inform Nr.1 Februar 2015

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inform Nr.1 Februar 2015
01 inform FEB_x 26.01.15 16:56 Seite 1
P.b.b. Verlagspostamt 8000 Graz 02Z031875 M 6,50 EUR
inform exklusiv
Nur in der Ausgabe für Mitglieder
von Physio Austria enthalten:
12 Seiten Berufspolitik, Tipps und
Services für PhysiotherapeutInnen
Zeitschrift von Physio Austria, dem Bundesverband
der PhysiotherapeutInnen Österreichs
Nr. 1 Februar 2015
physioaustria
inform
Physiotherapie und
Interdisziplinarität
© Kalim - Fotolia.com
Im Mittelpunkt die PatientInnen.
01 inform FEB_x 26.01.15 16:56 Seite 2
Willkommen in der Hands-Free-Zone
von Enraf-Nonius!
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01 inform FEB_x 26.01.15 16:56 Seite 3
Inhalt 01/2015
ie.
inform Inhalt feb 2015
EINSTIEG
4 EDITORIAL
Gemeinsam zum Wohle
der PatientInnen
Silvia Mériaux-Kratochvila, M.Ed.
SCHWERPUNKT
»PHYSIOTHERAPIE UND
INTERDISZIPLINARITÄT«
6
Perspektivenwechsel
Anita Kiselka, MSc
10
Spezialisierte
Versorgung versus
Grundversorgung
Tanja Grubmüller, Eva Müllauer
14
Interdisziplinär oder/
und multiprofessionell?
Mag. Nicole Muzar
15
Ein Beispiel
für Interdisziplinäre
Zusammenarbeit
us!
Hans-Perter Hagmüller, MSPhT
17
Interdisziplinär –
wie geht das wirklich?
Alexander Baillou
18
Uro-Prokto-Gyn –
15 cm Körperregion
brauchen
Interdisziplinarität
Markus Martin
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20
Literatur zum
Schwerpunkt
Mag. Uta Ganev, Bakk. phil.
21 SYMPOSIUM
»Funktion und Sport«
Karl Lochner, Barbara Kern, MSc
22
Interprofessionalität in
der Bachelorausbildung
Beate Salchinger, MSc, MSc
Emil Igelsböck, MAS
24
Interdisziplinarität
einmal anders
INFORM EXKLUSIV
e2
Rechtliche Grundlagen
Mag.iur. Agnes Görny
e4
Erhebung eines Status Quo
Martina Sorge
e6
Physio StarTalk
Ingrid Großbötzl
PHYSIOWORLD
Beate Salchinger, MSc, MSc
26
Der Puzzlestein in einem
komplexen Gefüge
Eva Müllauer
28
Interdisziplinäres
Netzwerk Uro-ProktoGyn Salzburg
Eva Bamberger, Monika Sillerc
30
Implementierung der
evidenzbasierten
Physiotherapie
Gudrun Diermayr, PhD,
Herbert Schachner, MSc
33
Online-Sammlung
von Übungen
PHYSIOTALK
Praxis trifft Evidenz
e8
MMHmG-Novelle 2015
Mag. Nicole Muzar
e9 SERIE STEUERTIPPS
Verkehrsunfall
bei beruflicher Fahrt –
Kosten absetzbar?
Mag. Wolfgang Leonhart
e10 SERIE ARBEITSRECHT
Kinderbetreuungsgeld
Valid Hanuna
e11
PHYSIOFACES
e12
IN EIGENER SACHE
Anja Raab
34
Formen der
Zusammenarbeit
Pierre Real
36
Der Körper als
klingendes Instrument
Mag. Agnes Hove-Christensen
38
Über den Umgang
mit Messergebnissen
Emalie Hurkmans, PhD
physioaustria inform Februar 2015
3
01 inform FEB_x 26.01.15 16:56 Seite 4
Themenschwerpunkt Physiotherapie und Interdisziplinarität
EDITORIAL
Silvia Mériaux-Kratochvila, M.Ed.
Impressum
MEDIENINHABER, HERAUSGEBER
UND REDAKTION
physioaustria
Bundesverband der
PhysiotherapeutInnen Österreichs
Linke Wienzeile 8/28, A-1060 Wien
Tel. (01) 587 99 51-0, Fax DW-30
www.physioaustria.at
ZVR 511125857
Gemeinsam zum Wohle
der PatientInnen
GESCHÄFTSFÜHRUNG
Mag. Stefan Moritz, MSc
[email protected]
REDAKTIONSSCHLUSS
Beiträge, Inserate und bezahlte
Anzeigen für das mit Monatsbeginn
erscheinende inform müssen
bis spätestens 5. des Vormonats
im Verbandsbüro eingelangt sein.
Ist dieser Tag ein Samstag, Sonnoder Feiertag, so gilt der nächste
darauf folgende Werktag.
CHEFREDAKTEUR
Bernhard Baumgartner, BA
[email protected]
REDAKTIONSTEAM
Mag. Agnes Görny
Mag. Nicole Muzar
Mag. Patricia Otuka-Karner
Martina Sorge
MITARBEITERiNNEN
DIESER AUSGABE
Anita Kiselka, MSc; Tanja Grubmüller;
Eva Müllauer; Hans-Perter Hagmüller,
MSPhT; Alexander Baillou; Markus
Martin; Karl Lochner; Barbara Kern,
MSc; Beate Salchinger, MSc, MSc;
Emil Igelsböck, MAS; Eva Bamberger;
Monika Siller; Gudrun Diermayr, PhD;
Herbert Schachner, MSc; Anja
Raab, MSc; Pierre Real; Agnes Hove;
Emalie Hurkmans, PhD; Ingrid
Großbötzl; Mag. Wolfgang Leonhart;
Valid Hanuna.
GESTALTUNG
Dechant Grafische Arbeiten
FOTOS Helmut Wallner/
© Physio Austria, ausgenommen:
wo gesondert angegeben
FARBKORREKTUR UND RETUSCHE
Dechant Grafische Arbeiten/
Helmut Wallner
DRUCK Steiermärkische
Landesdruckerei, Graz
BEZUGSPREISE Einzelheft: 6,50 Euro;
Abo (5 Ausgaben/Jahr): 29 Euro
(Inland), 50 Euro (Ausland).
STORNO schriftlich 2 Monate
vor Ablauf des Abos.
Der Schwerpunkt der ersten Ausgabe
unseres Mitgliedermagazins inform in
diesem Jahr ist »Physiotherapie und Interdisziplinarität«. Das Heft ist aufgrund der
Vielzahl an Beiträgen besonders umfangreich ausgefallen, viele AutorInnen haben
sich zu Wort gemeldet. Es wurde dadurch
auch besonders vielen Meinungen Raum
geboten, wobei auffällt, dass die Tendenz
zu »Interdisziplinariät ja« besteht unter der
Voraussetzung, dass diese im Team von
allen mitgetragen wird.
Das große Interesse am Schwerpunktthema
ist auch kein Zufall: Immerhin ist Interdisziplinarität (nicht nur, aber auch in der Physiotherapie) kein bloßes Schlagwort sondern
kann durchaus als Schlüsselfaktor zum
Wohle der PatientInnen betrachtet werden.
Denn die PatientInnen und ihre optimale
Versorgung müssen immer im Mittelpunkt
des Handelns stehen. Die Frage ist für die
PatientInnen ja nicht, welche/r BehandlerIn
wo in den organisatorischen oder gar gesellschaftlich angenommenen Hierarchien
steht, sondern dass alle Beteiligten nach
ihrer Ausbildung, Erfahrung und Routine das
Beste zu ihrer Gesundung beitragen. Damit
das gelingen kann, bedarf es unbedingter
Kommunikation zwischen den Berufsgruppen. Diese wird jedoch oft erschwert, sei es
durch Zeitmangel aber auch dadurch, dass
einfache Wege der Kommunikation fehlen.
Das ist an sich schon paradox in einer Zeit,
in der viele neue Tools des Wissenstransfers
zur Verfügung stehen, diese aber vielleicht
nicht genutzt werden.
Ein weiterer Punkt, der sich als Hemmnis
erweist, ist das vielfach vorhandene NichtKennen und Nicht-Wissen über die berufsspezifischen Möglichkeiten der anderen
Professionen zur Besserung, positiven
Einflussnahme oder Förderung des Heilungsprozesses. Darüber hinaus ist oft das Bewusstsein nicht vorhanden, dass koordiniertes
Vorgehen per se schon Nutzen schaffen kann
und die dafür nötige Zeitressource auf der
anderen Seite Produktivität schafft. Die Unmöglichkeit des Zugriffs auf relevante Befunde
oder gar »Standesdünkel« sollten im Jahr 2015
keine Hürden mehr darstellen, die die PatientInnen womöglich in ihrem Heilungsprozess
behindern.
In eigener Sache möchte ich mich gerne bei
unserem bisherigen Chefredakteur Bernhard
Baumgartner bedanken, der die letzten drei
Jahre das inform begleitet hat. Ab der AprilAusgabe wird Patricia Otuka-Karner die
Chefredaktion des inform übernehmen.
Ich wünsche Ihnen eine interessante und
aufschlussreiche Lektüre mit »Physiotherapie
und Interdisziplinarität«.
Silvia Mériaux-Kratochvila, M.Ed.
www.physioaustria.at/
impressum
4
physioaustria inform Februar 2015
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01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 5
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Weitere Informationen und das Kongressprogramm
finden Sie unter:
www.therapie-leipzig.de
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 6
© Martin Lifka
Themenschwerpunkt Physiotherapie und Interdisziplinarität
6
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TEAMARBEIT
Anita Kiselka, MSc
Perspektivenwechsel
Physiotherapie im interprofessionellen und interdisziplinären Team
© Martin Lifka
Das Ziel interprofessioneller Zusammenarbeit ist nicht ein Erlernen und
Übernehmen anderer Kompetenzen, sondern die Entwicklung einer offenen
Arbeitshaltung gegenüber anderer Perspektiven, welche zur Erreichung
des Ziels ebenso beitragen wie jene der eigenen Berufsgruppe.
Die Gesundheitsreform und das von der
österreichischen Bundeszielsteuerungskommission erarbeitete Konzept »zur multiprofessionellen und interdisziplinären
Primärversorgung« fordern eine interprofessionell vernetzte, patientInnenzentrierte,
flächendeckend zugängliche Gesundheitsversorgung. Um dies Realität werden zu
lassen, muss Interprofessionalität bereits in
der Ausbildung gelehrt werden, forderte
Beat Sottas bei der MTD-Konferenz 2014.
Er kritisiert darüber hinaus die fehlende
Teamarbeit und starken Hierarchien nach
Beruf und Spezialisierung im Gesundheitswesen. Doch wie entwickelt sich ein multizu einem interprofessionellen Team? Unter
Multiprofessionalität verstehen wir, wenn
zwei oder mehr Professionen additiv nebeneinander arbeiten. Im Gegensatz zu dieser
schwächeren, weniger verbindlichen Form
der Zusammenarbeit, koordinieren in der
Interprofessionalität zwei oder mehr Professionen ihre Kompetenzen und Perspektiven
sinnvoll mit einem gemeinsamen Ziel.
Um eine solche Arbeitsweise zu erreichen,
fördern intra- und extramural folgende
Strukturen und Prozesse die interprofessionelle Zusammenarbeit:
1.
Ein gemeinsames Verständnis von
Zielinhalten, Sprache, Denkweise und
Kompetenzen anderer Berufsgruppen.
2. Regelmäßige interprofessionelle Kommunikationszeiten, welche idealerweise
persönlich und hierarchiefrei auf
Augenhöhe erfolgen, ausreichend Zeit
und Raum zur Verfügung stellen, sowie
auf klaren und wertschätzenden
Gesprächs- und Beziehungsstrukturen
basieren.
3. Voraussetzung für die interprofessionelle Zusammenarbeit ist ein gemeinsames Zielobjekt, also einE gemeinsameR KlientIn oder ein gemeinsamer
Auftrag bzw. ein gemeinsames Projekt
in Praxis, Lehre, Forschung oder
Entwicklung.
Zu Professionen, mit denen PhysiotherapeutInnen zusammenarbeiten, zählen sämtliche
andere Gesundheitsberufe und -dienstleister, inkl. technischer und sozialer Berufsgruppen, sowie PatientInnenvertretungen.
Aufgrund dieser großen Anzahl an Kompetenzbereichen ist verständlich, dass das Ziel
interprofessioneller Zusammenarbeit nicht
ein Erlernen und Übernehmen anderer Kompetenzen darstellt, sondern die Entwicklung
einer offenen Arbeitshaltung gegenüber anderer Perspektiven erfordert, welche zur Erreichung des Ziels ebenso beitragen wie jene
der eigenen Berufsgruppe.
Da die Ausbildung zukünftiger PhysiotherapeutInnen zu einer interprofessionellen Arbeitshaltung nicht theoretisch, sondern nur
durch praktische Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen erfolgen kann, finden
Lehrmodelle wie z.B. das Projekt »ERGO
PHYSIO SUM, NA LOGO« von Studierenden
aus Graz, welches den 1. Platz des MTDInnovationspreises 2014 gewann, zunehmend Anwendung in den Fachhochschulen.
Um zu erfahren, wie die Umsetzung interdisziplinärer oder interprofessioneller Zusammenarbeit gelebt wird, wurden in diesem
Beitrag unterschiedliche Professionen interviewt, die ihre Definitionen von Interprofessionalität/-disziplinarität vorstellen und
Kooperationen mit PhysiotherapeutInnen aus
ihren Perspektiven beschreiben.
Der Unterschied zwischen Interprofessionalität und -disziplinarität besteht darin, dass
der Begriff Interprofessionalität im klinischen
Alltag verwendet wird, wohingegen Interdisziplinarität in Lehre und Forschung
Anwendung findet. Daher wurden die InterviewpartnerInnen aus zwei entsprechenden
Beispielsettings, dem Multiple Sklerose
Tageszentrum der CS Caritas Socialis und
der Fachhochschule St. Pölten ausgewählt.
Anita Kiselka, MSc
ist Physiotherapeutin im Multiple Sklerose Tageszentrum
(MSTZ) der CS Caritas Socialis
und FH-Dozentin im Studiengang Physiotherapie der Fachhochschule St. Pölten. In ihrer
Funktion als Praktikumsanleiterin entwickelte sie gemeinsam mit dem Team des MSTZ
das interprofessionelle Projekt
»Voneinander Lernen im
Team«, in welchem PraktikantInnen unterschiedlicher Berufsgruppen die in diesem
Artikel vorgestellten Strukturen und Prozesse interprofessioneller Zusammenarbeit
erfahren.
LITERATUR
Federspiel K., Herbst
V., Ernst E. (2005)
Die Andere Medizin
Litscher G.,
Schikora D. (2004)
Lasernadelakupunktur
Reininger M., Dorfer L.,
Laciny S. (2008)
Zeit für Akupunktur
Weber M. (2014)
Medizinische LowLevel-Lasertherapie
physioaustria inform Februar 2015
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Themenschwerpunkt Physiotherapie und Interdisziplinarität
Ramona Rosenthal
Welcher Berufsgruppe gehören Sie an?
Gehobener Gesundheits- und Krankenpflegedienst, Systemischer Coach.
Was bedeutet für Sie Interdisziplinarität?
Mindestens zwei Professionen arbeiten
gemeinsam an einem übergeordneten Ziel.
An welchen Schnittstellen arbeiten
Sie beruflich mit PhysiotherapeutInnen
zusammen?
Im Multiple Sklerose Tageszentrum der
CS Caritas Socialis in der Arbeit für die
KlientInnen (z.B. in Transfersituationen, sowie
in Form von Besprechungen und in der Tagesund Wochenplanung). Als Führungskraft unterstütze ich PhysiotherapeutInnen in ihrer
Arbeitsweise und stelle ihnen erforderliche
Strukturen und Ressourcen zur Verfügung.
Könnten Sie mir hierzu ein konkretes
Beispiel nennen?
Durch Implementierung von Maietta-Hatch
(MH) Kinaesthetics und Schulung des gesamten Teams habe ich das Ziel verfolgt, meinem
Team eine gemeinsame Sprache zu geben.
MH Kinaesthetics erlebe ich als ein für alle
Berufsgruppen nutzvolles Werkzeug um
Bewegungswahrnehmung zu optimieren, und
konnte damit auch ein wichtiges Thema der
Physiotherapie ansprechen. Z.B. entwickelt
im Alltag häufig die Pflege gemeinsam mit
PhysiotherapeutInnen Strategien, wie jemand
vom Boden oder aus einem Stuhl am effizientesten aufstehen kann.
Aus der Erfahrung dieser Zusammenarbeit
heraus, was sind für Sie Erfolgsfaktoren
gelebter Interdisziplinarität?
Wenn ich etwas dazulerne, und wenn es uns
dadurch gelingt, KlientInnen zu erreichen,
und diese mit den vorhandenen Ressourcen
optimal unterstützt und in der eigenen Selbstwirksamkeit gestärkt werden.
8
physioaustria inform Februar 2015
Theresa Lüftenegger, MSc
Welcher Berufsgruppe gehören Sie an?
Ich bin Ergotherapeutin.
Was bedeutet für Sie Interdisziplinarität?
Interdisziplinarität oder Interprofessionalität
bedeutet für mich, die Zusammenarbeit
diverser Berufsgruppen des Gesundheitssektors zur Erreichung PatientInnen- bzw.
KlientInnen-zentrierter Ziele. Mit Hilfe interprofessioneller Kommunikation und Arbeit
werden berufsspezifische Kompetenzen –
bezogen auf die jeweiligen Ziele der PatientInnen/KlientInnen – besser genutzt und
verstanden. Dadurch ergibt sich eine
zufriedenstellende Zusammenarbeit von
PatientInnen/KlientInnen und allen beteiligten Berufsgruppen.
An welchen Schnittstellen arbeiten
Sie beruflich mit PhysiotherapeutInnen
zusammen?
Einerseits arbeite ich im Multiple Sklerose
Tageszentrum sehr eng in der Erreichung
PatientInnen- bzw. KlientInnen-zentrierter
Ziele mit PhysiotherapeutInnen zusammen,
andererseits auch vermehrt in der Betreuung
diverser PraktikantInnen.
Könnten Sie mir hierzu ein konkretes
Beispiel nennen?
Bezugnehmend auf die vorhergehende
Frage, konnte ich bei einem interprofessionellen PraktikantInnenprojekt namens
»Voneinander Lernen im Team« mitwirken
(für Interessierte gibt hierzu ein Video auf
Youtube). Im Zuge dessen war es mir möglich, sowohl meine persönliche interprofessionelle Zusammenarbeit, als auch jene
unserer PraktikantInnen zu reflektieren
und zu fördern.
Aus der Erfahrung dieser Zusammenarbeit
heraus, was sind für Sie Erfolgsfaktoren
gelebter Interdisziplinarität?
