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FORUM
für Wissen
2012
Alpine Schnee- und
Wasserressourcen
gestern, heute, morgen
WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF
Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee
und Landschaft WSL
ISSN 1021-2256
FORUM
für Wissen
2012
Alpine Schnee- und
Wasserressourcen
gestern, heute, morgen
Eidgenössische Forschungsanstalt WSL
CH-8903 Birmensdorf
2
Das Forum für Wissen ist eine Veranstaltung, die von der Eidg. Forschungsanstalt
für Wald, Schnee und Landschaft WSL durchgeführt wird. Aktuelle Themen aus
den Arbeitsgebieten der Forschungsanstalt werden vorgestellt und diskutiert. Neben Referenten von der WSL können auswärtige Fachleute beigezogen werden.
Gleichzeitig zu jeder Veranstaltung «Forum für Wissen» erscheint eine auf das
Thema bezogene Publikation.
Verantwortlich für die Herausgabe
Prof. Dr. Konrad Steffen, Direktor WSL
Wir danken folgenden Personen, welche sich als Reviewer zur Verfügung stellten,
für die kritische Durchsicht der Beiträge und die hilfreichen Kommentare:
Luzi Bernhard, Thomas Grünewald, Martin Heggli, Corina Lardelli, Martin
Moritzi, Marco Pütz, Hansueli Rhyner, Bettina Schäfli, Anja Schilling, Edgar
Schmucki, Flurina Schneider, Jan Seibert, Irmi Seidl, Manfred Stähli, Michaela
Teich, Jens Turowski und Vanessa Wirz
Managing Editor
Sandra Gurzeler
Druck
Gonzen Druck AG, Bad Ragaz
Zitierung
Eidgenössische Forschungsanstalt WSL (Hrsg.) 2012: Alpine Schnee- und Wasserressourcen gestern, heute, morgen. Forum für Wissen 2012: 68 S.
ISSN 1021-2256
Bezugsadresse
WSL Shop
Zürcherstrasse 111
CH-8903 Birmensdorf
http://www.wsl.ch/eshop/
© Eidgenössische Forschungsanstalt WSL
Birmensdorf 2012
Forum für Wissen 2012
Forum für Wissen 2012
3
Vorwort
Die Schweiz wird häufig als Binnenland ohne Rohstoffe dargestellt. Dies ist falsch,
das Alpenland Schweiz verfügt über den „Rohstoff“ Wasser, den es dank seiner
Lage im Herzen Europas schon längst gewinnbringend einsetzt. Wasser findet sich
hierzulande im Überfluss: Entweder in Form von Gletschern und schneebedeckten Bergen oder in über 1500 Seen, Flüssen und Bächen. Mengenmässig sind das
sechs Prozent der Süsswasservorräte Europas, obwohl die Schweiz flächenmässig
nur gerade vier Promille des Kontinents ausmacht. Dank diesem Wasserreichtum
und der alpinen Lage am höchsten Punkt der kontinentalen Wasserscheide gilt die
Schweiz zu Recht als Wasserschloss Europas. Der Schnee in den Bergen und die
vielen alpinen Gewässer dienen einerseits der Wasser- und Elektrizitätswirtschaft,
werden aber auch touristisch genutzt. Trotz des Wasserreichtums kann es so in gewissen Regionen und Zeiten zu Konflikten zwischen verschiedenen Nutzern oder
zwischen Nutzern und Naturschutz kommen. Weil die alpinen Schnee- und Wasserressourcen auch durch die Klimaänderung beeinflusst werden, können neue
Nutzungskonflikte entstehen oder bereits bestehende verschärft werden.
Hier setzt das diesjährige WSL Forum für Wissen «Alpine Schnee- und Wasserressourcen gestern, heute, morgen» an. Mit der Veranstaltung und dem vorliegenden Tagungsband wollen wir einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung geben und einige Herausforderungen in der Praxis aufzeigen. Die ersten
drei Beiträge beschäftigen sich mit der Quantifizierung der vergangenen und zukünftigen Schnee- und Wasserressourcen auf verschiedenen Raum- und Zeitskalen. Die Beiträge 4 und 5 thematisieren die vielfältigen Aspekte der Nutzung der
alpinen Schnee- und Wasserressourcen im Berggebiet, aber auch den Schutz vor
deren Gefahren. Die Bedürfnisse und Herausforderungen von Wasserwirtschaft,
Wintersport und Wasserkraft werden in den nächsten drei Beiträgen dargelegt.
Der letzte Beitrag schlägt eine Brücke zum aktuellen Nationalen Forschungsprogramm «Nachhaltige Wassernutzung». Die Beiträge bieten somit eine gute
Möglichkeit, sich umfassend über die Thematik der alpinen Schnee- und Wasserressourcen zu orientieren.
Alle Artikel wurden einem umfassenden Review unterzogen. Wir danken diesen Gutachtern für ihre konstruktiven Kommentare und Verbesserungsvorschläge. Vor allem aber danken wir den Autoren und Autorinnen für ihre Beiträge. Die
WSL freut sich darauf, gemeinsam mit ihren Partnern das hier gezeigte Wissen
weiter zu entwickeln und mögliche Lösungen bei Nutzungskonflikten aufzuzeigen.
Folgenden Personen sei an dieser Stelle herzlich für ihr Engagement bei der Tagungsvorbereitung und -durchführung gedankt:
Leitungsteam: Manfred Stähli, Michael Lehning, Tobias Jonas, Martine Rebetez
Moderatoren: Peter Bebi, Sylvia Kruse, Christoph Hegg
Organistion und Sekretariat: Sandra Gurzeler, Susanne Raschle, Marion Berner
Birmensdorf und Davos, im Oktober 2012
Konrad Steffen, Direktor WSL
Christoph Marty, Tagungsleiter
Forum für Wissen 2012
5
Inhalt
Seite
Vorwort
3
Monitoring von Schneewasserressourcen in der Schweiz
Tobias Jonas
7
Kleinräumige Schneeverteilung und Einfluss der Topographie
Michael Lehning, Thomas Grünewald, Christoph Marty, Rebecca Mott
und Manfred Stähli
13
Vorhersage und Szenarien von Schnee- und Wasserressourcen im Alpenraum 19
Massimiliano Zappa, Luzi Bernhard, Felix Fundel und Stefanie Jörg-Hess
Natürliche und technische Schneesicherheit in einer wärmeren Zukunft
Bruno Abegg
29
Wasserwirtschaft in Davos – eine kurze Bilanz ihrer Nachhaltigkeit
Veronika Stöckli
37
Herausforderungen und Ziele für die Schweizer Wasserwirtschaft
der Zukunft
Hugo Aschwanden
43
«Elmer hydro» – Systeme zur Beschneiung und Stromproduktion
kombinieren
Samuel Hefti und Peter Gonsowski
51
Wasserkraft in Zukunft: Bedürfnisse und Herausforderungen
am Beispiel Prättigau
Gian Paolo Lardi
57
Relevante Aspekte aus dem Nationalen Forschungsprogramm NFP 61
«Nachhaltige Wassernutzung»
Christian Leibundgut
61
Forum für Wissen 2012: 7–12
7
Monitoring von Schneewasserressourcen in der Schweiz
Tobias Jonas
WSL-Institut für Schnee und Lawinenforschung SLF, Flüelastrasse 11, CH-7260 Davos Dorf
[email protected]
In weiten Teilen der Schweiz führt die vorübergehende Speicherung von Niederschlägen in Form von Schnee zu grossen saisonalen Unterschieden im Abfluss. In
nival geprägten Einzugsgebieten beobachten wir die höchsten Abflussmengen in
den Monaten Mai und Juni. Durch die Schneeschmelze bedingte erhöhte Abflüsse sind ein wichtiger Aspekt bei der Hochwasservorhersage im Frühling und für
die Regulierung von Gewässern und Speicherseen. Schnee ist auch ein wichtiger
Faktor für die Wahrscheinlichkeit von extremen Abflussereignissen im Herbst und
Frühwinter. Das WSL-Institut für Schnee und Lawinenforschung SLF betreibt seit
2009 den operationellen schneehydrologischen Dienst (OSHD) im Auftrag des
Bundesamtes für Umwelt (BAFU). Der OSHD analysiert laufend die räumliche
und zeitliche Verteilung von Schneewasserressourcen in der Schweiz und trägt
damit zu einer verbesserten hydrologischen Vorhersage und einer vorausschauenden Gewässerregulierung bei. Das Monitoring des OSHD stützt sich dabei auf
eine Kombination von Schneemessdaten und Modellen. Darüber hinaus ermöglichen die Modelle auch, Aussagen zu regionalen Schneeschmelzraten und den von
Schneeschmelze betroffenen Flächenanteilen und Höhenstufen zu treffen. Die
Daten des OSHD können mit den Prozessabläufen in operationellen hydrologischen Modellen verglichen und in diese assimiliert werden.
1 Die Bedeutung von Schnee
in der Hydrologie
Die Topografie der Schweiz ist von
den Alpen geprägt. Gut 50 Prozent der
Landesfläche befindet sich über 1000 m
ü.M., knapp 25 Prozent oberhalb von
2000 m ü.M. So erstaunt es nicht, dass
ein erheblicher Teil des Jahresgesamtniederschlags der Schweiz in Form von
Schnee fällt.
In weiten Teilen des Mittellandes
macht Schnee nur durchschnittlich
fünf Prozent des Jahresniederschlags
aus. Auf rund 1500 m ü.M. – also etwa
in Davos, Andermatt, oder Zermatt –
beträgt dieser Anteil bereits grob ein
Drittel. Ab 2000 m fällt bereits mindestens die Hälfte des Jahresniederschlags als Schnee. Natürlich variieren
diese Zahlen von Jahr zu Jahr und zum
Teil auch regional. Dennoch ist sofort
ersichtlich, dass die Bedeutung von
Schnee für die Hydrologie stark von
der Höhenverteilung des jeweiligen
Einzugsgebietes abhängt.
Die Funktion des Schnees als Zwischenspeicher von Winterniederschlägen ist von grosser Bedeutung. Je nach
Verhältnissen schmilzt Neuschnee
sofort beim Auftreffen auf den warmen Boden, beim ersten Sonnenschein
nach wenigen Tagen, im darauffolgenden Frühling, oder in glazial-geprägten
Gebieten gar erst nach Jahren. Darüber
hinaus beeinflusst das Vorhandensein
einer Schneedecke auch den Niederschlagsanteil, der durch Evaporation
und Sublimation für die Abflussbildung verloren geht.
Diese Eigenschaften von Schnee
führen zu einer saisonalen Abflussdynamik, die je nach Höhenverteilung
im Einzugsgebiet unterschiedlich ausgeprägt ist (Abb. 1). In nival geprägten Einzugsgebieten beobachten wir
die höchsten Abflussmengen in den
Monaten Mai und Juni mit gut doppelten Mengen als im Jahresdurchschnitt.
Während in glazial geprägten Einzugsgebieten die saisonalen Unterschiede
durch die zusätzliche Gletscherschmelze noch grösser sind, sind die Abflussverhältnisse in tieferen Einzugsgebieten im Jahresverlauf ausgeglichener.
Die saisonalen Unterschiede beim
Abfluss aus nival geprägten Einzugsgebieten sind in vielerlei Hinsicht relevant. Zum einen sind die durch die
Schneeschmelze bedingten erhöhten
Abflüsse im Frühling ein wichtiger Faktor für hydrologische Vorhersagen. Im
Mai 1999 beispielsweise führte eine
Abb. 1. Relative Abflussdynamik im Jahresverlauf für Einzugsgebiete mit unterschiedlicher
Höhenlage. Der Pardé-Koeffizient ist der Quotient aus dem mittleren Monatsabfluss und
dem mittleren Jahresabfluss. Grafik gemäss OcCC/ProClim (2007).
8
Kombination von Schneeschmelze
und Niederschlägen zu zwei Hochwasserereignissen, welche in der Schweiz
direkte Kosten im Umfang von ca.
580 Mio. CHF verursachten (Bundesamt für Wasser und Geologie 2000).
Zum anderen sind die zu erwartenden
Schneeschmelzmengen für die Regulierung und Bewirtschaftung von Seen,
Gewässern und Speicherreservoirs von
Bedeutung.
Auch zu anderen Jahreszeiten können die Schneeverhältnisse entscheidend sein, insbesondere bei Starkniederschlagsereignissen mit variabler
Schneefallgrenze oder bei bestehender
Schneedecke vor einem Ereignisbeginn. Insofern ist Schnee auch ein wichtiger Faktor für die Eintretenswahrscheinlichkeit von extremen Abflussereignissen im Herbst und Frühwinter.
Schnee kann auch bei extrem niedrigen
Abflüssen eine Rolle spielen, namentlich wenn auf geringe Schneemengen
im Winter warme und niederschlagsarme Sommer folgen. Deshalb sind Winterschneemengen auch ein wichtiges
Element in der längerfristigen Vorhersage von Trockenheit.
2 Die räumliche Verteilung
von Schnee und deren
zeitliche Entwicklung
Schnee weist in der Regel komplexe
Verteilungsmuster in Raum und Zeit
auf. Dies gilt zudem für verschiedene räumliche Skalen. Selbst innerhalb
weniger Meter variieren die Schneemengen (gemessen in mm Wasseräquivalent) um 15 bis 25 Prozent (Jonas
Forum für Wissen 2012
et al. 2009). Deshalb ist die Frage nach
der Repräsentativität von Schneemessungen an Einzelstandorten grundsätzlich komplex. Die Ursachen kleinräumiger Variabilität in der Verteilung
von Schnee in alpiner Topografie sind
Gegenstand des nachfolgenden Beitrags von Lehning (in diesem Band).
Hier konzentrieren wir uns auf die Verteilung von Schnee in Raum und Zeit
auf regionaler sowie auf saisonaler bis
jährlicher Skala.
Es ist leicht nachvollziehbar, dass
Schneemengen in der Regel eine klare
Abhängigkeit von der Höhenlage aufweisen. Allerdings ist dieser Höhentrend oft mit einer grossen Streuung
behaftet. Abbildung 2a zeigt Schneemengen in Abhängigkeit der Höhe für
den 27.2.2011 auf der Basis von ausgewählten Messdaten der Schneemessnetze der MeteoSchweiz (grün),
des Beobachtermessnetzes des SLFLawinenwarndienstes (rot) und des
IMIS-Messnetzes (blau). Die farbliche Aufteilung zeigt, dass die jeweiligen Messnetze nur einen begrenzten Höhenbereich abdecken und
dass innerhalb dieser Höhenbereiche
jeweils nur eine schwache Korrelation zwischen den Schneemengen und
der Höhe vorliegt. In der Gesamtschau
zeigt sich aber ein klarer Höhentrend
in der Schneeverteilung, was demonstriert, wie wertvoll die Kombination von
Daten verschiedener Messnetze ist.
Ein Teil der in Abbildung 2 ersichtlichen Variabilität ist auf regionale
Unterschiede zurückzuführen. Abbildung 2b zeigt Schneemengen in Abhängigkeit von der Höhe, wobei hier die
rot hervorgehobenen Stationswerte
der Region Prättigau und Umgebung
zugeordnet sind. Die Variabilität innerhalb dieser Region ist deutlich kleiner
als für die ganze Schweiz. Auch ist der
regionale Trend (Abb. 2b, rote Kurve)
leicht verschieden vom globalen Trend
(Abb. 2a, blaue Kurve).
Die Variabilität in der Verteilung von
Schnee hat auch eine saisonale Komponente. Um diese näher zu beleuchten,
betrachten wir die Schneehöhe-Daten
sämtlicher Stationen des Interkantonalen Mess- und Informationssystem
IMIS im Verlaufe einer Wintersaison
(Abb. 3). Die Daten zeigen den allenfalls nicht besonders intuitiven Befund,
dass sich die hohe absolute Variabilität der Schneeverteilung – für welche
die Standardabweichung der gemessenen Schneehöhen ein Mass ist – bereits
während der Akkumulationsphase
ausbildet, und nicht erst während der
Schmelzphase.
Schneeverteilungsmuster variieren
nicht nur saisonal sondern auch regional und von Jahr zu Jahr. Abbildung
4 zeigt exemplarisch die Schneehöhenverteilung in sechs aufeinanderfolgenden Jahren relativ zum langjährigen
Mittel der letzen 40 Jahre. Die Daten
zeigen ein hohes Mass an Variabilität in der Schneehöhenverteilung. Je
nach Niederschlags- und Temperaturverhältnissen bestehen grosse Unterschiede zwischen den Regionen (1972,
1973), und / oder zwischen den Jahren
(1975, 1976). Vergleichende Aussagen
zu variablen Schneehöhen wie jene in
Abbildung 4 erfordern eine hohe Stationsdichte in Verbindung mit langjährigen Messreihen, was den enormen
Wert eines langfristigen Managements
der Messnetze für die Anwendung
demonstrieren mag.
Abb. 2. Schneemengen (SWE) in Abhängigkeit von der Höhe über Meer für den 27.2.2011. a) Stationen nach Messnetzen separiert, Schneemessnetze der MeteoSchweiz (grün), Beobachtermessnetze des SLF-Lawinenwarndienstes (rot) und das IMIS-Messnetz (blau). b) Stationen aus der Region Prättigau und Umgebung (rot), alle anderen Daten (grün).
Forum für Wissen 2012
Neben den oben genannten Aspekten, hat auch die Bodennutzung einen
Einfluss auf die Schneehöhenverteilung. Als Beispiel sei hier der Einfluss von Wald auf die Akkumulation
von Schneewasserressourcen erwähnt.
Einerseits bleibt ein bedeutender
Teil des Schneefalls in den Baumkronen hängen, von wo er teilweise sublimiert. In einem subalpinen Nadelwald kommt auf diese Art etwa ein
Drittel des Winterniederschlags nie
am Boden an (Lopez-Moreno und
stähLi 2008). Andererseits verändert
der Baumbestand z.B. durch Abschat-
9
tung die Schmelzdynamik, so dass Aufund Abbau der Schneedecke im Wald
anders ablaufen als im Freien. Einen
detaillierteren Überblick über die Thematik findet sich in Jonas und essery
(2011).
3 Schneemessnetze in der
Schweiz
Die Schweiz verfügt über ein dichtes
Netz an Schneemessstationen. An über
100 automatischen Stationen wird heu-
Abb. 3. Standardabweichung und Mittelwert der Schneehöhenverteilung, basierend auf
täglichen Daten des Interkantonalen Mess- und Informationssystems IMIS für den Winter
2006/07 gemäss egLi und Jonas (2009). Daten der Akkumulationsphase (blauer Pfeil), zu
Beginn der Schmelzperiode (roter Pfeil) und gegen Ende der Ausaperungsphase (grüner
Pfeil).
Abb. 4. Schneehöhenverteilung jeweils am 15.3. der Jahre 1972 bis 1977, relativ zum Mittelwert der letzten 40 Jahre am 15.3. Blaue Farben markieren Gebiete mit überdurchschnittlichen, roten Farben mit unterdurchschnittlichen Schneemengen.
te nebst vielen anderen Parametern
auch die Schneehöhe gemessen. Der
überwiegende Anteil dieser Stationen
geht auf das IMIS-Messnetz zurück.
Leider ist es bedeutend aufwändiger
und schwieriger, automatische Messungen des Schneewasseräquivalents oder
der Neuschneemengen zu realisieren
(egLi et al. 2009). Deshalb gibt es bisher nur vereinzelt Standorte, an denen
diese Parameter automatisch erfasst
werden. Allerdings betreibt das SLF
für IMIS-Standorte das Schneedeckenmodell Snowpack (Lehning et al. 2002),
so dass eine Modellabschätzung dieser
Parameter operationell zur Verfügung
steht.
Zusätzlich zu den oben genannten
automatischen Messungen führt eine
Vielzahl von Beobachtern, zumeist
täglich, manuelle Messungen durch.
Der SLF-Lawinenwarndienst betreibt
gleich mehrere solche Beobachtermessnetze, die im Winter täglich Rückmeldungen geben. Die Beobachter liefern je nach Messnetz wertvolle Daten
zu Schneehöhen, Neuschneehöhen,
Schneelagengrenze, und Schneefallgrenze. Zudem wird an etwa 40 Standorten 14-tägig das Schneewasseräquivalent gemessen. Schliesslich gibt es
eine grosse Anzahl Beobachter, die im
Rahmen der Niederschlagsmessungen
der MeteoSchweiz täglich die Parameter Schneehöhe und Neuschneehöhe
melden.
In der Gesamtschau aller Standorte,
an denen Schneeparameter gemessen
werden oder wurden (Abb. 5), ergibt
sich eine beachtliche Dichte von Messstationen. Im Anbetracht der in Kapitel 2 beschriebenen hohen räumlichen
Variabilität der Schneeverteilung ist
aber auch eine hohe Informationsdichte nötig, um Aussagen zu regionalen
Verteilungsmustern machen zu können. Nur schon um regionale Höhentrends wie in Abbildung 2b zu repräsentieren, benötigt es pro Region und
Höhenstufe einige Messstationen.
Für das Monitoring von Schneewasserressourcen ist weniger die Schneehöhe oder die Neuschneehöhe, sondern
vielmehr das Schneewasseräquivalent
(SWE) oder das Neuschneewasseräquivalent relevant. Trotz beeindruckender Messnetzdichte stehen nur die
14-tägigen SWE-Messungen an gut 40
Standorten zur Verfügung. Daher ist
ein Monitoring von Schneewasserres-
10
sourcen nur auf Basis von SWE-Messdaten nicht sinnvoll. Vielmehr ist es
notwendig, auch die Vielzahl der verfügbaren anderen Daten in Kombination mit diversen Modellen nutzbar zu
machen.
Auch Fernerkundungsdaten spielen eine wichtige Rolle im Monitoring
von Schneewasserressourcen. Operationell verfügbar ist heute eine Reihe
von Produkten zur Schneebedeckung
(SCA). SCA-Produkte werden meist
von Daten optischer Sensoren abgeleitet. Dafür sind wolkenlose Verhältnisse nötig. Mit Komposittechniken
und Modellen zur Überbrückung von
Datenlücken lässt sich ein Teil dieses
Problems überwinden, aber bei langanhaltender Bewölkung stehen derartige
SCA-Produkte nicht zur Verfügung. Im
Radarbereich ist die Wetterabhängigkeit wesentlich geringer, allerdings ist
die Interpretation der Rohdaten meist
um einiges komplexer als im optischen
Bereich. Operationell verfügbare Fernerkundungsdaten zum SWE (www.
globsnow.info) erreichen heute eine
räumliche Auflösung von 25 km und
sind daher für Anwendungen in der
Schweiz noch eher ungeeignet.
4 Operationelles Monitoring
von Schneewasserressourcen in der Schweiz
Das SLF betreibt seit 2009 einen operationellen schneehydrologischen Dienst
(OSHD) im Auftrag des Bundesamtes
für Umwelt (BAFU). Der OSHD analysiert laufend die räumliche und zeitliche Verteilung von Schneewasserressourcen in der Schweiz und trägt damit
zu einer verbesserten hydrologischen
Vorhersage und zur vorausschauenden
Gewässerregulierung bei (www.wsl.ch/
fe/gebirgshydrologie/schnee_hydro/
oshd). Der OSHD ist in die Vorhersage- und Warntätigkeit der Fachstellen des Bundes integriert, welche sich
im Lenkungsausschuss Intervention
Naturgefahren (LAINAT) koordinieren. Im Bereich Hydrologie arbeiten
das BAFU, die Kantone, die MeteoSchweiz und die WSL eng zusammen.
Das Monitoring des OSHD stützt
sich auf eine Kombination von Schneemessdaten und Modellen ab. Dabei
kommt dem ständigen Abgleich der
Forum für Wissen 2012
Abb. 5. Standorte an
denen in den letzen
zehn Jahren mindestens einmal pro Tag
im Winter Schneemessungen durchgeführt
wurden. Nicht an allen
Standorten wird heute noch gemessen. Die
Liste erhebt keinen
Anspruch auf Vollständigkeit.
Abb. 6. Schneebedeckungskarten (SCA)
auf Basis von NOAAAVHRR Daten (mit
etwa 1 km-Auflösung),
aufbereitet durch die
Uni Bern (hüsLer
et al. 2012), stehen
heute dem SLF operationell zur Verfügung.
Hier eine Karte vom
2.6.2012.
Schneemodelle mit verfügbaren Messdaten eine wichtige Bedeutung zu. Da
Niederschlagsmessungen bei Schneefall die tatsächlichen Neuschneemengen häufig unterschätzen (egLi et al.
2009), können bei herkömmlichen hydrologischen Modellen gerade in der
Schneeschmelzperiode
kumulative
Fehler in der Beurteilung der verfügbaren Schneemengen auftreten – mit
entsprechenden Konsequenzen bei der
Abschätzung von Schmelzmengen. Das
Monitoring des OSHD umgeht dieses
Problem weitgehend durch den ständigen Modell-Abgleich mit Schneemessdaten und stellt somit eine wertvolle
Ergänzung für niederschlagsbasierte
hydrologische Modelle dar.
Eine wichtige methodische Basis für
den OSHD sind Modelle, die es erlauben, die vielen täglichen Schneehöheninformationen (HS) für das Monitoring nutzbar zu machen. Dies erfordert
die Umrechnung von HS in SWE. An
den Standorten automatischer Messstation sind zusätzliche meteorologische Daten verfügbar, weshalb dort
das SWE wie bereits erwähnt mit Hilfe
physikalisch basierter Modelle berechnet werden kann. Anders verhält es
sich an den Beobachterstandorten, wo
in der Regel keine meteorologischen
Daten erhoben werden. Aus diesem
Grund hat der OSHD eine Reihe von
parametrischen Modellen entwickelt
(Jonas et al. 2009; sturM et al. 2010),
die es ermöglichen das SWE rein auf
der Basis von Schneehöheinformationen oder allenfalls mit Hilfe zusätzlicher Temperaturdaten zu berechnen.
Je nach Datenverfügbarkeit lässt sich
so das SWE mit Hilfe einfacher Dichteabschätzungen oder mit komplexeren geschichteten Modellen berechnen
(Abb. 7). Mit Hilfe dieser Modelle verfügen wir über tägliche SWE-Informationen von über 200 Standorten in der
Schweiz.
Der OSHD erstellt SWE-Karten in
1 km-Gitterauflösung mit Hilfe eines
konzeptuellen Schneeschmelzmodells,
welches Neuschneedaten primär aus
den verfügbaren Daten der Schneemessnetze ableitet. Als Basis für den
Neuschneeinput dienen dabei Stationsdaten, welche mit Hilfe eines speziell
für Schneeverteilungen adaptierten
Verfahrens räumlich interpoliert werden. Die so berechneten SWE-Karten
werden in einem iterativen Prozess
gegen verfügbare Messdaten und satellitengestützten SCA-Karten validiert
Forum für Wissen 2012
und verbessert. Durch eine Ankopplung an die meteorologische Vorhersagen der COSMO-Modellgruppe
(Consortium for Small-scale Modeling, www.cosmo-model.org) kann das
Schneeschmelzmodel im Vorhersagemodus betrieben werden.
Um relative Vergleiche der aktuellen
Situation zum langjährigen Mittel oder
zu anderen Jahren darstellen zu können, wurden Kartenarchive mit täglichen SWE-Karten in Klimatologien
zusammengefasst. So gibt es ein Kartenarchiv welches zwar nur die letzten
13 Jahre erfasst, dafür aber Daten des
Ende der neunziger Jahre aufgebauten IMIS-Messnetzes integriert. Andererseits gibt es eine über vierzigjährige
Klimatologie auf der Basis von etwa
100 langjährigen Messreihen.
Die Produkte des OSHD (Abb. 8)
werden in regelmässigen Bulletins
zusammengefasst, welche dem BAFU
und den Benutzern der Gemeinsamen
Informationsplattform Naturgefahren
GIN (www.gin-info.ch) zur Verfügung
stehen. Neben den klassischen SWEMonitoringprodukten (Abb. 8a und
11
Abb. 7. Berechnungen der Schneedichte mit zwei Modellen unterschiedlicher Komplexität
und unterschiedlichen Erfordernissen in Bezug auf die Inputdaten. Die Berechnungen für
den Stationsstandort Weissfluhjoch (Davos) beziehen sich auf die Wintersaison 2004/05,
zunehmende Dichten von 100 bis 500 kg/m3 sind per Farbskala (blau-grün-gelb-rot) dargestellt. a) einfache Dichteparametrisierung als Funktion der Schneehöhe, Höhenlage, und
Saison gemäss Jonas et al. (2009). b) komplexeres (noch unpubliziertes) Modell mit stratifizierter Dichte, welches auf täglichen Schneehöhe-Daten basiert, und zusätzlich Temperaturund SWE-Daten zu assimilieren vermag.
Abb. 8. Beispielprodukte der schneehydrologischen Bulletins des OSHD. SWE Karte in 1 km Auflösung, a) absolut, Werte von 0 bis 500 mm
sind per Farbskala (weiss-gelb-grün-blau) dargestellt, und b) relativ zur Mittelwert der letzen 13 Jahre, Werte von –150 bis +150 mm sind per
Farbskala (blau-grün-rot) dargestellt, c) konzeptuelle Darstellung zur Identifizierung der Flächenanteile und Höhenstufen welche Schmelzwasser beitragen, apere Fläche sind in grün, beitragende Flächen in rot/blau dargestellt, d) Karte zu Schneeschmelzraten, Werte von 0 bis 50
mm/Tag sind per Farbskala (weiss-orange-rot) dargestellt.
12
8b) erlauben die verwendeten Schneemodelle weitere Aussagen, die in der
operationellen hydrologischen Vorhersage von Bedeutung sind. Einerseits ist
es wichtig, Flächenanteile und Höhenstufen zu bestimmen, die mit Schmelzwasser zum Abfluss beitragen (Abb.
8c), andererseits können auch die entsprechenden Schmelzraten berechnet werden (Abb. 8d). Die Daten des
OSHD können mit den Prozessabläufen in operationellen hydrologischen
Modellen verglichen oder in diese assimiliert werden (siehe Beitrag von zappa et al. in diesem Band).
Der OSHD entwickelt die eingesetzten Methoden und Modelle laufend
weiter. Aktuell arbeitet der OSHD an
einer verbesserten Assimilation von
Stationsdaten in die räumlich expliziten Schneeschmelzmodelle. Darüber hinaus wird die Differenzierung
verschiedener Gelände- und Landnutzungsklassen (z. B. Exposition und
Waldflächen) weiterentwickelt.
Forum für Wissen 2012
5 Literatur
Bundesamt für Wasser und Geologie
(Hrsg.), 2000: Hochwasser 1999 – Analyse der Ereignisse, Studienbericht Nr. 10.
egLi, L.; Jonas, t., 2009: Hysteretic dynamics of seasonal snow depth distribution
in the Swiss Alps. Geophys. Res. Lett. 36:
L02501.
egLi, L.; Jonas, t.; Meister, r., 2009: Comparison of different automatic methods
for estimating snow water equivalent.
Cold Reg. Sci. Technol. 57: 107–115.
hüsLer, F.; Jonas, t.; wunderLe, s.; aLBreCht, s., 2012: Validation of a modified
snow cover retrieval algorithm from historical 1-km AVHRR data over the European Alps. Remote Sens. Environ. 121:
497–515.
Jonas, t.; essery, r., 2011: Snow cover and
snowmelt in forest regions. In: singh, V.p.;
singh, p.; haritashya, u.k. (eds) Encyclopedia of snow, ice and claciers, Series
Encyclopedia of Earth Sciences Series;
Dordrecht Heidelberg, Springer. 1033–
1036.
Abstract
Monitoring of snow water resources in Switzerland
In Switzerland, snow is an important component of the hydrological cycle, with
roughly 1/3 of the total annual precipitation being snow. Snow melt influences the
seasonal discharge and may lead to spring floods, often in combination with other
factors. Prior snow-melt related floods have raised the awareness to snow hydrology in general. This process led to an integration of snow water resources monitoring into the federal flood forecast system. Since 2009, the SLF runs an operational snow-hydrological service (OSHD) in cooperation with the Federal Office
for the Environment (FOEN). The primary task of the OSHD is to monitor the
spatio-temporal distribution of snow water resources in Switzerland. It thus contributes to enhanced flood forecasts and a sound management of lakes and reservoirs. The OSHD monitoring system is primarily based on snow data from several
monitoring networks and provides observed or measured information rather than
modeled snow storage based on precipitation. The system is coupled to a snow
melt model which provides snow water equivalent and melt rate maps at 1km
resolution. Moreover, it allows for short-term predictions based on COSMO weather forecast data.
