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FORUM für Wissen 2012 Alpine Schnee- und Wasserressourcen gestern, heute, morgen WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL ISSN 1021-2256 FORUM für Wissen 2012 Alpine Schnee- und Wasserressourcen gestern, heute, morgen Eidgenössische Forschungsanstalt WSL CH-8903 Birmensdorf 2 Das Forum für Wissen ist eine Veranstaltung, die von der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL durchgeführt wird. Aktuelle Themen aus den Arbeitsgebieten der Forschungsanstalt werden vorgestellt und diskutiert. Neben Referenten von der WSL können auswärtige Fachleute beigezogen werden. Gleichzeitig zu jeder Veranstaltung «Forum für Wissen» erscheint eine auf das Thema bezogene Publikation. Verantwortlich für die Herausgabe Prof. Dr. Konrad Steffen, Direktor WSL Wir danken folgenden Personen, welche sich als Reviewer zur Verfügung stellten, für die kritische Durchsicht der Beiträge und die hilfreichen Kommentare: Luzi Bernhard, Thomas Grünewald, Martin Heggli, Corina Lardelli, Martin Moritzi, Marco Pütz, Hansueli Rhyner, Bettina Schäfli, Anja Schilling, Edgar Schmucki, Flurina Schneider, Jan Seibert, Irmi Seidl, Manfred Stähli, Michaela Teich, Jens Turowski und Vanessa Wirz Managing Editor Sandra Gurzeler Druck Gonzen Druck AG, Bad Ragaz Zitierung Eidgenössische Forschungsanstalt WSL (Hrsg.) 2012: Alpine Schnee- und Wasserressourcen gestern, heute, morgen. Forum für Wissen 2012: 68 S. ISSN 1021-2256 Bezugsadresse WSL Shop Zürcherstrasse 111 CH-8903 Birmensdorf http://www.wsl.ch/eshop/ © Eidgenössische Forschungsanstalt WSL Birmensdorf 2012 Forum für Wissen 2012 Forum für Wissen 2012 3 Vorwort Die Schweiz wird häufig als Binnenland ohne Rohstoffe dargestellt. Dies ist falsch, das Alpenland Schweiz verfügt über den „Rohstoff“ Wasser, den es dank seiner Lage im Herzen Europas schon längst gewinnbringend einsetzt. Wasser findet sich hierzulande im Überfluss: Entweder in Form von Gletschern und schneebedeckten Bergen oder in über 1500 Seen, Flüssen und Bächen. Mengenmässig sind das sechs Prozent der Süsswasservorräte Europas, obwohl die Schweiz flächenmässig nur gerade vier Promille des Kontinents ausmacht. Dank diesem Wasserreichtum und der alpinen Lage am höchsten Punkt der kontinentalen Wasserscheide gilt die Schweiz zu Recht als Wasserschloss Europas. Der Schnee in den Bergen und die vielen alpinen Gewässer dienen einerseits der Wasser- und Elektrizitätswirtschaft, werden aber auch touristisch genutzt. Trotz des Wasserreichtums kann es so in gewissen Regionen und Zeiten zu Konflikten zwischen verschiedenen Nutzern oder zwischen Nutzern und Naturschutz kommen. Weil die alpinen Schnee- und Wasserressourcen auch durch die Klimaänderung beeinflusst werden, können neue Nutzungskonflikte entstehen oder bereits bestehende verschärft werden. Hier setzt das diesjährige WSL Forum für Wissen «Alpine Schnee- und Wasserressourcen gestern, heute, morgen» an. Mit der Veranstaltung und dem vorliegenden Tagungsband wollen wir einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung geben und einige Herausforderungen in der Praxis aufzeigen. Die ersten drei Beiträge beschäftigen sich mit der Quantifizierung der vergangenen und zukünftigen Schnee- und Wasserressourcen auf verschiedenen Raum- und Zeitskalen. Die Beiträge 4 und 5 thematisieren die vielfältigen Aspekte der Nutzung der alpinen Schnee- und Wasserressourcen im Berggebiet, aber auch den Schutz vor deren Gefahren. Die Bedürfnisse und Herausforderungen von Wasserwirtschaft, Wintersport und Wasserkraft werden in den nächsten drei Beiträgen dargelegt. Der letzte Beitrag schlägt eine Brücke zum aktuellen Nationalen Forschungsprogramm «Nachhaltige Wassernutzung». Die Beiträge bieten somit eine gute Möglichkeit, sich umfassend über die Thematik der alpinen Schnee- und Wasserressourcen zu orientieren. Alle Artikel wurden einem umfassenden Review unterzogen. Wir danken diesen Gutachtern für ihre konstruktiven Kommentare und Verbesserungsvorschläge. Vor allem aber danken wir den Autoren und Autorinnen für ihre Beiträge. Die WSL freut sich darauf, gemeinsam mit ihren Partnern das hier gezeigte Wissen weiter zu entwickeln und mögliche Lösungen bei Nutzungskonflikten aufzuzeigen. Folgenden Personen sei an dieser Stelle herzlich für ihr Engagement bei der Tagungsvorbereitung und -durchführung gedankt: Leitungsteam: Manfred Stähli, Michael Lehning, Tobias Jonas, Martine Rebetez Moderatoren: Peter Bebi, Sylvia Kruse, Christoph Hegg Organistion und Sekretariat: Sandra Gurzeler, Susanne Raschle, Marion Berner Birmensdorf und Davos, im Oktober 2012 Konrad Steffen, Direktor WSL Christoph Marty, Tagungsleiter Forum für Wissen 2012 5 Inhalt Seite Vorwort 3 Monitoring von Schneewasserressourcen in der Schweiz Tobias Jonas 7 Kleinräumige Schneeverteilung und Einfluss der Topographie Michael Lehning, Thomas Grünewald, Christoph Marty, Rebecca Mott und Manfred Stähli 13 Vorhersage und Szenarien von Schnee- und Wasserressourcen im Alpenraum 19 Massimiliano Zappa, Luzi Bernhard, Felix Fundel und Stefanie Jörg-Hess Natürliche und technische Schneesicherheit in einer wärmeren Zukunft Bruno Abegg 29 Wasserwirtschaft in Davos – eine kurze Bilanz ihrer Nachhaltigkeit Veronika Stöckli 37 Herausforderungen und Ziele für die Schweizer Wasserwirtschaft der Zukunft Hugo Aschwanden 43 «Elmer hydro» – Systeme zur Beschneiung und Stromproduktion kombinieren Samuel Hefti und Peter Gonsowski 51 Wasserkraft in Zukunft: Bedürfnisse und Herausforderungen am Beispiel Prättigau Gian Paolo Lardi 57 Relevante Aspekte aus dem Nationalen Forschungsprogramm NFP 61 «Nachhaltige Wassernutzung» Christian Leibundgut 61 Forum für Wissen 2012: 7–12 7 Monitoring von Schneewasserressourcen in der Schweiz Tobias Jonas WSL-Institut für Schnee und Lawinenforschung SLF, Flüelastrasse 11, CH-7260 Davos Dorf [email protected] In weiten Teilen der Schweiz führt die vorübergehende Speicherung von Niederschlägen in Form von Schnee zu grossen saisonalen Unterschieden im Abfluss. In nival geprägten Einzugsgebieten beobachten wir die höchsten Abflussmengen in den Monaten Mai und Juni. Durch die Schneeschmelze bedingte erhöhte Abflüsse sind ein wichtiger Aspekt bei der Hochwasservorhersage im Frühling und für die Regulierung von Gewässern und Speicherseen. Schnee ist auch ein wichtiger Faktor für die Wahrscheinlichkeit von extremen Abflussereignissen im Herbst und Frühwinter. Das WSL-Institut für Schnee und Lawinenforschung SLF betreibt seit 2009 den operationellen schneehydrologischen Dienst (OSHD) im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU). Der OSHD analysiert laufend die räumliche und zeitliche Verteilung von Schneewasserressourcen in der Schweiz und trägt damit zu einer verbesserten hydrologischen Vorhersage und einer vorausschauenden Gewässerregulierung bei. Das Monitoring des OSHD stützt sich dabei auf eine Kombination von Schneemessdaten und Modellen. Darüber hinaus ermöglichen die Modelle auch, Aussagen zu regionalen Schneeschmelzraten und den von Schneeschmelze betroffenen Flächenanteilen und Höhenstufen zu treffen. Die Daten des OSHD können mit den Prozessabläufen in operationellen hydrologischen Modellen verglichen und in diese assimiliert werden. 1 Die Bedeutung von Schnee in der Hydrologie Die Topografie der Schweiz ist von den Alpen geprägt. Gut 50 Prozent der Landesfläche befindet sich über 1000 m ü.M., knapp 25 Prozent oberhalb von 2000 m ü.M. So erstaunt es nicht, dass ein erheblicher Teil des Jahresgesamtniederschlags der Schweiz in Form von Schnee fällt. In weiten Teilen des Mittellandes macht Schnee nur durchschnittlich fünf Prozent des Jahresniederschlags aus. Auf rund 1500 m ü.M. – also etwa in Davos, Andermatt, oder Zermatt – beträgt dieser Anteil bereits grob ein Drittel. Ab 2000 m fällt bereits mindestens die Hälfte des Jahresniederschlags als Schnee. Natürlich variieren diese Zahlen von Jahr zu Jahr und zum Teil auch regional. Dennoch ist sofort ersichtlich, dass die Bedeutung von Schnee für die Hydrologie stark von der Höhenverteilung des jeweiligen Einzugsgebietes abhängt. Die Funktion des Schnees als Zwischenspeicher von Winterniederschlägen ist von grosser Bedeutung. Je nach Verhältnissen schmilzt Neuschnee sofort beim Auftreffen auf den warmen Boden, beim ersten Sonnenschein nach wenigen Tagen, im darauffolgenden Frühling, oder in glazial-geprägten Gebieten gar erst nach Jahren. Darüber hinaus beeinflusst das Vorhandensein einer Schneedecke auch den Niederschlagsanteil, der durch Evaporation und Sublimation für die Abflussbildung verloren geht. Diese Eigenschaften von Schnee führen zu einer saisonalen Abflussdynamik, die je nach Höhenverteilung im Einzugsgebiet unterschiedlich ausgeprägt ist (Abb. 1). In nival geprägten Einzugsgebieten beobachten wir die höchsten Abflussmengen in den Monaten Mai und Juni mit gut doppelten Mengen als im Jahresdurchschnitt. Während in glazial geprägten Einzugsgebieten die saisonalen Unterschiede durch die zusätzliche Gletscherschmelze noch grösser sind, sind die Abflussverhältnisse in tieferen Einzugsgebieten im Jahresverlauf ausgeglichener. Die saisonalen Unterschiede beim Abfluss aus nival geprägten Einzugsgebieten sind in vielerlei Hinsicht relevant. Zum einen sind die durch die Schneeschmelze bedingten erhöhten Abflüsse im Frühling ein wichtiger Faktor für hydrologische Vorhersagen. Im Mai 1999 beispielsweise führte eine Abb. 1. Relative Abflussdynamik im Jahresverlauf für Einzugsgebiete mit unterschiedlicher Höhenlage. Der Pardé-Koeffizient ist der Quotient aus dem mittleren Monatsabfluss und dem mittleren Jahresabfluss. Grafik gemäss OcCC/ProClim (2007). 8 Kombination von Schneeschmelze und Niederschlägen zu zwei Hochwasserereignissen, welche in der Schweiz direkte Kosten im Umfang von ca. 580 Mio. CHF verursachten (Bundesamt für Wasser und Geologie 2000). Zum anderen sind die zu erwartenden Schneeschmelzmengen für die Regulierung und Bewirtschaftung von Seen, Gewässern und Speicherreservoirs von Bedeutung. Auch zu anderen Jahreszeiten können die Schneeverhältnisse entscheidend sein, insbesondere bei Starkniederschlagsereignissen mit variabler Schneefallgrenze oder bei bestehender Schneedecke vor einem Ereignisbeginn. Insofern ist Schnee auch ein wichtiger Faktor für die Eintretenswahrscheinlichkeit von extremen Abflussereignissen im Herbst und Frühwinter. Schnee kann auch bei extrem niedrigen Abflüssen eine Rolle spielen, namentlich wenn auf geringe Schneemengen im Winter warme und niederschlagsarme Sommer folgen. Deshalb sind Winterschneemengen auch ein wichtiges Element in der längerfristigen Vorhersage von Trockenheit. 2 Die räumliche Verteilung von Schnee und deren zeitliche Entwicklung Schnee weist in der Regel komplexe Verteilungsmuster in Raum und Zeit auf. Dies gilt zudem für verschiedene räumliche Skalen. Selbst innerhalb weniger Meter variieren die Schneemengen (gemessen in mm Wasseräquivalent) um 15 bis 25 Prozent (Jonas Forum für Wissen 2012 et al. 2009). Deshalb ist die Frage nach der Repräsentativität von Schneemessungen an Einzelstandorten grundsätzlich komplex. Die Ursachen kleinräumiger Variabilität in der Verteilung von Schnee in alpiner Topografie sind Gegenstand des nachfolgenden Beitrags von Lehning (in diesem Band). Hier konzentrieren wir uns auf die Verteilung von Schnee in Raum und Zeit auf regionaler sowie auf saisonaler bis jährlicher Skala. Es ist leicht nachvollziehbar, dass Schneemengen in der Regel eine klare Abhängigkeit von der Höhenlage aufweisen. Allerdings ist dieser Höhentrend oft mit einer grossen Streuung behaftet. Abbildung 2a zeigt Schneemengen in Abhängigkeit der Höhe für den 27.2.2011 auf der Basis von ausgewählten Messdaten der Schneemessnetze der MeteoSchweiz (grün), des Beobachtermessnetzes des SLFLawinenwarndienstes (rot) und des IMIS-Messnetzes (blau). Die farbliche Aufteilung zeigt, dass die jeweiligen Messnetze nur einen begrenzten Höhenbereich abdecken und dass innerhalb dieser Höhenbereiche jeweils nur eine schwache Korrelation zwischen den Schneemengen und der Höhe vorliegt. In der Gesamtschau zeigt sich aber ein klarer Höhentrend in der Schneeverteilung, was demonstriert, wie wertvoll die Kombination von Daten verschiedener Messnetze ist. Ein Teil der in Abbildung 2 ersichtlichen Variabilität ist auf regionale Unterschiede zurückzuführen. Abbildung 2b zeigt Schneemengen in Abhängigkeit von der Höhe, wobei hier die rot hervorgehobenen Stationswerte der Region Prättigau und Umgebung zugeordnet sind. Die Variabilität innerhalb dieser Region ist deutlich kleiner als für die ganze Schweiz. Auch ist der regionale Trend (Abb. 2b, rote Kurve) leicht verschieden vom globalen Trend (Abb. 2a, blaue Kurve). Die Variabilität in der Verteilung von Schnee hat auch eine saisonale Komponente. Um diese näher zu beleuchten, betrachten wir die Schneehöhe-Daten sämtlicher Stationen des Interkantonalen Mess- und Informationssystem IMIS im Verlaufe einer Wintersaison (Abb. 3). Die Daten zeigen den allenfalls nicht besonders intuitiven Befund, dass sich die hohe absolute Variabilität der Schneeverteilung – für welche die Standardabweichung der gemessenen Schneehöhen ein Mass ist – bereits während der Akkumulationsphase ausbildet, und nicht erst während der Schmelzphase. Schneeverteilungsmuster variieren nicht nur saisonal sondern auch regional und von Jahr zu Jahr. Abbildung 4 zeigt exemplarisch die Schneehöhenverteilung in sechs aufeinanderfolgenden Jahren relativ zum langjährigen Mittel der letzen 40 Jahre. Die Daten zeigen ein hohes Mass an Variabilität in der Schneehöhenverteilung. Je nach Niederschlags- und Temperaturverhältnissen bestehen grosse Unterschiede zwischen den Regionen (1972, 1973), und / oder zwischen den Jahren (1975, 1976). Vergleichende Aussagen zu variablen Schneehöhen wie jene in Abbildung 4 erfordern eine hohe Stationsdichte in Verbindung mit langjährigen Messreihen, was den enormen Wert eines langfristigen Managements der Messnetze für die Anwendung demonstrieren mag. Abb. 2. Schneemengen (SWE) in Abhängigkeit von der Höhe über Meer für den 27.2.2011. a) Stationen nach Messnetzen separiert, Schneemessnetze der MeteoSchweiz (grün), Beobachtermessnetze des SLF-Lawinenwarndienstes (rot) und das IMIS-Messnetz (blau). b) Stationen aus der Region Prättigau und Umgebung (rot), alle anderen Daten (grün). Forum für Wissen 2012 Neben den oben genannten Aspekten, hat auch die Bodennutzung einen Einfluss auf die Schneehöhenverteilung. Als Beispiel sei hier der Einfluss von Wald auf die Akkumulation von Schneewasserressourcen erwähnt. Einerseits bleibt ein bedeutender Teil des Schneefalls in den Baumkronen hängen, von wo er teilweise sublimiert. In einem subalpinen Nadelwald kommt auf diese Art etwa ein Drittel des Winterniederschlags nie am Boden an (Lopez-Moreno und stähLi 2008). Andererseits verändert der Baumbestand z.B. durch Abschat- 9 tung die Schmelzdynamik, so dass Aufund Abbau der Schneedecke im Wald anders ablaufen als im Freien. Einen detaillierteren Überblick über die Thematik findet sich in Jonas und essery (2011). 3 Schneemessnetze in der Schweiz Die Schweiz verfügt über ein dichtes Netz an Schneemessstationen. An über 100 automatischen Stationen wird heu- Abb. 3. Standardabweichung und Mittelwert der Schneehöhenverteilung, basierend auf täglichen Daten des Interkantonalen Mess- und Informationssystems IMIS für den Winter 2006/07 gemäss egLi und Jonas (2009). Daten der Akkumulationsphase (blauer Pfeil), zu Beginn der Schmelzperiode (roter Pfeil) und gegen Ende der Ausaperungsphase (grüner Pfeil). Abb. 4. Schneehöhenverteilung jeweils am 15.3. der Jahre 1972 bis 1977, relativ zum Mittelwert der letzten 40 Jahre am 15.3. Blaue Farben markieren Gebiete mit überdurchschnittlichen, roten Farben mit unterdurchschnittlichen Schneemengen. te nebst vielen anderen Parametern auch die Schneehöhe gemessen. Der überwiegende Anteil dieser Stationen geht auf das IMIS-Messnetz zurück. Leider ist es bedeutend aufwändiger und schwieriger, automatische Messungen des Schneewasseräquivalents oder der Neuschneemengen zu realisieren (egLi et al. 2009). Deshalb gibt es bisher nur vereinzelt Standorte, an denen diese Parameter automatisch erfasst werden. Allerdings betreibt das SLF für IMIS-Standorte das Schneedeckenmodell Snowpack (Lehning et al. 2002), so dass eine Modellabschätzung dieser Parameter operationell zur Verfügung steht. Zusätzlich zu den oben genannten automatischen Messungen führt eine Vielzahl von Beobachtern, zumeist täglich, manuelle Messungen durch. Der SLF-Lawinenwarndienst betreibt gleich mehrere solche Beobachtermessnetze, die im Winter täglich Rückmeldungen geben. Die Beobachter liefern je nach Messnetz wertvolle Daten zu Schneehöhen, Neuschneehöhen, Schneelagengrenze, und Schneefallgrenze. Zudem wird an etwa 40 Standorten 14-tägig das Schneewasseräquivalent gemessen. Schliesslich gibt es eine grosse Anzahl Beobachter, die im Rahmen der Niederschlagsmessungen der MeteoSchweiz täglich die Parameter Schneehöhe und Neuschneehöhe melden. In der Gesamtschau aller Standorte, an denen Schneeparameter gemessen werden oder wurden (Abb. 5), ergibt sich eine beachtliche Dichte von Messstationen. Im Anbetracht der in Kapitel 2 beschriebenen hohen räumlichen Variabilität der Schneeverteilung ist aber auch eine hohe Informationsdichte nötig, um Aussagen zu regionalen Verteilungsmustern machen zu können. Nur schon um regionale Höhentrends wie in Abbildung 2b zu repräsentieren, benötigt es pro Region und Höhenstufe einige Messstationen. Für das Monitoring von Schneewasserressourcen ist weniger die Schneehöhe oder die Neuschneehöhe, sondern vielmehr das Schneewasseräquivalent (SWE) oder das Neuschneewasseräquivalent relevant. Trotz beeindruckender Messnetzdichte stehen nur die 14-tägigen SWE-Messungen an gut 40 Standorten zur Verfügung. Daher ist ein Monitoring von Schneewasserres- 10 sourcen nur auf Basis von SWE-Messdaten nicht sinnvoll. Vielmehr ist es notwendig, auch die Vielzahl der verfügbaren anderen Daten in Kombination mit diversen Modellen nutzbar zu machen. Auch Fernerkundungsdaten spielen eine wichtige Rolle im Monitoring von Schneewasserressourcen. Operationell verfügbar ist heute eine Reihe von Produkten zur Schneebedeckung (SCA). SCA-Produkte werden meist von Daten optischer Sensoren abgeleitet. Dafür sind wolkenlose Verhältnisse nötig. Mit Komposittechniken und Modellen zur Überbrückung von Datenlücken lässt sich ein Teil dieses Problems überwinden, aber bei langanhaltender Bewölkung stehen derartige SCA-Produkte nicht zur Verfügung. Im Radarbereich ist die Wetterabhängigkeit wesentlich geringer, allerdings ist die Interpretation der Rohdaten meist um einiges komplexer als im optischen Bereich. Operationell verfügbare Fernerkundungsdaten zum SWE (www. globsnow.info) erreichen heute eine räumliche Auflösung von 25 km und sind daher für Anwendungen in der Schweiz noch eher ungeeignet. 4 Operationelles Monitoring von Schneewasserressourcen in der Schweiz Das SLF betreibt seit 2009 einen operationellen schneehydrologischen Dienst (OSHD) im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU). Der OSHD analysiert laufend die räumliche und zeitliche Verteilung von Schneewasserressourcen in der Schweiz und trägt damit zu einer verbesserten hydrologischen Vorhersage und zur vorausschauenden Gewässerregulierung bei (www.wsl.ch/ fe/gebirgshydrologie/schnee_hydro/ oshd). Der OSHD ist in die Vorhersage- und Warntätigkeit der Fachstellen des Bundes integriert, welche sich im Lenkungsausschuss Intervention Naturgefahren (LAINAT) koordinieren. Im Bereich Hydrologie arbeiten das BAFU, die Kantone, die MeteoSchweiz und die WSL eng zusammen. Das Monitoring des OSHD stützt sich auf eine Kombination von Schneemessdaten und Modellen ab. Dabei kommt dem ständigen Abgleich der Forum für Wissen 2012 Abb. 5. Standorte an denen in den letzen zehn Jahren mindestens einmal pro Tag im Winter Schneemessungen durchgeführt wurden. Nicht an allen Standorten wird heute noch gemessen. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Abb. 6. Schneebedeckungskarten (SCA) auf Basis von NOAAAVHRR Daten (mit etwa 1 km-Auflösung), aufbereitet durch die Uni Bern (hüsLer et al. 2012), stehen heute dem SLF operationell zur Verfügung. Hier eine Karte vom 2.6.2012. Schneemodelle mit verfügbaren Messdaten eine wichtige Bedeutung zu. Da Niederschlagsmessungen bei Schneefall die tatsächlichen Neuschneemengen häufig unterschätzen (egLi et al. 2009), können bei herkömmlichen hydrologischen Modellen gerade in der Schneeschmelzperiode kumulative Fehler in der Beurteilung der verfügbaren Schneemengen auftreten – mit entsprechenden Konsequenzen bei der Abschätzung von Schmelzmengen. Das Monitoring des OSHD umgeht dieses Problem weitgehend durch den ständigen Modell-Abgleich mit Schneemessdaten und stellt somit eine wertvolle Ergänzung für niederschlagsbasierte hydrologische Modelle dar. Eine wichtige methodische Basis für den OSHD sind Modelle, die es erlauben, die vielen täglichen Schneehöheninformationen (HS) für das Monitoring nutzbar zu machen. Dies erfordert die Umrechnung von HS in SWE. An den Standorten automatischer Messstation sind zusätzliche meteorologische Daten verfügbar, weshalb dort das SWE wie bereits erwähnt mit Hilfe physikalisch basierter Modelle berechnet werden kann. Anders verhält es sich an den Beobachterstandorten, wo in der Regel keine meteorologischen Daten erhoben werden. Aus diesem Grund hat der OSHD eine Reihe von parametrischen Modellen entwickelt (Jonas et al. 2009; sturM et al. 2010), die es ermöglichen das SWE rein auf der Basis von Schneehöheinformationen oder allenfalls mit Hilfe zusätzlicher Temperaturdaten zu berechnen. Je nach Datenverfügbarkeit lässt sich so das SWE mit Hilfe einfacher Dichteabschätzungen oder mit komplexeren geschichteten Modellen berechnen (Abb. 7). Mit Hilfe dieser Modelle verfügen wir über tägliche SWE-Informationen von über 200 Standorten in der Schweiz. Der OSHD erstellt SWE-Karten in 1 km-Gitterauflösung mit Hilfe eines konzeptuellen Schneeschmelzmodells, welches Neuschneedaten primär aus den verfügbaren Daten der Schneemessnetze ableitet. Als Basis für den Neuschneeinput dienen dabei Stationsdaten, welche mit Hilfe eines speziell für Schneeverteilungen adaptierten Verfahrens räumlich interpoliert werden. Die so berechneten SWE-Karten werden in einem iterativen Prozess gegen verfügbare Messdaten und satellitengestützten SCA-Karten validiert Forum für Wissen 2012 und verbessert. Durch eine Ankopplung an die meteorologische Vorhersagen der COSMO-Modellgruppe (Consortium for Small-scale Modeling, www.cosmo-model.org) kann das Schneeschmelzmodel im Vorhersagemodus betrieben werden. Um relative Vergleiche der aktuellen Situation zum langjährigen Mittel oder zu anderen Jahren darstellen zu können, wurden Kartenarchive mit täglichen SWE-Karten in Klimatologien zusammengefasst. So gibt es ein Kartenarchiv welches zwar nur die letzten 13 Jahre erfasst, dafür aber Daten des Ende der neunziger Jahre aufgebauten IMIS-Messnetzes integriert. Andererseits gibt es eine über vierzigjährige Klimatologie auf der Basis von etwa 100 langjährigen Messreihen. Die Produkte des OSHD (Abb. 8) werden in regelmässigen Bulletins zusammengefasst, welche dem BAFU und den Benutzern der Gemeinsamen Informationsplattform Naturgefahren GIN (www.gin-info.ch) zur Verfügung stehen. Neben den klassischen SWEMonitoringprodukten (Abb. 8a und 11 Abb. 7. Berechnungen der Schneedichte mit zwei Modellen unterschiedlicher Komplexität und unterschiedlichen Erfordernissen in Bezug auf die Inputdaten. Die Berechnungen für den Stationsstandort Weissfluhjoch (Davos) beziehen sich auf die Wintersaison 2004/05, zunehmende Dichten von 100 bis 500 kg/m3 sind per Farbskala (blau-grün-gelb-rot) dargestellt. a) einfache Dichteparametrisierung als Funktion der Schneehöhe, Höhenlage, und Saison gemäss Jonas et al. (2009). b) komplexeres (noch unpubliziertes) Modell mit stratifizierter Dichte, welches auf täglichen Schneehöhe-Daten basiert, und zusätzlich Temperaturund SWE-Daten zu assimilieren vermag. Abb. 8. Beispielprodukte der schneehydrologischen Bulletins des OSHD. SWE Karte in 1 km Auflösung, a) absolut, Werte von 0 bis 500 mm sind per Farbskala (weiss-gelb-grün-blau) dargestellt, und b) relativ zur Mittelwert der letzen 13 Jahre, Werte von –150 bis +150 mm sind per Farbskala (blau-grün-rot) dargestellt, c) konzeptuelle Darstellung zur Identifizierung der Flächenanteile und Höhenstufen welche Schmelzwasser beitragen, apere Fläche sind in grün, beitragende Flächen in rot/blau dargestellt, d) Karte zu Schneeschmelzraten, Werte von 0 bis 50 mm/Tag sind per Farbskala (weiss-orange-rot) dargestellt. 12 8b) erlauben die verwendeten Schneemodelle weitere Aussagen, die in der operationellen hydrologischen Vorhersage von Bedeutung sind. Einerseits ist es wichtig, Flächenanteile und Höhenstufen zu bestimmen, die mit Schmelzwasser zum Abfluss beitragen (Abb. 8c), andererseits können auch die entsprechenden Schmelzraten berechnet werden (Abb. 8d). Die Daten des OSHD können mit den Prozessabläufen in operationellen hydrologischen Modellen verglichen oder in diese assimiliert werden (siehe Beitrag von zappa et al. in diesem Band). Der OSHD entwickelt die eingesetzten Methoden und Modelle laufend weiter. Aktuell arbeitet der OSHD an einer verbesserten Assimilation von Stationsdaten in die räumlich expliziten Schneeschmelzmodelle. Darüber hinaus wird die Differenzierung verschiedener Gelände- und Landnutzungsklassen (z. B. Exposition und Waldflächen) weiterentwickelt. Forum für Wissen 2012 5 Literatur Bundesamt für Wasser und Geologie (Hrsg.), 2000: Hochwasser 1999 – Analyse der Ereignisse, Studienbericht Nr. 10. egLi, L.; Jonas, t., 2009: Hysteretic dynamics of seasonal snow depth distribution in the Swiss Alps. Geophys. Res. Lett. 36: L02501. egLi, L.; Jonas, t.; Meister, r., 2009: Comparison of different automatic methods for estimating snow water equivalent. Cold Reg. Sci. Technol. 57: 107–115. hüsLer, F.; Jonas, t.; wunderLe, s.; aLBreCht, s., 2012: Validation of a modified snow cover retrieval algorithm from historical 1-km AVHRR data over the European Alps. Remote Sens. Environ. 121: 497–515. Jonas, t.; essery, r., 2011: Snow cover and snowmelt in forest regions. In: singh, V.p.; singh, p.; haritashya, u.k. (eds) Encyclopedia of snow, ice and claciers, Series Encyclopedia of Earth Sciences Series; Dordrecht Heidelberg, Springer. 1033– 1036. Abstract Monitoring of snow water resources in Switzerland In Switzerland, snow is an important component of the hydrological cycle, with roughly 1/3 of the total annual precipitation being snow. Snow melt influences the seasonal discharge and may lead to spring floods, often in combination with other factors. Prior snow-melt related floods have raised the awareness to snow hydrology in general. This process led to an integration of snow water resources monitoring into the federal flood forecast system. Since 2009, the SLF runs an operational snow-hydrological service (OSHD) in cooperation with the Federal Office for the Environment (FOEN). The primary task of the OSHD is to monitor the spatio-temporal distribution of snow water resources in Switzerland. It thus contributes to enhanced flood forecasts and a sound management of lakes and reservoirs. The OSHD monitoring system is primarily based on snow data from several monitoring networks and provides observed or measured information rather than modeled snow storage based on precipitation. The system is coupled to a snow melt model which provides snow water equivalent and melt rate maps at 1km resolution. Moreover, it allows for short-term predictions based on COSMO weather forecast data. Keywords: snow water resources, hydrology, monitoring, flood forecast, model Jonas, t.; Marty, C.; Magnusson, J., 2009: Estimating the snow water equivalent from snow depth measurements in the Swiss Alps. J. Hydrol. 378: 161–167. Lehning, M.; BarteLt, p.; Brown, B.; Fierz, C.; satyawaLi, p., 2002: A physical SNOWPACK model for the Swiss avalanche warning. Part II: Snow microstructure. Cold Reg. Sci. Technol. 35: 147–167. Lehning, M.; grünewaLd, t.; Marty, C.; Mott, r.; stähLi, M., 2012: Kleinräumige Schneeverteilung und Einfluss der Topographie. Forum für Wissen 2012: 13–18. Lopez-Moreno, J.i.; stähLi, M., 2008: Statistical analysis of the snow cover variability in a subalpine watershed: Assessing the role of topography and forest, interactions. J. Hydrol. 348: 379–394. OcCC/ProClim (Hrsg.), 2007: Klimaänderung und die Schweiz 2050. Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft. sturM, M.; taras, B.; Liston, B.; derksen, C.; Jonas, t.; Lea, J., 2010: Estimating regional and global snow water resources using depth data and climate classes of snow. J. Hydrometrol. 11: 1380–1394. zappa, M.; Bernhard, L.; FundeL, F.; Jörghess, s., 2012: Vorhersage und Szenarien von Schnee- und Wasserressourcen im Alpenraum. Forum für Wissen 2012: 19–27. Forum für Wissen 2012: 13–18 13 Kleinräumige Schneeverteilung und Einfluss der Topographie Michael Lehning1,3, Thomas Grünewald1, Christoph Marty1, Rebecca Mott1 und Manfred Stähli2 WSL-Institut für Schnee und Lawinenforschung SLF, Flüelastrasse 11, CH-7260 Davos Dorf WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf 3 CRYOS, School of Architecture, Civil and Environmental Engineering, EPFL, Lausanne 1 2 Es ist allgemein bekannt und gut dokumentiert, dass der Schnee sehr ungleichmässig im Hochgebirge verteilt ist. Allerdings blieb es der modernen Forschung vorbehalten, die kleinräumige Verteilung von Schnee im Gebirge genauer zu verstehen. Neue Messmethoden wie Laserscanning, aber auch die Auswertung von Messdaten zahlreicher Hochgebirgsstationen im Schweizer Alpenraum helfen zusammen mit einer Modellierung der Schneeverteilung, die relative Bedeutung der Prozesse Niederschlagsbildung, Schneeablagerung, Schneeverfrachtung und Schneeschmelze auf die kleinräumige Schneeverteilung besser zu verstehen und systematisch zu beschreiben. Dieser Artikel fasst bisherige Erkenntnisse zur Schneeverteilung im Gebirge zusammen und zeigt auf, wo noch Lücken im Verständnis existieren. Die Schneehöhe nimmt im Allgemeinen mit der Meereshöhe zu. Das hat zwei voneinander unabhängige Ursachen: a In niedrigeren Höhen fällt wegen der wärmeren Temperaturen nur ein Teil des Winterniederschlages als Schnee. b Generell nimmt der Gesamtniederschlag mit der Höhe zu. Einleitung Dem aufmerksamen Beobachter kann es nicht entgehen, dass der Schnee im Hochgebirge sehr ungleichmässig verteilt ist. Steile Felswände sind oft nahezu schneefrei (wirz et al. 2011), während der Wandfuss oder flache Alpweiden oft überdurchschnittlich viel Schnee aufweisen (Lehning et al. 2011). In einer Zeit, in der einerseits immer genauere Prognosen von Schnee- und Wasserresourcen verlangt werden, zum Beispiel für die Wasserkraftbewirtschaftung oder um Bewässerungs- oder Beschneiungsprojekte zu planen (heFti und gonsowski in diesem Band), und diese Resourcen sich andererseits im Zuge des Klimawandels schnell ändern (Marty 2008; BaVay et al. 2009; Marty und BaVay 2012), ist ein vertieftes Verständnis der kleinräumigen Schneeverteilung wichtig. Die kleinräumige Schneeverteilung beeinflusst nämlich nicht nur den Anfall von Schmelzwasser (LuCe et al. 1998; stähLi et al. 2000; CLark et al. 2011), die Lawinengefahr (sChweizer et al. 2003), oder die Vegetation (wipF et al. 2009), sondern ist auch ein wichtiger Indikator, um Winterniederschläge im Gebirge quantitativ zu erfassen (Mott et al. in review). Im Folgenden werden Aspekte zum Höhengradienten, zu Geländeeffekten und zur Modellierung der Schneeverteilung erläutert. 400 VDS BOR SCA DIA PAR SCH 350 TRU 1GH BED TIT 300 LAG LAG CON GAD ELM CAM FIR VAL OBW 4FK OBW SPN SPN OBM Schneehöhe (cm) 1 2 Höhengradient der Schneehöhe CMA BER BER KES MEI *BEH GOM GOM 7BP MES OTT ZNZ KLO TAM KLO TAM5WJ 250 TUJ TUJ CHA ANV ANV STN 7CO EGH ATT ZER STH BOV 1HB LAU BEV 4EG 1SH 3EL *GUE JUL ARO AROGOR MUNDAV 7AG 4RU DAV OFEDAV 1PL PUZ BOG 1GDILI GUT TUM FIS PMASMN 3SW LUM 4KU 4CR VIN 4OV URS 4LA 4OW HTR HTR MAE 5HI LHO 2ST3UI 5PL 7DI 2RI 3BR 7CA 7MA 6RI SAA 4BD 5SA 2GA 4UL 7MT MTR 3FB 6SB 4FY 1GT 3MB 2AN 5AR VLSELS 4SH 5JU 1GA 4MS 6BG NAS 5ZV 6NT 1GB 6CB 1LC 4MO 1MR 1JA 5DO 2OG 5BI 7BU 5SE NEN 4SF 4WI 5IG 5KK 2ME 1MI 5DF5MA *SIA 2GO5KR 1MN *SBE 7SN 7MZ 7LD 4AO 1GS 1LS1SM 5DI 5SI 5OB 4SM 4ZE 7SC 6AM 7FA 7PO *ELM 5SP 4BN *PIO5VZ 3MG 7SD 7ZU 5VA1AD 5FU4GR 4BP *ENG *CHM 5IN *GRC 7ST 5BE 5KU*EIN *ZER *EVO 5RU1WE 5PU 5CU *CDF 2SO 7ZN 2GU 3WA *CHD*GST *SCU *STG5TC *EBK5IL *ROB *MER *LAG 1LB 7PV *GLA *RAG 5LQ 4VI 5TH *GRO *COM *HAI *TAE *SMA *CHU *WYN *OTL *LUZ *KOP *RUE *ALT *HLL *GRA 7BR *BER *DEL *SIO *NEU *AIG *VAD *PAY 6BE *KLO *BIL *BAS *GUT *LUG *BUS *FAH *MAG *GVE *SBO DTR 2TRSHE FAE 6RO 200 150 100 50 0 0 500 1000 1500 2000 Höhe über Meer (m) 2500 3000 Abb. 1. Mittlere maximale Schneehöhe der Jahre 2001 bis 2012 an Messstationen der MeteoSchweiz (grün), des SLF (rot) und des kantonalen IMIS-Netzes (blau). Die schwarze Kurve ist ein Polynom 4. Grades, das durch die untersten Punkte gezwungen wurde. 14 Trägt man das zehnjährige Mittel der maximalen Winterschneehöhe an allen zur Verfügung stehenden Messstandorten der Schweiz als Funktion der Meereshöhe auf (Abb. 1), so ist die Zunahme der Schneehöhe gut erkennbar. Der systematische Zusammenhang zwischen Schneehöhe und Meereshöhe ist für jede Gebirgsregion anders und kann deshalb nicht einfach als globaler Wert bestimmt werden (s.u.). Klar ist jedoch, dass die Niederschläge ab einer gewissen Höhe wieder abnehmen müssen, weil in sehr grossen Höhen die Dicke der Atmosphäre (etwa 10 km) nicht mehr ausreicht, um noch grosse Niederschläge zu produzieren. Allerdings gibt es weltweit zu wenige Messdaten, um gesicherte Aussagen über den Höhengradienten von Niederschlag und Schneehöhe für Höhen über rund 4500 m Meereshöhe zu treffen. Interessant ist, dass die mittlere Maximalschneehöhe einen ähnlichen Zusammenhang mit der Meereshöhe aufweist wie grosse Schneeniederschläge (BLanChet et al. 2009). Abbildung 1 zeigt, dass nicht nur die Schneehöhe zunimmt, sondern auch, dass die Unterschiede zwischen Stationen auf gleicher Höhe vor allem oberhalb 1000 m ü.M. stark ansteigt. Das heisst umgekehrt, dass eine einzelne Messung in Bezug auf die Schneehöhe in einem bestimmten Höhenbereich und für ein grösseres Gebiet nicht sehr aussagekräftig ist. Hier ist zu berücksichtigen, dass die hohe Variabilität teilweise durch die unterschiedlichen Kleinklimazonen und Niederschlagsregimes der Schweizer Alpen bedingt ist. Abbildung 1 fasst die Situation in der Schweiz zusammen, die durch den Aufbau des IMIS-Netzwerks über die weltweit dichteste Information aus diesem Höhenbereich verfügt. Betrachtet man die Situation global, besteht vor allem in hochalpinen Höhenlagen, wo am meisten Schnee liegt, die grösste Unsicherheit, wie viel Wasser tatsächlich als Schnee gespeichert ist. Die wichtigsten Faktoren, welche diese Variabilität hervorrufen, und die Schätzung der Gesamtschneemenge zu verbessern helfen, diskutieren wir im Abschnitt 3. In den letzten Jahren hat sich die Technik der Lasermessung von Schneehöhen so weit etabliert, dass nun erste Datensätze der räumlichen Verteilung von Schneehöhen im Hoch- Forum für Wissen 2012 gebirge aus verschiedenen Gebirgen Europas und Nordamerikas vorliegen. Mit Hilfe des Laserscanners werden zwei detaillierte digitale Oberflächen – eines mit und eines ohne Schnee – aufgenommen und voneinander subtrahiert. Das ergibt eine Schneehöhenkarte, deren Genauigkeit zwischen 5 und 30 cm liegt (grünewaLd et al. 2010; Banos et al. 2009; deBeer und poMeroy 2010). Abbildung 2 zeigt solche «echten» Höhengradienten für kleine Einzugsgebiete zwischen 3 und 35 km2 aus verschiedenen Gebirgen dieser Erde. Die Schneehöhe wurde immer nahe des Zeitpunkts der maximalen Schneehöhe bestimmt. Im Gegensatz zu Abbildung 1 liegen hier Daten der Schneehöhe in sehr hoher räumlicher Auflösung (1 m) zu Grunde (siehe auch Abschnitt 3). Die Daten belegen die Aussage, dass die Höhengradienten sehr variabel sind. Die meisten Gebiete zeigen, dass die Schneehöhe ab einer gewissen Meereshöhe wieder abnimmt, was bei den Flachfeldstationen (Abb. 1) nicht so deutlich herauskommt. Das liegt in erster Linie daran, dass aufgrund des Einflusses des Windes und teilweise auch durch Schneerutsche (Bernhardt und sChuLz 2010) die steilen Wandpartien, die hauptsächlich in den grösseren Höhen zu finden sind, weniger Schnee halten, als flachere Geländeabschnitte. Der Vergleich zwischen den Abbildungen 1 und 2 macht klar, dass Flachfeldstationen den tatsächlichen Höhengradienten der Schneeverteilung im Hochgebirge nur unvollständig wiedergeben und dass Flachfeldmessungen die Schneehöhen in grossen Höhen systematisch überschätzen dürften. Da es nützlich wäre, Schätzungen des Niederschlagsgradienten (zum Beispiel daLy et al. 2008) über die Schneehöhen an Flachfeldstationen zu validieren, ist es wichtig, die Geländeeffekte zu berücksichtigen, was wir im folgenden Abschnitt versuchen. 3 Einfluss des Geländes auf die Schneeverteilung Man kann davon ausgehen, dass eine Schneehöhenmessung auf einem Flachfeld, wie es typischerweise für solche Messungen benutzt wird, für eine grössere Umgebung repräsentativ ist, wenn die Messung in einer Tallage oder sogar im Flachland erfolgt. Das zeigt schon die geringe Variabilität der Schneehöhe für geringe Höhen in Abbildung 1. Je weiter man aus dem Tal in die Gipfelregion vordringt, desto schwieriger ist es, einen geeigneten flachen Geländeabschnitt für eine Schneehöhenmessung zu finden. Zusätzlich werden vor- Abb. 2. Höhengradienten der mittleren Schneehöhe bestimmt aus luftgestützten LidarMessungen für die Gebiete Wannengrat, CH (WAN), Piz Lagrev, CH (LAG), Val de Nuria, ES (Coma d’Eina (NUR Ein), Coma de l’Embut (NUR Emb), Coma de Noufonts (NUR Nouf), Arolla Gletscher, CH (ARO), Hintereisferner, AT (HEF), Marmot Creek, CA (MAR Mar) und Mount Skogan (MAR Sko). Forum für Wissen 2012 handene flache Geländeteile oft durch darüber liegende Hänge beeinflusst, wie wir in Abschnitt 4 noch ausführlicher diskutieren werden. Schneehöhenmessungen im Gebirge sind nicht trivial und oft werden Messstandorte eingerichtet, bei denen die Repräsentativität unbekannt ist (grünewaLd und Lehning 2011). Ein eindrückliches Beispiel dafür ist die vergleichende Darstellung des Zeitverlaufs der mittleren Schneehöhe in einem Flachfeld, in einer felsdurchsetzten Bergflanke und einem grösseren Einzugsgebiet in Abbildung 3. Hier wurde für das Versuchsgelände am Wannengrat oberhalb von Davos die Schneehöhe mit einem terrestrischen Laserscanner ausgemessen und die felsdurchsetzte Bergflanke für eine separate Auswertung ausgeschieden. So konnte die Entwicklung in den beiden Teilgebieten mit der Entwicklung im Flachfeld des Versuchsgeländes Weissfluhjoch verglichen werden. Der Vergleich zeigt, dass das Flachfeld deutlich mehr Schnee aufweist, als das ganze Einzugsgebiet am Wannengrat und das wiederum deutlich mehr als die Felswand oberhalb der Latschüelfurgga (wirz et al. 2011). Die räumlich verteilten Messungen erlauben es, den systematischen Einfluss des Geländes auf die Schneehöhe zu untersuchen. In Abbildung 4a sind die Lidar-Messungen, die ungefähr zum Zeitpunkt des jährlichen Schneemaximums erfolgten, auf das Höhenmodell des Wannengrats aufgetragen. Die Einzelmessungen sind jeweils über Gitterzellen mit einer Seitenlän- Abb. 3. Zeitverlauf der mittleren Schneehöhe in der Felswand Chüpfenflue, dem Einzugsgebiet Wannengrat und der Flachfeldstation Weissfluhjoch (wirz et al. 2011). 15 a b Abb. 4. Gemessene Schneehöhe (Farbskala) für das Wannengrat-Gebiet dargestellt als mittlere Schneehöhe auf einem 400 -Gitter (4a). Modellierte Schneehöhe auf der Basis von Gleichung 1 (4b). ge von 400 m gemittelt. Diese Mittelung ist nötig, weil Effekte der Hangneigung oder der Exposition nicht auf der kleinen Skala von Metern auftreten. Durch die Mittelung von einzelnen Verfrachtungsformen (zum Beispiel Wechten) wird ein stärkerer systematischer Zusammenhang mit Geländeeigenschaften wie Rauigkeit oder Hangneigung sichtbar (Lehning et al. 2011). So kann die Schneeverteilung, wie sie in Abbildung 4a dargestellt ist, durch die multivariate lineare Regression (Gleichung 1) m HS = 2.52 + 2.05*10 3 h + 3.04 *10 2 ° gut beschrieben werden. HS (m) ist die gemittelte Schneehöhe im 400 m-Gitter, h (m) ist die Meereshöhe und a (°) die Hangneigung. Das einfache Modell erklärt 64 Prozent der Schneehöhenvariabilität (r2 = 0.64). Die modellierte Schneehöhenverteilung ist in Abbildung 4b dargestellt. Die Untersuchung aller zur Verfügung stehender Gebiete zeigt, dass die Parameter Höhe, Hangneigung und noch «Lage zum Wind» überall eine wichtige Rolle spielen, dass aber nicht einfach ein universelles Modell gefunden werden kann, das die Verteilung in allen Gebieten gut erklärt. Trotzdem zeigt die Auswertung, 16 Forum für Wissen 2012 ge am Boden innerhalb kurzer Distanz einerseits wegen der Schneeablagerung auf den Bäumen (Interzeption; siehe BründL et al. 1999), wegen des lokalen Herunterfallens von interzeptiertem Schnee (Deposition), sowie wegen des heterogenen Abschmelzens unter den Bäumen. Letzteres geschieht nicht nur infolge der Beschattung der Bäume, sondern auch wegen der Wärmeabstrahlung (Langwellenstrahlung) der Stämme und der niedrigen Vegetation. Eine internationale Vergleichsstudie über mehr als 30 Wald-Schnee-Modelle hat eindrücklich aufgezeigt, dass viele numerische Modelle noch nicht genügend in der Lage sind, diese kleinräumigen Prozesse abzubilden (essery et al. 2009). Neue Messmethoden (Ground Penetrating Radar, Terrestrial Laser Scanning, Photographische Messungen) werden in den nächsten Jahren ein differenziertes Bild dieser Schneedeckenvariabilität im Wald aufzeigen und erste Erfolge zeigen sich bereits in der Modellierung der Schneevariabilität basierend auf einer genaueren Messung der Vegetationsstruktur (MusseLMan et al. 2012). 