Vertrauen, Wohlwollen, Interesse und
Neugierde!
Jakob Doppler, MSc
Welcher Berufsgruppe gehören Sie an?
Wissenschaftler und Dozent im Studiengang
Digital Healthcare an der FH St. Pölten.
Was bedeutet für Sie Interdisziplinarität?
Interdisziplinarität in Lehre und Forschung
ist die Grundvoraussetzung um den Herausforderungen im Gesundheitswesen bei
zunehmendem Kostendruck mit gleichbleibender Behandlungsqualität begegnen zu
können. Dazu muss ein Konsens über die die
unterschiedlichen Arbeitsweisen existieren.
An welchen Schnittstellen arbeiten
Sie beruflich mit PhysiotherapeutInnen
zusammen?
Das Herzstück an der FH St. Pölten ist
sicherlich der interdisziplinäre und forschungsnahe Master Digital Healthcare, der
die Kompetenzen der praktischen Gesundheitsarbeit mit dem Wissen der Informationsund Kommunikationstechnologie verbindet.
Aber auch in der Forschung und Entwicklung
(F&E) gibt es entscheidende Ansätze.
Könnten Sie mir hierzu ein konkretes
Beispiel nennen?
Es gibt zahlreiche kooperative Projekte, wie
z.B. den Bau von Sensorsystemen für mobile
Feedbackapplikationen in der Gangrehabilitation (CARMA) oder videobasierte Informationsplattformen für die Telepartizipation
älterer Menschen (BRELOMATE).
Aus der Erfahrung dieser Zusammenarbeit
heraus, was sind für Sie Erfolgsfaktoren
gelebter Interdisziplinarität?
Das oberste Ziel ist die Berücksichtigung der
individuellen Bedürfnisse der PatientInnen im
Rahmen eines modernen Gesundheits
wesens.
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TEAMARBEIT
Anita Kiselka, MSc
LITERATUR
Bundes-Zielsteuerungskommission
(2014). »Das Team rund um den
Hausarzt« - Konzept zur multiprofessionellen und interdisziplinären
Primärversorgung in Österreich.
Online verfügbar: www.bmg.gv.at
Bundesministerium für Gesundheit
(2013). Bundes-Zielsteuerungsvertrag.
Zielsteuerung Gesundheit. Online
verfügbar: www.hauptverband.at
Physio Austria (2014).
PhysiotherapeutInnen in Primary
Health Care. Positionspapier. Online
verfügbar: www.physioaustria.at
Dr. Brian Horsak
Welcher Berufsgruppe gehören Sie an?
Sportwissenschaft.
Was bedeutet für Sie Interdisziplinarität?
Interdisziplinarität bedeutet für mich, die
Stärken des jeweils anderen nutzen und
dadurch gemeinsam stärker und effizienter
werden.
An welchen Schnittstellen arbeiten Sie
beruflich mit PhysiotherapeutInnen
zusammen?
Seit vielen Jahren im Studiengang Physiotherapie der FH St. Pölten einerseits in der
Lehre in Lehrveranstaltungen wie wissenschaftliches Arbeiten, Statistik, Biomechanik, Betreuung von Abschlussarbeiten und
vieles mehr. Des Weiteren in der Forschung,
wo ich mich im Bereich der angewandten
Biomechanik, in der Drittmittelakquise und
im Bereich von Studiendesign und -planung
einbringe.
Könnten Sie mir hierzu ein konkretes
Beispiel nennen?
Ein Beispiel ist unser Projekt GAIT-Score. Wir
entwickeln gerade am Studiengang Physiotherapie eine Lernsoftware, welche Studierende beim Erlenen der Fertigkeit „visuelle
Ganginspektion“ helfen soll. Hier arbeiten
momentan drei Berufsgruppen interdisziplinär zusammen: Techniker, die sich um die
Softwareentwicklung kümmern und mit der
medizinischen Denkweise große Schwierigkeiten haben. PhysiotherapeutInnen, die klinische ExpertInnen sind, aber mit den
technischen Details große Verständnisprobleme haben und ich als Sportwissenschaftler, der beide Seiten sehr gut versteht.
Aus der Erfahrung dieser Zusammenarbeit
heraus, was sind für Sie Erfolgsfaktoren
gelebter Interdisziplinarität?
Meiner Meinung nach muss jedeR genau
wissen wo seine/ihre Schwächen liegen und
wo die Stärken. Erst das erlaubt ein wirklich
enges und kooperativ-ergänzendes Arbeiten.
Dr. Helmut Ritschl, MA, MSc
Welcher Berufsgruppe gehören Sie an?
Radiologietechnologie – Medienpädagoge.
Was bedeutet für Sie Interdisziplinarität?
Interdisziplinarität bedeutet Aufgeschlossenheit und Wertschätzung gegenüber dem
Anderen.
An welchen Schnittstellen arbeiten
Sie beruflich mit PhysiotherapeutInnen
zusammen?
Ich darf den Masterstudiengang Digital
Healthcare – Motion and Activity leiten, der
sich mit dem Thema technologischer Unterstützung von physiotherapeutischen Prozessen wie zum Beispiel Gangbildanalyse oder
Biomechanik beschäftigt. Dieser Studiengang wurde von den Kolleginnen der Physiotherapie der FH St. Pölten wesentlich
gestaltet.
Könnten Sie mir hierzu ein konkretes
Beispiel nennen?
Der Masterstudiengang Digital Healthcare
versucht TechnikerInnen mit GesundheitsexpertInnen wie zum Beispiel PhysiotherapeutInnen zusammen zu bringen. Dabei sind
die unterschiedlichen Denkweisen ganz
wesentlich, um neue Ideen zu kreieren, die
PatientInnen zum Beispiel in den Prozessen
der Rehabilitation zu Gute kommen.
Aus der Erfahrung dieser Zusammenarbeit
heraus, was sind für Sie Erfolgsfaktoren
gelebter Interdisziplinarität?
Erfolgsfaktoren sind aus meiner Sicht
1. das »Offen-Legen« der eigenen Expertise,
2. das Erarbeiten von Grundkenntnissen in
den jeweils ergänzenden Expertisen und
3. eine gemeinsame Sprache zu entwickeln,
wie zum Beispiel in Form von Prozessdiagrammdarstellungen.
Voelker, C. (2011). Physiotherapie:
Berufliches Selbstverständnis.
Berlin: Cornelsen Verlag. Kapitel 7.3.
Grundbegriffe interprofessioneller
Kooperation. S.141
physioaustria inform Februar 2015
9
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 10
Themenschwerpunkt Physiotherapie und Interdisziplinarität
Tanja Grubmüller
ist Physiotherapeutin. Sie
absolvierte ihre Ausbildung
an der Fachhochschule für
Physiotherapie in Krems
von 2008 bis 2011 und war
anschließend im Krankenhaus Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel an der Abteilung für
Herz- und Gefäßchirurgie
tätig, seit 2012 an der
Abteilung für Palliativ- und
Strahlenmedizin.
Eva Müllauer
ist seit 1983 als Physiotherapeutin in verschiedenen Fachbereichen tätig.
Derzeit ist sie interimistische Fachbereichsleitung
MTDG an der Abteilung für
Kinder- und Jugendpsychiatrie und Behindertenpsychiatrie für Erwachsene
des Neurologischen
Zentrums Rosenhügel.
Sie ist als Lehrbeauftrage
an der FH Campus Wien
und FH Salzburg tätig. Sie
leitet das fachliche Netzwerk Palliative Care und
Hospizwesen von Physio
Austria.
LITERATUR
Berndt, A. (1995). Mittelpunkt ist der Patient. Interdisziplinäre Zusammenarbeit
1. Teil. Klinik, 2, 9.
Berndt, A. (1995). Mittelpunkt ist der Patient. Interdisziplinäre Zusammenarbeit
2. Teil. Klinik ,3, 18.
Nieland, Simader, Taylor –
Hrsg. (2013). Was wir noch
tun können: Rehabilitation
am Lebensende Physiotherapie in der Palliative Care
Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen
(2004). Abgestufte Hospizund Palliativversorgung in
Österreich. Online verfügbar:
www.bmg.gv.at
Hospiz Österreich (2004).
Strukturqualitätskriterien für
Stationäre Hospize in Österreich. Online verfügbar:
www.hospiz.at
10
Multiprofessionelle Teams aus speziell qualifizierten ÄrztInnen,
Gesundheits- und Krankenpflegepersonen, PsychotherapeutInnen,
PhysiotherapeutInnen, SozialarbeiterInnen und ehrenamtlichen
MitarbeiterInnen arbeiten auf Palliativstationen zusammen.
Die Betreuung und Behandlung im Sinne der
Palliative Care sollte immer ganzheitlich und
interdisziplinär durch ein multiprofessionelles Team erfolgen. Wie unterscheiden sich
nun die interdisziplinäre Zusammenarbeit
in der spezialisierten Versorgung (z. B. auf
einer Palliativstation) und in der Grundversorgung (z.B. auf einer Lungenabteilung)
aus Sicht der Physiotherapie?
Die personelle Zusammensetzung des Teams
einer Palliativstation ist durch Strukturqualitätskriterien definiert und gesichert. Das
multiprofessionelle Team setzt sich aus
speziell qualifizierten ÄrztInnen, Gesundheits- und Krankenpflegepersonen, PsychotherapeutInnen, PhysiotherapeutInnen,
SozialarbeiterInnen und ehrenamtlichen
MitarbeiterInnen zusammen. Die professionelle Betreuung der PatientInnen und deren
Angehörigen durch das Team einer Palliativstation muss täglich gegeben sein. Hierbei
wird auf einen ganzheitlichen Betreuungsansatz geachtet, wodurch in demselben Maße
auf die körperlichen, psychischen, spirituellen und sozialen Bedürfnisse eingegangen
wird. Angehörige anderer Berufsgruppen
physioaustria inform Februar 2015
wie z.B. ErgotherapeutInnen, LogopädInnen,
DiätologInnen und SeelsorgerInnen müssen
zur Verfügung stehen, damit sie im Bedarfsfall herangezogen werden können. In den
Strukturqualitätskriterien ist auch festgelegt,
dass den PhysiotherapeutInnen, PsychotherapeutInnen und SozialarbeiterInnen
gemeinsam pro PatientIn sechs Wochenstunden zur Verfügung stehen. Die individuelle Verteilung dieses Stundenausmaßes
richtet sich nach den Möglichkeiten bzw.
Prioritäten der einzelnen Station. Dies gewährleistet eine ganzheitliche und vor allem
regelmäßige Therapie durch geschultes
Fachpersonal.
Jene genannten Berufsgruppen begleiten
nicht nur die PatientInnen einer Palliativstation, sondern auch deren Angehörige.
Die Betreuung endet dabei nicht mit dem
Tod der Patientin/des Patienten, sondern
inkludiert auch die Trauerbegleitung der
Hinterbliebenen durch speziell geschultes
Personal. Das Entlassungsmanagement
stellt, so es in der Institution etabliert ist,
ebenfalls einen wichtigen Eckpunkt in der
weiteren Betreuung der PatientInnen dar und
kann daher jederzeit hinzugezogen werden.
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 11
PALLIATIVE CARE
Tanja Grubmüller, Eva Müllauer
Spezialisierte
Versorgung versus
Grundversorgung
© nielskliim – fotolia.com
Interdisziplinäres Arbeiten in der
Palliative Care aus Sicht der Physiotherapie
Das Grundprinzip der Palliative Care ist ein ganzheitlicher Betreuungsansatz und die Physiotherapie ist
ein Teil davon. Ihr Leistungsangebot umfasst die
funktionserhaltenden, sowie funktionsverbessernden Therapiemaßnahmen, Atemtherapie, schmerzlindernde Maßnahmen und diverse Entspannungstechniken. Oft wird der menschlichen Zuwendung
seitens der TherapeutInnen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die PhysiotherapeutInnen verbringen sehr viel Zeit mit den PatientInnen und können
dadurch auch deren psychologische Situation positiv
beeinflussen. Das Ziel aller gesetzten Maßnahmen
ist die Symptomkontrolle und Symptomlinderung,
was an manchen Tagen auch durch Zuhören und
ein intensives Gespräch erreicht werden kann.
Geregelter Informationsfluss als Basis
des interdisziplinären Arbeitens
Das multiprofessionelle Team der Palliative Care ist
deutlich größer als jenes einer »Normalstation«. Die
interdisziplinäre Zusammenarbeit aller beteiligten
Berufsgruppen ist engmaschiger und weist somit
im Vergleich zur Akutstation große Unterschiede auf.
Der Informationsfluss auf einer Palliativstation zwischen PhysiotherapeutInnen und anderen Berufsgruppen muss täglich gewährleistet sein, denn nur
dann kann man als PhysiotherapeutIn eine effiziente
Therapie durchführen. Erst mit dem aktuellen Zustandsbild der PatientInnen kann mit der Therapie
begonnen werden. Möglicherweise haben sich neue
Indikationen ergeben, welche vor Beginn der Behandlung erfragt werden müssen. Als TherapeutIn
tritt man jeden Tag neu an die zu Behandelnden
heran. Ziel ist es, die PatientInnen während des
gesamten Aufenthaltes professionell zu begleiten
und etwaige Symptome zu lindern.
Das physiotherapeutische Ziel orientiert sich hierbei
am Wunsch der PatientInnen. Je nach Tagesverfassung wird das Therapieziel neu gesetzt und gemeinsam mit den PatientInnen aus dem Leistungsangebot der Physiotherapie gewählt. Es stehen
verschiedene Behandlungsmaßnahmen zur Verfügung, u.a. manuelle Lymphdrainage, Fußreflexzonenmassage, diverse Massage- und Entspannungstechniken, Atemtherapie (sekretmobilisierende Maßnahmen, Dyspnoe-Management),
verschiedene mobilisierende Techniken (gleichermaßen passive und aktive Therapiemaßnahmen),
Taping, komplementärmedizinische Angebote wie
Klangschalentherapie usw.
Bei den täglich stattfindenden interdisziplinären Morgenbesprechungen einer Palliativstation wird jedeR PatientIn
individuell im Team besprochen. Dabei werden Neuigkeiten
ausgetauscht und der aktuelle Behandlungsfokus festgelegt. Ziel dieser Morgenbesprechungen ist es, den Behandlungsablauf möglichst reibungslos zu gestalten. In den
Prozessqualitätskriterien einer Palliativstation ist daher
festgelegt, in welchen Prozessen und in welcher Form
TherapeutInnen herangezogen werden müssen.
Einmal wöchentlich findet zudem eine Teambesprechung
mit der ärztlichen Leitung der Station sowie des physikalischen Institutes, der StationsschwesterPflege, sowie den
KollegInnen der Physiotherapie, der Psychologie und der
Diätologie statt. Hierbei geht es vor allem um die multiprofessionelle Zusammenarbeit mit den anderen TherapeutInnen. Es werden die neuesten Erkenntnisse seitens der
ÄrztInnen weitergegeben und der Austausch zwischen
den einzelnen TherapeutInnen kann stattfinden. Ziel ist
eine eventuelle Therapieerweiterung beziehungsweise ein
möglicher Rückzug der Therapie. Dies kann innerhalb
dieser Besprechung diskutiert und genauer eruiert werden.
Ein wesentlicher Punkt ist die Gleichwertigkeit des Personals auf einer Palliativstation. Hierbei steht nicht die Hierarchie sondern das Wohl der PatientInnen im Vordergrund.
Es gilt als oberste Priorität, schwer kranke und sterbende
Menschen in ihrer schwierigen Lebensphase zu begleiten.
Dies kann nur dann erreicht werden, wenn man als interdisziplinäres Team gemeinsam und unter Absprache
gleichberechtigt agiert.
Die Angehörigen werden ebenfalls in die Betreuung der
PatientInnen eingebunden, da sie auch oft eine wichtige
Informationsquelle und einen direkten Zugang zu den Behandelnden darstellen. So bietet sich die Möglichkeit, den
Angehörigen den Umgang mit der neuen Situation zu erleichtern und sie auf die Zeit nach der Entlassung angstfrei
vorzubereiten und zu unterstützen. Die Zusammenarbeit
zwischen der Physiotherapie und dem Entlassungsmanagement ist stets gegeben. Es gilt, die besten Hilfsmittel und
die beste Versorgung für die Zeit nach dem stationären
Aufenthalt zu finden. Wenn hierbei interdisziplinäre Kommunikation erfolgreich stattfindet, können die PatientInnen
davon am meisten profitieren. PhysiotherapeutInnen sind
Teil eines Ganzen.
physioaustria inform Februar 2015
11
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 12
Themenschwerpunkt Physiotherapie und Interdisziplinarität
Viele PalliativpatientInnen werden jedoch nicht in der
spezialisierten Versorgung betreut, sondern in der Grundversorgung (Akutspital, durch HausärztInnen oder in
Pflegeheimen) behandelt. Die Interdisziplinarität stellt
sich z.B. auf einer Akutstation eines Krankenhause aus
Sicht der Physiotherapie ganz anders dar und verlangt
ein sehr hohes Maß an Eigenständigkeit und Erfahrung,
um die Säulen der Palliative Care – skills, knowledge &
attitude – beinahe als EinzelkämpferIn ein- und umsetzen
zu können.
Die vorrangige Zielsetzung im Akutspital ist es, die
PatientInnen so schnell wie möglich in gebessertem,
wenn nicht sogar geheiltem Zustand wieder nach Hause
zu entlassen. Der Aufenthalt dient vornehmlich diagnostischen und kurativen Zwecken. Bei onkologischen PatientInnen, die den größten Anteil der PalliativpatientInnen
auf einer Lungenabteilung neben Personen, die an fortgeschrittener COPD oder Lungenfibrose leiden, ausmachen, stellt sich die Situation allerdings anders dar. Die
durchgeführten Chemotherapien oft in Kombination mit
Strahlentherapie bringen selten eine Heilung der Betroffenen und werden daher entweder abgebrochen oder als
palliative Maßnahmen weitergeführt.
In sogenannten Tumorboards wird von Seiten der ÄrztInnen »interdisziplinär« besprochen, welche Optionen für
die Behandlung der Betroffenen zur Verfügung stehen.
Dieses »interdisziplinäre« Team ist jedoch nicht multiprofessionell zusammengesetzt und besteht in der Regel nur
aus PulmologInnen, OnkologInnen, StrahlenmedizinerInnen und ChirurgInnen. In die getroffenen Entscheidungen
fließen meist die Ergebnisse der bildgebenden Verfahren
und Laborparameter ein, sowie das vom/von der stationsführenden Arzt/Ärztin beschriebene klinische Bild.