Keywords: snow water resources, hydrology, monitoring, flood forecast, model
Jonas, t.; Marty, C.; Magnusson, J., 2009:
Estimating the snow water equivalent
from snow depth measurements in the
Swiss Alps. J. Hydrol. 378: 161–167.
Lehning, M.; BarteLt, p.; Brown, B.;
Fierz, C.; satyawaLi, p., 2002: A physical
SNOWPACK model for the Swiss avalanche warning. Part II: Snow microstructure. Cold Reg. Sci. Technol. 35: 147–167.
Lehning, M.; grünewaLd, t.; Marty, C.;
Mott, r.; stähLi, M., 2012: Kleinräumige Schneeverteilung und Einfluss
der Topographie. Forum für Wissen 2012:
13–18.
Lopez-Moreno, J.i.; stähLi, M., 2008: Statistical analysis of the snow cover variability
in a subalpine watershed: Assessing the
role of topography and forest, interactions. J. Hydrol. 348: 379–394.
OcCC/ProClim (Hrsg.), 2007: Klimaänderung und die Schweiz 2050. Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft.
sturM, M.; taras, B.; Liston, B.; derksen,
C.; Jonas, t.; Lea, J., 2010: Estimating
regional and global snow water resources
using depth data and climate classes of
snow. J. Hydrometrol. 11: 1380–1394.
zappa, M.; Bernhard, L.; FundeL, F.; Jörghess, s., 2012: Vorhersage und Szenarien von Schnee- und Wasserressourcen
im Alpenraum. Forum für Wissen 2012:
19–27.
Forum für Wissen 2012: 13–18
13
Kleinräumige Schneeverteilung und Einfluss
der Topographie
Michael Lehning1,3, Thomas Grünewald1, Christoph Marty1, Rebecca Mott1 und Manfred Stähli2
WSL-Institut für Schnee und Lawinenforschung SLF, Flüelastrasse 11, CH-7260 Davos Dorf
WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf
3
CRYOS, School of Architecture, Civil and Environmental Engineering, EPFL, Lausanne
1
2
Es ist allgemein bekannt und gut dokumentiert, dass der Schnee sehr ungleichmässig im Hochgebirge verteilt ist. Allerdings blieb es der modernen Forschung
vorbehalten, die kleinräumige Verteilung von Schnee im Gebirge genauer zu
verstehen. Neue Messmethoden wie Laserscanning, aber auch die Auswertung
von Messdaten zahlreicher Hochgebirgsstationen im Schweizer Alpenraum helfen zusammen mit einer Modellierung der Schneeverteilung, die relative Bedeutung der Prozesse Niederschlagsbildung, Schneeablagerung, Schneeverfrachtung
und Schneeschmelze auf die kleinräumige Schneeverteilung besser zu verstehen
und systematisch zu beschreiben. Dieser Artikel fasst bisherige Erkenntnisse zur
Schneeverteilung im Gebirge zusammen und zeigt auf, wo noch Lücken im Verständnis existieren.
Die Schneehöhe nimmt im Allgemeinen mit der Meereshöhe zu. Das hat
zwei voneinander unabhängige Ursachen:
a In niedrigeren Höhen fällt wegen
der wärmeren Temperaturen nur
ein Teil des Winterniederschlages
als Schnee.
b Generell nimmt der Gesamtniederschlag mit der Höhe zu.
Einleitung
Dem aufmerksamen Beobachter kann
es nicht entgehen, dass der Schnee im
Hochgebirge sehr ungleichmässig verteilt ist. Steile Felswände sind oft nahezu schneefrei (wirz et al. 2011), während der Wandfuss oder flache Alpweiden oft überdurchschnittlich viel
Schnee aufweisen (Lehning et al. 2011).
In einer Zeit, in der einerseits immer
genauere Prognosen von Schnee- und
Wasserresourcen verlangt werden, zum
Beispiel für die Wasserkraftbewirtschaftung oder um Bewässerungs- oder
Beschneiungsprojekte zu planen (heFti und gonsowski in diesem Band), und
diese Resourcen sich andererseits im
Zuge des Klimawandels schnell ändern
(Marty 2008; BaVay et al. 2009; Marty
und BaVay 2012), ist ein vertieftes Verständnis der kleinräumigen Schneeverteilung wichtig. Die kleinräumige
Schneeverteilung beeinflusst nämlich
nicht nur den Anfall von Schmelzwasser (LuCe et al. 1998; stähLi et al. 2000;
CLark et al. 2011), die Lawinengefahr
(sChweizer et al. 2003), oder die Vegetation (wipF et al. 2009), sondern ist
auch ein wichtiger Indikator, um Winterniederschläge im Gebirge quantitativ zu erfassen (Mott et al. in review).
Im Folgenden werden Aspekte zum
Höhengradienten, zu Geländeeffekten
und zur Modellierung der Schneeverteilung erläutert.
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2 Höhengradient
der Schneehöhe
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Höhe über Meer (m)
2500
3000
Abb. 1. Mittlere maximale Schneehöhe der Jahre 2001 bis 2012 an Messstationen der
MeteoSchweiz (grün), des SLF (rot) und des kantonalen IMIS-Netzes (blau). Die schwarze
Kurve ist ein Polynom 4. Grades, das durch die untersten Punkte gezwungen wurde.
14
Trägt man das zehnjährige Mittel der
maximalen Winterschneehöhe an allen
zur Verfügung stehenden Messstandorten der Schweiz als Funktion der Meereshöhe auf (Abb. 1), so ist die Zunahme der Schneehöhe gut erkennbar.
Der systematische Zusammenhang
zwischen Schneehöhe und Meereshöhe
ist für jede Gebirgsregion anders und
kann deshalb nicht einfach als globaler Wert bestimmt werden (s.u.). Klar
ist jedoch, dass die Niederschläge ab
einer gewissen Höhe wieder abnehmen
müssen, weil in sehr grossen Höhen die
Dicke der Atmosphäre (etwa 10 km)
nicht mehr ausreicht, um noch grosse
Niederschläge zu produzieren. Allerdings gibt es weltweit zu wenige Messdaten, um gesicherte Aussagen über
den Höhengradienten von Niederschlag und Schneehöhe für Höhen
über rund 4500 m Meereshöhe zu treffen. Interessant ist, dass die mittlere
Maximalschneehöhe einen ähnlichen
Zusammenhang mit der Meereshöhe
aufweist wie grosse Schneeniederschläge (BLanChet et al. 2009).
Abbildung 1 zeigt, dass nicht nur die
Schneehöhe zunimmt, sondern auch,
dass die Unterschiede zwischen Stationen auf gleicher Höhe vor allem oberhalb 1000 m ü.M. stark ansteigt. Das
heisst umgekehrt, dass eine einzelne
Messung in Bezug auf die Schneehöhe in einem bestimmten Höhenbereich
und für ein grösseres Gebiet nicht sehr
aussagekräftig ist. Hier ist zu berücksichtigen, dass die hohe Variabilität
teilweise durch die unterschiedlichen
Kleinklimazonen und Niederschlagsregimes der Schweizer Alpen bedingt ist.
Abbildung 1 fasst die Situation in der
Schweiz zusammen, die durch den Aufbau des IMIS-Netzwerks über die weltweit dichteste Information aus diesem
Höhenbereich verfügt. Betrachtet man
die Situation global, besteht vor allem
in hochalpinen Höhenlagen, wo am
meisten Schnee liegt, die grösste Unsicherheit, wie viel Wasser tatsächlich als
Schnee gespeichert ist. Die wichtigsten Faktoren, welche diese Variabilität hervorrufen, und die Schätzung der
Gesamtschneemenge zu verbessern
helfen, diskutieren wir im Abschnitt 3.
In den letzten Jahren hat sich
die Technik der Lasermessung von
Schneehöhen so weit etabliert, dass
nun erste Datensätze der räumlichen
Verteilung von Schneehöhen im Hoch-
Forum für Wissen 2012
gebirge aus verschiedenen Gebirgen
Europas und Nordamerikas vorliegen.
Mit Hilfe des Laserscanners werden
zwei detaillierte digitale Oberflächen –
eines mit und eines ohne Schnee – aufgenommen und voneinander subtrahiert. Das ergibt eine Schneehöhenkarte, deren Genauigkeit zwischen 5 und
30 cm liegt (grünewaLd et al. 2010;
Banos et al. 2009; deBeer und poMeroy 2010). Abbildung 2 zeigt solche
«echten» Höhengradienten für kleine
Einzugsgebiete zwischen 3 und 35 km2
aus verschiedenen Gebirgen dieser
Erde. Die Schneehöhe wurde immer
nahe des Zeitpunkts der maximalen Schneehöhe bestimmt. Im Gegensatz zu Abbildung 1 liegen hier Daten
der Schneehöhe in sehr hoher räumlicher Auflösung (1 m) zu Grunde (siehe auch Abschnitt 3). Die Daten belegen die Aussage, dass die Höhengradienten sehr variabel sind. Die meisten
Gebiete zeigen, dass die Schneehöhe
ab einer gewissen Meereshöhe wieder
abnimmt, was bei den Flachfeldstationen (Abb. 1) nicht so deutlich herauskommt. Das liegt in erster Linie daran,
dass aufgrund des Einflusses des Windes und teilweise auch durch Schneerutsche (Bernhardt und sChuLz 2010)
die steilen Wandpartien, die hauptsächlich in den grösseren Höhen zu finden
sind, weniger Schnee halten, als flachere Geländeabschnitte. Der Vergleich
zwischen den Abbildungen 1 und 2
macht klar, dass Flachfeldstationen
den tatsächlichen Höhengradienten
der Schneeverteilung im Hochgebirge nur unvollständig wiedergeben und
dass Flachfeldmessungen die Schneehöhen in grossen Höhen systematisch
überschätzen dürften. Da es nützlich
wäre, Schätzungen des Niederschlagsgradienten (zum Beispiel daLy et al.
2008) über die Schneehöhen an Flachfeldstationen zu validieren, ist es wichtig, die Geländeeffekte zu berücksichtigen, was wir im folgenden Abschnitt
versuchen.
3 Einfluss des Geländes
auf die Schneeverteilung
Man kann davon ausgehen, dass eine
Schneehöhenmessung auf einem Flachfeld, wie es typischerweise für solche
Messungen benutzt wird, für eine grössere Umgebung repräsentativ ist, wenn
die Messung in einer Tallage oder sogar
im Flachland erfolgt. Das zeigt schon
die geringe Variabilität der Schneehöhe für geringe Höhen in Abbildung 1.
Je weiter man aus dem Tal in die Gipfelregion vordringt, desto schwieriger
ist es, einen geeigneten flachen Geländeabschnitt für eine Schneehöhenmessung zu finden. Zusätzlich werden vor-
Abb. 2. Höhengradienten der mittleren Schneehöhe bestimmt aus luftgestützten LidarMessungen für die Gebiete Wannengrat, CH (WAN), Piz Lagrev, CH (LAG), Val de Nuria,
ES (Coma d’Eina (NUR Ein), Coma de l’Embut (NUR Emb), Coma de Noufonts (NUR
Nouf), Arolla Gletscher, CH (ARO), Hintereisferner, AT (HEF), Marmot Creek, CA
(MAR Mar) und Mount Skogan (MAR Sko).
Forum für Wissen 2012
handene flache Geländeteile oft durch
darüber liegende Hänge beeinflusst,
wie wir in Abschnitt 4 noch ausführlicher diskutieren werden. Schneehöhenmessungen im Gebirge sind nicht
trivial und oft werden Messstandorte
eingerichtet, bei denen die Repräsentativität unbekannt ist (grünewaLd und
Lehning 2011).
Ein eindrückliches Beispiel dafür
ist die vergleichende Darstellung des
Zeitverlaufs der mittleren Schneehöhe in einem Flachfeld, in einer felsdurchsetzten Bergflanke und einem
grösseren Einzugsgebiet in Abbildung 3. Hier wurde für das Versuchsgelände am Wannengrat oberhalb von
Davos die Schneehöhe mit einem terrestrischen Laserscanner ausgemessen
und die felsdurchsetzte Bergflanke für
eine separate Auswertung ausgeschieden. So konnte die Entwicklung in den
beiden Teilgebieten mit der Entwicklung im Flachfeld des Versuchsgeländes Weissfluhjoch verglichen werden.
Der Vergleich zeigt, dass das Flachfeld
deutlich mehr Schnee aufweist, als das
ganze Einzugsgebiet am Wannengrat
und das wiederum deutlich mehr als
die Felswand oberhalb der Latschüelfurgga (wirz et al. 2011).
Die räumlich verteilten Messungen
erlauben es, den systematischen Einfluss des Geländes auf die Schneehöhe
zu untersuchen. In Abbildung 4a sind
die Lidar-Messungen, die ungefähr
zum Zeitpunkt des jährlichen Schneemaximums erfolgten, auf das Höhenmodell des Wannengrats aufgetragen.
Die Einzelmessungen sind jeweils
über Gitterzellen mit einer Seitenlän-
Abb. 3. Zeitverlauf der mittleren Schneehöhe in der Felswand Chüpfenflue, dem Einzugsgebiet Wannengrat und der Flachfeldstation Weissfluhjoch (wirz et al. 2011).
15
a
b
Abb. 4. Gemessene Schneehöhe (Farbskala) für das Wannengrat-Gebiet dargestellt als
mittlere Schneehöhe auf einem 400 -Gitter (4a). Modellierte Schneehöhe auf der Basis von
Gleichung 1 (4b).
ge von 400 m gemittelt. Diese Mittelung ist nötig, weil Effekte der Hangneigung oder der Exposition nicht auf
der kleinen Skala von Metern auftreten. Durch die Mittelung von einzelnen
Verfrachtungsformen (zum Beispiel
Wechten) wird ein stärkerer systematischer Zusammenhang mit Geländeeigenschaften wie Rauigkeit oder Hangneigung sichtbar (Lehning et al. 2011).
So kann die Schneeverteilung, wie sie
in Abbildung 4a dargestellt ist, durch
die multivariate lineare Regression
(Gleichung 1)
m
HS = 2.52 + 2.05*10 3 h + 3.04 *10 2
°
gut beschrieben werden. HS (m) ist die
gemittelte Schneehöhe im 400 m-Gitter, h (m) ist die Meereshöhe und a (°)
die Hangneigung. Das einfache Modell
erklärt 64 Prozent der Schneehöhenvariabilität (r2 = 0.64). Die modellierte
Schneehöhenverteilung ist in Abbildung 4b dargestellt. Die Untersuchung
aller zur Verfügung stehender Gebiete
zeigt, dass die Parameter Höhe, Hangneigung und noch «Lage zum Wind»
überall eine wichtige Rolle spielen,
dass aber nicht einfach ein universelles Modell gefunden werden kann, das
die Verteilung in allen Gebieten gut
erklärt. Trotzdem zeigt die Auswertung,
16
Forum für Wissen 2012
ge am Boden innerhalb kurzer Distanz
einerseits wegen der Schneeablagerung
auf den Bäumen (Interzeption; siehe
BründL et al. 1999), wegen des lokalen Herunterfallens von interzeptiertem Schnee (Deposition), sowie wegen
des heterogenen Abschmelzens unter
den Bäumen. Letzteres geschieht nicht
nur infolge der Beschattung der Bäume, sondern auch wegen der Wärmeabstrahlung (Langwellenstrahlung) der
Stämme und der niedrigen Vegetation.
Eine internationale Vergleichsstudie
über mehr als 30 Wald-Schnee-Modelle hat eindrücklich aufgezeigt, dass
viele numerische Modelle noch nicht
genügend in der Lage sind, diese kleinräumigen Prozesse abzubilden (essery et al. 2009). Neue Messmethoden
(Ground Penetrating Radar, Terrestrial
Laser Scanning, Photographische Messungen) werden in den nächsten Jahren
ein differenziertes Bild dieser Schneedeckenvariabilität im Wald aufzeigen
und erste Erfolge zeigen sich bereits in
der Modellierung der Schneevariabilität basierend auf einer genaueren Messung der Vegetationsstruktur (MusseLMan et al. 2012).
5 Prozessorientierte
Modellierung der Schneeverteilung
Abb. 5. Schnee wird auf den Ästen der Bäume zwischengelagert. Eine heterogene Schneeverteilung am Boden resultiert.
dass es möglich ist, den systematischen
Einfluss des Geländes auf die Schneeverteilung mit einfachen Geländeparametern zu beschreiben.
4 Kleinräumige Schneeverteilung im Wald
Die vielleicht grösste räumliche Variabilität auf kleiner Skala findet man in
ganz oder teilweise bewaldeten Regionen (Abb. 5), beispielsweise den Voralpen. Im Alptal (Kanton Schwyz)
untersucht die WSL schon seit über
40 Jahren die Schneedecke im Wald.
Messungen an etwa 15 Standorten zeigen, dass der Unterschied zwischen
der maximalen jährlichen Schneewassermenge im Wald und im Freiland von Jahr zu Jahr sehr stark variieren kann (stähLi und gustaFsson
2006). Im langjährigen Durschnitt ist
sie im Wald ungefähr halb so gross
wie im Freiland. In gewissen (schneearmen) Jahren entspricht die maximale Schneewassermenge im Wald nur 20
bis 30 Prozent derjenigen im Freiland,
in gewissen (schneereichen) Jahren bis
zu 60 Prozent. Innerhalb eines Waldbestands ändert sich die Schneemen-
Die statistische Beschreibung der
Schneehöhenverteilung nur als Funktion von Geländeparametern sollte
genügen, um zum Beispiel für die hydrologische Modellierung einen geeigneten Ausganszustand vor der Schneeschmelze zu definieren. Wie allerdings
oben schon angesprochen, ist die kleinräumige, hochvariable Schneeverteilung auf der Skala von Metern ein
wichtiges Kennzeichen der hochalpinen Landschaft. Diese kleinräumige
Verteilung entsteht durch die Prozesse
(i) präferentielle Ablagerung des Niederschlags, (ii) Saltation, (iii) Suspension und (iv) gravitative Umverlagerung
(Lawinen) und führt z.B. dazu, dass in
Leehängen oft deutlich mehr Schnee
liegt als in Luvhängen und dass sich
an Graten und Geländerücken Wechten ausbilden. Eine wichtige, neuere Erkenntnis ist, dass ein mit einem
meteorologischen Modell generiertes
Windfeld (Mott und Lehning 2010;
Forum für Wissen 2012
17
lösung von 5 m simuliert. Die Ausbildung von Wechten ist ebenso erkennbar wie grösserskalige Einheiten mit
mehr oder weniger Schnee. Die modellierte Schneeverteilung stimmt im Allgemeinen recht gut mit den Messdaten
überein (s. auch Abb. 9 in Mott et al.
2010).
6 Schlussfolgerung
und Ausblick
Abb. 6. Schneehöhenverteilung aus dem numerischen Modell Alpine3D für einen Teil des
Wannengrat Gebietes für ein Niederschlagsereignis im November 2009 mit vorherrschender Windrichtung Nordwest. Die Gitterauflösung beträgt 5 m.
dadiC et al. 2010) die Schneeablagerung sowohl auf der Skala von wenigen
Metern als auch auf grösseren Skalen
gut erklären kann. Um die Prozesse der
eigentlichen Schneeverfrachtung, nämlich Suspension und Saltation, abbilden
zu können, ist eine Gitterpunktsauflösung der Modelle von mindestens 5 m
notwendig (Mott und Lehning 2010).
Um die präferentielle Ablagerung zu
erfassen, die beschreibt, dass sich Nie-
derschlag bevorzugt in Zonen niederer
Windgeschwindigkeit ablagert (Lehning et al. 2008), genügt schon eine gröbere Auflösung von etwa 100 m. Mott
et al. (2010) konnten zeigen, dass die
präferentielle Ablagerung einen wichtigen Einfluss auf die Schneeverteilung
hat. Abbildung 6 zeigt als Beispiel eine
modellierte Schneeverteilung für das
Wannengratgebiet. Windfeld, Transport
und Ablagerung wurden mit einer Auf-
Schon eine Auswertung von Schneehöhenmessungen an Flachfeldstationen belegt, dass die im Hochgebirge
tatsächlich vorhandene Schneemenge
sehr schwierig abzuschätzen ist. Durch
genaue, räumlich hochaufgelöste Messungen der Schneeverteilung mittels
Lidar kann ferner gezeigt werden, dass
neben der Meereshöhe die Steilheit
des Geländes einen entscheidenden
Einfluss auf die mittlere Schneehöhe
hat. Dabei liegt im steileren Gelände
deutlich weniger Schnee und der systematische Einfluss von Steilheit und
Meereshöhe kann durch ein einfaches statistisches Modell beschrieben
werden. Insgesamt ergibt sich, dass
Flachfeldstationen dazu tendieren, die
Gesamtschneemenge im Hochgebirge zu überschätzen und dass sie die
Abnahme der Schneemenge in grossen Höhen, wo das Gelände ja meistens auch steiler ist, nicht wiedergeben
können. Wie durch numerische Simulationen belegt werden kann, ist der
Wind die treibende Kraft hinter der
Schneeverteilung. Inwieweit sich Wind
und gravitative Umlagerungen ergänzen und wie viel Lawinen beitragen, ist
noch nicht klar. Wie viel Schnee insgesamt aus grösseren Höhen in tiefere
Lagen transportiert wird, muss ebenfalls noch genauer untersucht werden.
Solche Untersuchungen sind nötig, um
die Schneehöhenverteilung auch mit
Bezug auf die Höhengradienten des
Niederschlags beurteilen zu können.
Eine recht grosse Unsicherheit besteht
bezüglich der Abschätzung der Einflusses von Wald und Strauchvegetation auf die Schneeverteilung. Mit neueren Messungen und Fortschritten in
der Modellierung wird aber auch diese Variabilität in naher Zukunft besser
quantitativ erfassbar werden.
18
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Abstract
Small-scale snow distribution and the influence of topography
The mountain snow distribution is known to be very heterogeneous. With new
measurement technologies such as airborne laserscanning, the snowdepth distribution can be measured accurately. The measurements show that the classical
elevation gradient for snow as typically measured by flat-field stations does also
exist in these datasets but is highly variable between sites and does not extend to
very high elevations, which are dominated by steep terrain. The influence of the
topographic parameters elevation and slope on the snowdepth distribution can
be modelled statistically with good success on a scale of a few hundreds meters.
Physical modelling further allows to attribute the observed snow distribution to
precipitation deposition and snow transport processes. Small-scale drift features
such as cornices are caused by snow transport, while larger scale differences in
mean snow depths are caused by preferential deposition of snow precipitation.
Wind dominates both processes and may also explain the decrease of snow depths
in high elevations.
Keywords: Snow distribution, vertical gradient, precipitation, steep terrain, modelling, Lidar measurements
Forum für Wissen 2012: 19–27
19
Vorhersage und Szenarien von Schnee- und
Wasserressourcen im Alpenraum
Massimiliano Zappa, Luzi Bernhard, Felix Fundel und Stefanie Jörg-Hess
WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf
[email protected]
In den Schweizer Alpen entspringen bedeutende Flüsse Europas. Das natürliche
Wasservorkommen und der Schnee im Winterhalbjahr sind wichtige Ressourcen
für viele Wirtschaftssektoren und ermöglichen einen Lebensstandard, in welchem
Wasserknappheit eine marginale Sorge darstellt. Für eine optimale Nutzung dieser Ressourcen müssen wir in der Lage sein, ihre Verfügbarkeit zu quantifizieren.
Die WSL verwendet gekoppelte hydrologische und meteorologische Modellansätze zur Vorhersage der räumlichen und zeitlichen Verfügbarkeit von Wasserressourcen im Alpenraum. Der Fokus liegt auf der operationellen Vorhersage
von kritischen Wasserdefiziten und auf der Erarbeitung von Klimafolgeszenarien.
Unsere Erkenntnisse dienen dem verbesserten Umgang mit der Ressource Wasser
in der Gegenwart und der Planung von länderübergreifenden Adaptationsstrategien in der Zukunft.
1 Einleitung
Die Landschaft der Schweiz wurde in
den letzten Jahrtausenden stark durch
Flüsse aus den grössten Einzugsgebieten der Alpen geprägt und gestaltet.
Das Gotthardmassiv ist das Quellgebiet einiger der bedeutendsten Flüsse
Europas: des Rheins, der Rhône und
des Ticino, welcher in den Po mündet.
Der Inn ist ein Teileinzugsgebiet der
Donau.
Fliessendes Wasser ist in der Schweiz
von grösster Bedeutung. Der Rhein ist
ein zentraler Transportweg für die Versorgung unseres Landes mit Gütern
aller Art. Neben der Schifffahrt gibt
es weitere Sektoren unserer Wirtschaft, welche zunehmend Interessen
an der aktuellen und künftigen räumlichen und zeitlichen Verfügbarkeit der
Ressource Wasser haben. Man denke
an die Wasserwirtschaft, die Fischerei
und an die Landwirtschaft (kruse et
al. 2010). Auch die Behörden und die
Bundesverwaltung haben für die Planung des künftigen Umwelt-Managements hohen Bedarf an fundierten
Kenntnissen über die Ressource Wasser (LeiBundgut 2010; AdaptAlp
2011). Es geht dabei zum Beispiel um
die Bereitstellung von Trinkwasser, die
Planung von Bewässerungsstrategien,
meteorologische Modelle der räumlichen und zeitlichen Verfügbarkeit von
Wasserressourcen im Alpenraum entwickelt. Unser primärer Fokus liegt
auf der operationellen Vorhersage von
kritischen Wasserdefiziten (seneViratne et al. 2009) und der Erarbeitung
von Zukunftsszenarien unter Einbezug des sich verändernden Klimas und
der Kryosphäre (Bernhard und zappa
2012).
2 Wasserressourcen der
Schweiz
den Umgang mit Naturgefahren oder
um die Bestimmung von Restwassermengen.
Darum wurden in den letzten Jahren
mehrere interdisziplinäre Projekte mit
dem Ziel lanciert, den Umgang mit der
Ressource Wasser zu untersuchen und
die möglichen Klimafolgen auf den
gesamten hydrologischen Kreislauf
zu quantifizieren (BAFU 2012; SGHL
und CHY 2011; CHR 2010).
Parallel haben die jüngsten hydrologischen und meteorologischen Extremereignisse wie das August-Hochwasser 2005 (BezzoLa und hegg 2008)
und die Hitzewelle 2003 (BAFU, BWG
und MeteoSchweiz 2004) dazu geführt,
dass die Früherkennung einer kritischen Abweichung in der Verfügbarkeit von Wasser gefragter wurde. Die
Ansätze zur Deckung dieses Bedarfs
beruhen auf der Erweiterung des Zeithorizontes von hydrologischen und
meteorlogischen Vorhersagen (zappa et al. 2008; zappa und Vogt 2007)
und auf der laufenden Beurteilung der
Ressourcen im jeweiligen Einzugsgebiet, indem aktuelle Messungen von
Abfluss und Schnee mit den langjährigen Erfahrungswerten verglichen werden (z. B. Jonas in diesem Band).
Zur Beantwortung dieser zentralen Fragen wurden hydrologische und
Unter Verwendung der gemessenen
mittleren Jahresabflüsse haben huBaCher und sChädLer (2010) den Wasserhaushalt der Schweiz für die Periode 1901 bis 2000 ermittelt. Dabei ergab
sich, dass rund zwei Drittel (981 mm)
des Jahresniederschlages von 1431 mm
aus der Schweiz abfliesst. Die Speicherverluste (vor allem durch die Gletscherschmelze) betragen rund 14 mm
pro Jahr. Demzufolge verdunsten rund
464 mm pro Jahr.
Um Aussagen für die unterschiedlichen Regionen der Schweiz zu erarbeiten, können räumlich und zeitlich
hochaufgelöste hydrologische Modelle
beigezogen werden.
Solche Modelle assimilieren digitale
Informationen zum Gelände, zur Landnutzung und zu den Bodeneigenschaften und damit alle nötigen Grundlagen,
um die klein-räumliche Variabilität der
hydrologischen Prozesse mit physikalisch begründeten und/oder konzeptionell gestalteten Ansätzen nachzubilden.
Die Modellierung der zeitlichen
Variabilität des hydrologischen Kreislaufs wird durch die Assimilation der
beobachteten meteorologischen Variablen bestimmt. Neben der Lufttemperatur und dem Niederschlag benötigen
20
komplexere hydrologische Modelle
zudem Daten zur Windgeschwindigkeit, Luftfeuchte, Sonnenscheindauer
und Globalstrahlung.
Für solche Forschungsfragen entwickelten WSL, ETH und UNI Bern
das Modell PREVAH (ViViroLi et al.
2008; pFaundLer und zappa 2006; ViViroLi et al. 2009). Mit diesem Modell
wurde im Rahmen des vom Bundesamt für Umwelt koordinierten Projektes CCHYDRO (BAFU 2012) eine
Simulation des Wasserhaushalts für
die gesamte hydrologische Schweiz
(Abb. 1) in einer räumlichen Auflösung
von 200 × 200 Metern für die Periode 1980 bis 2009 realisiert, verifiziert
und analysiert (Bernhard und zappa
2012).
Dies ist die erste Untersuchung, welche sich explizit über die Grenzen der
politischen Schweiz ausdehnt und konsistente Berechnungen für alle Grosseinzugsgebiete der Schweiz ermög-
Forum für Wissen 2012
licht hat. Zu den Ergebnissen (http://
hydro.slf.ch/sihl/cchydro) gehören Rasterkarten der Wasserhaushaltsgrössen
(Abb. 1) und integrale Auswertungen
der Wasserhaushaltskomponenten in
den bedeutendsten Grosseinzugsgebieten der Schweiz.
In Tabelle 1 sind die Berechnungen zum natürlichen Wasserhaushalt
der Schweiz nach Grosseinzugsgebieten und Parameter (Niederschlag,
Verdunstung, Abfluss, Anteil Gletscherschmelze, Anteil Schneeschmelze
sowie die Speicheränderung) aufgelistet. Eindrücklich ist der grosse Beitrag
der Schneeschmelze zum Gesamtabfluss (schweizweit rund 42 %; Mittelland etwa 20 %; Gebirgsregionen
über 60 %). Der Anteil der Gletscherschmelze am gesamten Abfluss hingegen ist für die Kontrollperiode in den
meisten Regionen klein, jedoch im
Wallis und Engadin von hoher Bedeutung (Bernhard und zappa 2012).
Eine räumliche Visualisierung des
Wasserhaushaltes (Abb. 1) gibt weitere Auskünfte über die räumliche
Variabilität des natürlichen hydrologischen Geschehens in der Schweiz. Die
grössten Niederschlagsmengen fallen
in den Gipfelregionen der Grosseinzugsgebiete der Limmat, der Reuss
und des Ticino. Die höchsten Verdunstungsmengen entstehen wie erwartet
in der Grossebene des Mittellandes
und von den freien Wasserflächen der
Seen. Die räumliche Variabilität des
Schneeschmelzanteils am Gesamtabfluss wird mehrheitlich durch die topographischen Verhältnisse der Schweiz
vorgegeben. Die Schneeschmelze ist
im Wallis, am Alpenrhein sowie im
Engadin die dominante Komponente
des Abflussgeschehens. Die räumliche
Variabilität des natürlichen Abflusses
widerspiegelt diejenige des Niederschlages.
Abb. 1. Rasterkarten zum natürlichen Wasserhaushalt der Schweiz für die Periode 1980 – 2009. Oben links: gemessener und räumlich interpolierter Niederschlag [mm/Jahr]; oben rechts: simulierte reale Verdunstung [mm/Jahr]; unten links: simulierter Gesamtabfluss [mm/Jahr];
unten rechts: simulierte Schneeschmelze [mm/Jahr]. Blaue Töne deuten auf niedrige Werte, rote Töne auf hohe Werte hin.
Forum für Wissen 2012
21
Tab. 1. Natürlicher Wasserhaushalt der Schweiz und ihrer bedeutendsten Grosseinzugsgebiete für die Periode 1980 bis 2009 in Millimeter pro Jahr. P: Niederschlag; R: Abfluss; ET:
Verdunstung; DS: Speicheränderungen; SNOW: Schneeschmelze ( % vom Abfluss); GLAC:
Gletscherschmelze ( %). (Bernhard und zappa 2012).