5 Prozessorientierte Modellierung der Schneeverteilung Abb. 5. Schnee wird auf den Ästen der Bäume zwischengelagert. Eine heterogene Schneeverteilung am Boden resultiert. dass es möglich ist, den systematischen Einfluss des Geländes auf die Schneeverteilung mit einfachen Geländeparametern zu beschreiben. 4 Kleinräumige Schneeverteilung im Wald Die vielleicht grösste räumliche Variabilität auf kleiner Skala findet man in ganz oder teilweise bewaldeten Regionen (Abb. 5), beispielsweise den Voralpen. Im Alptal (Kanton Schwyz) untersucht die WSL schon seit über 40 Jahren die Schneedecke im Wald. Messungen an etwa 15 Standorten zeigen, dass der Unterschied zwischen der maximalen jährlichen Schneewassermenge im Wald und im Freiland von Jahr zu Jahr sehr stark variieren kann (stähLi und gustaFsson 2006). Im langjährigen Durschnitt ist sie im Wald ungefähr halb so gross wie im Freiland. In gewissen (schneearmen) Jahren entspricht die maximale Schneewassermenge im Wald nur 20 bis 30 Prozent derjenigen im Freiland, in gewissen (schneereichen) Jahren bis zu 60 Prozent. Innerhalb eines Waldbestands ändert sich die Schneemen- Die statistische Beschreibung der Schneehöhenverteilung nur als Funktion von Geländeparametern sollte genügen, um zum Beispiel für die hydrologische Modellierung einen geeigneten Ausganszustand vor der Schneeschmelze zu definieren. Wie allerdings oben schon angesprochen, ist die kleinräumige, hochvariable Schneeverteilung auf der Skala von Metern ein wichtiges Kennzeichen der hochalpinen Landschaft. Diese kleinräumige Verteilung entsteht durch die Prozesse (i) präferentielle Ablagerung des Niederschlags, (ii) Saltation, (iii) Suspension und (iv) gravitative Umverlagerung (Lawinen) und führt z.B. dazu, dass in Leehängen oft deutlich mehr Schnee liegt als in Luvhängen und dass sich an Graten und Geländerücken Wechten ausbilden. Eine wichtige, neuere Erkenntnis ist, dass ein mit einem meteorologischen Modell generiertes Windfeld (Mott und Lehning 2010; Forum für Wissen 2012 17 lösung von 5 m simuliert. Die Ausbildung von Wechten ist ebenso erkennbar wie grösserskalige Einheiten mit mehr oder weniger Schnee. Die modellierte Schneeverteilung stimmt im Allgemeinen recht gut mit den Messdaten überein (s. auch Abb. 9 in Mott et al. 2010). 6 Schlussfolgerung und Ausblick Abb. 6. Schneehöhenverteilung aus dem numerischen Modell Alpine3D für einen Teil des Wannengrat Gebietes für ein Niederschlagsereignis im November 2009 mit vorherrschender Windrichtung Nordwest. Die Gitterauflösung beträgt 5 m. dadiC et al. 2010) die Schneeablagerung sowohl auf der Skala von wenigen Metern als auch auf grösseren Skalen gut erklären kann. Um die Prozesse der eigentlichen Schneeverfrachtung, nämlich Suspension und Saltation, abbilden zu können, ist eine Gitterpunktsauflösung der Modelle von mindestens 5 m notwendig (Mott und Lehning 2010). Um die präferentielle Ablagerung zu erfassen, die beschreibt, dass sich Nie- derschlag bevorzugt in Zonen niederer Windgeschwindigkeit ablagert (Lehning et al. 2008), genügt schon eine gröbere Auflösung von etwa 100 m. Mott et al. (2010) konnten zeigen, dass die präferentielle Ablagerung einen wichtigen Einfluss auf die Schneeverteilung hat. Abbildung 6 zeigt als Beispiel eine modellierte Schneeverteilung für das Wannengratgebiet. Windfeld, Transport und Ablagerung wurden mit einer Auf- Schon eine Auswertung von Schneehöhenmessungen an Flachfeldstationen belegt, dass die im Hochgebirge tatsächlich vorhandene Schneemenge sehr schwierig abzuschätzen ist. Durch genaue, räumlich hochaufgelöste Messungen der Schneeverteilung mittels Lidar kann ferner gezeigt werden, dass neben der Meereshöhe die Steilheit des Geländes einen entscheidenden Einfluss auf die mittlere Schneehöhe hat. Dabei liegt im steileren Gelände deutlich weniger Schnee und der systematische Einfluss von Steilheit und Meereshöhe kann durch ein einfaches statistisches Modell beschrieben werden. Insgesamt ergibt sich, dass Flachfeldstationen dazu tendieren, die Gesamtschneemenge im Hochgebirge zu überschätzen und dass sie die Abnahme der Schneemenge in grossen Höhen, wo das Gelände ja meistens auch steiler ist, nicht wiedergeben können. Wie durch numerische Simulationen belegt werden kann, ist der Wind die treibende Kraft hinter der Schneeverteilung. Inwieweit sich Wind und gravitative Umlagerungen ergänzen und wie viel Lawinen beitragen, ist noch nicht klar. Wie viel Schnee insgesamt aus grösseren Höhen in tiefere Lagen transportiert wird, muss ebenfalls noch genauer untersucht werden. Solche Untersuchungen sind nötig, um die Schneehöhenverteilung auch mit Bezug auf die Höhengradienten des Niederschlags beurteilen zu können. Eine recht grosse Unsicherheit besteht bezüglich der Abschätzung der Einflusses von Wald und Strauchvegetation auf die Schneeverteilung. Mit neueren Messungen und Fortschritten in der Modellierung wird aber auch diese Variabilität in naher Zukunft besser quantitativ erfassbar werden. 18 7 Literatur Banos, i.M.; garCia, a.r.; aLaVedra, J.M.i.; Figueras, p.o.i.; igLesias, J.p.; seLLes, C.g.; Figueras, p.M.i.; Lopez, J.t., 2009: Snowpack depth modelling and water availability from LIDAR measurements in eastern Pyrenees. Issw 09 Europe: International Snow Science Workshop, Proceedings. 202–206. BaVay, M.; Lehning, M.; Jonas, t.; Löwe, h., 2009: Simulations of future snow cover and discharge in Alpine headwater catchments. Hydrological Processes. 23, 1: 95–108. Bernhardt, M.; sChuLz, k., 2010: SnowSlide: A simple routine for calculating gravitational snow transport. Geophys. Res. Lett. 37. 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The measurements show that the classical elevation gradient for snow as typically measured by flat-field stations does also exist in these datasets but is highly variable between sites and does not extend to very high elevations, which are dominated by steep terrain. The influence of the topographic parameters elevation and slope on the snowdepth distribution can be modelled statistically with good success on a scale of a few hundreds meters. Physical modelling further allows to attribute the observed snow distribution to precipitation deposition and snow transport processes. Small-scale drift features such as cornices are caused by snow transport, while larger scale differences in mean snow depths are caused by preferential deposition of snow precipitation. Wind dominates both processes and may also explain the decrease of snow depths in high elevations. Keywords: Snow distribution, vertical gradient, precipitation, steep terrain, modelling, Lidar measurements Forum für Wissen 2012: 19–27 19 Vorhersage und Szenarien von Schnee- und Wasserressourcen im Alpenraum Massimiliano Zappa, Luzi Bernhard, Felix Fundel und Stefanie Jörg-Hess WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf [email protected] In den Schweizer Alpen entspringen bedeutende Flüsse Europas. Das natürliche Wasservorkommen und der Schnee im Winterhalbjahr sind wichtige Ressourcen für viele Wirtschaftssektoren und ermöglichen einen Lebensstandard, in welchem Wasserknappheit eine marginale Sorge darstellt. Für eine optimale Nutzung dieser Ressourcen müssen wir in der Lage sein, ihre Verfügbarkeit zu quantifizieren. Die WSL verwendet gekoppelte hydrologische und meteorologische Modellansätze zur Vorhersage der räumlichen und zeitlichen Verfügbarkeit von Wasserressourcen im Alpenraum. Der Fokus liegt auf der operationellen Vorhersage von kritischen Wasserdefiziten und auf der Erarbeitung von Klimafolgeszenarien. Unsere Erkenntnisse dienen dem verbesserten Umgang mit der Ressource Wasser in der Gegenwart und der Planung von länderübergreifenden Adaptationsstrategien in der Zukunft. 1 Einleitung Die Landschaft der Schweiz wurde in den letzten Jahrtausenden stark durch Flüsse aus den grössten Einzugsgebieten der Alpen geprägt und gestaltet. Das Gotthardmassiv ist das Quellgebiet einiger der bedeutendsten Flüsse Europas: des Rheins, der Rhône und des Ticino, welcher in den Po mündet. Der Inn ist ein Teileinzugsgebiet der Donau. Fliessendes Wasser ist in der Schweiz von grösster Bedeutung. Der Rhein ist ein zentraler Transportweg für die Versorgung unseres Landes mit Gütern aller Art. Neben der Schifffahrt gibt es weitere Sektoren unserer Wirtschaft, welche zunehmend Interessen an der aktuellen und künftigen räumlichen und zeitlichen Verfügbarkeit der Ressource Wasser haben. Man denke an die Wasserwirtschaft, die Fischerei und an die Landwirtschaft (kruse et al. 2010). Auch die Behörden und die Bundesverwaltung haben für die Planung des künftigen Umwelt-Managements hohen Bedarf an fundierten Kenntnissen über die Ressource Wasser (LeiBundgut 2010; AdaptAlp 2011). Es geht dabei zum Beispiel um die Bereitstellung von Trinkwasser, die Planung von Bewässerungsstrategien, meteorologische Modelle der räumlichen und zeitlichen Verfügbarkeit von Wasserressourcen im Alpenraum entwickelt. Unser primärer Fokus liegt auf der operationellen Vorhersage von kritischen Wasserdefiziten (seneViratne et al. 2009) und der Erarbeitung von Zukunftsszenarien unter Einbezug des sich verändernden Klimas und der Kryosphäre (Bernhard und zappa 2012). 2 Wasserressourcen der Schweiz den Umgang mit Naturgefahren oder um die Bestimmung von Restwassermengen. Darum wurden in den letzten Jahren mehrere interdisziplinäre Projekte mit dem Ziel lanciert, den Umgang mit der Ressource Wasser zu untersuchen und die möglichen Klimafolgen auf den gesamten hydrologischen Kreislauf zu quantifizieren (BAFU 2012; SGHL und CHY 2011; CHR 2010). Parallel haben die jüngsten hydrologischen und meteorologischen Extremereignisse wie das August-Hochwasser 2005 (BezzoLa und hegg 2008) und die Hitzewelle 2003 (BAFU, BWG und MeteoSchweiz 2004) dazu geführt, dass die Früherkennung einer kritischen Abweichung in der Verfügbarkeit von Wasser gefragter wurde. Die Ansätze zur Deckung dieses Bedarfs beruhen auf der Erweiterung des Zeithorizontes von hydrologischen und meteorlogischen Vorhersagen (zappa et al. 2008; zappa und Vogt 2007) und auf der laufenden Beurteilung der Ressourcen im jeweiligen Einzugsgebiet, indem aktuelle Messungen von Abfluss und Schnee mit den langjährigen Erfahrungswerten verglichen werden (z. B. Jonas in diesem Band). Zur Beantwortung dieser zentralen Fragen wurden hydrologische und Unter Verwendung der gemessenen mittleren Jahresabflüsse haben huBaCher und sChädLer (2010) den Wasserhaushalt der Schweiz für die Periode 1901 bis 2000 ermittelt. Dabei ergab sich, dass rund zwei Drittel (981 mm) des Jahresniederschlages von 1431 mm aus der Schweiz abfliesst. Die Speicherverluste (vor allem durch die Gletscherschmelze) betragen rund 14 mm pro Jahr. Demzufolge verdunsten rund 464 mm pro Jahr. Um Aussagen für die unterschiedlichen Regionen der Schweiz zu erarbeiten, können räumlich und zeitlich hochaufgelöste hydrologische Modelle beigezogen werden. Solche Modelle assimilieren digitale Informationen zum Gelände, zur Landnutzung und zu den Bodeneigenschaften und damit alle nötigen Grundlagen, um die klein-räumliche Variabilität der hydrologischen Prozesse mit physikalisch begründeten und/oder konzeptionell gestalteten Ansätzen nachzubilden. Die Modellierung der zeitlichen Variabilität des hydrologischen Kreislaufs wird durch die Assimilation der beobachteten meteorologischen Variablen bestimmt. Neben der Lufttemperatur und dem Niederschlag benötigen 20 komplexere hydrologische Modelle zudem Daten zur Windgeschwindigkeit, Luftfeuchte, Sonnenscheindauer und Globalstrahlung. Für solche Forschungsfragen entwickelten WSL, ETH und UNI Bern das Modell PREVAH (ViViroLi et al. 2008; pFaundLer und zappa 2006; ViViroLi et al. 2009). Mit diesem Modell wurde im Rahmen des vom Bundesamt für Umwelt koordinierten Projektes CCHYDRO (BAFU 2012) eine Simulation des Wasserhaushalts für die gesamte hydrologische Schweiz (Abb. 1) in einer räumlichen Auflösung von 200 × 200 Metern für die Periode 1980 bis 2009 realisiert, verifiziert und analysiert (Bernhard und zappa 2012). Dies ist die erste Untersuchung, welche sich explizit über die Grenzen der politischen Schweiz ausdehnt und konsistente Berechnungen für alle Grosseinzugsgebiete der Schweiz ermög- Forum für Wissen 2012 licht hat. Zu den Ergebnissen (http:// hydro.slf.ch/sihl/cchydro) gehören Rasterkarten der Wasserhaushaltsgrössen (Abb. 1) und integrale Auswertungen der Wasserhaushaltskomponenten in den bedeutendsten Grosseinzugsgebieten der Schweiz. In Tabelle 1 sind die Berechnungen zum natürlichen Wasserhaushalt der Schweiz nach Grosseinzugsgebieten und Parameter (Niederschlag, Verdunstung, Abfluss, Anteil Gletscherschmelze, Anteil Schneeschmelze sowie die Speicheränderung) aufgelistet. Eindrücklich ist der grosse Beitrag der Schneeschmelze zum Gesamtabfluss (schweizweit rund 42 %; Mittelland etwa 20 %; Gebirgsregionen über 60 %). Der Anteil der Gletscherschmelze am gesamten Abfluss hingegen ist für die Kontrollperiode in den meisten Regionen klein, jedoch im Wallis und Engadin von hoher Bedeutung (Bernhard und zappa 2012). Eine räumliche Visualisierung des Wasserhaushaltes (Abb. 1) gibt weitere Auskünfte über die räumliche Variabilität des natürlichen hydrologischen Geschehens in der Schweiz. Die grössten Niederschlagsmengen fallen in den Gipfelregionen der Grosseinzugsgebiete der Limmat, der Reuss und des Ticino. Die höchsten Verdunstungsmengen entstehen wie erwartet in der Grossebene des Mittellandes und von den freien Wasserflächen der Seen. Die räumliche Variabilität des Schneeschmelzanteils am Gesamtabfluss wird mehrheitlich durch die topographischen Verhältnisse der Schweiz vorgegeben. Die Schneeschmelze ist im Wallis, am Alpenrhein sowie im Engadin die dominante Komponente des Abflussgeschehens. Die räumliche Variabilität des natürlichen Abflusses widerspiegelt diejenige des Niederschlages. Abb. 1. Rasterkarten zum natürlichen Wasserhaushalt der Schweiz für die Periode 1980 – 2009. Oben links: gemessener und räumlich interpolierter Niederschlag [mm/Jahr]; oben rechts: simulierte reale Verdunstung [mm/Jahr]; unten links: simulierter Gesamtabfluss [mm/Jahr]; unten rechts: simulierte Schneeschmelze [mm/Jahr]. Blaue Töne deuten auf niedrige Werte, rote Töne auf hohe Werte hin. Forum für Wissen 2012 21 Tab. 1. Natürlicher Wasserhaushalt der Schweiz und ihrer bedeutendsten Grosseinzugsgebiete für die Periode 1980 bis 2009 in Millimeter pro Jahr. P: Niederschlag; R: Abfluss; ET: Verdunstung; DS: Speicheränderungen; SNOW: Schneeschmelze ( % vom Abfluss); GLAC: Gletscherschmelze ( %). (Bernhard und zappa 2012). Grosseinzugsgebiet P R ET DS SNOW GLAC Aare, Brugg 1337 839 504 –6,3 36,6 % 0,4 % Reuss 1739 1294 460 –14,8 42,0 % 1,1 % Limmat 1814 1340 476 –1,1 36,4 % 0,2 % Alpenrhein 1542 1162 385 –4,9 58,3 % 0,3 % Aare, Untersiggenthal 1481 996 492 –7,2 37,9 % 0,5 % Rhein, Rheinfelden 1452 979 479 –4,9 39,2 % 0,4 % Inn (Engadin) 1089 839 281 –30,7 67,5 % 3,3 % Lago Maggiore (Ticino) 1658 1245 413 0,1 32,1 % 0,3 % Rhône 1361 1011 420 –70,1 60,3 % 6,5 % Hydrologische Schweiz 1415 977 454 –15,4 41,8 % 1,4 % 3 Klimafolgeszenarien für nahe und ferne Zukunft 3.1 Konfiguration Für die Beantwortung der Frage «Wie wird sich die Klimaänderung auf die Wasserressourcen der Schweiz auswirken?» musste eine ganze Reihe von Modellen konzipiert und realisiert werden. Sie basieren auf den aktuellsten Klima- und Gletscherszenarien und einer gezielten Anwendung von PREVAH auf die Skala der gesamten hydrologischen Schweiz. Abbildung 2 zeigt schematisch, wie für die Berechnung der Klimafolgen auf die Wasserressourcen der Schweiz das in Abschnitt 2 beschriebene Experiment durch Assimilation von Klimaszenarien und Gletscherschwundszenarien implementiert wurde. Die Grundlagen für die Ableitung der beiden Klimafolgeszenarien für die Zukunftsperioden 2021 bis 2050 und 2070 bis 2099 wurden im Rahmen des europäischen Projektes ENSEMBLES (Van der Linden und MitCheLL 2009), welche alle vom Emissionsszenario A1B (moderate Erwärmung) ausgehen (CH2011, 2011), geschaffen. Die Änderungssignale basieren auf zehn Kombinationen von globalen und regionalen Klimamodellen und wurden mit der in Bosshard et al. (2011) beschriebener Methodik (Delta-Change auf Tagesba- sis) aufbereitet. Diese Kombinationen widerspiegeln die Unsicherheits-Bandbreite der Klimamodelle bezüglich Temperatur- und Niederschlagsänderung (stähLi et al. 2011). Da alle weiteren Klimaparameter in den Zukunftssimulationen unverändert übernommen werden, sind Aussagen zu Veränderungen der potentiellen Verdunstung begrenzt. Für beide Zukunftsszenarien blieb die Konfiguration des hydrologischen Modells unverändert. Nur die meteorologischen Daten wurden mit den prognostizierten täglichen Änderungen angepasst. Somit entstanden zwei Zeitreihen mit ähnlicher Variabilität wie in der Kontrollperiode 1980 bis 2009, aber mit der erwarteten Bandbreite von Änderungssignalen betreffend Niederschlag und Lufttemperatur. Dies ist ein limitierender Faktor, vor allem zur Ableitung von Szenarien für Extremereignisse. Bezüglich der Vergletscherung wurde die Fläche der Gletscher für die beiden Zukunftsszenarien ausgehend vom Zustand von 1985 mit einem Modell von pauL et al. (2007) in 5-Jahres-Schritten nach und nach reduziert. Das Modell basiert auf der einfachen Annahme, dass die Gleichgewichtslinie der Gletscher entsprechend der Lufttemperaturerhöhung ansteigt. Dadurch wird das Akkumulationsgebiet des Gletschers kleiner. Die Ausdehnung der Gletscher wurde transient im hydrologischen Modell aktualisiert. 3.2 Ergebnisse Tabelle 2 fasst die Berechnungen für die Kontrollperiode 1980 bis 2009 sowie die zu erwartenden Änderungen des Wasserhaushaltes der Schweiz für die beiden Szenarioperioden (2021 bis 2050 und 2070 bis 2099) als Mittel aller zehn Klimaszenarien zusammen. Als Jahresmittelwerte betrachtet, fallen die Änderungen der gesamten Abflussmengen sowie der Verdunstung klein aus. Auffallend ist die starke Abnahme der mittleren Schneeschmelze. In der ersten Hälfte des laufenden Jahrhunderts wird die Niederschlagsanteil, welche im Winter in Form von Schnee akkumuliert (und später als Schneeschmelze zum Abfluss beiträgt) um mehr als 15 Prozent abnehmen. Dieser Trend wird sich in der zweiten Szenarioperiode noch massiv verstärken. Bei ähnlich bleibenden Niederschlagsmengen reduzieren sich die Schneeressourcen um mehr als 35 Prozent, dafür wird mehr Regen fallen. Dieser Regen dürfte die Abflüsse im Winterhalbjahr erhöhen (Bernhard und zappa 2012). Die Auswirkung der einzelnen Szenarien aus Bosshard et al. (2011) auf die Klimatologie der Tagesmittelwerte der Schneeressourcen (Abb. 3) zeigt für beide Szenarioperioden einen deut- Abb. 2. Zeitachse Kontrollperiode 1980 bis 2009 (grau, natürliche Variabilität), Szenarien für 2021 bis 2050 (kleine Unterschiede in den 10 Klimaszenarien) und 2070 bis 2099 (grössere Unsicherheit der möglichen Klimaentwicklung). Die vertikalen Linien peilen auf die Jahre, in welchen die Gletscherausdehnung transient aktualisiert wurde. 22 Forum für Wissen 2012 Tab. 2. Natürlicher Wasserhaushalt der hydrologischen Schweiz für die Kontrollperiode und der beiden Szenarioperioden. P: Niederschlag; ET: Verdunstung; R: Abfluss; SNOW: Schneeschmelze (Bernhard und zappa 2012). Periode 1980–2009 [mm/Jahr] 2021–2050 [mm/Jahr] Veränderung [ %] 2070–2099 [mm/Jahr] Veränderung [ %] lichen Rückgang der Schneeakkumulation im Winter. Dies wird sichtbare Folgen auf die Abflussregimes mittelgrosser alpiner Gebiete der Schweiz haben (köpLin et al. 2010). Letztere dürften in der zweiten Szenarioperiode ein früheres und schwächeres saisonales Abflussmaximum aufweisen und dafür höhere Abflussspenden im Winterhabjahr zur Folge haben, wie Abbildung 4 am Beispiel des Einzugsgebietes der P ET R 1415 454 977 SNOW 408 1434 458 988 345 1,4 % 1,0 % 1,1 % –15,6 % 1409 457 967 251 –0,4 % 0,7 % –1,1 % -38,6 % Landwasser bei Davos aufzeigt. 4 Hydrologische Vorhersagen Im Rahmen des NFP61 «Nachhaltige Wassernutzung» (LeiBundgut 2010) werden Methoden erarbeitet, welche potentiellen Endnutzern (kruse et al. 2011) dabei helfen sollen, frühzeitig kritische Abweichungen der Verfügbarkeit von Wasserressourcen (Schnee, Grundwasser und Bodenfeuchte) gegenüber den Durchschnittswerten zu erkennen und vorauszusagen. Auch diese Forschungsarbeiten stützen sich auf das in Abschnitt 2 beschriebene Simulationsexperiment für die gesamte hydrologische Schweiz, welches dafür in einen operationellen Datenfluss integriert wurde und Tag für Tag aktualisiert werden kann. Der Datenfluss entspricht demjenigen, welchen die WSL im Rahmen der IFKIS-Hydro Projekte für die Kantone Glarus und Zürich realisiert hat (roMang et al. 2011). Das erlaubt operationelle Hochwasservorhersagen mit einem Zeithorizont von bis zu fünf Tagen (addor et al. 2011). Für eine Früherkennung und Einordnung von Wasserressourcenanomalien reicht ein Vorhersagehorizont von fünf Abb. 3. Projektionen für die Klimatologie der Tagesmittelwerte der Schneespeicherung [mm] für die gesamte Schweiz. In Schwarz die Kontrollperiode 1981 bis 2010, in Farbe die zehn Klimaszenarien (links: 2021 bis 2050; rechts: 2070 bis 2099) Abb. 4. Projektionen für die Klimatologie der Tagesmittelwerte des Abflusses [m3s-1] für das Einzugsgebiet der Landwasser (bei Davos). In schwarz die Kontrollperiode 1981 bis 2010, in Farbe die zehn Klimaszenarien (links: 2021 bis 2050; rechts: 2070 bis 2099). Forum für Wissen 2012 Tagen nicht aus. Darum werden derzeit vier unterschiedliche beobachtungsund modellgestützte Methoden mit Zeithorizonten von bis zu 120 Tagen untersucht. Abbildung 5 zeigt schematisch wie drei unterschiedliche, modellbasierte Systeme für die Vorhersage hydrologischer Grössen konfiguriert sind. Die einzelnen Experimente sind in den Unterkapiteln 4.2 bis 4.4 näher erklärt. 