Die Meinung und Wahrnehmungen anderer mit den
PatientInnen befassten Berufsgruppen wie Pflege oder
Physiotherapie, in manchen Fällen auch von der Sozialarbeit oder Psychotherapie - so vorhanden und in die
Betreuung miteingebunden - kommen dann zum Tragen,
wenn sie von ärztlicher Seite eingebracht werden. Die
Arbeit der PhysiotherapeutInnen ist daher oft reaktiv,
da sie in die Entscheidungsfindung nicht einbezogen
wurden, falls die PatientInnen überhaupt zugewiesen
wurden. In der Regel ist zu beobachten, dass dann eine
Zuweisung zur Physiotherapie erfolgt, wenn ein Sekretproblem vorliegt oder die PatientInnen auf Grund von
Metastasen in Knochen oder im Gehirn andere, nicht
pulmologische Symptome wie Gangunsicherheit, Lähmungserscheinungen, Bewegungseinschränkungen
oder auch Schmerzen zeigen. Beim Symptom Schmerz
werden meist zuerst noch SpezialistInnen aus der
Schmerzambulanz hinzugezogen. Für die adäquate
physiotherapeutische Betreuung stellt diese Situation
mit mangelndem Informationsfluss und nicht sehr ausgeprägtem Wissen über und Verständnis für die palliativen
Betreuungsmöglichkeiten eine gewisse Herausforderung
dar. Interdisziplinäres Arbeiten wird dann möglich,
wenn »Verbündete« identifiziert werden können und eine
Palliativ- und Kommunikationskultur in kleinem Kreis
entstehen kann. Als guter Weg, um dahinzukommen,
stellt sich die regelmäßige Teilnahme an Visiten heraus.
Einerseits ist damit gesichert, mit geringem Zeitaufwand
auf dem aktuellen Wissenstands bzgl. der PatientInnen zu
sein, und andererseits kann durch gezielte Fragestellung
bzw. das Aufzeigen physiotherapeutischer Behandlungsmöglichkeiten das Behandlungs- und Betreuungsteam
der Betroffenen zumindest um die Physiotherapie erweitert werden. Im Zuge dieser Visiten stellt sich auch relativ
12
physioaustria inform Februar 2015
schnell heraus, welches Mitglied der ÄrztInnenschaft
palliativmedizinisch interessiert oder auch ausgebildet
ist bzw. wer von Seiten der Pflege ebenso denkt und zu
handeln bereit ist.
Gleichgesinnte finden dann immer wieder zwischen »Tür
und Angel« oder bei kurzen Besprechungen im Dienstzimmer die Möglichkeit, sich auszutauschen oder sich doch
auch zu interprofessionellen Besprechungen im kleinen
Kreis (ÄrztInnenschaft, Pflege, Physiotherapie, Sozialarbeit und auf der Lungenabteilung auch relativ häufig mit
der Diätologie) zusammenzusetzen, um die weitere Vorgangsweise festzulegen und die nächsten Schritte und
Therapiemaßnahmen interdisziplinär zu planen. Gelegentlich fällt auch die Entscheidung, den palliativmedizinischen Konsiliardienst hinzu zu ziehen oder einen Antrag
auf Übernahme auf die Palliativstation zu stellen. Dies ist
v.a. dann der Fall, wenn die Komplexität der Problematik
so groß ist, dass dies adäquate Betreuung auf einer Akutstation nicht mehr bewerkstelligt werden kann.
Hierarchische Strukturen sind auf der Akutstation oft
noch deutlich ausgeprägt und können das interdisziplinäre
Arbeiten genauso erschweren, wie die meist fehlenden
interdisziplinären Besprechungen und Planungen im multiprofessionellen Team. Fehlende Struktur- und Prozessqualitätskriterien tragen den Rest dazu bei und machen
gelebte Interdisziplinarität zu einem »Kann-Kriterium«.
Aus Sicht der Physiotherapie bedeutet dies, dass es nicht
klar ist, dass bei mangelnden Ressourcen diese überhaupt
in die Betreuung der PalliativpatientInnen einbezogen
wird oder dass bekannt ist, was diese leisten kann.
Die Zielsetzung der Physiotherapie in der Behandlung von
PalliativpatientInnen auf einer Akutstation ist dieselbe
wie auf der Palliativstation – Symptomkontrolle und Symptomlinderung. Können die zuweisenden ÄrztInnen davon
überzeugt werden, dass PhysiotherapeutInnen über hohe
Fachkompetenz und palliatives Know How verfügen,
werden die Betroffenen zu palliativen Maßnahmen zugewiesen, sodass angepasst an die täglichen Bedürfnisse
behandelt werden kann. Rückmeldungen im Rahmen der
Visite durch die PatientInnen selbst oder die TherapeutInnen geben Auskunft über die Wirksamkeit und Zufriedenheit mit den gesetzten Maßnahmen und ermöglichen eine
weitere interdisziplinäre Planung unter Einbeziehung der
Betroffenen quasi an der Bettkante.
Diese Form von interdisziplinärem Gespräch gemeinsam
mit den PatientInnen hatte z.B. zur Folge, dass sich die
Colonmassage inzwischen als eine beliebte, oft angeordnete Therapiemaßnahme etabliert hat. Die Frage: »Soll ich
es mit einer Colonmassage versuchen?« wurde nach
mehrfach positiven Echo über die rasch einsetzende Wirkung von Betroffen durch den Satz: »Ich glaube, das ist
ein Fall für dich. Könntest du bitte hier auch eine Colonmassage machen?« ersetzt.
Ein wesentlicher Faktor der Interdisziplinarität in der Betreuung von PalliativpatientInnen stellt die Kommunikation
dar – unabhängig davon, ob die Betroffenen in der spezialisierten Versorgung oder in der Grundversorgung behandelt werden. PhysiotherapeutInnen sind Teil dieses Behandlungsteams und bringen sich mit Fachkompetenz und
ihrer palliativen Grundeinstellung ein. Wechselt nun einE
PatientIn von der Akutstation auf die Palliativstation ist intradisziplinäre Zusammenarbeit gefordert, damit die Übernahme und Weiterbehandlung reibungslos stattfinden und
notwendige hochspezialisierte Maßnahmen weitergeführt
werden können.
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 13
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01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 14
Themenschwerpunkt Physiotherapie und Interdisziplinarität
Mag. Nicole Muzar
Interdisziplinär
oder/und multiprofessionell?
Interdisziplinarität und Multiprofessionalität sind Begriffe, die die heutige Gesundheitspolitik und
immer mehr die Berufspraxis prägen. Im Juni des letzten Jahres wurde von der Bundeszielsteuerungskommission das Konzept zur multiprofessionellen und interdisziplinären Primärversorgung einstimmig
beschlossen. Ziel ist es, damit die Primärversorgung zu optimieren. Doch was steckt hinter diesen
Begrifflichkeiten? Was bedeutet interdisziplinär oder/und multiprofessionell zu arbeiten?
Publikationen und persönliche Gespräche zeigen,
dass es hier unterschiedlichste Erklärungsversuche und Sichtweisen gibt. Im von der Bundeszielsteuerungskommission beschlossenen Konzept
zur Primärversorgung wird von einer Begriffsdefinition abgesehen und offensichtlich von einem
gemeinsamen Verständnis ausgegangen. Die
weiteren Arbeiten an der Umsetzung des Konzeptes werden aufzeigen, ob dies auch in der Praxis
so ist und werden für eine positive Umsetzung
jedenfalls ein hohes Maß an Kommunikation
aller Beteiligten erfordern, um die Zielsetzung,
die alle Begriffe eint – nämlich eine optimale
PatientInnenbehandlung – zu erreichen.
Im Folgenden ein kurzer Anriss der Vielfalt
der Definitionen.
Interprofessional
two or more professionals practising together
in an integrated way.
Interprofessional collaborative practice (ICP)
is the practice of two or more health professionals
from different professional education backgrounds
to deliver the highest quality of services to patients/clients, families, carers and communicates.
Interprofessional education (IPE)
is education that occurs when students from
two or more professions learn about, from and
with each other to enable effective collaboration.
Interprofessional team
is a group of professional practitioners from
different backgrounds who meet jointly
established goals for patients/clients.
Quelle: WCPT Glossary:
Terms used in WCPT’s policies and resources,
Version 2.1, July 2014, online verfügbar: www.wcpt.org
14
physioaustria inform Februar 2015
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DEFINITIONEN
OÖ
Interprofessionalität
Koordinierte Zusammenarbeit zwischen Angehörigen verschiedener Berufe. Der Begriff wird z.B.
im Case- und Qualitätsmanagement verwenden.
Interprofessionalität soll Querverbindungen schaffen, Berufe vernetzen, die Selbstreflexivität der
Berufe, Fortschritt, Innovationsfähigkeit und die
Lösung komplexer Probleme gewährleisten.
Therapeutischer Kontext: Oberstes Ziel ist das
Wohl des Patienten. Dies gelingt, wenn Übereinstimmungen in den Therapien als sich ergänzende
Anteile erkannt werden
Quelle: Physiolexikon – Physiotherapie von A-Z, Georg
Thieme Verlag, S. 423, Stuttgart 2010
© DragonImages – fotolia.com
?
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 15
Interdisziplinarität
1
Nutzung von Methoden, Eigenschaften
oder Denkweisen anderer professioneller
Fachrichtungen.
2
Die Berufsgruppen übergreifende Zusammenarbeit mehrerer, voneinander unabhängiger Fachrichtungen mit Ausrichtung
auf ein gemeinsames Ziel […]
Quelle: Lexikon Physiotherapie,
Springer Verlag, S. 644, 1. Auflage 2010
Interdisziplinarität und Multiprofessionalität
Gute und professionelle Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen im Versorgungskontinuum (Ärztinnen/Ärzte unterschiedlicher
Fachbereiche, Pflege, Psychologinnen/Psychologen, Sozialarbeiter/innen etc.) ist ein Kernelement qualitativ hochwertiger Versorgung
Quelle: BMG, Krebsrahmenprogramm Österreich, Oktober
2014, online verfügbar: www.bmgv.at
Multidisciplinary
is one or more disciplines working collaboratively.
It includes several professions in the team where
the various interventions are provided in isolation
and the professions co-exist. This approach recognises the importance of different disciplines and
involves professionals operating within the boundaries of their profession towards disciplinespecific goals while recognising the important
contribution from other disciplines.
Quelle: WCPT Glossary: Terms used in WCPT’s
policies and resources, Version 2.1, July 2014,
online verfügbar: www.wcpt.org
Multidisziplinarität
Nebeneinander verschiedener nicht bzw. mehr
oder weniger verwandter Disziplinen
Quelle: Physiolexikon – Physiotherapie von A-Z,
Georg Thieme Verlag, S. 579, Stuttgart 2010
Hans-Perter Hagmüller, MSPhT
Ein Beispiel
für Interdisziplinäre
Zusammenarbeit
Was wir PhysiotherapeutInnen uns in unserer täglichen Arbeit
erhoffen bzw. auch erwarten, ist zwar vieler Orts schon üblich, ja
Standard, aber längst noch nicht überall Alltag: die Zusammenarbeit
mit anderen Berufsgruppen, im Besonderen mit ÄrztInnen. Unter
Zusammenarbeit ist im Idealfall mehr zu verstehen, als lediglich
das Entgegennehmen von Anweisungen bzw. das Rückfragen bei
Unklarheiten.
Ein unkomplizierter, vertrauensvoller und qualitativer fachlicher
Austausch sollte das erklärte Ziel in unserem Arbeitsfeld sein, denn
er liefert das optimale »Qualitäts-Back-Up«, wodurch individuelle
Therapie geboten werden kann. Es wird den PatientInnen ein sicheres
Umfeld geboten, in dem sie optimal betreut werden und sich wohl
fühlen können. Es entsteht ein Lernen von und miteinander, für
jedeN in ihrem/seinem Fachbereich.
Als junge Gruppe von PhysiotherapeutInnen und UnfallchirurgInnen
im Bezirk Kirchdorf (OÖ) sind wir sehr stolz darauf, uns ein solches
Netzwerk zum Austausch geschaffen zu haben: Es gibt Rückhalt,
Bestätigung und Vertrauen für die tägliche Arbeit! Gemeinsam mit
den PhysiotherapeutInnen Sandra Schneider, Barbara Mandlbauer,
Jana Konvalinova, Bernhard Resl und Martin Pimminger bin ich in
einem Team (alle freiberuflich in eigener Praxis), das sich regelmäßig
trifft, fachlich austauscht und den Kontakt mit ÄrztInnen sucht.
Prim. Dr. Robert Pehn, Leiter der unfallchirurgischen Abteilung am
Krankenhaus Kirchdorf, und sein ÄrztInnenteam legen ebenso großen
Wert auf ein solches Netzwerk und was vor ca. sechs Jahren als
lockeres Gespräch zwischen zwei Personen begonnen hat, ist nun
ein Austausch in einem interdisziplinären Team.
Das Team der UnfallchirurgInnen lädt die behandelnden PhysiotherapeutInnen der jeweiligen PatientInnen auch häufig ein, bei
Operationen anwesend zu sein. Aber das Gegenseitige Interesse
hat vor allem damit begonnen, als Prim. Pehn vor drei Jahren Barbara
Mandlbauer und mich um einen Vortrag bei den jährlichen Kniegesprächen in Bad Hall gebeten hat. Unsere Themen waren ›Runner’s
Knee‹ und ›Jumper’s Knee‹ aus Sicht der Physiotherapie, erinnere ich
mich. »Jeder von uns Physios in der Gruppe arbeitet selbständig und
hat seine/ihre eigenen Themen, die, meist im Anlassfall, mit den
Ärzten besprochen werden, aber häufige Treffen unter uns Physios
ermöglichen auch einen weiterlaufenden Informationsaustausch«.
Vor wenigen Monaten wurde wiederum ein Impuls seitens des ÄrztInnenteams gestellt, wonach Unklarheit besteht, wie denn bestimmte
Details in der Reha nach LCA-Rekonstruktion in der Physiotherapie
aussehen. Dies war Anlass dazu, einige Grundsatzfragen wieder neu zu diskutieren, wie etwa wann von einer Einheilung
des Transplantates auszugehen ist, wann und wie Orthesen zu
verwenden sind bzw. wie notwendig diese sind, etc.
Wichtig ist bei solchen Diskussionen auch immer, von einer entsprechenden Evidenzlage auszugehen, das heißt, das eigene Handeln
auch immer vor dem Hintergrund rezenter wissenschaftlicher Datenlage zu reflektieren. »Solche Diskussionen sind auch Weiterbildungen
auf sehr hohem Niveau. Wahrscheinlich muss man davon ausgehen,
dass solche Diskussionen nie zu einem Ende führen, aber immer
weiter in Richtung der optimalen Betreuung unserer Patientinnen
und Patienten.«
physioaustria inform Februar 2015
15
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 16
1-4 May 2015
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worldwide
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 17
Alexander Baillou
© GIZ
GIZ
Das aktuelle Kernteam der GIZ bei der Sportphysiowoche
2014 v.l.n.r: Stephanie Weimann, Barbara Amhof, Lilli But,
Alexander Baillou, Roland Scheiber, Oliver Typolt
Interdisziplinär –
wie geht das wirklich?
Das Schlagwort »interdisziplinäre Zusammenarbeit« ist
in aller Munde. Gesprochen wird oft darüber, aber wie
kann dieser lobenswerte Vorsatz in die tägliche Arbeit
in der Praxis integriert werden?
Nicht nur darüber reden, sondern auch etwas tun –
das war der Grund warum eine Gruppe von PhysiotherapeutInnen auf Initiative von Alexander Baillou im
April 2012 die »Gesellschaft zur Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich« (GIZ)
ins Leben gerufen hat. Das Ziel der Gesellschaft war und
ist es, die Kommunikation zwischen ÄrztInnen und PhysiotherapeutInnen in einer ansprechenden, respektvollen
Atmosphäre zu fördern.
Ein Mittel um dies zu erreichen sind die regelmäßig stattfindenden sogenannten »GIZ Fokus Tage«. ÄrztInnen und
PhysiotherapeutInnen sowie verwandte Berufsgruppen
referieren über ihr Spezialgebiet und stellen sich der
Diskussion mit KollegInnen. Neben qualitativ hochwertigen Fachvorträgen sind auch Praxisworkshops ein fester
Bestandteil der Fokus Tage. Das angenehme Klima und
die Wertschätzung der einzelnen Berufsgruppen untereinander werden von den ReferentInnen sowie TeilnehmerInnen sehr geschätzt und führen zu einem konstruktiven
Miteinander. Den Abschluß der Fokus Tage bildet immer
eine Podiumsdiskussion bei der ReferentInnen und TeilnehmerInnen gemeinsam offene Fragen, PatientInnenbeispiele und berufspolitische Themen erörtern.
Ein typisches Beispiel für den interdisziplinären Wissensaustausch ist der letzte Fokus Tag im Oktober 2014 unter
dem Motto »RHEUMA ZAM!«. Der große Festsaal des
Palais Eschenbach in Wien war bis auf den letzten Platz
gefüllt und die TeilnehmerInnen erwartete ein Programm
mit fachlich hoch qualifizierten ExpertInnenvorträgen.
PhysiotherapeutInnen aus unterschiedlichen Fachgebieten, RheumatologInnen, OrthopädInnen, ein Radiologe
sowie ein Ernährungswissenschafter referierten zum
Thema Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises
und deren Therapie. Der Schwerpunkt dabei lag auf der
axialen Spondylarthritis.
Alexander Baillou
ist Physiotherapeut seit 2001, leitet zwei
Praxen in Wien (»PHYSIO TEAM BAILLOU«)
und ist Gründer und Präsident der Gesellschaft für Interdisziplinäre Zusammenarbeit GIZ.
Seit 2013 bringt er seine Ideen und
Energien auch im Wiener Landesverband
von Physio Austria als bestellter
Funktionär ein.
Der chronisch entzündliche Rückenschmerz, kurz SPA, wird
leider oft erst spät erkannt. Dies führt zu enormen Beeinträchtigungen der Lebensqualität für die PatientInnen und in
Folge zu einer deutlich schlechteren Prognose. PhysiotherapeutInnen haben meist deutlich längerer Kontaktzeiten mit
ihren PatientInnen als ÄrztInnen, daher kommt ihnen bei der
Früherkennung eine wesentliche Rolle zu. Auch diesmal endete die Veranstaltung mit einer offenen und konstruktiven
Diskussion und dem Konsens in Zukunft sowohl im intraals auch extra-muralen Bereich enger zusammenzuarbeiten.
Die GIZ organisiert neben den ein- bis zweitätigen Fokustagen
seit 2013 parallel zur »Sportärztewoche« in Kaprun auch die
»GIZ Sportphysiowoche« in Kooperation mit dem fachlichen
Netzwerk Sportphysiotherapie von Physio Austria. Hierbei gibt
es bei interessantem und abwechslungsreichem Programm
eine Woche lang die Möglichkeit, sowohl im Vortragssaal als
auch auf der Skipiste intensiv interdisziplinär zu arbeiten.