Grosseinzugsgebiet
P
R
ET
DS
SNOW
GLAC
Aare, Brugg
1337
839
504
–6,3
36,6 %
0,4 %
Reuss
1739
1294
460
–14,8
42,0 %
1,1 %
Limmat
1814
1340
476
–1,1
36,4 %
0,2 %
Alpenrhein
1542
1162
385
–4,9
58,3 %
0,3 %
Aare, Untersiggenthal
1481
996
492
–7,2
37,9 %
0,5 %
Rhein, Rheinfelden
1452
979
479
–4,9
39,2 %
0,4 %
Inn (Engadin)
1089
839
281
–30,7
67,5 %
3,3 %
Lago Maggiore (Ticino)
1658
1245
413
0,1
32,1 %
0,3 %
Rhône
1361
1011
420
–70,1
60,3 %
6,5 %
Hydrologische Schweiz
1415
977
454
–15,4
41,8 %
1,4 %
3 Klimafolgeszenarien für
nahe und ferne Zukunft
3.1 Konfiguration
Für die Beantwortung der Frage «Wie
wird sich die Klimaänderung auf die
Wasserressourcen der Schweiz auswirken?» musste eine ganze Reihe von
Modellen konzipiert und realisiert werden. Sie basieren auf den aktuellsten
Klima- und Gletscherszenarien und
einer gezielten Anwendung von PREVAH auf die Skala der gesamten hydrologischen Schweiz. Abbildung 2 zeigt
schematisch, wie für die Berechnung
der Klimafolgen auf die Wasserressourcen der Schweiz das in Abschnitt 2
beschriebene Experiment durch Assimilation von Klimaszenarien und Gletscherschwundszenarien implementiert
wurde.
Die Grundlagen für die Ableitung
der beiden Klimafolgeszenarien für die
Zukunftsperioden 2021 bis 2050 und
2070 bis 2099 wurden im Rahmen des
europäischen Projektes ENSEMBLES
(Van der Linden und MitCheLL 2009),
welche alle vom Emissionsszenario
A1B (moderate Erwärmung) ausgehen
(CH2011, 2011), geschaffen. Die Änderungssignale basieren auf zehn Kombinationen von globalen und regionalen
Klimamodellen und wurden mit der in
Bosshard et al. (2011) beschriebener
Methodik (Delta-Change auf Tagesba-
sis) aufbereitet. Diese Kombinationen
widerspiegeln die Unsicherheits-Bandbreite der Klimamodelle bezüglich
Temperatur- und Niederschlagsänderung (stähLi et al. 2011). Da alle weiteren Klimaparameter in den Zukunftssimulationen unverändert übernommen
werden, sind Aussagen zu Veränderungen der potentiellen Verdunstung
begrenzt.
Für beide Zukunftsszenarien blieb
die Konfiguration des hydrologischen
Modells unverändert. Nur die meteorologischen Daten wurden mit den
prognostizierten täglichen Änderungen angepasst. Somit entstanden zwei
Zeitreihen mit ähnlicher Variabilität
wie in der Kontrollperiode 1980 bis
2009, aber mit der erwarteten Bandbreite von Änderungssignalen betreffend Niederschlag und Lufttemperatur.
Dies ist ein limitierender Faktor, vor
allem zur Ableitung von Szenarien für
Extremereignisse.
Bezüglich der Vergletscherung wurde die Fläche der Gletscher für die
beiden Zukunftsszenarien ausgehend
vom Zustand von 1985 mit einem
Modell von pauL et al. (2007) in 5-Jahres-Schritten nach und nach reduziert.
Das Modell basiert auf der einfachen
Annahme, dass die Gleichgewichtslinie
der Gletscher entsprechend der Lufttemperaturerhöhung ansteigt. Dadurch
wird das Akkumulationsgebiet des
Gletschers kleiner. Die Ausdehnung
der Gletscher wurde transient im hydrologischen Modell aktualisiert.
3.2 Ergebnisse
Tabelle 2 fasst die Berechnungen für
die Kontrollperiode 1980 bis 2009
sowie die zu erwartenden Änderungen des Wasserhaushaltes der Schweiz
für die beiden Szenarioperioden (2021
bis 2050 und 2070 bis 2099) als Mittel aller zehn Klimaszenarien zusammen. Als Jahresmittelwerte betrachtet,
fallen die Änderungen der gesamten
Abflussmengen sowie der Verdunstung
klein aus.
Auffallend ist die starke Abnahme der mittleren Schneeschmelze. In
der ersten Hälfte des laufenden Jahrhunderts wird die Niederschlagsanteil,
welche im Winter in Form von Schnee
akkumuliert (und später als Schneeschmelze zum Abfluss beiträgt) um
mehr als 15 Prozent abnehmen. Dieser Trend wird sich in der zweiten Szenarioperiode noch massiv verstärken.
Bei ähnlich bleibenden Niederschlagsmengen reduzieren sich die Schneeressourcen um mehr als 35 Prozent, dafür
wird mehr Regen fallen. Dieser Regen
dürfte die Abflüsse im Winterhalbjahr
erhöhen (Bernhard und zappa 2012).
Die Auswirkung der einzelnen Szenarien aus Bosshard et al. (2011) auf
die Klimatologie der Tagesmittelwerte der Schneeressourcen (Abb. 3) zeigt
für beide Szenarioperioden einen deut-
Abb. 2. Zeitachse Kontrollperiode 1980 bis 2009 (grau, natürliche Variabilität), Szenarien
für 2021 bis 2050 (kleine Unterschiede in den 10 Klimaszenarien) und 2070 bis 2099 (grössere Unsicherheit der möglichen Klimaentwicklung). Die vertikalen Linien peilen auf die
Jahre, in welchen die Gletscherausdehnung transient aktualisiert wurde.
22
Forum für Wissen 2012
Tab. 2. Natürlicher Wasserhaushalt der hydrologischen Schweiz für die Kontrollperiode und
der beiden Szenarioperioden. P: Niederschlag; ET: Verdunstung; R: Abfluss; SNOW: Schneeschmelze (Bernhard und zappa 2012).
Periode
1980–2009
[mm/Jahr]
2021–2050
[mm/Jahr]
Veränderung [ %]
2070–2099
[mm/Jahr]
Veränderung [ %]
lichen Rückgang der Schneeakkumulation im Winter. Dies wird sichtbare Folgen auf die Abflussregimes mittelgrosser alpiner Gebiete der Schweiz haben
(köpLin et al. 2010). Letztere dürften
in der zweiten Szenarioperiode ein
früheres und schwächeres saisonales
Abflussmaximum aufweisen und dafür
höhere Abflussspenden im Winterhabjahr zur Folge haben, wie Abbildung 4
am Beispiel des Einzugsgebietes der
P
ET
R
1415
454
977
SNOW
408
1434
458
988
345
1,4 %
1,0 %
1,1 %
–15,6 %
1409
457
967
251
–0,4 %
0,7 %
–1,1 %
-38,6 %
Landwasser bei Davos aufzeigt.
4 Hydrologische Vorhersagen
Im Rahmen des NFP61 «Nachhaltige
Wassernutzung» (LeiBundgut 2010)
werden Methoden erarbeitet, welche
potentiellen Endnutzern (kruse et al.
2011) dabei helfen sollen, frühzeitig
kritische Abweichungen der Verfügbarkeit von Wasserressourcen (Schnee,
Grundwasser und Bodenfeuchte)
gegenüber den Durchschnittswerten
zu erkennen und vorauszusagen. Auch
diese Forschungsarbeiten stützen sich
auf das in Abschnitt 2 beschriebene
Simulationsexperiment für die gesamte
hydrologische Schweiz, welches dafür
in einen operationellen Datenfluss
integriert wurde und Tag für Tag aktualisiert werden kann.
Der Datenfluss entspricht demjenigen, welchen die WSL im Rahmen der IFKIS-Hydro Projekte für
die Kantone Glarus und Zürich realisiert hat (roMang et al. 2011). Das
erlaubt operationelle Hochwasservorhersagen mit einem Zeithorizont von
bis zu fünf Tagen (addor et al. 2011).
Für eine Früherkennung und Einordnung von Wasserressourcenanomalien
reicht ein Vorhersagehorizont von fünf
Abb. 3. Projektionen für die Klimatologie der Tagesmittelwerte der Schneespeicherung [mm] für die gesamte Schweiz. In Schwarz die Kontrollperiode 1981 bis 2010, in Farbe die zehn Klimaszenarien (links: 2021 bis 2050; rechts: 2070 bis 2099)
Abb. 4. Projektionen für die Klimatologie der Tagesmittelwerte des Abflusses [m3s-1] für das Einzugsgebiet der Landwasser (bei Davos). In
schwarz die Kontrollperiode 1981 bis 2010, in Farbe die zehn Klimaszenarien (links: 2021 bis 2050; rechts: 2070 bis 2099).
Forum für Wissen 2012
Tagen nicht aus. Darum werden derzeit
vier unterschiedliche beobachtungsund modellgestützte Methoden mit
Zeithorizonten von bis zu 120 Tagen
untersucht. Abbildung 5 zeigt schematisch wie drei unterschiedliche, modellbasierte Systeme für die Vorhersage
hydrologischer Grössen konfiguriert
sind. Die einzelnen Experimente sind
in den Unterkapiteln 4.2 bis 4.4 näher
erklärt.
23
Abb. 5. Konfiguration von hydrologischen Vorhersagesystemen mit unterschiedlichem Zeithorizont. Ausgehend von einer Simulation mit aktuellen Daten können probabilistische
Vorhersagen realisiert werden. Das hydrologische Modell kann für die Folgetage mit dem
Input von numerischen Wettermodellen oder vergangenen Zeitreihen integriert werden.
Detailangaben sind im Haupttext enthalten.
4.1 Klimatologische Einordnung
Wenn keine operationellen Modelle verfügbar sind, kann man die Wasserressourcen anhand von Messungen,
zum Beispiel dem Füllstand eines Stausees oder dem Stand eines Grundwasserpegels, abschätzen.
Am besten kann man einen Messwert in Bezug auf eine langjährige
homogene Messreihe einordnen. In der
Schweiz kann man dank dem Archiv
des Bundesamts für Umwelt sehr lange Abflusszeitreihen analysieren (Abb.
6). Auch für Schneeressourcen gibt es
Verfahren zur Einordnung der aktuellen Schneemengen (Jonas in diesem
Band).
4.2 Mittelfristvorhersagen
Seit der Realisierung des MAP
D-PHASE Experimentes im Jahr 2007
(zappa und Vogt 2007) haben sich
Mittelfristvorhersagen mit Zeithorizont von 120 Stunden als Standardmethodik zur Früherkennung kritischer Hochwassersituationen etab-
liert. Eine solche Vorhersage besteht
aus der Kopplung einer bis zur aktuellen Stunde nachgeführten Simulation
der Hydrologie eines Einzugsgebietes
(inkl. Hochwasserdisposition in Form
eines gesättigten Bodenspeichers) mit
16 unterschiedlichen Vorhersagen des
Wettergeschehens für die kommenden 120 Stunden, den sogenannten
COSMO-LEPS Vorhersagen (zappa et al. 2008; zappa und Vogt 2007).
Für die kurzfristige Einschätzung der
wahrscheinlichen Wasserressourcen in
der Schweiz wurden die operationellen Simulationen mit PREVAH und
COSMO-LEPS (für Limited Area
Ensemble Prediction System) in die
im Rahmen von CCHYDRO realisierten Modell-Klimatologien der Wasserressourcen der Schweiz eingebettet
(Abb. 7).
Im gezeigten Beispiel (Abb. 7) ist zu
erkennen, dass die gesamten im Einzugsgebiet der Thur mobilisierbaren
Wassermengen in den ersten Tagen der
Simulation zuerst deutlich gestiegen
und in den folgenden Tagen kontinuierlich gesunken sind.
Zum Zeitpunkt der Initialisierung
der Vorhersage (8. September 2012)
liegen die errechneten Wasserressourcen knapp über dem Median (50 %
Perzentil) der Modellklimatologie. In
den fünf Folgetagen ist die Fortsetzung
dieses Trends sehr wahrscheinlich. Nur
für den fünften Tag der Vorhersage zeigen die 16 Varianten eine gewisse Unsicherheit betreffend der möglichen Entwicklung.
4.3 Langfristvorhersagen
Was sich in der Hochwasserprognose gut bewährt hat, muss nicht unbedingt auch für die Vorhersage von Wasserressourcen gelten. Falls sich eine
ungünstige Situation ankündigt, genügt
für die meisten Nutzer eine 5-Tages
Prognose bezüglich der Wasserressourcen bei weitem nicht, um effektive Massnahmen ergreifen zu können.
Darum prüfen wir neuerdings, ob unsere Vorhersagen auch mit längerer Vorlaufzeit (z. B. einem Monat) zu realisieren sind. Dazu wird aus den aktuellen
Abb. 6. Links: Klimatologie (1933–2008, farbige Flächen im Hintergrund) und aktuelle Messung (ausgezogene Linien) des mittleren täglichen Abflusses des Rheins bei Rheinfelden. Rechts: Dauer der hydrologischen Trockenheit in Tagen (gemessener Abfluss < saisonales 15%
Quantil) für ausgewählte Einzugsgebiete der Schweiz. Die Karte zeigt die Situation nach der längeren Hitzeperiode im August 2012.
24
Forum für Wissen 2012
Abb. 7. Klimatologie (Tagesmittelwerte von 1980 bis 2009, farbige Flächen im Hintergrund) und aktuelle Simulation (durchgezogenen
Linie) sowie Boxplots für 5-Tage Vorhersagen ab 8. September 2012 der gesamten Wasserressourcen im Einzugsgebiet der Thur werden
gemeinsam dargestellt.
Anfangsbedingungen eine Langfristvorhersage (operationell mit 31 Varianten, retrospektiv mit fünf Varianten)
gestartet. Die Daten dazu werden vom
Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage ECMWF (Produkt VAREPS) zur Verfügung gestellt
(Vitart et al. 2008). FundeL et al.
(2012) haben gezeigt, dass Abflussvorhersagen im Niedrigwasserbereich
(Abfluss kleiner als das 15 %-Perzentil
der Modellklimatologie) für die Nutzer
einen Mehrwert auch für einen Vorhersage-Zeitraum von über 20 Tagen aufweisen. Der Mehrwert der Vorhersage
von erhöhten Abflüssen (Abfluss grösser als die 85%-Perzentil der Modellklimatologie) zeigt dagegen eine niedrige Qualität bereits für Vorhersagen mit Zeithorizonten von knapp 10
Tagen.
Abbildung 8 zeigt, dass zudem bessere Vorhersagen erzielt werden, wenn
die Anfangsbedingungen gut an die
reale aktuelle Situation angepasst
sind. Im Allgemeinen ist es erfolgversprechender, eine Langfristvorhersage für Speicherzustände zu geben, die
eine hohe Persistenz und ein langes
Abb. 8. Güte (2AFC-Kriterium, gut wenn > 0.5) von Monatsvorhersagen von erhöhten
Abflüssen (Q85, >85% Perzentil der Klimatologie, gestrichelte Linien) und Niedrigwasser
(Q15, <15% Perzentil der Klimatologie, ausgezogene Linien) mit PREVAH und ECMWFVAREPS. Die Auswertung wird zudem separat für Fälle mit besseren (dunkelgraue Flächen) und schlechteren (hellgraue Flächen) Anfangsbedingungen dargestellt (FundeL et al.
2012).
Forum für Wissen 2012
Gedächtnis aufweisen. Dies gilt zum
Beipsiel für den Grundwasserspeicher,
die Bodenfeuchte und die Schneeressourcen.
In Abbildung 9 ist eine retrospektive Vorhersage für eine Niedrigwasserperiode im August 2003 dargestellt.
Der Rhein in Neuhausen wies anfangs
August 2003 bereits eine niedrige
Wasserführung auf. Die fünf berechneten Vorhersagen für den Folgemonat ergaben kein Zeichen, dass sich
die Abflussspenden bei diesem für die
Rheinschifffahrt sehr wichtigen Kontrollpunkt erholen würden. Solche Vorhersagen dürften von Nutzen sein, um
beispielsweise die Lademengen der
Frachtschiffe zu dimensionieren.
25
die Bestimmung der in Abschnitt 2
beschriebenen
Modellklimatologie
benutzt wurde.
Ein solches Modell zeigt zum Beispiel, wie schnell sich ein System aus
einer aktuell kritischen Situation erholen könnte. Im Winter 2010/2011 ist
wenig Schnee gefallen, und das Frühjahr 2011 war sehr trocken. Im Einzugsgebiet der Thur entstand ein Defizit in den Wasserressourcen von über
100 mm (Abb. 10). Der Median, der
unter Verwendung von vergangenen
Beobachtungen realisierten Vorhersage, muss zweckmässig früher oder
später den Median der Klimatologie
erreichen. Je grösser die Abweichung
vom Median bei der Initialisierung der
Vorhersage, desto länger wird es voraussichtlich dauern, bis diese Bedingung erfüllt wird. Im in Abbildung 10
gezeigten Beispiel berührt der Median der Projektion den Median der Klimatologie erst 80 Tage nach dem Start
der Simulation. Interpretationsbeispiel:
Das Wasserdefizit dürfte deshalb noch
4.4 Klimatologische Vorhersagen
Eine weitere Variante zur langfristigen
Einschätzung der Wasserressourcen ist
die Verwendung von klimabasierten
Vorhersagen (Abb. 5 und Abb. 10). Solche Vorhersagen geben Antwort zum
Beispiel auf die häufig gestellte Frage:
«Wie wird sich jetzt die Lage entwickeln, falls sich ein Sommer wie 2003
wiederholen würde?». Dafür wird zur
Vorhersage für die folgenden Wochen
(120 Tage in unserer spezifischen Konfiguration, Abb. 5) das Wettergeschehen aus den Zeitreihen der Jahre 1981
bis 2010 verwendet, welches auch für
Abb. 9. Retrospektive Monatsvorhersage des Niedrigwasserabflusses des Rheins bis Neuhausen für die kritische Phase des Hitzesommers im August 2003. Die Vorhersagen basieren
auf den Anfangsbedingungen vom 30. Juli 2003. Sämtliche Vorhersagen (rote Linien) deuteten darauf, dass während der folgenden 25 Tage keine Erholung von dieser kritischen Situation zu erwarten war. Die Messungen (blaue Linie) bestätigten diese Voraussage. Die gestrichelten Linien zeigen von unten nach oben das 1 %-, 10 %-, 50 %-, 90 %- und 99 %-Perzentil
der Modellklimatologie.
Abb. 10. Wasserdefizit im Mai 2011. Simulation (violette Grundlinie) für das Einzugsgebiet der Thur bis zum 2. Mai 2011 und Projektion für
die 120 Folgetage (Box Plots). Die Box Plots (definiert durch Minimum, 25 %, 50 %, 75 % und Maximum) fassen 30 Szenarien zusammen,
welche auf dem tatsächlich vorgekommenen 120-Tage-Wetterverlauf der Jahre 1981 bis 2010 beruhen. Dargestellt ist die aktuelle und projizierte Abweichung der gesamten Wasserressourcen im Gebiet zum Median der Klimatologie für die Periode 1980 bis 2009 (farbige Flächen
im Hintergrund). Rot: Defizit gegenüber Median. Blau: Suffizit gegenüber Median.
26
mehrere Wochen andauern. In der Tat
regnete es anfangs Juli 2011 recht kräftig, weshalb sich die kritische Situation
schneller entspannte, als man dies klimatologisch hätte erwarten können.
5 Schlussfolgerungen und
Perspektiven
Die Experimente im Rahmen von
CCHYDRO schafften eine einmalige Datenbasis zur Einschätzung der
räumlichen und zeitlichen Variabilität
der Wasserressourcen der Schweiz. Bis
ins Jahr 2014 sollten weitere Berechnungen realisiert werden, in welchen
weitere Emissionsszenarien als Basis
für die hydrologischen Experimente dienen. Solche Szenarien (A2 und
RCP3PD) sind im Bericht «Szenarien zur Klimaänderung in der Schweiz
CH2011» (CH2011 2011) beschrieben. Zudem könnte der von uns verwendeten Ansatz zur Einbindung von
Klimaszenarien («Delta-Change») mit
weiteren Ansätzen («Bias-Korrektur»
und «Quantile Mapping») ergänzt werden und somit robustere Grundlagen
für Aussagen betreffend der Auswirkung der Klimaänderung auf Extremereignisse geschaffen werden.
Bereits jetzt konnten einige Folgestudien realisiert und neuartige operationelle Vorhersagesysteme entwickelt
werden. Solche Prognosen sind als Entscheidungsgrundlagen zur frühzeitigen
Erkennung kritischer Abweichungen
der Wasserverfügbarkeit gegenüber
dem Durchschnittswert zu interpretieren. Seit März 2011 läuft ein Prototyp
eines solchen Vorhersagesystems für
einige schweizerische mittelgrosse Einzugsgebiete (die Thur, die Emme und
das Dischma). Eine Ausweitung auf die
gesamte Schweiz wird demnächst angestrebt.
Die Ergebnisse aus retrospektiven
Langfristvorhersagen zeigen, dass die
Qualität der Anfangsbedingungen eine
übergeordnete Bedeutung für die Güte
der Vorhersagen hat. Für uns bedeutet dies, dass in den nächsten Jahren
die Forschung viele Ressourcen in
die Untersuchung der Assimilation
von Beobachtungen investieren muss.
Eine solche Assimilation betrifft zum
Beispiel die Nutzung der Daten vom
gemessenen Abfluss, der Bodenfeuch-
Forum für Wissen 2012
tigkeit und der Schneeressourcen. In
der Forschung weit verbreitet sind neuerdings Assimilationsverfahren, welche
den sogenannten Ensemble Kalman
Filter (eVensen 2009) verwenden.
Die Grundlagen von CCHYDRO können auch verwendet werden, um weitere Fragenstellungen anzugehen. rayMond-praLong et al. (2011) haben mit
Zukunftsszenarien die Entwicklung
der Sedimentfracht im Gerinne für viele Wasserfassungen im Wallis berechnet und Erkenntnisse über die Verlandung der Stauseen in den kommenden
Jahrzehnten gewonnen.
Ein weiterer offener Aspekt ist die
Integration des Landschaftwandels
in der Simulation des hydrologischen
Kreislaufes. Bisher reduzierte sich dieser Aspekt auf die Integration von
Gletscherschwundszenarien.
Dazu
hat sChattan (2012) bereits eine erste Studie verfasst, welche die EinwegKopplung von PREVAH mit dem
Wald-Landschaft Modell TREEMIG
(LisChke et al. 2006) untersucht und
die Folgen der Waldentwicklung auf
Abfluss, Bodenfeuchte und Verdunstung analysiert.
Die WSL betrachtet das Thema
«Schnee- und Wasserressourcen» als
eines der Themen, welches sie in den
kommenden Jahren fokussiert untersuchen will. Ziel der Forschung soll u.a.
eine Informationsplattform sein, welche eine Grundlage für ein verbessertes Management von Wasserressourcen
in der Schweiz und im alpinen Raum
darstellen soll. Durch eine solche
Informationsplattform könnten künftig zahlreiche Forschungs- und Monitoring-Aktivitäten kombiniert werden,
womit unseren Endnutzern eine wertvolle Dienstleistung erbracht werden
könnte. Ein Kernstück dieses Dienstes
dürften benutzerfreundliche Produkte
zur saisonalen Vorhersage von Wasserressourcen sein.
Dank
Unsere Forschungsarbeiten wurden
vom Bundesamt für Umwelt (Projekt CCHydro) und dem Schweizerischen Nationalfonds (NFP61-Projekt
DROUGHT-CH) finanziert. Wir danken dem EU FP6 Projekt ENSEMBLES (Vertragsnummer 505539), der
MeteoSchweiz und dem Bundesamt
für Umwelt für die Bereitstellung der
Grundlagendaten. Dr. Thomas Bosshard (ETH) unterstützte uns bei der
Bereitstellung der Klimafolgeszenarien. Andreas Linsbauer (UNI Zürich)
hat die Gletscherszenarien realisiert.
Mina Ossiaa (WSL) hat mehrere
Skripte zur Visualisierung der Ergebnisse und die Webseite http://hydro.slf.
ch/sihl/cchydro/ programmiert.
6 Literatur
AdaptAlp, 2011: Adaptation to Climate Change in the Alpine Space – Work
Package Water Regime (WP4). Summary
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Abstract
Forecasts and scenarios of snow and water resources in Alpine environments
During the last few years hydrological models have been applied to estimate
current and future spatial and temporal availability of water resources in different
areas of the European Alps. In parallel, large efforts have been allocated for the
development and operational application of hydrological ensemble prediction
systems. WSL has been active in all these fields and is now testing opportunities of
combining the outcomes of climate impacts studies with operational forecasting.
In the framework of the CCHYDRO Project a water resources climatology for
the control period 1980-2009 and scenarios for two 30-years periods in the future
have been created. Results point out, that the seasonal accumulation of snow
water will drastically reduce by the end of the 21st century and have large impact
on the seasonal distribution of water resources in Switzerland.
From the NRP61 project DROUGHT-CH tools for improving the prediction
of water resources availability with lead times of up to 1 month and climatologybased extrapolations for up to 120 days have been realized. First applications
show that, depending on the quality of the initial conditions, the forecasts of water
storage and low-flow can yield added value for stakeholders concerning lead times
of over 20 days, while the forecasts of high discharge and floods show no added
value for lead times larger than 10 days.
Our next goal is the establishment of a system for the early detection of anomalies
in the temporal and spatial availability of water resources in Switzerland.
Keywords: water resources, snow resources, hydrological modelling, climate
change, operational extended-range forecasts.
Forum für Wissen 2012: 29–35
29
Natürliche und technische Schneesicherheit in einer
wärmeren Zukunft
Bruno Abegg
Institut für Tourismus- und Freizeitforschung, HTW Chur, Comercialstrasse 22, 7000 Chur
[email protected]
Ohne Schnee – kein Skitourismus: Diese simple Aussage bringt die Klimasensitivität dieses wichtigen Tourismuszweiges zum Ausdruck. Um der launenhaften
Frau Holle ein Schnippchen zu schlagen, wurde die technische Beschneiung erfunden. Das Potential der technischen Beschneiung ist – wie die Erfahrungen aus
den schneearmen Wintern und Modellrechnungen zeigen – gross. Aber auch sie
wird im Zuge der fortschreitenden Erwärmung an Grenzen stossen, kann also im
Hinblick auf die zu erwartenden klimatischen Veränderungen nur vorübergehend
Abhilfe schaffen. Das funktioniert aber nur, wenn die Beschneiungsintensität massiv erhöht werden kann. Und dies wiederum bedeutet mehr Beschneiungsanlagen,
höherer Wasser- und Stromverbrauch und – last but not least – höhere Kosten.
1 Schneesicherheit
Es gibt verschiedene Definitionen für
Schneesicherheit. Aus skitouristischer
Sicht hat sich die sogenannte 100-TageRegel durchgesetzt. In ihrer ursprünglichen Version besagt die Regel, dass
«eine ökonomisch sinnvolle Investition
in Wintersportgebieten unter anderem
nur dann gegeben [ist], wenn während
mindestens 100 Tagen je Saison eine
Ausnützung der installierten Anlagen erwartet werden kann, was nur
mit einer Schneedecke von genügender Mächtigkeit möglich ist» (witMer
1986). Diese Definition weist gewisse
Unschärfen auf. Punkte, die vor einer
konkreten Anwendung geklärt werden müssen, betreffen zum Beispiel die
Festlegung der minimal erforderlichen
Schneehöhe sowie die Definition der
Skisaison (100 Tage im Zeitraum von
… bis …). Weiter stellt sich die Frage,
ob die 100-Tage-Regel in jedem Winter
erfüllt sein soll. Oder ob, was der Realität wohl eher entspricht, schlechte mit
guten Jahren kompensiert werden können, die 100-Tage-Regel also beispielsweise nur in 7 von 10 Wintern erfüllt
sein muss (vgl. aBegg 1996). Bürki
(2000: 42) spricht von einem schneesicheren Skigebiet, «wenn in 7 von 10
Wintern in der Zeit vom 1. Dezember –
15. April an mindestens 100 Tagen eine
tische Perioden detaillierter zu analysieren. Ein frühzeitiger Saisonstart –
bei guten Bedingungen notabene – hat
positive Auswirkungen auf das Image
des Skigebiets, den Verkauf der Saisonkarten und das Buchungsverhalten der
Kunden. Weihnachten ist deshalb kritisch, weil viele Skigebiete in der kurzen Zeit über Weihnachten und Neujahr mehr als 20 Prozent ihres Winterumsatzes erzielen.
2 Schneearme Winter
für den Skisport ausreichende Schneedecke von mindestens 30 bis 50 cm vorhanden ist.»
Wenn die 100-Tage-Regel erfüllt ist,
bestehen gute Voraussetzungen für
einen erfolgreichen Skibetrieb. Falsch
wäre es, wie von witMer (1986) suggeriert, die 100-Tage-Regel als Indikator für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Skigebiets zu verwenden.
Das Vorhandensein einer ausreichend
mächtigen Schneedecke während längerer Zeit ist zwar eine wichtige Voraussetzung, bei weitem aber nicht der
einzige Faktor, der über Erfolg oder
Nichterfolg eines Skigebiets entscheidet. In diesem Sinne wird die 100-TageRegel auch von zahlreichen Skigebietsbetreibern in Europa und Nordamerika akzeptiert (aBegg et al. 2007; sCott
et al. 2008).
Die 100-Tage-Regel hat sich zu
einem wertvollen Arbeitswerkzeug
zur Analyse der natürlichen und technischen Schneesicherheit (ohne bzw.
mit Berücksichtigung der technischen
Beschneiung) entwickelt. Mitunter
wird die 100-Tage-Regel auch mit weiteren Indikatoren ergänzt: sCott et al.
(2008) haben den «Weihnachtsindikator» eingeführt, Steiger und Abegg (in
Vorb.) den «Saisonstart-Indikator».
Sinn und Zweck dieser zusätzlichen
Indikatoren liegt darin, besonders kri-
Die natürlichen Schneeverhältnisse
und damit auch die natürliche Schneesicherheit in den Skigebieten sind starken jährlichen Schwankungen unterworfen. Die Auswirkungen von schneearmen Wintern auf den Skitourismus
wurden mehrfach untersucht (vgl. z. B.
aBegg und FroesCh 1994; dawson
et al. 2009; steiger 2011). Die Ergebnisse dieser Studien lassen sich wie
folgt zusammenfassen:
1. Schneearme Winter haben negative
Auswirkungen auf die Saisondauer, die Nachfrage und damit auf das
Geschäftsergebnis der betroffenen
Skigebiete.
2. Kleinere und tiefer gelegene Skigebiete sind in der Regel stärker
betroffen wie grössere und höher
gelegene Skigebiete; letztere können mitunter sogar profitieren.
3. In Skigebieten, wo die Auswirkungen von mehreren und über die
Jahre verteilten schneearmen Wintern untersucht wurden, gehen die
negativen Auswirkungen tendenziell zurück. Diese Entwicklung
wird dem Ausbau der technischen
Beschneiung zugeschrieben.
30
3 Klimawandel und Skitourismus
Der alpine Winter- beziehungsweise
Skitourismus gilt als besonders klimasensitiv. In keinem anderen Tourismusbereich sind die Verknüpfungen mit
dem Klima so eng wie hier. Schnee ist
eine Grundvoraussetzung und kann
zwar technisch hergestellt, aber nicht
substituiert werden. Hinzu kommt die
grosse regionalwirtschaftliche Bedeutung des Skitourismus in vielen Berggebieten. Aus dieser Perspektive ist es
nicht weiter verwunderlich, dass nicht
nur die ersten, sondern auch die meisten Studien, die sich mit den möglichen Auswirkungen des Klimawandels
auf den Tourismus befassen, über den
Skitourismus geschrieben wurden (vgl.
sCott et al. 2012 für einen aktuellen
Überblick über den Forschungsstand
im Bereich Klimawandel und Tourismus).