23 Abb. 5. Konfiguration von hydrologischen Vorhersagesystemen mit unterschiedlichem Zeithorizont. Ausgehend von einer Simulation mit aktuellen Daten können probabilistische Vorhersagen realisiert werden. Das hydrologische Modell kann für die Folgetage mit dem Input von numerischen Wettermodellen oder vergangenen Zeitreihen integriert werden. Detailangaben sind im Haupttext enthalten. 4.1 Klimatologische Einordnung Wenn keine operationellen Modelle verfügbar sind, kann man die Wasserressourcen anhand von Messungen, zum Beispiel dem Füllstand eines Stausees oder dem Stand eines Grundwasserpegels, abschätzen. Am besten kann man einen Messwert in Bezug auf eine langjährige homogene Messreihe einordnen. In der Schweiz kann man dank dem Archiv des Bundesamts für Umwelt sehr lange Abflusszeitreihen analysieren (Abb. 6). Auch für Schneeressourcen gibt es Verfahren zur Einordnung der aktuellen Schneemengen (Jonas in diesem Band). 4.2 Mittelfristvorhersagen Seit der Realisierung des MAP D-PHASE Experimentes im Jahr 2007 (zappa und Vogt 2007) haben sich Mittelfristvorhersagen mit Zeithorizont von 120 Stunden als Standardmethodik zur Früherkennung kritischer Hochwassersituationen etab- liert. Eine solche Vorhersage besteht aus der Kopplung einer bis zur aktuellen Stunde nachgeführten Simulation der Hydrologie eines Einzugsgebietes (inkl. Hochwasserdisposition in Form eines gesättigten Bodenspeichers) mit 16 unterschiedlichen Vorhersagen des Wettergeschehens für die kommenden 120 Stunden, den sogenannten COSMO-LEPS Vorhersagen (zappa et al. 2008; zappa und Vogt 2007). Für die kurzfristige Einschätzung der wahrscheinlichen Wasserressourcen in der Schweiz wurden die operationellen Simulationen mit PREVAH und COSMO-LEPS (für Limited Area Ensemble Prediction System) in die im Rahmen von CCHYDRO realisierten Modell-Klimatologien der Wasserressourcen der Schweiz eingebettet (Abb. 7). Im gezeigten Beispiel (Abb. 7) ist zu erkennen, dass die gesamten im Einzugsgebiet der Thur mobilisierbaren Wassermengen in den ersten Tagen der Simulation zuerst deutlich gestiegen und in den folgenden Tagen kontinuierlich gesunken sind. Zum Zeitpunkt der Initialisierung der Vorhersage (8. September 2012) liegen die errechneten Wasserressourcen knapp über dem Median (50 % Perzentil) der Modellklimatologie. In den fünf Folgetagen ist die Fortsetzung dieses Trends sehr wahrscheinlich. Nur für den fünften Tag der Vorhersage zeigen die 16 Varianten eine gewisse Unsicherheit betreffend der möglichen Entwicklung. 4.3 Langfristvorhersagen Was sich in der Hochwasserprognose gut bewährt hat, muss nicht unbedingt auch für die Vorhersage von Wasserressourcen gelten. Falls sich eine ungünstige Situation ankündigt, genügt für die meisten Nutzer eine 5-Tages Prognose bezüglich der Wasserressourcen bei weitem nicht, um effektive Massnahmen ergreifen zu können. Darum prüfen wir neuerdings, ob unsere Vorhersagen auch mit längerer Vorlaufzeit (z. B. einem Monat) zu realisieren sind. Dazu wird aus den aktuellen Abb. 6. Links: Klimatologie (1933–2008, farbige Flächen im Hintergrund) und aktuelle Messung (ausgezogene Linien) des mittleren täglichen Abflusses des Rheins bei Rheinfelden. Rechts: Dauer der hydrologischen Trockenheit in Tagen (gemessener Abfluss < saisonales 15% Quantil) für ausgewählte Einzugsgebiete der Schweiz. Die Karte zeigt die Situation nach der längeren Hitzeperiode im August 2012. 24 Forum für Wissen 2012 Abb. 7. Klimatologie (Tagesmittelwerte von 1980 bis 2009, farbige Flächen im Hintergrund) und aktuelle Simulation (durchgezogenen Linie) sowie Boxplots für 5-Tage Vorhersagen ab 8. September 2012 der gesamten Wasserressourcen im Einzugsgebiet der Thur werden gemeinsam dargestellt. Anfangsbedingungen eine Langfristvorhersage (operationell mit 31 Varianten, retrospektiv mit fünf Varianten) gestartet. Die Daten dazu werden vom Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage ECMWF (Produkt VAREPS) zur Verfügung gestellt (Vitart et al. 2008). FundeL et al. (2012) haben gezeigt, dass Abflussvorhersagen im Niedrigwasserbereich (Abfluss kleiner als das 15 %-Perzentil der Modellklimatologie) für die Nutzer einen Mehrwert auch für einen Vorhersage-Zeitraum von über 20 Tagen aufweisen. Der Mehrwert der Vorhersage von erhöhten Abflüssen (Abfluss grösser als die 85%-Perzentil der Modellklimatologie) zeigt dagegen eine niedrige Qualität bereits für Vorhersagen mit Zeithorizonten von knapp 10 Tagen. Abbildung 8 zeigt, dass zudem bessere Vorhersagen erzielt werden, wenn die Anfangsbedingungen gut an die reale aktuelle Situation angepasst sind. Im Allgemeinen ist es erfolgversprechender, eine Langfristvorhersage für Speicherzustände zu geben, die eine hohe Persistenz und ein langes Abb. 8. Güte (2AFC-Kriterium, gut wenn > 0.5) von Monatsvorhersagen von erhöhten Abflüssen (Q85, >85% Perzentil der Klimatologie, gestrichelte Linien) und Niedrigwasser (Q15, <15% Perzentil der Klimatologie, ausgezogene Linien) mit PREVAH und ECMWFVAREPS. Die Auswertung wird zudem separat für Fälle mit besseren (dunkelgraue Flächen) und schlechteren (hellgraue Flächen) Anfangsbedingungen dargestellt (FundeL et al. 2012). Forum für Wissen 2012 Gedächtnis aufweisen. Dies gilt zum Beipsiel für den Grundwasserspeicher, die Bodenfeuchte und die Schneeressourcen. In Abbildung 9 ist eine retrospektive Vorhersage für eine Niedrigwasserperiode im August 2003 dargestellt. Der Rhein in Neuhausen wies anfangs August 2003 bereits eine niedrige Wasserführung auf. Die fünf berechneten Vorhersagen für den Folgemonat ergaben kein Zeichen, dass sich die Abflussspenden bei diesem für die Rheinschifffahrt sehr wichtigen Kontrollpunkt erholen würden. Solche Vorhersagen dürften von Nutzen sein, um beispielsweise die Lademengen der Frachtschiffe zu dimensionieren. 25 die Bestimmung der in Abschnitt 2 beschriebenen Modellklimatologie benutzt wurde. Ein solches Modell zeigt zum Beispiel, wie schnell sich ein System aus einer aktuell kritischen Situation erholen könnte. Im Winter 2010/2011 ist wenig Schnee gefallen, und das Frühjahr 2011 war sehr trocken. Im Einzugsgebiet der Thur entstand ein Defizit in den Wasserressourcen von über 100 mm (Abb. 10). Der Median, der unter Verwendung von vergangenen Beobachtungen realisierten Vorhersage, muss zweckmässig früher oder später den Median der Klimatologie erreichen. Je grösser die Abweichung vom Median bei der Initialisierung der Vorhersage, desto länger wird es voraussichtlich dauern, bis diese Bedingung erfüllt wird. Im in Abbildung 10 gezeigten Beispiel berührt der Median der Projektion den Median der Klimatologie erst 80 Tage nach dem Start der Simulation. Interpretationsbeispiel: Das Wasserdefizit dürfte deshalb noch 4.4 Klimatologische Vorhersagen Eine weitere Variante zur langfristigen Einschätzung der Wasserressourcen ist die Verwendung von klimabasierten Vorhersagen (Abb. 5 und Abb. 10). Solche Vorhersagen geben Antwort zum Beispiel auf die häufig gestellte Frage: «Wie wird sich jetzt die Lage entwickeln, falls sich ein Sommer wie 2003 wiederholen würde?». Dafür wird zur Vorhersage für die folgenden Wochen (120 Tage in unserer spezifischen Konfiguration, Abb. 5) das Wettergeschehen aus den Zeitreihen der Jahre 1981 bis 2010 verwendet, welches auch für Abb. 9. Retrospektive Monatsvorhersage des Niedrigwasserabflusses des Rheins bis Neuhausen für die kritische Phase des Hitzesommers im August 2003. Die Vorhersagen basieren auf den Anfangsbedingungen vom 30. Juli 2003. Sämtliche Vorhersagen (rote Linien) deuteten darauf, dass während der folgenden 25 Tage keine Erholung von dieser kritischen Situation zu erwarten war. Die Messungen (blaue Linie) bestätigten diese Voraussage. Die gestrichelten Linien zeigen von unten nach oben das 1 %-, 10 %-, 50 %-, 90 %- und 99 %-Perzentil der Modellklimatologie. Abb. 10. Wasserdefizit im Mai 2011. Simulation (violette Grundlinie) für das Einzugsgebiet der Thur bis zum 2. Mai 2011 und Projektion für die 120 Folgetage (Box Plots). Die Box Plots (definiert durch Minimum, 25 %, 50 %, 75 % und Maximum) fassen 30 Szenarien zusammen, welche auf dem tatsächlich vorgekommenen 120-Tage-Wetterverlauf der Jahre 1981 bis 2010 beruhen. Dargestellt ist die aktuelle und projizierte Abweichung der gesamten Wasserressourcen im Gebiet zum Median der Klimatologie für die Periode 1980 bis 2009 (farbige Flächen im Hintergrund). Rot: Defizit gegenüber Median. Blau: Suffizit gegenüber Median. 26 mehrere Wochen andauern. In der Tat regnete es anfangs Juli 2011 recht kräftig, weshalb sich die kritische Situation schneller entspannte, als man dies klimatologisch hätte erwarten können. 5 Schlussfolgerungen und Perspektiven Die Experimente im Rahmen von CCHYDRO schafften eine einmalige Datenbasis zur Einschätzung der räumlichen und zeitlichen Variabilität der Wasserressourcen der Schweiz. Bis ins Jahr 2014 sollten weitere Berechnungen realisiert werden, in welchen weitere Emissionsszenarien als Basis für die hydrologischen Experimente dienen. Solche Szenarien (A2 und RCP3PD) sind im Bericht «Szenarien zur Klimaänderung in der Schweiz CH2011» (CH2011 2011) beschrieben. Zudem könnte der von uns verwendeten Ansatz zur Einbindung von Klimaszenarien («Delta-Change») mit weiteren Ansätzen («Bias-Korrektur» und «Quantile Mapping») ergänzt werden und somit robustere Grundlagen für Aussagen betreffend der Auswirkung der Klimaänderung auf Extremereignisse geschaffen werden. Bereits jetzt konnten einige Folgestudien realisiert und neuartige operationelle Vorhersagesysteme entwickelt werden. Solche Prognosen sind als Entscheidungsgrundlagen zur frühzeitigen Erkennung kritischer Abweichungen der Wasserverfügbarkeit gegenüber dem Durchschnittswert zu interpretieren. Seit März 2011 läuft ein Prototyp eines solchen Vorhersagesystems für einige schweizerische mittelgrosse Einzugsgebiete (die Thur, die Emme und das Dischma). Eine Ausweitung auf die gesamte Schweiz wird demnächst angestrebt. Die Ergebnisse aus retrospektiven Langfristvorhersagen zeigen, dass die Qualität der Anfangsbedingungen eine übergeordnete Bedeutung für die Güte der Vorhersagen hat. Für uns bedeutet dies, dass in den nächsten Jahren die Forschung viele Ressourcen in die Untersuchung der Assimilation von Beobachtungen investieren muss. Eine solche Assimilation betrifft zum Beispiel die Nutzung der Daten vom gemessenen Abfluss, der Bodenfeuch- Forum für Wissen 2012 tigkeit und der Schneeressourcen. In der Forschung weit verbreitet sind neuerdings Assimilationsverfahren, welche den sogenannten Ensemble Kalman Filter (eVensen 2009) verwenden. Die Grundlagen von CCHYDRO können auch verwendet werden, um weitere Fragenstellungen anzugehen. rayMond-praLong et al. (2011) haben mit Zukunftsszenarien die Entwicklung der Sedimentfracht im Gerinne für viele Wasserfassungen im Wallis berechnet und Erkenntnisse über die Verlandung der Stauseen in den kommenden Jahrzehnten gewonnen. Ein weiterer offener Aspekt ist die Integration des Landschaftwandels in der Simulation des hydrologischen Kreislaufes. Bisher reduzierte sich dieser Aspekt auf die Integration von Gletscherschwundszenarien. Dazu hat sChattan (2012) bereits eine erste Studie verfasst, welche die EinwegKopplung von PREVAH mit dem Wald-Landschaft Modell TREEMIG (LisChke et al. 2006) untersucht und die Folgen der Waldentwicklung auf Abfluss, Bodenfeuchte und Verdunstung analysiert. Die WSL betrachtet das Thema «Schnee- und Wasserressourcen» als eines der Themen, welches sie in den kommenden Jahren fokussiert untersuchen will. Ziel der Forschung soll u.a. eine Informationsplattform sein, welche eine Grundlage für ein verbessertes Management von Wasserressourcen in der Schweiz und im alpinen Raum darstellen soll. Durch eine solche Informationsplattform könnten künftig zahlreiche Forschungs- und Monitoring-Aktivitäten kombiniert werden, womit unseren Endnutzern eine wertvolle Dienstleistung erbracht werden könnte. Ein Kernstück dieses Dienstes dürften benutzerfreundliche Produkte zur saisonalen Vorhersage von Wasserressourcen sein. Dank Unsere Forschungsarbeiten wurden vom Bundesamt für Umwelt (Projekt CCHydro) und dem Schweizerischen Nationalfonds (NFP61-Projekt DROUGHT-CH) finanziert. Wir danken dem EU FP6 Projekt ENSEMBLES (Vertragsnummer 505539), der MeteoSchweiz und dem Bundesamt für Umwelt für die Bereitstellung der Grundlagendaten. Dr. Thomas Bosshard (ETH) unterstützte uns bei der Bereitstellung der Klimafolgeszenarien. Andreas Linsbauer (UNI Zürich) hat die Gletscherszenarien realisiert. Mina Ossiaa (WSL) hat mehrere Skripte zur Visualisierung der Ergebnisse und die Webseite http://hydro.slf. ch/sihl/cchydro/ programmiert. 6 Literatur AdaptAlp, 2011: Adaptation to Climate Change in the Alpine Space – Work Package Water Regime (WP4). Summary Report. 24 p. addor, n.; Jaun, s.; FundeL, F., zappa, M., 2011: An operational hydrological ensemble prediction system for the city of Zurich (Switzerland): skill, case studies and scenarios. Hydrol. Earth Syst. Sci. 15: 2327–2347. BAFU, Bundesamt für Umwelt (Hrsg.) 2012: Auswirkungen der Klimaänderung auf Wasserressourcen und Gewässer. Synthesebericht zum Projekt Klimaänderung und Hydrologie in der Schweiz (CCHydro). Bern, Bundesamt für Umwelt. Umwelt-Wissen Nr. 1217: 76 S. BAFU, BWG, MeteoSchweiz, 2004: Auswirkungen des Hitzesommers 2003 auf die Gewässer. Bern, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft. Umwelt Nr. 369: 174 S. BezzoLa, g.r.; hegg, C. (Hrsg.), 2008: Ereignisanalyse Hochwasser 2005. 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In parallel, large efforts have been allocated for the development and operational application of hydrological ensemble prediction systems. WSL has been active in all these fields and is now testing opportunities of combining the outcomes of climate impacts studies with operational forecasting. In the framework of the CCHYDRO Project a water resources climatology for the control period 1980-2009 and scenarios for two 30-years periods in the future have been created. Results point out, that the seasonal accumulation of snow water will drastically reduce by the end of the 21st century and have large impact on the seasonal distribution of water resources in Switzerland. From the NRP61 project DROUGHT-CH tools for improving the prediction of water resources availability with lead times of up to 1 month and climatologybased extrapolations for up to 120 days have been realized. First applications show that, depending on the quality of the initial conditions, the forecasts of water storage and low-flow can yield added value for stakeholders concerning lead times of over 20 days, while the forecasts of high discharge and floods show no added value for lead times larger than 10 days. Our next goal is the establishment of a system for the early detection of anomalies in the temporal and spatial availability of water resources in Switzerland. Keywords: water resources, snow resources, hydrological modelling, climate change, operational extended-range forecasts. Forum für Wissen 2012: 29–35 29 Natürliche und technische Schneesicherheit in einer wärmeren Zukunft Bruno Abegg Institut für Tourismus- und Freizeitforschung, HTW Chur, Comercialstrasse 22, 7000 Chur [email protected] Ohne Schnee – kein Skitourismus: Diese simple Aussage bringt die Klimasensitivität dieses wichtigen Tourismuszweiges zum Ausdruck. Um der launenhaften Frau Holle ein Schnippchen zu schlagen, wurde die technische Beschneiung erfunden. Das Potential der technischen Beschneiung ist – wie die Erfahrungen aus den schneearmen Wintern und Modellrechnungen zeigen – gross. Aber auch sie wird im Zuge der fortschreitenden Erwärmung an Grenzen stossen, kann also im Hinblick auf die zu erwartenden klimatischen Veränderungen nur vorübergehend Abhilfe schaffen. Das funktioniert aber nur, wenn die Beschneiungsintensität massiv erhöht werden kann. Und dies wiederum bedeutet mehr Beschneiungsanlagen, höherer Wasser- und Stromverbrauch und – last but not least – höhere Kosten. 1 Schneesicherheit Es gibt verschiedene Definitionen für Schneesicherheit. Aus skitouristischer Sicht hat sich die sogenannte 100-TageRegel durchgesetzt. In ihrer ursprünglichen Version besagt die Regel, dass «eine ökonomisch sinnvolle Investition in Wintersportgebieten unter anderem nur dann gegeben [ist], wenn während mindestens 100 Tagen je Saison eine Ausnützung der installierten Anlagen erwartet werden kann, was nur mit einer Schneedecke von genügender Mächtigkeit möglich ist» (witMer 1986). Diese Definition weist gewisse Unschärfen auf. Punkte, die vor einer konkreten Anwendung geklärt werden müssen, betreffen zum Beispiel die Festlegung der minimal erforderlichen Schneehöhe sowie die Definition der Skisaison (100 Tage im Zeitraum von … bis …). Weiter stellt sich die Frage, ob die 100-Tage-Regel in jedem Winter erfüllt sein soll. Oder ob, was der Realität wohl eher entspricht, schlechte mit guten Jahren kompensiert werden können, die 100-Tage-Regel also beispielsweise nur in 7 von 10 Wintern erfüllt sein muss (vgl. aBegg 1996). Bürki (2000: 42) spricht von einem schneesicheren Skigebiet, «wenn in 7 von 10 Wintern in der Zeit vom 1. Dezember – 15. April an mindestens 100 Tagen eine tische Perioden detaillierter zu analysieren. Ein frühzeitiger Saisonstart – bei guten Bedingungen notabene – hat positive Auswirkungen auf das Image des Skigebiets, den Verkauf der Saisonkarten und das Buchungsverhalten der Kunden. Weihnachten ist deshalb kritisch, weil viele Skigebiete in der kurzen Zeit über Weihnachten und Neujahr mehr als 20 Prozent ihres Winterumsatzes erzielen. 2 Schneearme Winter für den Skisport ausreichende Schneedecke von mindestens 30 bis 50 cm vorhanden ist.» Wenn die 100-Tage-Regel erfüllt ist, bestehen gute Voraussetzungen für einen erfolgreichen Skibetrieb. Falsch wäre es, wie von witMer (1986) suggeriert, die 100-Tage-Regel als Indikator für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Skigebiets zu verwenden. Das Vorhandensein einer ausreichend mächtigen Schneedecke während längerer Zeit ist zwar eine wichtige Voraussetzung, bei weitem aber nicht der einzige Faktor, der über Erfolg oder Nichterfolg eines Skigebiets entscheidet. In diesem Sinne wird die 100-TageRegel auch von zahlreichen Skigebietsbetreibern in Europa und Nordamerika akzeptiert (aBegg et al. 2007; sCott et al. 2008). Die 100-Tage-Regel hat sich zu einem wertvollen Arbeitswerkzeug zur Analyse der natürlichen und technischen Schneesicherheit (ohne bzw. mit Berücksichtigung der technischen Beschneiung) entwickelt. Mitunter wird die 100-Tage-Regel auch mit weiteren Indikatoren ergänzt: sCott et al. (2008) haben den «Weihnachtsindikator» eingeführt, Steiger und Abegg (in Vorb.) den «Saisonstart-Indikator». Sinn und Zweck dieser zusätzlichen Indikatoren liegt darin, besonders kri- Die natürlichen Schneeverhältnisse und damit auch die natürliche Schneesicherheit in den Skigebieten sind starken jährlichen Schwankungen unterworfen. Die Auswirkungen von schneearmen Wintern auf den Skitourismus wurden mehrfach untersucht (vgl. z. B. aBegg und FroesCh 1994; dawson et al. 2009; steiger 2011). Die Ergebnisse dieser Studien lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Schneearme Winter haben negative Auswirkungen auf die Saisondauer, die Nachfrage und damit auf das Geschäftsergebnis der betroffenen Skigebiete. 2. Kleinere und tiefer gelegene Skigebiete sind in der Regel stärker betroffen wie grössere und höher gelegene Skigebiete; letztere können mitunter sogar profitieren. 3. In Skigebieten, wo die Auswirkungen von mehreren und über die Jahre verteilten schneearmen Wintern untersucht wurden, gehen die negativen Auswirkungen tendenziell zurück. Diese Entwicklung wird dem Ausbau der technischen Beschneiung zugeschrieben. 