Der Ministerprasident des Landes Nordrhein

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Der Ministerprasident des Landes Nordrhein
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Der Ministerprasident
des Landes Nordrhein-Westfalen
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SHB Meschede Sauerlaender Heimatbund
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Hoehsauerlandkreie
Oer OWkreisdirektOf
ku% dem Inhalt:
Geistige Verarmung, wenn die Dialekte sterben
Prof. Dr. A, Hilclynann
Sauerland-Siiderland / Dr. Fr. Kohle
Voile achtzig Meilensteine / Fr. Predeck
Kurfiirst Klemens August
•
Bei Saperlandern in Chile / Hubert Schneidersmann
Zweimal Plattdeutsdies
Volksfrommigkeit und Wodientage 7 Dr. Kl. Rodcenbadi
Sunndags-Arbett / J. Putter
Westfalens Adam Riese / Julius M^tte •
Unser Spredisaal
Sauerlander Heimatbund-Post
Sauerlandruf gratuliert
,
Umschau im Sauerland
VonBlatterii und Budiern
,
per Sauerlandruf wlrd herausgegeben vom SauerlSnder Helmatbund
Iflr das kurkSlnische Sauerland, Balve
Schrtltleltung: Frite Schumacher, Arnsberg, EichholzstraCe 48*
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Sauerlandruf
6aucrlan5ruf
24. Jahrgang der
„Heimwacht" und „TrutznachtigaU"
Nr. 1/2
-
Juli 1961
Geistige Verarmung, wenn die Dialekte sterben
L'niversitatsprofessor Dr. Anton Hilckmann, Mainz, der offenhar im Sauerland gut
hekannt ist, hat im Rheinischen Merhur (811961) einen beachtenswerten Aufsatz
geschrieben ,,MUssen die Dialekte sterben?''', den auch das Rundschreiben Nr. 411961
des Westf'dlischen Heimatbundes abdrucht. Wir geben seine Darlegungen mit Kiirzungen auch unseren Lesern zur Kenntnis.
Unliingst kam ich in ein kleines Dorf des westfalischen Sauerlandes, das
mir von friiher her wohl bekannt ist und das ich, in einer anderen Gegend
Deutschlands seBhaft geworden, nun schon seit mehr als zwanzig Jahren
nicht mehr wiedergesehen hatte. An dem auBeren Bild des Dorfes hatte sich
wenig verandert; spieiende Kinder auf der StraBe, heute wie damals. Nur
eines fiel mir sofort auf: die Kinder sprachen miteinander hochdeutsch; ich
horte kein Wort des heimischen Dialektes mehr. Das war friiher so ganz
anders; die Sprache des Dorfes war fiir Alt und Jung damals selbstverstandlich der heimische Dialekt. Und selbst wenn ein Einheimischer nach langer
Abwesenheit in der Fremde — ob diese Fremde nun Gelsenkirchen oder
Berlin Oder Chicago heiBen mochte — wieder in sein Heimatdorf zuriickkam,
so ware es unangenehm aufgefallen, wenn er nicht gleich wieder das heimische „Platt" gesprochen hatte, Ich fragte einige Leute, die mir von friiher
her bekannt waren und bekam die Antwort: „Ja, das ist heute so. Die alien
Leute konnen noch Platt, aber die Kinder konnen es nicht mehr." Ich fragte;
„Wieso denn? So etwas kommt doch nicht von selbst!" Die Antwort ist die:
„Doch, das kam von selbst, das ist nun mal so."
In anderen Dorfern des Sauerlandes und auch — wenn audi dort nicht in
solchem AusmaBe — des Miinsterlandes und des Osnabrucker Landes konnte
ich die gleiche Beobachtung machen.
Was ist hier vorgegangen? Sprachlich gesehen hat sich in einer einzigen
Generation mehr gewandelt als friiher in Jahrhunderten.
Ist dieser Wandel etwas Unerhebliches, ist dieser Wandel gleichgiiltig?
Ist er etwas Belangloses, iiber das man sich nicht welter Gedanken zu machen
braucht? Ich meine, dieser Vorgang sei ganz und gar nicht etwas Unerhebliches Oder Belangloses,- ich meine im Gegenteil, daB es sich hier um etwas
sehr, sehr Ernstes handelt, iiber das man sich wirklich einmal Gedanken, sehr
ernste Gedanken machen sollte.
Ist es denn wirklich gleichgiiltig, wenn eine Bevolkerungsgruppe von einer
Sprache zur anderen iibergeht? Von Auswanderern wissen wir, daB, wenn
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sie nicht qerade in geschlossenen Gruppen siedeln, sie sehr bald, meist in
einer einzigen Generation (man denke an die vlelen Deutschen, die im
voriqen Jahrhundert nach Nordamerika auswanderten!), die angestammte
Sprache vergaBen und die der neuen Helmat annahmen. Das schemt uns
selbstverstandllch und unvermeidllch, Aber etwas anderes ist es doch, wenn
ein Volk, das in der alten Helmat blelbt, die angestammte Sprache preisgibt,
um zu elner anderen iiberzugehen, Das scheint uns durchaus nicht selbstverstandllch und notwendig. Und wlr mochten doch in jedem emzelnen Fall nach
den Ursachen eines derartlgen Kollektiv-Vorganges fragen; nach den Ursachen nicht nur, sondern auch, und das vielleicht noch mehr, nach
nach seinen
sei
Folgen und Auswirkungen.
Ich komme immer mehr dazu zu meinen, daB das Schwlnden der niederdeutschen Dialekte aus vlelen Griinden im hochsten Grade bedauernswert ist.
Das Sterben eines Dialektes bedeutet immer einen geistigen Verlust, eine
Verarmung. Ein Dialekt ist immer der urspriingliche Ausdruck emer Stainmesseele d h der gewachsenen Eigenart eines Stammes; em Stamm,
der seinen Dialekt preisgibt, b 1 e i b t n 1 c h t dasselbe, w a s e r v o ^h e r
v a r Das Volkstum einer jeden deutschen Landschaft ist eme Individualitat,
solange dort noch der Dialekt gesprochen wird; mit dem Sterben des Dialektes ist die Bevolkerunq einer Landschaft nur noch Teil emer sprachlidi
standardisierten und uniformierten Masse, in der bald alles an stammisAen
Indivldualitaten wegassimillert sein wird. Mehr als man ahnen mag, ist das
Geistesgut eines Stammes an seinen Dialekt gebunden; das Erloschen
eines Dialektes bedeutet immer das Zerschneiden
einer Tradition.
Uralte Worter, uraltes Sprachgut, gerade auch solches, das in der Sdiriftsprache langst verlorenging oder in ihr nie vorhanden war. ist, «» unerkanm
und noch vielfach unentdeckt, in den Dialekten aufgehoben. Aus der mir von
meiner Jugend her wohl vertrauten Sprache des westfalischen M^-terlandes
konnte ich auf Anhieb eine Liste von hunderten solcher oft wunderbar ausdrucksstarker Worter und Idiomatischer Ausdriicke zusammenstellen, von
Wortern, die von dem entsprechenden Hochdeutschen vollig abweiAen und
von Ausdriicken, die im Hochdeutschen iiberhaupt keme Entsprechung haben.
Dafiir haben aber diese Worter sehr oft ihre genaue Entsprechung im Englischen, das fiir den seiner Heimatsprache machtigen Westfalen auBerordentlich leicht zu erlernen ist.
Wlr diirfen es also wohl aussprechen:
Das Aussterben der Dialekte bedeutet eine groBe
geistige Verarmung nicht nur fur die ^ t a mm e , d i e i h r e
Dialekte preisgeben, sondern auch fur die Gesamt
nation, der sie angehoren.
Wann und warum stirbt ein Dialekt? Die Frage ist gar nicht
so schwer zu beantworten. Ein Dialekt stirbt dann und nur
dann wenn die, die ihn sprechen, anfangen, sich sei
ner zu schamen. Sie sdiamen sidi des Dialektes, wenn sie ihn als
minder vornehm gegenuber der offiziellen Schrift- ^"^^ Literaturspradie wie
s Lvon den sogenannten „besseren'' Leuten gesprochen wird, empfinden.
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M u 13 das notwendigerweise so sein? Notwendigerweise gewiC nicht. Aber
ein Dialekt kann sidi anscheinend doch nur dann halten, wenn er von samtlichen Schichten einer Bevolkerung gesprochen wird. Wird er nur von den als
ungebildet geltenden unteren Schichten gesprochen, so ist er immer gefahrdet; niemand, keine Volksschicht, will als ungebildet oder weniger vornehm
gelten; und wenn schon die jeweils altere Generation unter sich sich des
heimischen Dialektes bedient, so sind, wie die Erfahrung iiberall in Norddeutschland zeigt, auch die Bauern und Kleinbiirger stets darauf bedacht,
mit ihren Kindern hochdeutsch zu sprechen, damit diese durch den Gebrauch
der „vornehmeren" Sprache von vorn herein in ihren Eltern noch versagt
gebliebene „Vornehmheit" hineinwachsen Fragt man diese Eltern, warum
sie mit ihren eigenen Kindern eine andere Sprache sprechen als die, die sie
selber von ihren Eltern lernten, so bekommt man Griinde zu horen, die einfach lacherlich sind: die Kinder kamen in der Schule besser mit, wenn sie das
Hochdeutsche schon von zu Hause mitbrachten und was es sonst sein mag.
Fragt man einsichtige Lehrpersonen in den gefahrdeten Dialektgebieten, so
erfahrt man, daB das genaue Gegenteil richtig ist. DaB die „zweisprachigen"
Kinder viel aufgeweckter sind, viel rascher und besser lernen als die „einsprachig"-hochdeutschen Kinder; den unverniinftigen Eltern, die sich daraut
kaprizierten, mit ihren Kindern nur hochdeutsch zu reden — und was fiir
eins! — sei dies aber nicht klar umachen, well sie es nicht begreifen w o 11 ten; und selbst das sehr gewichtige Argument, das dodi eine Kenntnis des
Niederdeutschen spaterhin unendliche Vorteile fiir das Erlernen des Englisciien, des Niederlandischen oder der skandinavischen Sprachen bietet,
niitze wenig. — Was macht man da noch?
Diirfen wir zusammenfassen: das Schwinden der Dialekte ist nicht, wie oft
behauptet wird, etwas wie ein Naturvorgang, der sich nicht aufhalten laCt:
es ist ein sozialpsychologischer Vorgang. Sozialpsychologische Vorgange sind weder notwendig noch unaufhaltsam. Wenn wir aber
das Schwinden der niederdeutschen Dialekte ftir ein Ungliick, fiir einen
groBen geistigen Verlust halten, so miissen wir uns auch fragen, was noch
geschehen kann, um dieses Ubel wieder ruckgangig zu machen oder zum
mindesten seinen Weitergang aufzuhalten. Oder ware es fur alles bereits zu
spat? Zu spat ist es noch nicht; denn die Dialekte leben ja noch, wenn sie
auch schon sehr viel an Boden verloren haben und auch innerlich bereits
weitgehend durch hochedutsche Infiltrationen zersetzt sind. Zu spat ist es
aber noch nicht; aber es ist fiinf Minuten vor zwolf, vielleicht noch spater!
Wenn nicht heute bereits etwas Durchgreifendes geschieht um den Ruckgang
der Dialekte aufzuhalten, so wird in dreiCig bis fiinfzig Jahren niederdeutsdi
nur noch in den weltentlegensten Winkeln (falls es im technisdien Zeitalter
solche iiberhaupt noch geben wird) gesprochen werden.
Es ist nicht nur sehr spat, ja fast schon zu spat; das Ubel sitzt auch sehr
tief. Der soziale Minderwertigkeitskomplex der Dialektsprecher sitzt so tief,
daB von diesen selber schon uberhaupt kein Heil mehr zu erwarten ist.
Kommt ein AuBenstehender in Kreise, die noch des Dialektes machtig sind
und zeigt er hier sein Interesse fiir den Dialekt, so wird er schon fast nicht
mehr fiir voll genommen; in den Augen vieler, gerade derer, die es angeht,
bin ich bereits diskreditiert, wenn ich mich iiberhaupt nur fur etwas so Nie-
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diirfte. Ja, so ist es wirklich!
kommen muB, von wo Ja auch das schlechte Beisp.el kam.
Alt-Arnsberg vor 100 Jahren
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Sauerland - Suderland
VON DR. J. KOHLE, NUTTLAR
Immer noch gehen dieMeinungen auseinander dariiber.ob die ursprunglidie
Bezeichnung „Sauerland" nichts anderes als „Suderland = Sudland^ bedeute_
Von den Gegnern dieser Auffassung wird besonders nachdruckhch ms Feld
gefiihrt, dafi unser Sauerland gar nicht der siidlichste Teil der Provmz Westfalen sei.