Forum für Wissen 2012
3.1 Auswirkungen auf die
natürliche Schneesicherheit der
Skigebiete
Gemäss einer Studie der OECD
(aBegg et al. 2007) können 91 Prozent
der heute bestehenden Skigebiete in
den Alpen auf der Basis der 100-TageRegel als natürlich schneesicher (ohne
Einbezug der technischen Beschneiung) bezeichnet werden. Bei einer
durchschnittlichen Erwärmung von
+1 °C würde dieser Wert auf 75 Prozent sinken. Bei +2 °C wären noch 61
Prozent, bei +4 °C nur noch 30 Prozent
der Skigebiete schneesicher. Sowohl
auf nationaler (vgl. Tab. 1) wie auch
auf regionaler Ebene (vgl. Abb. 1) zei-
Tab. 1. Zahl der natürlich schneesicheren Skigebiete unter heutigen und zukünftigen Klimabedingungen (nationale Ebene). Quelle: aBegg et al. 2007.
Land
Deutschland
Anzahl
Skigebiete
Schneesicher
heute
+1 °C (≈2025)
+2 °C (≈2050) +4 °C (≈2100)
39
27
11
5
1
148
143
123
96
55
87
81
71
59
21
Österreich
228
199
153
115
47
Schweiz
164
159
142
129
78
Total
666
609
500
404
202
Frankreich
Italien
Abb. 1. Zahl der natürlich schneesicheren Skigebiete unter heutigen und zukünftigen Klimabedingungen (regionale Ebene). Quelle: aBegg
et al. 2007.
Forum für Wissen 2012
gen sich grosse Unterschiede: Vereinfacht ausgedrückt werden Gebiete mit
einem hohen Voralpenanteil früher
und stärker betroffen sein als Gebiete
in den Hochalpen.
3.2 Auswirkungen auf die
technische Schneesicherheit
der Skigebiete
Studien, welche die Beschneiung als
Anpassungsmassnahme einbeziehen,
wurden unter anderem von sCott et al.
(2003), sCott et al. (2007), steiger und
Mayer (2008), dawson et al. (2009),
steiger (2010) und rixen et al. (2011)
durchgeführt. steiger und aBegg
(2011) haben die aktuelle und zukünftige natürliche und technische Schneesicherheit von 228 österreichischen
Skigebieten berechnet. Die Resultate
zeigen, dass unter Einbezug der gegenwärtigen Beschneiungskapazität und
-technologie fast alle untersuchten
Skigebiete (97 %) zurzeit als schneesicher (100-Tage-Regel) bezeichnet
werden können. Zusätzliche Beschneiung funktioniert bis zu einer gewissen
Erwärmung, spätestens ab plus 2 °C
geht aber die Zahl der schneesicheren Skigebiete in allen Bundesländern
stark zurück (Abb. 2).
31
Alle verfügbaren Studien zeigen, dass
die Auswirkungen des Klimawandels
auf die Skigebiete durch die Berücksichtigung der technischen Beschneiung geringer ausfallen werden. Aber
auch bei einem vermehrten Einsatz
von Beschneiungsanlagen wird sich der
Skitourismus auf die am besten geeigneten Standorte konzentrieren. Die
Studien machen nämlich auch deutlich, dass die Beschneiung nur vorübergehend Abhilfe schaffen kann:
Um technische Schneesicherheit zu
gewährleisten, muss in Zukunft massiv mehr beschneit werden. Gleichzeitig verschlechtern sich die klimatischen Voraussetzungen für den Einsatz
der Beschneiungsanlagen. Besonders
betroffen sind die tiefer gelegenen Skigebiete sowie die Saisonrandzeiten,
insbesondere der Saisonauftakt mit
den für den Geschäftserfolg so wichtigen Weihnachtsferien.
4 Möglichkeiten und Grenzen
der Beschneiung
In den letzten 20 Jahren wurden Hunderte von Millionen Franken in die
technische Beschneiung investiert (vgl.
CIPRA 2004; aBegg et al. 2007) – mit
dem Resultat, dass fast die Hälfte aller
alpinen Skipisten beschneit werden
können (vgl. Tab. 2). Wie die obigen
Ausführungen gezeigt haben, kann die
technische Beschneiung durchaus Sinn
machen. Der Ausbau der Beschneiung
ist denn auch die wichtigste Anpassungsmassnahme der Skigebietsbetreiber. Mit einem entsprechenden Ausbau
der Beschneiung – so die Überzeugung
der meisten Skigebietsbetreiber – kann
der Skibetrieb auch in einem wärmeren Klima über mehrere Jahrzehnte
gesichert werden (aBegg et al. 2008;
woLFsegger et al. 2008).
Es sind aber auch immer wieder kritische Stimmen zu vernehmen. Am
Anfang standen Grundsatzdiskussionen im Sinne von «Darf der Mensch
Frau Holle ins Handwerk pfuschen?»
im Vordergrund. Danach wurden vor
allem die ökologischen Auswirkungen
thematisiert. Vor dem Hintergrund des
zunehmenden
Beschneiungsbedarfs
zur Sicherung der zukünftigen Schneesicherheit geht es in erster Linie um
den zusätzlichen Wasser- und Energiebedarf sowie um die mit dem Ausbau
der Beschneiung verbundenen Kosten.
Die ökologischen Auswirkungen sind
vergleichsweise gut dokumentiert; die
Einschränkungen, die bei einem massiven Ausbau der Beschneiung auftre-
Abb. 2. Zahl der natürlich und technisch schneesicheren Skigebiete in den österreichischen Bundesländern
(heute und in einer wärmeren Zukunft). Quelle: nach steiger und aBegg 2011.
32
Forum für Wissen 2012
Tab. 2. Ausmass der technischen Beschneiung in den Alpenländern. Quelle: aBegg 2011a.
Pistenfläche
beschneibar
in %
Schweiz
22 000 ha
7 920 ha
36%
Österreich
25 400 ha
16 760 ha
66%
3 700 ha
599 ha
16%
Italien
22 500 ha
15 750 ha
70%
Frankreich
25 000 ha
5 300 ha
21%
Slowenien
1 200 ha
900 ha
75%
138 ha
60 ha
43%
99 938 ha
47 289 ha
47%
Deutschland (Bayern)
Liechtenstein
Alpenländer
ten können, werden zwar wiederholt
erwähnt, aber selten detaillierter analysiert (vgl. piCkering und BuCkLey
2010; aBegg 2011b; rixen et al. 2011).
4.1 Wasserbedarf und
Wasserverfügbarkeit
Der Wasserverbrauch pro Einheit
Schnee ist vom Standort, den Witterungsverhältnissen und der Art/Effizienz der eingesetzten Anlagen abhängig. teiCh et al. (2007) gehen von folgenden Richtwerten aus:
– 1 m3 technischer Schnee ≙
0,2 bis 0,5 m3 Wasser (200–500 Liter
Wasser).
Für die Grundbeschneiung einer Hektare Piste (30 cm) benötigt man also
600 bis 1500 m3 Wasser (600 000 – 1,5
Mio. Liter Wasser) – und entsprechend
mehr, falls nachbeschneit werden muss.
Der Wasserbedarf ist immens. In
Davos macht er 21,5 Prozent, in Scuol
gar 36,2 Prozent des jährlichen kommunalen Wasserverbrauchs aus. Vor
diesem Hintergrund ist es nicht wei-
ter verwunderlich, dass die Wasserversorgung eine grosse Herausforderung
darstellt. Zur wichtigen Frage, ob in
Zukunft genügend Wasser vorhanden
sein wird, um den zusätzlichen Bedarf
zu decken, gibt es leider kaum verlässliche Informationen. Folgende Entwicklungen scheinen plausibel: Je nach
Region (abhängig vom Niederschlagsregime, der Topographie und der
Geologie etc.) wird mehr oder weniger Wasser zur Verfügung stehen bzw.
werden sich die Probleme, die mit der
zusätzlichen Wasserentnahme für die
Beschneiung einhergehen, mehr oder
weniger stark akzentuieren. In wasserärmeren Gebieten ist davon auszugehen, dass die Nachfrage das Angebot
übersteigen könnte (vgl. sChädLer
2009). Konflikte mit anderen Wassernutzern, steigende Wasserpreise und
ökologische Probleme (z. B. Restwassermengen) wären vorprogrammiert.
Bleibt noch die Frage, wie das Wasser
auf die Pisten kommt. Um die Wasserversorgung sicher zu stellen, müssen
zusätzliche Speicherseen gebaut werden. Ausserdem braucht es Leitungen,
um diese Seen zu füllen beziehungs-
Tab. 3. Wasserverbrauch für die technische Beschneiung in Scuol, Davos und in der Schweiz
(in 1000 m3). Quellen: 1 teiCh et al. 2007: 97; 2 Seilbahnen Schweiz 2008.
Wasserverbrauch
gemäss Richtwerten
(in 1000 m3)
Wasserverbrauch
gemäss Angaben Skigebiete
(in 1000 m3)
144
86,4–216
ca. 200 (2006)
301
180,6–451,5
ca. 600 (2006)
7260
4356–10 890
ca. 18 000 (2007/08)
Beschneite
Fläche (ha)
Scuol (CH)1
Davos (CH)
Schweiz2
1
weise um das Wasser von den Seen zu
den Schneeerzeugern zu transportieren. Beides wird Spuren in der alpinen
Landschaft hinterlassen.
4.2 Energiebedarf
Wie beim Wasser gilt auch für den
Strom: Der Verbrauch pro Einheit
Schnee ist vom Standort, den Witterungsverhältnissen und der Art/Effizienz der eingesetzten Anlagen abhängig. teiCh et al. (2007) gehen von folgenden Richtwerten aus:
– 1 m3 technischer Schnee ≙
1,5 bis 9 kWh
Für die Grundbeschneiung einer Hektare Piste (30 cm) benötigt man also
5000 bis 27 000 kWh Strom.
Im Jahr 2006 haben die Bergbahnen
Motta Naluns in Scuol rund 2,5 Mio.
kWh Strom verbraucht – davon gingen
1,2 Mio. kWh auf das Konto der technischen Beschneiung. Zum Vergleich:
Das Bad Scuol benötigte rund 3 Mio.
kWh/Jahr (teiCh et al. 2007).
Interessant ist auch ein Vergleich des
Bayerischen Landesamtes für Umwelt
(2009): «Wenn man von einem durchschnittlichen Stromverbrauch von
4 kWh für die Erzeugung von 1 m3
Schnee ausgeht, dann verbraucht die
Grundbeschneiung in Bayern 7,2 Mio.
kWh Strom. Ein Zweipersonenhaushalt verbraucht im Jahr durchschnittlich 3030 kWh Strom. Der Strom, der
in Bayern für die Grundbeschneiung
benötigt wird, würde also reichen, um
etwa 2300 Zwei-Personen-Haushalte
ein Jahr zu versorgen.»
Es ist davon auszugehen, dass der
Stromverbrauch für die technische
Beschneiung zunehmen wird. Dabei
müssen folgende Aspekte beachtet
werden:
1. In einer wärmeren Zukunft wird
nicht nur mehr, sondern vermutlich
auch vermehrt unter marginalen
Bedingungen (= verringerte Effizienz) beschneit werden.
2. Es könnten vermehrt neue Technologien (Kälte- und Kyrotechnik)
eingesetzt werden. Diese sind im
Vergleich zu den herkömmlichen
Anlagen energieintensiver.
3. Der Energieaufwand für die Wasserbereitstellung, insbesondere
das Hochpumpen vom Tal in die
Forum für Wissen 2012
Speicherbecken bzw. auf die Pisten,
wird immer grösser.
Dies bedeutet, dass der Stromverbrauch für die technische Beschneiung – trotz Effizienzgewinnen – stark
ansteigen könnte.
4.3 Ökologische Auswirkungen
Die ökologischen Auswirkungen der
technischen Beschneiung werden seit
vielen Jahren diskutiert. Die anfänglich
sehr emotional geführten Diskussionen haben sich mittlerweile etwas versachlicht – nicht zuletzt, weil die in vergleichsweise grosser Zahl vorliegenden
Studien ein komplexes, aber keineswegs nur negatives Bild zeichnen. Wir
verzichten hier auf eine detaillierte
Analyse und verweisen statt dessen auf
CIPRA (2004), pröBstL (2006), Badré
et al. (2009), rixen et al. (2011) sowie
die dort zitierte Literatur. Stellvertretend kommen teiCh et al. (2007) zum
Schluss, «dass ökologische Argumente
nicht grundsätzlich gegen den Einsatz
von Kunstschnee sprechen, da es nicht
nur negative, sondern auch positive
Auswirkungen gibt. Entscheidend ist,
dass jeder potentielle Eingriff rechtzeitig mit Naturschutzverbänden und
-verwaltungen abgesprochen werden
sollte, um mögliche negative Einflüsse
gering zu halten. Sensible Vegetation,
mögliche Störung seltener Tierpopulationen und eventuelle Engpässe bei
der Wasserversorgung sollten in jedem
Einzelfall geprüft werden. Bei unvermeidlichen Baumassnahmen sollte
nach modernsten Massstäben begrünt
werden.» Zusätzlich müssen folgende Aspekte bedacht werden (aBegg
2011a):
1. Mit dem Ausbau der Beschneiung
geht häufig ein Ausbau der Pisten
einher. Damit sind zum Teil massive
Landschaftseingriffe (z. B. Planien)
verbunden. Sollte es tatsächlich zu
einer Intensivierung des Skibetriebs
in höheren Lagen kommen, werden auch Regionen tangiert, die aus
ökologischer Sicht als äusserst sensibel eingestuft werden müssen.
2. In Zukunft könnten vermehrt
künstliche Nukleationskeime verwendet werden. Mit Hilfe dieser
Keime, zum Beispiel Snomax,
33
kann bei höheren Temperaturen beschneit werden. Umstritten
bleibt, ob diese Keime (abgetötete
Bakterien) negative Auswirkungen auf die alpine Umwelt haben.
In einigen Regionen/Ländern sind
sie erlaubt (Frankreich, Schweiz), in
anderen dagegen (noch) verboten
(Bayern, Österreich).
3. In den Alpenländern gibt es verschiedene Vorschriften, welche den
Bau und Einsatz von Beschneiungsanlagen regeln. Einige dieser
Vorschriften wurden in den letzten Jahren gelockert; zum Beispiel in Bayern (Verlängerung
der Beschneiungssaison) oder im
Kanton Bern (Vorverlegung des
Beschneiungsstarts auf den 15.
Oktober). Gut möglich, dass der
Druck auf die bestehenden Regelungen in einer wärmeren Zukunft
weiter zunimmt.
4.4 Ökonomische Auswirkungen
Die Kosten für die technische
Beschneiung sind beträchtlich. In der
Literatur finden sich zahlreiche Angaben (vgl. aBegg et al. 2007). Lang
(2009) geht beispielsweise von folgenden Eckdaten aus:
– Investitionskosten pro Kilometer beschneibare Piste: 750 000 bis
1 000 000 CHF
– Betriebskosten pro Kilometer
beschneite Piste: 20 000 bis 100 000
CHF/Jahr
Die Investitionskosten sind in erster
Linie von der Bodenbeschaffenheit
abhängig, die Betriebskosten von der
zu produzierenden Menge, den Witterungsverhältnissen, der Wasserverfügbarkeit und der Art/Effizienz der eingesetzten Anlagen.
In einer wärmeren Zukunft muss
deutlich mehr Schnee produziert werden (je nach Gebiet und Szenario
mehr als doppelt so viel wie heute),
um die Schneesicherheit zu gewährleisten. Damit sind hohe Investitionen in zusätzliche Beschneiungsanlagen, in neue Technologien (effizientere, evtl. auch temperaturunabhängige
Anlagen) und in die Sicherstellung der
Wasserversorgung (zusätzliche Speicherseen) verbunden. Die Kosten für
den Bau von Speicherseen werden von
Lang (2009) wie folgt geschätzt:
– 1,5 bis 2,5 Mio. CHF für Speicherseen mit 30 000 bis 50 000 m3 Volumen
– 3 bis 3,5 Mio. CHF für einen Speichersee mit 80 000 m3 Volumen
Bei den Betriebskosten müssen die
höheren Volumina und die damit verbundenen Energie- und Wasserkosten berücksichtigt werden. Die Kosten
pro Einheit Wasser variieren – abhängig von den Zugriffsrechten – stark.
Bei der Energie schlagen vor allem
die Kosten für den Wassertransport
und den «Gefrier-Prozess» zu Buche.
Mit Betriebsoptimierungen und neuen
Technologien können Effizienzgewinne erzielt werden. Unter dem Strich
werden die Betriebskosten aber massiv
ansteigen: Nicht nur weil deutlich mehr
Schnee produziert werden muss, sondern auch weil die Kosten pro Energie- (steigende Strompreise) und Wassereinheit (zunehmende Knappheit)
ansteigen dürften. Daraus lassen sich
zwei kritische Fragen ableiten:
– Wer kommt für die Kosten der
zusätzlichen Beschneiung auf?
– Lohnt sich der Ausbau der technischen Beschneiung überhaupt?
Bei der Frage nach der Finanzierung
müssen die Ertragskraft der Seilbahnunternehmen, die Zahlungsbereitschaft der Skifahrer und alternative
Finanzierungsmodelle berücksichtigt
werden:
– Die Ertragskraft der Seilbahnunternehmen ist sehr unterschiedlich. Vor
allem kleinere und mittlere Unternehmen werden Mühe haben, den
Ausbau der technischen Beschneiung aus eigener Kraft zu finanzieren.
– Die höheren Kosten werden sich in
höheren Liftpreisen niederschlagen.
Hier stellt sich die Frage, ob die Skifahrer bereit sind, noch mehr für die
ohnehin schon relativ teuren Lifttickets zu bezahlen. Und wenn ja,
wie viel?
– Es gibt verschiedene Bestrebungen
in Richtung einer breiteren Verteilung der Kosten. Versuche, andere
Anbieter (z.B. die Hotellerie) einzubinden, sind bis dato gescheitert.
In vielen Regionen lässt sich aber
ein wachsendes Engagement der
öffentlichen Hand beobachten.
34
Bei der Frage, ob sich der Ausbau der
technischen Beschneiung überhaupt
lohnt, muss das Kosten-Nutzen-Verhältnis betrachtet werden. Auch hierzu
gibt es kaum verlässliche Informationen. Die Erfahrungen aus den schneearmen Wintern deuten auf eine lohnende Investition hin. Mitunter treten aber
auch bereits heute Witterungskonstellationen auf, die den wunschgemässen
Einsatz der Beschneiungsanlagen verzögern bzw. verunmöglichen (vgl. Winter 2006/07). Konkrete Studien gibt es
nur sehr wenige: pütz et al. (2011) weisen am Beispiel von Davos einen positiven Wertschöpfungseffekt nach, und
gonseth (2008) untersuchte, wie sich
die Beschneiung eines zusätzlichen Pistenkilometers auf die Erfolgsrechnung
von 60 Schweizer Seilbahnunternehmen ausgewirkt hätte: in 70 Prozent
der Fälle positiv, in 30 Prozent der Fälle negativ (40 % wenn nur die tiefer
gelegenen Skigebiete berücksichtigt
werden). Mit anderen Worten: mehr
Beschneiung führt nicht automatisch
zu besseren Geschäftsergebnissen.
5 Ausblick
Der alpine Wintertourismus nimmt
eine herausragende Rolle in der touristischen Klimafolgenforschung ein.
Aber trotz der vergleichsweise vielen
Publikationen, bleiben zahlreiche Fragen offen. Einige dieser Fragen bzw.
der daraus abgeleitete Forschungsbedarf werden zum Abschluss kurz skizziert:
1. In der Schweiz wurde die natürliche,
aber nicht die technische Schneesicherheit der Skigebiete untersucht
(Ausnahme rixen et al. 2011 für
drei ausgewählte Gebiete). Im Rahmen der CH2014 Impacts Initiative
soll das nachgeholt werden (nähere
Auskünfte beim Autor).
2. Die bis anhin verwendeten Ansätze (Schneemodelle, Klimamodelle,
Emissionsszenarien, Indikatoren
etc.) unterscheiden sich stark. Um
die Resultate vergleichen zu können, müssen die Ansätze harmonisiert werden. Nur so lassen sich
Aussagen über unterschiedliche
Sensitivitäten im internationalen
Skitourismus machen.
Forum für Wissen 2012
3. Die Diskussion über die zukünftige Schneesicherheit der Skigebiete
wird von einer gewissen Technikgläubigkeit geprägt («Schneekanonen werden es schon richten»). Aus
technischer Sicht ist vieles möglich,
auch Schneeproduktion bei Plusgraden. Über die letztendlich wohl entscheidenden Punkte Wasserverfügbarkeit und Finanzierbarkeit wissen
wir jedoch sehr wenig. Und was
würde das Ausschöpfen der technischen Möglichkeiten für die Ski
fahrenden Gäste bedeuten? pütz
et al. (2011) haben gezeigt, dass
die Akzeptanz der Beschneiung
gestiegen ist, aber die Frage, wie
die Touristen auf eine längerfristige
Verschlechterung der Schneeverhältnisse (fehlender Schnee in den
Herkunftsgebieten, fehlende Winteratmosphäre in den Skigebieten,
längere Anfahrtsweg in die schneesicheren Gebiete, höhere Liftpreise etc.) reagieren werden, ist offen
(vgl. sCott et al. 2012).
4. Stichwort Finanzierbarkeit: Wie
könnten alternative Finanzierungsmodelle ausschauen? Soll sich die
öffentliche Hand (noch) stärker
engagieren? Könnte man nicht
auch sagen, dass mit jedem Franken, der in den Ausbau der technischen Beschneiung fliesst, nicht nur
der Skibetrieb gesichert, sondern
auch die Abhängigkeit vom Skitourismus erhöht und damit die Möglichkeit, in neue und zukunftsfähige
Geschäftsmodelle zu investieren,
verbaut wird? Auf diese Fragen
wird es keine allgemeinen Antworten geben. Was an einem Ort Sinn
ergibt, kann an einem anderen Ort
in die Sackgasse führen – wichtig ist,
dass bei der Bearbeitung der Frage
«wo, und bis wann macht welcher
Ausbau der Beschneiung Sinn?» die
unterschiedlichen Rahmenbedingungen der betroffenen Unternehmen (Lage, Grösse, Struktur, Ressourcen etc.) berücksichtigt werden.
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Abstract
Natural and technical snow-reliability of ski areas
Alpine winter tourism has been repeatedly identified as vulnerable to global
climate change due to diminishing snow conditions required for skiing and
snowboarding. Vulnerability to climate change, however, is not only depending
on the impacts of global warming on natural snow conditions but also on the
tourism stakeholders’ willingness and ability to adapt. First, the concept of snowreliability will be introduced. Second, the potential impacts of climate change
on ski/winter tourism will be presented. Special attention will be given to the
number 1 adaptation measure: technical snowmaking. The notion, that additional
snowmaking may compensate for a decline in natural snow, will be critically
reviewed, focusing on major constraints such as water availability, energy demand
and costs. Finally, knowledge gaps and interesting topics for future research will
be outlined.
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Forum für Wissen 2012: 37–42
37
Wasserwirtschaft in Davos – eine kurze Bilanz
ihrer Nachhaltigkeit
Veronika Stöckli
Bergwelten 21 AG, Tschuggenstrasse 7, CH-7260 Davos Dorf
WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Flüelastrasse 11, CH-7260 Davos Dorf
[email protected]
Die Davoser Gewässer sind Wasserspender, Lösungs- und Transportmittel, Energielieferanten, Naturgefahr, idyllische Biotope und Kulisse von Geschichten und
Legenden. Was viele Ansprüche befriedigen soll, muss geregelt werden: «Es solle niemand die Wasser im Landt verunsübern noch einicherlei abgestanden Vich
darin kommen lassen by Buoss zwen Guldi von jedem Hopt, so oft das gescheche» forderte ein Gesetz aus dem siebzehnten Jahrhundert (Valer 1912). Die
Wasserwirtschaft ist durch den Tourismus geprägt, dem wichtigsten Zweig der
Davoser Wirtschaft insgesamt. Eine Betrachtung der Davoser Wasserwirtschaft
damals und heute zeigt, dass sie nachhaltiger sein könnte. Das heute geltende
Recht verlangt nicht mehr nur, das Wasser sauber zu halten, sondern auch haushälterisch damit umzugehen und den natürlichen Lebensraum zu erhalten. Dazu
sollen nicht nur gesetzliche Forderungen und ökologische oder wirtschaftliche
Überlegungen motivieren, sondern auch die touristisch attraktiven, ästhetischen
und kulturellen Werte des Wassers.
1 Trinkwasserversorgung
aus 100 Prozent Davoser
Wasser
Davos ist mit einer Fläche von 293 km2
eine der grössten Gemeinden der
Schweiz, und, auf 1560 m über Meer
gelegen, die höchstgelegene Stadt der
Alpen. Rund 1080 mm pro Quadratmeter beträgt der jährliche Wassereintrag
über den Niederschlag. Die Versorgung
mit Trinkwasser ist die wichtigste Aufgabe der Davoser Wasserwirtschaft.
Die gemeindeeigene Wasserversorgung verkauft rund 1,6 Millionen m3
Wasser pro Jahr (Gemeinde Davos
2010). Das Trinkwasser wird aus über
200 gemeindeeigenen Quellen gewonnen. Neben der öffentlichen Wasserversorgung werden weitere rund 70
Quellen privat gefasst und genutzt
(Abb. 1). Pro Person werden im Jahr
somit etwa 115 m3 Trinkwasser konsumiert, was dem entsprechenden Verbrauch in der Stadt Luzern entspricht
(BfS 2012). Wasserangebot und -nachfrage sind jahreszeitlich unterschiedlich hoch. Im Winter werden pro Tag
rund 13 000 m3 Wasser der öffentlichen
Versorgung konsumiert, während dieser Wert im Sommer leicht höher liegt
(14 000 m3). Die natürliche Wasserspende der Quellen ist im Winter eben-
falls kleiner als im Sommer, was typisch
ist für ein Einzugsgebiet, welches im
Winter schneebedeckt ist und auch von
Gletschern gespiesen wird. Minimal
fliessen insgesamt 14 600 m3 durch die
Leitungen, womit stets mehr Wasser
dargeboten als konsumiert wird, auch
gegen Jahresende, wenn besonders viele Gäste in Davos weilen. Bis das Wasser bei den Verbrauchern ankommt, ist
eine enorme Infrastruktur nötig. Gegen
30 Millionen Franken hat die Gemeinde in den vergangenen 20 Jahren in die
öffentliche Wasserversorgung investiert (Gemeinde Davos 2011).
In der Schweiz wird rund 60 Prozent
des Trinkwassers durch Haushalte und
Kleingewerbe verbraucht, 19 Prozent
durch die Industrie, knapp acht Prozent für Brunnen und andere öffentliche Zwecke und 16 Prozent gehen
durch leitungsbedingte und andere
Verluste verloren (BfS 2011). Wie hoch
der relative Verbrauch dieser Gruppen
in Davos liegt, lässt sich leider nicht
aufschlüsseln. Hingegen liegen Zahlen
zum Wasserverzehr von gemeindeeigenen Einrichtungen vor: Das Davoser
Hallen- und Erlebnisbad verbraucht
44 274 m3 pro Jahr, während die Kunstund Natureisbahnen 2430 m3 Wasser zu
Eis wandeln (teiCh et al. 2007). Unter
den privaten Verbrauchern liegen die
Bergbahnen an der Spitze: Parsenn und
Jakobshorn verschneien für ihre Kunstschnee-Pisten rund 600 000 m3 Wasser
aus eigenen Quellen und Speicherseen und aus dem Davoser See (teiCh
Abb. 1. Die grosse Uhr oberhalb des Hotels Schatzalp zeigt den Wasserstand im hoteleigenen Trinkwasser-Reservoir an.
38
et al. 2007). Diese Menge ist enorm. Sie
würde mehr als ein Drittel des von der
Gemeinde abgegebenen Trinkwassers
decken.
Die Wasserversorgung hat sich in den
vergangenen 150 Jahren beträchtlich
entwickelt. Bevor die öffentliche Hand
die Haushalte mit Trinkwasser versorgte, deckten private Quellen, Brunnen
und Bäder den Wasserbedarf und stillten das Verlangen nach Gesundheit
und Hygiene oder bildeten Orte der
Begegnung. Zahlreiche alte Einrichtungen erinnern an die damalige Nutzung des Wassers in Davos. Im Sertigtal
etwa befand sich ein «gutes säuerliches
laxierendes Salpeterwasser, welches von
mehreren Ärzten... probiert und nützlich gefunden wurde...» und «ein sehr
gutes, ziemlich wohl eingerichtetes Bad»
(Von VaLär 1806). Dieses Bad muss in
der Engi gelegen sein und wurde bei
der grossen «Wassergüssi» 1762 zerstört, welche besonders den Davoser
Unterschnitt verheerte (LaeLy 1984).
Am Rinerhorn sprudelte eine Schwefelquelle, welche – gefasst und ins Tal
geleitet – im «Spinabad» von Kurgästen aus nah und fern genutzt wurde.
Damals, in der Mitte des 19. Jahrhunderts, waren die Heilquellen in ganz
Graubünden bedeutend für den boomenden Fremdenverkehr. Viele dieser
Bäder existierten jedoch nicht lange,
auch weil festgestellt wurde, dass das
Wasser weder speziell mineralisiert
noch heilsam war (waLther 1978). Aus
dem damaligen Spinabad ist später ein
Sporthotel und schliesslich ein Gewerbebetrieb geworden (Abb. 2).
Forum für Wissen 2012
belasten die Abwasserreinigungsanlage (ARA). Dies geschieht vornehmlich bei intensivem Regen (Gemeinde Davos 2010; Abb. 3). Die Davoser
ARA ist ähnlich der Wasserversorgung
auf Spitzentage während der Hochsaison eingerichtet. Sie erreichen eine
Reinigungskapazität von 40 000 Einwohnergleichwerten – bei rund 12 800
Einwohnern. Ob erfolgreich gereinigt
wird, hängt wesentlich davon ab, wie
leistungsfähig die Mikroorganismen
der biologischen Reinigungsstufe sind.
Damit diese auf die Hochsaison hin die
rasch ansteigende Fracht bewältigen,
werden sie vorgängig vermehrt. Die
Reinigung der Abwässer erfordert eine
umfassende Infrastruktur, analog zur
Wasserversorgung. Für die Abwasserentsorgung investierte die Gemeinde
in den vergangenen 20 Jahren etwa 25
Millionen Franken (Gemeinde Davos
2011).
Abb. 2. Das ehemalige Kurhaus «Spinabad» und spätere Sporthotel hat seine touristische
Bedeutung und seinen Charme weitgehend verloren.
2 Abwasserentsorgung
mit leidvoller Geschichte
Das Schmutzwasser, welches im Siedlungsgebiet anfällt, wird über ein
umfangreiches Kanalsystem abgeführt
und geklärt, bevor es zurück in die Vorfluter geleitet wird. In Davos bewältigen die Kläranlagen einen Abwasseranfall von rund 6 Millionen m3 Wasser pro Jahr (Gemeinde Davos 2011).
Dies ist deutlich mehr als das konsumierte Trinkwasser. Regenwasser von
Dächern und Strassen und unverschmutztes Fremdwasser dringen in die
Kanalisation ein, vermischen sich mit
dem Schmutzwasser der Haushalte und
Abb. 3. Rund 400 000 m2 Boden- und Dachfläche sind versiegelt und leiten das abfliessende
Meteorwasser in die Abwasserkanäle (mdl. Auskunft der Gemeinde).
Forum für Wissen 2012
39
Die Geschichte der Abwasserentsorgung ist erstaunlich jung. Um 1880 –
die Anzahl Fremdenbetten hatte sich
in den Jahren zuvor mehr als verzehnfacht – wurde geklagt, dass die hiesigen
sanitären Verhältnisse unhaltbar seien. Dies drohte das Ansehen des Kurortes zu schädigen. Auch die Lösung
der Probleme kam aus Tourismuskreisen. Auf Initiative einiger Davoser Hoteliers wurde ein Entsorgungsgesetz formuliert und beschlossen und
eine einfache Kanalisation eingerichtet (FerdMann 1990). Die Zahl angeschlossener Seitenkanäle wuchs derart
rasant, dass sich bei heftigen Regenfällen das Abwasser in den Kellern der
anliegenden Häuser sammelte. Der
Hauptstrang der Kanalisation mündete
als «Cloaca maxima» unterhalb Davos
Platz ins Landwasser. Gemäss damaliger Schilderungen blieben bei Niedrigwasser «Kot und Geschwemmsel aller
Art» an den Blöcken im Landwasser
haften, sehr zum Verdruss der Wintersport-Touristen am damals schon stark
frequentierten Bolgen (LütsChg-LötsCher 1944). Die Davoser «Verschönerungskommission» bemühte sich um
eine akzeptable Lösung des Problems,
allerdings ohne unmittelbaren Erfolg.