Die Veranstaltungen sind geprägt von gegenseitiger Akzeptanz und dem gemeinsamen Credo, dass eine Optimierung
der therapeutischen Praxis nur durch eine Verbesserung der
Kommunikation und dem Wissen um die Fähigkeiten und
Herangehensweisen der jeweils anderen Disziplin passieren
kann. Das positive Feedback gibt den Veranstaltern immer
wieder die Motivation stets neue, interessante Projekte
durchzuführen und dadurch einen kleinen Beitrag zur Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit zu leisten.
Die nächsten Veranstaltungen sind bereits in Planung und die
GIZ freut sich schon jetzt auf viele interessierte TeilnehmerInnen und ReferentInnen, die gemeinsam interdisziplinäre
Zusammenarbeit leben wollen.
Nähere Informationen zur GIZ und den nächsten
Veranstaltungen finden Sie unter www.giz-fokus.at.
physioaustria inform Februar 2015
17
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 18
Themenschwerpunkt Physiotherapie und Interdisziplinarität
Uro-Prokto-Gyn –
15 Zentimeter Körperregion
brauchen Interdisziplinarität
Drei medizinische Fächer – Urologie, Proktologie und Gynäkologie – treffen
sich auf einer Körperoberfläche, die mit einer Hand zu bedecken ist.
Hier ist Zusammenarbeit gefragt. Ein Kommentar aus der Praxis.
Markus Martin
ist Physiotherapeut seit
1982, seit 1996 in eigener Praxis, seit 2006
in Wien. Er hat die
Methode »BM Balance Moderne Prävention
und Rehabilitation für
Blase, Beckenboden
und Prostata« entwickelt. Seit 1994 hält
er verschiedene Fortbildungskurse und ist
Mitglied im fachlichen
Netzwerk Uro-, Prokto-,
Gynäkologie und
Geburtshilfe von Physio
Austria.
Je populärer es ist, bei medizinischen Angeboten mit Begriffen wie »interdisziplinär«,
»Der Mensch im Mittelpunkt«, »Ganzheitlichkeit« zu werben, desto mehr ist anzunehmen,
dass die vorherrschende Gesundheitsversorgung einen ganz anderen Trend zeigt.
Die Ausdifferenzierung der medizinischen
Fachgebiete entwickelt zunehmend unüberschaubarere Verhältnisse. Waren vor 50 Jahren z.B. OrthopädInnen für alle Erkrankungen
des Bewegungsapparates und InternistInnen
für alle Pathologien der Inneren Medizin
zuständig, wird heute danach gefragt: »Ist er
auch Spezialist für das Knie?« oder noch
spezieller: »für Knieersatz?«. Die Ausbildungsverordnung der österreichischen Ärztekammer von 2006 ergänzt beim Facharzttitel das
Sonderfach »Innere Medizin« bereits mit
15 weiteren Additivfächern (wie Angiologie,
Endokrinologie etc.). Eine Spezialisierung,
die im Gleichschritt bei der Physiotherapie
zu beobachten ist – wenn auch in anderer
Ausformulierung.
Der Beckenboden – eine Beispieldisziplin
Der immer detailliertere Blickwinkel beinhaltet aber auch die Gefahr den gesamten
»Organismus Mensch« aus dem Auge zu verlieren. Dabei ist doch seit Aristoteles bekannt: »Das Ganze ist mehr als die Summe
seiner Teile«.
Drei medizinische Fächer – Urologie, Gynäkologie und Proktologie – treffen sich auf einer
Körperoberfläche, die mit einer Hand zu bedecken ist. Die Organwand des einen stützt
das Organ der anderen Disziplin. Verändert
sich in einem Kompartiment Spannung, Lage
oder Funktion, sind stets auch die anderen
Organe betroffen. Betrachtet man die Diskussionen der einzelnen Disziplinen, so kann
man aber selbst auf diesem kleinen Raum
mehr ein Kopf-an-Kopf-Rennen der »Teil«SpezialistInnen beobachten, als ein Denken
»im aristotelischen Sinne«. Auf einzelnen
Uro-Gyn-Kongressen wie auch der Kontinenzgesellschaften wird zunehmend mehr ein
interdisziplinärer und interprofessioneller
Anspruch verfolgt. Gleichzeitig gibt es aber
universitär, wissenschaftlich, gesundheitsund berufspolitisch traditionell entstandene
18
physioaustria inform Februar 2015
Strukturen zusammen mit ökonomisch geleiteten Forschungsinteressen, die ihren Tribut
fordern und es erschweren, dem gesetzten
Anspruch gerecht zu werden. So unterstützenswert der Versuch, real zeigt sich bislang mehr
multidisziplinäre Zusammenarbeit denn gemeinsame Konzeptionen, die interdisziplinär
entstehen.
Wird interdisziplinär auch als interprofessionell verstanden?
Die drei ärztlichen »Beckenbodendisziplinen«
haben große Probleme zur gemeinsamen Sichtweise zu finden. Was machen die verschiedenen Berufe des »Beckenbodens« miteinander?
BEISPIEL 1
PhysiotherapeutInnen arbeiten heutzutage
mit Methoden, die ÄrztInnen – Gynäkologie,
Urologie oder Chirurgie (Proktologie) – in ihrer
Ausbildung nicht erlernt haben. Sie können
daher auch nicht ein- oder abschätzen, ob
PhysiotherapeutInnen in dem konkreten Fall
helfen können. Auf welcher Grundlage soll
er/sie empfehlen/verordnen können?
Auf Leitlinien-Grundlage?
Wäre dies der Fall: Wieso kommt es zu so
wenigen Verordnungen? Die Physiotherapie
bei Inkontinenz und Senkungen ist eine 1AEmpfehlung aller bedeutenden internationalen
Leitlinien! Im Verhältnis zum statistisch
belegbaren Bedarf ist die Anzahl ärztlicher
Verordnungen heute noch weit davon entfernt.
Interdisziplinarität gibt es da bislang nicht
wirklich. Und die Leitlinien unabhängige, auf
individueller Evidenz initiierte Verordnung?
Auch sie hat zur Zeit noch mehr mit der persönlichen Einstellung der ÄrztInnen zu tun, als
dass sie auf Grundlage einer breit verankerten
Erkenntnis beruht, dass Physiotherapie einen
wesentlichen Beitrag zur Gesundheit im
kleinen Becken beiträgt.
Wie wäre das zu verändern? Sollen alle GynäkologInnen in ihrer Ausbildung Untersuchungen
der Hüftmobilität lernen oder jeder Proktologe
verschiedene Atemvarianten erkennen lernen?
Wäre es nicht effektiver, er/sie würde im
Regelfall eine entsprechende physiotherapeutische Fachkraft mit einbeziehen?
Wie interdisziplinär geht es die Physiotherapie
selbst an?
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 19
AUSBILDUNG
Markus Martin
BEISPIEL 3
© stockdevil – fotolia.com
EinE PatientIn mit Schmerzen im coccygialen Bereich
wird hoffentlich auf eineN PhysiotherapeutIn mit Schwerpunkt Orthopädie treffen, die/der daran denkt, dass es
auch beckeninterne Störungen sein können, die dies
hervorrufen, respektive wenn er/sie auf eineN
Uro-Prokto-Gyn-SpezialisiertIn trifft, dass dieseR
auch mögliche ISG-Irritationen im Hinterkopf hat.
Schon gehört/schon vergessen, dass
a
Verkürzungen im Hüftbeugebereich zu migräneähnlichen Zuständen führen können?
b
ein fixierter Schultergürtel zu Sehnenüberlastungen
im Handbereich aber auch zu Lumbalschmerzen
führen kann?
c
eine Insuffizienz des M. levator ani durch eine
Irritation des M. obturatorius internus entstehen
kann?
BEISPIEL 2
Die Kontinenzschwester hat häufig, oft täglich, Kontakt
mit betroffenen PatientInnen – dort ist weniger Zeit als
bei der Physiotherapie für Einzelaufgaben aber andererseits mehr Kontinuität. Gäbe es eine Möglichkeit diese
und das Engagement dieser PflegerInnen im Rahmen
einer interdiziplinären PatientInnenbetreuung zu
nützen? Wie in der ÄrztInnenschaft scheint es auch in
der Physiotherapie mitunter mehr Angst als Mut für
die Interdisziplinarität zu geben, die heutzutage immer
auch InterprofessionalitätMultiprofessionalität verlangt.
Interdisziplinarität in den eigenen Reihen?
Der Beruf des Physiotherapeuten/der Physiotherapeutin ist ja eigentlich in sich selbst Interdisziplinarität
schlechthin. Haltung und Atmung, Bewegung und
Stabilität, Durchblutung und Leistung – alles nur optimal, wenn von Kopf bis Fuß »geschaut wird«. Und doch
titulieren sich mittlerweile KolegInnen als »Hand-«,
»Kiefer-« oder gar »AtlastherapeutInnen«. Es fällt nicht
schwer, sich vorzustellen, dass es in der Zukunft »Lumbal-SpezialistInnen«, »Hüft-Physios« usw. geben kann.
Welchen Bedarf nach Interdisziplinarität produzieren
wir damit selbst?
Auch methodische Spezialisierungen liefern
nur begrenzte »Ganzheitlichkeit«
Die vielen Richtungen der Osteopathie, manuellen
Techniken oder Trainingskonzepte zeigen nicht minder
ihre Begrenztheit auf – zu komplex ist der menschliche
Organismus, als dass mit Spezialisierung auf eine
Methode oder Teildisziplin allumfassend geholfen werden
könnte. »Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht
in jedem Problem einen Nagel« schrieb Paul Watzlawick.
Je größer also die Spezialisierung desto mehr erfordert
es einen interdisziplinären Ansatz.
Ausblick
In der Geschichte der Hirnforschung gibt es über die
Jahrhunderte eine interessante Parallele zu den aktuellen
Technologietheorien: Rechenmaschine, Computer,
Netzwerklogik etc.
Bei der Physiotherapie haben wir die alte, auf mechanischen Grundsätzen beruhende »Kraft = Gesundheit«Gleichung weit hinter uns gelassen. Die Reflexion der
»neuro-muskulären Zusammenhänge« war bahnbrechend
in den 70er Jahren für die moderne Physiotherapie und
die sich anschließende Entwicklung wissenschaftlicher
Arbeitsweisen. Den heutigen Hype stellen die Faszien
dar. Das Tensegrity-Modell – vielleicht auch ein Modell
für zukünftige Interdisziplinarität? Zusammenarbeit in
einem sich gegenseitig stützenden aber auch modulierenden Netzwerk? Spezialisierung als Teil eines
Geflechtes verschiedener Disziplinen und Professionen,
anpassungsfähig entsprechend der Erfordernisse.
Mit dem Ziel, gemeinsam zu wirken – FachkollegInnen
hinzu- oder zu Rate ziehen. Statt immer weiter reduzierend und trennend zu agieren, integrativ tätig sein und
gemeinsam nach optimalen Lösung suchen… für das
Ganze, den Menschen.
Durch Reduktion die Wahrheit entdecken oder aus dem
Auge verlieren?
physioaustria inform Februar 2015
19
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 20
Themenschwerpunkt Physiotherapie und Interdisziplinarität
Neuerwerbungen
der Bibliothek
C. Zalpour (2015)
Prüfungsfragen mit
Antworten: Anatomie
Physiologie. Effektive
Lernhilfe und Lernkontrolle.
München: Urban & Fischer
Verlag/Elsevier GmbH.
B. Baumann (2014)
Pilates in der Physiotherapie.
Stressprävention im Berufsalltag zur Förderung der
Standfestigkeit. Saarbrücken.
AV Akademikerverlag.
N. Palastanga/R. Soames (2014)
Anatomie und menschliche
Bewegung. Strukturen und
Funktionen. München: Urban &
Fischer Verlag/Elsevier GmbH.
R. M. A. Suchenwirth/
R. Dittel (2014)
Neurologische
Untersuchung.
4. erw. Auflage.
Bad Hersfeld:
Neuromedizin Verlag.
D. Wottke (2013)
Rückengerechtes
Verhalten.
Berlin/Heidelberg:
Springer Verlag.
F. Diemer/V. Sutor (2011)
Praxis der medizinischen
Trainingstherapie.
I. Lendenwirbelsäule,
Sakroiliakalgelenk und
untere Extremitäten.
2. Auflage. Stuttgart:
Georg Thieme Verlag.
Persönlichkeitsbildung 2015 –
Stärken Sie sich!
2015 bietet Physio Austria allen Angehörigen
der gehobenen medizinisch-technischen Berufe
ein neues Kursangebot im Bereich der
Persönlichkeitsbildung an:
PhysioMax. TherapeutInnen-PatientInnenbeziehungen
wirkungsvoll gestalten.
wirklichen Behandlungsauftrag klären
° Den
Medizinische Dokumentation
° Ressourcen aktivieren
° Umgang mit »ProblempatientInnen«
° Marketing
°
26. – 28.02.2015,
Wien, Physio Austria Kurszentrum
Erste Hilfe. Auffrischungskurs.
Inklusive Ausbildung zur Frühdefibrilation.
26.04.2015,
Wien, Physio Austria Kurszentrum
Resilienz.
zu eigenen Ressourcen sichern
° Zugang
Stärken festigen und gezielt einsetzen
° Gedanken und Gefühle bewusst regulieren
° Mit Druck und Stress konstruktiv umgehen
° In schwierigen Situationen gesunde
° Gelassenheit wahren
30.04. – 01.05.2015, 02.07.2015,
Wien, Stammersdorf, Biohof Nummer5
7 Schritte in die Freiberuflichkeit.
erste Schritt Papierkram und Behördenwege
° Der
PatientIn – ÄrztIn und TherapeutIn/MTD.
° Die Gestaltung des Miteinander.
und (Sozial-)Versicherung
° Steuer
Finanzplanung
° Die Krankenversicherung – bürokratische Hürde
° oder willkommener Kostenträger der MTD?
im Gesundheitsbereich
° Selbstmarketing
Freiberuflichkeit – Chancen und Risiken
°
02. – 04.10.2015, Graz, GESU Institut
Supervision für therapeutische Tätigkeit.
Verbesserung und Entlastung der
° beruflichen
Fähigkeiten
Reflexion der Interaktionen des
° eigenen beruflichen Handelns und Umfeld
Erweiterung der persönlichen und
° beruflichen
Kompetenz
Erweiterung der diagnostischen Perspektiven
° für den PatientInnen durch Fallsupervision
° Erarbeitung von konstruktiven Lösungsmöglichkeiten
10.10.2015, Wien,
Physio Austria Kurszentrum
Erste Hilfe. Besondere Notfälle
in Ordinationen und Krankenhäusern.
Inklusive Basic Life Support.
16.10.2015,
Wien, Physio Austria Kurszentrum
20
physioaustria inform Februar 2015
Therapeutischer Humor.
Bewusster Einsatz von Humorinterventionen
mit PatientInnen und im Team.
27. – 28.11.2015,
Wien, Physio Austria Kurszentrum
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 21
Karl Lochner, Barbara Kern, MSc
© Karl Lochner
SYMPOSIUM
Symposium
»Funktion und Sport«
Karl Lochner ist Leiter des
fachlichen Netzwerkes
Sportphysiotherapie.
Barbara Kern ist Mitglied
des fachlichen Netzwerkes
Sportphysiotherapie.
350 PhysiotherapeutInnen aus drei
Ländern zur Weiterbildung in Bern.
Bereits zum zwölften Mal veranstalteten die KollegInnen
von Sportfisio Schweiz ihr jährliches Symposium in Bern.
Das diesjährigeThema war »Funktion und Sport«. Die
ursprünglich Schweizer Veranstaltung wurde das erste
Mal als Drei-Länder-Veranstaltung mit Deutschland und
Österreich gemeinsam konzipiert, d.h. SportphysiotherapeutInnen aus diesen Ländern konnten auch zu
einem vergünstigten Tarif teilnehmen. Das Symposium
war, wie jedes Jahr, ausgebucht und 350 SportphysiotherapeutInnen besuchten die qualitativ hochwertige
Veranstaltung.
Im Rahmen der interessanten Vorträge berichteteShirley
A. Sahrmann (USA), dass sich im Laufe der letzten drei
Jahrzehnte hinsichtlich »Movement Impairment Syndromes« einiges verändert hat. Sie führte aus, dass es mit
passiven (manuellen) Behandlungsstrategien in den 80er
Jahren begann und aktuell das »Human movement system«, definiert als ein neuro-muskulo-skelettales Organsystem, im Vordergrund steht. Daraus entwickelte sich
das »Kinesiopathologic Model of Movement«, welches
durch Bewegung verursachte Patholgien beschreibt.
In der Praxis scheint nach aktuellen Erkenntnissen die
Veränderung der funktionellen Aktivitäten, neben dem
sensomotorischen Training, am Wichtigsten zu sein.
Peter McNair (Neuseeland) präsentierte in seinem Vortrag
die Möglichkeiten peripher auf die Arthrogene Muskel
Inhibition (AMI) einzuwirken. Die neurale Inhibition des
M. quadriceps kann auch noch Jahre nach Trauma oder
Operation bis zu 20 bis 40 Prozent betragen. Schwellung,
Erguss und Entzündung im Gelenk sind die häufigsten
Ursachen der AMI. Wichtig sei dabei, kein Krafttraining
bei Schwellung und Erguss anzuwenden, dafür in wenig
gelenkbelasteten Stellungen zu trainieren. 20 Minuten
Eisanwendung am Gelenk sei effektiv. TENS und Training
und die Anwendung von Schmerzmitteln reduzieren
die AMI.
Nicola Maffiuletti (Schweiz), einer der renommiertesten Forscher auf dem Gebiet
der neuromuskulären Steuerung, sprach
über die zentralen Ursachen der Inhibition:
1/3 Atrophie + 2/3 Inhibition = Schwäche.
Durch die Quadriceps Schwäche ergeben
sich funktionelle Veränderungen – erhöhte
Gelenkbelastung – Knorpelschäden nicht
nur im Knie, sondern auch in der Hüfte.
Strategien der Behebung der Inhibition
durch Training (cross education, mentale
Arbeit, elektrische Stimulation, elektrische
Stimulation, ballistische Arbeit und exzentrische Arbeit) kombiniert mit Bio-Feedback.
WEITERE REFERENTINNEN
Dr. Dianne Andreotti (Schweiz):
»Motor Control and Hamstrings in Athletics«
Dr. Carla Stecco (Italien):
»Fascia research and proprioception:
implications in sports«
Dr. Michael Roman (Schweiz):
»Biologisches Alter und relatives Alter«
bei Kindern und Jugendlichen
Martin Zawieja (Deutschland):
Langhanteltraining
Weitere Information zum Engagement des
fachlichen Netzwerks Sportphysiotherapie
www.physioaustria.at/og/sport
physioaustria inform Februar 2015
21
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 22
Themenschwerpunkt Physiotherapie und Interdisziplinarität
Interprofessionalität
in der Bachelorausbildung
Bei der Interprofessionalität von verschiedenen Berufsgruppen im
Gesundheitswesen sind die Ausbildungseinrichtungen gefordert.