Prufen wir einmal die Entwicklung an Hand der Geschichte. Mit der Provinz Westfalen kann die Angelegenheit nichts zu tun haben ^eil sie ers^
1817 durch ihren ersten Oberprasidenten v. Vincke f ^^l^^f -J' ^ ^^J^
Konigreich Westfalen mit der Hauptstadt Kassel kann ^^^se Sache gleicMals
nichts zu tun haben, well wir diesem Konigreich me angehort haben. Nem
dese Angelegenheit geht auf unsere altsachsischen Vorfahren zuruck. Das
sLuerland bildete den sudlichen Teil des Sachsenlandes In der Ausgabe 3/4
unseres Sauerlandrufes konnten wir lesen, dafi bereits 738 n. Chr. Papst
cTeaor HI von den „Suduosi" schrieb. Die Sprachgrenze zwischen den
Franken und Sachsen ist heute noch deutlich auszumadien. Sie geht uber den
Kamm des Rothaargebirges. Noch heute erkennen wir an den Sp«chunterschieden, ob wir z. B. in Schmallenberg oder im benachbarten Kreis Wittgenstein sind.
In der vorerwahnten Ausgabe des „Sauerlandrufes" wird zudern betont,
daB schon im 11. Jahrhundert das Wort „Surlandia" auftaucht. Die Autfassung, dafi nach der Taufe Widukinds im Jahre 885 der Sachsenkneg abqeflaut sei, ist viel verbreitet, aber vollig abwegig. Grade im Sauerland hat
sich nachweislich Karl der Franke noch 20 Jahre hinterher mit unseren
sachsischen Vorfahren herumgeschlagen, bis im J^^re 805 der Friede karn^
Vom sachsischen Heer hat er jeden dritten und von der Zivilbevolkerung
jeden zehnten Mann deportieren lassen. In dem Zusammenhang muB der
unqst geauBerten Meinung, die Sachsen hatten den Krieg nicht als so grausam empfunden, scharf entgegeng'etreten werden. S.e sind kemeswegs gem
Christen geworden. Denn sie haben sich 33 - sage und schreibe: dreiunddrelBig Jahre energisch dagegen gewehrt, und nur mit ^f ^ drako;^^;*^"
Mitteln konnte sich Karl zuletzt behaupten. Es wird zudem beriAtet, dafi die
Sachsen noch bis ins 13. Jahrhundert hinein heimlich ihre Pferdeopfer darbrachten, wenn auch nicht alle, so doch ein Teil von ihnen.
Von den Karolingern bis zu Luthers Zeiten war die plattdeutsche Sprache
unsere Amts-, Schrift- und Volkssprache. Als im friihen und hohen Mittelalter die Entwicklung der Familiennamen und der Aufbau des dienenden
Adels (Ministerialadels) begann und sich ausdehnte, tauchen Namen auf die
uns hier stark interessieren miissen. Unter dem Graf en Ludwig von Arnsberg
wird 1279 Johannes de Suderlande genannt. Sowohl 1313 wie 1317 fmden wir
Richardus de Suderlande und 1348 Richard und Lambert Brodere yon dem
Zuderlande. 1360 hieB ein Offizial in Soest Heynricus de Suderland. ) und -).
1) Tucking, Blatter zur naheren Kunde Westfalens.
2) Seibertz, Urkunden.
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Besonders wesentlich erscheint uns die Schilderung, die der Geschichtsschreiber Kaspar Vogt von Elspe in der Beschreibung der Herzogtiimer Westfalen und Engern gibt. Er bezeichnet den siidlich des Haarstrangs gelegenen
Teil als „SuderIandia, quae modo Surland dicitur". Vogt von Elspe hielt also
vor rund 300 Jahren die plattdeutsche Bezeichnung „Surland" fiir eine verdorbene Form von „Suderland".
Aus dem Dargelegten mag sich jeder Interessent selbst sein Urteil bilden.
iiii B iii: B !!:! B iii: B iii: B ill! B iiil B ilii B iiil B iili B iiii B iiii B
Voile aditzig Meilensteine sind mir flugs begegnet
auf dem langen Lebenspfade, reich von Gott gesegnet.
Dieser Male langen Kette scbau rastend heut ich nach,
wie am Raine dieses Pfades Herbes und auch Schones lag.
Der erste stand im Sauerland, vom Aggerbach umflossen,
wo an treuer Mutterhand die Welt sich mir erschlossen.
Wo der Landschaft Runenbild friih sich offenbarte,
das der junge Wandersmann im Herzen tief bewahrte.
Ich griifie dich, mein Sauerland, du meiner Wiege Garten,
wo goldner Kindheit Meilensteine meines Werdens harrten.
Wo in reifen Mannesjahren meines Lebens Wege
fiihrten iiber Berg und Tal, iiber tausend Stege.
Wo vom Berg die Bachlein springen und die Lerchen tiriliern,
iiber tausend Gipfel bin der Sonne Feuer gluhn.
Wo am treuen Wanderstab ich durch Dorf und Stadt geeilt
und, wo voile Humpen standen, ich immer gern geweilt.
Mochte gern noch welter wandern durch die schone Welt,
die Du mir, an Wundern reich, Herr, aufs best' bestellt.
Riick den letzten Meilenstein drum in weite Fernen,
doch, wenn Du es anders meinst, ruf mich zu den Sternen!
Franz Predeek
Der Verfasser voUendete am 17. Marz in Lippstadt, sein 80. Lebensjahr.
Der SAUERLANDRUF gratuliert ihm nachtraglich herzlich.
B Iiii B iiif B Nil B iii! B iiii B iiii B iiii B iiii B iiii B iiii B iiii B iiii
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KurfiJrst Klemens August ^J ;
VOR 200 JAHREN:
HERZOG VON WESTFALEN
Es sind in diesem Jahr 200 Jahre her, daC Kurfurst Klemens August von
Koln, Herzog von Westfalen usw., starb. Von keinem Landesfursten des
alten kurkolnischen Sauerlandes wird so viel gesprochen, keiner hat allerdings auch so viele Erinnerungen zuniickgelassen, denn er war nicht nur ein
prunkliebender Furst, der wie alle anderen den franzosischen Sonnenkonig
nachahmen wollte, sondern auch ein baulustiger Herr (SchloIS zu Arnsberg
erneuert, JagdschloB in Hirschberg gebaut, Hirschberger Tor), sondern er war
auch der groBte Nimrod seiner Zeit. Eine Ausstellung in Briihl bei Bonn berichtet von ihm und seinem Zeitalter in Dokumenten.
Er wurde 1700 geboren, war also erst 60 Jahre, als er starb. In allem, was
er tat und dachte, war er ein Kind seiner Zeit und als solches muB man ihn
zu verstehen suchen. Ins Sauerland, das damals von seinem heute so attraktiven Namen kaum etwas wuBte, kam er sehr oft, hielt verschwenderischen
Hof aut seiner Arnsberger Residenz und jagte im Arnsberger Wald, das zu
seiner Zeit noch voller Hirsche und Schwarzwild war und gelegentlich auch
noch Wolfe hatte.
In Arnsberg feierte Klemens August hiiufig seinen Geburts- und Namenstag. Hier, im groBen Saale seines Schlosses, eroffnete er den Landtag seines
Herzogtums Westfalen, eben des kolnischen Sauerlandes. Die Landstande, die
Vertreter der Ritterschaft, der Stadte und Freiheiten, wurden „zum HandkuB
zugelassen". Wenn der Kurfurst sich in Arnsberg aufhielt, wurde das sonst
so stille Landstadtchen ein Versailles im kleinen und er sein Sonnenkonig,
in dessen Schein sich das ganze Landchen sonnte.
Jagden Im Arnsberger Wald
Beherrschte in jener Zeit der „Dreiklang von Theater, Musik und Jagd"
das Hofleben im allgemeinen, so waren in Arnsberg besonders das Scheiben-
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sdiieBen in Obereimer und das Jagen im Arnsberger Wald beliebt. Dieses
grol3e Jagdgebiet der Grafen von Arnsberg und der Kolner Kurfursten wird
Clemens August in besonderer Weise nach Arnsberg gezogen haben. Darum
hielt es den Kurfursten Clemens August nicht allzu lange in Arnsberg. Er zog
mit seinem Gefolge weiter nach Hirschberg, wo sein GroBonkel und Vorganger Max Heinridi auf den Triimmern eines alten Schlosses ein neues
JagdschloB hatte erbauen lassen. Die groBen Jagden, „bei denen viele Tage
vorher das Wild zusammengedriickt, mit Lappen und Netzen am Ausbrechen
gehindert wurde und bei denen Hunderte von Hirschen und Sauen zur Strecke
gebracht wurden, verlangten naturlich auBer dem groBen Jagd- und Forstpersonal ein Aufgebot von Hunderten von Treibern". Die Treiber batten sidi
mit Klappern zu versehen, „alles bey Strafe von einem kolnischen Gulden".
Fiir die geredite Denkart des Kurfursten zeugt eine Anweisung an seine
Jager: er verbot ihnen, die Horigen, die. zu Treibern befohlen wurden, zu
schlagen, zu iiberlasten und zu drangsalieren.
Wenn der Kurfurst hin und wieder, etwa bei der Auerhahnbalz, mit einem
kleinen Gefolge auf den Hohen des Arnsberger Waldes jagte, iibernachtete
er in einer seiner Jagdhiitten. Wir finden heute noch in der Nahe des Plackweges, nicht allzu weit vom Stimmstamm, eine Tafel mit der Inschrift: Standort einer Kapelle der Kurfiirsten von Koln. Clemens August (1723—1761) las
dort vor Ausiibung der Jagd die hi. Messe.
Das JagdschloB in Hirschberg ist verfallen. Aber das „Hirschberger Tor",
durch das Clemens August im Jahre 1753 den SdiloBhof durch seinen Baumeister Schlaun abschlieBen lieB, konnen wir heute noch in Arnsberg bewundern. Es tragt auf vier Pfeilern eine groBe Tiergruppe, die als das beste Werk
des Bildhauers Manskirsch bezeichnet wird.
Ein glaubiger, frommer Mensch
Als der Papst Clemens August, den Inhaber von fiinf Bischofsstuhlen, an
die Weihen mahnte, schreckte er vor der Verantwortung zuriick, er, der
keinen Beruf zum geistlichen Stand verspurte. Er bat seinen Vater, ihm
wenigsten einen Aufsdiub zu erwirken. Ja, eine Gewissensangst trieb ihn
sogar zur Bereitschaft, auf seine Wurden zu verzichten und sidi in ein Kloster
zuruckzuziehen. Doch sein Vater war dariiber sehr entriistet und setzte seinen
Willen durch. Und so empfing Clemens August ein paar Jahre nach seiner
Wahl die hoheren Weihen. Der Papst selbst weihte ihn zum Bischof. Clemens
August ist ein glaubiger, frommer Mensch gewesen. Er besaB den besten
Willen, seine Pflichten gegen Gott und die Kirche zu erfuUen. Aber er war
eben nur ein Mensch, ein Mensch ohne besondere Berufung, nicht sehr starken
Willens. Trotz seiner Frommigkeit ein Weltkind mit einer uberaus groBen
Freude an allem Schonen.
Die starke kindliche Frommigkeit, die Clemens August sich ein Leben lang
bewahrt hat, die auBerordentliche Gute und namentlich die groBe Freigebigkeit, die nach den volkswirtschaftlichen Anschauungen des 18. Jahrhunderts
wesentlich auch dem Streben nach einem flotten Umlauf des Geldes innerhalb
des Landes entsprangen, haben den Kurfursten zum Liebling seiner Untertanen gemacht. Seine fast 40jahrige Herrschaft hat noch einmal den alten Satz
bestatigt: Unter dem Krummstab ist gut leben!
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Bel Sauerlandern In Chile
Aus Allendorf im Kreis Arnsberg stammt Hubert Schneidersmann, der viele
Jahre in Chile als Pflanzer und Vermessungsbeamter tatig war. Im Rahmen
der bekannten Kleinen Westfalischen Reihe des Westfalischen Heimatbundes
(III/7) •) erzalilt er in seinem Heftchen „Westfalische Siedler an der Westkuste Sudamerikas" von der Begegnung mit einem Siedler, der aus der
Mescheder Gegend stammt und von der Jagd auf einen Puma.
Bei Carlos Glagges. — Der Silberlowe
Im groiSen ganzen gesehen, waren sie alle in Ordnung und hilfsbereite
Menschen, diese Westfalen. Wenn man selbst im Dreck gesessen hat, kann
man den gut verstehen, der audi heraus will. Am lebendigsten steht Carlos
Glagges vor mir, Don Carlos, wie er allgemein genannt wurde. In der Nahe
von San Pablo, einem kleinen Landstadtchen bei Osorne, bewirtschaftete er
seinen Fundo. Vom Sauerland aus der Gegend von Mesdiede war er als
junger Mann ausgewandert. Gern war ich bei ihm, und wenn seine Frau
Maria, geb. Hohmann, einen Gast begriiBen konnte, stand sofort eine Karaffe
Apfelwein auf dem Tisch — selbstgekelterter natiirlidi. Audi Don Carlos
hatte es gesdiafft, rund adithundert Morgen gerodeten Boden nannte er sein
Eigentum, mit einem Viehbestand von zweihundert Stoick GroBvieh und
einigen hundert Sdiafen.