Erst Jahrzehnte später, ab 1977, wurde schliesslich das Davoser Hauptsiedlungsgebiet einer richtigen Kläranlage
angeschlossen.
Abb. 4. Über den Winter wird der Wasserspiegel des Davoser See bis 28 m gesenkt.
3 Das Potential der Wasserkraft nutzen
Die Davoser Gewässer werden auch
gewerblich-industriell genutzt, wobei
primär Strom produziert wird. Die
Wasserkraftwerke des Davoser Elektrizitätswerkes (EWD) nutzen die potentielle Energie des Wassers und liefern
rund 22 Millionen kWh (Gemeinde
Davos 2011; Abb. 4). Damit lässt sich
ungefähr ein Sechstel des Davoser
Stromkonsums decken (SLF 2006). Die
Elektrizitätswerk Davos AG plant, ihre
Wasserkraftwerke auszubauen und
möchte dadurch die Eigenproduktion
verdreifachen ( Südostschweiz 2 012).
Die ersten Anlagen, welche in Davos
die Kraft des Wassers nutzten, wurden
wiederum durch Tourismus-Kreise aufgebaut. Das damalige Hotel Buol verstromte erstmals um 1880 Wasser des
Schiabachs und einige Jahre später
folgte das Hotel Rhätia mit dem Bau
der elektrischen Anlage am Landwasser. Mit dieser Anlage wurde während
des Tages eine Säge angetrieben und
in der Nacht das Hotel Rhätia sowie
einige Strassenabschnitte beleuchtet
(LütsChg-LötsCher 1944). Ab 1893
kümmerte sich die Elektrizitätswerke
Davos AG um die Stromversorgung im
Ort. Noch bevor die Stromproduktion entwickelt wurde, versorgten Mühlen das hiesige Gewerbe mit Energie.
Gebäude- oder Flurnamen rufen diese ehemaligen Einrichtungen der Wassernutzung in Erinnerung, und eine
Walsermühle aus dem 16. Jahrhundert
befindet sich direkt neben dem Heimatmuseum.
4 Wassergefahren im
Siedlungsgebiet
Die Gebirgsbäche könnten im dichten
Siedlungsgebiet von Davos erheblichen Schaden anrichten. Allein für den
Dorfbach, der in einem engen Kanal
durch die Häuser fliesst, wurde ein
möglicher Schaden von rund 10 Millionen Franken berechnet (Gemeinde
Davos 2011). Bis heute wurde und wird
in Davos viel getan, um den Hochwasserschutz bis zu einem 100-jährlichen
Ereignis zu gewährleisten. Bäche sind
teilweise bis in die alpine Stufe befestigt, Sohlen terrassiert, Läufe begradigt
sowie Geschiebesammler und Sperren
errichtet. Knapp 20 Millionen Franken
hat die Gemeinde in den vergangenen
40
Forum für Wissen 2012
20 Jahren investiert und der Bund und
der Kanton Graubünden haben Beiträge in ähnlicher Grössenordnung entrichtet (Gemeinde Davos 2011).
Ein Blick in die Geschichte zeigt,
dass nicht jede noch so wohlwollende
Unterstützung durch den Bund akzeptiert wurde, um damit Naturgefahren abzuwehren. Als um die Mitte der
1870er Jahre der eidgenössische Forstinspektor Coaz rund 10 000 Baumsetzlinge nach Davos bestellte, um unter
anderem die stark erodierenden Einhänge des Albertitobel zu sichern,
beeilte sich das damalige Gemeindehaupt gegen die Sendung Verwahrung
einzureichen – sehr zum Entsetzen des
Forstinspektors (LaeLy 1984; Abb. 5).
Weshalb in Davos diese Art der Hilfe
abgelehnt wurde, bleibt unklar.
Ler 2008). Der Rest verbleibt zwischenzeitlich in Schnee und Eis, Seen, Vegetation, Boden und dem Grundwasser.
Das Wasser fliesst in rund 30 grösseren
Bächen und Flüssen und über Grundwasserströme dem Siedlungsgebiet zu,
wo es genutzt, abgeführt und geklärt
wird. Haushalte und Industrie konsumieren ungefähr 0,7 Prozent des eingetragenen Wassers als Trinkwasser, während das Schneiwasser etwa 0,2 Prozent beträgt. Rund zwei Prozent wird
von der ARA gereinigt. Über die Flüsse Landwasser und Landquart fliesst
das Wasser schliesslich in den Rhein
und strömt der Nordsee zu (Abb. 6).
5 Die Wasserbilanz ist nicht
makellos
Davos verfügt über eine umfangreiche Infrastruktur, welche für sauberes Trinkwasser sorgt, Schmutzwasser
entsorgt und den Siedlungsraum vor
den Gefahren des Wassers schützt. Die
gesetzlichen Regelungen und die finanziellen Mittel von Bund und Kanton
haben zusammen mit den ursprünglich
privaten Initiativen wesentlich dazu
Davos bewirtschaftet dank seiner
Gebirgslage
ausschliesslich
Wasser, welches als Niederschlag auf das
Gemeindegebiet fällt. Rund 40 Prozent
des eingetragenen Wassers wird zurück
in die Atmosphäre verdunstet (Beut-
6 Fazit: Die hiesige
Wasserwirtschaft muss
nachhaltiger werden
Abb. 5. «Das äusserst grosse und schädliche Alberti-Tobel ausserhalb dem Platz, dessen
wüthender Bach fast bei jedem starken Regen fürchterlich anschwillt, und bei Mannsgedenken sehr viele der schönen Güter verheert hat.» (Von VaLär 1806). Im Bild: Oberlauf des
Albertibach.
beigetragen, dass die hiesige Wasserwirtschaft funktioniert. Grundlagen
bilden das Hochwasserschutzgesetz
(ab 1877), das Wasserrechtsgesetz (ab
1916) und schliesslich das Gewässerschutzgesetz (ab 1955). Die Davoser
Wasserwirtschaft offenbart dennoch
auch gewisse Mängel und hat Potenzial, um nachhaltiger zu werden. Zwar
ist der Verbrauch gemessen am eingebrachten Wasser gering, dennoch ist
er nicht angemessen. Auffällig ist etwa
der hohe Abwasseranfall, den die ARA
zu bewältigen hat, oder dass die Bergbahnen enorm viel Wasser verbrauchen, um damit Kunstschnee zu produzieren. Bedauerlich ist zudem, dass
alte Wassernutzungen aus der Landschaft und damit aus dem öffentlichen
Bewusstsein verschwinden. Augenfällig ist schliesslich, dass ursprüngliche
Wasserlandschaften eingeengt oder
verschwunden sind (Abb. 7a und 7b).
So sind zahlreiche Bäche und die Flüsse zu lieb- und leblosen Abflussrinnen
begradigt und der See offenbart während seiner Nutzung von November bis
Ende Mai einen wüsten Kraterrand.
Verschwunden ist zum Beispiel der
grosse Sumpf auf Palüda (lat. «paludosus» = sumpfig), der Schlittschuhweiher am Platz, der «Sand» bei den Mündungen des Flüela- und Sertigbaches,
die Auen am Landwasser oder das
Hochmoor am Südende des Sees (vergleiche sChiBLer 1937; Abb. 8). In der
Landschaft Davos böten sich zahlreiche Möglichkeiten, die Gewässer und
ihre Nutzung nicht nur nachhaltiger
sondern auch touristisch attraktiver zu
gestalten.
Einige dieser Mängel stehen aktuellen ordnungspolitischen Forderungen
gegenüber. Beispielsweise verlangt der
generelle Entwässerungsplan, dass Abund Fremdwasser besser getrennt werden. Das revidierte Gewässerschutzgesetz fordert, dass Gewässer wieder
mehr Raum erhalten, damit sie als
natürliche Lebensräume dazu beitragen, die Biodiversität zu erhalten. Wasser ist mithin unser wichtigster Rohstoff, den wir auch jenseits gesetzlicher Forderungen nach ethischen und
ästhetischen Grundsätzen nutzen sollten. Dem Wasser in Menge, Qualität,
Kultur und als natürliches Landschaftselement und Lebensraum Sorge zu tragen, böte nicht zuletzt auch interessante Möglichkeiten für den Tourismus.
Forum für Wissen 2012
Niederschlag 100 %
41
Verdunstung ∼40%
Schneiwasser Trinkwasser ∼0,7%
∼ 0,2%
Abwasser ∼2%
Abfluss ∼ 60%
Abb. 6. Einfache Wasserbilanz für die Gemeinde Davos. Angaben und Schätzungen aus:
BeutLer 2008 (Verdunstung); Gemeinde Davos 2011 (Niederschlag, Trinkwasser, Abwasser); teiCh et al. 2007 (Schneiwasser). Zwischenlager wie Gletscher, Seen oder Grundwasser
sowie Import von Wasser über Nahrungsmittel und andere Produkte sind nicht berücksichtigt.
Abb. 7. Das Landwasser nahm vor 140 Jahren den ganzen Raum zwischen Talstrasse und Mattastrasse ein. a) Siegfriedkarte
(etwa 1870); b) Bild moderne Landeskarte.
Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA12068).
7
Abb. 8. Der Igelkolben Sparganium angustifolium wächst im Uferbereich von Teichen und
Seen. «Auf der nordöstlichen Seite des Davosersees liegt der einzige, jetzt durch die jährliche Seeabsenkung gefährdete Standort des Gebietes» (sChiBLer 1937). Mittlerweile ist dieses Vorkommen erloschen.
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Forum für Wissen 2012
Abstract
Water management in Davos – a short overview on its sustainability
In Davos, the dimensions of water supply and distribution are strongly influenced
by tourism, the most important economic sector of the high valley. Since the
beginning of tourism about 150 years ago, the local water management has
established an extensive infrastructure to permanently provide the community
with sufficient drinking water, protect buildings from water hazards and dispose
of waste water. The water management works faultlessly, but must become more
sustainable in economic, ecological and social terms. Some deficiencies such as
the enormous amount of unspoiled water in the sewerage or the lack of natural
waters may be counteracted with new legal regulations in the near future. In
addition, for ethical and esthetic reasons, consumers should preserve the precious
resource water, preserve natural waters as gorgeous landscape elements and
diverse biotopes and maintain their former use as a cultural good. Tourism would
not be the last to gain from it.
Keywords: water protection, infrastructure, culture history, sustainability, tourism,
water supply and distribution
Forum für Wissen 2012: 43–50
43
Herausforderungen und Ziele für die Schweizer Wasserwirtschaft der Zukunft
Hugo Aschwanden
Bundesamt für Umwelt (BAFU), Sektion Gewässerbewirtschaftung, CH-3003 Bern
[email protected]
Die grossen Wasserreserven bleiben der Schweiz auch in Zukunft erhalten, hingegen kann sich deren saisonale und räumliche Verteilung markant ändern. Dies
erfordert eine Wasserwirtschaft, welche die Fragestellungen Sektoren übergreifend und in grösseren räumlichen Bezugseinheiten – vorzugsweise im Einzugsgebiet – angeht. Die Anpassungsstrategie des Bundesrates an den Klimawandel
identifiziert die Handlungsfelder und definiert die Ziele für die zukünftige Wasserwirtschaft Schweiz. Um diese zu erreichen, müssen die Wasserressourcen und die
dazugehörenden Infrastrukturen bewirtschaftet werden. Diese Bewirtschaftung
orientiert sich an langfristigen Zielen und erfolgt in einem kontinuierlichen Zyklus von Planungs-, Umsetzungs- und Überwachungsprozessen. Partizipation und
transparente Abwägungsmechanismen gewinnen an Bedeutung.
1 Wasserressourcen
Die Schweiz verfügt über grosse Wasserressourcen: Gletscher rund 58 000
Mio. m3, natürliche Seen 130 000 Mio.
m3, Grundwasser etwa 150 000 Mio. m3
(davon etwa 10 % jährlich erneuerbar),
Stauseen 4000 Mio. m3; die Schneereserven im Frühjahr belaufen sich im
Durchschnitt auf etwa 5000 Mio. m3.
Obwohl die Schweiz nur 0,4 Prozent
der Fläche Europas einnimmt, sind
dies rund fünf Prozent der Wasservorräte Europas. Auf dem Territorium der
Schweiz lagern nicht nur ausserordentlich grosse Reserven von Wasser, diese
werden auch immer wieder durch riesige Mengen von Niederschlag erneuert
(rund 60 000 Mio. m3 pro Jahr). Nach
Abzug der Verdunstung stehen den
acht Millionen Einwohnern im Inland
heute pro Kopf und Jahr rund 5100 m3
erneuerbares Wasser zur Verfügung,
etwa dreimal so viel wie im weltweiten Durchschnitt (sChädLer 2012). Die
Schweiz und insbesondere die Alpen
spielen für die Wasserversorgung der
benachbarten und tiefer liegenden
Regionen eine zentrale Rolle. So trägt
der Rhein bei Basel mit nur 15 Prozent
der Fläche im Mittel 34 Prozent zum
Gesamtabfluss des Rheingebietes bei.
Bei der Rhone macht der Wasseranteil
aus den Schweizer Alpen 41 Prozent
aus, beim Po 53 Prozent.
Die Abfluss-Durchschnittswerte unterliegen
saisonalen
Schwankungen.
Diese sind besonders ausgeprägt im
Alpenraum, wo in den Wintermonaten
Dezember bis März in den Fliessgewässern eine ausgeprägte Niedrigwassersituation herrscht, da das Wasser in
der Schneedecke gespeichert ist und
erst verzögert während der Schneeund Gletscherschmelze zum Abfluss
gelangt. In Einzugsgebieten im Mittelland ausserhalb der grossen Flusstäler
ist der Abfluss weitgehend vom Niederschlag geprägt. Die jährlichen Abflussschwankungen sind meist bedeutender
als die saisonalen. Im langfristigen Mittel zeigt sich eine Tendenz zu SommerNiedrigabflusswerten (LHG 1992).
2 Wassernutzung
Im Vergleich zu den vorhandenen Wasserressourcen sind sowohl der heutige
wie auch der zukünftig erwartete Wasserbedarf in der Schweiz bescheiden.
Insgesamt werden (ohne die nicht-konsumtive Nutzung durch die Wasserkraftwerke und die Durchflusskühlung
der Kernkraftwerke) heute etwa total
2220 Mio. m3 Wasser für Haushalt (490
Mio. m3), Landwirtschaft (411 Mio. m3),
Gewerbe und Industrie (1123 Mio. m3)
und öffentliche Zwecke (84 Mio. m3)
verbraucht (FreiBurghaus 2009). Dies
entspricht weniger als fünf Prozent
des Niederschlages. Vom angegebenen Total des jährlichen Wasserbedarfes stammen 981 Mio. m3, d. h. etwas
weniger als die Hälfte, aus der öffentlichen Wasserversorgung. Die Zahlen
stellen zeitlich und räumlich aggregierte Werte dar und verbergen, wie der
Vergleich zwischen der lokalen Verfügbarkeit und dem Bedarf innerhalb des
Jahresverlaufes aussieht. Zudem ignorieren diese Angaben, dass bei diversen Nutzungsformen das Wasser nicht
«verbraucht» wird (nicht-konsumtive
Nutzung), sondern lediglich gebraucht
wird und somit für weitere Interessen
im Einzugsgebiet verfügbar bleibt.
Der Trinkwasserverbrauch in der
Schweiz ist rückläufig. 1981 verbrauchte die ansässige Bevölkerung noch
über 500 Liter Trinkwasser pro Kopf
und Tag (einschliesslich Industrie und
Gewerbe). Seither sank der Wasserverbrauch auf 325 Liter pro Kopf und Tag
(SVGW 2011). Geschlossene Kreisläufe, neue Produktionsverfahren und
Strukturänderungen bei Industrie und
Gewerbe, wassersparende Haushaltgeräte und die Eindämmung der Wasserverluste aus dem Verteilnetz haben zu
diesem Rückgang beigetragen.
3 Zuständigkeiten und
Regelungen
Die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18.
April 1999 (BV, SR 101) legt mit Art.
76 die Aufgabenverteilung zwischen
Bund und Kantonen bezüglich Wasserwirtschaft fest. Der Bund sorgt gemäss
Art. 76 BV im Rahmen seiner Zuständigkeiten für die haushälterische Nutzung und den Schutz der Wasservorkommen sowie für die Abwehr schädigender Einwirkungen des Wassers.
44
Er legt Grundsätze fest über die Erhaltung und die Erschliessung der Wasservorkommen, über die Nutzung der
Gewässer zur Energieerzeugung und
für Kühlzwecke und über andere Eingriffe in den Wasserkreislauf. Art. 76
BV gibt dem Bund auch die Kompetenz zum Erlass von detaillierten Vorschriften über den Gewässerschutz, die
Sicherung angemessener Restwassermengen, den Wasserbau, die Sicherheit
der Stauanlagen und die Beeinflussung
der Niederschläge. Gestützt auf diese
Kompetenzen hat der Bund
– das Gewässerschutzgesetz vom 24.
Januar 1991 (GSchG, SR 814.20),
– das Wasserrechtsgesetz vom 22.
Dezember 1916 (WRG, SR 721.80)
– und das Bundesgesetz vom 21. Juni
1991 über den Wasserbau (WBG,
SR 721.100)
mit den entsprechenden Verordnungen erlassen. Die Bundesverfassung
gibt dem Bund in weiteren Bereichen,
die für die Wasserwirtschaft relevant
sind, die Kompetenz, die Detailgesetzgebung zu regeln. Relevant sind hier
insbesondere die Bereiche der Landesversorgung (Art. 102 BV), der Landwirtschaft (Art. 104 BV), der Förderung erneuerbarer Energien (Art. 89
BV), der Schifffahrt (Art. 87 BV) und
der Lebensmittel (Art. 118 BV).
Die Kantone verfügen über die Wasservorkommen. Im Rahmen dieser
Zuständigkeit können sie insbesondere
Wasserrechte verteilen und die Wassernutzung regeln. Der Vollzug der Bundesvorschriften liegt weitgehend bei
den Kantonen, wobei der Bund in der
Regel die Aufsicht ausübt. Die Kantone können ihre wasserwirtschaftlichen
Aufgaben und die Verfügungshoheit
weiter delegieren. Entsprechend vielfältig sind auch die kantonalen Bestimmungen.
4 Klimawandel und
erwartete Folgen
Das die zuständigen Departemente
und Bundesämter Beratende Organ
für Fragen der Klimaänderung (OcCC)
und das Center for Climate Systems
Modelling (C2SM) gehen in den Szenarien zur Klimaänderung in der
Schweiz CH2011 davon aus, dass sie
auch in Zukunft über ein vergleichs-
Forum für Wissen 2012
weise hohes Wasserdargebot verfügen wird (OcCC und Proclim 2007;
C2SM et al. 2011). Im Sommer und
Herbst wird dieses allerdings, regional differenziert, abnehmen. Vertiefter untersucht und erstmals quantifiziert wurden die Auswirkungen des
Klimawandels auf den Wasserhaushalt der Schweiz bis 2100 im Rahmen
des Projektes CCHydro «Auswirkungen der Klimaänderung auf die Wasserressourcen und die Gewässer der
Schweiz» (BAFU 2012a). Demnach
werden sich als Folge der steigenden
Schneefallgrenze parallel zur Zunahme der Lufttemperatur die in den
Alpen gespeicherten Schnee- und Eismassen stark vermindern. Zusammen
mit einer saisonalen Umverteilung des
Niederschlags (trockener im Sommer,
feuchter im Winter) wird dies eine jahreszeitliche Umverteilung der Abflüsse
hervorrufen. So werden zum Beispiel
die Niedrigwasser in Mittellandgebieten im Sommer deutlich kleiner und
zeitlich ausgedehnter. Die Niedrigwasserabflüsse der Aare könnten im Spätsommer allmählich Werte annehmen,
welche tiefer sein werden als heutzutage im Winter.
Identifikation der Handlungsfelder
Für die Entwicklung einer Strategie
zur Anpassung an den Klimawandel
(BAFU 2012b) wurden für verschiedene Sektoren die wichtigsten Handlungsfelder bestimmt und Strategien
entwickelt. Dazu wurden die vom Klimawandel betroffenen Bereiche auf
einer dreistufigen Skala (klein – mittel – gross) bezüglich der Dimensionen
«Einfluss des Klimawandels», «Relative Wichtigkeit der klimabedingten
Veränderung» und «Klimabedingter
Handlungsbedarf» qualitativ beurteilt.
Die Beurteilung erfolgte aus der Sicht
des jeweiligen Bereichs und basiert auf
Expertenwissen.
Im Rahmen der Teilstrategie Wasserwirtschaft wurden 30 relevante
Bereiche überprüft und 14 als Handlungsfelder der Anpassung identifiziert
(Abb. 1). Spezifisch den Alpenraum
betreffen die folgenden sieben Handlungsfelder mit grossem (W1–8) bzw.
mittlerem (W9–14) Handlungsbedarf
(Nummerierung gemäss BAFU 2012b):
– W1 Trinkwasser: Regional und
zeitlich beschränkte Engpässe im
Wasserdargebot können die Trinkwasserversorgung beeinträchtigen.
Betroffen sind vor allem nicht vernetzte, private Versorgungen.
– W2 Speicherseen: Neue Herausforderungen (höheres Geschiebepotenzial, Eintrag von Schwebstoffen)
und Ansprüche (Hochwasserrückhalt, Bewässerungswasser) verlangen eine ganzheitliche Bewirtschaftung von Speicherseen.
– W4 Bewässerung: Der Bewässerungsbedarf in der Landwirtschaft
nimmt zu. Zugleich müssen die ökologischen Anforderungen im Oberflächen- und Grundwasser eingehalten werden.
– W5 Restwasser: Bestehende Vorschriften (Konzessionen) und
Berechnungsgrundlagen (Q347) für
Restwassermengen müssen wegen
dem veränderten Abflussregime
möglicherweise überprüft werden.
– W7 Seeregulierung: Die Seeregulierung dient dem Hochwasserschutz,
den touristischen Interessen und
dem flussabwärts ausgeglichenen
Abfluss. Abflussregimeänderungen
führen zu veränderten Ansprüchen,
was eine Überprüfung bestehender
Reglementes notwendig machen
kann.
– W8 Internationale Ansprüche: Die
wichtigsten internationalen Gewässer der Schweiz sind auch von den
Interessen der Nachbarländer
betroffen.
– W9 Grundwassernutzung: Grundwasser und Quellen können qualitativ durch Infiltration von Oberflächenwasser von verminderter Qualität beeinträchtigt werden. Höhere
Wassertemperaturen verschärfen
das Problem.
Dazu kommen aus dem «Umgang mit
Naturgefahren» (Sektor N der Anpassungsstrategie) die Handlungsfelder
Hochwasser (N1) und Wildbachprozesse (N3). Aus wasserwirtschaftlicher
Sicht die wichtigsten Herausforderungen bei der Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz sind die zunehmende Sommertrockenheit, die steigende Schneefallgrenze, das steigende
Hochwasserrisiko und die Beeinträchtigung der Wasser-, Boden- und Luftqualität.
Übrige
Wärmeeinleitung
Gewässer
45
Beschneiung
Rheinschiff- Grundwasserfahrt
anreicherung
mittel
Restwasser
Kühlung
thermische
Laufkraft- Kraftwerke
werke
Neue Seen
im Gletscherbereich
Baden im
See/Fluss
Flächiger
Oberflächenabfluss
Speicherseen
Bewässerung
Kleinwasserkraftwerke
Löschwasser
klein
Einfluss des Klimawandels
gross
Forum für Wissen 2012
Bodenerosion
Freizeitfischerei
Berufsfischerei
Seen
Hochdruck
Kraftwerke
Schutz
von Feuchtgebieten
Kanalisation,
Trinkwasser
Strassenent- Grundwassernutzung
wässerung
Schutzwald
Seeregulierung
Auswaschung
Inter- von Stoffen
nationale
Ansprüche
Ökologie,
Artenvielfalt
(Flüsse,
Seen)
Schutzzone
Trinkwasser
Abwasserreinigung
Binnenschifffahrt
klein
mittel
gross
Relative Wichtigkeit der Veränderung
Handlungsbedarf
klein
mittel
gross
Abb. 1. Beurteilung der relevanten Bereiche der Wasserwirtschaft bezüglich Einfluss des
Klimawandels, relativer Wichtigkeit der Veränderungen und des durch den Klimawandel
bedingten Handlungsbedarfs.
5 Wasserwirtschaft 2025
Aus einem anderen Blickwinkel identifiziert die Studie Wasserwirtschaft 2025
(Ernst Basler+Partner 2007) die Herausforderungen der Zukunft und gibt
Anstösse zur Gestaltung der zukünftigen Wasserwirtschaft in der Schweiz.
Sie geht von Megatrends der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung der Schweiz aus und sieht
vier Hauptstossrichtungen:
Verteilung der knapper werdenden
Wasserressourcen: Die prognostizierte, klimatisch bedingte Verknappung
und Verlagerung der Wassermengen
bei gleichzeitigem Mehrbedarf für
Bewässerung und Energieproduktion
sowie der notwendigen Sicherstellung
der Grundbedürfnisse für Mensch und
Lebensraum führt zu verstärkten Verteilproblemen der Ressource. Die Herausforderung besteht in der Einführung von neuen, effizienten Verteilmechanismen.
Steuermitteln) dürften kleinere und
mittlere Betreiber von Wasserversorgungen und Abwasserentsorgungen
zunehmend an Grenzen stossen. Die
Ver- und Entsorgung ist insbesondere
in peripheren Gebieten durch Zusammenschlüsse und dem politischen
Umfeld entsprechende Betreibermodelle zu professionalisieren.
Flexibilisierung Wasserkraftnutzung:
Der Zielkonflikt zwischen Ausbau der
Wasserkraftnutzung als erneuerbare,
klimaneutrale Energiequelle und dem
Gewässerschutz wird durch die Auswirkungen der Klimaveränderungen
(Abflussregime, erhöhte Verletzlichkeit der Gewässerökosysteme) und
durch die Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes (Erhöhung wirtschaftlicher Druck) verschärft. Durch die
Förderung von Kleinwasserkraftwerken steigt zudem die Zahl betroffener
Gewässerstrecken mit oftmals besonders schwierigen Restwasserfragen. In
diesem Spannungsfeld gilt es tragbare
Lösungen zu finden, die eine fallweise
Flexibilisierung ermöglichen.
6 Folgerungen
Folgerung 1: Das Wasserschloss
Schweiz bleibt erhalten.
Nachhaltigeres Management von Hochwasser und Gewässerraum: Einerseits
aufgrund des Klimawandels und andererseits durch den nutzungsbedingten
Zuwachs an Sachwerten und Schadenpotential entlang der Gewässer ist eine
Zunahme von Hochwasserereignissen mit grossen Schäden zu erwarten.
Die Herausforderung besteht in der
Reduktion des Schadenpotentials bei
gleichzeitiger Gewährleistung der zentralen Bedeutung des Gewässerlebensraumes hinsichtlich Artenvielfalt und
Landschaft. Im Vordergrund stehen die
mit den Gefahrenkarten bereits lancierte raumplanerische Freihaltung der
Gefahrenzonen sowie das Setzen von
Anreizen zur Erhöhung der Eigenverantwortung beim Hochwasserschutz.
Professionalisierung der kleinräumigen Siedlungswasserwirtschaft: Angesichts des steigenden Bedarfs an fachlichem Know-how (neue Schadstoffe)
und Finanzmittel (hoher Erneuerungsbedarf bei gleichzeitig wegfallenden
Gesamthaft wird in Zukunft nur unbedeutend weniger Wasser zur Verfügung
stehen. Zurzeit profitiert die Wasserkraft-Energieproduktion sogar von
den steigenden Temperaturen und den
damit verbundenen hohen Gletschereis-Schmelzraten. Trotz saisonalen Verschiebungen der Abflüsse bleibt die
Prognose für die Wasserkraft auch für
die 2. Hälfte des Jahrhunderts günstig.
Die Laufkraftwerke werden im Winter zur Zeit des höchsten Energiebedarfs dank höherer Abflüsse eine bessere Auslastung erzielen (Schweiz.
Gesellschaft für Hydrologie, Limnologie SGHL und Hydrologische Kommission Chy 2011). Die Entwicklung
der Trockenzeiten wird aufmerksam zu
verfolgen sein. Wo jetzt schon temporär und lokal/regional Wasserknappheitssituationen auftreten, werden sich
diese noch verstärken. Im Alpenraum
könnten sich sogar mit dem Wegfall
der Gletscherbedeckung und sommer-
46
lichen Niedrigwasserperioden neue
Risikogebiete ergeben. Hier stehen
allerdings mit den alpinen WasserkraftSpeichern und den Alpenrandseen
grosse Wasserressourcen zur Verfügung, deren Potenzial für eine Mehrfachnutzung samt den technischen,
ökologischen
und
ökonomischen
Aspekten noch abzuklären ist.
Trockenheit und Wasserknappheit
sind auch in der EU mehr und mehr
zu einem Thema geworden. Wirksame
Strategien zur Bekämpfung des Dürrerisikos sind ein vordringliches Ziel
der EU. Diesbezüglich wurden von
der EU-Umwelt-Kommission sieben
Politikbereiche (z. B. zusätzliche Wasser-Infrastrukturen, verbessertes Trockenheits-Risikomanagement, Wasser
sparende Technologien, Wasserpreisgestaltung) herausgearbeitet und eine
Reihe von Optionen auf europäischer,
nationaler und regionaler Ebene aufgezeigt, um Europa auf eine wassereffiziente Wirtschaft hinzuführen. Schweizerische Wasser-Ressourcen-Politik hat
immer auch eine europäische Dimension. Die Schweiz wird sich mit den
Ansprüchen der europäischen Unterlieger auseinandersetzen müssen.
Folgerung 2: Die Wasserressourcen
müssen bewirtschaftet werden.
Bis anhin stand in der Schweiz für alle
Nutzergruppen genügend Wasser zur
Verfügung, es bestand kaum Bedarf,
die Gewässer und Wasserressourcen
zu bewirtschaften. Dies könnte in der
Zukunft ändern und der Übergang zu
einer angebotsgesteuerten Wasserwirtschaft muss ins Auge gefasst werden.
Dies bedeutet primär, dass die Kantone und Gemeinden, welche über die
Wasservorkommen verfügen, ihre Ressourcen und deren Nutzung detailliert
kennen müssen und auf dieser Basis
langfristige Planungen erstellen. Was
Bewirtschaftung bedeutet, hat die Wasser-Agenda 21 (2011) in einem Leitbild
umschrieben. Die Vision einer nachhaltigen Wasserwirtschaft leitet sich
aus dem Verfassungsauftrag (Bundesverfassung Art. 761 und 73) und den
Grundanliegen der Wasserwirtschaft
ab. Die Bewirtschaftung des Wassers ist
dabei als fortlaufender zyklischer Prozess zu verstehen (Abb. 2). Langfristige Entwicklungskonzepte dienen als
Forum für Wissen 2012
Abb. 2. Zyklischer Prozess des Einzugsgebietsmanagements (aus Wasser-Agenda 21 2011).
Grundlage für die Umsetzung. Die Prioritäten werden aufgrund von ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen
Kriterien festgelegt. Ein abgestimmtes
Monitoring ist für die Erfolgskontrolle
und weitere Planung unerlässlich.
Folgerung 3: Räumliche und sektorale Integration ist unumgänglich.
Moderne Wasserwirtschaft orientiert
sich an den Grenzen, welche das Wasser vorgibt. Das Einzugsgebiet ist der
Bezugsraum, in dem sich die Wechselwirkungen abspielen. Dieser funktional definierte Raum geht über die politisch-administrativen Grenzen hinaus.
Die Gemeinde als Bezugseinheit stösst
für zukunftsgerichtete wasserwirtschaftliche Lösungen an ihre Grenzen.
Das Einzugsgebiet ist besser geeignet,
um die wechselseitigen Auswirkungen zu erfassen, kumulative Effekte zu
berücksichtigen und Strategien, Ziele
und Massnahmen aufeinander abzustimmen.