Zwei Beispiele aus der Praxis.
Interprofessionalität wird schon seit
vielen Jahren als ganz wichtiger Aspekt für die weitere Entwicklung im
Gesundheitswesen betrachtet.
Damit Interprofessionalität von den
verschiedenen Berufsgruppen im
Gesundheitswesen schon früh
genug erlebt werden kann, wird die
Forderung nach Durchführung von
interprofessionellen Projekten
immer wieder an die Ausbildungseinrichtungen gestellt.
Beate Salchinger,
MSc, MSc
ist Leiterin des Instituts
Physiotherapie an der
FH JOANNEUM in Graz.
Sie ist Mitglied des Präsidiums von Physio Austria
und dort für das strategische Handlungsfeld
Studium zuständig.
Dieser Artikel hat sich zum Ziel
gesetzt, zwei Beispiele bereits
»gelebter« Interprofessionalität im
Ausbildungsbereich an Fachhochschulen aufzuzeigen.
Emil Igelsböck, MAS
ist Leiter des Lehr- und
Forschungspersonals des
Bachelor-Studienganges
Physiotherapie an der FH
Gesundheitsberufe Oberösterreich. Seit 2003 ist er
Leiter des fachlichen Netzwerks Hochschulbildung
von Physio Austria. In der
Zeit von 2006 bis 2012 war
er Mitglied der Education
Working Group des ERWCPT.
22
physioaustria inform Februar 2015
BEISPIEL 1
FH JOANNEUM Graz
TITEL DES PROJEKTS
»Physio Ergo sum, na Logo!«
TEILNEHMERINNEN
Studierende der Bachelorstudiengänge Ergotherapie,
Logopädie und Physiotherapie der FH JOANNEUM
ZEITPUNKT DER DURCHFÜHRUNG
Ende Sommersemester 2014/
Anfang Wintersemester 2015
DAUER
Für die Studierenden der einzelnen Studiengänge
zwei bis drei Stunden aktive Teilnahme. Für die
Studierenden, die das Projekt leiten und durchführen,
ist die Stundenanzahl deutlich höher.
ZIEL
Ziel dieses Projektes ist es, anhand eines PatientInnenbeispiels aus dem Bereich der Neurologie die interdisziplinären Herangehensweisen zu erarbeiten und
zu diskutieren.
ABLAUF BEZIEHUNGSWEISE ORGANISATION
Zwei bis drei Studierenden aus jedem der drei Studiengänge erarbeiten in der Projekterstellung die therapeutische Herangehensweise für PatientInnen mit einer
neurologischen Diagnose, in diesem Fall einem Patienten nach Schlaganfall, aus Sicht des eigenen Berufs.
In dieser Phase wird sowohl der theoretische als auch
der praktische Inhalt untereinander abgestimmt, damit
unterschiedliche Aspekte des Patienten abgebildet
werden. Die Studierenden der Projektgruppe kommen
dann gemeinsam in die verschiedenen Studiengänge.
Jeweils die beiden anderen Berufe stellen dann nach
einer Brainstorming Phase die Schwerpunkte ihrer
Berufe vor.Wichtig sind dabei ein Brainstorming der teilnehmenden Studierenden, sowie die anschließende
»Auflösung« der jeweiligen Disziplin und das Erkennen
co-therapeutischer Ressourcen. Im Anschluss an diesen Dialog wurden auch praktische Fertigkeiten der
anderen Fachrichtungen ausprobiert und reflektiert.
RESÜMEE
Die Rückmeldungen aus allen drei Studiengängen
waren sehr positiv. Sie bezogen sich meist auf die fachliche Vernetzung und das bessere Verständnis der anderen Berufe. Die Studierendengruppe, die das Projekt
durchgeführt hat, gab die Rückmeldung, dass sie einen
großen Lernprozess in der gemeinsamen Kommunikation und auch im Projektmanagement erfahren haben.
Desweiteren haben die Studierenden Einblick in
Abläufe und didaktische Konzepte der anderen Studiengänge bekommen, was für einen spannenden
Austausch und weiterführende Diskussionen mit den
Lehrenden gesorgt hat. Das Pilotprojekt soll weitergeführt werden, andere Optionen des Austauschs
über die Studiengänge hinweg, werden angedacht.
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 23
Beate Salchinger, MSc, MSc; Emil Igelsböck, MAS
BEISPIEL 2
FH Gesundheitsberufe Oberösterreich (FHGOÖ)
TITEL DER LEHRVERANSTALTUNG
»Berufsbilder, Interprofessionelle Zusammenarbeit
im Gesundheitswesen«
© FHGOÖ
STUDIUM
StudentInnen der FHGOÖ bei der Präsentation
ihrer Ergebnisse (Oktober 2014)
TEILNEHMERINNEN
Studierende der Bachelorstudiengänge Biomedizinische
Analytik, Diätologie, Radiologie-Technologie, Ergotherapie,
Logopädie, Hebamme und Physiotherapie der FHGOÖ.
Insgesamt ca. 90 Personen
ZEITPUNKT DER DURCHFÜHRUNG
Erstes Semester der Bachelorausbildung
DAUER DER LEHRVERANSTALTUNG
Acht Unterrichtseinheiten (á 45 Minuten)
ZIEL
Das Ziel dieser Lehrveranstaltung ist es, dass sich die
StudentInnen der verschiedenen Bachelorstudiengänge
der FHGOÖ kennen lernen und dass sie im Rahmen einer
Lehrveranstaltung interprofessionell an der Lösung der
Aufgaben arbeiten, die an sie gestellt werden.
ZU ABLAUF BZW. ORGANISATION DIESES TAGES
Es werden neun Gruppen zu je zehn Personen gebildet,
wobei darauf geachtet wird, dass in jeder Gruppe eine
gute Durchmischung stattfindet, d.h. dass womöglich
aus jeder Berufsgruppe einE StudentIn von den sieben
verschiedenen Bachelor-Studiengängen dabei ist.
ARBEITSAUFTRÄGE FÜR DIE GRUPPEN
a
b
c
Gegenseitiges Kennenlernen in der Gruppe
durch Bearbeitung folgender Fragen:
Was hat dich bewogen, dich für die Sparte »…«
zu bewerben?
Gab es bei einem »Schnupperpraktikum« besondere
Erlebnisse, die diesen Wunsch gestärkt haben?
Jede der neun Gruppen bearbeitet definierte Berufsbilder
(anhand der Broschüre »Gesundheitsberufe in Österreich« vom Bundesministerium für Gesundheit) und
präsentiert das Ergebnis im Plenum. Es geht dabei
um die Bereiche »Tätigkeitsbereiche«, »Überschneidungen zu anderen Berufsgruppen« und »Abgrenzungen
zu anderen Berufsgruppen«.
Jede der neun Gruppen bearbeitet verschiedene
Fallbeispiele und präsentiert das Ergebnis im Plenum.
Bei diesen Fallbeispielen soll einE PatientIn vom Erstkontakt mit dem Gesundheitssystem bis zur Heilung/
Entlassung aus dem Krankenhaus betrachtet werden.
Mit welchen Berufsgruppen hat der/die PatientIn zu
tun? Wo befinden sich Schnitt- bzw. Nahtstellen?
Resümee
Die Lehrveranstaltung wird von sehr vielen Beteiligten
als interessant und kurzweilig erlebt. Hier zwei Originalzitate von Rückmeldungen, die die Studierenden im
Rahmen der Lehrveranstaltungsevaluierung gegeben
haben.
ZITAT 1
»Man konnte sehr gut andere Studiengänge kennenlernen
und sich gegenseitig austauschen. Auch die Erarbeitung
eines konkreten Beispiels war sehr hilfreich fürs
Verständnis, wie viele und welche Berufsgruppen
zusammenarbeiten.«
ZITAT 2
»Die Aufgaben, die wir in der Gruppe ausarbeiten durften,
hatten meiner Meinung nach einen weitaus höheren Lerneffekt, als wenn die Thematik einfach mittels Power-Point
vorgetragen worden wäre. In meiner Gruppe waren fast alle
Teilnehmer bis zum Schluss motiviert, insgesamt hat mir die
Veranstaltung sehr gut gefallen.«
Diese beiden Beispiele zeigen eindrücklich, dass die
Studierenden gut zu motivieren sind, über die Grenzen der
eigenen Berufsgruppe hinweg gemeinsam zu arbeiten und
zu gestalten. Natürlich darf dabei nicht vergessen werden,
dass die Organisation solcher Aktivitäten zeitaufwändig
ist und teilweise auch logistische Herausforderungen mit
sich bringt. Lehrende werden dafür aber meist mit hoch
aktiven und kreativen Studierenden »belohnt«. Daher
unser Resümee: Tun, es lohnt sich!
LITERATUR
Report Careum Dialog 2014,
Gesundheitspolitik trifft Bildungspolitik, Innovation in der Gesundheitsbildungspolitik stärken,
Careum Verlag Schweiz
physioaustria inform Februar 2015
23
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 24
Themenschwerpunkt Physiotherapie und Interdisziplinarität
Interdisziplinarität
einmal anders
Physiotherapie und IT
Am Studiengang Physiotherapie in Graz wird eine
Word-Vorlage für die Dokumentation des physiotherapeutischen Prozesses verwendet. Dieses Formular sollte nun in eine aktuellere Version in einer
webbasierten IT-Anwendung umgewandelt werden.
Viele PhysiotherapeutInnen benötigen jeden Tag in der
Arbeit einen PC. Für Recherchearbeit, zum Zwecke der
Dokumentation, für die Abrechnung und Buchhaltung.
Oft hat man dabei das Gefühl, dass es hier nur um
das Nutzen von IT-Tools geht, die man weder gestalten
noch wirklich verstehen kann. Aber wie kann das
anders gehen?
An der FH Joanneum gibt es neben den Gesundheitsberufen eine große Anzahl anderer Studienrichtungen, die
mitunter auf den ersten Blick wenig mit den Gesundheitsstudiengängen zu tun haben. Aber diese Andersartigkeit bringt Ideen und bewirkt, auch einmal über den
Tellerrand zu blicken und Interdisziplinarität auch einmal
vor dem Hintergrund Public Health zu interpretieren.
Immer wieder arbeitet der Studiengang Physiotherapie
auch mit den verschiedenen IT-Studiengängen zusammen und stellt sich der Herausforderung der »Übersetzungsarbeit« von der einen zur anderen Profession. Die
letzte Zusammenarbeit startete als Umsetzung eines
Projekts von Studierenden der Physiotherapie durch
Studierende des Studiengangs E-Health und wurde anschließend in der Masterarbeit von Bernadette Spieler
weiterentwickelt und dokumentiert.
Die Problemstellung
Am Studiengang Physiotherapie wird eine Word-Vorlage
für die Dokumentation des physiotherapeutischen Prozesses verwendet. Dieses Formular sollte nun in eine
aktuellere Version in einer webbasierten IT-Anwendung
umgewandelt werden. Die Idee stammte von den Studierenden, die unzufrieden mit der »Zettelwirtschaft« waren
und sich dafür eine Lösung gewünscht hatten.
Auf der anderen Seite stehen Lehrende vor der Herausforderung, die physiotherapeutischen Prozesse zu beurteilen. Ein Prozess, der auf Grund der Heterogenität von
PatientInnen und Studierenden oft schwierig ist.
24
physioaustria inform Februar 2015
Die Umsetzungsphase
Um den physiotherapiefremden IT-Studierenden eine
Möglichkeit zu geben, unsere Ideen umzusetzen, wurde
eine Ansprechperson aus dem Kreis der Lehrenden ausgewählt. Diese Person konnte die Hintergründe über die
Logik im physiotherapeutischen Befund aber auch im
speziellen Formular geben. In diesem Rahmen erfolgte
zudem ein großer Wissenstransfer über die Physiotherapie. Speziell während der Masterarbeit beschäftigte sich
auch die IT-Studierende, Bernadette Spieler, mit Themen
wie Clinical Reasoning oder Reflexion, da diese Bereiche
implizit im Befundbogen eingebaut sind. Die PhysiotherapeutInnen mussten sich auf der anderen Seite mit Themen wie Maximalwortanzahl, technische Realisierbarkeit,
Anordnung der (Navigations-, Inhaltlichen-, Screen-Layout- und Interaktions-) Elemente, Usability oder unterschiedlichen Scripts befassen. So tauchten beide
Studiengänge in die Denkweise des jeweilig anderen ein
und mussten diese auch nachvollziehen. Spieler meint
dazu: »In der Planungsphase war es wichtig, die technische Realisierung zu klären und den sprichwörtlichen
»IT-Gap« zu überwinden. In dieser Phase wurde auch
über den Zweck des Produkts endgültig entschieden.
Diese fiel dann zu Gunsten einer Lehranwendung aus.
Nach einer ersten Programmierung wurde das Produkt
durch zwei Usability-Tests geschickt. Im ersten Schritt
haben die Studierenden im Praktikum die neue onlineVersion erprobt. Hier tauchten Probleme mit dem
Zugang, der Größe von Uploads und der Länge von Textteilen auf, die vorab für die Programmiererin nicht absehbar waren. Aber auch sehr produktive Vorschläge
im Sinne der besseren Nutzbarkeit wurden eingebracht.
Nach dieser Phase wurden die Vorschläge bewertet und
als wichtig empfundene noch umgesetzt. In einer zweiten
Feedbackschleife wurde das Produkt nochmals von
Studierenden und Lehrenden getestet, bevor die erste
Version fertiggestellt wurde.
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 25
IT
Beate Salchinger, MSc, MSc
Das Produkt
Entwickelt wurde eine webbasierte Befunddokumentation,
die für die Studierenden und Lehrenden im Rahmen der
Lehre nutzbar ist. Die erstellten Dokumentationen können
zusätzlich als pdf-Dokument ausgedruckt und archiviert
werden.
Die online-Version ist in manchen Punkten anders aufgebaut als das bisher verwendete Word-Dokument. Das
betrifft zum Beispiel Überschriften für Unterpunkte, da
lange Überschriften in einer Menüleiste optisch nicht gut
umsetzbar sind. Eine übersichtliche Menüführung unterstützt aber ganz maßgeblich eine effektive Nutzung einer
IT-basierten Anwendung. Andererseits ist es ein Vorteil,
dass die Formatierung des Befundes geleitet durch die
Anwendung immer gleich bleibt. Im Word-Dokument
verschieben sich Punkte z.B. durch die Länge von Textpassagen, manchmal ist dann eine optisch ansprechende
Lösung ein großer Aufwand für die Studierenden und
lenkt von der inhaltlichen Bearbeitung ab.
Die IT-Anwendung definiert in einigen Bereichen die
Wortanzahl für NutzerInnen und zwingt diese dazu, kurz
und prägnant zu bleiben. Dies wiederum ist eine sehr
gute Übung für die Studierenden, die manches Mal lieber
längere Texte formulieren als an einer exakten Formulierung zu feilen, die kurz und prägnant ist. Weiter bietet
die Webanwendung für Lehrende die Möglichkeit, die
Abgaben zu kommentieren, zu korrigieren und zu bewerten. Diese Rückmeldungen können dann wieder von den
Studierenden eingesehen werden, ohne dass Dokumente
versendet werden müssen.
© Gajus – fotolia.com
Beate Salchinger, MSc, MSc
ist Leiterin des Instituts Physiotherapie an der FH JOANNEUM
in Graz.
Sie ist Mitglied des Präsidiums
von Physio Austria und dort für
das strategische Handlungsfeld
Studium zuständig.
Resümee und Ausblick
Die therapeutischen Berufe sind oft sehr stark mit inhaltlichen Fragestellungen befasst, andere Berufe – auch im
Gesundheitswesen – vielleicht parallel dazu mit Prozessoptimierungen. Inhalt und Prozesse müssen aber, um
besonders effektiv und effizient zu sein, gut aufeinander
abgestimmt sein. Hier kommt Interdisziplinarität über die
Grenzen der klassischen Gesundheitsberufe ins Spiel.
Das Einlassen auf die Expertise des anderen Berufs, die
Lust am gemeinsamen Schaffen kann inspirierend aber
manchmal auch mühsam sein. Am Ende des Prozesses
sind meist alle PartnerInnen einen (positiven) Schritt
weiter. Unsere Webanwendung wird in Zukunft den
Studierenden und Lehrenden zur Verfügung stehen. Es
gibt bereits auch erste Anfragen zur Weiterentwicklung
für die Anwendung im Berufsalltag. Wir hoffen, dass
unsere Studierenden geübt werden im Umgang mit
IT-Anwendungen zur Dokumentation im Berufsalltag
sowie durch die Kommunikation mit Studierenden anderer
Studiengänge offen werden für Diskussionen und Lust
bekommen gemeinsam neue Wege auszuprobieren.
physioaustria inform Februar 2015
25
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 26
Themenschwerpunkt Physiotherapie und Interdisziplinarität
Eva Müllauer
ist seit 1983 als Physiotherapeutin in verschiedenen
Fachbereichen tätig. Derzeit
ist sie interimistische Fachbereichsleitung MTDG an der
Abteilung für Kinder- und
Jugendpsychiatrie und
Behindertenpsychiatrie für
Erwachsene des Neurologischen Zentrums Rosenhügel.
Sie ist als Lehrbeauftrage an
der FH Campus Wien und FH
Salzburg tätig. Sie leitet das
fachliche Netzwerk Palliative
Care und Hospizwesen von
Physio Austria.
LITERATUR
Physiotherapie
in der Kinder- und
Jugendpsychiatrie
(KJP) sowie in der
ErwachsenenBehindertenpsychiatrie;
online: www.wienkav.at
Steinhausen H.- Ch.
(Hrsg.) Psychische
Störungen bei Kindern
und Jugendlichen:
Lehrbuch der
Kinder- und Jugendpsychiatrie und
–psychotherapie.
Gebundene Ausgabe –
12. Juli 2010,
Elsevier Verlag
26
Der Puzzlestein
in einem komplexen
Gefüge
Physiotherapie und Interdisziplinarität im
Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie –
Kommunikation und Zusammenarbeit im
intra- und extramuralen Bereich.
Ungefähr ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen leiden
zumindest einmal an psychischen Beschwerden, deren
Ursachen mannigfaltig sind. Die Diagnostik und Therapie
erfolgen im interdisziplinären Team unter Berücksichtigung der speziellen sozialen Situation und inkludieren
die Vernetzung mit extramuralen Strukturen wie Bezugspersonen, Wohngemeinschaft, Krisenzentrum oder
Schule bzw. Kindergarten. Die Physiotherapie ist ein
Puzzlestein in einem komplexen Gefüge rund um
unmündige PatientInnen.