Davon kann man auch in Chile schon leben. Don Carlos war seinen diilemsdien Peones, seinen Knechten gegenuber, die alle auf dem Gut wohnten
und ihr kleines Haus hatten, ein gerechter Patron. Gab ihnen lieber bei den
Auszahlungen einen Peso mehr als zu wenig. Ich weiB, daB einmal ein
deutsdier Mann zu ihm kam, der fur seinen Betrieb ein Joch Ochsen gebrauchte, doch zum Kauf kein Geld besaB. Don Carlos hatte ihm ohne weileres die Ochsen gegeben mit der Bemerkung, „Wenn Du mal reich geworden
bist, kannst sie mir bezahlen". Don Carlos war unbedingt zu den Menschen
zu rechnen, die das gute Ansehen Deutschlands begriindeten.
Es war Herbst in Chile geworden, und ich war fiir einige Wodien bei Don
Carlos als Gast. Die Weizenfelder waren abgeerntet. In den Stoppeln lagen
die „Perdize", die groBen chilenischen Feldhuhner und Wildtauben in groBen
Schwarmen. Da idi von meiner Jugend auf passionierter Jager gewesen bin,
ging idi mit Treff, dem guten Hiihnerhund, taglich auf Jagd, die immer ergiebig ausfiel. Wenn ich dabei an die Urwaldgrenze kam, sudite ich an den
Stellen, wo der einsetzende Winterregen schon brackige Lachen gebildet
hatte, nach Fiihrten des Silberlowen, des Pumas, der in dieser Jahreszeit
gerne aus den Waldern ins freie Gelande kommt, um zu rauben. Man hatte
mir gesagt, daB sidi noch allerlei Raubkatzen hier herumtrieben, dodi die
•) Klelne WestfSlische Reihe, Gruppe III, Heft 7, „Westfallsche Siedler Im SUdwesten
sudamerikas", Verlag Aschendorff MUnster, Herausgeber Westfalischer Heimatbund-
Preis 0,50 DM
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Spuren, die ich sah, stammten vom Fuchs und Stinktier; vom Puma waren
keine dabei. Abends beim Lampenschein saB ich dann mit Don Carlos und
Frau Maria gemtitlich zusammen, ein guter Tropfen stand auf dem Tisch, und
es wurde erzahlt von der alien Heimat, vom Sauer-, Sieger- und Miinsterland, denn gerade der Deutsch-Chilene, das habe ich festgestellt, wird so leicht
sein Stammland nicht vergessen. Die Tage vergingen, schon dachte ich an die
Abreise. Da klappte es doch noch mit dem Silberlowen!
Eines Morgens sitzen wir beim gut gedeckten Friihstiickstisch, da kommt
ein Vaquero ins Zimmer und meldet, daB ein Puma in der Nacht auf der Weide
zwei Schafe geschlagen hat. DaB ich die Mahlzeit im Stiche lieB, mir einen
Poncho umhangte und mit dem Mann zu der Stelle ritt, wo der Puma gehaust
hatte, war eins. Wohl ein Kilometer vom Hause entfernt lag schon WeiBes
im Griiinen, das erste Schaf, der Hals weit aufgerissen und angefressen, ein
typischer PumabiB. Diese Raubkatze hat einen auBergewohnlichen Blutdurst,
und wenn es ihr moglich ist, schlagt sie ein Tier nach dem anderen, um an
moglichst viel Blut zu kommen, ehe sie den Hunger am Fleisch stillt. Als wir
welter dem Walde zu reiten, liegt bald das zweite geschlagene Schaf vor uns,
aber nicht so frei wie das erste, sondern mit Gras und Erde fast zugedeckt.
Fine Eigentiimlichkeit des Pumas besteht darin, daB er eine Beute, die er nicht
sogleich vollig vertilgen kann, versteckt oder zudeckt, um spater zuriickzukehren und reinen Tisch zu machen, so wie die Hunde manchmal einen
Knochen verstecken. Zu solch einer versteckten Beute wird der Puma, sofern
er nichts besseres findet, in der nachsten Nacht bestimmt zuriickkehren. Wir
reiten um die Stelle herum, steigen aber nicht ab, um keine Menschenwitterung auf den Boden zu bringen, denn der Puma hat eine unglaublich gute
Nase. Nur vielleicht siebzig Meter sind es von hier zum Waldrand, und darauf
baue ich meinen Jagdplan auf. Jetzt die Raubkatze jagen zu wollen, ware
Unsinn, denn langst haben die Regenfalle die Witterung verwischt, und wer
weiB, in welchem Baumwipfel tief im Urwald der Schafrauber mit voUem
Magen seinen Tag verschlaft. Vielleicht schon gelagert in einer Mulde, die
dicke Aste geschaffen haben. Die einzige Moglichkeit, seine Bekanntschaft zu
machen, ist der Nachtansitz; wir haben fast dreiviertel Mond, und dabei laBt
sich in Siidamerika allerlei sehen — Biichsenlicht ist also da.
Wir reiten nach Hause, und ich unterbreite Don Carlos meinen Plan. Dieser
bietet sich sogleich an, die kleine, zweiraderige Wohncarete — ein kleines
Hauschen auf Radern, in dem gerade ein Mann Platz hat — am Waldesrand
mit gutem Ausblick auf die zugedeckte Beute aufzustellen und mit Zweigen
so zu tarnen, daB sie sidi kaum vom Waldesrand abhebt. Darin werde ich
bei Einbruch der Dunkelheit meinen Anstand beziehen und das weitere dann
dem „Waidmannsheil" iiberlassen.
Als die Dammerung aufzieht, reite ich mit dem Vaquero zur Carete. Warm
angezogen, denn ich werde wohl stundenlang warten miissen, nehme ich eine
schwere Winchesterbiichse mit, die ist in diesem Falle wohl das richtige. Vom
Sattel aus steige ich in mein Hauschen, der Begleiter reitet sofort wieder helm
und nimmt mein Pferd an sich. Nun bin ich allein auf welter Flur und mache
es mir erstmal in dem kleinen Raum bequem, seize mich auf die schmale
Pritsche, lade meine Winchester und stelle sie gesichert in eine Ecke. Die
kleine Tiir der Carete ist ausgehangt. So habe ich einen vollig freien Blick am
Waldrand entlang und auch in die Weite der Felder, die sich vor mir bis zum
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Horizont ausbreitet, grau und diesig. Nun habe idi Zeit, und meine Gedanken
konnen wandern.
Ja, wo saB ich nicht schon iiberall auf Anstand, und wie oft! Zuerst wohl
bei meinem Onkel Schulte, Forster im Hohenrot bei Siegen, der mich Schulbub, als ich bei ihm die Ferien verlebte, auf den Bockansitz mitnahm. Und
auch Onkel Fritz, Forster in Relisiepen, Kreis Meschede, konnte mir keine
groBere Freude machen, als mich in den Wald zu fiihren. Alter geworden,
kam die Zeit, wo man selbst eine Biichse schultern durfte, und am Bergeshang
im Sauerland fiel mein erster starker Bock durch eine sicbere Kugel. Ich hatte
damals wodienlang vor Morgengrauen meinen Ansitz bezogen, unermiidlich.
Schon waren diese Stunden, wenn der Tag erwacht, die Vogel erst schiichtern
zirpen und pfeifen, bis freie Sicht wird und dann alle den neuen Tag vollstimmig begriiBen, Jahre spater saB ich auf Wildschweine am Samoanischen
Urwaldrand an. Eine ganz andere Angelegenheit natiirlich, die Siidsee mit
ihrem Wild. Und nun sitze ich wieder am Urwaldrand, nun in Chile, und
warte auf den Silberlowen, auf den Konig der Walder. Sie sind ja schon, diese
Raubkatzen im freien Gelande, und man sollte sie eigentlich in ihrem Raubritterleben nicht storen. Aber hier ist es nun so, daB dieser Waldkonig in
den Frieden der Schafherden mit Mord eingebrochen ist und auch welter einbrechen wird. Deshalb sitze ich hier, den Frieden wieder herzustellen. „Con
Razon", sagt der Chilene, „mit Recht".
Bei meinem Sinnieren haben die Augen das Gelande vor mir natiirlich
unter KontroUe gehalten, nichts ist mir entgangen. Zwei Chingue, Stinktiere,
sind vom Waldesrand ins Freie gewechselt, dicht an meinem Ansitz vorbei,
und im Dunkeln verschwunden. Und dann ist wieder etwas los: ein Fuchs,
Mit Spiel und Tanz begann der Maien
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der sich auf die Keulen setzt und nach alien Seiten sichert. Ich stehe regungslos in meiner Carete, der Bursche darf mich nidit wittern, denn damit ware
es wohl aus mit meinen Aussichten. Denn die Warnsprache der Tiere ist ausqepragter, als wir ahnen. Vielleicht ist der Fuchs audi Kundschafter des Pumas der vom Tisch des Waldkonigs seinen Tell bekommt. Jetzt schnurt der
Fuchs langsam am Waldrand entlang und kommt mir aus der Sicht. Langst ist
der Mond aufgegangen, leichte Regenwolken hemmen seinen Schem.Meine
Uhr zeigt auf zehn, zwei Stunden sitze ich schon hier, so allmahhch muBte der
Herr der Walder kommen. Ein alter Waidmannsspruch fallt mir em: „Nur der
Jager Unverdrossen hat zuletzt sein Wild geschossen." Ja oft genug hatte
ich schon diese Wahrheit ausprobiert. Nochmal eine halbe Stunde Ich habe
den Waldrand wie auch die graue Weite vor mir nicht aus den Augen gelassen. Dort ist ein Punkt, der vorher nicht war Vielleicht ist es der Fuchs
der die Felder herausgewechselt. Will er zum Walde zurudi? Der Punkt,
erst regungslos, wird groBer und groBer; es ist der Puma^ Ich hatte ihn aus
dem Walde erwartet, aber er kommt von drauBen, von den Weiden. Wird
dort die Schafe vergebens gesucht haben und nun hier den Hunger s illen
wollen. Noch ist er wohl funfzig Meter von dieser Stelle entfernt, da klappt
er zusammen, liegt regungslos. Jetzt sichert der Bursche nochmal das Gelande
ab, ehe er sich zum ungestorten Schmaus begibt. Ich stehe m der gutgetarnten
Carete, wie gemauert, lasse ihn keine Sekunde aus den Augen^ Das dauer
wohl eine halbe Minute, dann schnellt er hoch. Einige Satze, und dann steht
er an seiner Beute. Noch einmal sidiert er in die Weite, dann scharren die
Pranken die Deckung fort, der Schadel senkt sich, das Naditmahl begmnt.
Nun ist es soweit. Vorsichtig entsichere ich die Btichse; bloB nicht beeilen
ich habe ia Zeit. Und gegen das blBchen Jagdfieber einige dutzend Mai tief
und langsam atmen. So lehrte es midi mein Vater, der Oberforster im Sauerland und es hatte mir stets geholfen, schon vor Jahrzehnten, als ich den
ersten Rehbock vor das Visier bekam. Dann gehe ich in Anschlag und warte
auf den Moment zu einem guten BlattschuB. Noch Sekunden, dann ha das
Visier die richtige Stelle gefunden. Den Finger krumm, und der Knall der
schweren Biichse peitscht in die stiUe Nacht. Ein kurzes Aufbaumen druben,
ein leises Jaulen, und schon kommt der Getroffene in schnellen Sprungen.
Will er mich angreifen, will er seinen Feind vernichten, wie er es als Konig
des Waldes kennt, oder sucht er sein Heil im schutzenden DiAicht? Langst
habe ich repetiert, die zweite Kugel in den Lauf geworfen, es geht um Sekunden. Nochmal Blitz und Knall. Der Puma erhalt fast im Sprung nach vorne
wieder das todliche Blei. Schon ist eine neue Patrone im Lauf. Aber weiteres
ist wohl nicht mehr notig, denn vor mir in drelBig Meter Entfernuiig liegt der
Korper lang ausgestreAt, ruhig wie im Schlaf, roUt langsam auf die Seite.
Die Pranken schlagen einige Male durch die Luft, dann Ruhe und Stille.
Ich seize mich auf die Pritsche der Carete und warte, minutenlang Nidits
hat sich druben mehr geriihrt. So trete ich aus meinem Ansitz und gehe langsam zu dem Gestreckten. Der Mond scheint jetzt hell. Im offenen Maul leuAten die weiBen ReiBzahne, und die Haarspitzen des S'^f^-^^^^^^^'^Xf /tlTn'
mern fast silbern im weiBen Licht. Silberlowe, so denke ich, du sdilagst kern
Sdiaf und kein Fohlen mehr. Dann setze ich midi auf die Deidisel meiner
cTrete und lausche in die Nacht! Sch5n sind die Minuten der Entspannung
nach soldi erregendem Geschehen. Dann wandere ich langsam heimwarts.