Gewässer (Flüsse, Bäche, Seen,
Grundwasser) stehen im Spannungsfeld von Schutz- und Nutzungsinteressen. Die verschiedensten Interessen-
und Anspruchsgruppen streben an:
– das Wasser und die Gewässer vor
Beeinträchtigungen für Tiere, Pflanzen, Ökosysteme, Landschaften
und letztlich auch die menschliche
Gesundheit zu schützen,
– den Schutz vor den Gefahren des
Wassers, insbesondere des Hochwassers, sicherzustellen,
– das Wasser und die Gewässer für
unterschiedliche Zwecke zu nutzen,
namentlich als Trink-, Brauch- und
Löschwasser, für die Nahrungsmittelproduktion, für die Energiegewinnung, für die Kühlung, für die
Schifffahrt sowie im Tourismus für
Erholung und Beschneiung.
Diese Ansprüche können zu Interessenkonflikten führen, sei es zwischen
Schutz und Nutzung oder zwischen
verschiedenen Nutzungen. Grundsätzlich lassen sich diese Konflikte nicht auf einfache Art lösen, aber
durch geeignete Verfahren (transparente und partizipative Interessensabwägung, strategische Planung, räumliche Schwerpunktbildung) mindern
und bei einer regionalen Betrachtung
in Einzugsgebieten ausgleichen. Das
Einzugsgebietsmanagement nach dem
Forum für Wissen 2012
Leitbild der Wasser-Agenda 21 (2011)
dient der Abstimmung der verschiedenen Interessen und Ansprüche an
Gewässer und Wasservorkommen. Im
Idealfall können die Schnittstellen zu
anderen Politikbereichen wie Energie,
Land- und Forstwirtschaft, Natur- und
Landschaftsschutz und Raumentwicklung mitberücksichtigt werden. Dieser
Abstimmung in transparenten Verfahren kommt eine wichtige Bedeutung
zu, da die schweizerische Wassergesetzgebung ausser dem Primat der Trinkwasserversorgung für den menschlichen Bedarf und die Hygiene keine
Nutzung favorisiert, sondern alle Nutzungsformen im Sinne des Nachhaltigkeitsartikels der Bundesverfassung als
gleichwertig betrachtet.
Folgerung 4: Die institutionellen
Voraussetzungen der Wasserwirtschaft können optimiert werden.
Das BAFU sieht im Einzugsgebietsmanagement (IEM) ein grosses Potenzial
für die Wasserwirtschaft. Es stellt sich
allerdings die Frage, ob die heutigen
institutionell-organisatorischen Strukturen für eine erfolgreiche Anwendung des IEM geeignet sind. Gemäss
einer Treiberanalyse sind die Akteure
der Wasserwirtschaft der Ansicht, dass
das Ziel einer verstärkten Integration
auf rein freiwilliger Basis und mit den
heutigen Institutionen nicht effizient
zu erreichen ist. Gleichzeitig bestehen
klare Vorbehalte gegenüber einer dirigistischen oder zentralistischen Weiterentwicklung der Institutionen (zysset
et al. 2011). Angestrebt werden sollten
einheitlichere Lösungen bei gleichzeitig hohem Mass an Flexibilität, so dass
lokal angepasste Strategien möglich
bleiben. Unter dieser Prämisse wurden
drei verschiedene Strategievarianten
entwickelt, die alle das Potenzial haben,
den Herausforderungen zu begegnen
und neue Bewirtschaftungsformen
einzuführen. Welche der Varianten als
zielführend angesehen wird, müsste ein
partizipativer Prozess mit allen Beteiligten aufzeigen. Die Studie im Auftrag
des BAFU lädt dazu ein, sich Gedanken zur zukünftigen Ausgestaltung der
Wasserwirtschaft zu machen.
47
Folgerung 5: Monitoring und Früherkennung sind als Basis für wasserwirtschaftliche Entscheide und
für Forschung systematisch weiter
zu entwickeln.
Die heutigen Aussagen zur Entwicklung des Wasserkreislaufes und der
Wasserressourcen basieren auf den
Trends der letzten Jahre und auf möglichen Szenarien der zukünftigen Entwicklung des Klimas. Letztere sind mit
grossen Unsicherheiten behaftet, insbesondere was die Emissionsszenarien
anbelangt. Diese schliesslich bilden ab,
wie die Politik, Gesellschaft und Wirtschaft mit dem Klimawandel umgeht.
Das Projekt CCHydro (BAFU 2012a)
konnte nicht alle Fragen klären. Es
identifizierte jedoch die Forschungslücken, welche in nächster Zeit zu schliessen sind. Voraussetzung dazu bilden die
systematische Weiterführung, Weiterentwicklung und der Ausbau des Monitorings der hydrologischen Komponenten des Wasserkreislaufs sowie die
Schliessung der Datenlücken (Bodeneigenschaften allgemein, Bodenfeuchte, Verdunstung, Schneewasser-Reserven) und die periodische Nachführung
der Klimaszenarien. Diese bilden die
Grundlage für die Modellierung der
hydrologischen Prozesse und die Überprüfung der Modellresultate. Aus wasserwirtschaftlicher Sicht ebenso relevant ist das Monitoring der Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft.
Beides bildet die Grundlage für wasserwirtschaftliche Entscheide, welche
in vielen Fällen kostenintensive Investitionen in technische Anlagen und Infrastrukturen bedeuten.
7 Aktuelle Entwicklungen
Die schweizerische Wasser- und
Gewässerpolitik ist nicht statisch; sie
entwickelt sich laufend weiter. Die auf
den 1.1.2011 in Kraft getretene Revision des Gewässerschutz-Gesetzes
mit der Sicherung des Gewässerraumes und der Stärkung der Renaturierung oder die geplante Elimination von
Mikroverunreinigungen aus den grösseren Kläranlagen sind Beispiele dazu.
Es gehört zu den Aufgaben der zuständigen Behörden, Entwicklungen zu
verfolgen und rechtzeitig Massnahmen
zu ergreifen. Dem Klimawandel wird
wie anderen Veränderungsprozessen
dabei die notwendige Aufmerksamkeit
geschenkt. Nachfolgend werden ohne
Anspruch auf Vollständigkeit einige
nationale Aktivitäten aufgelistet, welche das Ziel haben, die heutigen und
zukünftigen Herausforderungen der
Wasserwirtschaft anzugehen:
– Postulat Walter «Wasser und Landwirtschaft»: Das Postulat fordert
Handlungs- und Lösungsansätze
aus der Sicht aller Nutzungen einerseits für kurzfristige Ereignisse wie
z. B. einen lokalen, vorübergehenden Wassermangel, anderseits sollen die langfristigen Perspektiven
aufgezeigt werden, wie mit einer
generellen Wasserverknappung, z. B.
infolge Klimawandel, umzugehen
ist. Der Bericht des Bundesrates
beinhaltet strategische Lösungsansätze und formuliert Massnahmen
in sieben verschiedenen Handlungsfeldern (BAFU 2012c).
– Vollzugshilfe-Modul «Koordination
wasserwirtschaftlicher Vorhaben»:
Das Modul zu Art. 46 GSchV zeigt
auf, wie im Vollzug wasserwirtschaftliche Vorhaben aufeinander
abgestimmt werden können und
welche konkreten Anforderungen
an die jeweils zuständigen Vollzugsbehörden und verantwortlichen
Akteure wasserwirtschaftlicher Vorhaben daraus abzuleiten sind. Dort
wo erforderlich soll damit sichergestellt werden, dass den vorhandenen
Wechselwirkungen, Synergien, Konflikten und Abhängigkeiten dank
geeigneter Koordinationsformen
angemessen Rechnung getragen
wird (BAFU 2012d).
– Praxisleitfaden Integrale Bewirtschaftung des Wassers in der
Schweiz: In der Anleitung werden
die Grundsätze aus dem Leitbild
konkretisiert und Hilfestellung für
das methodische Vorgehen gegeben.
Die Konkretisierung besteht nicht
in einheitlichen Standardlösungen,
sondern erläutert Umsetzungsoptionen und zeigt diese mit Fallbeispielen auf. Wo verfügbar werden
auf bestehende Methoden, Instrumente und in der Praxis erprobte
Umsetzungsmodelle zurückgegriffen (BAFU 2012e).
48
– Empfehlung zur Erarbeitung kantonaler Schutz- und Nutzungsstrategien im Bereich Kleinwasserkraftwerke: Die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für Strom
aus erneuerbaren Energien hat in
der Schweiz zahlreiche Projekte für
Kleinwasserkraftwerke ausgelöst,
die aus der Sicht Stromproduktion,
Gewässerschutz und Landschaftsschutz geprüft werden müssen. Die
Vollzugshilfe soll die Kantone bei
dieser Aufgabe unterstützen. Sie
enthält ökologische, energetische
und wirtschaftliche Kriterien, die
bei der Abwägung zwischen Schutzund Nutzinteressen berücksichtigt
werden können (BAFU et al. 2012)
– Pilotprojekte Einzugsgebietsmanagement: Das BAFU fördert in
den kommenden Jahren entsprechende Projekte. Neben konkreten
Projekten in einzelnen Einzugsgebieten können auch Aktivitäten auf
kantonaler Ebene gefördert werden
(z. B. Erarbeitung von Wasserstrategien oder Grundlagenarbeiten
für die Anpassungen der kantonalen Wassergesetzgebung) soweit
ein wesentlicher Bestandteil dabei
in der Förderung des Ansatzes und
der Umsetzung der Grundsätze des
integralen Einzugsgebietsmanagements besteht. Davon Gebrauch
gemacht haben bisher die Kantone
FR, GE, JU, NE, SZ, VD sowie BE
(in Vorbereitung).
– Wasserversorgung 2025, Wasserentsorgung 2025: Mit zwei Projekten
aus der Siedlungswasserwirtschaft
schafft das BAFU die Grundlagen, um wichtige strategische Entscheide fällen und allenfalls Massnahmen einleiten zu können. Die
Themenfelder werden umfassend
aufgearbeitet, die relevanten Bereiche identifiziert und Lösungsoptionen aufgezeigt. Der Entwurf des
Berichts Wasserversorgung 2025
liegt vor, die Voranalyse wurde 2009
publiziert (BAFU 2009). Zur Wasserentsorgung liegen die Teilberichte der Voranalyse vor. Sie werden in
einer Synthese zusammengeführt,
welche die Grundlage bildet für die
Festlegung der weiteren Schritte.
Eine Publikation ist geplant.
– Die UNO hat das Jahr 2013 zum
«Internationalen Jahr der Zusammenarbeit im Wasserbereich»
Forum für Wissen 2012
erklärt. Das Themenjahr ist für das
BAFU Anlass, um die Akteure der
Schweizer Wasserwirtschaft für den
Sinn und die zunehmende Notwendigkeit zur Koordination zu sensibilisieren und ihre Bereitschaft für
Kooperationen zu fördern; vertikal
über die politisch-administrativen
Grenzen hinweg: (inter)-kommunal
– regional – (inter)-kantonal – national/grenzüberschreitend– international) und horizontal zwischen
den Sektoren und Interessen. Für
Kooperationsprojekte im Wasserbereich auf freiwilliger Basis nehmen
Gemeinden und Kantonen eine
zentrale Rolle ein. Verschiedene
Verbände wirken zudem als Multiplikatoren Bei diesen Akteuren
setzt das Konzept zum Internationalen Jahr der Wasserkooperationen den Hebel an. Auf sie werden
die Informations- und Sensibilisierungsmassnahmen schwergewichtig
ausgerichtet. Gleichzeitig soll ihnen
ein Werkzeug zur Verfügung gestellt
werden, das ihnen das Handeln vereinfacht.
– Das Nationale Forschungsprogramm «Nachhaltige Wassernutzung» (NFP 61) erarbeitet wissenschaftliche Grundlagen und Methoden für einen nachhaltigen Umgang
mit den Wasserressourcen, die unter
zunehmendem Druck stehen. Das
NFP 61 untersucht die von den klimatischen und gesellschaftlichen
Veränderungen hervorgerufenen
Auswirkungen auf diese Ressource und identifiziert die Risiken und
zukünftigen Konflikte, die mit ihrer
Nutzung verbunden sind. Es entwickelt Strategien für ein nachhaltiges
und integrales WasserressourcenManagement. Die wissenschaftlichen Arbeiten haben 2010 begonnen, das Programm endet mit der
Schlusssynthese 2014.
Die Kantone sind nicht weniger aktiv.
Sie engagieren sich – die Aufzählung
ist beispielhaft – in Gesetzgebungsprozessen mit dem Ziel einer harmonisierten Wassergesetzgebung (GE, FR, ZH,
…), in der Entwicklung von Strategien (BE, BL, …), in wegweisenden Projekten (NE, BE, SZ, …) oder schaffen
Grenzen überschreitende Kommissionen (Birs, Glatt, …).
8 Zielsetzung der Anpassung
an den Klimawandel
Aus der Sicht der Anpassung an den
Klimawandel ergeben sich für den
Alpenraum die folgenden Ziele für die
Wasserwirtschaft (BAFU 2012b):
– Die Sicherheit der grossen Stauanlagen ist gewährleistet.
– Wasserspeicherung und Wasserverteilung sind so ausgestaltet, dass die
Auswirkungen veränderter Abflussregimes ausgeglichen und die verschiedenen Bedürfnisse von Wirtschaft, Gesellschaft und Ökologie
(Festlegen von Prioritäten und Vorgehensweisen in Zeiten knappen
Wasserdargebots sowie Mehrzwecknutzung von bestehenden Speichern
und Seen) erfüllt werden.
– Für die Fliessgewässer ist ausreichend Raum für Revitalisierung,
Hochwasserschutz und Verbesserung der Ökologie sichergestellt, so
dass sie ihre natürlichen Funktionen
wahrnehmen können.
– Trinkwasserversorgung und Abwasserreinigung sind regional vernetzt
(Vermeidung von Knappheitssituationen; Vermeidung übermässiger
Belastung durch Einleitung in die
Fliessgewässer während Niedrigwasserzeiten oder bei Extremereignissen).
– Die gesetzlichen Grundlagen sind
überprüft und berücksichtigen –
wo notwendig – die sich ändernden
natürlichen Rahmenbedingungen
(Restwasser, Wärmeeinleitung, Wasserrückgaben, Seeregulierung usw.).
– Interessenskonflikte im grenzüberschreitenden Wassermanagement
werden dank verbesserter Zusammenarbeit frühzeitig erkannt und
gelöst.
Voraussetzung zur Erreichung dieser
Ziele ist es, dass ein ganzheitliches Verständnis der Wasserwirtschaft geschaffen wird: Die zukünftige Wasserwirtschaft befasst sich mit allen menschlichen Einflüssen auf die Ressource
Wasser und Gewässer sowie den zugehörigen Infrastrukturen. Sie umfasst
alle zielgerichteten Tätigkeiten, welche dem Gewässerschutz, der Gewässernutzung sowie dem Schutz vor dem
Wasser dienen (Abb. 3). Dann ist ein
Paradigmenwechsel von einem vorwiegend bedarfsorientierten zu einem
Forum für Wissen 2012
49
Trink- und Brauchwasser
Freizeit und
Erholung
Schifffahrt
Wasser
Nutzen
Fischerei
Wasserkraft
Bewässerung
Abwasserreinigung
Das Gewässer
und sein
Einzugsgebiet
Artenvielfalt
Grundwasserund Bodenschutz
Entwässerung
Schutz
vor dem
Wasser
Wasser
Schützen
Schutz der Auen
und Feuchtgebiete
Seeregulierung
Baulicher
Hochwasserschutz
Erhalt und Wiederherstellung naturnaher
Gewässer
Raumplanung
Gewässerunterhalt
Abb. 3. Gesamtbild der Integralen Wasserwirtschaft (aus BWG 2003).
mehr angebotsorientierten Wassermanagement erforderlich: statt Wasser
einfach zu nutzen, muss dieses zukünftig nachhaltig bewirtschaftet werden.
Und schliesslich ermöglichen neue institutionellen Voraussetzungen die Förderung einer integralen Gewässerbewirtschaftung.
Der Bundesrat verabschiedete am 2.
März 2012 den ersten Teil der Strategie
zur Anpassung an den Klimawandel.
Gleichzeitig erteilte er den Auftrag,
einen Aktionsplan zur Erreichung der
darin formulierten Ziele zu erarbeiten und ihm bis Ende 2013 zur Genehmigung zu unterbreiten. Es liegt nun
an den verantwortlichen Behörden
auf Stufe Bund und Kanton geeignete
Massnahmen zu definieren mit denen
die Vision einer integralen nachhaltigen Wasserbewirtschaftung erreicht
werden kann.
50
9 Literatur
BAFU, Bundesamt für Umwelt (Hrsg.),
2009: Wasserversorgung 2025. Sonderdruck 1511, gwa 2009.
BAFU, Bundesamt für Umwelt (Hrsg.),
2012a: Auswirkungen der Klimaänderung
auf Wasserressourcen und Gewässer.
Bern, BAFU. Umwelt-Wissen Nr. 1217.
76 S.
BAFU, Bundesamt für Umwelt (Hrsg.),
2012b: Anpassung an den Klimawandel
in der Schweiz – Erster Teil der Strategie
des Bundesrates vom 2. März 2012. Bern,
BAFU. 64 S.
BAFU, Bundesamt für Umwelt, 2012c:
Umgang mit lokaler Wasserknappheit
in der Schweiz. Bericht des Bundesrates
zum Postulat Walter «Wasser und Landwirtschaft. Zukünftige Herausforderungen». Bern, BAFU. In Vorbereitung.
BAFU, Bundesamt für Umwelt, 2012d:
Koordination wasserwirtschaftlicher Vorhaben. Ein Modul der Vollzugshilfe Renaturierung der Gewässer. Bern, BAFU.
Umwelt-Vollzug, Anhörungsversion. 31 S.
BAFU, Bundesamt für Umwelt, 2012e: Einzugsgebietsmanagement. Anleitung für
die Praxis zur integralen Bewirtschaftung
des Wassers in der Schweiz. Bern, BAFU.
Umwelt-Wissen, Nr. 1204-D.
Bundesamt für Umwelt BAFU; Bundesamt
für Energie BFE; Bundesamt für Raumentwicklung ARE, 2011: Empfehlung zur
Erarbeitung kantonaler Schutz- und Nutzungsstrategien im Bereich Kleinwasserkraftwerke. Bern, BAFU. Umwelt-Diverses, Nr. UD-1037-D. 28 S.
Bundesamt für Wasser und Geologie BWG
(Hrsg.), 2003: Eintauchen in die Wasserwirtschaft. Bern. 23 S.
Center for Climate Systems Modelling
C2SM; MeteoSchweiz; ETHZ; NCCR
Climate: OcCC, 2011: Swiss Climate
Change Scenarios CH2011. Zürich.
Ernst Basler+Partner, 2007: Wasserwirtschaft 2025 – Herausforderungen und
Handlungsmöglichkeiten. Im Auftrag von
BAFU und BaslerFonds. Zollikon. 82 S.
FreiBurghaus, M., 2009: Wasserbedarf der
Schweizer Wirtschaft. gwa 12/2009: 1001–
1008.
Landeshydrologie und -geologie LHG
(Hrsg.), 1992: Hydrologischer Atlas
der Schweiz. Tafel 5.2 – Abflussregimes
als Grundlage für die Abschätzung des
Abflusses. Bern.
Forum für Wissen 2012
OcCC; Proclim (Hrsg.), 2007: Klimaänderung und die Schweiz – Erwartete Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und
Wirtschaft. Bern.
sChädLer, B., 2012: Anpassung an den Klimawandel im Sektor Wasserwirtschaft.
Bern, Bundesamt für Umwelt BAFU.
Schweiz. Gesellschaft für Hydrologie, Limnologie SGHL; Hydrologische Kommission Chy (Hrsg.), 2011: Auswirkungen
der Klimaänderung auf die Wasserkraftnutzung – Synthesebericht. Beitr. Hydrol.
Schweiz 38: 28 S.
SVGW, 2011: Trinkwasserstatistik.
Wasser-Agenda 21 (Hrsg.), 2011: Einzugsgebietsmanagement. Leitbild für die integrale Bewirtschaftung des Wassers in der
Schweiz. Bern, 20 S.
zysset, a.; rieder, s.; asChwanden, h.,
2011: Integrale Wasserwirtschaft umsetzen – aber wie? Diskussion möglicher
Ansätze. Wasser energ. luft 103, 1: 53–56.
Abstracts
Challenges and Objectives of the Future Swiss Water Resources Management
Switzerland’s water resources remain large even under the conditions of a
changing climate. However, the latest scenarios up to 2100 and recent quantitative
estimations of the main water cycle components show a remarkable change in the
seasonal pattern: warmer temperatures in all seasons, wetter but less snowfall in
the winter season and drier in the summer season, which leads to significant glacial
melting or extended low flow conditions depending on the area. Therefore a water
resources management is needed which is capable of dealing with the regional
differences and of integrating both the various sectors and policies. The river basin
is considered the most promising spatial management unit. The climate change
adaptation strategy of the Swiss governement identifies the fields of action and
sets respective objectives. To reach these, water management must replace today’s
demand-driven water use. Management in this context is understood as a process
of watershed management based on long-term goals, proceeding in a continous
cycle of planning, implementation and monitoring. Stakeholder involvement gains
importance, along with transparent balancing of interests for decision making.
Keywords: climate change, adaption (to climate change), water resource management, river basin management, integration
Forum für Wissen 2012: 51–56
51
«Elmer hydro» – Systeme zur Beschneiung und Stromproduktion kombinieren
Samuel Hefti1 und Peter Gonsowski2
Technische Betriebe Glarus Süd, Farbstrasse 22, CH-8762 Schwanden
Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, Gründenstrasse 40, CH-4132 Muttenz
[email protected], [email protected]
1
2
Das Projekt «Elmer hydro» wurde in Zusammenarbeit des Instituts Bauingenieurwesen der FHNW mit dem Elektrizitätswerk Elm und der Sportbahnen Elm
AG entwickelt. Es wurde durch das Netzwerk Wasser im Berggebiet (NWB) mit
dem Swiss Mountain Water Award 2009 ausgezeichnet. Das Projekt sieht vor, das
natürlich zufliessende und speicherbare Wasser des oberhalb von Elm im Kanton
Glarus gelegenen Chüebodensees zur technischen Beschneiung und elektrischen
Energieerzeugung unter ökologischen sowie ökonomischen Aspekten mit der
gleichen technischen Infrastruktur nachhaltig zu nutzen. Der Projektansatz kann
auf andere Gebirgsregionen in der Schweiz und im Ausland übertragen werden,
wo die Nutzung des Lagepotentials von natürlichen Seen oder Speicherbecken in
Zeiten ohne Beschneiung zur Energieerzeugung möglich ist.
2 Projektidee – Herausforderung
Es ist geplant, das dem Chüebodensee natürlich zufliessende Wasser zu
fassen und mit geeigneten baulichen
Massnahmen sowohl für die künstliche Beschneiung als auch für die
Stromproduktion zu nutzen. Das Wasser muss für diese Mehrzwecknutzung
lediglich etwa 60 m aus dem See nach
1 Ausgangslage
Der durch die Klimaerwärmung
bedrohte Wintertourismus ist hinsichtlich Erhaltung beziehungsweise
Schaffung von Arbeitsplätzen für die
Berggemeinde Elm von existentieller Bedeutung, auch in Bezug auf die
Abwanderung von jungen Leuten. Deshalb müssen die Pisten zur Gewährleistung des Skibetriebes in schneearmen
Wintern künstlich beschneit werden.
Im Berggebiet um Elm gibt es neben
einer Vielzahl von Wasserkraftwerken
bereits ein Beschneiungssystem für
Skipisten. Die technische Beschneiung
des obersten Teils des Skigebiets (Region Pleus-Steinböden 1800 bis 2100 m
ü.M.) sowie weiterer Pisten auf der
Bischof-Alp wäre derzeit nur teilweise
mit Quellwasser möglich. Dazu müsste
Wasser rund 600 m nach oben gepumpt
werden, obwohl sich in unmittelbarer
Nähe zur Bergstation Steinböden auf
2046 m ü.M. der Chüebodensee befindet (Abb. 1). Das im See gespeicherte
Wasser wird heute nicht genutzt. Eine
umwelt- und kostenoptimierte Lösung
für neue Anlagen unter Nutzung des
Chüebodensee als Wasserspeicher und
weiterhin auch als Ausflugsziel ist deshalb anzustreben.
Abb. 1. Chüebodensee (2046 m ü.M.) mit Blick vom Bergkamm Steinböden.
52
Forum für Wissen 2012
oben in ein unterirdisches Ausgleichsbecken gepumpt werden. Danach steht
das Wasser für die Skisaison zur technischen Beschneiung bzw. in der restlichen Zeit zur elektrischen Energieerzeugung im gemeinsam genutzten Leitungssystem bereit. Wesentlich für das
Projekt ist, dass das Wasser nach dem
Turbinieren in der rund 250 m tiefer
liegenden neuen Zentrale Pleus direkt
in das bestehende Wasserkraftnetz
geleitet wird und somit den drei bestehenden Kraftwerksstufen Empächli,
Güetli und Elm-Dorf für die weitere
Stromproduktion zur Verfügung steht
(Abb. 2).
800 000 m3 Niederschlagswasser in den
Chüebodensee gelangen (Abb. 3). Das
heute natürlich aus dem Chüebodensee ausfliessende Wasser mündet weiter östlich in eine Doline, wo es unter
einer Nummulitenkalkschicht versickert. Etwa 170 m weiter östlich tritt
das Wasser wieder an die Oberfläche
und fliesst in einem kleinen runsenartigen Wildbach (kein Fischgewässer) talwärts auf Höhe 930 m ü.M. in
die Sernft. Das in dieser Doline versickernde Wasser soll nun zur Energieerzeugung und zur Beschneiung der Piste
Steinböden-Pleus genutzt werden.
3.2 Geologie des Chüebodensees
3 Naturwissenschaftliche
Grundlagen
3.1 Wasserdargebot
Auswertungen hydrologischer Daten
nach der Methode gemäss weingartner und asChwanden (2010)
zeigen, dass über das Einzugsgebiet
von 0,5 km2 jährlich im Mittel rund
Die geologischen Verhältnisse sind
nur im Bereich des Chüebodensees
genauer bekannt, da sie dort im Rahmen einer geologischen Untersuchung
durch das Büro für technische Geologie Dr. M. Kobel + Partner AG genauer erforscht wurden (Mohr 2007). Der
Chüebodensee wird von indirekten
unterirdischen Zuflüssen aus dem zerklüfteten Verrucanofels und unterirdischen Zuflüssen aus den Hangschutt-
halden gespeist. Der See liegt in einer
Mulde aus Flyschschiefer, welcher den
Seegrund nach unten abdichtet. Die
durchgeführten geologischen Untersuchungen zeigen, dass ein Höherstau
von 3 m möglich ist und dadurch das
nutzbare Seevolumen vergrössert werden kann.
4 Technische Infrastruktur
Um das Wasser aus dem Chüebodensee nutzbar zu machen, sind diverse Bauwerke notwendig. Diese werden nachfolgend erläutert. Die Standorte der geplanten Bauwerke sind in
Abbildung 2 ersichtlich (Brunner und
sChwyzer 2009).
4.1 Wasserfassung und Absperrbauwerk mit Pumpanlage
Das heutige Seevolumen hat bei
aktuellem Wasserstand keinen ausreichenden
Bewirtschaftungsraum
(Abb. 4). Ein solcher wird jedoch benötigt, sowohl als Wasservorrat für die
Einzugsgebiet
ca. 0,5 km2
Neues Absperrbauwerk mit Pumpe
1. Etappe
Neue
Schneeanlage
anlagen neu
Neues Reservoir Steinböden
300 m3
Neue Zentrale Äschen
900 kW
Neue Zentrale Pleus
130 kW
2. Etappe
Reservoir Pleus
900 m3
Zentrale Empächli
310 kW
Zentrale Güetli
205 kW
Zentrale Elm-Dorf
140 kW
Abb. 2. Übersicht des hydraulischen Systems der bestehenden Wasserkraftanlagen (rote Linie) und der geplanten Wasserkraft- und Schneeanlagen (grüne Linie und orange Kreise). Die blaue Linie umfasst das Einzugsgebiet des Chüebodensees.
Forum für Wissen 2012
53
Beschneiung als auch für die Niveausteuerung bei der Stromproduktion.
Die hierfür benötigte Vergrösserung
des Seevolumens kann mit einem ca.
30 m langen und maximal 3 m hohen
Damm im Bereich des Seeauslaufes
geschaffen werden. Der vorwiegend
mit örtlich vorhandenem Material zu
schüttende Damm lässt sich harmo-
nisch in das Landschaftsbild einfügen.
Mit dem so neugeschaffenen Speichervolumen ist eine optimale Bewirtschaftung des Sees hinsichtlich Beschneiung
und Stromproduktion möglich.
Die Wasserfassung ist am Ausfluss
des Sees geplant. Hier soll das Wasser
von Pumpen angesaugt werden, die
sich im Stützkörper des Dammes am
östlichen Rand des Chüebodensees
befinden. Die Gestaltung der Dammoberfläche mit Blocksatz mit standortspezifischem Gestein soll nicht nur
die Standsicherheit des Bauwerks
gewährleisten, sondern auch optisch
für eine möglichst unauffällige Eingliederung ins Landschaftsbild sorgen.
m3
1000000
800000
Summenkurve; niederschlagreiches Jahr
Summenkurve; niederschlagarmes Jahr
Summenkurve; Mittelwert
600000
400000
200000
0
Okt.
Nov.
Dez.
Jan.
Feb.
März
April
Mai
Juni
Juli
Aug.
Sept.
Abb. 3. Summenkurve des natürlichen Seezuflusses aus Niederschlag gemäss Niederschlags-Abfluss-Simulation mit Daten der Eidg. Forschungsanstalt WSL (SLF Messdaten© 2007).
Kote m ü.M.
2050
Maximalwasserstand 2049 m ü.M.
2049
Stauziel 2047.5 m ü.M.
2048
Speicherinhaltslinie
2047
aktueller Wasserstand 2046 m ü.M.
2046
2045
Minimalwasserstand 2044 m ü.M.
2044
2043
2042
2041
2040
2039
2038
Speicher-Bewirtschaftungsraum
50 000 m3
2037
2036
2035
2034
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
110
120
Stauvolumen in Tausend m3
Abb. 4. Speicherinhaltslinie des Chüebodensees nach topografischen Aufnahmen durch die FHNW Studienwoche 2005.
130
140
54
4.2 Reservoir Steinböden
Durch eine unterirdisch verlegte
Druckleitung soll das Wasser in ein
60 m höher gelegenes Reservoir im
Gebiet Steinböden gepumpt werden.
Das Reservoir mit einem Volumen von
etwa 300 m3 dient nicht als Speicher,
sondern lediglich dem Ausgleich zwischen Pump- und Turbinenbetrieb. Das
Bauwerk kommt im Bereich des Bergkamms Steinböden zu liegen und wird
komplett unterirdisch in den Berg eingebunden.
4.3 Technische Beschneiung
In der Nähe des geplanten Standorts für das Reservoir befindet sich
die Bergstation der Sesselbahn Pleus.
In schneearmen Wintern besteht das
Bedürfnis, die bestehende Skipiste zwischen Mitte November und Mitte Januar technisch zu beschneien. Die Druckleitung zur geplanten Zentrale Pleus
soll unterirdisch entlang dieser Skipiste geführt werden, um einen einfachen
Anschluss für die Beschneiungsanlagen zu ermöglichen. Zusammen mit
dem Bau des Kleinwasserkraftwerks
Pleus ergeben sich so Synergieeffekte durch die gemeinsame Nutzung der
Anlagen. Dadurch können der Energieaufwand und die Kosten für die
Beschneiung minimiert werden.
4.4 Zentrale Pleus
Für die Stromproduktion ist eine Zentrale in der Nähe des heute schon bestehenden unterirdischen Reservoirs
Pleus geplant. Die Fallhöhe zwischen
dem geplanten Reservoir Steinböden
und der neuen Zentrale Pleus beträgt
rund 250 m. In der neuen, unterirdisch
angelegten Zentrale Pleus wird eine
Peltonturbine mit einer Leistung von
etwa 130 kW installiert. Das dort turbinierte Wasser fliesst anschliessend zum
bestehenden Reservoir Pleus, von wo
es in die Anlagen der Kraftwerksstufen
Empächli, Güetli und Elm-Dorf weitergeleitet wird.
Forum für Wissen 2012
4.5 Bestehende Kraftwerksstufen
Empächli, Güetli und Elm-Dorf
Die bestehenden Kraftwerksstufen
Empächli, Güetli und Elm-Dorf sind
in den Sommermonaten bereits heute regelmässig zu 100 Prozent, in der
Übergangszeit und den Wintermonaten allerdings nur teilweise ausgelastet.