Kinder und Jugendliche, die im ambulanten und stationären Setting, auf einer Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie diagnostiziert und behandelt werden, weisen
häufig eine der folgenden Indikationen auf: Angststörungen, Depression, Posttraumatische Belastungsstörung,
Autismus, Schizophrenie, Essstörungen, Suchterkrankungen, Belastungsreaktionen, Suizidalität, selbstverletzendes Verhalten, Persönlichkeitsentwicklungsstörungen,
Zwangsstörungen, bipolare Störungen, Enuresis/Enkopresis, etc. Das Physiotherapieteam der Abteilung für
Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) im Krankenhaus
Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel
beschreibt seine Ziele auf der offiziellen Homepage
wie folgt: »Ziele der Physiotherapie in der KJP sind die
Verbesserung der Körperwahrnehmung und des Körpergefühls, die Entwicklung von Raum-, Rhythmus- und
Zeitgefühl, das Üben der Beziehungsaufnahme zu
Mitmenschen, das Sich-Erleben in der Beziehung zu
Mitmenschen in vielfältigen Bereichen, der (sic) Wiedergewinnen von Spaß und Freude an Bewegungen und
eigener Aktivität, das Wahrnehmen von eigenen Bedürfnissen, Wünschen und Bewegungsimpulsen, die
Behandlung von Schmerzzuständen und Bewegungseinschränkungen, die Verbesserung der Selbsteinschätzung,
das Wiederentdecken bekannter Ressourcen und das
Entdecken neuer Fähigkeiten.«
physioaustria inform Februar 2015
Schmerzzustände und Bewegungseinschränkungen
sowie Probleme mit Einnässen und Einkoten können
sowohl psychische als auch organische Ursachen haben.
Aufgabe der Physiotherapie ist es daher bereits in der
Untersuchung den Fokus darauf zu legen, die Physis
nicht zu vernachlässigen. Veränderungen im Haltungsund Bewegungsapparat wie z.B. eine Skoliose, eine
Schwäche der Haltemuskulatur bei den jugendlichen
»couch potatoes«, Überlastung von Strukturen durch
Übergewicht oder verletzte und veränderte Strukturen
im Beckenbodenbereich nach Missbrauch oder der Ausweitung des Darmes durch Kotsteine, bedürfen einer Abklärung und anderer physiotherapeutischer Maßnahmen
als bei rein psychischer Problematik. Diese »doppelte
Herausforderung« ist typisch für die Physiotherapie und
einige andere Mitglieder des interdisziplinären Teams
(Ergotherapie, Logopädie, Pflege, ÄrztInnen, die dann
an andere FachärztInnen überweisen) und unterscheidet
sie von den Teammitgliedern, die ihren Fokus und ihre
Aufgabe eher nur im psychischen oder sozialen Bereich
sehen.
Um interdisziplinäres Arbeiten möglich zu machen,
bedarf es geeigneter Kommunikationsstrukturen und
der Bereitschaft, die Fachkompetenz der einzelnen
Berufsgruppen im Team zu kennen und anzuerkennen.
Reibungsloses Kommunizieren und Agieren kann dann
erfolgen, wenn klare Strukturen vorgegeben sind und der
Stellenwert der Beteiligten gleich hoch ist. Wöchentliche
Sitzvisiten in einem ausreichend großen Besprechungsraum bieten einen geeigneten Rahmen dafür. Aus Sicht
der ÄrztInnen, Pflege, Physiotherapie, Ergotherapie,
Logopädie, Musiktherapie, Kunsttherapie, Pädagogik,
Schule, Sozialarbeit und Psychologie wird das Kind oder
der/die Jugendliche vorgestellt, Gemeinsamkeiten gefunden, mögliche Ursachen für ein bestimmtes Verhalten
herausgefiltert, gemeinsame, übergeordnete Therapieziele formuliert und Maßnahmen festgelegt.
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 27
Eva Müllauer
© matimix – fotolia.com
PSYCHIATRIE
Nicht selten decken sich die Beobachtungen und
Erfahrungen, die die einzelnen Teammitglieder gemacht
haben, und ein einheitliches strategisches Vorgehen
kann besprochen und festgelegt werden. Dies kann
u.a. der Fall sein, wenn ein Kind Probleme in Übergangssituationen - z.B. von der Spielsituation in die
nächste Therapieeinheit gehen zu müssen oder von der
Therapieeinheit in die Schule - zeigt. Oft hat sich die
eine oder andere Herangehensweise z.B. der Pädagogik oder Pflege bewährt und kann von den anderen
Berufsgruppen präventiv übernommen werden.
Eine besonders enge Zusammenarbeit der Physiotherapie mit der Pflege ist Voraussetzung, damit adäquate
»Hausübungsprogramme« durchgeführt werden können. Diverse Therapiematerialien wie z.B. Therabänder
oder Hanteln dürfen aus Sicherheitsgründen (selbstund fremdgefährdendes Verhalten) nicht bei den Kindern und Jugendlichen verbleiben. Das Hand in Hand
Arbeiten und eine präzise Informationsweitergabe
zwischen diesen beiden Berufsgruppen sind auch dann
von Bedeutung, wenn eine Therapie abgebrochen
werden muss und das Kind oder der/die Jugendliche
wieder an die Pflege übergeben wird bzw. im Rahmen
von Deeskalationen.
Große Freude bereiten dem Team interdisziplinäre
Projekte und Aktionen, wo ein positives und fröhliches
Miteinander möglich ist. Dazu zählen Ausflüge, therapeutisches Klettern, Projektwochen im Sommer oder
auch die Gruppenangebote, wo Angehörige verschiedener Berufsgruppen miteinander ein Angebot für die
PatientInnen gestalten. Der Bewegungszirkus für die
Kleineren oder die Tanzgruppe für die Jugendlichen
können durchaus als Highlight bezeichnet werden und
machen allen Spaß. Die Planung und Durchführung
erfolgt interdisziplinär und unter Berücksichtigung aller
anderen Termine, die im individuellen Wochenplan für
die einzelnen PatientInnen festgelegt sind.
Die interdisziplinäre Abstimmung und Zusammenarbeit
mit dem extramuralen Bereich (Eltern, Bezugspersonen
z.B. in den Wohngemeinschaften, externe Schule/
Kindergarten, Sozialamt usw.) erfolgt häufig in Helferkonferenzen, wo die bestmögliche Betreuung und
Unterbringung der Kinder und Jugendlichen beraten
und beschlossen wird. Auch dies zählt zum Aufgabengebiet der PhysiotherapeutInnen in diesem Bereich –
einerseits, um die Weiterführung der Therapie im extramuralen Bereich zu unterstützen und vorzubereiten und
andererseits, um das Umfeld besser kennen zu lernen
und in die Therapieplanung einbeziehen zu können.
Eine Voraussetzung für gelebte Interdisziplinarität liegt
in der Fachkompetenz der Mitglieder der einzelnen
Berufsgruppen und der Bereitschaft, voneinander zu
lernen und miteinander zu agieren. Im Bereich der Physiotherapie bedeutet dies: regelmäßige Fortbildungen
sowohl fachspezifisch als auch fachübergreifend bei
den wöchentlichen Abteilungsfortbildungen, regelmäßige interne Teambesprechungen und Austausch
mit anderen PhysiotherapeutInnen aus dem Bereich
im Rahmen von Netzwerktreffen. Übergeordnet muss
die grundlegende Bereitschaft, Teil eines Ganzen zu
sein, gegeben sein.
Physioteam am Neurologische Zentrum Rosenhügel:
Angela Balazs, Martin Daubek und Daria Seitl, Bsc
physioaustria inform Februar 2015
27
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 28
© Alexandr Vasilyev – fotolia.com
Themenschwerpunkt Physiotherapie und Interdisziplinarität
Interdisziplinäres Netzwerk
Uro-Prokto-Gyn Salzburg
PhysiotherapeutInnen, FachärztInnen für Gynäkologie und
Geburtshilfe, interessierte Hebammen und Pflegekräfte
treffen sich alle fünf bis sechs Wochen in verschiedenen
Praxen und im Krankenhaus Hallein zum Austausch.
Was als »lockere Treffen« in der Praxis begann, hat sich
letztlich zu einem bundeslandweiten Netzwerk entwickelt: Entstanden aus fachlichem Interesse rund um
den Beckenboden, haben vor einigen Jahren spezialisierte PhysiotherapeutInnen, FachärztInnen für Gynäkologie und Geburtshilfe, interessierte Hebammen und
Pflegekräfte begonnen, sich regelmäßig im Abstand von
fünf bis sechs Wochen in verschiedenen Praxen und im
Krankenhaus Hallein zu treffen. Die Themen, mit denen
wir uns an den Abenden auseinandersetzen, umfassen
gynäkologische, urologische, proktologische und geburtshilfliche Schwerpunkte. Dabei laden wir regelmäßig FachärztInnen zu spezifischen Themen ein und
erhalten dadurch erweitertes, interdisziplinäres Wissen.
Durch den fachlichen und persönlichen Austausch
an den Vortragsabenden ergeben sich interessante
Möglichkeiten zur Vernetzung.
Des weiteren laden wir auch immer wieder VertreterInnen aus der Wirtschaft ein (in unserem Fachgebiet v.a.
aus dem Bereich der Elektrotherapie und spezifischer
Beckenbodentrainingsgeräte). Dabei haben wir die
Möglichkeit, uns mit den Geräten intensiver auseinanderzusetzen und uns berufsintern auch gleich vor
Ort über klinische Besonderheiten auszutauschen.
28
physioaustria inform Februar 2015
Durch unser Mitglied OÄ Dr. Maria Trattner vom Krankenhaus Hallein haben wir auch dei Chance, die Geräte
zur Diagnostik direkt vor Ort kennenzulernen und
Befunde gemeinsam zu interpretieren.
Einige Kolleginnen des Netzwerks haben sich in den
beschriebenen Bereichen noch vertiefend weitergebildet
und bieten uns immer wieder Einblicke in ihre Arbeit.
Dabei legen wir als Therapeutinnen bewusst unseren
Schwerpunkt auf die gemeinsame praktische Arbeit.
Unser großes Projekt im Jahr 2014 war die Gestaltung
eines Folder den wir an alle niedergelassenen GynäkologInnen im Land Salzburg verteilten. Diese Folder werden
an alle Frauen prae- und postpartal ausgeteilt. Auf ihnen
stehen die Kontaktadressen von spezialisierten PhysiotherapeutInnen in der jeweils näheren Umgebung. Ziel
ist es, den Frauen den Weg zur Geburtsvorbereitung und
Rückbildungsgymnastik durch spezialisierte PhysiotherapeutInnen zu erleichtern, beziehungsweise Frauen nach
Dammverletzungen und Kaiserschnittentbindungen und
damit einhergehenden Beckenbodenpathologien in
Einzeltherapien zu behandeln.
Mit diesem Projekt wollen wir die Zusammenarbeit zwischen GynäkologInnen und uns PhysiotherapeutInnen
zum Wohl der Patientinnen forcieren.
Um unser Projekt den FachärztInnen näher zu bringen,
wurden wir im Herbst vergangenen Jahres zur Gestaltung eines Vortragsabends von der Salzburger Ärztekammer eingeladen.
E
is
U
P
e
n
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k
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th
M
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U
P
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S
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fü
H
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01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 29
GYNÄKOLOGIE
Eva Bamberger
ist Physiotherapeutin mit Schwerpunkt
Uro-, Prokto-, Gynäkologie in eigener
Praxis in Eugendorf bei Salzburg (Physioexperts). Sie ist Mitglied in verschiedenen regionalen und überregionalen
interdisziplinären fachlichen Netzwerken sowie Assistenz und Vortragende
bei Fortbildungen im Bereich der
Gynäkologie für Hebammen/PhysiotherapeutInnen.
Monika Siller
ist Physiotherapeutin mit Schwerpunkt
Uro-, Prokto-, Gynäkologie in eigener
Praxis in Köstendorf bei Salzburg, Lehrende an der FH-Salzburg im BachelorStudiengang Physiotherapie und
Hebammen und im Master-Studiengang
Hebammen. Sie ist Fachvortragende
für ÄrztInnen/PhysiotherapeutInnen/
Hebammen und Pflegepersonal und
Mitglied des fachlichen Netzwerkes
Uro-Prokto-Gynäkologie und Geburtshilfe von Physio Austria.
Eva Bamberger, Monika Siller
Beckenbodenevaluation für Hebammen
Für die speziell im Bereich Uro-Prokto-Gynäkologie und Geburtshilfe
tätigen PhysiotherapeutInnen ist die Beckenbodenevaluation mit
vaginalen/analen Befundungsmethoden inzwischen obligat. Dies
ermöglicht uns eine wissenschaftliche Herangehensweise und demzufolge strukturell und funktionell orientierte Behandlungsmethoden.
Der inzwischen langjährige interdisziplinäre Austausch zwischen
PhysiotherapeutInnen und Hebammen im Land Salzburg und dem
benachbarten Oberösterreich, bringt immer wieder neue zu reflektierende Fragestellungen. So werden wir PhysiotherapeutInnen bei
Dysfunktionen des Bewegungsapparates in der Schwangerschaft
und in der Wochenbettzeit, aber auch bei Fragestellungen speziell
zum Beckenboden von den Hebammen konsultiert.
Einige Hebammen haben uns gegenüber in den letzten Jahren
wiederholt über Wissenslücken im Bereich der Beckenbodenevaluation berichtet, was uns veranlasst hat, im Oktober 2014 einen
besonderen Tagesworkshop nur für Hebammen zu diesem Thema
anzubieten. Dabei konnten wir neben den Kerninhalten des Workshops (praktisches Erlernen des Perfect-Schemas und Beurteilung
der Beckenbodenaktivitätszustände) auch viele Fragestellungen
zum Beckenboden während Schwangerschaft und Geburt klären.
Die teilnehmenden Hebammen waren durchwegs von unserer klaren
und evidenz-basierten Herangehensweise begeistert und wunderten
sich mehrmals, was es denn »gleich um die Ecke« (also an der Beckenbodenmuskulatur) zu beobachten und zu testen gibt. Schließlich
ist das Ziel des »Hebammenfingers« meist viel höher (am Muttermund) angesiedelt. Bei entsprechendem Interesse bieten wir 2015
wieder Workshops zu diesem o.ä. Themen an. Eine, aus unserer
Sicht, große Bereicherung für beide Berufsgruppen.
fh gesundheit
wir bilden die zukunft
fh gesundheit
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master-lehrgang
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pädagogik in
gesundheitsberufen
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gesundheitswesen
Sie möchten eine pädagogische Tätigkeit wie Lehre, Betreuung der praktischen Ausbildung oder von Bachelorarbeiten und Curriculumentwicklung im Gesundheitswesen
ausüben? Mit dem Lehrgang Pädagogik in Gesundheitsberufen vermitteln wir Ihnen die aktuellen fachwissenschaftlichen und didaktischen Kenntnisse und Fertigkeiten.
Q Dauer und Ablauf:
4 Semester, berufsbegleitend
Q Abschluss:
Master of Science in
Health Science Education (MSc)
Die Entwicklungen im Gesundheitsbereich fordern zusätzliche
Qualifikationen und schaffen neue Karrierechancen. Mit dem
FH-Master-Studiengang bietet die fh gesundheit eine Ausbildung an, die Ihnen ein umfassendes Wissen in den Bereichen
Qualitäts-, Prozess- und Projektmanagement vermittelt und
Ihnen so das Rüstzeug zur Steuerung dieser Veränderungsprozesse bietet.
Q Dauer und Ablauf:
4 Semester, berufsbegleitend
Q Abschluss:
Master of Science in Health
Science Studies (MSc)
Q Start:
Oktober 2015
Q Anmeldeschluss:
30. Mai 2015
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bezahlte Anzeige
Q Start:
Oktober 2015
Q Anmeldeschluss:
13. Mai 2015
fhg-tirol.ac.at
physioaustria inform Februar 2015
29
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 30
Aus der Praxis Evidenz
UMFRAGE
Gudrun Diermayr, PhD, Herbert Schachner, MSc
Implementierung der
evidenzbasierten Physiotherapie
Auszug aus den Ergebnissen einer Umfrage
Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass der aktuelle Stand
der Anwendung von evidenzbasierter Praxis in Österreich niedriger
ist als in Ländern, aus denen vergleichbare Daten vorliegen.
Evidenzbasierte Praxis (EBP) beschreibt ein
therapeutisches Vorgehen, bei dem die klinische Erfahrung des/der BehandlerIn, die
Wünsche und Werte des/der PatientIn sowie
Ergebnisse aus systematischer Forschung in
der klinischen Entscheidungsfindung berücksichtigt werden (Sackett et al. 1996). Ergebnisse aus systematischer Forschung durch
Studien mit hoher methodischer Qualität
und physiotherapeutischer Relevanz sind in
unterschiedlichen klinischen Bereichen vorhanden und ermöglichten die Entwicklung
internationaler, evidenzbasierter physiotherapeutischer Leitlinien (z.B. Bekkering et al.
2003, Keus et al 2004, Langer et al. 2009).
Untersuchungen zeigten, dass die Anwendung von EBP bzw. Leitlinien sowohl die Zufriedenheit von PatientInnen als auch deren
Funktionsfähigkeit gesteigert hat, sowie zu
einer Kostenreduktion führte (z.B. Munneke
et al. 2010, Fritz et al. 2007). Trotz dieser
bekannten Vorteile stehen der Einführung
bzw. Anwendung von EBP Barrieren gegenüber, die sich auf organisatorischer Ebene,
auf der TherapeutInnen- oder auf PatientInnen-Ebene befinden (z.B. Salbach et al.
2007, Scurlock-Evans et al. 2014). Um den
Prozess der EBP Implementierung in Österreich gezielt zu unterstützen, ist es notwendig, die Ausgangslage zu kennen. Daher war
das Ziel dieser Studie, den aktuellen Stand
der EBP Implementierung bei österreichischen PhysiotherapeutInnen zu untersuchen sowie Faktoren zu identifizieren,
die die Anwendung von EBP beeinflussen.
30
physioaustria inform Februar 2015
Methode
Zur Beantwortung der Forschungsfragen
wurde eine prospektive Querschnitts-OnlineBefragung unter den Mitgliedern von Physio
Austria durchgeführt. Der Online-Fragebogen wurde mit Hilfe des Programms ‚Survey
Monkey‘ erstellt. PhysiotherapeutInnen mit
Diplom/Bachelor of Science, die zur Zeit der
Umfrage in Österreich klinisch tätig waren,
wurden in die Studie eingeschlossen. Um
eine möglichst hohe Beteiligungsrate zu erzielen, wurde die Aussendung der Umfrage
an die 4.050 per E-Mail kontaktierbaren
Mitglieder nach der Dillman-Methode durchgeführt (Dillman 2007). Sämtliche Daten
wurden in anonymisierter Form erhoben und
bearbeitet. Die Studie wurde von der Ethikkommission der Medizinischen Universität
Wien genehmigt. Die Entwicklung des Fragebogens war Literatur- (Salbach et al. 2007,
Jette et al. 2003) und Theorie-geleitet (Ajzen
1991) und beinhaltete ExpertInnen-Interviews sowie eine dreiphasige Pilottestung.