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Zweimal Plattdeutsches:
Ein Geschichtchen vom Borberg
Aer ick nau saun Junge wor, liiiwere in user Nohwerskopp en alt Menske,
dat hette Threstante. Duse Threstante kam et Owens fake mit der Strickhuase
noh usem Hoiise, satte sit up et Holtkisteken tiger em Kacheluawen un hell
mit user GroBmutter en Proleken. Threstante wuBte ok wundertame Vertellekes, besonders sau sdioine grusselige Geschichten, bai alle „riditig wohr
wuren, un wann se't imme herre, vertallte se us Kingern stundenlank.
Hai is sau ent van dian Geschichtekes, bat ik grade behallen hawwe.
Swickers Oime un Schulten Kaspar kamen mol et Owens late uowern
Buarbiarg. De Mone schien helle un wies nen Wiag dor en Biarg. Van Brailen
her horten se de Niegene luen, sais wur alles stiUe. Dei beiden hallen sik
tegange dat se balle heime kamen; kenner saggte en Wort. Do kummet se
an Buarberges Kiarkhuaff, se sett all diiin GrasplaB tusker en Boimen noge
vor sik leen. „Dunerjo", siet Kaspar, „bat is et mai warme wurden, soffe us
nit eis en wennig int Gras
Oime, Oime, - do - bat is dat?" De Oime
is auk stohn bliewen un kucket stur int Gras. Un do sittet do im Grase ne
graute witte Gaus mit swarten Fliigeln un schwarten Sterte, un umme sik
riimme hiat se ne Krans van witten Eggern.
Dei Gaus fluiget up mitsamt en Eggern un fluiget lanksam up dei beiden
tau un dei — hastdumichnichtgesehn — laupet, bat se laupen konnt, dor
Holt un Heide un halt eis wier Ohm, bo se de Hilbrinkser Bieke vor sik sett.
De Oime kucket sik iimme, ower niks is mehr te seihn.
Up em Muilere meint dann Swickers Oime: „Vai barren doch nit forts sau
outnaggen sollen, bei weit — me soil werhaftig nau mol ummgohn un —
„0 Heer, Oime, swaigit umme GuatteswiUen stiUe van diam Diere, mai biewet nau alle Knuaken, wiir ik terheime!"
Et wur stiekeduister, bo se in Brailen ankamen. De Oime wur moihe taum
Uemmefallen un korm doch nit slopen. Dai Geschichte genk em imme Koppe
rumme. Bat wur dat mit diar Gaus ewiast? Een wirklich Dier? Ne Stuark
vlidite? Oewwer dei selfsame Blick, dian dat Dier hat harre, sau trurig, sau
gans anders arre bai me richtigen Diere!
Einerlei! Moren woll hei gohn
un dei Sake ungersauken!
Et andern Dages giegen Owend nahm hai siiinen Isel un riere nom Buarbiarqe. Richtig, dei Gaus sat do wier, hei soh se all tiisker en Boimen. Nou
owwer drup tau, Oime, nit bange sien! Ja wuall! De Oime woll wuall, ower
de Isel woll nit. Aer hei dei Gaus soh, bleif hei stifle stohn. (Grade arre sain
klauke Vedder, dei domols Kauwes op der Reise noh Potterbuarn dian sfediten Streich spielt hiat.) De Oime konn anfangen, bat hei woll, de Isel bleif
stohn Diam Oimen geng de Geduld oiit. Hei kiimmert sik umme kenn Gespenst, un kennen Buarbergs Kiarkhuaff, niemt en Kniippel un „D6u sdieiwe
Drache verfluchte Misthucke, geste noii!" roipet hei in heller Bausheit un
hogget, bat hei kann, up dian armen Isel. De Isel blitt stohn, owwer de Gaus
bort sik hauge in de Luff, fluiget bit jewwer en Oimen un fanget an te sochten, dat et em Oimen heit und kalt wert un siet: „0 doii! Iselsloen is kenn
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Bittgankgohen! De Eckerte sittet nau am Baume, un out diiir Eckerte wasset
ne Eike, un out diiir Eike werd ne Weige snien, un in diar Weige slopet en
Junge, bei Sunndages unger der Haumisse junk ewuren is, un wann dei
Junge' sau alt ewuren is, iirre dou noii bist, dann eis kann hei mik erloisen.
O dat dou sau eflauket un eslagen hiast!" Un dann fluiget dat Dier wiag un
is un blitt verswunden. Swickers Oime owwer harre salt diam Dage sneiwitte
Hoore.
Sau vertellte Threstante.
„Hu, GroBmutter, bat is et duister! Stick doch de Lampe an!" „Dumme
Blacren giii konnt uge Geld nau imme Duistern tellen. Binget ug ne Katte
vor't Knei!"
F"*^ Hillebrand (*)
En billigen Hasen
Lugen-Schmidt un Grimme iiawernachtern in der Frawerg (Fredeburg). Det
owends fanten siek imme Stiiiiweken ainige Heerens in, unner annerem en
jungen Heern, dai do aame Gerichte te daune harre as Referendar un vamme
Wintmerge stammere. Hai hort, dat dai bairen Frumeden diin annern Daag
nome Wintmerge wellt no diim oUen Pastauer Wurm. „Yi Heerens konnt my
wual en Gefallen daun. Fortens tieger der Pastrote wuhnt myne Momme,
Wenn yi sau guet syn woUen un froogeren, ot dai Hase aankuemen les, dun
iek van Muarn op de Post dohn hewwe, det leBte Mol ies hey nit aankuemen.
„Geerne, geerne", kritte taur Aantwort.
Dun anneren Nummerdaag, giegen vaier, fyf luhr kummet dai bairen oppem
Wintermerge aan, un Liigen-Schmidt erkunniget siek foortens no diar Wittrau G. „Dai wuhnt hy tygeraan, kuem, iek goh iawen met", segget Wurm,
„Grimme, kanns unnerdiaB de Pypen stoppen".
Oq" segget Liigen-Schmidt, „iek woU der ollen Momme nen GriuB beste'llen'. . ." „Schoienen GriuB van uggem Suhne, Mutter, iek hewwe ne
giestern in der Friawerg druapen! Nai Mutter, bat ne netten Mensken! Un
bat klauk, dai weert sieker nog mol wat Hauges in Hamn^ odder gar m Berlyn.
Niii, Mutter, gratelaiere ugg . . . owwer segget mol. Mutter, dai Haase les
dog aankuemen? Iek hewwe giestern met uggem Suhne kiuert. Syt sau guet
un halere ues ropper! Hewwe gistern met uggem Suhne kiuert . . ." De gure
Momme kuemet gar nit taum Nodenken. Met mynem Suhne kiuert? Na, dann
sail et wual stemmen, Se gait de Kellertrappe runner un brenget dun Haasen.
Liigen-Schmidt bedanket siek vielmols, bestellt naun netten GriuB aan den
Heern Suhn un gait.
In der Pastroote schmitte diin Hasen in de Kiieke: „hy Friiilein, taume
Owendiaten".
„Bat makest diu dann", kykerne de oUe Pastauer aan. „Bat iek maake?
Dat siuhste. Iek suarge fiiarn guret Owendiaten. Dai oUe Momme harr jo
keine Tiene imme Munne, vy owwer konnt Hasenflaisk byten. Met diim netten Suhne do in der Friiwerk well iek et wual in de Ryge krygen." No acht
Dagen kritt dai nette Suhn in der Frawerk diiar de Post fyf Mark tauschicket.
Op der annern Syt van diim Schyn stait: „dat ies fiiiir diin Hasen, hai hiat
guet schmecket".
(Freiburg)
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Volksfrommigkeit und Wochentage
Neue volkskundliche Forschungsergebnisse zum Ferhdhnis von Liturgie und Brauchtum
stoJSen die Wissenschaft auf neue Forschungsaufgaben.
Die Siebenzahl der Wochentage pragt unser Leben weitaus starker, als
viele Menschen ahnen. Das Auf und Ab menschlicher Leistungsfahigkeit und
viele seelische und korperliche Vorgange voUziehen sich — gelegentlich in
Phasen von mehreren Wochen — in diesem unentwegt pulsierendenRhythmus.
Uralte Formen der Kalendereinteilung, wie sie iiber Jahrtausende hinweg
der Orient auf uns iiberlieferte, schwingen mit. Volksglaube und Aberglaube,
Zahlensymbolik, Phantasie und nicht zuletzt aucti das wirklidie Zeiterlebnis
gaben der Siebenzalil manche verspielte und hintergrundige Deutung, sie
alle verflochten eigene farbige Faden in diese Arbeit am Webstuhl der Zeit,
wie sie Goethe („Faust", Erster Teil) sieht. Den Christen gilt die bestiindige
Wiederkehr der sieben Tage fast als sine Ordnung Gottes, seitdem er die
Welt erschuf.
Nun meldet sich ein Gelehrter mit neuen Fragestellungen zu Wort; as ist
der um Westfalen mannigfach verdiente Historiker, Theologe, Volkskundler
und Kulturpolitiker Pralat Prof. D, Dr. Georg Schreiber aus Mtinster,
bekannt auch als Vorsitzender der Historischen Kommission fiir Westfalen.
Er legt ein Werk „Die Wochentage im Erlebnis der Ostkirche und des christlichen Abendlandes" vor. Es erschien als wissenschaftliche Abhandlung der Arbeitsgemeinschaft fiir Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen (Westdeutscher Verlag Koln und
Opladen, Ganzleinen, 284 Seiten, DM 23,—). Was sind seine Anliegen?
Sobald man sich namlich mit dem Sinn beschaftigt, den im Laufe der letzten
Jahrhunderte und Jahrtausende die Woche als Ganzes und jeder Wochentag
als ein Teil von ihr erhielt, offnet der Sieben-Tage-Zyklus dem forschenden
Blick eine Schatzkammer farbiger Uberlieferungen. Weit schweift der Blick
dabei zuruck in feme Vergangenheit. Der vorchristliche Orient, das antike
Griechenland und Rom, die Kelten und Germanen legten bereits ihr geistiges
Erbe hier nieder. Die romisch-kathollsche Kirche des europiiischen Abendlandes und die griechische Ostkirche am Schnittpunkt von Europa und Asien,
deren geistiger Mittelpunkt (bis zur Eroberung durch die Tiirken im
Jahre 1453) Byzanz, das spatere Konstantinopel und heutige Istanbul, war,
hinterlieBen weitere tiefe Spuren. Jede geschichtliche Epoche und jede groBe
geistige Bewegung teilte also den Wochentagen ihr Gedankengut, ja oft ihr
bestes Kulturgut mit, das die spateren Zeiten dann nach Belieben verwalteten und anderten, wenn sie es nicht gar veruntreuten.
Waren die Wochentage nach Schreibers Forschungen ein wahres Sammelbecken fiir Gedankengut und Volkstum, so batten sie auch stets eine gewaltige Last von menschlichen Anliegen, Symbolen und Pflichten zu tragen. Das
Gemeinschaftsleben der Kirche, das profane und kultische Brauchtum und der
quellkraftige Volksglaube spiegelten diese Fracht widen mit ihnen bradien
Bitte und Dank, Zukunftsangst und Gottvertrauen, Freude und Schmerz des
Volkes hervor. Sie erfiillten Gelobnisse, Gebete, Volksandachten und Votivmessen, die vor allem im Mittelalter an ganz bestimmten Tagen gehalten
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wurden. Wallfahrt, Prozessionen, Andachten und religioses Schrifttum brachten die gleichen Sorgen und das gleiche Gliick der Geborgenheit ebenfalls
wieder an bestimmten Tagen zum Ausdruck. Solche Gewohnheiten breiteten
sidi aus und wanderten die Verkehrswege entlang bis in feme Landschaften.
Stadte, Wallfahrtsorte und Kloster wurden Mittelpunkt dieses kultischen
Lebens. Jeder einzelne Wodientag hatte bald seine eigene Rolle iibernommen.
Esist ein gewaltiges Panorama und eine weithin ausladende F e r n s i c h t, die dieses neue Werk „Die Wochentage" dem Leser mitteilt. Hier
begegnen sich Brauditum, Recht und Liturgie, ja mehr nodi, wie ein roter
Faden, wie ein iiberraschendes Leitmotiv, gibt sich der fruditbare Gedanke,
daB die kirchlidie Liturgie fortgesetzt durch Jahrhunderte hindurch den Weg
zum Brauchtum, ja selbst zum Rechtsbrauchtum und Gesetz findet. Der christlidie Kult befruchtet das Volkstum, das Volkstum wiederum wirkt auf den
Kult.
995 Anmerkungen mit Literaturnachweisen, 13 Seiten Schrifttumsverzeidinis und ein sehr sorgfaltiges Stichwortregister von 25 Seiten beweisen
bereits rein auBerlich, welch ein riesiges Material bei diesem Werk iiber die
Wochentage nicht nur verarbeitet, sondern auch stets iiberpriifbar und nachsdilagbar ist.