30 3 Klimawandel und Skitourismus Der alpine Winter- beziehungsweise Skitourismus gilt als besonders klimasensitiv. In keinem anderen Tourismusbereich sind die Verknüpfungen mit dem Klima so eng wie hier. Schnee ist eine Grundvoraussetzung und kann zwar technisch hergestellt, aber nicht substituiert werden. Hinzu kommt die grosse regionalwirtschaftliche Bedeutung des Skitourismus in vielen Berggebieten. Aus dieser Perspektive ist es nicht weiter verwunderlich, dass nicht nur die ersten, sondern auch die meisten Studien, die sich mit den möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf den Tourismus befassen, über den Skitourismus geschrieben wurden (vgl. sCott et al. 2012 für einen aktuellen Überblick über den Forschungsstand im Bereich Klimawandel und Tourismus). Forum für Wissen 2012 3.1 Auswirkungen auf die natürliche Schneesicherheit der Skigebiete Gemäss einer Studie der OECD (aBegg et al. 2007) können 91 Prozent der heute bestehenden Skigebiete in den Alpen auf der Basis der 100-TageRegel als natürlich schneesicher (ohne Einbezug der technischen Beschneiung) bezeichnet werden. Bei einer durchschnittlichen Erwärmung von +1 °C würde dieser Wert auf 75 Prozent sinken. Bei +2 °C wären noch 61 Prozent, bei +4 °C nur noch 30 Prozent der Skigebiete schneesicher. Sowohl auf nationaler (vgl. Tab. 1) wie auch auf regionaler Ebene (vgl. Abb. 1) zei- Tab. 1. Zahl der natürlich schneesicheren Skigebiete unter heutigen und zukünftigen Klimabedingungen (nationale Ebene). Quelle: aBegg et al. 2007. Land Deutschland Anzahl Skigebiete Schneesicher heute +1 °C (≈2025) +2 °C (≈2050) +4 °C (≈2100) 39 27 11 5 1 148 143 123 96 55 87 81 71 59 21 Österreich 228 199 153 115 47 Schweiz 164 159 142 129 78 Total 666 609 500 404 202 Frankreich Italien Abb. 1. Zahl der natürlich schneesicheren Skigebiete unter heutigen und zukünftigen Klimabedingungen (regionale Ebene). Quelle: aBegg et al. 2007. Forum für Wissen 2012 gen sich grosse Unterschiede: Vereinfacht ausgedrückt werden Gebiete mit einem hohen Voralpenanteil früher und stärker betroffen sein als Gebiete in den Hochalpen. 3.2 Auswirkungen auf die technische Schneesicherheit der Skigebiete Studien, welche die Beschneiung als Anpassungsmassnahme einbeziehen, wurden unter anderem von sCott et al. (2003), sCott et al. (2007), steiger und Mayer (2008), dawson et al. (2009), steiger (2010) und rixen et al. (2011) durchgeführt. steiger und aBegg (2011) haben die aktuelle und zukünftige natürliche und technische Schneesicherheit von 228 österreichischen Skigebieten berechnet. Die Resultate zeigen, dass unter Einbezug der gegenwärtigen Beschneiungskapazität und -technologie fast alle untersuchten Skigebiete (97 %) zurzeit als schneesicher (100-Tage-Regel) bezeichnet werden können. Zusätzliche Beschneiung funktioniert bis zu einer gewissen Erwärmung, spätestens ab plus 2 °C geht aber die Zahl der schneesicheren Skigebiete in allen Bundesländern stark zurück (Abb. 2). 31 Alle verfügbaren Studien zeigen, dass die Auswirkungen des Klimawandels auf die Skigebiete durch die Berücksichtigung der technischen Beschneiung geringer ausfallen werden. Aber auch bei einem vermehrten Einsatz von Beschneiungsanlagen wird sich der Skitourismus auf die am besten geeigneten Standorte konzentrieren. Die Studien machen nämlich auch deutlich, dass die Beschneiung nur vorübergehend Abhilfe schaffen kann: Um technische Schneesicherheit zu gewährleisten, muss in Zukunft massiv mehr beschneit werden. Gleichzeitig verschlechtern sich die klimatischen Voraussetzungen für den Einsatz der Beschneiungsanlagen. Besonders betroffen sind die tiefer gelegenen Skigebiete sowie die Saisonrandzeiten, insbesondere der Saisonauftakt mit den für den Geschäftserfolg so wichtigen Weihnachtsferien. 4 Möglichkeiten und Grenzen der Beschneiung In den letzten 20 Jahren wurden Hunderte von Millionen Franken in die technische Beschneiung investiert (vgl. CIPRA 2004; aBegg et al. 2007) – mit dem Resultat, dass fast die Hälfte aller alpinen Skipisten beschneit werden können (vgl. Tab. 2). Wie die obigen Ausführungen gezeigt haben, kann die technische Beschneiung durchaus Sinn machen. Der Ausbau der Beschneiung ist denn auch die wichtigste Anpassungsmassnahme der Skigebietsbetreiber. Mit einem entsprechenden Ausbau der Beschneiung – so die Überzeugung der meisten Skigebietsbetreiber – kann der Skibetrieb auch in einem wärmeren Klima über mehrere Jahrzehnte gesichert werden (aBegg et al. 2008; woLFsegger et al. 2008). Es sind aber auch immer wieder kritische Stimmen zu vernehmen. Am Anfang standen Grundsatzdiskussionen im Sinne von «Darf der Mensch Frau Holle ins Handwerk pfuschen?» im Vordergrund. Danach wurden vor allem die ökologischen Auswirkungen thematisiert. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Beschneiungsbedarfs zur Sicherung der zukünftigen Schneesicherheit geht es in erster Linie um den zusätzlichen Wasser- und Energiebedarf sowie um die mit dem Ausbau der Beschneiung verbundenen Kosten. Die ökologischen Auswirkungen sind vergleichsweise gut dokumentiert; die Einschränkungen, die bei einem massiven Ausbau der Beschneiung auftre- Abb. 2. Zahl der natürlich und technisch schneesicheren Skigebiete in den österreichischen Bundesländern (heute und in einer wärmeren Zukunft). Quelle: nach steiger und aBegg 2011. 32 Forum für Wissen 2012 Tab. 2. Ausmass der technischen Beschneiung in den Alpenländern. Quelle: aBegg 2011a. Pistenfläche beschneibar in % Schweiz 22 000 ha 7 920 ha 36% Österreich 25 400 ha 16 760 ha 66% 3 700 ha 599 ha 16% Italien 22 500 ha 15 750 ha 70% Frankreich 25 000 ha 5 300 ha 21% Slowenien 1 200 ha 900 ha 75% 138 ha 60 ha 43% 99 938 ha 47 289 ha 47% Deutschland (Bayern) Liechtenstein Alpenländer ten können, werden zwar wiederholt erwähnt, aber selten detaillierter analysiert (vgl. piCkering und BuCkLey 2010; aBegg 2011b; rixen et al. 2011). 4.1 Wasserbedarf und Wasserverfügbarkeit Der Wasserverbrauch pro Einheit Schnee ist vom Standort, den Witterungsverhältnissen und der Art/Effizienz der eingesetzten Anlagen abhängig. teiCh et al. (2007) gehen von folgenden Richtwerten aus: – 1 m3 technischer Schnee ≙ 0,2 bis 0,5 m3 Wasser (200–500 Liter Wasser). Für die Grundbeschneiung einer Hektare Piste (30 cm) benötigt man also 600 bis 1500 m3 Wasser (600 000 – 1,5 Mio. Liter Wasser) – und entsprechend mehr, falls nachbeschneit werden muss. Der Wasserbedarf ist immens. In Davos macht er 21,5 Prozent, in Scuol gar 36,2 Prozent des jährlichen kommunalen Wasserverbrauchs aus. Vor diesem Hintergrund ist es nicht wei- ter verwunderlich, dass die Wasserversorgung eine grosse Herausforderung darstellt. Zur wichtigen Frage, ob in Zukunft genügend Wasser vorhanden sein wird, um den zusätzlichen Bedarf zu decken, gibt es leider kaum verlässliche Informationen. Folgende Entwicklungen scheinen plausibel: Je nach Region (abhängig vom Niederschlagsregime, der Topographie und der Geologie etc.) wird mehr oder weniger Wasser zur Verfügung stehen bzw. werden sich die Probleme, die mit der zusätzlichen Wasserentnahme für die Beschneiung einhergehen, mehr oder weniger stark akzentuieren. In wasserärmeren Gebieten ist davon auszugehen, dass die Nachfrage das Angebot übersteigen könnte (vgl. sChädLer 2009). Konflikte mit anderen Wassernutzern, steigende Wasserpreise und ökologische Probleme (z. B. Restwassermengen) wären vorprogrammiert. Bleibt noch die Frage, wie das Wasser auf die Pisten kommt. Um die Wasserversorgung sicher zu stellen, müssen zusätzliche Speicherseen gebaut werden. Ausserdem braucht es Leitungen, um diese Seen zu füllen beziehungs- Tab. 3. Wasserverbrauch für die technische Beschneiung in Scuol, Davos und in der Schweiz (in 1000 m3). Quellen: 1 teiCh et al. 2007: 97; 2 Seilbahnen Schweiz 2008. Wasserverbrauch gemäss Richtwerten (in 1000 m3) Wasserverbrauch gemäss Angaben Skigebiete (in 1000 m3) 144 86,4–216 ca. 200 (2006) 301 180,6–451,5 ca. 600 (2006) 7260 4356–10 890 ca. 18 000 (2007/08) Beschneite Fläche (ha) Scuol (CH)1 Davos (CH) Schweiz2 1 weise um das Wasser von den Seen zu den Schneeerzeugern zu transportieren. Beides wird Spuren in der alpinen Landschaft hinterlassen. 4.2 Energiebedarf Wie beim Wasser gilt auch für den Strom: Der Verbrauch pro Einheit Schnee ist vom Standort, den Witterungsverhältnissen und der Art/Effizienz der eingesetzten Anlagen abhängig. teiCh et al. (2007) gehen von folgenden Richtwerten aus: – 1 m3 technischer Schnee ≙ 1,5 bis 9 kWh Für die Grundbeschneiung einer Hektare Piste (30 cm) benötigt man also 5000 bis 27 000 kWh Strom. Im Jahr 2006 haben die Bergbahnen Motta Naluns in Scuol rund 2,5 Mio. kWh Strom verbraucht – davon gingen 1,2 Mio. kWh auf das Konto der technischen Beschneiung. Zum Vergleich: Das Bad Scuol benötigte rund 3 Mio. kWh/Jahr (teiCh et al. 2007). Interessant ist auch ein Vergleich des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (2009): «Wenn man von einem durchschnittlichen Stromverbrauch von 4 kWh für die Erzeugung von 1 m3 Schnee ausgeht, dann verbraucht die Grundbeschneiung in Bayern 7,2 Mio. kWh Strom. Ein Zweipersonenhaushalt verbraucht im Jahr durchschnittlich 3030 kWh Strom. Der Strom, der in Bayern für die Grundbeschneiung benötigt wird, würde also reichen, um etwa 2300 Zwei-Personen-Haushalte ein Jahr zu versorgen.» Es ist davon auszugehen, dass der Stromverbrauch für die technische Beschneiung zunehmen wird. Dabei müssen folgende Aspekte beachtet werden: 1. In einer wärmeren Zukunft wird nicht nur mehr, sondern vermutlich auch vermehrt unter marginalen Bedingungen (= verringerte Effizienz) beschneit werden. 2. Es könnten vermehrt neue Technologien (Kälte- und Kyrotechnik) eingesetzt werden. Diese sind im Vergleich zu den herkömmlichen Anlagen energieintensiver. 3. Der Energieaufwand für die Wasserbereitstellung, insbesondere das Hochpumpen vom Tal in die Forum für Wissen 2012 Speicherbecken bzw. auf die Pisten, wird immer grösser. Dies bedeutet, dass der Stromverbrauch für die technische Beschneiung – trotz Effizienzgewinnen – stark ansteigen könnte. 4.3 Ökologische Auswirkungen Die ökologischen Auswirkungen der technischen Beschneiung werden seit vielen Jahren diskutiert. Die anfänglich sehr emotional geführten Diskussionen haben sich mittlerweile etwas versachlicht – nicht zuletzt, weil die in vergleichsweise grosser Zahl vorliegenden Studien ein komplexes, aber keineswegs nur negatives Bild zeichnen. Wir verzichten hier auf eine detaillierte Analyse und verweisen statt dessen auf CIPRA (2004), pröBstL (2006), Badré et al. (2009), rixen et al. (2011) sowie die dort zitierte Literatur. Stellvertretend kommen teiCh et al. (2007) zum Schluss, «dass ökologische Argumente nicht grundsätzlich gegen den Einsatz von Kunstschnee sprechen, da es nicht nur negative, sondern auch positive Auswirkungen gibt. Entscheidend ist, dass jeder potentielle Eingriff rechtzeitig mit Naturschutzverbänden und -verwaltungen abgesprochen werden sollte, um mögliche negative Einflüsse gering zu halten. Sensible Vegetation, mögliche Störung seltener Tierpopulationen und eventuelle Engpässe bei der Wasserversorgung sollten in jedem Einzelfall geprüft werden. Bei unvermeidlichen Baumassnahmen sollte nach modernsten Massstäben begrünt werden.» Zusätzlich müssen folgende Aspekte bedacht werden (aBegg 2011a): 1. Mit dem Ausbau der Beschneiung geht häufig ein Ausbau der Pisten einher. Damit sind zum Teil massive Landschaftseingriffe (z. B. Planien) verbunden. Sollte es tatsächlich zu einer Intensivierung des Skibetriebs in höheren Lagen kommen, werden auch Regionen tangiert, die aus ökologischer Sicht als äusserst sensibel eingestuft werden müssen. 2. In Zukunft könnten vermehrt künstliche Nukleationskeime verwendet werden. Mit Hilfe dieser Keime, zum Beispiel Snomax, 33 kann bei höheren Temperaturen beschneit werden. Umstritten bleibt, ob diese Keime (abgetötete Bakterien) negative Auswirkungen auf die alpine Umwelt haben. In einigen Regionen/Ländern sind sie erlaubt (Frankreich, Schweiz), in anderen dagegen (noch) verboten (Bayern, Österreich). 3. In den Alpenländern gibt es verschiedene Vorschriften, welche den Bau und Einsatz von Beschneiungsanlagen regeln. Einige dieser Vorschriften wurden in den letzten Jahren gelockert; zum Beispiel in Bayern (Verlängerung der Beschneiungssaison) oder im Kanton Bern (Vorverlegung des Beschneiungsstarts auf den 15. Oktober). Gut möglich, dass der Druck auf die bestehenden Regelungen in einer wärmeren Zukunft weiter zunimmt. 4.4 Ökonomische Auswirkungen Die Kosten für die technische Beschneiung sind beträchtlich. In der Literatur finden sich zahlreiche Angaben (vgl. aBegg et al. 2007). Lang (2009) geht beispielsweise von folgenden Eckdaten aus: – Investitionskosten pro Kilometer beschneibare Piste: 750 000 bis 1 000 000 CHF – Betriebskosten pro Kilometer beschneite Piste: 20 000 bis 100 000 CHF/Jahr Die Investitionskosten sind in erster Linie von der Bodenbeschaffenheit abhängig, die Betriebskosten von der zu produzierenden Menge, den Witterungsverhältnissen, der Wasserverfügbarkeit und der Art/Effizienz der eingesetzten Anlagen. In einer wärmeren Zukunft muss deutlich mehr Schnee produziert werden (je nach Gebiet und Szenario mehr als doppelt so viel wie heute), um die Schneesicherheit zu gewährleisten. Damit sind hohe Investitionen in zusätzliche Beschneiungsanlagen, in neue Technologien (effizientere, evtl. auch temperaturunabhängige Anlagen) und in die Sicherstellung der Wasserversorgung (zusätzliche Speicherseen) verbunden. Die Kosten für den Bau von Speicherseen werden von Lang (2009) wie folgt geschätzt: – 1,5 bis 2,5 Mio. CHF für Speicherseen mit 30 000 bis 50 000 m3 Volumen – 3 bis 3,5 Mio. CHF für einen Speichersee mit 80 000 m3 Volumen Bei den Betriebskosten müssen die höheren Volumina und die damit verbundenen Energie- und Wasserkosten berücksichtigt werden. Die Kosten pro Einheit Wasser variieren – abhängig von den Zugriffsrechten – stark. Bei der Energie schlagen vor allem die Kosten für den Wassertransport und den «Gefrier-Prozess» zu Buche. Mit Betriebsoptimierungen und neuen Technologien können Effizienzgewinne erzielt werden. Unter dem Strich werden die Betriebskosten aber massiv ansteigen: Nicht nur weil deutlich mehr Schnee produziert werden muss, sondern auch weil die Kosten pro Energie- (steigende Strompreise) und Wassereinheit (zunehmende Knappheit) ansteigen dürften. Daraus lassen sich zwei kritische Fragen ableiten: – Wer kommt für die Kosten der zusätzlichen Beschneiung auf? – Lohnt sich der Ausbau der technischen Beschneiung überhaupt? Bei der Frage nach der Finanzierung müssen die Ertragskraft der Seilbahnunternehmen, die Zahlungsbereitschaft der Skifahrer und alternative Finanzierungsmodelle berücksichtigt werden: – Die Ertragskraft der Seilbahnunternehmen ist sehr unterschiedlich. Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen werden Mühe haben, den Ausbau der technischen Beschneiung aus eigener Kraft zu finanzieren. – Die höheren Kosten werden sich in höheren Liftpreisen niederschlagen. Hier stellt sich die Frage, ob die Skifahrer bereit sind, noch mehr für die ohnehin schon relativ teuren Lifttickets zu bezahlen. Und wenn ja, wie viel? – Es gibt verschiedene Bestrebungen in Richtung einer breiteren Verteilung der Kosten. Versuche, andere Anbieter (z.B. die Hotellerie) einzubinden, sind bis dato gescheitert. In vielen Regionen lässt sich aber ein wachsendes Engagement der öffentlichen Hand beobachten. 34 Bei der Frage, ob sich der Ausbau der technischen Beschneiung überhaupt lohnt, muss das Kosten-Nutzen-Verhältnis betrachtet werden. Auch hierzu gibt es kaum verlässliche Informationen. Die Erfahrungen aus den schneearmen Wintern deuten auf eine lohnende Investition hin. Mitunter treten aber auch bereits heute Witterungskonstellationen auf, die den wunschgemässen Einsatz der Beschneiungsanlagen verzögern bzw. verunmöglichen (vgl. Winter 2006/07). Konkrete Studien gibt es nur sehr wenige: pütz et al. (2011) weisen am Beispiel von Davos einen positiven Wertschöpfungseffekt nach, und gonseth (2008) untersuchte, wie sich die Beschneiung eines zusätzlichen Pistenkilometers auf die Erfolgsrechnung von 60 Schweizer Seilbahnunternehmen ausgewirkt hätte: in 70 Prozent der Fälle positiv, in 30 Prozent der Fälle negativ (40 % wenn nur die tiefer gelegenen Skigebiete berücksichtigt werden). Mit anderen Worten: mehr Beschneiung führt nicht automatisch zu besseren Geschäftsergebnissen. 5 Ausblick Der alpine Wintertourismus nimmt eine herausragende Rolle in der touristischen Klimafolgenforschung ein. Aber trotz der vergleichsweise vielen Publikationen, bleiben zahlreiche Fragen offen. Einige dieser Fragen bzw. der daraus abgeleitete Forschungsbedarf werden zum Abschluss kurz skizziert: 1. In der Schweiz wurde die natürliche, aber nicht die technische Schneesicherheit der Skigebiete untersucht (Ausnahme rixen et al. 2011 für drei ausgewählte Gebiete). Im Rahmen der CH2014 Impacts Initiative soll das nachgeholt werden (nähere Auskünfte beim Autor). 2. Die bis anhin verwendeten Ansätze (Schneemodelle, Klimamodelle, Emissionsszenarien, Indikatoren etc.) unterscheiden sich stark. Um die Resultate vergleichen zu können, müssen die Ansätze harmonisiert werden. Nur so lassen sich Aussagen über unterschiedliche Sensitivitäten im internationalen Skitourismus machen. Forum für Wissen 2012 3. Die Diskussion über die zukünftige Schneesicherheit der Skigebiete wird von einer gewissen Technikgläubigkeit geprägt («Schneekanonen werden es schon richten»). Aus technischer Sicht ist vieles möglich, auch Schneeproduktion bei Plusgraden. Über die letztendlich wohl entscheidenden Punkte Wasserverfügbarkeit und Finanzierbarkeit wissen wir jedoch sehr wenig. Und was würde das Ausschöpfen der technischen Möglichkeiten für die Ski fahrenden Gäste bedeuten? pütz et al. (2011) haben gezeigt, dass die Akzeptanz der Beschneiung gestiegen ist, aber die Frage, wie die Touristen auf eine längerfristige Verschlechterung der Schneeverhältnisse (fehlender Schnee in den Herkunftsgebieten, fehlende Winteratmosphäre in den Skigebieten, längere Anfahrtsweg in die schneesicheren Gebiete, höhere Liftpreise etc.) reagieren werden, ist offen (vgl. sCott et al. 2012). 4. Stichwort Finanzierbarkeit: Wie könnten alternative Finanzierungsmodelle ausschauen? Soll sich die öffentliche Hand (noch) stärker engagieren? Könnte man nicht auch sagen, dass mit jedem Franken, der in den Ausbau der technischen Beschneiung fliesst, nicht nur der Skibetrieb gesichert, sondern auch die Abhängigkeit vom Skitourismus erhöht und damit die Möglichkeit, in neue und zukunftsfähige Geschäftsmodelle zu investieren, verbaut wird? Auf diese Fragen wird es keine allgemeinen Antworten geben. Was an einem Ort Sinn ergibt, kann an einem anderen Ort in die Sackgasse führen – wichtig ist, dass bei der Bearbeitung der Frage «wo, und bis wann macht welcher Ausbau der Beschneiung Sinn?» die unterschiedlichen Rahmenbedingungen der betroffenen Unternehmen (Lage, Grösse, Struktur, Ressourcen etc.) berücksichtigt werden. 6 Literatur aBegg, B.; FroesCh, r., 1994: Climate Change and Winter Tourism – Impact on Transport Companies in the Swiss Canton of Graubünden. In: Beniston, M. (ed) Mountain Environments in Changing Climates. 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Dev. 31, 3: 229–236. 35 sChädLer, B., 2009: Umgang mit Unsicherheiten und sich abzeichnenden Konflikten – Beispiel Wassernutzung. Bern, OcCC-Symposium: Anpassung an den Klimawandel (Vortragsmanuskript). sCott, d.; MCBoyLe, g.; MiLLs, B., 2003: Climate Change and the Skiing Industry in Southern Ontario (Canada): Exploring the Importance of Snowmaking as a Technical Adaptation. Clim. Res. 23: 171– 181. sCott, d.; MCBoyLe, g.; Minogue, a., 2007: The Implications of Climate Change for the Québec Ski Industry. Glob. Environ. Chang. 17: 181–190. sCott, d.; dawson, J.; Jones, B., 2008: Climate Change Vulnerability of the Northeast US Winter Tourism Sector. Mitigation Adapt. Strateg. Glob. Change. 13: 577– 596. sCott, d.; gössLing, s.; haLL, CM., 2012: International Tourism and Climate Change. WIREs Clim. Chang. 3: 213–232. doi: 10.1002/wcc.165. Seilbahnen Schweiz 2008: Fakten und Zahlen 2008. Bern. steiger, r.; Mayer, M., 2008: Snowmaking and Climate Change: Future Options for Snow Production in Tyrolean Ski Resorts. Mt. Res. Dev. 28, 3/4: 292–298. Abstract Natural and technical snow-reliability of ski areas Alpine winter tourism has been repeatedly identified as vulnerable to global climate change due to diminishing snow conditions required for skiing and snowboarding. Vulnerability to climate change, however, is not only depending on the impacts of global warming on natural snow conditions but also on the tourism stakeholders’ willingness and ability to adapt. First, the concept of snowreliability will be introduced. Second, the potential impacts of climate change on ski/winter tourism will be presented. Special attention will be given to the number 1 adaptation measure: technical snowmaking. The notion, that additional snowmaking may compensate for a decline in natural snow, will be critically reviewed, focusing on major constraints such as water availability, energy demand and costs. Finally, knowledge gaps and interesting topics for future research will be outlined. Keywords: ski tourism, snow-reliability, snowmaking, limitations, climate change steiger, r., 2010: The Impact of Climate Change on Ski Season Length and Snowmaking Requirements in Tyrol, Austria. Clim. Res. 43: 251–262. steiger, r., 2011: The Impact of Snow Scarcity on Ski Tourism – an Analysis of the Record Warm Season 2006/07 in Tyrol (Austria). Tour. Rev. 66, 3: 4–13. steiger, r.; aBegg, B., 2011: Climate Change Impacts on Austrian Ski Areas. In: BorsdorF, a. et al. (eds): Managing Alpine Future II. Wien, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 288–297. teiCh, M.; LardeLLi, C.; BeBi, p.; gaLLati, d.; kytzia, s.; pohL, M.; pütz, M.; rixen, C., 2007: Klimawandel und Wintertourismus: Ökonomische und ökologische Auswirkungen von technischer Beschneiung. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. witMer, u., 1986: Erfassung, Bearbeitung und Kartierung von Schneedaten in der Schweiz. Bern, Geographica Bernensia (G25). woLFsegger, C.; gössLing, s.; sCott, d., 2008: Climate Change Risk Appraisal in the Austrian Ski Industry. Tour. Rev. Int. 12: 13–25. Forum für Wissen 2012: 37–42 37 Wasserwirtschaft in Davos – eine kurze Bilanz ihrer Nachhaltigkeit Veronika Stöckli Bergwelten 21 AG, Tschuggenstrasse 7, CH-7260 Davos Dorf WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Flüelastrasse 11, CH-7260 Davos Dorf [email protected] Die Davoser Gewässer sind Wasserspender, Lösungs- und Transportmittel, Energielieferanten, Naturgefahr, idyllische Biotope und Kulisse von Geschichten und Legenden. Was viele Ansprüche befriedigen soll, muss geregelt werden: «Es solle niemand die Wasser im Landt verunsübern noch einicherlei abgestanden Vich darin kommen lassen by Buoss zwen Guldi von jedem Hopt, so oft das gescheche» forderte ein Gesetz aus dem siebzehnten Jahrhundert (Valer 1912). Die Wasserwirtschaft ist durch den Tourismus geprägt, dem wichtigsten Zweig der Davoser Wirtschaft insgesamt. Eine Betrachtung der Davoser Wasserwirtschaft damals und heute zeigt, dass sie nachhaltiger sein könnte. Das heute geltende Recht verlangt nicht mehr nur, das Wasser sauber zu halten, sondern auch haushälterisch damit umzugehen und den natürlichen Lebensraum zu erhalten. Dazu sollen nicht nur gesetzliche Forderungen und ökologische oder wirtschaftliche Überlegungen motivieren, sondern auch die touristisch attraktiven, ästhetischen und kulturellen Werte des Wassers. 1 Trinkwasserversorgung aus 100 Prozent Davoser Wasser Davos ist mit einer Fläche von 293 km2 eine der grössten Gemeinden der Schweiz, und, auf 1560 m über Meer gelegen, die höchstgelegene Stadt der Alpen. Rund 1080 mm pro Quadratmeter beträgt der jährliche Wassereintrag über den Niederschlag. Die Versorgung mit Trinkwasser ist die wichtigste Aufgabe der Davoser Wasserwirtschaft. Die gemeindeeigene Wasserversorgung verkauft rund 1,6 Millionen m3 Wasser pro Jahr (Gemeinde Davos 2010). Das Trinkwasser wird aus über 200 gemeindeeigenen Quellen gewonnen. Neben der öffentlichen Wasserversorgung werden weitere rund 70 Quellen privat gefasst und genutzt (Abb. 1). Pro Person werden im Jahr somit etwa 115 m3 Trinkwasser konsumiert, was dem entsprechenden Verbrauch in der Stadt Luzern entspricht (BfS 2012). Wasserangebot und -nachfrage sind jahreszeitlich unterschiedlich hoch. Im Winter werden pro Tag rund 13 000 m3 Wasser der öffentlichen Versorgung konsumiert, während dieser Wert im Sommer leicht höher liegt (14 000 m3). Die natürliche Wasserspende der Quellen ist im Winter eben- falls kleiner als im Sommer, was typisch ist für ein Einzugsgebiet, welches im Winter schneebedeckt ist und auch von Gletschern gespiesen wird. Minimal fliessen insgesamt 14 600 m3 durch die Leitungen, womit stets mehr Wasser dargeboten als konsumiert wird, auch gegen Jahresende, wenn besonders viele Gäste in Davos weilen. Bis das Wasser bei den Verbrauchern ankommt, ist eine enorme Infrastruktur nötig. Gegen 30 Millionen Franken hat die Gemeinde in den vergangenen 20 Jahren in die öffentliche Wasserversorgung investiert (Gemeinde Davos 2011). In der Schweiz wird rund 60 Prozent des Trinkwassers durch Haushalte und Kleingewerbe verbraucht, 19 Prozent durch die Industrie, knapp acht Prozent für Brunnen und andere öffentliche Zwecke und 16 Prozent gehen durch leitungsbedingte und andere Verluste verloren (BfS 2011). Wie hoch der relative Verbrauch dieser Gruppen in Davos liegt, lässt sich leider nicht aufschlüsseln. Hingegen liegen Zahlen zum Wasserverzehr von gemeindeeigenen Einrichtungen vor: Das Davoser Hallen- und Erlebnisbad verbraucht 44 274 m3 pro Jahr, während die Kunstund Natureisbahnen 2430 m3 Wasser zu Eis wandeln (teiCh et al. 2007). Unter den privaten Verbrauchern liegen die Bergbahnen an der Spitze: Parsenn und Jakobshorn verschneien für ihre Kunstschnee-Pisten rund 600 000 m3 Wasser aus eigenen Quellen und Speicherseen und aus dem Davoser See (teiCh Abb. 1. Die grosse Uhr oberhalb des Hotels Schatzalp zeigt den Wasserstand im hoteleigenen Trinkwasser-Reservoir an. 38 et al. 2007). Diese Menge ist enorm. Sie würde mehr als ein Drittel des von der Gemeinde abgegebenen Trinkwassers decken. Die Wasserversorgung hat sich in den vergangenen 150 Jahren beträchtlich entwickelt. Bevor die öffentliche Hand die Haushalte mit Trinkwasser versorgte, deckten private Quellen, Brunnen und Bäder den Wasserbedarf und stillten das Verlangen nach Gesundheit und Hygiene oder bildeten Orte der Begegnung. Zahlreiche alte Einrichtungen erinnern an die damalige Nutzung des Wassers in Davos. Im Sertigtal etwa befand sich ein «gutes säuerliches laxierendes Salpeterwasser, welches von mehreren Ärzten... probiert und nützlich gefunden wurde...» und «ein sehr gutes, ziemlich wohl eingerichtetes Bad» (Von VaLär 1806). Dieses Bad muss in der Engi gelegen sein und wurde bei der grossen «Wassergüssi» 1762 zerstört, welche besonders den Davoser Unterschnitt verheerte (LaeLy 1984). Am Rinerhorn sprudelte eine Schwefelquelle, welche – gefasst und ins Tal geleitet – im «Spinabad» von Kurgästen aus nah und fern genutzt wurde. Damals, in der Mitte des 19. Jahrhunderts, waren die Heilquellen in ganz Graubünden bedeutend für den boomenden Fremdenverkehr. Viele dieser Bäder existierten jedoch nicht lange, auch weil festgestellt wurde, dass das Wasser weder speziell mineralisiert noch heilsam war (waLther 1978). Aus dem damaligen Spinabad ist später ein Sporthotel und schliesslich ein Gewerbebetrieb geworden (Abb. 2). Forum für Wissen 2012 belasten die Abwasserreinigungsanlage (ARA). Dies geschieht vornehmlich bei intensivem Regen (Gemeinde Davos 2010; Abb. 3). Die Davoser ARA ist ähnlich der Wasserversorgung auf Spitzentage während der Hochsaison eingerichtet. Sie erreichen eine Reinigungskapazität von 40 000 Einwohnergleichwerten – bei rund 12 800 Einwohnern. Ob erfolgreich gereinigt wird, hängt wesentlich davon ab, wie leistungsfähig die Mikroorganismen der biologischen Reinigungsstufe sind. Damit diese auf die Hochsaison hin die rasch ansteigende Fracht bewältigen, werden sie vorgängig vermehrt. Die Reinigung der Abwässer erfordert eine umfassende Infrastruktur, analog zur Wasserversorgung. Für die Abwasserentsorgung investierte die Gemeinde in den vergangenen 20 Jahren etwa 25 Millionen Franken (Gemeinde Davos 2011). Abb. 2. Das ehemalige Kurhaus «Spinabad» und spätere Sporthotel hat seine touristische Bedeutung und seinen Charme weitgehend verloren. 2 Abwasserentsorgung mit leidvoller Geschichte Das Schmutzwasser, welches im Siedlungsgebiet anfällt, wird über ein umfangreiches Kanalsystem abgeführt und geklärt, bevor es zurück in die Vorfluter geleitet wird. In Davos bewältigen die Kläranlagen einen Abwasseranfall von rund 6 Millionen m3 Wasser pro Jahr (Gemeinde Davos 2011). Dies ist deutlich mehr als das konsumierte Trinkwasser. Regenwasser von Dächern und Strassen und unverschmutztes Fremdwasser dringen in die Kanalisation ein, vermischen sich mit dem Schmutzwasser der Haushalte und Abb. 3. Rund 400 000 m2 Boden- und Dachfläche sind versiegelt und leiten das abfliessende Meteorwasser in die Abwasserkanäle (mdl. Auskunft der Gemeinde). Forum für Wissen 2012 39 Die Geschichte der Abwasserentsorgung ist erstaunlich jung. Um 1880 – die Anzahl Fremdenbetten hatte sich in den Jahren zuvor mehr als verzehnfacht – wurde geklagt, dass die hiesigen sanitären Verhältnisse unhaltbar seien. Dies drohte das Ansehen des Kurortes zu schädigen. Auch die Lösung der Probleme kam aus Tourismuskreisen. Auf Initiative einiger Davoser Hoteliers wurde ein Entsorgungsgesetz formuliert und beschlossen und eine einfache Kanalisation eingerichtet (FerdMann 1990). Die Zahl angeschlossener Seitenkanäle wuchs derart rasant, dass sich bei heftigen Regenfällen das Abwasser in den Kellern der anliegenden Häuser sammelte. Der Hauptstrang der Kanalisation mündete als «Cloaca maxima» unterhalb Davos Platz ins Landwasser. Gemäss damaliger Schilderungen blieben bei Niedrigwasser «Kot und Geschwemmsel aller Art» an den Blöcken im Landwasser haften, sehr zum Verdruss der Wintersport-Touristen am damals schon stark frequentierten Bolgen (LütsChg-LötsCher 1944). Die Davoser «Verschönerungskommission» bemühte sich um eine akzeptable Lösung des Problems, allerdings ohne unmittelbaren Erfolg. Erst Jahrzehnte später, ab 1977, wurde schliesslich das Davoser Hauptsiedlungsgebiet einer richtigen Kläranlage angeschlossen. Abb. 4. Über den Winter wird der Wasserspiegel des Davoser See bis 28 m gesenkt. 3 Das Potential der Wasserkraft nutzen Die Davoser Gewässer werden auch gewerblich-industriell genutzt, wobei primär Strom produziert wird. Die Wasserkraftwerke des Davoser Elektrizitätswerkes (EWD) nutzen die potentielle Energie des Wassers und liefern rund 22 Millionen kWh (Gemeinde Davos 2011; Abb. 4). Damit lässt sich ungefähr ein Sechstel des Davoser Stromkonsums decken (SLF 2006). Die Elektrizitätswerk Davos AG plant, ihre Wasserkraftwerke auszubauen und möchte dadurch die Eigenproduktion verdreifachen ( Südostschweiz 2 012). Die ersten Anlagen, welche in Davos die Kraft des Wassers nutzten, wurden wiederum durch Tourismus-Kreise aufgebaut. Das damalige Hotel Buol verstromte erstmals um 1880 Wasser des Schiabachs und einige Jahre später folgte das Hotel Rhätia mit dem Bau der elektrischen Anlage am Landwasser. Mit dieser Anlage wurde während des Tages eine Säge angetrieben und in der Nacht das Hotel Rhätia sowie einige Strassenabschnitte beleuchtet (LütsChg-LötsCher 1944). Ab 1893 kümmerte sich die Elektrizitätswerke Davos AG um die Stromversorgung im Ort. Noch bevor die Stromproduktion entwickelt wurde, versorgten Mühlen das hiesige Gewerbe mit Energie. Gebäude- oder Flurnamen rufen diese ehemaligen Einrichtungen der Wassernutzung in Erinnerung, und eine Walsermühle aus dem 16. Jahrhundert befindet sich direkt neben dem Heimatmuseum. 4 Wassergefahren im Siedlungsgebiet Die Gebirgsbäche könnten im dichten Siedlungsgebiet von Davos erheblichen Schaden anrichten. Allein für den Dorfbach, der in einem engen Kanal durch die Häuser fliesst, wurde ein möglicher Schaden von rund 10 Millionen Franken berechnet (Gemeinde Davos 2011). Bis heute wurde und wird in Davos viel getan, um den Hochwasserschutz bis zu einem 100-jährlichen Ereignis zu gewährleisten. Bäche sind teilweise bis in die alpine Stufe befestigt, Sohlen terrassiert, Läufe begradigt sowie Geschiebesammler und Sperren errichtet. Knapp 20 Millionen Franken hat die Gemeinde in den vergangenen 40 Forum für Wissen 2012 20 Jahren investiert und der Bund und der Kanton Graubünden haben Beiträge in ähnlicher Grössenordnung entrichtet (Gemeinde Davos 2011). Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass nicht jede noch so wohlwollende Unterstützung durch den Bund akzeptiert wurde, um damit Naturgefahren abzuwehren. Als um die Mitte der 1870er Jahre der eidgenössische Forstinspektor Coaz rund 10 000 Baumsetzlinge nach Davos bestellte, um unter anderem die stark erodierenden Einhänge des Albertitobel zu sichern, beeilte sich das damalige Gemeindehaupt gegen die Sendung Verwahrung einzureichen – sehr zum Entsetzen des Forstinspektors (LaeLy 1984; Abb. 5). Weshalb in Davos diese Art der Hilfe abgelehnt wurde, bleibt unklar. Ler 2008). Der Rest verbleibt zwischenzeitlich in Schnee und Eis, Seen, Vegetation, Boden und dem Grundwasser. Das Wasser fliesst in rund 30 grösseren Bächen und Flüssen und über Grundwasserströme dem Siedlungsgebiet zu, wo es genutzt, abgeführt und geklärt wird. Haushalte und Industrie konsumieren ungefähr 0,7 Prozent des eingetragenen Wassers als Trinkwasser, während das Schneiwasser etwa 0,2 Prozent beträgt. Rund zwei Prozent wird von der ARA gereinigt. Über die Flüsse Landwasser und Landquart fliesst das Wasser schliesslich in den Rhein und strömt der Nordsee zu (Abb. 6). 5 Die Wasserbilanz ist nicht makellos Davos verfügt über eine umfangreiche Infrastruktur, welche für sauberes Trinkwasser sorgt, Schmutzwasser entsorgt und den Siedlungsraum vor den Gefahren des Wassers schützt. Die gesetzlichen Regelungen und die finanziellen Mittel von Bund und Kanton haben zusammen mit den ursprünglich privaten Initiativen wesentlich dazu Davos bewirtschaftet dank seiner Gebirgslage ausschliesslich Wasser, welches als Niederschlag auf das Gemeindegebiet fällt. Rund 40 Prozent des eingetragenen Wassers wird zurück in die Atmosphäre verdunstet (Beut- 6 Fazit: Die hiesige Wasserwirtschaft muss nachhaltiger werden Abb. 5. «Das äusserst grosse und schädliche Alberti-Tobel ausserhalb dem Platz, dessen wüthender Bach fast bei jedem starken Regen fürchterlich anschwillt, und bei Mannsgedenken sehr viele der schönen Güter verheert hat.» (Von VaLär 1806). Im Bild: Oberlauf des Albertibach. beigetragen, dass die hiesige Wasserwirtschaft funktioniert. Grundlagen bilden das Hochwasserschutzgesetz (ab 1877), das Wasserrechtsgesetz (ab 1916) und schliesslich das Gewässerschutzgesetz (ab 1955). Die Davoser Wasserwirtschaft offenbart dennoch auch gewisse Mängel und hat Potenzial, um nachhaltiger zu werden. Zwar ist der Verbrauch gemessen am eingebrachten Wasser gering, dennoch ist er nicht angemessen. Auffällig ist etwa der hohe Abwasseranfall, den die ARA zu bewältigen hat, oder dass die Bergbahnen enorm viel Wasser verbrauchen, um damit Kunstschnee zu produzieren. Bedauerlich ist zudem, dass alte Wassernutzungen aus der Landschaft und damit aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwinden. Augenfällig ist schliesslich, dass ursprüngliche Wasserlandschaften eingeengt oder verschwunden sind (Abb. 7a und 7b). So sind zahlreiche Bäche und die Flüsse zu lieb- und leblosen Abflussrinnen begradigt und der See offenbart während seiner Nutzung von November bis Ende Mai einen wüsten Kraterrand. Verschwunden ist zum Beispiel der grosse Sumpf auf Palüda (lat. «paludosus» = sumpfig), der Schlittschuhweiher am Platz, der «Sand» bei den Mündungen des Flüela- und Sertigbaches, die Auen am Landwasser oder das Hochmoor am Südende des Sees (vergleiche sChiBLer 1937; Abb. 8). In der Landschaft Davos böten sich zahlreiche Möglichkeiten, die Gewässer und ihre Nutzung nicht nur nachhaltiger sondern auch touristisch attraktiver zu gestalten. Einige dieser Mängel stehen aktuellen ordnungspolitischen Forderungen gegenüber. Beispielsweise verlangt der generelle Entwässerungsplan, dass Abund Fremdwasser besser getrennt werden. Das revidierte Gewässerschutzgesetz fordert, dass Gewässer wieder mehr Raum erhalten, damit sie als natürliche Lebensräume dazu beitragen, die Biodiversität zu erhalten. Wasser ist mithin unser wichtigster Rohstoff, den wir auch jenseits gesetzlicher Forderungen nach ethischen und ästhetischen Grundsätzen nutzen sollten. Dem Wasser in Menge, Qualität, Kultur und als natürliches Landschaftselement und Lebensraum Sorge zu tragen, böte nicht zuletzt auch interessante Möglichkeiten für den Tourismus. Forum für Wissen 2012 Niederschlag 100 % 41 Verdunstung ∼40% Schneiwasser Trinkwasser ∼0,7% ∼ 0,2% Abwasser ∼2% Abfluss ∼ 60% Abb. 6. Einfache Wasserbilanz für die Gemeinde Davos. Angaben und Schätzungen aus: BeutLer 2008 (Verdunstung); Gemeinde Davos 2011 (Niederschlag, Trinkwasser, Abwasser); teiCh et al. 2007 (Schneiwasser). Zwischenlager wie Gletscher, Seen oder Grundwasser sowie Import von Wasser über Nahrungsmittel und andere Produkte sind nicht berücksichtigt. Abb. 7. Das Landwasser nahm vor 140 Jahren den ganzen Raum zwischen Talstrasse und Mattastrasse ein. a) Siegfriedkarte (etwa 1870); b) Bild moderne Landeskarte. Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA12068). 7 Abb. 8. Der Igelkolben Sparganium angustifolium wächst im Uferbereich von Teichen und Seen. «Auf der nordöstlichen Seite des Davosersees liegt der einzige, jetzt durch die jährliche Seeabsenkung gefährdete Standort des Gebietes» (sChiBLer 1937). Mittlerweile ist dieses Vorkommen erloschen. Literatur BeutLer, r., 2008: Alpine Hydrologie Flüelapass – Dischmatal. Wege durch die Wasserwelt. Hydrologische Exkursionen in der Schweiz. Region Davos. Hydrologischer Atlas der Schweiz, Bern. BfS, 2012: Urban Audit 2011, Umwelt – Wasserverbrauch. Bundesamt für Statistik, www.bfs.admin.ch; abgerufen am 22. September 2012. BfS, 2011: Statistisches Lexikon der Schweiz. Trinkwasser 1945 – 2010. http://www.bfs. admin.ch. Abgerufen 30. September 2012. FerdMann, J., 1947: Der Aufstieg von Davos. Davos, Verlag Genossenschaft. Davos. Rev. 285 S. Gemeinde Davos, 2012: ARA Davos. http:// www.gemeinde-davos.ch/ara. Abgerufen 20. August 2012. Gemeinde Davos, 2011: Jahresbericht und Jahresrechnung 2011. 101 S. Gemeinde Davos, 2010: Jahresbericht und Jahresrechnung 2010. 111 S. LaeLy, a., 1984: Davoser Heimatkunde. Beiträge zur Geschichte der Landschaft Davos. 2. Auflage. Davos, Verlag Genossenschaft Davos. Rev. 275 S. 42 LütsChg-LötsCher, o., 1944: Zur Hydrologie der Landschaft Davos – Forschungsgebiet Nr. 7 – Davosersee. In: Beiträge zur Geologie der Schweiz. Zum Wasserhaushalt des Schweizer Hochgebirges, Bd. 2 (Teil 3). Bern, Kümmerly & Frey. 490 S. sChiBLer, w., 1937: Flora von Davos – Verzeichnis der Gefässpflanzen der Landschaft Davos und der angrenzenden Gebiete. Chur. 216 S. SLF 2006: Bilanzierung und Reduktion der CO2-Emissionen in der Landschaft Davos. Eine Machbarkeitsstudie zum Klimaschutz. Schlussbericht zum KTI-Projekt Nr. 7984.1. Davos, Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF. 97 S. Südostschweiz, 2012: Davoser Elektrizitätswerk will Wasserkraft ausbauen. www. suedostschweiz.ch. Abgerufen am 30. September 2012. teiCh, M.; LardeLLi, C.; BeBi, p.; gaLLati, d.; kytzia, s.; pohL, M.; pütz, M.; rixen, C., 2007: Klimawandel und Wintertourismus: Ökonomische und ökologische Auswirkungen von technischer Beschneiung. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. 169 S. VaLer, M. (ed), 1912: Landbuch der Landschaft und Hochgerichts-Gemeinde Davos im eidgenössischen Stand Graubünden: Sechs Jahrhunderte Davoser Geschichte. Davos, Verlagsanstalt-Buchdruckerei Davos. Von VaLär, J., 1806: Topographische Beschreibung der Landschaft Davos. Der neuer Sammler 2: 3–68. waLther, Chr., 1978: Heilquellen in Graubünden. Terra Grischuna 37, 3: 168–171. Forum für Wissen 2012 Abstract Water management in Davos – a short overview on its sustainability In Davos, the dimensions of water supply and distribution are strongly influenced by tourism, the most important economic sector of the high valley. Since the beginning of tourism about 150 years ago, the local water management has established an extensive infrastructure to permanently provide the community with sufficient drinking water, protect buildings from water hazards and dispose of waste water. The water management works faultlessly, but must become more sustainable in economic, ecological and social terms. Some deficiencies such as the enormous amount of unspoiled water in the sewerage or the lack of natural waters may be counteracted with new legal regulations in the near future. In addition, for ethical and esthetic reasons, consumers should preserve the precious resource water, preserve natural waters as gorgeous landscape elements and diverse biotopes and maintain their former use as a cultural good. Tourism would not be the last to gain from it. Keywords: water protection, infrastructure, culture history, sustainability, tourism, water supply and distribution Forum für Wissen 2012: 43–50 43 Herausforderungen und Ziele für die Schweizer Wasserwirtschaft der Zukunft Hugo Aschwanden Bundesamt für Umwelt (BAFU), Sektion Gewässerbewirtschaftung, CH-3003 Bern [email protected] Die grossen Wasserreserven bleiben der Schweiz auch in Zukunft erhalten, hingegen kann sich deren saisonale und räumliche Verteilung markant ändern. Dies erfordert eine Wasserwirtschaft, welche die Fragestellungen Sektoren übergreifend und in grösseren räumlichen Bezugseinheiten – vorzugsweise im Einzugsgebiet – angeht. Die Anpassungsstrategie des Bundesrates an den Klimawandel identifiziert die Handlungsfelder und definiert die Ziele für die zukünftige Wasserwirtschaft Schweiz. Um diese zu erreichen, müssen die Wasserressourcen und die dazugehörenden Infrastrukturen bewirtschaftet werden. Diese Bewirtschaftung orientiert sich an langfristigen Zielen und erfolgt in einem kontinuierlichen Zyklus von Planungs-, Umsetzungs- und Überwachungsprozessen. Partizipation und transparente Abwägungsmechanismen gewinnen an Bedeutung. 