Details zur Fragebogen-Entwicklung werden
in der veröffentlichten Studie zu lesen sein.
Die Endversion des Fragebogens bestand
aus 52 Fragen (Items), die neun Rubriken
zugeordnet wurden (Einstellungen zu EBP,
subjektive Norm, empfundene EBP-Kompetenzen, Umsetzung von EBP-Aktivitäten,
EBP-Training, Kenntnisse von Forschungsergebnissen, Ressourcen am Arbeitsplatz,
EBP-Barrieren, demographische Informationen). Die Datenbearbeitung zur Beantwortung der primären Fragestellung (aktueller
Stand der EBP Implementierung) erfolgte
deskriptiv (Antwortfrequenzen und deren
prozentuelle Aufteilung). Antworten auf die
sekundäre Fragestellung (Einflussfaktoren
für eine EBP Anwendung) wurden durch
einfache und multiple Regressionsverfahren
ermittelt.
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 31
SOZIODEMOGRAPHISCHE
DATEN (N = 588)
N
%
Alter
20-29
30-39
40-49
50+
83
189
168
99
15.4
35.0
31.2
18.4
Geschlecht
Weiblich
Männlich
438
97
81.9
18.1
Höchster Abschluss
Diplom PT
Bachelor of Science
Master/Mag./DI*
Dr./PhD*
351
47
134
5
65.4
8.6
25.0
1.0
69
103
115
252
12.8
19.1
21.3
46.8
*Abschluss oder im Studium
Berufserfahrung in Jahren
<5
5-10
11-15
>15
Arbeitsstunden pro Woche
< 20
20-30
31-40
> 40
Betreuung von
StudentInnen im Praktikum
Arbeitsstätte betreibt
Forschung
Überwiegender
Arbeitsbereich
Orthopädie/Traumatologie
Neurologie
Innere Medizin
Pädiatrie
Geriatrie
TABELLE 1
Soziodemographische
Daten der TeilnehmerInnen
64
175
158
141
11.9
32.5
29.4
26.2
182
34.3
91
17.2
349
68
14
38
46
67.8
13.2
2.7
7.4
8.9
Gudrun Diermayr, PhD
ist Professorin für Physioherapie an der SRH Hochschule Heidelberg. Ihre
Arbeitsschwerpunkte sind
Neurorehabilitation und evidenzbasierte Physiotherapie.
Auf ihre Ausbildung zur Physiotherapeutin in Wien folgte das
Masterstudium an der New
York University und das Doktorat im Bereich Motorische Kontrolle und Motorisches Lernen
an der Columbia University,
New York, begleitet von mehrjähriger klinische Tätigkeit in
Wien, München und New York.
Herbert Schachner, MSc
ist Mitglied des Lehr- und
Forschungspersonals des
Studienganges Physiotherapie
der FH Gesundheitsberufe OÖ.
Seine Arbeitsschwerpunkte
sind wissenschaftliches Arbeiten in der Physiotherapie und
chronischer Schmerz. Nach
der Ausbildung zum Physiotherapeuten in Steyr absolvierte er sein Masterstudium
an der FH Campus Wien.
Neben seiner klinischen
Tätigkeit am Klinikum WelsGrieskirchen ist er Mitglied
des Arbeitskreises »wissenschaftliches Arbeiten« innerhalb seines Studienganges.
Auszug aus den Studienergebnissen
Von den ursprünglich 708 TeilnehmerInnen, die den
Fragebogen beantworteten, konnten 588 Fragebögen für
die Datenauswertung verwendet werden (120 Personen
brachen die Umfrage nach Einschlussfragen ab bzw.
erfüllten Einschlusskriterien nicht). Die Tabelle 1 zeigt
einen Auszug aus den erhobenen soziodemographischen
Daten der TeilnehmerInnen.
Neun von elf Items der Rubrik ‚Einstellung zu EBP‘
wurden von mehr als 50 Prozent der TeilnehmerInnen
positiv zustimmend beantwortet (‚stimme eher zu‘ und
‚stimme voll zu‘). Die höchste Zustimmung in dieser
Rubrik erhielten die Items ,Eine Evidenz-gestützte Physiotherapie stärkt das professionelle Auftreten anderen
Berufsgruppen gegenüber (86,9%) und ,Aktuelle Ergebnisse aus Literatur und Forschung sind nützlich für meine
tägliche Praxis (83,5%). Die geringste Zustimmung zeigte
sich bei den Items ‚Zu den Aufgaben von PhysiotherapeutInnen sollte es gehören, eigene Literaturrecherchen
durchzuführen und die Qualität der Literatur zu bewerten‘
(44,4%) und ‚Ich sollte vermehrt wissenschaftliche
Erkenntnisse in meiner Praxis einsetzen‘ (49,8%).
Dem Item ‚Ich lernte wissenschaftliche EBP-Grundlagen
in meiner Ausbildung‘ stimmten 52 Prozent der TeilnehmerInnen »gar nicht« oder »eher nicht« zu. Eine volle
Zustimmung zu den drei Items ‚Ich fühle mich kompetent
1. im Suchen und Finden wissenschaftlicher Artikel, 2. im
Verstehen und Bewerten von wissenschaftlicher Literatur
und 3. im Interpretieren statistischer Methoden und
Resultate‘ gaben (1.) 15,7 Prozent, (2.) 17,2 Prozent bzw.
(3.) 8,1 Prozent der TeilnehmerInnen. Zehn Prozent der
TeilnehmerInnen stimmten voll zu, regelmäßig standardisierte Assessments anzuwenden und nach Leitlinien zu
arbeiten. 27 Prozent der TeilnehmerInnen gaben an, öfter
als einmal im Monat elektronische Datenbanken für die
Literatursuche zu verwenden, während 50 Prozent nicht
nach wissenschaftlicher Literatur recherchieren.
physioaustria inform Februar 2015
31
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 32
Aus der Praxis Evidenz
Gudrun Diermayr, PhD, Herbert Schachner, MSc
UMFRAGE
Weiter gaben 58,8 Prozent der TeilnehmerInnen an, pro Monat mehr als einen wissenschaftlichen Artikel zu lesen. In der Rubrik
‚Ressourcen am Arbeitsplatz‘ gaben 93,1 Prozent der TeilnehmerInnen an, keine ausgewiesenen Zeiten für die Suche und Bearbeitung
wissenschaftlicher Literatur zu haben. Eine
finanzielle Unterstützung vom Arbeitgeber für
die Erweiterung wissenschaftlicher Kompetenzen erhalten insgesamt 18,3 Prozent der TeilnehmerInnen. Eine EBP-Implementierung wird
bei 11,1 Prozent der TeilnehmerInnen vom
Arbeitgeber gefordert. Die am häufigsten
genannten Barrieren für die EBP Anwendung
waren Zeitmangel (21,8%), unzureichende
Statistikkenntnisse (15,0%) und unzureichende
allgemeine wissenschaftliche Fertigkeiten
(10,1%).
Als wesentlichste Einflussfaktoren für die Anwendung von EBP wurden folgende Faktoren
identifiziert (R2 = 0,58; F(13,460) = 47,0; p <
0,001): Kenntnisse über Forschungsergebnisse, Einstellung zu EBP, wahrgenommene
EBP-Kompetenzen, Ausbildungs-Abschluss
(z.B. Diplom versus Master), sowie aktive
Teilnahme an Forschungsaktivitäten.
Diskussion und Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse dieser Umfrage zeigen, dass
der aktuelle Stand der EBP Anwendung in
Österreich niedriger ist als in Ländern, aus
denen vergleichbare Daten vorliegen (z.B.
Bernhardson et al. 2013, Swinkels et al. 2011,
Jette et al. 2003). Wie bereits in anderen Untersuchungen festgestellt (Scurlock-Evans et
al. 2014), sind Zeitmangel, Mangel an wissenschaftlicher Kompetenz und Mangel an Unterstützung auf institutioneller Ebene wichtige
Barrieren für die Anwendung von EBP.
Zusammengenommen stellen jedoch die
derzeit unzureichenden wissenschaftlichen
Grundlagen der EBP die zentrale Barriere in
Österreich dar. Die in dieser Umfrage ermittelten Barrieren und Einflussfaktoren für eine
EBP Anwendung können als Basis für das
Planen von Strategien zur Förderung der EBPImplementierung dienen. Die Schaffung eines
Zuganges zu aktueller wissenschaftlicher Information in zusammengefasster Form, das
Anbieten von Fortbildungsmöglichkeiten zur
Erweiterung der wissenschaftlichen Kompetenz und die Aufklärung von PhysiotherapeutInnen, ArbeitgeberInnen bzw. Versicherungsträgern über die Vorteile von EBP sind
Beispiele für Maßnahmen, die die Implementierung gezielt unterstützen könnten.
Erste Ergebnisse dieser Arbeit wurden beim
MTD-Forum im November 2013 in Wien präsentiert. Eine Präsentation ausgewählter Ergebnisse der Umfrage findet im März 2015 im
Rahmen der Jahrestagung des deutschen
EBM-Netzwerkes statt. Die Einreichung der
gesamten Studie für eine Publikation in einem
internationalen wissenschaftlichen Journal
erfolgt im Februar/März 2015.
Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen
KollegInnen bedanken, die an dieser Befragung
teilgenommen haben. Weiters bedanken wir
uns bei Physio Austria für die Teilfinanzierung
des Projekts. Unser besonderer Dank gilt
den freiwilligen TeilnehmerInnen der zeitaufwendigen Pilottestungen.
PROJEKTTEAM
Gudrun Diermayr, PhD (Projektleitung)1,2
Herbert Schachner, MSc3
Nancy Salbach, PhD4
Mag. Margit Eidenberger3
Monika Lohkamp, PhD1
1 Fakultät für Therapiewissenschaften,
SRH Hochschule Heidelberg
2 Universitätsklinik für Neurologie,
Medizinische Universität Wien
3 Studiengang Physiotherapie, Fachhochschule
für Gesundheitsberufe Oberösterreich
4 Department of Physical Therapy,
Faculty of Medicine, University of Toronto
LITERATUR
Ajzen I. (1991). The theory of
planned behavior. Organizational
Behavior and Human Decision
Processes, 50(2), 179-211.
Bekkering G.E. et al. (2003).
Dutch Physiotherapy Guidelines
for Low Back Pain. Physiotherapy, 89(2), 82-96.
Bernhardsson S. et al. (2014).
Determinants of guideline use in
primary care physical therapy:
a cross-sectional survey of attitudes, knowledge, and behavior.
Physical Therapy, 94(3), 343-54.
Dillman D.A. (2007). Mail and
Internet Surveys: The tailored
design method. Second Edition
ed. Hoboken, New Jersey: John
Wiley & Sons.
Fritz J.M., Cleland J.A., Brennan
G.P. (2007). Does adherence to
the guideline recommendation
for active treatments improve
the quality of care for patients
with acute low back pain delivered by physical therapists?
Medical Care, 45(10), 973-80.
Jette D.U. et al. (2003). Evidence-based practice: beliefs,
attitudes, knowledge, and
behaviors of physical therapists.
Physical Therapy, 83(9),
786-805.
32
physioaustria inform Februar 2015
Langer D. et al. (2009). A clinical practice guideline for physiotherapists treating patients
with chronic obstructive pulmonary disease based on a
systematic review of available
evidence. Clinical Rehabilitation, 23(5), 445-62.
Munneke M. et al. (2004).
Efficacy of community-based
physiotherapy networks for
patients with Parkinson's
disease: a cluster-randomized
trial. The Lancet Neurology,
9(1), 46-54.
Keus S.H.J. et al. (2004).
KGNF guidelines for physical
therapy in patients with
Parkinson’s disease. Dutch
Journal of Physiotherapy,
114(Supplement (3)).
Sackett D.L. et al. (1996). Evidence based medicine: what it
is and what it isn't. British Medical Journal, 312(7023), 71-2.
Salbach N.M. et al. (2007).
Practitioner and organizational
barriers to evidence-based
practice of physical therapists
for people with stroke. Physical Therapy, 87(10), 1284-303.
Scurlock-Evans L. et al. (2014).
Evidence-based practice in
physiotherapy: a systematic
review of barriers, enablers
and interventions. Physiotherapy, 100(3), 208-19.
Swinkels R.A. et al. (2011).
Current use and barriers and
facilitators for implementation
of standardized measures in
physical therapy in the Netherlands. BMC Musculoskeletal
Disorders, 12, 106.
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 33
ÜBUNGSANLEITUNGEN
Anja Raab, MSc
Online-Sammlung
von Übungen
für Betroffene und PhysiotherapeutInnen
Auf einer Internetseite sind rund 1000 physiotherapeutische Übungen gut verständlich dargestellt und seit
kurzem auch ins Deutsche übersetzt. Davon profitieren
längst nicht nur PhysiotherapeutInnen aller Welt, sondern
auch Betroffene und medizinisches Fachpersonal.
Die kostenlose Online-Plattform www.physiotherapyexercises.com bietet Übungen für Querschnittgelähmte,
aber auch für Kinder und SchlaganfallpatientInnen, die
physiotherapeutische Hilfe benötigen sowie für Personen
ohne neurologische Einschränkungen. Die Seite dient
zum einen den TherapeutInnen, um ihr Wissen zu erweitern, und zum anderen, um den PatientInnen ein Heimprogramm mitgeben zu können. Besonders wertvoll ist
die Sammlung auch für Lehrpersonen als Unterrichtsmaterial und als Lernhilfe für Studierende.
Das übergeordnete Ziel dieser Webseite
Dank praktischer Selektionskriterien kann ein/e PhysiotherapeutIn nach Kategorien wie Diagnose, betroffenem
Körperteil, Schwierigkeitsgrad, vorhandenen Hilfsmitteln
und nach dem Alter des/der PatientIn gezielt Übungen
auswählen. Es können somit individuelle Übungsbroschüren erstellt werden und diese in verschiedenen Formaten
(z.B. PDF, Word oder HTML) als fix-fertige Anleitung ausgedruckt oder direkt per Mail weitergesendet werden.
Andererseits können Betroffene das Bild- und Videomaterial der Webseite für ihr eigenes Training selbst nutzen.
Jede einzelne Übung beinhaltet eine definierte Zielsetzung, eine therapeutische Beschreibung und eine einfach
verständliche Anleitung für PatientInnen. Als visuelle
Hilfestellung sind ergänzend jeweils eine Grafik oder ein
Video beigefügt. Im Allgemeinen dienen die Übungen der
Verbesserung der Kraft, der Muskellänge, der Ausdauer
und der Funktionalität. Alle Übungen basieren auf dem
neuesten Stand der Wissenschaft und werden bei neuen
Erkenntnissen aus der Forschung überarbeitet.
Anja Raab
ist Physiotherapeutin und
arbeitet seit 2006 im Schweizer
Paraplegiker Zentrum Nottwil.
Sie ist dort als Physiotherapeutin mit Schwerpunkt
»Neurologie-Querschnittlähmung« tätig und zusätzlich
promoviert sie zum Thema
»Atemwegskomplikationen
bei Querschnittpatienten«.
Sie ist für die Übersetzung
der Webseite www.physiotherapyexercises.com ins
Deutsche verantwortlich.
Anja Raab war für die Übersetzung
ins Deutsche mit Unterstützung von
Berufskollegin Cornelia Barth verantwortlich. Für diese Arbeit wurden sie
von der Schweizer ParaplegikerStiftung finanziell unterstützt.
Ursprünglich wurde die Webseite im Jahr 2002 von
Associate Prof. L. Harvey aus Sydney zusammen mit
australischen Fachleuten für PhysiotherapeutInnen in
Schwellenländern, die teilweise reduzierten Zugang
zu Aus- und Weiterbildungen haben, konzipiert.
Mittlerweile wurde die Webseite mit Hilfe vieler engagierter PhysiotherapeutInnen in neun weitere Sprachen
übersetzt: Arabisch, Chinesisch, Französisch, Norwegisch, Polnisch, Russisch, Spanisch, Vietnamesisch
und jetzt auch auf Deutsch.
Seit Herbst 2014 ist
www.physiotherapyexercises.com
auch offizieller Partner der World Confederation
for Physical Therapy (WCPT).
physioaustria inform Februar 2015
33
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 34
Themenschwerpunkt Physiotherapie und Interdisziplinarität
Formen der
Zusammenarbeit
Pierre Real
ist Physiotherapeut und
arbeitet seit 20 Jahren
hauptsächlich mit
Menschen nach einem
Schlaganfall. Seit 2001
betreibt er im Tageszentrum für SeniorInnen
Leopoldstadt des Wiener Hilfswerks Physiotherapie für Menschen
nach Schlaganfall.
Best Practice der Physiotherapie und Interdisziplinarität
am Beispiel eines Tageszentrums für SeniorInnen in Wien.
Das Tageszentrum für SeniorInnen Leopoldstadt
(TZS 02) besteht seit 2001 und ist eines von
mittlerweile 21 Tageszentren in Wien. Ein Tageszentrum für SeniorInnen ist eine semistationäre
Einrichtung, die während der Tagesstunden eine
Betreuung und Versorgung von Menschen mit
unterschiedlichem Betreuungsbedarf über einen
überwiegend unbegrenzten Zeitraum anbietet.
© Wiener Hilfswerk
Ein strukturierter Tagesablauf mit einer Vielzahl
an aktivierenden und therapeutischen Angeboten
ermöglicht den Menschen trotz seelischer, geistiger oder körperlicher Einschränkungen, ein selbstbestimmtes Leben in der eigenen Wohnung.
Die Tagesgäste im TZS 02 werden von einem
interdisziplinären Team aus diplomierten Gesundheits- und Krankenschwestern/pflegern, PflegehelferInnen, HeimhelferInnen, einer Psychologin
und einem Physiotherapeuten begleitet, um eine
möglichst individuelle und bedarfsgerechte Betreuung zu gewährleisten.
Das TZS 02 ist ein wichtiger Teil des extramuralen
Betreuungsnetzwerkes. Eine Zusammenarbeit mit
vielen Berufsgruppen, wie z.B. HausärztInnen,
FachärzInnen, SozialarbeiterInnen, ErgotherapeutInnen, LogopädInnen, OrthopädietechnikerInnen,
usw. findet abhängig vom Bedarf statt. Jeder
Tagesgast hat ein Anrecht auf seine Individualität.
Ohne die interdisziplinäre Zusammenarbeit der
unterschiedlichen Berufsgruppen wäre es nicht
möglich, den Bedürfnissen der Tagesgäste, die
sich über die Zeit immer wieder verändern,
gerecht zu werden.
Das TZS 02 hat einen Schwerpunkt: Menschen
nach einem Schlaganfall erhalten Physiotherapie.
Dieses Angebot, Physiotherapie eingebettet in
eine sinnstiftende Tagesstruktur, gibt es in dieser
Form in Wien nur im TZS 02.