Dr. Klaus Rockenbach
5MM5a<^5-/Aif6cW
De Har, dai schannte in der Priak':
„Ey Biuern, schiamt ugg wuatt,
Am Simndag Knechts-Arbett te dauhn,
Ganz giegen Guatts-Gebuatt.
Wenn'k weyer hor, dat hey im Duarp
Det sunndags diesket bai,
Diam kreyge ik den Fliegel fut,
Brenk ne der Polezai."
Niu harre an diam selben Dag,
Dai Nixnutz, Nowers Fritz,
Met seynem Flitzebuagen-Pinn
Anschuatten Nowers Spitz.
Dai Holtkamp kraig seyn Siihnken sik,
Un trock et iiawert Knai:
„Diu Fliegel, diu, ik diask di walk,
Lahr af di, quialn det Vaih!
Do grain dai Jung'; „Vaar, wacht bit morn,
Deyn Diasken gaiht te weyt,
Waihst nit, bat de Pastau'r hiat saggt,
KriBt suB met diam noch Streyt."
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J. Putter
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WESTFALENS ADAM RIESE:
Rechenmeister Heinrich Knoche
Vor 50 Jahren, am 21. Oktober 1911, starb in Hiisten der bekannte Rechenmethodiker Heinridi Knoche; ein elnfacher sauerlandischer Schulmann, der
durdi unermiidliches Selbststudium und Schaffen, und durch sein aufgebautes
Werk zu einer solchen Bedeutung gelangte, daB schon bei seinen Lebenszeiten die Fachpresse ihre anfangliche Zuruckhaltung und gegensatzlidie
Stellung aufgab und ihn anerkennend pries. So schrieben beispielsweise
Knoppels „Padagogische Monatshefte" (1899, Heft 4): „Was die philosophische
Seite anlangt, so kann Referent (C. Gutberlet) nur seine Bewunderung fiir
die Leistungen eines Elementarlehrers auf pliilosophischem Gebiete, und zwar
in Fragen, in denen selbst Fadimanner straudieln, ausdriicken. Gar mandier
unserer hochgepriesenen deutschen Denker konnte iiber das Wesen der Zahl,
der Rechenoperationen, von Knoche lernen." Noch manche andere ehrende
Anerkennung wurde dem schlichten Dorfschulmeister zuteil.
Mit Heinrich Knoches Namen eng verkniiptt ist die Statte seines Wirkens:
Herdringen, das aufstrebende Sauerlanddorfchen, das wegen des dortigen
prachtigen Fiirstenbergschen Stammschlosses im Volksmund stolz „die
Grafenstadt" geheiCen wird. 40 Jahre lang wirkte Knoche als Lehrer an der
dortigen Schule. Fine groBe Gedenktafel weist mit knappen Satzen darauf hin.
Uber seine Rechenmethode schrieb Heinrich Knodie unter anderem zusammenfassend selber: „Ich habe ein neues Prinzip fur den ersten Redienunterricht aufgestellt; aus diesem heraus habe ich die Entstehung und das
Wesen der Zahlen, Zahlbegriffe, Zahlverhaltnisse und Zahloperationen klargelegt und daraus eine neue Abstufung des Stoffes und ein in mancher Hinsicht neue Unterrichtsverfahren hergeleitet. Der heutige grundlegende
Rechenunterridit ruht auf dem Prinzip der Anschauung. Demgemafi ist es das
Vorstellungsvermogen, das die Zahlen zur Auffassung bringt und die Durdidringung derselben bewirkt. Diesen Irrtum habe idi widerlegt und nachgewiesen, daC Zahlen und Zahlbegriffe, wiewohl durch Vorstellungen vermittelt, dennoch wirklidie Erzeugnisse des Verstandes sind, und das man
seither ein wesentliches Moment zur Gewinnung der Zahlbegriffe, namlich
die Sdiliisse, iibersehen hat. Bei der seitherigen Methode heiBt es: Sorge
fiir fortwahrende Anschauung und tuchtige Ubung. Bei diesem Grundsatz
blieb das Erlernte vorwiegend Gediichtnissache. Damit der RechenunterrichI,
aber zur Verstandessache werde, muB es in der Folge heifien: Sorge fiir Anschauung, fiir gehorige Fertigkeit im SchlieBen und tiiditige Ubung." . . .
Heinrich Knoche wurde am 19. Marz 1831 in dem sauerlandischen Dorfchen
Holthausen geboren. Das auBere Leben dieses schlichten Volksmannes bewegt sich in einem denkbar einfachen und bescheidenen Rahmen. Als 68jahriger sdirieb er iiber sich selbst: „Ich mochte etwa 16 Jahre alt sein, als
die Frage entstand, was aus dem Jungen werden sollte. Da wagte ich es,
meinen schon als Schulknabe gehegten Wunsch, Lehrer zu werden, zu pffenbaren. Es war im Hungerjahre 1847. Mein Vater war tot. Meiner Mutter
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wurde es sdiwer, sich mit ihren acht Kindern, deren viertaltestes ich war,
durchzuschlagen. Dennoch gab sie meinem Wunsche nach... Ich bekam
Aufnahme in das Lehrerseminar zu Biiren, aus welchem ich im Herbst 1852
mit dem Zeugnis Nr. 1 entlassen wurde. Die Konigliche Regierung zu Arnsberg iibertrug mir sofort die Verwaltung der Lehrerstelle in Herdringen.
Dort verblieb ich 40 Jahre lang, namlich bis zu meiner Pensionierung am
1. Oktober 1892."
Julius Mette-Holzen vorm Luer
Der lachende Huhnerhund
In den neunziger Jahren wohnte ich als Schiiler bei meinen Eltern in
Niedersfeld (Krs. Brilon). Mein Schwager war Forster beim Forstamt Glindfeld bei Medebach. Er besuchte uns haufig und brachte dann einen Huhnerhund namens Lord mit, der dem Forstmeister von Devivere gehorte. Dieser
Hund konnte lachen. Wenn er wieder zu uns kam, sah er uns an und gab
seine Wiedersehensfreude durch lebhaftes Lachen kund. Er lachte auch, wenn
man ihm sagte; „L6rdchen, lache mal."
Dieses Lachen stimmte genau mit dem Lachen iiberein, das im Lexikon
wie folgt beschrieben wird; „Unter Lachen versteht man eigentiimliche
Atmungsbewegungen, bei welchen die Ausatmung in mehreren schnell
hintereinander folgenden StoBen unter mehr oder weniger starkem Schall
ausgefiihrt wird. Diese Atmungsbewegung ist jedoch beim Lachen stets mit
einer Zusammenziehung der mimischen Gesichtsmuskeln verbunden, welche
im wesentlichen auf einer Verbreiterung der Mundspalte hinausiauft." Genau
so hat Lord gelacht, ohne daC es ihm jemand beigebracht hatte.
Das Lachen hat Lord einmal das Leben gerettet. Ein Mann war beauftragt,
als Lord noch klein war, ihn zu ertranken. Als Lordchen den Mann kurz vorher anlachte, brachte er es nicht iibers Herz, das freundliche Hiindchen zu
toten. Der Mann brachte Lordchen dem Forstmeister zuriick, bei dem er dann
bis ans Lebensende liebevolle Pflege hatte.
Als mein Schwager einst im Winter spat abends mit Lord zu Fufi von
Niedersfeld nach Glindfeld ging, holte ihn Lord zu einem betrunkenen
Manne, der auf der Heide zwischen Gronebach und Kustelberg lag, und schlief.
Hatte mein Schwager den Mann nicht nach Gronebach gebracht, ware er in
der kalten Nadit erfroren.
Nach seiner Zurruhesetzung wohnte Forstmeister von Devivere in Olsberg,
etwa 27 km von Glindfeld entfernt. Als er einst verreiste und schon mehrere
Tage nicht zuriickgekehrt war, war Lord wieder nach Glindfeld gelaufen,obschon er lange Zeit vorher beim Umzug in einem geschlossenen Wagen nach
Olsberg gefahren war. Wahrscheinlich hatte Lord das Gefuhl, daB sein guter
Herrchen wieder in Glindfeld sei.
Eduard Kraling, Neheim-Hiisten
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r- y':M^^f^^^^^
650 Jahre
OIpe
Die Lindenstadt Olpe, deren Bewohner der sauerlandischen Heimatsache
besonders zugetan sind, beging im Monat Mai das 650jahrige Bestehen. Ehrenbiirger Erzbischof Dr. Lorenz Jager sagte in seinem GruBwort unter anderem;
„Mit Ergriffenheit habe ich in der Festschrift die Urkunde der Stadterhebung gelesen und bin tief beeindruckt von dem GruB- und Wunschwort, mit
dem die Urkunde eroffnet wird: ,Wir, Heinrich, von Gottes Gnaden der
hi. kolnischen Kirche Erzbischof . . . entbieten alien, zu welchen der gegenwartige Brief hinkommen wird, Heil und fiir immer die Erkenntnis der Wahrheit . . .'
Was konnte ich in dieser festlichen Jubilaumsstunde Euch Besseres
wiinsdien als eben dieses Heil, das der Stadt Olpe und ihrer Bevolkerung
im Laufe ihrer langen Geschichte im heiligen Glauben und der ununterbrodienen Glaubenstradition so tiberreich zuteil geworden ist. Davon fcunden
die Kirdien und Kapellen, die Bildstocke und Wegkreuze im Olper Land; davon berichtet die Geschichte der Pfarrei; ungezahlte Priester- und Ordensberufe geben davon Kunde; das erweist nicht zuletzt jene groBe bliihende
Schwesternkongregation der Olper Franziskanerinnen, die den Namen bis
ins feme Amerika hinein bekannt gemacht hat..."
Die „Heimatstimmen", die bekannte Zeitschrift des Olper Heimatvereins,
geleitet von Norbert Scheele, ist aus AnlaB dieses Stadtjubilaums als sehr
umfangreiche Sondernummer erschienen und stellt ein wertvolles Stiick
Heimatgeschichte im geschriebenen Wort dar, das den Bogen von der Griindungsurkunde bis zu unseren heutigen Tagen umspannt.
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Die neue Benediktinerkirche in Meschede
Noch in diesem Jahr soil mit dem Bau der neuen Benediktinerkirdie in
Meschede begonnen werden. Zu dem bekannten Plan dieser „Friedenskirdie
fiii: das Sauerland" hat sich'Abt Dr. Harduin Biessle OSB selbst geauBert
und sagt dabei im Hinblick auf die fiir das Sauerland zweifellos moderne Gestaltung des Gotteshauses unter anderem:
„Wesentlich fiir die moderne Ardiitektur ist, dal5 man von i n n e n
nach auBen baut. Unsere Kirdie ist in erster Linie eine Monchskirche,
die dem Gottesdienst der Mondie dient. Als soldie hat sie in dem nadi Norden
liegenden Rundbau das Presbyterium mit dem Abtsthron an der Riickwand
und dem Altar auf der Vorderseite. Dieses etwas hoher gelegene Presbyterium ist ausschlieBlidi dem Priester und seinen Assistenten vorbehalten.
Ihm ist der etwas tiefer gelegene Chorraum der Monche vorgelagert. Von
hier aus nehmen sie am heiligen Opfer teil, hier verriditen sie ihr Chorgebet.
An diesen Chorraum sdilieBen sich nadi riickwarts, zunachst sich verbreiternd,
die Platze fur die Glaubigen an, die von uberall her freie Sicht auf den Altar
und Abtsthron haben. Rechts und links vom Presbyterium, mit einem Zugang
aus dem Schitt der Kirche, sind die Sakramentskapelle und die Marienkapelle
angebaut, iiber denen sich die beiden Tiirme erheben.
Die neue Kirche ist A b t e i k i r c h e des Benediktinerklosters Konigsmiinster. Sie dient in erster Linie den Monchen fiir den Gottesdienst. Nadi
dem Ordensstifter St. Benedikt ,soll dem Gottesdienst nidits vorgezogen
werden'. Darum haben die Benediktiner von je her ihre erste und schonste
Aufgabe darin gesehen, den Gottesdienst feierlidi und wiirdig zu gestalten.
So wollen sie den letzten Sinn des menschlichen Lebens, ja der gesamten
Schopfung verwirklidien, die Anbetung und Verherrlichung des Allerhochsten. Gerade in unserer Zeit mit ihrem Diesseitskult und ihrer Selbstsucht, in der das eigene Ich zum Mittelpunkt des Lebens gemacht wird, sind
soldie Statten der Anbetung des Herrn und Schopfers besonders notwendig,
um die Menschen iiber ihr irdisches Dasein hinauszuweisen, um ihren Geist
auf Gott, den Urheber und das Ziel alien Lebens, hinzulenken.