Durch die Nutzung des Chüebodensees und der damit verbundene Bau
des Kleinwasserkraftwerks Pleus, kann
die Auslastung dieser drei Kraftwerksstufen optimiert und die Stromproduktion entscheidend erhöht werden.
Ausserdem besteht die Möglichkeit mit
dem neuen Speichervolumen einige
Stunden Spitzenenergie zu produzieren. Das bestehende System hat keine
Speichermöglichkeit und Wasser kann
nur zum Zeitpunkt des Zufliessens wie
bei einem Flusskraftwerk verarbeitet
werden.
5 Umweltaspekte
Das Projektgebiet liegt nicht in der
Zone des Bundesinventars der Landschaften und Naturdenkmäler von
nationaler Bedeutung (BLN). Eine
Realisierung des Projekts ist deshalb
grundsätzlich möglich. Hinsichtlich
kantonaler Richtlinien des Umweltund Landschaftsschutzes wird mit
grösster Sorgfalt projektiert. Beeinträchtigungen des alpinen Ökosystems werden aus Sicht der Planer mit
modernen Baumethoden gering gehalten. Emissionen während des Baus und
Betriebs sind im Vergleich zum Nutzen
sehr klein. Alle Bauwerke sind unterirdisch angeordnet und nach der Fertigstellung unsichtbar. Der Lebensraum von Wild und Vögeln wird nicht
gestört.
Da der Abfluss aus dem Chüebodensee in einer Doline versickert, hat
er keinen Einfluss auf die Moore und
auf die Vegetation der oberen Chüebodenalp. Indikator dafür sind genügend
Quellaustritte im Zwischeneinzugsgebiet der Alp (Mohr 2007). Die Lage
des Seespiegels ist in der Zeit von Juli
bis Oktober im oberen Bereich. Bei tieferen Lagen des Spiegels verbleibt im
See ein definiertes Restwasservolumen
für eingesetzte Fische. Der unterhalb
des Sees entstehende Chüebodenbach
ist gemäss den kantonalen Fangstatistiken kein Fischgewässer.
Eine Umweltverträglichkeitsprüfung
der neuen Anlagen ist nicht erforderlich, da die maximal mögliche Leistung
kleiner 3 MW ist und die Beschneiungsfläche unter der Grösse von 5 ha
liegt. Mit der Steigerung der Stromproduktion um 1,05 Mio. kWh/a lassen sich rund 300 Haushalte/a versorgen. Aus der Ökobilanz ergibt sich
damit eine Ersparnis von 105 000 Liter
Heizöl/a und eine Reduktion des Ausstosses von 277,2 Tonnen CO2.
6 Synergieeffekte
Durch die Realisierung des Projektes
«Elmer hydro» könnte das Speicherpotential des Chüebodensees umweltverträglich mit relativ wenig baulichem
Aufwand in der Etappe 1 zur Beschneiung und zur Stromproduktion genutzt
werden. Die bauliche Infrastruktur für
Beschneiung und Stromproduktion
wird dabei kombiniert. In Abbildung 5
ist das hydraulische System der technischen Infrastruktur für die Wasserversorgung, Schneeanlagen und Kraftwerke von Elm dargestellt. Die in Grün
und Orange skizzierten Anlagenteile
umfassen das Projekt «Elmer hydro»
mit den Etappen 1 und 2. Die Etappe 2 wird im nächsten Abschnitt kurz
beschrieben.
6.1 Energieproduktion
Berechnungen zeigen, dass durch den
Bau eines Kleinwasserkraftwerks auf
der Ebene Pleus eine jährliche Energieproduktion von 0,45 Mio. kWh
realisiert werden kann. Mit der Inbetriebnahme des neuen Kleinwasserkraftwerks stünde zusätzliches Wasser
zur Optimierung des Auslastungsgrades der bestehenden unteren Zentralen Empächli, Güetli und Elm-Dorf
zur Verfügung. Dadurch wäre eine
jährliche Mehrproduktion elektrischer Energie von 0,60 Mio. kWh möglich. Mit der vorgestellten Projektidee
(Etappe 1) kann somit die Stromproduktion um 1,05 Mio. kWh/a erhöht
werden.
Mit dem Ausbau der Anlagen in
Etappe 2 können durch Zusammen-
Forum für Wissen 2012
Abb. 5. Systemübersicht der Wasserversorgung, der Schneeanlagen und der Kraftwerke (heFti 2009).
55
56
legung der bestehenden zwei unteren
Kraftwerksstufen Güetli und ElmDorf zu einer Stufe nochmals 0,75 Mio.
kWh/a zusätzlich produziert werden.
Heute liegt die gesamte Produktion
bei 3,2 Mio. kWh/a bei einer Ausbauleistung von 655 kW und mit den Projekten der Etappen 1 und 2 sind künftig 5 Mio. kWh/a bei 1340 kW möglich,
was einer Steigerung der Stromproduktion um mehr als 50 Prozent entspricht.
6.2 Technische Beschneiung
Durch die Druckleitung SteinbödenPleus kann das Wasser des Chüebodensees zur technischen Beschneiung der
Skipiste Steinböden-Pleus genutzt werden. Durch die gemeinsame Nutzung
der Anlagen können den Sportbahnen
Elm AG jährlich 50 000 m3 Wasser zur
Versorgung ihrer Beschneiungsanlagen zur Verfügung gestellt werden. Die
benötigte Zeit für die Beschneiung der
Skipisten wird von 20 auf 10 Tage halbiert und die notwendige Pumpenergie
um 90 Prozent reduziert.
Forum für Wissen 2012
7 Ausblick
8 Literatur
Der Ansatz im Projekt «Elmer hydro»,
die Infrastruktur sowohl zur Beschneiung als auch zur Stromproduktion zu
nutzen, kann auf Gebirgsregionen in
der Schweiz und im Ausland übertragen werden, wo entsprechendes Lagepotential von natürlichen Seen oder
Speicherbecken vorhanden ist. Im
Rahmen des Projekts «Elmer hydro»
wurde in einer separaten Potenzialstudie ein Google-Maps unterstütztes
GIS-Modell entwickelt, um weitere
Standorte in der Schweiz zu identifizieren, welche sich für den Bau ähnlicher
Anlagen gemäss Etappe 1 eignen würden (gonsowski et al. 2011). «Elmer
hydro» ist ein durch das Netzwerk
Wasser im Berggebiet NWB geförderte
Gewinner-Projekt und wird Ende 2012
abgeschlossen. Auf Basis des vorliegenden Projekts könnte im kommenden
Jahr das Wasserechtsverfahren für eine
Neukonzession eingeleitet werden.
Bundesrätin Doris Leuthard würdigte
in ihrer Ansprache zur Preisverleihung,
dass im Projekt die Ressource Wasser
auf eine sanfte und nachhaltige Art für
verschieden Zwecke genutzt wird.
weingartner, r.; asChwanden, h., 2010:
Hydrologischer Atlas der Schweiz.
Abflussregimes als Grundlage zur
Abschätzung von Mittelwerten des
Abflusses. Bern, Bundesamt für Umwelt.
Mohr, h., 2007: Aufstau Chüebodensee,
Geologischere Bericht, Machbarkeitsstudie, Bericht 5188-1. Sargans, Büro für
technische Geologie Dr. M. Kobel + Partner AG.
Brunner, d.; sChwyzer, o., 2009: Projektierung eines Kleinwasserkraftwerks im
Berggebiet Steinböden-Pleus in Elm,
Kanton Glarus, Teil 1 Speicheranlage, Teil
2 Kraftwerksanlage, Bachelor-Thesis, Institut Bauingenieurwesen. Muttenz, Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW.
heFti, s., 2009: Hydraulisches System mit
Ausbau-Etappen, Gemeinde Elm und
Sportbahnen Elm AG, Kanton Glarus.
gonsowski, p.; inderMitte, M.; stark, h-J.;
BähLer, L., 2011: Kombinierte Nutzung
der Infrastruktur für Beschneiung und
Stromproduktion aus natürlichen Seen
oder Speicherbecken, Potenzialstudie.
Muttenz, Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW.
6.3 Wirtschaftlichkeit
Anhand des Programms zur kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV)
gemäss der Energieverordnung des
Bundes vom 14. März 2008, lässt sich
die Rentabilität des Projektes abschätzen. Mit den Eingabewerten der Jahresproduktion von 1,05 Mio. kWh und
der Brutto-Fallhöhe von 265 m berechnet das Programm eine Vergütung von
rund 20,4 Rp/kWh und eine theoretischen Investition von 2,3 Mio. CHF für
eine entsprechende Referenzanlage.
Bei einem Gestehungspreis von 16,7
Rp/kWh und der Vergütung der Jahresproduktion von 20,4 Rp/kWh resultiert
ein Gewinn von rund 39 000 CHF/a.
Die Rentabilitätsberechnung weist also
eine positive Bilanz auf. Dabei ist die
monetäre Bewertung der verbesserten
Schneesicherheit für den Wintertourismus bzw. die Bereitstellung des Wassers an die Sportbahnen Elm AG zur
Beschneiung noch nicht berücksichtigt.
Abstract
Elmer Hydro Systems - Combining Snowmaking and Electricity Production
The project «Elmer hydro» was developed in collaboration with the Institute
of Civil Engineering at the University of Applied Sciences in Northwestern
Switzerland and the Elm power company and Sportbahnen Elm AG. The
«Netzwerk Wasser im Berggebiet NWB» was awarded the Swiss Mountain Water
Award in 2009. The project intends to sustainably use natural inflowing water and
lakewater retention from Chüeboden lake, located above Elm in Canton Glarus,
for hydroelectric power and technical snow production under ecological and
economic aspects with the same technical infrastructure. The project’s approach
can be transferred to other mountainous regions in Switzerland and abroad where
the potential location of natural lakes or reservoirs during no-snow periods is
possible for producing energy. In a separate potential study within the «Elmer
hydro» project, a Google-Maps supported GIS model was developed to identify
Swiss sites.
Keywords: multipurpose plant for small hydroelectric power and technical snow
production, development of water resources, lakewater retention
Forum für Wissen 2012: 57–60
57
Wasserkraft in Zukunft: Bedürfnisse und Herausforderungen am Beispiel Prättigau
Gian Paolo Lardi
Repower AG, Via da Clalt 307, CH-7742 Poschiavo
[email protected]
Repower ist u.a. im Prättigau und Rheintal als Verteilnetzbetreiberin und
Stromproduzentin tätig. Die dort betriebenen Hauptanlagen wurden vor etwa
90 Jahren gebaut. In den letzten zehn Jahren wurden die Anlagen neu konzessioniert, saniert und zum Teil neu gebaut – Investitionsvolumen von mehr als 150
Mio. Franken. Bis vor wenigen Jahren waren die technischen Herausforderungen,
um die Anlagen sicher zu betreiben, nicht besonders gross. Aufgrund von Umweltkatastrophen, wie zum Beispiel Tschernobyl und Fukushima, und aufgrund des
beschleunigten Klimawandels hat sich die Energiepolitik weltweit massiv verändert. In der Schweiz sind die Eckwerte der Energiestrategie 2050 definiert worden,
deren wichtigste Ziele sind: Reduktion der CO2-Emissionen, Erhöhung der Energieeffizienz, Reduktion des Energieverbrauchs, Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien, mittelfristiger Ausstieg aus der Atomenergie. Um diese Ziele erreichen zu können, sind Förderprogramme auf Bundes- und Kantonsebene definiert
worden, dank welcher mehr Häuser saniert, ineffiziente Heizungsanlagen ersetzt
und neue Produktionsanlagen für erneuerbare Energie gebaut werden.
Diese Massnahmen haben einen Einfluss auf die maximal produzierte elektrische
Energie sowie auf die maximal verbrauchte Energie. Daraus entsteht die Gefahr,
dass die bestehenden elektrischen Einrichtungen überlastet werden und dass es
deshalb zu Versorgungsunterbrüchen kommt. Die Folgen daraus können bekanntlich gravierend sein.
1 Die Repower AG
Repower ist eine international tätige
Energieunternehmung mit Hauptsitz
in Poschiavo / Graubünden. Sie ist in
den Schlüsselmärkten Schweiz, Italien, Deutschland und Rumänien sowie
auf der ganzen Strom-Wertschöpfungskette tätig: Repower produziert
Strom in eigenen Wasser-, Wind- und
Gaskraftwerken, handelt mit Strom,
beliefert Endkunden und unterhält
in der Schweiz ein Verteilnetz. Trading-Stützpunkte befinden sich in der
Schweiz, in Italien und in Tschechien.
Darüber hinaus ist Repower im Gasgeschäft tätig. Repower erzielte 2011
eine Gesamtleistung von rund 2,5 Mia.
CHF. Die Gruppe beschäftigt rund 750
Mirarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche an mehreren Standorten in Graubünden, in Zürich, Mailand, Dortmund,
Bukarest und Prag arbeiten.
2 Wasserkraftnutzung
im Prättigau
Prättigau und Wasserkraft: zwei Begriffe, die seit dem Bau der drei Kraftwerkstufen Klosters-Küblis, Davos-
Klosters und Schlappin durch die AG
Bündner Kraftwerke in den 1920er
Jahren eng miteinander verbunden
sind. In den Jahren 1919 bis1922 wurde
die Stufe Klosters-Küblis – KW Küblis
– gebaut. Von 1923 bis 1925 folgte die
Stufe Davos–Klosters – KW Klosters
– und 1927/28 die Anlage Schlappin –
KW Schlappin.
Zwischen März und Dezember 2005
wurde der Maschinensaal der Zentrale Küblis komplett erneuert sowie
die sechs Maschinen durch zwei neue
ersetzt. Im Mai 2011 ging eine neue
Anlage, das KW Taschinas der Repower AG, ans Netz.
Wie bei allen Alpenflüssen gehen die
Abflussmengen des Prättigauer Talflusses Landquart im Winter stark zurück.
Die wasserwirtschaftliche Nutzung des
Davosersees als Winterspeicher durch
Seespiegelabsenkung und Überleitung
in das Prättigau bietet deshalb eine
vorteilhafte Lösung zur Erhöhung der
Winterenergie. Die Wassermengen des
gesamten Einzugsgebietes schwanken zwischen 1,6 m3/s bei äusserstem
Niederwasser in trockenen Jahren und
etwa 170 m3/s bei maximalem Hoch-
Abb. 1. Versorgungsgebiet Prättigau/Rheintal; Quelle: Repower AG.
58
Forum für Wissen 2012
wasser. Während sechs Monaten ist
eine Abflussmenge von 5,6 m3/s im Mittel vorhanden.
Die produzierte elektrische Energie
hängt direkt von der turbinierten Wassermenge ab. Die Schwankungen zwischen Winter und Sommer sind sehr
gross. Im Sommer wird bis zu 12-mal
mehr produziert als im Winter.
[MW]
70
60
50
40
30
20
10
3 Verteilnetz und
Versorgungssicherheit
(Verbrauch)
0
Jan.
Ausspeisepunkte
2
Unterwerke
8
Trafostationen
Verteilkabinen
551
Hochspannungskabel
20 km
Niederspannungsfreileitungen
Niederspannungskabel
Juni
Juli
Aug. Sept.
Okt.
Nov.
Dez.
Verbrauch Prättigau, Tagesmittel
Abb. 2. Produktion und Verbrauch 2011 im Versorgungsgebiet Prättigau/Rheintal. Quelle:
Repower AG.
[MW]
70
60
50
40
30
20
10
0
1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2012
Abb. 3. Lastspitzentendenz (1/4 h) Versorgungsgebiet Prättigau/Rheintal. Quelle: Repower
AG.
4
72 km
Mittelspannungskabel
Mai
245
Hochspannungsfreileitungen
Mittelspannungsfreileitungen
März April
Produktion Prättigau, Tagesmittel
Die Hochspannungsversorgung im
Prättigau erfolgt ab den Unterwerken
Sarelli und Filisur. Zwischen Sarelli
und Küblis sind zwei, zwischen Küblis und Filisur ist eine Hochspannungsfreileitung vorhanden. Die Kapazität
dieser Leitungen ist auf rund 50 MW
pro Leitung begrenzt. Acht Unterwerke, 245 Trafostationen und 551 Verteilkabinen, verteilt zwischen Landquart
und Klosters, sorgen dafür, dass dem
Endkunden via Kabel und Freileitungen elektrische Energie zu jeder Zeit
bei jedem Anschluss in der gewünschten Menge und Qualität zur Verfügung
steht.
Hier einige wichtige Zahlen zu den
Hauptanlagen des Verteilnetzes im
Versorgungsgebiet:
Einspeisepunkte (Kraftwerke)
Feb.
85 km
166 km
72 km
645 km
Die in der Region nachgefragte Energie schwankt zwischen Sommer und
Winter massiv. Im Winter wird bis zu
fünfmal so viel Strom verbraucht als
im Sommer. Tourismus sowie sehr tiefe Temperaturen sind die Hauptgründe
für dieses Phänomen. Es ist davon auszugehen, dass sowohl die verbrauchte
Energie als auch die Spitzenleistung im
Repower-Versorgungsgebiet weiterhin
zunehmen werden. Die Hauptgründe dafür sind einerseits die Zunahme
an Elektromobilität, wie zum Beispiel
die Einführung des Halbstundentakts
zwischen Zürich und Chur sowie die
Zunahme auf dem RhB-Streckennetz,
andererseits die Umstrukturierung von
Heizanlagen. Heutzutage wird im Prättigau in etwa 60 Prozent der Haushalte mit Öl geheizt, nur 4 Prozent heizen mit einer Wärmepumpe. Der Trend
zeigt ganz klar, dass die alten Ölheizungen durch moderne Wärmepumpanlagen ersetzt werden. In den letzten
Jahren konnte bewiesen werden, dass
in den Ferienregionen eine Spitzenleistungszunahme von bis 4 Prozent pro
Jahr erreicht wurde (Abb. 3). Das ist
mehr als doppelt so viel, wie im Rest
der Schweiz.
Heute kommt die Netzinfrastruktur
im Prättigau bei Verbrauchsspitzen an
wenigen Tagen im Jahr – Weihnachten
bis Neujahr – an die Grenze der Leitungskapazität. Es gibt drei Ursachen
dafür, weshalb die Netzbelastung stetig steigt: erstens mehr Konsum, also
mehr Stromverbrauch. Zweitens mehr
marktbedingte Schwankungen und
drittens mehr erneuerbare Energien
im Netz. Letztere sind zudem weniger berechenbar, da sie unregelmässig anfallen. Um die Gefahr möglicher
Engpässe zu minimieren, müssen die
Kapazitätsgrenzen erhöht werden, was
letztendlich über das Netzentgelt den
Kunden belastet wird. In Zukunft ist es
Forum für Wissen 2012
über intelligente Netzwerktechnolgie
auch denkbar, dass der Kunde Anreize
erhält, dann zu konsumieren, wenn der
Strom im Übermass vorhanden ist, und
weniger zu konsumieren, wenn es zu
wenig Strom hat.
4 Energiegesetz und
erneuerbare Energien
Der Bund verfolgt mit seiner energieund klimapolitischen Zielsetzung eine
Reduktion des Energieverbrauchs und
der CO2-Emissionen sowie eine signifikante Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien. Schweizweit werden
Sanierungsprogramme und Fördermodelle eingeführt.
Mit der Revision des Energiegesetzes im Jahr 1998 wurde ein Modell zur
Förderung der erneuerbaren Energien, auch kostendeckende Einspeisevergütung KEV genannt, eingeführt. Die
Vergütung ist für Stromerzeugung aus
Wasserkraft, Photovoltaik, Windenergie, Geothermie, und Biomasse vorgesehen.
Im Prättigau wurden in den letzten
Jahren, auch dank der Fördermodelle, sehr viele Photovoltaik-Anlagen
(PV) gebaut (etwa +100 Prozent pro
Jahr). Diese PV-Anlagen sind meistens
auf Dächern montiert und produzieren Strom, wenn die Sonne scheint,
und nicht zwingend, wenn Nachfrage
danach besteht.
5 Wasserkraft in Zukunft
Da die europäischen Energiemärkte
immer enger zusammenwachsen, lohnt
sich zur Zukunftsbeurteilung auch
der heimischen Wasserkraft ein Blick
in den ebenfalls von der Umstellung
der Energieerzeugung geprägten deutschen Markt.
Die erneuerbaren Energien, deren
Vollkosten in Deutschland ausserhalb
des Marktes über das EEG (Erneuerbare Energien Gesetz) finanziert
werden, speisen ihren Strom gratis in
den Markt ein. Dies führt zu einem
Verfall der Strompreise an der Leipziger Strombörse EEX, welche aufgrund ihrer Liquidität auch für den
Schweizer Markt eine Leitwirkung hat.
59
Neben rückläufigen Preisen kommen
somit die benötigten PumpSpeicherkraftWerke – das Projekt Lagobianco
gehört ebenfalls in die Kategprie der
PSW – auch seltener zum Einsatz, denn
während der Nachfragespitzen über
die Mittagszeit ist jetzt an Sonnentagen reichlich Solarstrom verfügbar. Mit
der Konsequenz, dass die PSW weniger
laufen und in der vormals lukrativsten
Zeit jetzt nur noch geringes Deckungsbeitragspotenzial aufweisen. Vor allem
neue Kraftwerke, welche sich noch
in der Finanzierungsphase befinden,
wären in dieser Situation nicht mehr in
der Lage, ihre Vollkosten zu decken. In
der Folge können die Kraftwerke nicht
mehr wirtschaftlich betrieben werden.
In diesem Zusammenhang muss
auch der deutsche Kapazitätsaufbau
von 60 000 MW installierter Leistung
für Sonnen- und Windenergieerzeugungsanlagen bei gesicherter Leistung
von 320 MW – niedrigste Einspeisung
in einer windstillen Sommernacht 2012
– beachtet werden. Dennoch gibt es
im Moment für Investitionen in Ausgleichskapazitäten keine Investitionsanreize mehr, da die Marktpreise die
Knappheit nicht ausreichend reflektieren. Es wird somit eine grosse Herausforderung sein, neue grosse Wasserkraftanlagen wie das Pumpspeicherkraftwerk Lagobianco wirtschaftlich zu
bauen und zu betreiben.
Im April 2012 hat Repower mitgeteilt, dass das Kraftwerkprojekt Chlus
einer Überprüfung unterzogen werde,
weil die frühere Konzeption der Anlage Kostenfolgen hätte, welche die Wirtschaftlichkeit in Frage stellen würden.
In der Zwischenzeit hat Repower ein
intensives Variantenstudium durchgeführt und Optimierungsmöglichkeiten
geprüft. Diese Arbeiten haben nun zu
einer Projektvariante geführt, die wirtschaftlich besser abschneidet, ohne die
ökologischen Vorteile des ursprünglichen Projekts in Frage zu stellen. Das
veränderte Projekt sieht weiterhin vor,
das bereits im Kraftwerk Küblis turbinierte Wasser mittels eines Druckstollens talauswärts zu führen. Die Kraftwerkzentrale ist neu aber nicht mehr
in der Chlus bei Landquart, sondern
in Trimmis vorgesehen. Unverändert
soll zusätzlich Wasser in der Landquart
und in drei Seitenbächen gefasst werden (Arieschbach, Furnerbach und
Schranggabach). Das Verhältnis zwi-
schen zusätzlicher Energieproduktion
– über 200 GWh – sowie Eingriffen in
die Umwelt wäre schweizweit eines der
vorteilhaftesten.
Generell besteht für die Wasserkraft in der Schweiz die Gefahr einer
Überregulierung, welche es Betreibern
bestehender Kraftwerke erschwert,
ihre Anlagen zu erneuern bzw. zu
erweitern sowie Investoren für neue
Projekte zu finden, da sich allein über
den Marktpreis die Anlagen oftmals
nicht wirtschaftlich betreiben lassen.
6 Bedürfnisse und Herausforderungen
Wie vorstehend erwähnt, ist in Graubünden die produzierte Energie im
Sommer sehr hoch und die verbrauchte
Energie sehr klein. Im Winter hingegen ist es genau umgekehrt: Die Produktion ist sehr gering und der Bedarf
sehr hoch. Die elektrischen Einrichtungen sind so ausgelegt, dass sie die
maximalen Verbrauchsspitzen als auch
die maximalen Produktionsspitzen
aufnehmen können. Als Folge der neuen Energiepolitik sowie der verschiedenen Fördermodelle werden die Verbrauchsspitzen in den nächsten Jahren
zunehmen, zum Beispiel wegen dem
Ersatz von Ölheizungen durch Wärmepumpen, und zwar genau dort, wo sie
am höchsten sind.
Wenn nichts unternommen wird, ist
die Gefahr einer Überlastung der elektrischen Komponenten bis hin zum
Versorgungsunterbruch hoch. Dank
intelligenter Stromnetze, Smart Grids,
werden in Zukunft dezentrale Erzeuger und Verbraucher gesteuert werden können. Verbraucher – vor allem
Grossverbraucher, welche sich diese
Flexibilität in ihren Energielieferverträgen honorieren lassen – werden vom
Netz genommen, wenn VerbrauchsNetzüberlastungen eintreten. Die gleichen Verbraucher werden zugeschaltet,
wenn Produktions-Netzüberlastungen
eintreten. Mit dieser Technologie können regionale Versorgungsengpässe
vermieden werden.
Auf interregionaler / nationaler Ebene können die intelligenten Stromnetze die Probleme der Versorgungsengpässe und der dezentralen Einspeisung nicht lösen. Nur mit Hilfe grosser
60
Pumpspeicherwerke können die fluktuierenden Einspeisungen ausgeregelt
werden, indem sie die Überschussproduktion im Pumpbetrieb aufnehmen.
Diese gespeicherte Energie wird im
Turbinenbetrieb wieder ins Netz eingespeist, wenn der Energieverbrauch die
Stromproduktion übertrifft. Somit wird
aus erneubarer Energie zum falschen
Zeitpunkt nutzbare Energie zum richtigen Zeitpunkt.
Die grosse Herausforderung wird
somit sein, zum richtigen Zeitpunkt in
den richtigen Anlagentyp mit der richtigen Technologie und am richtigen Ort
investiert zu haben.
Forum für Wissen 2012
Abstract
Hydropower Prättigau: Needs and Challenges
Repower’s operations include running a distribution grid and generating electricity
in the Prättigau and Rhine Valley. The main facilities run by the company in these
areas were built around 90 years ago. In the last ten years the plants have been
refranchised, refurbished and in some cases rebuilt (involving investment of more
than CHF 150 million). Until recently the technical challenges of running these
plants were not particularly serious.
But there have been huge changes in energy policy all over the world in the wake
of environmental disasters such as Chernobyl and Fukushima and rapid climate
change. Switzerland has now laid the cornerstones of a 2050 energy strategy, with
the following main aims: Reducing CO2 emissions, Boosting energy efficiency,
Reducing energy consumption, Raising the share of renewables, Phasing out
nuclear power in the medium term.
To help reach these goals, programmes have been defined at both federal and
cantonal level designed to renovate more buildings, replace inefficient heating
systems and build new renewable generation facilities.
These measures will affect the maximum amount of electrical energy produced
and consumed. The risk is that existing electrical installations will be overloaded,
leading to potential power blackouts, which as we all know can have very serious
consequences indeed.
Keywords: distribution grid, Prättigau and Rhine Valley, technical challenges,
energy policy, energy strategy, potential power blackouts
Forum für Wissen 2012: 61–68
61
Relevante Aspekte aus dem Nationalen Forschungsprogramm NFP 61 «Nachhaltige Wassernutzung»
Christian Leibundgut, Programmleiter NFP 61
Institut für Hydrologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Fahnenbergplatz, D-79098 Freiburg
[email protected]
Eine Wassernutzung in der Schweiz ist, ob nachhaltig oder nicht, untrennbar mit
den alpinen Schnee-, Eis- und Wasserressourcen verbunden. Wie es gestern war
bezüglich dieser alpinen Ressourcen, wissen wir einigermassen. Wie es heute aussieht, können wir, oft mit leichtem Schaudern nur, überall in den grösseren Höhen
sehen. Was uns morgen erwartet, kann nur abgeschätzt werden. Dass sich aber viel
ändern wird im Alpengebiet, ist eine einigermassen gesicherte Erkenntnis. Relevante Bezüge des NFP 61 zum Forumsthema «Alpine Schnee- und Wasserressourcen gestern, heute morgen» liegen vor allem im Bereich Wasserressourcen und
weniger beim Schnee. Der NFP 61 zielt darauf ab, zur Erreichung einer Nachhaltigen Wassernutzung in der Schweiz vor allem das Denken und den Umgang mit
den Wasserressourcen und deren Nutzung durch eine ganzheitliche Betrachtung
und Behandlung zu fördern. Wie dies erfolgt und was im einzelnen zur Entwicklung der Wasserressourcen in Zukunft im Alpenraum vom Programm zurzeit ausgesagt werden kann, wird kurz dargestellt.
Alpine Schnee- und Wasserressourcen stellen sowohl in den Arbeiten der
Eidgenössischen Forschungsanstalt für
Wald, Schnee und Landschaft WSL,
als auch im Nationalen Forschungsprogramm 61 (NFP 61) ein zentrales Objekt und Thema dar. Dabei ist
die Thematik im NFP 61 nicht explizit
auf die alpinen Ressourcen ausgerichtet. Vielmehr wird hier eine Gesamtbetrachtung der Wassernutzung in der
Schweiz angestrebt. Da allerdings die
Alpen als Wasserschloss der Schweiz
den grössten Teil der Schnee- und Wasserressourcen bergen, nähern sich die
beiden Betrachtungssichten schon a
priori an.
Damit sind wir nach der Raumskala
bei der Zeitskala. Während das Gestern noch stabil war bezüglich der Ressourcen, befinden wir uns heute klimatisch und gesellschaftlich in einer
Übergangsphase, die durch den Klimawandel insbesondere die alpinen
Wasserressourcen tangiert (Abb. 1).
Die Auswirkungen der übrigen Teile
des globalen Wandels, wie Landnutzung und Ressourcenverbrauch, sind
noch weit schwieriger abzuschätzen.
Das Morgen ist zwar noch recht unbestimmt, aber mit Sicherheit anders.
Dieses Morgen mit einigermassen verlässlicher
Eintretenswahrscheinlich-
keit bezüglich der Wasserressourcen zu
bestimmen, hat sich das NFP 61 unter
anderen zum Ziel gesetzt.
Wenn es gilt, im Rahmen des
Tagungsthemas eine themenbezogene Brücke zwischen den Tätigkeiten
der WSL und dem NFP 61 zu schlagen, dann am ehesten über die alpine
Ressource Schnee. Allerdings fokussiert keines der 16 Forschungsprojekte des NFP 61 auf das Thema Schnee.
1860
Im Rahmen der Teilsynthese 1, welche
im kommenden Jahr unter der Leitung
der WSL erarbeitet wird, soll diese
Wissenslücke im NFP bearbeitet und
geschlossen werden.
Relevante Aspekte, die als Beitrag
des NFP 61 zum Tagungsthema verstanden werden können, sind einerseits
das Grundkonzept des NFP 61, dann
der Blick in die Zukunft über Szenarien mit dem Wandel in den soziökonomischen Bereichen, im Klima und
in der Landnutzung sowie der Nachhaltigkeitsansatz. Methodisch ist es die
Transdisziplinarität, die Umsetzung
und das integrierte Wasser-Ressourcen-Management.
Was kann das NFP 61 als
Ganzes leisten?
Angesichts der fortschreitenden Veränderungen in der natürlichen und
gesellschaftlichen Umwelt, insbesondere auch in den Wasserressourcen,
1970
2050
Abb. 1. Veränderung der alpinen Wasserressourcen durch Klimawandel am Beispiel des
Rhonegletschers: gestern 1860, heute 1970, morgen 2050 (Quelle: Archiv VAW).
62
haben die zuständigen Stellen auf
Bundesebene seinerzeit das Nationale Forschungsprogramm NFP 61 initiiert. Kurz zusammengefasst können
die Ziele wie folgt umschrieben werden: Das NFP 61 befasst sich mit der
Erarbeitung der hydrologischen und
wasserwirtschaftlichen
Grundlagen
und der Entwicklung der Wasserressourcen, Früherkennung von Engpässen und Fehlentwicklungen, Risikoabschätzung sowie der Erarbeitung
zukunftsweisender Strategien für integrales und nachhaltiges Wasser Ressourcen Management. Ein Blick auf
die Konzeptgraphik zeigt zusammenfassend die Philosophie und die Zielsetzung des NFP 61 «Nachhaltige Wassernutzung in der Schweiz» auf.
