochen und zwei Spieler plötzlic h e r b i t t e r t u m den Sieg g e k ä m p f t h ä t t e n . Man e r i n n e r t sich a n dieser Stelle vielleicht a n P e t e r Weibels Wettbewerb m i t e i n e m MagnetophonTonbandgerät aus d e m Jahr 1 9 6 7. Au f dem Band ist eine Endlos-Schleife m i t der Tonaufzeichnung: „aus“. Der Kü n s t l e r Weibel s c h a l t e t die Aus-Taste, dann sagt er »ein« u n d schaltet auf die Ei n -Taste u n d das Gerät sag t „aus“. I n d e r Ankündigung der Performance sagt We i b e l , das Unternehmen gehe s o l a n g e „bis entweder das Gerät kaputt g e h t o d e r i c h [Weibel] vor E r s c h ö p f u n g zu sammenbreche.“ Das We t t b ewe r b s s pi e l im Spannungsfeld von Mensch und M a s c h i n e . D i e Interaktion s c h a ff t e t w a s drittes, e i n e seltsame Dynamik oder ein Netzwerk im Sinne Bruno Latours: Menschen und Dinge werden Aktanten, gleic hberec htig te, handelnde, w e t t e i f e r n d e Ko l l e k t i v e . Das dritte M i r a ke l hat mit d en S p i e l e r n weniger zu tun. E s liegt i m Spielball, dem Multipixel, d e m PongPartikel. Dieser Ball hat verschiedene, höchst b e m e r ke n s we r t e Eigenschaften. Er folgt einem medialen Prinzip, etymologis c h i s t er damit ein „dazwischen geworfenes“ O b j e k t (vgl. Hadler in t e x t u r e n # 1 wohnen). Paddle - Ball - Paddle. Der Ball i s t eine interjektionelle B e g e b e n h e i t , vom l a t e i n i s c h e n interiectio - „der Einwurf“, e i n perpetuum mobile, lateinisch: „sich ständig Bewegendes“. Dieses Objekt i s t vom Spieler nicht direkt s t e u e r b a r, sondern n u r über die Pa d d l e s. Jeder Spieler bedient e i n e n v e r t i k a l e n P i x e l - S t r i c h , der P i x e l b a l l z w i s c h e n d en „ S c h l ä g e r n“ i s t nur über das Treffen kontrollierbar, d i e Geschicklichkeit der Spieler i s t die G r e n z e d i e s e r in die U n e n d l i c h k e i t verweisenden Bewegung. Ve rf e h l t e i n e r d e r Spieler d e n B a l l , dann fliegt der Pixel in/gegen d i e Unendlichkeit. Ähnlic h unseren t e r r e s t r i s c h e n medialen R a d i o w e l l e n (lat. radius - der Strahl), d i e wir seit dem 20. Jahrhundert g e p l a n t und programmatisch ins All hinausjagen und d i e in t a u s e n d e n Lichtjahren von irgendwem abgefangen werden könnten, gehen w i r v o n einer g ewi s s en Konstanz d e r Signalstärke a u s . Die ersten R a d i o w e l l e n , d i e 1 9 0 1 den At l a n t i k ü b e rq u e r ten , h a b e n schon lange unser S o n n en sys tem verlassen, 100 L i c h t j a h re hinter sich g e l a s s en , r e i s e n ad i nf i n i t u m . Zurück z u r Erde: I m verschneiten Berlin d i e s e s Februars im Jahr 2013 kann man s i c h zwar das Erwachen der N a t u r nur s c h w e r l i c h vorstellen, bei der Veröffent lichung dieser eigenart, 14 J a h r e n a c h unserer Pong-Mimesis, 44 Jahre nach der P o n g - Erfindung steht jedoch unbe stritten die W i e d e r g e b u r t . Die Wu n d e r d e s f l i e g e n d e n Pixels sind aktualisiert erlebbar, m i t d e r Neuauflage d e s K l a s s i ke r s in jedem Web-Browser spielbar, aufgelegt 2012 von Atari s e l b s t . Zu erreichen unter d e r Web-Adresse http://atari.com/arcade. Jeder neue S c o r e ist ein weiteres Ze u g n i s eines in die Unendlichkeit f l i e g e n d e n Pixels. 82 83 Untitled Frank Sievers Frank Sievers, geboren 1986 in Bielefeld. 