Unsere Abteikirdie, das Miinster Christus des Konigs, soil eine F r i e denskirche sein. In einer Zeit, in der der Friede so sehr bedroht ist
und die Mensdien mit Recht noch mehr als sonst um den Frieden bangen, well
ein Weltkrieg gleichbedeutend sein kann mit der Vernichtung von ungezahlten Menschen, ja von ganzen Volkern, ist es wohl naheliegend, eine
iiberptarrliche, iiberortlidie Kirche, wie es eine Abteikirche ist, als Friedenskirdie zu erbauen. In ihr soil ganz besonders um die Erhaltung des Weltfriedens, um den Geist des Friedens unter den Volkern gebetet werden. Die
Einheit der Volker in Christus und seiner Kirdie soil dadurch zum Ausdrudi
gebracht werden, daB heilige Manner und Frauen aus verschiedenen Volkern
als Vorbilder christlicher Friedensgesinnung in unserer Kirche dargestellt
werden."
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Heimkehr vom Felde
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St. Johannes fur Balve
Franz Josef Greitemann hat fiir die Balver Sparkasse einen St. Johannes
geschaffen. In Balve wird seit einigen Jahren der Johannestag (am dritten
Weihnachtstag) besonders feierlich begangen. Uber die an der Aufienseite
des Baues angebrachte Figur schreibt Dr. Hans Menne u. a.: „Greitemann,
unser Landsmann, hat in seiner sauerlandischen Art fiir Balve eine moderne
Plastik geschaffen, iiber deren kiinstlerische Qualitat heute nur folgendes
gesagt werden soil: Alle, die Greitemanns Arbeiten kennen, wissen, daB
er sich auch in dem Balver Werk treu geblieben ist. Hier geht es nidit um
eine Modeerscheinung des fliichtigen Tages; hier will keiner mit Spielereien
dem Betrachter imponieren. Wenn wir es iiberhaupt in einen Kunststil einordnen wollen, so sei gesagt, daB der Realismus zwar noch als Formelement
vorhanden ist, daB aber durch die Fliichigkeit der Linien und Rundungen der
Kiinstler welter auf dem Wege ist, jene ,Wirklichkeit' zu uberwinden, die
durch Barlach und Lehmbruck vor Jahrzehnten begonnen, durch Gerhard
Marks und Ewald Mataree in unserer heutigen Zeit Aussagen bekommen
haben, ihre genialen Werke von der inneren Substanz her zu schaffen. Die
GroBe der Gegenwartskunst liegt darin, daB durch die Abstraktion des AuBeifc-n das innere Wesen und sein Gehalt zum symbolhaften Leuchten gebracht
wird. — Wir Balver aber danken dem Bildhauer Greitemann fiir sein Werk.
Moge es fernerhin in der Mitte unserer Stadt nicht nur stehen als ein kiinstlerisches Beiwerk, sondern moge es allzeit sein ein Mahner, daB eine Stadt
nur von Bestand ist, wenn Gott und sein Heiliger Richtung und Weisung all
ihren Biirgern bedeuten."
Johannisminne
Johannisminne, ein alter Brauch, ist wieder in der St. Johanniskirche zu
Holzen bei Neheim eingefiihrt worden. Am dritten Weihnachtstag wird im
Hochamt von den Glaubigen mitgebrachter Wein durch den Priester geweiht.
Der Brauch geht auf eine nachweislich seit dem 12. Jahrhundert in vielen
Kirchen — heute vor allem noch in Suddeutschland — gepflegte Tradition
zuruck. Der geweihte Wein wird in den Familien aufbewahrt und als Johanneswein zu Bhren des hi. Apostels als Abschiedstrunk scheidenden Fami lienmitgliedern, aber audi EheschlieBenden und als Genesungstrank
Kranken gereicht.
Der Ernst ist richtig
Jungen auf dem Lande sind schon wiihrend der Schulzeit redit aktiv, indem
sie nach Ablauf der Schulstunden bald am Wasser, bald am Neu- oder Rohbau, bald im Felde, bald im Walde usw. ihre Indianer- oder auch Rauberspiele auffuhren. Wenn die Ferien gekommen sind, haben sie natiirlich noch
viel mehr Zeit fur diesen Zweck. Im Alter von zehn bis zwolf Jahren haben
sie noch nicht das richtige Gefiihl dafiir, was Recht und Unrecht ist.
Im Dezember gibt es fiir unsere Schulkinder Ferien. Das ist so gut wie ein
Naturgesetz. Im Dezember ist die Steigezeit der Forellen, d. h. sie laichen
zwecks Fortpflanzung und haben also Schonzeit. Nun entdeckten im oberen
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Sauerland in den Weihnachtsferien einige dieser Jungen unter einem kleinen
Seitenwehr eines Obergrabens einen Tiimpel. Da dieser wenig Wasser hatte,
war unschwer zu erkennen, daB sich eine Forelle, und zwar eine Laichforelle,
hierher verstiegen hatte und, da sie an dem Steilhang des Wehrs nicht empor
konnte, gefangen saB. Sofort waren einige Jungen zur Stelle, um ihr den
Garaus zu machen.
Eine dumme Geschichte! Denn einmal waren sie nicht fischereiberechtigt,
zum anderen besaBen sie keinen Fisdiereischein und, was besonders schwerwiegend war, die Forelle hatte Schonzeit. Sicherlich konnten daher aus diesem „Attentat",, wenn es erfolgreich gewesen ware, iible Folgen entstehen.
Die Attentater davor bewahrt und der Forelle das Leben gerettet zu haben,
ist das Verdienst des kleinen Ernst, der im Sommerhalbjahr ofter mit
seinen Vater zum Angeln geht, also schon zu den Petrijiingern zu rechnen ist.
Mit den Worten: „LaBt mich mal machen", trat er an dem Tiimpel, fing die
Forelle mit der Hand, setzte sie behutsam, aber schnell, in den Obergraben
und begab sich auf den Heimweg. Die Forelle schwamm natiirlich in ihre
heimatlichen Gewiisser. Wer ein „dummes Gesicht" gemadit hat, ist sicherlich
nicht schwer zu raten.
F- K.
KfQMtwct^|esf
(Aus:
(15. August)
Wir bringen, Christi Mutter, dir
Den duft'gen StrauB getragen;
Zur Weihe heute bringen wir
Was wuchs an Sommertagen:
Dorand, Salbei
und Vielerlei,
Des Feld- und Waldes Wiirze
Der Vater Brauch getreu.
Was deuten uns die Krauter hier
An ihrem Auffahrtsfeste?
Die Tugenden, die reiche Zier,
Drin sie geschmiickt auf's Beste:
Dorand, Salbei
und Vielerlei. . .
Gebricht uns je der werte StrauB.
1st bald die Freud verschwunden;
Doch kehrt der Feind vor unsern Haus
Wenn frisch der StrauB gebunden:
Dorand, Salbei. . .
Mog uns so werter Krauter Kraft
Bestehn und nie vergehen,
DaB, wenn der Tod den Leib hinrafft
Zum Leben er wird gehen:
Dorand, Salbei. . .
„Geistliche Gedichte" von Joseph Pape, Eslohe, Paderborn 1874).
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Sauerland in den Weihnachtsferien einige dieser Jungen unter einem kleinen
Seitenwehr eines Obergrabens einen Tumpel Da dieser wenig Wasser hatte,
•war unsdiwer zu erkennen daB sidi eine Forelle und zwar erne Laichforelle
hierher verstiegen hatte und da sie an dem Steilhang des Wehrs nicht empor
konnte gefangen saB Sofort waren emige Jungen zur Stelle um ihr den
Garaus zu madien
Eine dumme Geschichtei Denn emmal waren sie mcht fischereiberechtigt,
zum anderen besaBen sie kemen Fisdiereischem und was besonders schwer
wiegend war, die Forelle hatte Schonzeit Sidierhch konnten daher aus die
sem Attentat , wenn es erfolgreich gewesen ware uble Folgen entstehen
Die Attentater davor bewahrt und der Forelle das Leben gerettet zu haben
1st das Verdienst des kleinen Ernst der im Sommerhalbjahr ofter mit
semen Vater zum Angeln geht also schon zu den Petrijungem zu rechnen ist
Mit den Worten „LaBt mich mal machen , trat er an dem Tumpel, fing die
Forelle mit der Hand, setzte sie behutsam, aber schnell, m den Obergraben
und begab sidi auf den Heimweg Die Forelle sdiwamm naturlich in ihre
heimatlichen Gewasser Wer ein dummes Gesicht gemacht hat ist sidierlich
nicht schwer zu raten
P K
Xvawfwettest (is August)
(Aus
Wir bringen Christi Mutter dir
Den duft gen StrauB getragen
Zur Weihe heute bringen wir
Was wuchs an Sommertagen
Dorand Salbei
und Vielerlei
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Des Feld und Waldes Wurze
Der Vater Branch getreu
Was deuten uns die Krauter hier
An ihrem Auffahrtsfeste?
Die Tugenden, die reiche Zier
Drm sie geschmuckt auf s Beste
Dorand Salbei
und Vielerlei
Gebricht uns je der werte StrauB
Ist bald die Freud verschwunden
Doch kehrt der Feind vor unsern Haus
Wenn frisch der StrauB gebunden
Dorand Salbei
Mog uns so werter Krauter Kraft
Bestehn und me vergehen,
DaB wenn der Tod den Leib hmrafft
Zum Leben er wird gehen
Dorand Salbei
Geistliche Gedichte von Joseph Papa, Eslohe, Paderborn 1874)
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Terra incognita fur Funk und Fernsehen
Das Sauerland ist seit eh und je fur den Funk, und nun audi fiir das Fernsehen Bin Stiefkind. Wahrend in Colonia ein Riilpsen von Fitter und Schal
schon kommentiert wird, ist das Sauerland ganz weit hinter den Bergeii
schwer mit der Antenne zu erreichen. Und wenn man sidi schon emmal aut
ein solches Abenteuer einlaBt, urn guten Willen zu zeigen, kann man sidier
sein daB nur Halbheiten gezeigt und gesagt werden, womit der Zustand sehr
hoflich gekennzeichnet ist. Den Sprechern kann man zweifellos kemen Vorwurf machen, well sie vorgelegte Manuskripte verlesen, aber von der
Redaktion muB man mehr Sachverstand, zum mindesten bessere Beziehungen
zu Sachverstandigen, die es ihnen sagen konnten, erwarten.
Da das Icurkolnische Sauerland keine verwaltungsmaBige Einheit ist, sondern vier Kreisverwaltungen hat, sei der Sauerlander Heimatbund sem
Spredier Man darf erwarten, daB das Sauerland fiir die Herren m Koln
nicht langer terra incognita bleibt; das Dortmunder Studio hat of fenbar nicht EinfluB genug auf Koln. Die Kolner Kurtiirsten verbrachten fruher
ihre Sommer in ihrer Residenz Arnsberg und hielten Kontakt mit der Bevolkerung; die Funk- und Fernsehmanner soUten. etwas tun, was vor dreiimd vierhundert Jahren schon ublich war.
F^'
Dortmund oder Bodium?
Die GroBen Westfalens, das heiBt Dortmund und Bochum, streiten sich
darum wer die neue Hochschulstadt Westfalens werden soil. DaB nach den
kleinen Stiidten dabei wenig gefragt wird, ist verstandlich; aber das groBe
Sauerland ist nicht uninteressiert daran, wo die neue Universitat sem wird,
obschon sie an sich der Krieg der beiden Stadte nicht interessiert. Viele
Familien ^m mittleren und hoheren Sauerland haben bessere Verkehrsverbindunqen nach Dortmund und manches Kind konnte studieren (bei taglicher
Fahrt), wenn Dortmund die neue Hochschule erhielt. Lediglich aus dieser
- er.
Sicht wiinschen wir, daB man Dortmund bevorzugen moge.
GruBe vom Amazonenstrom
Zwei Missionsschwestern aus Holthausen, Kreis Meschede, haben dem
Sauerlander Heimatbund vom Amazonenstrom her ihre GruBe gesandt:
Schwester Canisia und Schwester Edeltraud Belke, die im vorigen Jahr audi
einen langeren Erholungsurlaub in ihrer sauerlandischen Heimat verbrmgen
konnten, Schwestern, „die dem lieben Gott danken, das schone Sauerland
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ihre Heimat nennen zu diirfen. Wir kamen", so schreiben sie weiter, „in
den Besitz der schonen sauerlandischen Zeitschriften, voll von echt sauerliindischer Dichtung und Bildern der Heimat, an denen wir uns erfreuten".
Die Schwestern schildern in einem langeren Schreiben das Land an diesem
„Strom der Strome", dessen Wasser man noch 300 km wait im Ozean feststellen kann und der bei der Miindung eine Breite von 400 km hat.
Sie erzahlen von der tropischen Tierwelt und von den Menschen und von
ihrer Arbeit: „Wir zwei arbeiteten als Lehrerinnen an einer Lehranstalt im
kleinen Stadtchen Santarem, wo wir 50 Pensionistinnen haben, Kinder bessergestellter Familien und 50 Waisenkinder betreuen, meistens uneheliche Kinder. Der ganze Schulbetrieb umtaBt uber 600 Schiilerinnen, angefangen vom
Kindergarten bis zur funfklassigen Volksschule, die anschlieBend, fiir die
Mehrzahl, bis zum „Einjahrigen", d. h. zum vierten Gymnasialjahr fiihrt.