Das Angebot umfasst Einzeltherapie, Training
mit einem Aktiv-Passiv-Trainer (Motomed für die
obere und untere Extremität), Training mit einem
Ergometer, Therapiebarren, Therapieausgänge,
Angehörigenberatung, Hilfsmittelberatung, Unterstützung bei Kontaktaufnahme mit Behörden usw.
34
physioaustria inform Februar 2015
Da gerade im extramuralen Bereich ein Mangel
an Betreuungs- und Therapiemöglichkeiten ohne
zeitliche Begrenzung für Menschen nach einem
Schlaganfall besteht, ist die »Schlaganfallgruppe« sehr inhomogen. So sind zur Zeit des
Schlaganfalls berufstätige Menschen, die von
ebenfalls berufstätigen Angehörigen betreut
werden, aber tagsüber nicht zu Hause allein
sein können, genauso vertreten wie Menschen
im höheren Lebensalter, deren Schlaganfall
bereits Jahre zurückliegt.
Allen gemeinsam ist, dass durch eine kontinuierliche Physiotherapie und die interdisziplinäre
Zusammenarbeit im TZS 02 stets alltagsrelevante Ziele der Betroffenen ohne zeitliche
Beschränkung verfolgt werden können.
Das TZS 02 ist kein Ersatz für eine teilstationäre
Neurorehabilitation nach der Definition der
Österreichischen Gesellschaft für Neurorehabilitation (ÖGNR). Es entspricht vielmehr, gemäß
dem Modell der Rehabilitation der WHO, der
Phase 4: Diese Phase bezeichnet die langfristige
ambulante Nachsorge, die ohne ärztliche Aufsicht erfolgen kann und wohnortnah stattfinden
soll. Ziel ist eine weitere Verbesserung und
Festigung der erzielten Effekte.
Gerade in diesem Bereich kann das TZS 02
mithelfen, eine bestehende Lücke in der Betreuungs- und Therapielandschaft zu schließen.
Das TZS 02 ist eine vom Fonds Soziales Wien
(FSW) geförderte Einrichtung, d.h. die Kosten
für einen Tageszentrumsbesuch sind einkommensabhängig und so im Wesentlichen für
alle leistbar.
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 35
BEST PRACTICE
Pierre Real
© Wiener Hilfswerk
Mit der online-Umfrage zum Thema
Formen der Zusammenarbeit im
Frühsommer des vergangenen
Jahres wurde den TeilnehmerInnen
auch die Möglichkeit geboten, sich
bei Physio Austria zu melden, um
Beiträge zu bereits etablierten multiprofessionellen Netzwerken als Best
Practice Beispiele zu präsentieren.
Für die vorliegende inform Ausgabe
mit dem spezifischen Thema der Interdisziplinarität haben wir uns wieder an diese KollegInnen gewandt.
Es freut uns nun, die spezifische
Situation in einem Tageszentrum,
welche ein lokal verortetes Netzwerk
darstellt, durch Pierre Real vorstellen
zu können.
, weitere Infos
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Alle Kurstermin
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74-5245-0
Tell. +43 (0) 53
physioaustria inform Februar 2015
35
01 inform FEB_x 26.01.15 16:57 Seite 36
Themenschwerpunkt Physiotherapie und Interdisziplinarität
Mag. Agnes
Hove-Christtensen
ist Physiotherapeutin
und Anwenderin der
Basic Body Awareness
Therapie BBAT. Sie
studierte Kunsttherapie
»Expressive Arts
Therapy« und Psychologie. Ihre Arbeitserfahrungen und Fortbildungen liegen in den
Bereichen Psychiatrie,
Psychosomatische
Erkrankungen, Essstörungen, Neurologie,
Rehabilitation, Geriatrie,
Arbeitsmedizin und
Ergonomie.
LITERATUR
Hüter-Becker A.
et al. (2005) Das Neue
Denkmodell in der
Physiotherapie, Band
2: Bewegungsentwicklung Bewegungskontrolle, C.H.Beck.
WHO ICD International
Classification of
Diseases
www.who.int/
whosis/icd10/
WHO ICF International
Classification of
Functioning, Disability
and Health
www.who.int/
classification/ICF
Der Körper
als klingendes Instrument
Wo ist die Physiotherapie, wenn es sich um ganzheitliche
und interdisziplinäre Arbeit handelt? Ein persönlicher Kommentar aus der Praxis.
Physiologisch, biomechanisch, ganzheitlich und
interdisziplinär zu arbeiten: Was bedeutet das?
Wie ist es möglich zu lernen, zu verstehen und
das Gelernte in die Tat umzusetzen? Dieser
Kommentar versucht, im Rahmen der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit
(ICF) das neue Denkmodel der Physiotherapie
(Hüter-Becker et al. 2005) und meine interdisziplinären Arbeitserfahrungen aus 36 Jahren physiotherapeutischer Arbeit in den unterschiedlichen
Bereichen und Teams zu erläutern.
Als PhysiotherapeutIn durchlebt man eine Vielzahl
an Lernprozessen. Bereits in der Ausbildung mit
Anatomie, Physiologie, Krankheitslehre und Befunderhebung. Auch im Rahmen der Praktika in
den verschiedenen Bereichen wie Geriatrie, Pädiatrie, Orthopädie und Psychiatrie werden (wie auch
in spezialisierenden Fortbildungen) Erfahrungen
gesammelt.
Den Körper kann man als ein klingendes Instrument mit einem Klangkörper sehen – jede Person
schwingt energetisch in individuellen polyphonischen Rhythmen mit einer Herzfrequenz zwischen
60 und 200 Hertz sowie unterschiedlichen Bewegungsfrequenzen des Atems, Gehens, Redens,
Singens und Schwingens. PhysiotherapeutInnen
können sich vielleicht als Instrumenten-RestauratorIn sehen, aber nicht als Instrumenten-BauerIn.
Die Person/das Instrument ist bereits vorhanden.
PhysiotherapeutInnen müssen die Freiheit haben,
das volle Spektrum der Grundausbildung, die fachspezifische Fortbildungen und die eigenen persönlichen Erfahrungen in einer physiotherapeutischen
Symphonie mit konzeptübergreifender Physiotherapie einzusetzen
Interdisziplinäre Zusammenarbeit und
Therapeutisches Zusammenspiel
Eine Zuweisung wäre vielleicht: ICD F33.1, d.h.
rezidivierende depressive Störung/gegenwärtig
mittelgradige Episode (WHO, ICD10) und »Körpertherapie wie vereinbart«. Das fordert eine enge
Zusammenarbeit mit MedizinerInnen und dem
therapeutischen Team. Der Zustand dieser Person
ist komplex und sowohl die ICF als auch das
neue Denkmodell der Physiotherapie sollten
einbezogen werden.
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physioaustria inform Februar 2015
Die Zuweisung erfolgte durch AllgemeinmedizinerInnen, nachdem die körperlichen und seelischen Belastungen der Person auch bei einer
Gruppenphysiotherapie klar zum Ausdruck
kamen und sich das Team bestehend aus
PsychiaterIn, praktische/r Ärztin/Arzt, PsychotherapeutIn, PsychologIn, ErgotherapeutIn,
SozialarbeiterIn, ErnährungsberaterIn, MasseurIn
und PhysiotherapeutIn besprochen hatten.
Man kann das Therapiekonzept vielleicht mit
einer Partitur eines Musikstückes vergleichen,
und die Therapie wie eine Symphonie mit mehreren fachspezifischen Instrumenten, die alle ihren
eigenen Klangkörper und Klänge haben. Jedes
Instrument/jede Berufsgruppe hat seine/ihre
eigene Schwingung und seinen/ihre eigenen
Klangkörper. Im Orchester muss jedes Instrument mitspielen in einer Präsenz und Dasein und
mit Respekt den anderen Instrumenten gegenüber. Jedes Instrument ist wichtig und es ist für
jedeN MitspielerIn wichtig auch hinzuhören. Vor
allem muss gewährleistet sein, dass das gleiche
Musikstück gespielt wird, damit der Einsatz, der
Anfang und das Ende abgesprochen sind.
In der interdiziplinären Zusammenarbeit ist es
wichtig, gemeinsame ausgesprochene Ziele zu
haben, und dass man dem Weg, um diese Ziele
zu erreichen, folgt. Mit diversen Fortbildungen in
den unterschiedlichen Bereichen ist es möglich,
Behandlungskonzepte zu erlernen, aber das Umsetzen in der Realität kommt durch Üben, Eigenerfahrung und Ausübung der Physiotherapie in
der Praxis mit den PatientInnen/KlientInnen,
anderen Berufsgruppen und dem Umfeld der
PatientInnen/KlientInnen.
Die Arbeit der PhysiotherapeutInnen auf allen
Ebenen ist eine interdisziplinäre Arbeit: von der
praktischen Arbeit an den PatientInnen/KlientInnen über die Vermittlung physiotherapeutischer
Inhalte bis hin zum »politisch aktiv Sein« im
Berufsverband. So kann dem Berufsbild mit den
vielfältigen physiotherapeutischen Aufgaben, die
für einzelne Personen aber auch die Gesellschaft
relevant sind, gerecht geworden werden.
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Mag. Agnes Hove-Christensen
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MEINUNG
Registrierungsaufruf
für MTD-Angehörige
Vorteile einer Registrierung
im neuen MTD-Register.
Wir laden alle PhysiotherapeutInnen ein, sich freiwillig
online zu registrieren, damit aktuelle Daten über unseren
Beruf zur Verfügung stehen. Dadurch wird ein Beitrag zu
einer qualitativ hochwertigen Planung des Gesundheitssystems geleistet und valide Daten über die MTD-Berufsangehörigen zur Verfügung gestellt. Nur so wird sichtbar
und nachweisbar, inwiefern eine entsprechend flächendeckende Versorgung der Bevölkerung durch MTDLeistungen gewährleistet werden kann. Auf Basis der
vorliegenden Registrierungen wird auch nachvollziehbar,
in welchen Bereichen Bedarf an zusätzlichen Studienplätzen besteht.
Warum eine erneute Registrierung?
Viele von Ihnen haben sich bereits freiwillig registrieren
lassen und dem Berufsverband damit ein hohes Vertrauen ausgesprochen. Diese Daten wurden seither
ausnahmslos anonymisiert zu berufsgruppen-spezifischen und regional relevanten Auswertungszwecken
verwendet. Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist es
aber nicht möglich, diese bereits vorhandenen Daten in
die neue, zentrale Datenbank der MTD-Register GmbH
(100%ige Tochter von MTD-Austria) zu überführen. Die
MTD-Register GmbH wurde gegründet, um die Registrierung der gehobenen MTD-Berufe durch eine, in ihrem
Bestand von den Berufsverbänden unabhängige, Gesellschaft absichern zu können. Registrieren Sie sich daher
bitte mit Ihren aktuellen Daten neu.
Wir bitten alle Berufsangehörigen
sich freiwillig online zu registrieren!
Ihre Daten werden unter datenschutzrechtlichen
Gesichtspunkten erfasst und behandelt. Nur wer sich
aktiv mit validen Daten in die Reformvorhaben einbringen
kann, wird gehört und kann sich positionieren!
Die Online-Registrierung sowie weitere Informationen
finden Sie unter folgendem Link:
https://register.mtd-berufe.at
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Fokus Qualität
Emalie Hurkmans, PhD
ist seit 2001 Physiotherapeutin und seit 2012 als
gebürtige Holländerin in
Wien. Sie ist in der Forschung tätig, arbeitet
an der FH Campus Wien
(University of Applied
Sciences) und ist als
Mitglied des Präsidiums
von Physio Austria für die
strategischen Handlungsfelder Spezialisierung
und Wissenschaft
zuständig.
Über den Umgang
mit Messergebnissen
Assessments in der Forschung
Teil der Forschungsarbeit ist das Messen
von Parametern und das Dokumentieren
der gewonnenen Daten. Bevor mit einem
Forschungsprojekt gestartet wird, sollte man
folgende Informationen über Assessments
haben. Zunächst ist es von großer Bedeutung
den Hintergrund und die Bedeutung der
Assessments zu verstehen. Die zwei Hauptpunkte dabei sind die Skalenniveaus sowie
die Reliabilität und Validität. Weiters ist es
wichtig zu wissen, welche Studienarten
vorwiegend auf dem Gebiet der Physiotherapie
durchgeführt werden. Und schließlich sollen
mögliche Fehler, die durch die Assessments
zustande kommen können, bekannt sein.
Grundlagen
SKALENNIVEAUS
Man unterscheidet vier verschiedene Skalenniveaus. Die Nominal-, die Ordinal-, die Intervallund die Ratioskala. Bei der Nominalskala handelt
es sich um eine Klassifikation von Merkmalsausprägungen nach Gleichheit oder Ungleichheit
(z.B. Geschlecht). Die Ordinalskala beschreibt
eine Rangordnung der Merkmalsausprägungen,
wobei jedoch keine Aussage über die Abstände
getroffen werden kann (z.B. keine Beschwerden,
mittelgradige Beschwerden, starke Beschwerden). Bei der Intervallskala gibt es neben der
Aussage über die Rangordnung der Merkmalsausprägungen zusätzlich eine Information über
die Abstände (Intervalle) zwischen den Merkmalsausprägungen. Der Nullpunkt ist willkürlich
festgelegt und hat keine inhaltliche Bedeutung
(z.B. Temperaturskalen). Die Ratioskala beinhaltet einen natürlichen Nullpunkt. Es können Verhältnisse von Merkmalsausprägungen gebildet
werden (z.B. die Summe der PatientInnen, die
an Low Back Pain leiden pro Monat).
RELIABILITÄT
Die Reliabilität ist ein Maß für die Reproduzierbarkeit von Messergebnissen. Das bedeutet,
dass seine angewandte Messmethode bei jeder
Verwendung immer das Gleiche misst. Dabei ist
zu erwähnen, dass viele Faktoren die Reliabilität
beeinflussen können: die Art des Messinstruments, die Umgebung und die/der ForscherIn
selbst.
VALIDITÄT
Die Validität beschreibt die Gültigkeit von Messinstrumenten: wie genau misst das Messinstrument das zu Messende? Auch hierbei gibt es
wieder viele Faktoren, die die Messgenauigkeit
beeinflussen können, z.B. kulturelle Angemessenheit, das theoretische Konstrukt der Messung und die Angemessenheit der Testmethode
oder die Form des Messinstruments in Bezug
auf die Fähigkeiten der PatientInnen.
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Emalie Hurkmans, PhD
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ASSESSMENTS
Studienarten
ZUFALLSFEHLER
ANALYTISCHE STUDIEN
Dieser tritt auf, wenn der Wert, der gemessen wird, manchmal zu hoch oder zu tief ist. Ein sehr einfaches Beispiel
dafür ist der Blutdruckwert. Auch wenn eine Person gesund
ist, so ist es üblich, dass die Blutdruckwerte nicht bei jeder
Messung gleich sind. Wenn mehrere Messungen durchgeführt werden, so werden manche Werte höher und manche
Werte niedriger sein. Diese Zufallsfehler sind durch den
normalen Prozess im menschlichen Körper und durch die
Art, wie das Messinstrument funktioniert, zu erwarten.
Wenn es sich wirklich um einen Zufallsfehler handelt und
wenn genügend Messungen durchgeführt werden, so kann
trotzdem ein zufriedenstellender Mittelwert zustande
kommen. Wenn aber der Zufallsfehler groß ist, dann ist die
Messung schwer einschätzbar, widersprüchlich und kann
dadurch nicht den wirklichen Wert darstellen, der zu
messen ist.
Dabei handelt es sich um eine vergleichende Studie, die
einen kausalen Rückschluss über festgelegte angenommene Beziehungen zwischen Risikofaktoren und Ergebnissen erzielen. Analytische Studien identifizieren und
quantifizieren Beziehungen und Testhypothesen, identifizieren Ursachen und geben Auskunft darüber, ob eine Beziehung zwischen bestimmten Variablen besteht oder nicht.
Zu den analytischen Studienarten, die auf dem Gebiet der
Physiotherapie verwendet werden, zählen die Fall-Kontrollstudien und die randomisierte Kontrollstudien.
DESKRIPTIVE STUDIEN
Bei einer deskriptiven Studie wird Information gesammelt,
ohne dass dabei die Umwelt verändert wird. Die deskriptive
Studie kann Information über den Gesundheitszustand, das
Verhalten, Einstellungen oder andere Charakteristika einer
bestimmten Gruppe liefern. Deskriptive Studien werden
auch durchgeführt, um die Beziehungen zwischen bestimmter Variablen zu zeigen. Beispiele für deskriptive Studien
sind Querschnittsstudien und Longitudinalstudien.
Fehlerquellen
Wenn etwas gemessen oder Information gesammelt wird,
gibt es viele Möglichkeiten, dass die Ergebnisse nicht
korrekt sind. Die häufigste Ursache ist, dass ein Ergebnis
falsch niedergeschrieben wird. Es gibt jedoch auch andere
Fehlerquellen, die nicht so augenscheinlich sind, wie die
zuvor genannte. Diese Fehler sind nicht solche im herkömmlichen Sinn, also dass etwas nicht korrekt durchgeführt wurde, sondern sie können die Reliabilität und die
Genauigkeit der Messergebnisse reduzieren, ohne dass
dies zunächst bemerkt wird.
SYSTEMATISCHER FEHLER
Ein systematischer Fehler zeigt eine Abweichung in immer
die gleiche Richtung. Dies könnte bei der Blutdruckmessung passieren, wenn jedes Mal bevor der Wert gemessen
wird, etwas passiert, das den Blutdruck steigen lässt. Eine
weitere Ursache könnte ein Defekt des Blutdruckmessgeräts sein, sodass jedes Mal ein höherer oder niedrigerer
Wert angezeigt wird. In diesen Fällen sind die Ergebnisse
nicht exakt, auch wenn die Messungen selbst einschätzbar
und gleichbleibend sind.
Auswahl der Assessmentart in der Forschung
Basierend auf dem Forschungsziel (der Forschungsfrage)
und der Forschungsmethode ist es möglich, jene Assessments auszuwählen, die am besten geeignet sind. Es ist
wünschenswert, immer ein möglichst hohes Skalenniveau
anzustreben (Intervall- oder Ratioskala). Ein Nominal- oder
Ordinalskalenniveau ist nicht anzustreben, da diese Assessments wenig restriktiv und die Datenanalysen zu wenig
sensibel sind. Weiter ist zu empfehlen, Assessments zu
wählen, die valide und reliabel für die jeweilige Population
sind. Schließlich soll immer bedacht werden, dass es bei
jedem Assessment Fehlerquellen gibt.
physioaustria inform Februar 2015
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FÜR PHYSIO AUSTRIA,
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Die eigene Leidenschaft nutzen
Das Bild entstand im Rahmen des FunktionärInnen-Treffens von Physio Austria.
Die ganz persönliche Motivation wurde im Form von Statuentheater bewegt dargestellt.
Information unter
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