2006-2009 Studium Mathematik in Bielefeld und Berlin. Seit 2009 Studium Bildende Kunst, seit 2012 in der Klasse Mark Lammert. Abhängig – D a s Ping gehört z u m Pong, wi e d a s K l i n g geht v o r d e m Klong. D e r S i n g z e r l ä u f t im S a n g, a u s d e m S i n n e n t s p r i n g t d e r D r a n g. Wer „ H ü “ s a g t , s a g t a u c h „ H ot t “. We r nu r e i n s m a c h t e r n t e t S p o t t . D i e Dependenz i s t w u n d e r l i c h , d o c h w e r nic ht d e n k t , d e n w u n d e r t ‘ s n i c h t . Abhängig / Horizontalität Judith Grohmann Wa s d u s ä s t d a s e r n t e s t d u , wen n d u verstehst, d a n n lerntest d u . P i n g P i n g spielt sich h i n d e r l i c h , S i n g S i n g kling t d a n n eher n i c h t . Das Individuum allein, ka n n i n u n s r e r We l t nic ht sein. M a te r i e l l und r a u m b e z o g e n , h a t e s sic h d i e We l t e r l o g e n . M a c h t a u s H a b gleic h G u t , f i n d e t i n d e r Ko n ve n t i o n d e n M u t . D i e R e l a t i o n e n s c hwim men h i n , Pinke, P i n ke , p i n g, pi n g, p i n g . Horizontalität – Die englische Onomatopoesie Ping - Pong w i r d gemeinhin für d e n Sport Tischtennis verwendet. Der Schläger ist nicht d e r gleiche - er i s t bedeutend kleiner a l s beim Tennis u n d das Feld bes c hränkt sich auf einen 274 cm x 152,2 cm großen Bereich. E s wird also viel mehr Geschick u n d Ausdauer geschult, a l s der Gluteus m a x i m u s . Das Handgelenk, der untere Rücken und die Oberschenkel werden zudem i n geringerem Maße als b e i m Te n n i s, b e a n s p r u c h t . Ein Spieler dieser Disziplin ist viel m e h r sportlicher S t r a t e g e als Athlet. Er schwächt die Konzentration des Gegners d u r c h unvorhersehbares S p i e l . Er kann ihn nicht, wie b e i m Boxen, in die Enge treiben. E r kann es sich n i c h t in s e i n e m Windschatten gemütlich machen, wie zum Beispiel beim Radfahren. Es ist ein Kampf, der 84 85 i m Kopf beginnt und in schwindelnder Geschwindigkeit ausgetragen wird. Die Gelegenheit im richtigen Moment ergreifen, den Ball anschneiden, gerade ü b e r s Netz o d e r s c h a r f an d i e Kante feuern. Und beim kleinsten Fehler, d e m e r s t e n Anzeichen, m u s s gehandelt werden. I m Doppel gestaltet es sich s c hwierig. Sollten beide auf dieselbe Seite a u s g e r i c h t e t sein, kommen sich die flinken Hände i n s Gehege. S i e b l o c k i e r e n einander, setzen e i n a n d e r außer Kraft. D i e eine wäscht die andere? Vo n wegen: -Das w a r d e i n e r, nicht meiner, ach Mensch!Weiter wird Ping-Pong als E ffe k t in d e r M e d i z i n bezeichnet: -Er hat es vo n ihr, sie hat es sich betrunken geholt, j e t z t gibt e r es an seine Freundin, er lässt sich behandeln, aber si e gibt e s i h m z u r ü c k b evo r sie sich b e h a n d e l n lässt, k a u m ist s i e r a u s hat er es schon wieder.- Reinfiziert sind sie und m a c h e n f r ö h l i c h weiter Ping, Po n g, Ping, Pong. Der Begriff mag geschützt sein, d a s Phänomen ist allgegenwärtig. Geschmacksmuster - U r h e b e r r e c h t , Ideen kann m a n nicht s c h ü t z e n , aber i s o l i e r t e Gene sind jetzt mein geistiges Eigentum. Persönlichkeitsrecht - M e i n u n g s f r e i h e i t , Pressefreiheit - Privatrecht. Komm h e r, geh weg, so ist das n u n mal. H e u t e back ich, morgen b r a u ich. Ach wo i s t des Pudels K e r n ? W i n -W i n , wenn wir wollen. Ich studiere GesellAber e rs t ich, dann du, d a n n v i e l l e i c h t nochmal i c h . schafts- und WirtMan sagt es g e h t auf und a b . Doch nu r aus Gewohnheit. schaftskommunikation Das Meer geht h i n u n d her, unsere Dialoge g e h e n hin u n d her. im 5. Semester. Nebenher arbeite ich an U n s e re Beziehungen entfernen sich und ko m m en n ä h e r. Oben und unten der TU-Berlin, am i s t leic ht. Es impliziert eine Weltordnung in richtig und f a l s c h , g u t Lehrstuhl der Soziologie, und böse. Nah und fern kann s i c h we r t n e u t ra l e r e n t