Eine Auslese der Besten und Fleifiigsten bleibt noch fiir drei weitere Jahre
bei uns, um einen padagogischen Kurs zu machen und das LehrerinnenDiplom zu erreichen. Parallel zu diesem wurde kiirzlich ein zweiter Kurs
aus Gymnastinnen angeschlossen, der „Wissenschaftliche". Beide geben die
Befahigung zu weiteren akademischen Studien, die in den Hauptstadten geboten werden.
Auf einer Strecke von 6 Stunden Flugzeug, am Amazonenstrom entlang,
ist „Santarem" der einzige Ort, der Moglichkeit fiir hohere Ausbildung bietet,
sowohl fiir Knaben wie fur Madchen.
Das Samenkorn, das urftere wiirdigen Stifter Don Amando Bahlmann und
Mutter M. Immaculata v. Jesus in 1910 hier in Santarem in gute Erde legten,
brachte innerhalb von 50 Jahren reiche Frucht. Augenblicklich arbeiten mehr
als 300 Schwestern in mehr als 30 Hausern Brasiliens als Erzieherin und
Krankenpflegerin. In Nord-Amerika, Deutschland, China (jetzt Formosa)
und in Siid-Amerika breitete sich unsere Kongregation weiter aus.
Missionarin sein heiBt „Briicke sein", iiber die die Seelen zu Gott kommen!
Hauptlehrer Theodor Tochtrop in Nuttlar, Mitarbeiter unserer Zeitschrift
und unseres Kalenders „De Suerlanner" und verdienter Mitarbeiter im Sauerlander Heimatbund vollendete das 60. Lebensjahr, wozu auch der „Sauerlandraf" zugleich mit dem Sauerlander Heimatbund herzlich gratuliert.
„De Suerlanner" an derThemse
Mein Dank kommt zwar ein wenig spat, ist aber umso herzlicher. Glauben
Sie mir, der „Suerlanner" ist mir immer einer der willkommensten WeihnachtsgriiBe. Ich bin nun schon bald 12 Jahre in England, und obwohl sehr
gliicklidi, um die Weihnachtszeit sehnt man sich besonders nadi lieben
Heimatkiangen. Und womit konnte man sich da besser trosten als mit dem
guten, alten „Suerlanner"? Kein Wort bleibt ungelesen, und fast jeder Ortsname'bringt liebe Erinnerungen. Dazu die schone, alte plattdeutsdie Sprache.
Hab' mal versucht, meinem Mann einige plattdeutsche Redewendungen beizubringen, leider vergebens, obwohl der Geist sehr willig war, die englische
Zunge wollte einfach nicht mit. Kein Wunder — man muB halt selbst
„suerlannisch" sein.
Crete und Bert W., London
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^aucAanb-lfiul c^miuiieii
Theodor Propper 65 Jahre
Am 26. Mai wurde unser Freund
Theodor Propper, zweiter Vorsitzender
des Sauerlander Heimatbundes, in
Balve G5 Jahre. 65 ist zwar Icein
„gratulationspflichtiges " Alter, aber
hier ist ein herzlicher Gliickwunsch
sehr angebracht, denn Theod. Propper
gehort seit der Grundung des Heimatbundes zum Vorstand, hat mit Franz
Hoffmeister wesentlich die Weichen
gestellt fiir den neuen Heimatzug, der
sich 1923 in Bewegung setzte und heute
ist er immer noch Heizer hinter dem
Lokfiihrer.
Als Organist — seit einiger Zeit mit
dem feierlichen Titel Kirchenmusikdirektor ausgestattet — ist er ebenso
bekannt wie als Schriftsteller, der guter westfalischer Art treu blieb. Seine
Biographie von Franz Hoffmeister ist
zugleich ein Stiick Geschichte des kurkolnischen Sauerlandes. Zu lesen sind
von ihm ferner „Im Schritt des Jahres" aus der friiheren Sauerlandischen
Buchgemeinde, „Die Menschen aus Talfeld" und „Der leuchtende Bogen.
Sein Sammelwerk sauerlandischer Lieder „Klingemund" hat erst vor einem
halben Jahr die Reise durchs Land angetreten und zeugt von seiner Art
heute und sicher viele Jahrzehnte noch. Ad multos annos sagt der Lateiner,
was aut Plattdeutsch bedeutet: Guatt help ugg fodder!
FS.
Josef Ruther 80 Jahre
Unser Briloner Freund Josef Ruther, Studienrat im Ruhestand, vollendete
sein 80. Lebensjahr. Die Tagespresse hat seiner in ehrenden Aufsiitzen gedacht. Zur Gratulation waren die beiden Vorsitzenden des Sauerlander Heimatbundes und Vorstandsmitglied Oberkreisdirektor i. R. Steinecke bei ihm;
der Geschaftsfiihrer des Westfalischen Heimatbundes, Dr. Riepenhausen,
iiberbradite die Gluckwiinsche der westfalischen Heimat.
Josef Ruther gehorte zu den ersten Mannern des Sauerlander Heimatbundes und hat ihm neben Franz Hoffmeister Gehalt und Richtung gegeben.
Er war — und das hat der SHB ihm herzlich zu danken — auch die Schriftleitung des Heimatkalenders „De Suerliinner" gehabt und ebenso die der
Bundeszeitschrift „Sauerlandruf". Aus seiner Feder stammen die „Heimatkunde des Kreises Brilon", ein wesentlicher heimatgeschichtlicher Beitrag
liber den Kreis Brilon hinaus, „Pragungen" (Regensberg, Miinster), vor
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einigen Jahrzehnten schon „Spuren der Romer in Deutschland" und in vielen
Aufsatzen in Zeitungen, Zeitschriften und Kalendern hat Josef Riither nicht
nur der Heimat, sondern besonders den Menschen dieser Heimat gedient
mit seiner Art, die trotz alter Verwurzelung in ihr docli weit iiber die Heimat ins Ewige weist. „Riitliers Denken und Handeln wachst aus elementaren
Gegebenlieiten, aus ethisclien und religiosen Griinden" sagt Dr. Riepenliausen im Westfalenspiegel und da liegt ganz natiirlicli aucli der Grund, daB
er mit dem „Dritten Reich" sehr schnell aneinander geriet und auseinanderkam — in die friihe Pensionierung. Wir wissen, daB Josef Riither mit der
Erfahrung seiner 80 Jahre, der Weisheit des Alters und der Bescheidenheit
eines klugen Mannes jedes Lob abwehrt, so bleibe uns dann wenigstens,
hiermit herzlichen Dank zu sagen, was er ftir den Sauerlander Heimatbund
war und was er fur die Menschen dieses Landes mit seiner Arbeit getan hat.
Und damit verbunden der Wunsch fiir noch viele Jahre!
FS.
Josefa Berens-Totenohl 70 Jahre
Josefa Berens-Totenohl vollendete das 70. Lebensjahr. Am zweiten Ostertag des Jahres 1891 — 30. Marz — wurde sie in Grevenstein geboren. Die
Osterglocken waren zugleich die Totenglocken fur die Mutter. Josefa BerensTotenohl besuchte das Lehrerinnenseminar in Arnsberg und bestand 1914 ihr
Examen. In Diisseldorf studierte sie spater Malerei und kam dort ganz in
das geistige Leben hinein, besuchte Theater und horte Konzerte. Als die
Franzosen 1923 das Rheinland besetzten, zog Frau Berens-Totenohl nach
Hoxter um dort nun ganz der Malerei zu leben. Im Jahre 1925 kehrte sie ins
Sauerland zuriick und land ein Unterkommen in Totenohl. Nach dreizehn
Jahren unternahm sie eine Reise nach Marokko und Spanien und nach ihrer
Ruckkehr griff sie zur Feder und schrieb ihr erstes Werk, „Der Femhof" (1934)
und „Frau Magdlene" (1935). Heute in 275. Auflage sind beide zusammengehorende Teile unter dem Titel „Die Leute vom Femhof" verbunden.
In groBeren Abstanden folgten: „Der Pels" (Roman 1943), „Im Moor" (Roman 1944), „Der Alte hinterm Turm" (Erzahlung 1947), „Die Stumme" (Roman 1949) und „Die heimliche Schuld" (Roman bei Gebr. Zimmermann,
Balve 1960). AuBer diesen umfangreichen Romandichtungen erschienen: „Das
schlafende Brot" (Gedichte 1936), „Einer Sippe Gesicht" (Epos 1941), „Die
goldenen Eier" (Miirchen 1949), „Die Liebe des Michael Rother" (Erzahlung
1953) und „Das Gesicht" (Erzahlung 1956).
Die Dichterin erhielt 1936 den Westfalischen Literaturpreis; sie hat mit
ihren Werken weit iiber die sauerlandische Heimat hinaus gewirkt.
In Warendorf wurde Hermann H o m a n n 60 Jahre alt. Er ist Verfasser
vieler plattdeutscher Volksstucke. Fast alle seiner 16 Horspiele und sechs
Biihnenstucke sind Komodien, 1935 hatte er in Ostbevern die Spielschar „Dat
lachende Dorp" iibernommen und schrieb nun dafiir die Stiicke selbst. „Hahn
giegen Hahn" wurde sein Bestseller; rund tausendmal ist das Stiick aufgefiihrt worden. „Ich meine, daB nicht nur das groBe Theater eine moralische
Anstalt sein sollte, sagte er einmal, und deshalb bemiihe ich mich, gerade
dort, wo viel gelacht wird, eine nette Alltagsmoral anzubringen."
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iAyn^cUaiA. tm ^aueAanb
In Schmallenberg erhielt Paul Wiethoff sen. aus AnlaB seines 78. Geburtstages den Ring der Stadt Schmallenberg. Der Geehrte war von 1916 bis 1929
Stadtverordneter, und von 1933 bis 1945 Vertreter der Stadt in der Amtsvertretung und viele Jahre im Kreistag.
Prof. Dr. August Stieren, der auch durdi seine Forschungen als Archaologe
im Sauerland bekannt ist, vollendete sein 75. Lebensjahr. Als Leiter des
Landesmuseums fiir Friih- und Vorgeschichte in Miinster, folgte ihm jetzt
Dr. Hans Beck, der seitherige Leiter der Arnsberger AuBenstelle des Museums.
Archivrat Dr. Wilhelm Schulte - Ahlen, der ein ganzes Leben der westfalischen Heimat gewidmet hat, vollendete sein 70. Lebensjahr. Lange war
er Hauptgeschaftsfuhrer des Westfalischen Heimatbundes; in jahrzehntelanger schriftstellerischer Arbeit hat er viel zur Aufhellung der Gesdiichte
unserer Heimat getan. Vor dem Escheinen steht sein Buch „Westfalische
Kopfe".
Monsignore Dr. Reinold, Herausgeber der Neuen Bildpost und des katholischen Lesebogens in Bodefeld, wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Er ist Polizeiseelsorger fiir den Regierungsbezirk Arnsberg.
Vor 125 Jahren wurde in Kruberg (Kreis Olpe) der Verfasser des weltbekannten Kolpingliedes, Dechant Kaspar Berens, geboren, der in Rumbeck
starb.
Geistlicher Rat Theodor Dreesen in Thiilen
Priesterjubilaum.
feierte das diamantene
Die Gemeinde Silbach im Kreis Brilon feierte ihr 400jahriges Bestehen, bei
der Bundestagsabgeordneter Balkenohl die Festansprache in Plattdeutsch
hielt. Es wurde ein Heimatstuck von der Laienspielschar aufgefiihrt: „Wie die
Bergfreiheit Silbach entstand."
In Olpe findet alljahrlidi die Agatha-Prozession durdi die StraBen der Stadt
statt. Sie geht zuriick auf ein Geliibde, daB die Olper 17 Jahre nadi dem Ende
des DreiBlgjahrigen Krieges taten. Die Prozessionsteilnehmer tragen wahrend
des Umzuges Fackeln und Kerzen.
Das Tauziehen um die Seilbahn Siedlinghausen - Hildfeld eines Steinbrudiunternehmens sdieint nun nach vielen Memoranden, Protesten, EntsdilieBungen und Gutachten ein Ende gefunden zu haben. Man weiB, daB
der Minister in Dvisseldorf, ebensowenig wie der Regierungsprasident zu
einer Ablehnung des vom Verkehrsverein Siedlinghausen heftig bekampften
Projekts kam, gegen das sich auch der Sauerlander und Westfalisdie Heimatbund und der SGV ausgesprochen hatten. Die Amtsvertretung hatte einstimmig den Plan befiirwortet; nun hat die Gemeinde Niedersfeld, iiber deren
Grund die Bahn gehen wiirde, die Genehmigung versagt, wodurch das Projekt offenbar unmoglich geworden ist.