1 Wasserressourcen Die Schweiz verfügt über grosse Wasserressourcen: Gletscher rund 58 000 Mio. m3, natürliche Seen 130 000 Mio. m3, Grundwasser etwa 150 000 Mio. m3 (davon etwa 10 % jährlich erneuerbar), Stauseen 4000 Mio. m3; die Schneereserven im Frühjahr belaufen sich im Durchschnitt auf etwa 5000 Mio. m3. Obwohl die Schweiz nur 0,4 Prozent der Fläche Europas einnimmt, sind dies rund fünf Prozent der Wasservorräte Europas. Auf dem Territorium der Schweiz lagern nicht nur ausserordentlich grosse Reserven von Wasser, diese werden auch immer wieder durch riesige Mengen von Niederschlag erneuert (rund 60 000 Mio. m3 pro Jahr). Nach Abzug der Verdunstung stehen den acht Millionen Einwohnern im Inland heute pro Kopf und Jahr rund 5100 m3 erneuerbares Wasser zur Verfügung, etwa dreimal so viel wie im weltweiten Durchschnitt (sChädLer 2012). Die Schweiz und insbesondere die Alpen spielen für die Wasserversorgung der benachbarten und tiefer liegenden Regionen eine zentrale Rolle. So trägt der Rhein bei Basel mit nur 15 Prozent der Fläche im Mittel 34 Prozent zum Gesamtabfluss des Rheingebietes bei. Bei der Rhone macht der Wasseranteil aus den Schweizer Alpen 41 Prozent aus, beim Po 53 Prozent. Die Abfluss-Durchschnittswerte unterliegen saisonalen Schwankungen. Diese sind besonders ausgeprägt im Alpenraum, wo in den Wintermonaten Dezember bis März in den Fliessgewässern eine ausgeprägte Niedrigwassersituation herrscht, da das Wasser in der Schneedecke gespeichert ist und erst verzögert während der Schneeund Gletscherschmelze zum Abfluss gelangt. In Einzugsgebieten im Mittelland ausserhalb der grossen Flusstäler ist der Abfluss weitgehend vom Niederschlag geprägt. Die jährlichen Abflussschwankungen sind meist bedeutender als die saisonalen. Im langfristigen Mittel zeigt sich eine Tendenz zu SommerNiedrigabflusswerten (LHG 1992). 2 Wassernutzung Im Vergleich zu den vorhandenen Wasserressourcen sind sowohl der heutige wie auch der zukünftig erwartete Wasserbedarf in der Schweiz bescheiden. Insgesamt werden (ohne die nicht-konsumtive Nutzung durch die Wasserkraftwerke und die Durchflusskühlung der Kernkraftwerke) heute etwa total 2220 Mio. m3 Wasser für Haushalt (490 Mio. m3), Landwirtschaft (411 Mio. m3), Gewerbe und Industrie (1123 Mio. m3) und öffentliche Zwecke (84 Mio. m3) verbraucht (FreiBurghaus 2009). Dies entspricht weniger als fünf Prozent des Niederschlages. Vom angegebenen Total des jährlichen Wasserbedarfes stammen 981 Mio. m3, d. h. etwas weniger als die Hälfte, aus der öffentlichen Wasserversorgung. Die Zahlen stellen zeitlich und räumlich aggregierte Werte dar und verbergen, wie der Vergleich zwischen der lokalen Verfügbarkeit und dem Bedarf innerhalb des Jahresverlaufes aussieht. Zudem ignorieren diese Angaben, dass bei diversen Nutzungsformen das Wasser nicht «verbraucht» wird (nicht-konsumtive Nutzung), sondern lediglich gebraucht wird und somit für weitere Interessen im Einzugsgebiet verfügbar bleibt. Der Trinkwasserverbrauch in der Schweiz ist rückläufig. 1981 verbrauchte die ansässige Bevölkerung noch über 500 Liter Trinkwasser pro Kopf und Tag (einschliesslich Industrie und Gewerbe). Seither sank der Wasserverbrauch auf 325 Liter pro Kopf und Tag (SVGW 2011). Geschlossene Kreisläufe, neue Produktionsverfahren und Strukturänderungen bei Industrie und Gewerbe, wassersparende Haushaltgeräte und die Eindämmung der Wasserverluste aus dem Verteilnetz haben zu diesem Rückgang beigetragen. 3 Zuständigkeiten und Regelungen Die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101) legt mit Art. 76 die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen bezüglich Wasserwirtschaft fest. Der Bund sorgt gemäss Art. 76 BV im Rahmen seiner Zuständigkeiten für die haushälterische Nutzung und den Schutz der Wasservorkommen sowie für die Abwehr schädigender Einwirkungen des Wassers. 44 Er legt Grundsätze fest über die Erhaltung und die Erschliessung der Wasservorkommen, über die Nutzung der Gewässer zur Energieerzeugung und für Kühlzwecke und über andere Eingriffe in den Wasserkreislauf. Art. 76 BV gibt dem Bund auch die Kompetenz zum Erlass von detaillierten Vorschriften über den Gewässerschutz, die Sicherung angemessener Restwassermengen, den Wasserbau, die Sicherheit der Stauanlagen und die Beeinflussung der Niederschläge. Gestützt auf diese Kompetenzen hat der Bund – das Gewässerschutzgesetz vom 24. Januar 1991 (GSchG, SR 814.20), – das Wasserrechtsgesetz vom 22. Dezember 1916 (WRG, SR 721.80) – und das Bundesgesetz vom 21. Juni 1991 über den Wasserbau (WBG, SR 721.100) mit den entsprechenden Verordnungen erlassen. Die Bundesverfassung gibt dem Bund in weiteren Bereichen, die für die Wasserwirtschaft relevant sind, die Kompetenz, die Detailgesetzgebung zu regeln. Relevant sind hier insbesondere die Bereiche der Landesversorgung (Art. 102 BV), der Landwirtschaft (Art. 104 BV), der Förderung erneuerbarer Energien (Art. 89 BV), der Schifffahrt (Art. 87 BV) und der Lebensmittel (Art. 118 BV). Die Kantone verfügen über die Wasservorkommen. Im Rahmen dieser Zuständigkeit können sie insbesondere Wasserrechte verteilen und die Wassernutzung regeln. Der Vollzug der Bundesvorschriften liegt weitgehend bei den Kantonen, wobei der Bund in der Regel die Aufsicht ausübt. Die Kantone können ihre wasserwirtschaftlichen Aufgaben und die Verfügungshoheit weiter delegieren. Entsprechend vielfältig sind auch die kantonalen Bestimmungen. 4 Klimawandel und erwartete Folgen Das die zuständigen Departemente und Bundesämter Beratende Organ für Fragen der Klimaänderung (OcCC) und das Center for Climate Systems Modelling (C2SM) gehen in den Szenarien zur Klimaänderung in der Schweiz CH2011 davon aus, dass sie auch in Zukunft über ein vergleichs- Forum für Wissen 2012 weise hohes Wasserdargebot verfügen wird (OcCC und Proclim 2007; C2SM et al. 2011). Im Sommer und Herbst wird dieses allerdings, regional differenziert, abnehmen. Vertiefter untersucht und erstmals quantifiziert wurden die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt der Schweiz bis 2100 im Rahmen des Projektes CCHydro «Auswirkungen der Klimaänderung auf die Wasserressourcen und die Gewässer der Schweiz» (BAFU 2012a). Demnach werden sich als Folge der steigenden Schneefallgrenze parallel zur Zunahme der Lufttemperatur die in den Alpen gespeicherten Schnee- und Eismassen stark vermindern. Zusammen mit einer saisonalen Umverteilung des Niederschlags (trockener im Sommer, feuchter im Winter) wird dies eine jahreszeitliche Umverteilung der Abflüsse hervorrufen. So werden zum Beispiel die Niedrigwasser in Mittellandgebieten im Sommer deutlich kleiner und zeitlich ausgedehnter. Die Niedrigwasserabflüsse der Aare könnten im Spätsommer allmählich Werte annehmen, welche tiefer sein werden als heutzutage im Winter. Identifikation der Handlungsfelder Für die Entwicklung einer Strategie zur Anpassung an den Klimawandel (BAFU 2012b) wurden für verschiedene Sektoren die wichtigsten Handlungsfelder bestimmt und Strategien entwickelt. Dazu wurden die vom Klimawandel betroffenen Bereiche auf einer dreistufigen Skala (klein – mittel – gross) bezüglich der Dimensionen «Einfluss des Klimawandels», «Relative Wichtigkeit der klimabedingten Veränderung» und «Klimabedingter Handlungsbedarf» qualitativ beurteilt. Die Beurteilung erfolgte aus der Sicht des jeweiligen Bereichs und basiert auf Expertenwissen. Im Rahmen der Teilstrategie Wasserwirtschaft wurden 30 relevante Bereiche überprüft und 14 als Handlungsfelder der Anpassung identifiziert (Abb. 1). Spezifisch den Alpenraum betreffen die folgenden sieben Handlungsfelder mit grossem (W1–8) bzw. mittlerem (W9–14) Handlungsbedarf (Nummerierung gemäss BAFU 2012b): – W1 Trinkwasser: Regional und zeitlich beschränkte Engpässe im Wasserdargebot können die Trinkwasserversorgung beeinträchtigen. Betroffen sind vor allem nicht vernetzte, private Versorgungen. – W2 Speicherseen: Neue Herausforderungen (höheres Geschiebepotenzial, Eintrag von Schwebstoffen) und Ansprüche (Hochwasserrückhalt, Bewässerungswasser) verlangen eine ganzheitliche Bewirtschaftung von Speicherseen. – W4 Bewässerung: Der Bewässerungsbedarf in der Landwirtschaft nimmt zu. Zugleich müssen die ökologischen Anforderungen im Oberflächen- und Grundwasser eingehalten werden. – W5 Restwasser: Bestehende Vorschriften (Konzessionen) und Berechnungsgrundlagen (Q347) für Restwassermengen müssen wegen dem veränderten Abflussregime möglicherweise überprüft werden. – W7 Seeregulierung: Die Seeregulierung dient dem Hochwasserschutz, den touristischen Interessen und dem flussabwärts ausgeglichenen Abfluss. Abflussregimeänderungen führen zu veränderten Ansprüchen, was eine Überprüfung bestehender Reglementes notwendig machen kann. – W8 Internationale Ansprüche: Die wichtigsten internationalen Gewässer der Schweiz sind auch von den Interessen der Nachbarländer betroffen. – W9 Grundwassernutzung: Grundwasser und Quellen können qualitativ durch Infiltration von Oberflächenwasser von verminderter Qualität beeinträchtigt werden. Höhere Wassertemperaturen verschärfen das Problem. Dazu kommen aus dem «Umgang mit Naturgefahren» (Sektor N der Anpassungsstrategie) die Handlungsfelder Hochwasser (N1) und Wildbachprozesse (N3). Aus wasserwirtschaftlicher Sicht die wichtigsten Herausforderungen bei der Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz sind die zunehmende Sommertrockenheit, die steigende Schneefallgrenze, das steigende Hochwasserrisiko und die Beeinträchtigung der Wasser-, Boden- und Luftqualität. Übrige Wärmeeinleitung Gewässer 45 Beschneiung Rheinschiff- Grundwasserfahrt anreicherung mittel Restwasser Kühlung thermische Laufkraft- Kraftwerke werke Neue Seen im Gletscherbereich Baden im See/Fluss Flächiger Oberflächenabfluss Speicherseen Bewässerung Kleinwasserkraftwerke Löschwasser klein Einfluss des Klimawandels gross Forum für Wissen 2012 Bodenerosion Freizeitfischerei Berufsfischerei Seen Hochdruck Kraftwerke Schutz von Feuchtgebieten Kanalisation, Trinkwasser Strassenent- Grundwassernutzung wässerung Schutzwald Seeregulierung Auswaschung Inter- von Stoffen nationale Ansprüche Ökologie, Artenvielfalt (Flüsse, Seen) Schutzzone Trinkwasser Abwasserreinigung Binnenschifffahrt klein mittel gross Relative Wichtigkeit der Veränderung Handlungsbedarf klein mittel gross Abb. 1. Beurteilung der relevanten Bereiche der Wasserwirtschaft bezüglich Einfluss des Klimawandels, relativer Wichtigkeit der Veränderungen und des durch den Klimawandel bedingten Handlungsbedarfs. 5 Wasserwirtschaft 2025 Aus einem anderen Blickwinkel identifiziert die Studie Wasserwirtschaft 2025 (Ernst Basler+Partner 2007) die Herausforderungen der Zukunft und gibt Anstösse zur Gestaltung der zukünftigen Wasserwirtschaft in der Schweiz. Sie geht von Megatrends der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung der Schweiz aus und sieht vier Hauptstossrichtungen: Verteilung der knapper werdenden Wasserressourcen: Die prognostizierte, klimatisch bedingte Verknappung und Verlagerung der Wassermengen bei gleichzeitigem Mehrbedarf für Bewässerung und Energieproduktion sowie der notwendigen Sicherstellung der Grundbedürfnisse für Mensch und Lebensraum führt zu verstärkten Verteilproblemen der Ressource. Die Herausforderung besteht in der Einführung von neuen, effizienten Verteilmechanismen. Steuermitteln) dürften kleinere und mittlere Betreiber von Wasserversorgungen und Abwasserentsorgungen zunehmend an Grenzen stossen. Die Ver- und Entsorgung ist insbesondere in peripheren Gebieten durch Zusammenschlüsse und dem politischen Umfeld entsprechende Betreibermodelle zu professionalisieren. Flexibilisierung Wasserkraftnutzung: Der Zielkonflikt zwischen Ausbau der Wasserkraftnutzung als erneuerbare, klimaneutrale Energiequelle und dem Gewässerschutz wird durch die Auswirkungen der Klimaveränderungen (Abflussregime, erhöhte Verletzlichkeit der Gewässerökosysteme) und durch die Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes (Erhöhung wirtschaftlicher Druck) verschärft. Durch die Förderung von Kleinwasserkraftwerken steigt zudem die Zahl betroffener Gewässerstrecken mit oftmals besonders schwierigen Restwasserfragen. In diesem Spannungsfeld gilt es tragbare Lösungen zu finden, die eine fallweise Flexibilisierung ermöglichen. 6 Folgerungen Folgerung 1: Das Wasserschloss Schweiz bleibt erhalten. Nachhaltigeres Management von Hochwasser und Gewässerraum: Einerseits aufgrund des Klimawandels und andererseits durch den nutzungsbedingten Zuwachs an Sachwerten und Schadenpotential entlang der Gewässer ist eine Zunahme von Hochwasserereignissen mit grossen Schäden zu erwarten. Die Herausforderung besteht in der Reduktion des Schadenpotentials bei gleichzeitiger Gewährleistung der zentralen Bedeutung des Gewässerlebensraumes hinsichtlich Artenvielfalt und Landschaft. Im Vordergrund stehen die mit den Gefahrenkarten bereits lancierte raumplanerische Freihaltung der Gefahrenzonen sowie das Setzen von Anreizen zur Erhöhung der Eigenverantwortung beim Hochwasserschutz. Professionalisierung der kleinräumigen Siedlungswasserwirtschaft: Angesichts des steigenden Bedarfs an fachlichem Know-how (neue Schadstoffe) und Finanzmittel (hoher Erneuerungsbedarf bei gleichzeitig wegfallenden Gesamthaft wird in Zukunft nur unbedeutend weniger Wasser zur Verfügung stehen. Zurzeit profitiert die Wasserkraft-Energieproduktion sogar von den steigenden Temperaturen und den damit verbundenen hohen Gletschereis-Schmelzraten. Trotz saisonalen Verschiebungen der Abflüsse bleibt die Prognose für die Wasserkraft auch für die 2. Hälfte des Jahrhunderts günstig. Die Laufkraftwerke werden im Winter zur Zeit des höchsten Energiebedarfs dank höherer Abflüsse eine bessere Auslastung erzielen (Schweiz. Gesellschaft für Hydrologie, Limnologie SGHL und Hydrologische Kommission Chy 2011). Die Entwicklung der Trockenzeiten wird aufmerksam zu verfolgen sein. Wo jetzt schon temporär und lokal/regional Wasserknappheitssituationen auftreten, werden sich diese noch verstärken. Im Alpenraum könnten sich sogar mit dem Wegfall der Gletscherbedeckung und sommer- 46 lichen Niedrigwasserperioden neue Risikogebiete ergeben. Hier stehen allerdings mit den alpinen WasserkraftSpeichern und den Alpenrandseen grosse Wasserressourcen zur Verfügung, deren Potenzial für eine Mehrfachnutzung samt den technischen, ökologischen und ökonomischen Aspekten noch abzuklären ist. Trockenheit und Wasserknappheit sind auch in der EU mehr und mehr zu einem Thema geworden. Wirksame Strategien zur Bekämpfung des Dürrerisikos sind ein vordringliches Ziel der EU. Diesbezüglich wurden von der EU-Umwelt-Kommission sieben Politikbereiche (z. B. zusätzliche Wasser-Infrastrukturen, verbessertes Trockenheits-Risikomanagement, Wasser sparende Technologien, Wasserpreisgestaltung) herausgearbeitet und eine Reihe von Optionen auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene aufgezeigt, um Europa auf eine wassereffiziente Wirtschaft hinzuführen. Schweizerische Wasser-Ressourcen-Politik hat immer auch eine europäische Dimension. Die Schweiz wird sich mit den Ansprüchen der europäischen Unterlieger auseinandersetzen müssen. Folgerung 2: Die Wasserressourcen müssen bewirtschaftet werden. Bis anhin stand in der Schweiz für alle Nutzergruppen genügend Wasser zur Verfügung, es bestand kaum Bedarf, die Gewässer und Wasserressourcen zu bewirtschaften. Dies könnte in der Zukunft ändern und der Übergang zu einer angebotsgesteuerten Wasserwirtschaft muss ins Auge gefasst werden. Dies bedeutet primär, dass die Kantone und Gemeinden, welche über die Wasservorkommen verfügen, ihre Ressourcen und deren Nutzung detailliert kennen müssen und auf dieser Basis langfristige Planungen erstellen. Was Bewirtschaftung bedeutet, hat die Wasser-Agenda 21 (2011) in einem Leitbild umschrieben. Die Vision einer nachhaltigen Wasserwirtschaft leitet sich aus dem Verfassungsauftrag (Bundesverfassung Art. 761 und 73) und den Grundanliegen der Wasserwirtschaft ab. Die Bewirtschaftung des Wassers ist dabei als fortlaufender zyklischer Prozess zu verstehen (Abb. 2). Langfristige Entwicklungskonzepte dienen als Forum für Wissen 2012 Abb. 2. Zyklischer Prozess des Einzugsgebietsmanagements (aus Wasser-Agenda 21 2011). Grundlage für die Umsetzung. Die Prioritäten werden aufgrund von ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Kriterien festgelegt. Ein abgestimmtes Monitoring ist für die Erfolgskontrolle und weitere Planung unerlässlich. Folgerung 3: Räumliche und sektorale Integration ist unumgänglich. Moderne Wasserwirtschaft orientiert sich an den Grenzen, welche das Wasser vorgibt. Das Einzugsgebiet ist der Bezugsraum, in dem sich die Wechselwirkungen abspielen. Dieser funktional definierte Raum geht über die politisch-administrativen Grenzen hinaus. Die Gemeinde als Bezugseinheit stösst für zukunftsgerichtete wasserwirtschaftliche Lösungen an ihre Grenzen. Das Einzugsgebiet ist besser geeignet, um die wechselseitigen Auswirkungen zu erfassen, kumulative Effekte zu berücksichtigen und Strategien, Ziele und Massnahmen aufeinander abzustimmen. Gewässer (Flüsse, Bäche, Seen, Grundwasser) stehen im Spannungsfeld von Schutz- und Nutzungsinteressen. Die verschiedensten Interessen- und Anspruchsgruppen streben an: – das Wasser und die Gewässer vor Beeinträchtigungen für Tiere, Pflanzen, Ökosysteme, Landschaften und letztlich auch die menschliche Gesundheit zu schützen, – den Schutz vor den Gefahren des Wassers, insbesondere des Hochwassers, sicherzustellen, – das Wasser und die Gewässer für unterschiedliche Zwecke zu nutzen, namentlich als Trink-, Brauch- und Löschwasser, für die Nahrungsmittelproduktion, für die Energiegewinnung, für die Kühlung, für die Schifffahrt sowie im Tourismus für Erholung und Beschneiung. Diese Ansprüche können zu Interessenkonflikten führen, sei es zwischen Schutz und Nutzung oder zwischen verschiedenen Nutzungen. Grundsätzlich lassen sich diese Konflikte nicht auf einfache Art lösen, aber durch geeignete Verfahren (transparente und partizipative Interessensabwägung, strategische Planung, räumliche Schwerpunktbildung) mindern und bei einer regionalen Betrachtung in Einzugsgebieten ausgleichen. Das Einzugsgebietsmanagement nach dem Forum für Wissen 2012 Leitbild der Wasser-Agenda 21 (2011) dient der Abstimmung der verschiedenen Interessen und Ansprüche an Gewässer und Wasservorkommen. Im Idealfall können die Schnittstellen zu anderen Politikbereichen wie Energie, Land- und Forstwirtschaft, Natur- und Landschaftsschutz und Raumentwicklung mitberücksichtigt werden. Dieser Abstimmung in transparenten Verfahren kommt eine wichtige Bedeutung zu, da die schweizerische Wassergesetzgebung ausser dem Primat der Trinkwasserversorgung für den menschlichen Bedarf und die Hygiene keine Nutzung favorisiert, sondern alle Nutzungsformen im Sinne des Nachhaltigkeitsartikels der Bundesverfassung als gleichwertig betrachtet. Folgerung 4: Die institutionellen Voraussetzungen der Wasserwirtschaft können optimiert werden. Das BAFU sieht im Einzugsgebietsmanagement (IEM) ein grosses Potenzial für die Wasserwirtschaft. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die heutigen institutionell-organisatorischen Strukturen für eine erfolgreiche Anwendung des IEM geeignet sind. Gemäss einer Treiberanalyse sind die Akteure der Wasserwirtschaft der Ansicht, dass das Ziel einer verstärkten Integration auf rein freiwilliger Basis und mit den heutigen Institutionen nicht effizient zu erreichen ist. Gleichzeitig bestehen klare Vorbehalte gegenüber einer dirigistischen oder zentralistischen Weiterentwicklung der Institutionen (zysset et al. 2011). Angestrebt werden sollten einheitlichere Lösungen bei gleichzeitig hohem Mass an Flexibilität, so dass lokal angepasste Strategien möglich bleiben. Unter dieser Prämisse wurden drei verschiedene Strategievarianten entwickelt, die alle das Potenzial haben, den Herausforderungen zu begegnen und neue Bewirtschaftungsformen einzuführen. Welche der Varianten als zielführend angesehen wird, müsste ein partizipativer Prozess mit allen Beteiligten aufzeigen. Die Studie im Auftrag des BAFU lädt dazu ein, sich Gedanken zur zukünftigen Ausgestaltung der Wasserwirtschaft zu machen. 47 Folgerung 5: Monitoring und Früherkennung sind als Basis für wasserwirtschaftliche Entscheide und für Forschung systematisch weiter zu entwickeln. Die heutigen Aussagen zur Entwicklung des Wasserkreislaufes und der Wasserressourcen basieren auf den Trends der letzten Jahre und auf möglichen Szenarien der zukünftigen Entwicklung des Klimas. Letztere sind mit grossen Unsicherheiten behaftet, insbesondere was die Emissionsszenarien anbelangt. Diese schliesslich bilden ab, wie die Politik, Gesellschaft und Wirtschaft mit dem Klimawandel umgeht. Das Projekt CCHydro (BAFU 2012a) konnte nicht alle Fragen klären. Es identifizierte jedoch die Forschungslücken, welche in nächster Zeit zu schliessen sind. Voraussetzung dazu bilden die systematische Weiterführung, Weiterentwicklung und der Ausbau des Monitorings der hydrologischen Komponenten des Wasserkreislaufs sowie die Schliessung der Datenlücken (Bodeneigenschaften allgemein, Bodenfeuchte, Verdunstung, Schneewasser-Reserven) und die periodische Nachführung der Klimaszenarien. Diese bilden die Grundlage für die Modellierung der hydrologischen Prozesse und die Überprüfung der Modellresultate. Aus wasserwirtschaftlicher Sicht ebenso relevant ist das Monitoring der Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft. Beides bildet die Grundlage für wasserwirtschaftliche Entscheide, welche in vielen Fällen kostenintensive Investitionen in technische Anlagen und Infrastrukturen bedeuten. 