Das theoretische Konzept des
NFP 61 ist ganzheitlich und beruht
auf den Pfeilern der Nachhaltigkeit,
des Integrierten Wasser Ressourcen
Managements (IWRM) und den spezifischen Randbedingen in der Schweiz.
Im Programm spielen neben den Projektarbeiten in den einzelnen Forschungsbereichen Interdisziplinarität,
Transdisziplinarität und Umsetzung
eine entscheidende Rolle. Zwischen
Forum für Wissen 2012
dem natürlichen System der «Ökologie» und dem sozialen System der
«Gesellschaft» repräsentiert das Nutzungssystem die «Ökonomie». Diese
muss mit Impulsen und Rückkoppelungen aus den beiden anderen Systemen in eine Balance gebracht werden, damit die Wassernutzung in der
Schweiz auch in Zukunft möglichst
konfliktarm und auch nachhaltig bleiben kann (LeiBundgut 2011).
Auf der Naturseite sind die identifizierbaren Veränderungen der Klimawandel und die Landnutzung. Besonders die Veränderungen der alpinen
Eis- und Schneeressourcen sind augenfällig. Auf der gesellschaftlichen Seite
sind es das Bevölkerungswachstum und
die globalen Treiber wie Wirtschaftswachstum und Marktöffnung. Es geht
also gesamthaft um den globalen Wandel mit seinen Implikationen auf die
Wasserressourcen der Schweiz. Sowohl
die Initianten als auch die Konstrukteure des NFP 61 gingen davon aus,
dass die Auswirkungen des globalen
Wandels einen verschärften Nutzungsdruck bezüglich der Ressourcen hervorrufen werden. Um negativen Folgen möglichst vorzubeugen, soll dieses
nationale Forschungsprogramm eine
Analyse der Situation durchführen
und zusammen mit der Praxis in einem
verknüpfendem Prozess Lösungswege
suchen sowie spezifische ManagementTools und Techniken zur Minderung
negativer Auswirkungen erarbeiten.
Das Programm verfolgt einen ganzheitlichen, holistischen Ansatz in der
Systembetrachtung (Abb. 2). Das Nutzungssystem als zentrales System steht
in Wechselwirkung mit dem Natursystem einerseits und dem Gesellschaftssystem andererseits. Es integriert die
zahlreichen Rückkoppelungen, die für
die Bestimmung der zukünftigen Situation ein entscheidendes Element darstellen.
Im Kontext des Programms ist der
Prozess der Umsetzung hervorzuheben. Die Programmverantwortlichen sind sich der üblichen Umsetzungsprobleme zwischen Theorie und
Praxis in der realen Wasserwirtschaft
bewusst. Dieses Problem soll verringert werden durch die explizite Förderung der Inter- und Transdisziplinarität. So beziehen die einzelnen Projekte die verschiedenen Stakeholder aus
Wirtschaft, Politik und Gesellschaft
Abb. 2. Konzept des NFP 61 mit den drei Teilsystemen, den Impulsen und den Rückkoppelungen.
Forum für Wissen 2012
seit Programmbeginn ein. sChneider
(2011) beschreibt ein illustratives Fallbeispiel aus Crans Montana. Es wird
der Mehrwert durch transdisziplinäres Vorgehen gezeigt. Dazu werden
Begleitgruppen und Videos zur Förderung des Wissensaustausches sowohl
auf Projektebene als auch auf Programmebene eingesetzt. Auch in den
Teilsynthesen und der Gesamtsynthese soll der Wissensaustausch zwischen
Forschung und Praxis gezielt gefördert werden. Die realisierten Massnahmen zur Erhaltung oder Erreichung
einer nachhaltigen Wassernutzung in
der Schweiz werden schliesslich über
Erfolg oder Misserfolg des Programms
entscheiden.
Was kann das NFP 61 zu
«Alpine Schnee- und Wasserressourcen» beitragen?
Gemäss Arbeitstitel soll der Beitrag
relevante Aspekte des NFP 61 «Nachhaltige Wassernutzung» zu den alpinen
Schnee- und Wasserressourcen im Laufe der Zeit herausstellen. Wie bereits
geschildert, liegt die grosse Klammer
in der ganzheitlichen oder Systembetrachtung, dem sowohl die WSL als
auch das NFP 61 verpflichtet sind.
Die schweizerischen alpinen Wasserressourcen, Schnee inbegriffen, dürfen in der Ressourcenbetrachtung nur
im Gesamtsystem Schweiz betrachtet
werden. Der Einflussraum der Alpen –
des Wasserschlosses Alpen – über den
Abfluss reicht weit über die Landesgrenzen hinaus. Nur der Streifen des
Jura im Westen oder die rechtsrheinischen Gebiete am Hochrhein entziehen sich in der Schweiz diesem System. Die Bedeutung der Gebirge für
die Wasserversorgung der Vorländer,
allgemein aber auch der Alpen, wurde
von Liniger et al. (1998) eindrücklich
dargelegt. Die Alpen, auch als Water
Towers bezeichnet, und ihre Ressourcen gilt es langfristig zu schützen und
nachhaltig zu bewirtschaften.
Der Forschungsschwerpunkt der
WSL «Nachhaltige Ressourcennutzung» und dessen Bearbeitung stellt
ein gutes Beispiel dar. Ressourcen wie
Holz (Wald), Energieholz, Böden aber
eben auch Wasser und Schnee werden
sinnvollerweise auch in der WSL in
63
einem ganzheitlichen Ansatz erforscht
(vgl. Abb. 2).
Von den entscheidenden Fragen, die im WSL Forum für Wissen
2012 diskutiert werden sollen, sind
zwei Fragen dem Bereich Zielwissen zuzuordnen. Diese lauten: Haben
wir heute wirklich weniger Schnee
als früher? Wie können die alpinen
Schnee- und Wasserressourcen überhaupt quantifiziert werden? Diese
beiden Fragen werden im NFP 61
jedoch, wie berichtet, nicht explizit
behandelt.
Die weiteren Fragen «Wie wird
mit Nutzungskonflikten in betroffenen Bergregionen umgegangen?»
und «Wird es auch in Zukunft genügend Wasser zur Deckung der vielfältigen Ansprüche unserer Bergregionen geben?» gehören sowohl zum
Bereich des Zielwissens und des Handlungswissens. Damit liegen sie vorrangig im Programmteil Management und
transdisziplinäre Methodik.
Ein weiterer relevanter Aspekt aus
dem NFP 61 bezüglich der alpinen
Schnee und Wasserressourcen, wenn
letztlich auch ein allgemeiner, ist die
Nachhaltigkeit. Die Forderung nach
Erhaltung dieser typisch alpinen Ressourcen und die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der daraus möglichen
Nutzungen im Verband mit den nicht
wassergebundenen Ressourcen sind
unabdingbar (Abb. 3).
Der Begriff Nachhaltigkeit gibt
immer wieder Anlass zu (kontroversen) Diskussionen (odendaaL 2002).
Eine allgemein akzeptierte Definition ist nicht möglich. Immerhin besteht
Einvernehmen, dass Nachhaltigkeit
ein langfristig tragfähiges Gleichgewicht zwischen Ökologie, Ökonomie
und dem soziokulturellen System voraussetzt. Fehlende Messgrössen, die für
alle drei Sektoren gelten, erschweren
die Festlegung dieser Balance – Bruttosozialprodukt, Biodiversität und
Lebensqualität lassen sich nicht direkt
vergleichen (LeiBundgut 2011).
Für die alpinen Wasserressourcen
kann die Problematik am Beispiel der
markantesten alpinen Wassernutzung
«Wasserkraft» etwas erhellt werden.
Wasserkraftnutzung ist in sich (per se)
nachhaltig, da erneuerbar. Da grössere technische Anlagen nötig sind, tangiert die Wasserkraft jedoch weitere
Wassernutzungen und Umweltberei-
Abb. 3. Schematische Darstellung der Nachhaltigkeit mit den drei Sektoren Ökologie,
Ökonomie und Sozialem System. Alle Sektoren haben neben dem autonomen Bereich
(hellblau) Interferenzbereiche mit den beiden andern, die Zielkonflikte beinhalten. In
den Überschneidungsbereichen (dunkelblau) konkurrieren die Interessen der einzelnen Sektoren am stärksten.
che (Gewässerökologie, Tourismus,
Naturgefahren), unter anderem auch
mit negativen Effekten. So gesehen ist
die Wasserkraft dann nicht mehr nur
nachhaltig. Solche Überlegungen sind
in jedem einzelnen Fall anzustellen und
in die Managementstrategien einzubeziehen
Bei allen Nutzungen ist stets auch
die (spezifische) ökonomische Nachhaltigkeit zu berücksichtigen (Binswanger 2009). Sie besagt, dass die Nutzung einer Ressource nur nachhaltig
sein kann, wenn auch die ökonomische
Nachhaltigkeit Bestand hat. Dahinter
steckt die Erkenntnis und Erfahrung,
dass ein Projekt, Geschäft usw. von den
Betreibern aufgegeben wird, wenn es
nicht mehr rentiert. Ökologische Nachhaltigkeit, verstanden als Erhaltung
der Lebensgrundlage, und ökonomische Nachhaltigkeit, verstanden als
rentables Geschäft, bedingen also einander. Aktuell gibt es zahlreiche Felder
unter anderem in der Landwirtschaft,
der Wasserwirtschaft und der Energiewirtschaft, die im Zuge eines integrierten Managements auf diesen Aspekt
hin geprüft werden müssten.
Mit diesen beiden Begriffen sind wir
auch beim Begriff der nachhaltigen
Entwicklung. Diese benötigt stets eine
Interessenabwägung. Im Sektor Wasserressourcen gibt es dafür das Instrument des Integrierten Wasser Ressourcen Managements (IWRM).
64
Aktuell steigt der Nutzungsdruck
im Wassersektor, obwohl wir in einem
wasserreichen Land leben. Dieser Druck wird im Moment in erster
Linie durch die Energiewende mit der
Forderung nach einem weiteren Ausbau der Wasserkraft aufgebaut. Da
diese Entwicklung politisch gewollt
ist, bleibt nur das Finden eines tragbaren Kompromisses, am besten nach
gut eidgenössischer Manier. Hier kann
das NFP 61 in mehrfacher Hinsicht,
besonders aber mit den entwickelten
Managementansätzen, einen gewichtigen Beitrag liefern.
Wie die Nachhaltigkeit beinhaltet der IWRM-Ansatz die massgeblichen Sektoren Ökologie, Ökonomie und soziales System inklusive der
Kultur (Abb. 4). Das Integrierte Wasser Ressourcen Management ist ein
methodisch anerkannter und potenziell wirkungsvoller Prozess, in dem einvernehmliche Lösungen für die verschiedenen, oft gegenläufigen Interessen der Wassernutzung einerseits und
andererseits allgemein der Ressourcennutzung erarbeitet werden. Die
ganzheitliche Behandlung der jeweiligen Themen ist ein Grundprinzip.
Damit sollen sektorale und eindimensionale Entscheide für einzelne Projekte der Wasserwirtschaft, die potenziell
Konflikte auslösen können, vermieden werden. Die Beteiligung (Partizipation) der involvierten, betroffenen
Personenkreise (Bevölkerung, Wirtschaft, Behörden) ist selbstverständ-
Forum für Wissen 2012
lich. Dazu gehört ein Management
auf einer räumlich definierten Basis.
Im Wassersektor ist das grundsätzlich
das Einzugsgebiet, das eine hydrologische, eventuell auch wasserwirtschaftliche Einheit bildet. Anstelle von Einzugsgebieten können auch Funktionsräume treten (sChaFFner et al. 2010).
Das Konzept des IWRM ist allgemein
akzeptiert als das erfolgreiche Instrument, um den Herausforderungen der
Wasserwirtschaft zu begegnen (Mays
2007).
So gesehen sind sowohl das Gesamtprogramm NFP 61 mit seinen Grundsätzen, als auch alle Projekte des
NFP 61 relevant oder enthalten mindestens relevante Aspekte für die alpinen Schnee- und Wasserressourcen. Sie
tragen unter dem Gesichtspunkt der
ganzheitlichen Betrachtung zur zentralen Frage der nachhaltigen Wassernutzung bei und damit auch zu den alpinen Wasser- und Schneeressourcen,
mit denen der terrestrische Kreislauf
in diesem System angetrieben und versorgt wird.
Konkrete relevante Aspekte
aus dem NFP 61
Die Bedürfnisse der einzelnen Nutzungen wie Wintersport und Wasserkraft sind von ihrer Natur her sektorial gefärbt. Genau an diesem Punkt
hängt der NFP 61 ein. Betrachtungs-
weise, Ansatz, Forschung und Synthese
sind darauf eingerichtet, verschiedene
Bedürfnisse und Herausforderungen
an die Wassernutzung unter einen Hut
zu bringen. Dafür müssen erstens die
Zusammenhänge bekannt und das Systemwissen vorhanden sein, und zweitens müssen Instrumente (Managementtools) zur Verfügung stehen, die
eine Ausbalancierung der verschiedenen Interessen möglichst konfliktfrei
erlaubt. Teile des Systemwissens werden in den einzelnen Projekten erarbeitet. Allerdings sind diese weniger
darauf ausgerichtet Systemwissen im
Sinne der Grundlagenforschung aufzubauen. Eher erarbeiten sie das bestehende Wissen hinsichtlich der Zielsetzung des NFP 61. Ein guter Teil des
Systemwissens wird von den Forschenden mitgebracht. Ein anderer Teil muss
aus externen Quellen beschafft werden. Dies gilt insbesondere für die Teilsynthesen.
Die Darstellung konkreter relevanter Aspekte im Sinne erster Resultate kann zum jetzigen Zeitpunkt notgedrungen nur unvollständig ausfallen.
Obwohl sich das NFP 61 im dritten
Forschungsjahr befindet und die Resultate weitgehend vorliegen dürften, sind
sie mit wenigen Ausnahmen noch nicht
publiziert worden. Im nächsten Jahr
werden die Synthesen bearbeitet. Für
die Thematik der alpinen Schnee- und
Wasserressourcen sind die Ergebnisse
aus den Teilsynthesen besonders interessant. Folgende Teilsynthesen werden im nächsten Jahr ausgearbeitet:
Thematische Synthese 1:
Grundlagen
Thematische Synthese 2:
Bewirtschaftung der Wasserressourcen
unter steigendem Nutzungsdruck
Thematische Synthese 3:
Wasserressourcen und Infrastruktur:
Ver- und Entsorgung von Siedlungen
Thematische Synthese 4:
Prinzipien für eine erfolgreiche Praxis
des nachhaltigen Umgangs mit Wasser
Abb. 4. Das integrierte Wasser Ressourcen Managementsystem im System Einzugsgebiet.
Mit einem partizipativen Integrierten Management können damit für gegebene Wasserressourcen-Probleme ausgewogene und nachhaltige Lösungen erarbeitet werden.
Die Gesamtsynthese wird abschliessend die wissenschaftlichen Ergebnisse der Einzelprojekte wiedergeben und
integriert sie in einen übergeordneten Kontext. Damit wird Wissen pro-
Forum für Wissen 2012
duziert, das über die Erkenntnisse aus
den Einzelprojekten hinausgeht.
Die einzelnen Projekte tragen in sehr
unterschiedlichem Masse zur Frage der
alpinen Schnee- und Wasserressourcen bei, obwohl in der Gesamtbetrachtung zur nachhaltigen Wassernutzung
der Schweiz alle Projekte ihren Beitrag
leisten. Eine kurze Beschreibung der
hier wichtigsten Projekte und die Heraushebung der relevanten Aspekte sollen zum Verständnis beitragen. Mit den
nicht aufgeführten Projekten ist keine
Bewertung verbunden. Sie sind dem
Kontext des Tagungsthemas nur weniger verbunden.
Die
beiden
Gletscherprojekte
(NELAK) Seen als Folge schmelzender Gletscher: Chancen und Risiken
(UZ) und (FUGE) Gletscherrückgang
– noch genügend Wasser für die Wasserkraftproduktion? (VAW-ETH Zürich)
befassen sich aus unterschiedlichen
Blickwinkeln direkt mit dem Kern des
Tagungsthemas, allerdings nicht explizit mit der Komponente Schnee. Als
bedeutender Wasserlieferant in den
nächsten fünfzig Jahren können die
Gletscher jedoch nicht aus der Diskussion um die Schnee- und Wasserressourcen ausgenommen werden.
FUGE
Aus dem Hauptforschungsgegenstand
Gletscherrückgang unter Bedingungen des Klimawandels und deren Folgen für die Wasserwirtschaft soll eine
Abschätzung der Abflussentwicklung
und deren Implikationen für die Wasserkraftnutzung ermittelt werden.
Es sollen Modelle für die zukünftige
Entwicklung der Gletscher im Alpenraum erstellt werden, welche Faktoren
wie Gletscherschmelze und Wasserspeicherung in Gletschern einbeziehen.
In Zusammenarbeit mit Wasserkraftfirmen werden Anpassungsstrategien
für den Betrieb von Wasserkraftwerken entwickelt. Aus der Sicht des
Forumthemas sind der zukünftige
Abfluss und seine zeitliche Verteilung
im Kontext der Schneeressourcen zu
sehen, da der Schnee teilweise einen
Ersatz für die schwindenden Eisspeicher darstellt. Die Auswirkungen des
Glescherschwundes auf die Abflüsse
und damit die Wasserkraftnutzung sind
aber nur ein Aspekt dieser fundamentalen Klimawandelauswirkung. Die
65
Wasserversorgung beispielsweise wird
nicht behandelt.
Literatur: Farinotti et al. 2012; Farinotti et al. (2011a), Farinotti et al.
(2011b)
NELAK
Mit dem Projekt NELAK (Neue Seen
als Folge der Entgletscherung in den
Alpen, Universität Zürich) wird ein
innovativer Ansatz im Bereich der
Alpenforschung und der alpinen Ressourcen verfolgt. Aus den bisherigen
Arbeiten kann als Quintessenz unter
anderem festgehalten werden, dass
mit fortschreitendem Temperaturanstieg und Gletscherschwund sich in
den Hochgebirgen (weltweit) viele
neue Seen bilden werden. Die heute
noch existierenden Gletscher-Landschaften der Schweizer Alpen dürften
sich nach den Autoren (häBerLi et al.
2012) in den kommenden Jahrzehnten, für wohl sehr lange Zeit, zu FelsSchutt-Seen-Landschaften mit stark
erhöhter Abtragsdynamik wandeln,
dies unter Annahme realistischer Szenarien der Klimaentwicklung. Im Sinne des Programms NFP 61 werden im
Projekt Grundlagen für den Umgang
und das Management dieser absehbaren und potentiell konfliktträchtigen
Entwicklung erarbeitet. Von besonderem Interesse sind multifunktionale
Projekte für Energieproduktion (heFti
und gonsowski in diesem Band), Sedimentrückhalt und Hochwasserschutz.
Die anstehenden Neukonzessionierungen im Bereich der Wasserkraft bieten
dazu eine gute Gelegenheit und Synergiepotenziale. Langfristig besteht eine
steigende Wahrscheinlichkeit von grossen Sturzereignissen in Seen unmittelbar unterhalb von zunehmend eisfrei
werdenden Steilflanken mit tendenziell
abnehmender Stabilität. Da komplexe
Rechtsfragen anstehen, ist eine frühzeitige Planung angezeigt. Schnittstellen zum Tagungsthema bestehen auch
im Bereich Schnee und Tourismus.
Literatur: häBerLi et al. (2012); BütLer et al. (2012); terrier et al. (2011);
sChauB et al. (2011)
SWISSKARST
Im Projekt SWISSKARST werden
die bisher oft vernachlässigten Karstwasservorkommen der Schweiz umfas-
send, wenn auch nicht ganz flächendeckend aufgenommen. Ziel ist die Etablierung eines nationalen Inventars
der Karstaquifere. Eine pragmatische,
praxisorientierte Dokumentation wird
erstellt, die erlaubt, in praktikabler
Weise die einzelnen Vorkommen näher
zu untersuchen, beispielsweise für die
Trinkwasserversorgung. Die Methodik basiert auf geologischen Strukturanalysen, regionaler stratigraphischer
Beschreibung, einer Aquifercharakterisierung und der Darstellung der
Aquiclude. Datengrundlage bilden die
Quellschüttungen, Tracer-Tests, Bohrprofile und geologische und hydrologische Berichte. Mit Hilfe von sogenannten «Identification Cards» (ID) werden
die Resultate synthetisiert. ID-Cards
werden für die einzelnen Karstsysteme
erstellt. Sie enthalten Karten, 3-D Darstellungen, die wichtigsten Basisdaten
und eine Serie von Anlagen mit den
Referenzen. Diese Grundlagen sollen
es erlauben, mit dem Systemwissen in
Zukunft eine nachhaltige Nutzung der
Karstwasser zu ermöglichen. Damit
wird auch die Kenntnis der alpinen
Wasserressourcen deutlich ausgeweitet, da eine Gesamtschau bisher fehlt.
Literatur:
(2011);
VouiLLaMoz
weBer (2011).
SEDRIVER – Hochwasser –
Sedimenttransport – Fische
Das an der WSL beheimatete Projekt
SEDRIVER stellt vom Thema her ein
Kernprojekt des NFP 61 dar. Es werden die Folgen des Klimawandels für
den Sedimenttransport und für die
Qualität der Fischhabitate untersucht.
Es wird erforscht, wie die Inputgrössen
Starkniederschläge, Schneeschmelze,
Gletscherrückgang und Veränderungen in der Vegetation den Eintrag von
Sedimenten in Gebirgsflüsse beeinflussen. Die Berechnung von Sedimentbilanzen ausgewählter Flussgebiete und
die Bestimmung des veränderten Sedimenttransports im Fluss bezüglich der
Bachforellenpopulationen werden als
Resultate erwartet.
MontanAqua – Wasserbewirtschaftung
in den Alpen
Eine Sonderstellung nimmt das Projekt MONTANAQUA – Wasserbewirtschaftung in den Alpen ein. An
66
einem Einzugsgebiet (räumliches System) werden in einem hoch integrativen Ansatz die Wasserressourcen von
deren Erhebung bis zum Bewirtschaftungsmanagement exemplarisch abgehandelt. Am Beispiel der Untersuchungsregion Crans Montana / Sierre
(Wallis) werden in Zusammenarbeit
mit den lokalen Behörden Lösungsvorschläge für eine optimale und ausgewogene (nachhaltige) Bewirtschaftung
und Verteilung der Wasserressourcen
erarbeitet.
Die Erfahrungen und Resultate des
Projektes können als Beispiel für ein
Management der Wasserressourcen im
Alpenraum eingesetzt werden
Literatur: weingartner et al. (2010);
sChneider (2010)
Bewässerungskanäle
Das Projekt Bewässerungskanäle – für
die Artenvielfalt und den Tourismus –
befasst sich mit besonderen Aspekten
der alpinen Wasserressourcen die über
den hydrologischen Themenbereich
hinausgehen. Es soll die ökologische
und soziokulturelle Bedeutung der historischen Wasserkanäle und der traditionellen Wiesenbewirtschaftung aufgezeigt werden. Im Zeichen der Biodiversität steht die Forschung zum
Einfluss der offenen Wasserkanäle
auf den Bergwald und die umgebende Vegetation sowie zu ausgewählten
faunistischen Indikatoren. Als Beitrag zum Wassermanagement werden
die historisch überlieferten und häufig
genossenschaftlichen Eigentums- und
Nutzungsrechte analysiert und auf Verwendbarkeit in der Zukunft geprüft.
Da die Wasserkanäle (Suonen, Bisses, Pünchera) oft Wasser über lange
Strecken herleiten und dieses Wasser in der Vegetationsperiode überwiegend Schmelzwasser aus Eis und
Schnee ist, spielen die Kanäle für eine
nachhaltige Wassernutzung eine wichtige Rolle. Das Wasser wird hauptsächlich zur Bewässerung in den inneralpinen Trockentälern eingesetzt. Für diese
gilt: ohne Wasser keine Landwirtschaft.
Hier besteht eine noch oft übersehene Schnittstelle zu den alpinen Wasserressourcen (Schnee) und der Wassernutzung, die Gefahr läuft, in Zukunft
in Konflikte hineinzulaufen. Mit der
Änderung der Schneegrenze und dem
Abgehen der Gletscherschmelzwäs-
Forum für Wissen 2012
ser werden sich grundsätzlich auch die
unterirdischen Speicher und damit die
Quellabflüsse in Zeit und Raum verändern. Ein laufendes Projekt der Universität Freiburg i.Br. unter Verwendung von kombinierten Tracer- und
Modellansätzen entwickelt die Methodik mit neuen Tracern laufend weiter
(kLaus et al. 2012). Hier besteht noch
Forschungsbedarf.
Literatur: rodewaLd und knoepFeL (2011); sChweizer (2010, 2011);
sChweizer und reynard (2010); knoepFeL (2011)
IWAGO – Integrative Wasserpolitik
Das Projekt IWAGO behandelt die
Integrative Wasserpolitik und das Wassermanagement und erarbeitet Werkzeuge zum besseren Management der
Wasserressourcen und der Wassernutzungen. Strategien und Instrumente
werden für die Anwendung in der Praxis und der Wissenschaft zur Verfügung
gestellt. Das Integrierte Wassermanagement berücksichtigt die Aspekte
der Sektoren Wassernutzung, Gewässerschutz und Hochwasserschutz in
einem gegebenen Raum. Die rechtlichen Zuständigkeiten, politische Kompetenzen und die Organisationsstrukturen erhalten besonderes Augenmerk.
Ein weiteres Ziel ist es zu ermitteln,
wie eine integrative Schweizer Wasserpolitik aussehen könnte. Es wird beurteilt, wie die Wassersektoren zusammenarbeiten und wie sie in geeigneter
Weise gesteuert werden können.
Abschliessend zu dieser kurzen Darstellung aus der Projektebene muss
nochmals festgehalten werden, dass
im NFP 61 ein explizites Schneeprojekt nicht vertreten ist. Das ist nicht nur
bezüglich des Nationalen Programms
sondern auch hinsichtlich der alpinen
Wasserressourcen eine nicht zu unterschätzende Lücke. Hier braucht das
Programm externes Wissen, das einbezogen werden kann. Sie kann glücklicherweise geschlossen werden. Die
Thematische Synthese 1 des NFP 61
kann den «Schnee» im Hinblick auf die
Gesamtsynthese «Nachhaltige Wassernutzung» aus den Forschungsarbeiten
der WSL und des SLFs und weiterer
Institutionen einbringen.
Schlussbetrachtungen
Als befristet angelegtes Forschungsprogramm kann ein NFP selbst nur
kurzfristig einen Beitrag zu den alpinen
Schnee- und Wasserressourcen leisten.
Die WSL hat hier die besseren Voraussetzungen, weil sie langfristig Einfluss
nehmen kann. Es liegt im Bestreben
der Leitungsgruppe des NFP 61, diese
Ausgangslage zu nutzen und Synergien zu mobilisieren. Wenn es gelänge,
die Philosophie und die Ansätze des
NFP 61, wie oben beschrieben, unter
anderem Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit, in der Gemeinschaft weiter
zu stärken, und die eidgenössische Forschungsanstalt WSL und weitere Institutionen dieses Gedankengut auch
in Zukunft weiter tragen, dann hätte
das NFP 61 ein grosses Ziel erreicht.
Über die Transdisziplinarität soll im
Programm das Verständnis und die
Akzeptanz für die Grundideen einer
nachhaltigen Wasser-Ressourcen-Nutzung geschaffen werden. Das wird in
der Laufzeit eines NFP nur bedingt
möglich sein. Mit dem Umweg über
langfristig tätige Forschungseinrichtungen wie der WSL müssten hier Erfolge erzielt werden können. Die Aufgabe
ist alles andere als unlösbar, vertreten
doch die WSL und die EAWAG diese
Ideen bereits in ihren Projekten und
Veröffentlichungen.
Wir können auch feststellen, dass
sich bereits während der Laufzeit des
NFP 61 der Druck auf die Wassernutzungen über die Wirkungen des Klimawandels hinaus im Alpenraum verstärkt hat. Nutzungen wie Tourismus
(Beschneiung), Wasserversorgung und
Bewässerung gehen von einem steigenden Wasserbedarf aus und werden
damit zu konkurrierenden Nutzungen, die eines umsichtigen Managements bedürfen. Insbesondere sind
aber durch die Energiewende und
dem damit verbundenen weiteren Ausbau der Wasserkraft neue, unerwartete Konflikte ins Blickfeld gerückt. Das
NFP 61 versucht hier, die Grundgedanken Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit einzubringen und die Werkzeuge
und Strategien für ein Integriertes Ressourcenmanagement zur Mininimierung der Konflikte zur Verfügung zu
stellen.
Forum für Wissen 2012
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Informationen zu den Projekten
http://www.NFP 61.ch/D/projekte/Seiten/
alle-projekte.aspx
Videoclips zu den Projekten
http://www.NFP 61.ch/D/projekte/videoclips/Seiten/default.aspx
68
Abstract
Relevant aspects of the NRP 61 (Sustainable Water Use)
The NRP 61 aims a comprehensive survey of the Swiss water use. Since the Alps
save a large part of the water resources of Switzerland (snow, ice, water) they
play a crucial role for the water use in the country. In the past we assumed to be
dealing with a stable system. Today we are faced with very strong changes in snow
and ice resources. How the system develops over the next 30 to 100 years will be
is the central research issue of NRP 61. The research of the programme is based
on a holistic approach and relies on the pillars of sustainability, multidisciplinarity, transdisciplinarity and implementation. Using the Integrated Water Resources
Management (IWRM) to bring the different interests into a balance, the NRP 61
will contribute to minimise the conflicts of water use in future. The idea of implementation is strongly promoted within the programme. Stakeholders are involved
from the start of the programme to ensure a true transdisciplinary work. Furthermore, the pressure on the use of the alpine water resources has recently already
increased due to the political decisions made with regard to water power in the
framework of the energy strategy of Switzerland.
Keywords: water resources, water management, holistic approach, sustainability,
implementation, transdisciplinarity
Forum für Wissen 2012
Verzeichnis der Schriftenreihe «Forum für Wissen»
Forum für Wissen 2011
Der multifunktionale Wald – Konflikte und Lösungen. 58 S.
Forum für Wissen 2010
Landschaftsqualität. Konzepte, Indikatoren und Datengrundlagen. 67 S.
Forum für Wissen 2009
Langzeitforschung für eine nachhaltige Waldnutzung. 129 S.
Forum für Wissen 2008
Ballungsräume für Mensch und Natur. 82 S.
Forum für Wissen 2007
Warnung bei aussergewöhnlichen Naturereignissen. 96 S.
Forum für Wissen 2006
Wald und Klimawandel. 71 S.
Forum für Wissen 2005
Wald und Huftiere – eine Lebensgemeinschaft im Wandel. 74 S.
Forum für Wissen 2004
Schutzwald und Naturgefahren. 103 S.
Forum für Wissen 2000
Naturwerte in Ost und West. Forschen für eine nachhaltige Entwicklung vom Alpenbogen bis zum Ural. 87 S.
Forum für Wissen 1999, 2
Nachhaltige Nutzung im Gebirgsraum. 70 S.
Forum für Wissen 1999, 1
Biosphärenpark Ballungsraum. 56 S.
Forum für Wissen 1998
Optimierung der Produktionskette «Holz». 87 S.
Forum für Wissen 1997
Säure- und Stickstoffbelastungen – ein Risiko für den Schweizer Wald? 100 S.
Forum für Wissen 1996
Wild im Wald – Landschaftsgestalter oder Waldzerstörer? 71 S.
Forum für Wissen 1995
Erhaltung der Biodiversität – eine Aufgabe für Wissenschaft, Praxis und Politik. 59 S.
Forum für Wissen 1994
Waldwirtschaft im Gebirge – eine ökologische und ökonomische Herausforderung. 54 S
Forum für Wissen 1993
Naturgefahren. 63 S.
Forum für Wissen 1992
Waldschadenforschung in der Schweiz: Stand der Kenntnisse. 162 S.
Forum für Wissen 1991
Wald und Landschaft: Lebensräume schützen und nutzen. 63 S.