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34 plattdeutsche Autoren reichten Arbeiten ein beim Preisausschreiben
des Westfalischen Heimatbundes, das bekanntlich das plattdeutsdie Laienspiel fordern will.
„Dusende von Dollars" hieB ein plattdeutsches Stiick von Hiarm Wember,
das in Liinen erfolgreich aufgefiihrt wurde.
Rektor Brauers „Driidchen", ein plattdeutsches Volksspiel, wurde in Brilon
wieder einmal mit groBem Erfolg aufgefiihrt. Seine Urauffuhrung erlebte das
Stiick vor elf Jahren.
Uber „Sitte und Brauchtum" sprach der Bezirkssenior Karl Schulte aus
Meschede vor den Kolpingsfamilien in Bodefeld und Oberkirchen.
In Riiblinghausen sprach Kreisheimatpfleger Norbert Scheele vor der
Kolpingsfamilie. Der vielseitige, heimatkundliche Vortrag fand groBes
Interesse.
Im Olper Heimatverein sprach Dr. Heitfeld iiber die geologischen Verhaltnisse des Biggetals und ihre Auswirkungen auf den Talsperrenbau und zeigte
mit Farbdias und Zeichnungen, wie bestimmend die geologisdien Verhaltnisse fiir jede Phase des Sperrenbaues gewesen sind und bleiben.
Ein Fredeburger, Josef Schiittler, 1902 als Sohn eines Fabrikarbeiters geboren, wurde Arbeitsminister im Ministerium von Baden-Wiirttemberg,
1920 trat er dem Christlichen Metallarbeiterverband bei und iibernahm 1930
die hauptamtliche Leitung des Verbandes in Singen. Als Bundestagsabgeordneter war er wesentlidi an der Schaffung des Rentenreformgesetzes beteiligt. Seine sauerlandische Heimat hat „Schuttlers Jupp" nicht vergessen.
Vor 25 Jahren, vom 17. bis 18. April 1936, gab es im nordlichen Sauerland
die Schneebruchkatastrophe. An einer Scheune in Hirschberg, befindet sidi
folgende Balkeninschrift: „Am 18. April 1936 zerbradien gewaltige Schneemassen die Halfte unserer Fichtenbestande, Sdineehohe 70 cm." Die alte
Scheune, 1788 nach dem groBen Brand der Stadt Hirschberg erbaut, war
unter dem Schnee zusammengebrochen.
Die Freilichtspiele im Sauerland haben inzwisdien ihre neue Spielzeit begonnen. Wir weisen noch einmal darauf hin, daB man in Elspe den „Wilhelm
Tell", in Hallenberg „Wie die Alten Sungen", eine Geschichte vom alten
Dessauer, und in Herdringen „Die heilige Elisabeth", ein Mysterienspiel von
Eckardt, spielt.
Die Letmather Volkshochschule hat eine Arbeitsgemeinschaft „Heimat- und
Volkstumspflege". Diese ehrte im Februar den Heimatdiditer Rektor Franz
Nolte, der aus Allendorf im Kreis Arnsberg stammt und in Letmathe Rektor
war. Den Letmathern hat er ihr Heimatlied geschenkt. — Es wurde auf einem
Heimatabend auch ein Dorfspiel „Hiarkemai" von dem Ehrenbiirger der Gemeinde R. Heetmann aufgefiihrt.
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Die „Glucke", Arnsbergs priichtige Jugendherberge hat nach rund 40jahrigem Wirken fiir die wandernde Jugend ihre Tore geschlossen. Eine
Viertel Million Gaste hat sie beherbergt. Sie war die erste Jugendherberge
der Welt, die als seiche gebaut worden ist.
Rektor Franz Henkel, Naturschutzwart des Westdeutschen Skiverbandes,
Vertreter der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, trat nach 42jahrigein
Schuldienst mit Erreichung der Altersgrenze in den Ruhestand. Alle Volksschulen des Kreises Brilon legten aut seine Anregung hin einen Schulwald an.
Innerhalb von zwei Jahren wurden im Kreis Brilon durch seine Initiative
10 000 Nistkasten und Futtergerate gebastelt.
TOTGNCLOCKG
Der neue Kreisheimatpfleger fur den Kreis Arnsberg, Konrektor i. R.
August Neuhiiuser, Arnsberg, starb ganz plotzlich, noch ehe er richtig zum
Zuge mit seiner Arbeit gekommen war, auf die er sich gefreut hatte. An der
Beerdigungsfeier nahm der Vorstand des Sauerlander Heimatbundes tell.
Auch fur die wenigen Monate seiner Tatigkeit schulden wir ihm iiber das
Grab hinaus Dank.
In Arnsberg starb Dr. Dr. h. c. Clemens Giese, 81 Jahre alt, gebiirtiger
Ainsberger, Ministerialdirigent in seiner Berliner Tatigkeit. Er gilt als der
Vater des Tierschutzes.
In Heggen starb Dr. med. Rademacher, der die Geschichte des Dorfes
Heggen schrieb, deren Drucklegung er leider nicht mehr erlebte und dessen
Liebe zur Heimat auch ihren Niederschlag in zahlreichen Gedichten und Lieder gefunden hat. Auch im Plattdeutschen war er ganz zu Hause; wie ihm
auch die Heimat- und Volkstumspflege besonders am Herzen lag.
Zeitungs-Verleger Friedrich Klagges in Bochum, geburtig in Wiemeringhausen, starb im 80. Lebensjahre. Er war Inhaber des papstlichen Ordens
pro ecclesia et pontifice und des Bundesverdienstkreuzes.
Kurz vor RedaktionsschluB erreicht uns die Nachricht, daB in Olpe
Schulrat Josef Bartmeier im 63. Lebensjahr plotzlich gestorben ist, nachdem
er tags zuvor noch seinen Dienst getan hatte. Seit 1945 war er in Olpe und
leitete zunachst den Lehrerbildungskursus. Ein Leben im Dienste der Jugend
ist damit beendet worden; im Dritten Reich war er nach Ramsbeck „strafversetzt", von wo ihn die Amerikaner holten und mit dem Wiederaufbau des
Schulwesens im Kreis Olpe betrauten. Er war nicht nur Mitglied, sondern
als Freund der sauerlandischen Heimat auch aktiver Forderer des Sauerlander Heimatbundes, der ihm ein dankbares Andenken bewahren wird.
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Von Blattern und Biichern
Ferdinand Tonne: Weg unter Sternen
Gedichte — Ganzleinen mit Cellophan-Schutzumschlag, 80 Seiten,
Josefs-Druckerei, Bigge, DM 3,30.
„Je wahrer und echter, je groBer und tiefer etwas ist, desto schlichter
auBert es sich in seiner Form", so schreibt Ferdinand Tonne in seinem Buch
„Gesegnete Einfalt". Diese Worte sind kennzeichnend fur den Gedichtband
„Weg unter Sternen", der uns vorliegt. Der Weg unter den Sternen ist unserer
Zeit etwas Fremdes geworden, weil sie immer nur vorwarts hastet, und es
verlernt hat, aufwarts zu schauen. Bei dem Dichter der Stille lernen wir wieder Besinnung und Verinnerlichung. Seine Verse fuhren den Menschen zu
sich selbst zurttck. Tonnes Gedichten wohnt die Kraft inne, in den Dunkelstunden des Lebens da zu sein, zu heilen und zu trosten. Man soil diesen
MaBstab in unserer Zeit der Wende am Abgrund neuer Geschehnisse nicht
unterschatzen. Des Dichters tiefste und schonste Liebe gilt den kleinen Dingen,
den schlichten Formen, den einfachen Wegen,
Heinrich Luhmann (Hrsg.): Das Sauerland, Raum, Kultur, Wirtschatt
(= Deutsche Landschaft, Bd. 7, Burkhard-Verlag Ernst Heyer, Essen,
1960, 200 S, DIN A 4, mit Textskizzen und vielen Fotos, Ganzleinen
DM 24,—).
Die sorgfaltige, geschmackvolle Aufmachung des Buches und die Namen
der Mitarbeiter (unter ihnen H. Luhmann, L. Maasjost, W. Brockhaus,
H. Rothert, H, Schauerte, C, Wigge, C. Herbermann, J. Berens-Totenohl,
F. Nolle, H. Beck, H. Tuch) versprechen von vornherein ein gutes Werk. Die
vielen, groBformatigen Bilder sind ein wesentlicher Bestandteil des Buches.
P. Waltram Schiirmann (OFM); 300 Jahre WaUfahrt nach Werl.
Verlag Franziskanerkloster Werl.
Die Geschichte der Wallfahrt nach Werl (1661 — 1961) ist gerade 300 Jahre
alt und sie ist spannend zu lesen fiir jeden, der sich Werl verbunden fiihlt
und das ist seit vielen Jahren das ganze Sauerland. Das reich illustrierte Buch
wjrd sicher auch im Sauerland viele Freunde finden.
Josef Menge, Benninghausen: Unter Gauchos und deutschen Siedlern
in Sudbrasilien.
Paulinus-Verlag, Trier.
Ein Sauerlander — der Verfasser ist in Attendorn geboren — erzahlt in
diesem Buch lebendig aus seinen Jahren, die er beruflich als Priester in
Sudamerika verbrachte. Er ist iibrigens der Verfasser des nach dem ersten
Weltkrieg sehr bekannt gewordenen Buches „Ohne Waffe", in dem er den
Krieg schildert, wie er ihn als Feldgeistlicher gesehen hat.
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Paul Engelmeier: Westfalische Hungertucher
(= Veroff. a. d. Westfalischen Museen, Heft 4, Miinster, Verlag
Aschendorff, 1961, 64 S., 71 Abb., 1 Karte, kart. DM 15,80, Leinen
DM 18,—)In dieser volkskundlichen und kunstgeschichtlichen Untersuchung erweist
sjch, auf mitteleuropaischem Hintergrund, Westfalen und hier insbesondere
das. Miinsterland als eine Landschaft, die fur die textile religiose Kunst in
der Filetstopfarbeit in Leinen einen Beitrag geleistet hat, der, ahnlidi den
Weihnachtskrippen dieser Landschaft, als lebendiger Ausdruck der Volksfrommigkeit nach Umfang, Eigenart und Leistung besonders Beachtung verdient. Seit 1306 in Westfalen nachweisbar, mit einer ersten Bliitezeit im
14, und 15. Jahrhundert und erneut sehr lebendig in der ersten Halfte des
17. Jahrhunderts und wieder in der Gegenwart, hatten die „Hungertucher"
zunachst die Aufgabe, in der Fastenzeit den Altar zu verhiillen und spaterhin
den Zweck, durch symbolische und figiirliche Darstellungen reich gesdimiickt
und iiber dem Altar aufgehnagt, das Volk zeidienhaft auf die geschlossene
Zeit, auf das Leiden des Herrn hinzufuhren. In den Motiven und Formen des
Dekors sind jahrhundertelang spatgotisdie Muster verarbeitet worden, dareben hat die Renaissance stark eingewirkt. Engelmeier gibt eine Bestandsaufnahme der westfalischen Hungertiicher, vornehmlich des 16. bis 19. Jahrhunderts, unter kritischer Wiirdigung, Abanderung und Erganzung friiherer
Arbeiten. Aus dem Sauerland sind die Hungertucher von Grevenstein und
Hellefeld noch erhalten.
Martha Bringemeier (hsg.): Vom Brotbadten in fruherer Zeit
(= Veroffentlichungen des Archivs fiir westfalische Volkskunde,
Heft 3, Miinster, 1961, Selbstverlag der Volkskundlichen Kommission des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, 136 Seiten,
brosch. DM 4,—).
Josef a Berens-Totenohl: DIE HEIMLICHE SCHULD
Verlag Gebr. Zimmermann, Balve. 288 Seiten, 10,80 DM.
Es ist gewagt, nach dem „Femhof" und „Frau Magdalene" noch einmal in
denselben Waldgrund zu steigen, aber ich muB sagen, m. E. ist das doch ein
gelungener Wurf, weitab von der heute iiblichen Manier. Vielleicht ist es
aber auch die Vertrautheit mit Land und Leuten, die mich besonders aus
diesem Roman anspricht. Das Wirtschaftswunder paBt zu dem echten Typ
des Sauerlanders am allerwenigsten und die Zeichnung einer kargen strengen
Bergwelt, wo der Bauer noch mit der Natur im ewigen Kapfe steht, ist das mir
von Kindesbeinen an vertraute Bild. Hinter dem Roman steht aber das groBe
Schuld- und Siihneproblem, das unserer Zeit auf den Leib geschneidert sein
diirfte, und es wird in einer annehmbaren Weise bewaltigt, ohne Weichheit
und Sentimentalitat, ohne Verdammungsurteil sdilechthin. Denn es ist nur
zu wahr, daB Gut und Bose noch immer in jeder Menschennatur stehen seit
Urbeginn, und uns Menschen nur wenig ein letztes Richteramt zusteht, wenn
wir glaubwiirdig bleiben woUen.
Dr. Carl Sasse
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