f a l t e n . Manchmal als Tutorin für das autonome Seminar "Zivilgesellschaftliches ist f e r n nicht schlecht, aber hinab und tief, ist wie Fa l l e n und Ohnmacht. Engagement im Web Wi e m a n in den Wa l d r u f t , so hallt es h i n a u s . Eine horizontale 2.0". Reaktio auf jede A k t i o . So e i n f a c h i s t das. Th e m a 3 : 5 Zeichnungen Rhythmus. S t a n g e , Wi e d e r h o l b a r ke i t , Wa c h s t u m , Rückkehrzeit, Va r i a b i l i t ä t . l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l ll l l l l l l l l l l l ll llllll lll l l l l llll l l l l l l l l l l l l l llll )((())((())(((()))) ----- - --- --- --- - - ------ --- --- - ---- - ------ ---- ----- - - - - --- Zeit. U M ZU HÖREN. 3 Themen Tingwei Li 86 87 Th e m a 2 : skip over another day make a b o x of curse o n your table, either in uni o r in your home, then y o u can p u t objects which you d o not like in it , eve r yd ay some n ew, to display whatever you wanna c u r s e . a new day c o m e s , while t h e o t h e r i s disappearing. 88 89 Thema1. „eins, zwei, d r e i , zwei.eins, zwei, drei, z w e i . e i n s , z we i , d r e i , zwei.eins, zwei, d r e i , zwei“ Tingwei Li studiert seit 2011 im Studiengang Bildende Kunst an der UdK, interessiert sich für die grundsätzlichen Fragen nach Malen, Machen und -Sein. Über anschlussfähige und aufschlussreiche Systeme Eine Übung - Tobias Reisch, Bild: Léon Giogoli I. Sich selbst auflösen Aus der konventionellen Perspektive benimmt sich mein Freund – und erlauben Sie mir den diffarmen Jargon, aber wenn es sich doch so darstellt - wie ein Vollidiot. Er erinnert mich an das Oktopus-Weibchen, welches unter vollem energetischen Einsatz seine Eier brütet und dabei kurz bevor die Kinder schlüpfen - stirbt. Mein Freund arbeitet bei einer NGO mit dem Ziel, Probleme zu lösen, bis dahin, den Problemlöser selbst obsolet zu machen, seinen eigenen Job selbst in die Tonne zu kloppen. Ärzte sind ähnliche Kamikazen. Wenn die Krankheit geheilt ist, braucht es den Heiler nicht mehr. Oder menschliche Mütter und Väter, die ihre Kinder zur Selbstständigkeit erziehen. Eltern-sein ist ein liebe voller Auflöseprozess. Oder die Religion, die sich nicht mehr benötigt, sobald Gott gefunden und Erleuchtung erlangt ist. Auch Sexualität vernichtet sich selbst. An ihrem koitalen Ende kommen alle Teilnehmer zum Zug, haben das letzte Wort in Form einer stöhnenden Gebärde des tiefen Einverständnisses. Ärzten, Fickenden, Eltern und Schamanen sind Begriffe wie Selbsterhalt und Wachstum völlig fremd. Schimpfende „Wissenschaftler“ tadeln sexuelle, medizinische und religiöse Zustände des Sich-Selbst-Obsolet-Machens als „Auf löseparadoxie“, als suizidale Systeme. So tadeln Suhrkamps Jünger, deren Begriffswolken über der Wirklichkeit schweben: grau, unerreichbar und kontaktlos. Sie vertreten eine Gesellschaft, die sich ständig reproduziert, weitermacht, Wachstum generiert, deren Ziel es ist, einen Status Quo wuchern zu lassen. Und das vom Standpunkt der Beliebigkeit aus, von der Fahne im Wind: everything goes, as long as it‘s faster than yesterday and better than my neighbours‘. Alles geht, solange alle darauf reagieren und es erhalten können mit Besser- und Schnellermachen. Ganz unverbindlich, und der Flug hafen wird dieses Jahr wieder nicht fertig. Was geht, wird an seiner Anschlussfähigkeit bemessen, weniger an seinem Aufschlussreichtum. Was würde passieren, wenn in einer Talkshow nach 30 Minuten alle Teilnehmer behaupten, dass alles jetzt Wichtige gesagt ist, dass man darüber nachdenke und danach handele? This is a joke, dear reader. Welcher Glaube unterspült unsere Gesellschaft derartig, dass ihr nihilstischer Auswuchs mit solch heftig-träger Energie wütet-, heftigträge in das Fleisch der Natur und des natürlichen Frohsinns schnei90 91 det?- Welche Sichtweisen fräsen gleichzeitig das Gefühl der Sinnlosigkeit und eines so schweren Sinns, der uns wie von Sinnen ins Burnout treibt? II. Anschlussfähigkeit und Aufschlussreichtum Niklas Luhmanns soziologische Systemtheorie krönte die „Anschlussfähigkeit“ zum Dogma unserer Kommunikationsexperten, PR-Berater, Marke tingstrategen, Medienlandschaft, politischen Kultur und Gesells c haft. „Anschlussfähigkeit“ ist das Codewort der neuen, mit sich versöhnten Intelligenz 1. Sie ist das Herzstück einer Theorie und dessen Untersuchungsfeld. „Der Sinn eines Aktes ist das als eine bestimmte Situation ge gebene Ensemble der Möglichkeiten, an diesen Akt weitere Akte anzuschließen; d. h. der Sinn eines Aktes ist die Mannigfaltigkeit der Anschließ barkeiten, die er eröffnet“2 Besonders anschlussfähig sind demnach Mörserraketen aus dem Gazastreifen. Bomben eröffnen einen großflächigen, realen Möglich keitsraum, weitere Akte anzuschließen. Und der Sinn ist – unserer Theorie nach – gesichert, denn als sinnvoll gestaltet sich alles, woran „weitere Akte anschließen [können]“. Ein Ping-Pong-Spiel bei dem jeder, aber auch jeder mitmachen kann. Fünfzig Jahre später liest sich Luhmann deskriptiv als alarmierende Diagnose eines verwirrten Zeitgeistes. Zustand: everything goes. Die andere Seite der Medaille wenn alles geht: nichts ist wichtig. Alles homogene Brühe. Alles gleich, solange anschlussfähig. Und wenn alle mitgehen ist niemand wichtig. Niemand wird gebraucht. Jeder legt selbst den seidenen roten Faden seiner Individualität, bis sie ihm als wichtig zurecht gelegt ist; als Strohhalm, an den er sich klammert. Nur der Tod schneidet unseren ephemeren, weltwandlerischen Zustand der Anschlussfähigkeit. Heidegger betont den Tod als die Unmöglichkeit weiterer Möglichkeiten. Und das Leben setzt uns ins Wartezimmer der Möglichkeiten, wenn wir das Sterben fürchten. Solange der Tod uns ängstigt, sitzen wir im Wartezimmer der Möglichkeiten. Wir schließen an. „Sinnen auf den Tod ist sinnen auf Freiheit. Wer sterben gelernt hat, ist kein Sklave mehr“ (Montaigne). Mein Freund bei der NGO, mein Vater und mein Arzt sterben, als dass sie ihren eigenen Sinn loslassen. Sie handeln nach dem vorläufig sinnvollen Sinn, Probleme zu lösen. Analog betrachtet, wäre der Zustand des hilfreichen ökonomischen Systems, ein Streben nach Sich-Selbst-Obso- 1 Schlak, Stephan: Der Nicht-Anschlussfähige 92 2 Frese, Jürgen: Sprechen als Metapher für Handeln. S. 50f. 93 let-Machen. Eine Wirtschaft, die so lange existieren will, bis Knappheit gemindert ist. Lassen Sie mich das wiederholen: ein Wirtschafts system, das sich wie ein Arzt verhält, will nur solange da sein, bis sein Job erfüllt ist. Es löst sich auf, sobald es die Knappheit minderte. Als politische Praxis wäre dazu natürlich eine Definition unabdingbar, wann Knappheitsminderung aufhört und Luxusanhäufig beginnt. Das Genie ist der, welc her außerhalb seine r Begierden handelt. Könnten wir unser Klammern am Strohhalm, unser Greifen und Festhalten beruhigen,- die Nicht-Anschlussfähigkeit des Todes erst begreifen, dann tiefer begreifen und transformieren: was stünde an? Tobias Reisch studierte GWK, jetzt Psychologie (aus Liebe zu den linguistischen Exzessen im Geist und in der eigenart). Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen Ermöglichern für zwei Jahre Zusammenarbeit an diesem Heft. Léon Giogoli ist in Berlin Neukölln aufgewachsen wo er bis dato lebt und als freiberuflicher Illustrator und Gestalter arbeitet. Er ist Teil eines Siebdruckkollektivs und begeisterter Radfahrer. III. Letting things go Eine individuelle und kulturelle Therapie, die Irvin Yalom als klinische Philosophie bezeichnet (damit wir uns nicht vor religiösen Begriffen fürchten müssen). Eine Materialismustherapie: Loslassen lernen. Loslassen lernen nicht als erhobener Zeigefinder des Besserwisserischen, sondern als epistemologische Konsequenz. Denn Materie bleibt Materie. Ihre Formen stehen in Kausalketten, sind nicht von Dauer. Sie ziehen an uns vorbei. „Das Vergängliche haftet uns an, so wie wir ihm anhaften“ (Lorenzo Ravagli). Die Permanenz der Dinge zu behaupten ist das Dogma des Kapitals. Der tibetische Gelehrte Sogyal Rinpoche beschreibt im tibetischen Buch vom Leben und Sterben eine Übung, die ganz wunderbar in unseren Kontext passt: „Machen wir mal ein Experiment: Nehmen Sie eine Münze in die Hand und stellen Sie sich vor, sie sei etwas, an dem Sie sehr hängen. Halten Sie es fest in der Faust und strecken Sie dann den Arm aus, die Handfläche nach unten. Wenn Sie jetzt die Faust öffnen, verlieren Sie, was Sie umklammern. Darum halten Sie fest. Es gibt eine andere Möglichkeit: Sie können loslassen und dennoch behalten. Drehen Sie einfach die Hand um. Wenn Sie die Faust jetzt öffnen, bleibt die Münze einfach auf Ihrer Handfläche liegen. Sie lassen los, doch die Münze bleibt Ihnen trotzdem – mit all dem sie umgebenden Raum. Es gibt also einen Weg, Vergänglichkeit zu akzeptieren und gleichzeitig das Leben zu genießen – nämlich ohne Greifen.“ Eine Materialismustherapie wäre ein von uns installierter Schutz vor konsumistischem, intellektuellem und spirituellem Materialismus. Ein Anti-Marketing. Eine Sprache, die uns hilft, die Phänomene, so weit es Menschen möglich ist, zu dechiffrieren. Eine Anti-Anschlussfähigkeit: eine Aufschlussreichtum. Wichtiges tun, statt Wichtigtuerei. Konkret bedeutet das eine Ökonomie, die zwei Dinge einsieht und ein Ziel hat: Die Dinge sind nicht von Dauer, sondern im Wandel. Und: Es gibt kein Eigentum, nur Subjektivation. Deshalb wünscht sich unsere utopische Neoökonomie des Aufschlussreichen, Knappheit zu m i n d e r n , bis Knappheit gemindert ist. Diese Wirtschaft nimmt die Funktion des Zeigefingers ernst, nicht erhoben, sondern richtungsweisend. Dieser Plan schließt Demut und Dankbarkeit mit ein und damit eine Definition, wann Knappheitsminderung aufhört und Luxusanhäufig beginnt. Nachdem wir Klöstern die Anschlussfähigkeit entzogen haben, sind Universitäten Gegenstand einer gestaltenden Dankbarkeit. 94 95 Kunst braucht nicht viel. Nur das Richtige. Marienfelde Charlottenburg Prenzlauer Berg Nunsdorfer Ring 31 Franklinstr. 12 / Hof ll Marienburger Str. 16 Tel.: 030-756567-0 Tel.: 030-9606069-0 Tel.: 030-4050426-0 Luisa Rund Ping Pong ist jeden Tag das Spiel zwischen mir und der welt. Ich glaube, die Haut ist nicht wirklich die Grenze… 96 97 Herausgeber Allgemeiner Studierenden-Ausschuss (AStA) U n i ve rs i tä t d e r Künste B e r l i n Hardenbergstraße 3 3 10623 Berlin Redaktionsleitung Tobias R e i s c h e i g e n a r t @ a s t a - u d k - b e r l i n .d e Impressum Gestaltung Marius Förster [email protected] Robert P r e u s s e [email protected] Lektorat M a r i n a - E l e n a Heyink Typographie: Our Times G ro t e s k Druck & Papier: Laserline Papyrus RecyStar Polar, 1 1 5 g / m 2 Auflage: 2500 ISSN 1869-8956 Offsetdruck Werbetechnik Qualitativ hochwertigen Druck realisieren wir mit unserem leistungsstarken Maschinenpark von Heidelberg. Bis zum Bogenformat 72 x 102 cm, 80er-Raster, 5- und 4-farbig + Lack drucken wir schnell, zuverlässig und brillant. Wir bieten Ihnen ein breites Angebot an Formaten und Materialien für die Anwendung im Innen- und Außenbereich. 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