7 Aktuelle Entwicklungen Die schweizerische Wasser- und Gewässerpolitik ist nicht statisch; sie entwickelt sich laufend weiter. Die auf den 1.1.2011 in Kraft getretene Revision des Gewässerschutz-Gesetzes mit der Sicherung des Gewässerraumes und der Stärkung der Renaturierung oder die geplante Elimination von Mikroverunreinigungen aus den grösseren Kläranlagen sind Beispiele dazu. Es gehört zu den Aufgaben der zuständigen Behörden, Entwicklungen zu verfolgen und rechtzeitig Massnahmen zu ergreifen. Dem Klimawandel wird wie anderen Veränderungsprozessen dabei die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt. Nachfolgend werden ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige nationale Aktivitäten aufgelistet, welche das Ziel haben, die heutigen und zukünftigen Herausforderungen der Wasserwirtschaft anzugehen: – Postulat Walter «Wasser und Landwirtschaft»: Das Postulat fordert Handlungs- und Lösungsansätze aus der Sicht aller Nutzungen einerseits für kurzfristige Ereignisse wie z. B. einen lokalen, vorübergehenden Wassermangel, anderseits sollen die langfristigen Perspektiven aufgezeigt werden, wie mit einer generellen Wasserverknappung, z. B. infolge Klimawandel, umzugehen ist. Der Bericht des Bundesrates beinhaltet strategische Lösungsansätze und formuliert Massnahmen in sieben verschiedenen Handlungsfeldern (BAFU 2012c). – Vollzugshilfe-Modul «Koordination wasserwirtschaftlicher Vorhaben»: Das Modul zu Art. 46 GSchV zeigt auf, wie im Vollzug wasserwirtschaftliche Vorhaben aufeinander abgestimmt werden können und welche konkreten Anforderungen an die jeweils zuständigen Vollzugsbehörden und verantwortlichen Akteure wasserwirtschaftlicher Vorhaben daraus abzuleiten sind. Dort wo erforderlich soll damit sichergestellt werden, dass den vorhandenen Wechselwirkungen, Synergien, Konflikten und Abhängigkeiten dank geeigneter Koordinationsformen angemessen Rechnung getragen wird (BAFU 2012d). – Praxisleitfaden Integrale Bewirtschaftung des Wassers in der Schweiz: In der Anleitung werden die Grundsätze aus dem Leitbild konkretisiert und Hilfestellung für das methodische Vorgehen gegeben. Die Konkretisierung besteht nicht in einheitlichen Standardlösungen, sondern erläutert Umsetzungsoptionen und zeigt diese mit Fallbeispielen auf. Wo verfügbar werden auf bestehende Methoden, Instrumente und in der Praxis erprobte Umsetzungsmodelle zurückgegriffen (BAFU 2012e). 48 – Empfehlung zur Erarbeitung kantonaler Schutz- und Nutzungsstrategien im Bereich Kleinwasserkraftwerke: Die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für Strom aus erneuerbaren Energien hat in der Schweiz zahlreiche Projekte für Kleinwasserkraftwerke ausgelöst, die aus der Sicht Stromproduktion, Gewässerschutz und Landschaftsschutz geprüft werden müssen. Die Vollzugshilfe soll die Kantone bei dieser Aufgabe unterstützen. Sie enthält ökologische, energetische und wirtschaftliche Kriterien, die bei der Abwägung zwischen Schutzund Nutzinteressen berücksichtigt werden können (BAFU et al. 2012) – Pilotprojekte Einzugsgebietsmanagement: Das BAFU fördert in den kommenden Jahren entsprechende Projekte. Neben konkreten Projekten in einzelnen Einzugsgebieten können auch Aktivitäten auf kantonaler Ebene gefördert werden (z. B. Erarbeitung von Wasserstrategien oder Grundlagenarbeiten für die Anpassungen der kantonalen Wassergesetzgebung) soweit ein wesentlicher Bestandteil dabei in der Förderung des Ansatzes und der Umsetzung der Grundsätze des integralen Einzugsgebietsmanagements besteht. Davon Gebrauch gemacht haben bisher die Kantone FR, GE, JU, NE, SZ, VD sowie BE (in Vorbereitung). – Wasserversorgung 2025, Wasserentsorgung 2025: Mit zwei Projekten aus der Siedlungswasserwirtschaft schafft das BAFU die Grundlagen, um wichtige strategische Entscheide fällen und allenfalls Massnahmen einleiten zu können. Die Themenfelder werden umfassend aufgearbeitet, die relevanten Bereiche identifiziert und Lösungsoptionen aufgezeigt. Der Entwurf des Berichts Wasserversorgung 2025 liegt vor, die Voranalyse wurde 2009 publiziert (BAFU 2009). Zur Wasserentsorgung liegen die Teilberichte der Voranalyse vor. Sie werden in einer Synthese zusammengeführt, welche die Grundlage bildet für die Festlegung der weiteren Schritte. Eine Publikation ist geplant. – Die UNO hat das Jahr 2013 zum «Internationalen Jahr der Zusammenarbeit im Wasserbereich» Forum für Wissen 2012 erklärt. Das Themenjahr ist für das BAFU Anlass, um die Akteure der Schweizer Wasserwirtschaft für den Sinn und die zunehmende Notwendigkeit zur Koordination zu sensibilisieren und ihre Bereitschaft für Kooperationen zu fördern; vertikal über die politisch-administrativen Grenzen hinweg: (inter)-kommunal – regional – (inter)-kantonal – national/grenzüberschreitend– international) und horizontal zwischen den Sektoren und Interessen. Für Kooperationsprojekte im Wasserbereich auf freiwilliger Basis nehmen Gemeinden und Kantonen eine zentrale Rolle ein. Verschiedene Verbände wirken zudem als Multiplikatoren Bei diesen Akteuren setzt das Konzept zum Internationalen Jahr der Wasserkooperationen den Hebel an. Auf sie werden die Informations- und Sensibilisierungsmassnahmen schwergewichtig ausgerichtet. Gleichzeitig soll ihnen ein Werkzeug zur Verfügung gestellt werden, das ihnen das Handeln vereinfacht. – Das Nationale Forschungsprogramm «Nachhaltige Wassernutzung» (NFP 61) erarbeitet wissenschaftliche Grundlagen und Methoden für einen nachhaltigen Umgang mit den Wasserressourcen, die unter zunehmendem Druck stehen. Das NFP 61 untersucht die von den klimatischen und gesellschaftlichen Veränderungen hervorgerufenen Auswirkungen auf diese Ressource und identifiziert die Risiken und zukünftigen Konflikte, die mit ihrer Nutzung verbunden sind. Es entwickelt Strategien für ein nachhaltiges und integrales WasserressourcenManagement. Die wissenschaftlichen Arbeiten haben 2010 begonnen, das Programm endet mit der Schlusssynthese 2014. Die Kantone sind nicht weniger aktiv. Sie engagieren sich – die Aufzählung ist beispielhaft – in Gesetzgebungsprozessen mit dem Ziel einer harmonisierten Wassergesetzgebung (GE, FR, ZH, …), in der Entwicklung von Strategien (BE, BL, …), in wegweisenden Projekten (NE, BE, SZ, …) oder schaffen Grenzen überschreitende Kommissionen (Birs, Glatt, …). 8 Zielsetzung der Anpassung an den Klimawandel Aus der Sicht der Anpassung an den Klimawandel ergeben sich für den Alpenraum die folgenden Ziele für die Wasserwirtschaft (BAFU 2012b): – Die Sicherheit der grossen Stauanlagen ist gewährleistet. – Wasserspeicherung und Wasserverteilung sind so ausgestaltet, dass die Auswirkungen veränderter Abflussregimes ausgeglichen und die verschiedenen Bedürfnisse von Wirtschaft, Gesellschaft und Ökologie (Festlegen von Prioritäten und Vorgehensweisen in Zeiten knappen Wasserdargebots sowie Mehrzwecknutzung von bestehenden Speichern und Seen) erfüllt werden. – Für die Fliessgewässer ist ausreichend Raum für Revitalisierung, Hochwasserschutz und Verbesserung der Ökologie sichergestellt, so dass sie ihre natürlichen Funktionen wahrnehmen können. – Trinkwasserversorgung und Abwasserreinigung sind regional vernetzt (Vermeidung von Knappheitssituationen; Vermeidung übermässiger Belastung durch Einleitung in die Fliessgewässer während Niedrigwasserzeiten oder bei Extremereignissen). – Die gesetzlichen Grundlagen sind überprüft und berücksichtigen – wo notwendig – die sich ändernden natürlichen Rahmenbedingungen (Restwasser, Wärmeeinleitung, Wasserrückgaben, Seeregulierung usw.). – Interessenskonflikte im grenzüberschreitenden Wassermanagement werden dank verbesserter Zusammenarbeit frühzeitig erkannt und gelöst. Voraussetzung zur Erreichung dieser Ziele ist es, dass ein ganzheitliches Verständnis der Wasserwirtschaft geschaffen wird: Die zukünftige Wasserwirtschaft befasst sich mit allen menschlichen Einflüssen auf die Ressource Wasser und Gewässer sowie den zugehörigen Infrastrukturen. Sie umfasst alle zielgerichteten Tätigkeiten, welche dem Gewässerschutz, der Gewässernutzung sowie dem Schutz vor dem Wasser dienen (Abb. 3). Dann ist ein Paradigmenwechsel von einem vorwiegend bedarfsorientierten zu einem Forum für Wissen 2012 49 Trink- und Brauchwasser Freizeit und Erholung Schifffahrt Wasser Nutzen Fischerei Wasserkraft Bewässerung Abwasserreinigung Das Gewässer und sein Einzugsgebiet Artenvielfalt Grundwasserund Bodenschutz Entwässerung Schutz vor dem Wasser Wasser Schützen Schutz der Auen und Feuchtgebiete Seeregulierung Baulicher Hochwasserschutz Erhalt und Wiederherstellung naturnaher Gewässer Raumplanung Gewässerunterhalt Abb. 3. Gesamtbild der Integralen Wasserwirtschaft (aus BWG 2003). mehr angebotsorientierten Wassermanagement erforderlich: statt Wasser einfach zu nutzen, muss dieses zukünftig nachhaltig bewirtschaftet werden. Und schliesslich ermöglichen neue institutionellen Voraussetzungen die Förderung einer integralen Gewässerbewirtschaftung. Der Bundesrat verabschiedete am 2. März 2012 den ersten Teil der Strategie zur Anpassung an den Klimawandel. Gleichzeitig erteilte er den Auftrag, einen Aktionsplan zur Erreichung der darin formulierten Ziele zu erarbeiten und ihm bis Ende 2013 zur Genehmigung zu unterbreiten. Es liegt nun an den verantwortlichen Behörden auf Stufe Bund und Kanton geeignete Massnahmen zu definieren mit denen die Vision einer integralen nachhaltigen Wasserbewirtschaftung erreicht werden kann. 50 9 Literatur BAFU, Bundesamt für Umwelt (Hrsg.), 2009: Wasserversorgung 2025. Sonderdruck 1511, gwa 2009. BAFU, Bundesamt für Umwelt (Hrsg.), 2012a: Auswirkungen der Klimaänderung auf Wasserressourcen und Gewässer. Bern, BAFU. Umwelt-Wissen Nr. 1217. 76 S. BAFU, Bundesamt für Umwelt (Hrsg.), 2012b: Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz – Erster Teil der Strategie des Bundesrates vom 2. März 2012. Bern, BAFU. 64 S. BAFU, Bundesamt für Umwelt, 2012c: Umgang mit lokaler Wasserknappheit in der Schweiz. Bericht des Bundesrates zum Postulat Walter «Wasser und Landwirtschaft. Zukünftige Herausforderungen». Bern, BAFU. In Vorbereitung. BAFU, Bundesamt für Umwelt, 2012d: Koordination wasserwirtschaftlicher Vorhaben. Ein Modul der Vollzugshilfe Renaturierung der Gewässer. Bern, BAFU. Umwelt-Vollzug, Anhörungsversion. 31 S. BAFU, Bundesamt für Umwelt, 2012e: Einzugsgebietsmanagement. Anleitung für die Praxis zur integralen Bewirtschaftung des Wassers in der Schweiz. Bern, BAFU. Umwelt-Wissen, Nr. 1204-D. Bundesamt für Umwelt BAFU; Bundesamt für Energie BFE; Bundesamt für Raumentwicklung ARE, 2011: Empfehlung zur Erarbeitung kantonaler Schutz- und Nutzungsstrategien im Bereich Kleinwasserkraftwerke. Bern, BAFU. Umwelt-Diverses, Nr. UD-1037-D. 28 S. Bundesamt für Wasser und Geologie BWG (Hrsg.), 2003: Eintauchen in die Wasserwirtschaft. Bern. 23 S. Center for Climate Systems Modelling C2SM; MeteoSchweiz; ETHZ; NCCR Climate: OcCC, 2011: Swiss Climate Change Scenarios CH2011. Zürich. Ernst Basler+Partner, 2007: Wasserwirtschaft 2025 – Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten. Im Auftrag von BAFU und BaslerFonds. Zollikon. 82 S. FreiBurghaus, M., 2009: Wasserbedarf der Schweizer Wirtschaft. gwa 12/2009: 1001– 1008. Landeshydrologie und -geologie LHG (Hrsg.), 1992: Hydrologischer Atlas der Schweiz. Tafel 5.2 – Abflussregimes als Grundlage für die Abschätzung des Abflusses. Bern. Forum für Wissen 2012 OcCC; Proclim (Hrsg.), 2007: Klimaänderung und die Schweiz – Erwartete Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft. Bern. sChädLer, B., 2012: Anpassung an den Klimawandel im Sektor Wasserwirtschaft. Bern, Bundesamt für Umwelt BAFU. Schweiz. Gesellschaft für Hydrologie, Limnologie SGHL; Hydrologische Kommission Chy (Hrsg.), 2011: Auswirkungen der Klimaänderung auf die Wasserkraftnutzung – Synthesebericht. Beitr. Hydrol. Schweiz 38: 28 S. SVGW, 2011: Trinkwasserstatistik. Wasser-Agenda 21 (Hrsg.), 2011: Einzugsgebietsmanagement. Leitbild für die integrale Bewirtschaftung des Wassers in der Schweiz. Bern, 20 S. zysset, a.; rieder, s.; asChwanden, h., 2011: Integrale Wasserwirtschaft umsetzen – aber wie? Diskussion möglicher Ansätze. Wasser energ. luft 103, 1: 53–56. Abstracts Challenges and Objectives of the Future Swiss Water Resources Management Switzerland’s water resources remain large even under the conditions of a changing climate. However, the latest scenarios up to 2100 and recent quantitative estimations of the main water cycle components show a remarkable change in the seasonal pattern: warmer temperatures in all seasons, wetter but less snowfall in the winter season and drier in the summer season, which leads to significant glacial melting or extended low flow conditions depending on the area. Therefore a water resources management is needed which is capable of dealing with the regional differences and of integrating both the various sectors and policies. The river basin is considered the most promising spatial management unit. The climate change adaptation strategy of the Swiss governement identifies the fields of action and sets respective objectives. To reach these, water management must replace today’s demand-driven water use. Management in this context is understood as a process of watershed management based on long-term goals, proceeding in a continous cycle of planning, implementation and monitoring. Stakeholder involvement gains importance, along with transparent balancing of interests for decision making. Keywords: climate change, adaption (to climate change), water resource management, river basin management, integration Forum für Wissen 2012: 51–56 51 «Elmer hydro» – Systeme zur Beschneiung und Stromproduktion kombinieren Samuel Hefti1 und Peter Gonsowski2 Technische Betriebe Glarus Süd, Farbstrasse 22, CH-8762 Schwanden Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, Gründenstrasse 40, CH-4132 Muttenz [email protected], [email protected] 1 2 Das Projekt «Elmer hydro» wurde in Zusammenarbeit des Instituts Bauingenieurwesen der FHNW mit dem Elektrizitätswerk Elm und der Sportbahnen Elm AG entwickelt. Es wurde durch das Netzwerk Wasser im Berggebiet (NWB) mit dem Swiss Mountain Water Award 2009 ausgezeichnet. Das Projekt sieht vor, das natürlich zufliessende und speicherbare Wasser des oberhalb von Elm im Kanton Glarus gelegenen Chüebodensees zur technischen Beschneiung und elektrischen Energieerzeugung unter ökologischen sowie ökonomischen Aspekten mit der gleichen technischen Infrastruktur nachhaltig zu nutzen. Der Projektansatz kann auf andere Gebirgsregionen in der Schweiz und im Ausland übertragen werden, wo die Nutzung des Lagepotentials von natürlichen Seen oder Speicherbecken in Zeiten ohne Beschneiung zur Energieerzeugung möglich ist. 2 Projektidee – Herausforderung Es ist geplant, das dem Chüebodensee natürlich zufliessende Wasser zu fassen und mit geeigneten baulichen Massnahmen sowohl für die künstliche Beschneiung als auch für die Stromproduktion zu nutzen. Das Wasser muss für diese Mehrzwecknutzung lediglich etwa 60 m aus dem See nach 1 Ausgangslage Der durch die Klimaerwärmung bedrohte Wintertourismus ist hinsichtlich Erhaltung beziehungsweise Schaffung von Arbeitsplätzen für die Berggemeinde Elm von existentieller Bedeutung, auch in Bezug auf die Abwanderung von jungen Leuten. Deshalb müssen die Pisten zur Gewährleistung des Skibetriebes in schneearmen Wintern künstlich beschneit werden. Im Berggebiet um Elm gibt es neben einer Vielzahl von Wasserkraftwerken bereits ein Beschneiungssystem für Skipisten. Die technische Beschneiung des obersten Teils des Skigebiets (Region Pleus-Steinböden 1800 bis 2100 m ü.M.) sowie weiterer Pisten auf der Bischof-Alp wäre derzeit nur teilweise mit Quellwasser möglich. Dazu müsste Wasser rund 600 m nach oben gepumpt werden, obwohl sich in unmittelbarer Nähe zur Bergstation Steinböden auf 2046 m ü.M. der Chüebodensee befindet (Abb. 1). Das im See gespeicherte Wasser wird heute nicht genutzt. Eine umwelt- und kostenoptimierte Lösung für neue Anlagen unter Nutzung des Chüebodensee als Wasserspeicher und weiterhin auch als Ausflugsziel ist deshalb anzustreben. Abb. 1. Chüebodensee (2046 m ü.M.) mit Blick vom Bergkamm Steinböden. 52 Forum für Wissen 2012 oben in ein unterirdisches Ausgleichsbecken gepumpt werden. Danach steht das Wasser für die Skisaison zur technischen Beschneiung bzw. in der restlichen Zeit zur elektrischen Energieerzeugung im gemeinsam genutzten Leitungssystem bereit. Wesentlich für das Projekt ist, dass das Wasser nach dem Turbinieren in der rund 250 m tiefer liegenden neuen Zentrale Pleus direkt in das bestehende Wasserkraftnetz geleitet wird und somit den drei bestehenden Kraftwerksstufen Empächli, Güetli und Elm-Dorf für die weitere Stromproduktion zur Verfügung steht (Abb. 2). 800 000 m3 Niederschlagswasser in den Chüebodensee gelangen (Abb. 3). Das heute natürlich aus dem Chüebodensee ausfliessende Wasser mündet weiter östlich in eine Doline, wo es unter einer Nummulitenkalkschicht versickert. Etwa 170 m weiter östlich tritt das Wasser wieder an die Oberfläche und fliesst in einem kleinen runsenartigen Wildbach (kein Fischgewässer) talwärts auf Höhe 930 m ü.M. in die Sernft. Das in dieser Doline versickernde Wasser soll nun zur Energieerzeugung und zur Beschneiung der Piste Steinböden-Pleus genutzt werden. 3.2 Geologie des Chüebodensees 3 Naturwissenschaftliche Grundlagen 3.1 Wasserdargebot Auswertungen hydrologischer Daten nach der Methode gemäss weingartner und asChwanden (2010) zeigen, dass über das Einzugsgebiet von 0,5 km2 jährlich im Mittel rund Die geologischen Verhältnisse sind nur im Bereich des Chüebodensees genauer bekannt, da sie dort im Rahmen einer geologischen Untersuchung durch das Büro für technische Geologie Dr. M. Kobel + Partner AG genauer erforscht wurden (Mohr 2007). Der Chüebodensee wird von indirekten unterirdischen Zuflüssen aus dem zerklüfteten Verrucanofels und unterirdischen Zuflüssen aus den Hangschutt- halden gespeist. Der See liegt in einer Mulde aus Flyschschiefer, welcher den Seegrund nach unten abdichtet. Die durchgeführten geologischen Untersuchungen zeigen, dass ein Höherstau von 3 m möglich ist und dadurch das nutzbare Seevolumen vergrössert werden kann. 4 Technische Infrastruktur Um das Wasser aus dem Chüebodensee nutzbar zu machen, sind diverse Bauwerke notwendig. Diese werden nachfolgend erläutert. Die Standorte der geplanten Bauwerke sind in Abbildung 2 ersichtlich (Brunner und sChwyzer 2009). 4.1 Wasserfassung und Absperrbauwerk mit Pumpanlage Das heutige Seevolumen hat bei aktuellem Wasserstand keinen ausreichenden Bewirtschaftungsraum (Abb. 4). Ein solcher wird jedoch benötigt, sowohl als Wasservorrat für die Einzugsgebiet ca. 0,5 km2 Neues Absperrbauwerk mit Pumpe 1. Etappe Neue Schneeanlage anlagen neu Neues Reservoir Steinböden 300 m3 Neue Zentrale Äschen 900 kW Neue Zentrale Pleus 130 kW 2. Etappe Reservoir Pleus 900 m3 Zentrale Empächli 310 kW Zentrale Güetli 205 kW Zentrale Elm-Dorf 140 kW Abb. 2. Übersicht des hydraulischen Systems der bestehenden Wasserkraftanlagen (rote Linie) und der geplanten Wasserkraft- und Schneeanlagen (grüne Linie und orange Kreise). Die blaue Linie umfasst das Einzugsgebiet des Chüebodensees. Forum für Wissen 2012 53 Beschneiung als auch für die Niveausteuerung bei der Stromproduktion. Die hierfür benötigte Vergrösserung des Seevolumens kann mit einem ca. 30 m langen und maximal 3 m hohen Damm im Bereich des Seeauslaufes geschaffen werden. Der vorwiegend mit örtlich vorhandenem Material zu schüttende Damm lässt sich harmo- nisch in das Landschaftsbild einfügen. Mit dem so neugeschaffenen Speichervolumen ist eine optimale Bewirtschaftung des Sees hinsichtlich Beschneiung und Stromproduktion möglich. Die Wasserfassung ist am Ausfluss des Sees geplant. Hier soll das Wasser von Pumpen angesaugt werden, die sich im Stützkörper des Dammes am östlichen Rand des Chüebodensees befinden. Die Gestaltung der Dammoberfläche mit Blocksatz mit standortspezifischem Gestein soll nicht nur die Standsicherheit des Bauwerks gewährleisten, sondern auch optisch für eine möglichst unauffällige Eingliederung ins Landschaftsbild sorgen. m3 1000000 800000 Summenkurve; niederschlagreiches Jahr Summenkurve; niederschlagarmes Jahr Summenkurve; Mittelwert 600000 400000 200000 0 Okt. Nov. Dez. Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Abb. 3. Summenkurve des natürlichen Seezuflusses aus Niederschlag gemäss Niederschlags-Abfluss-Simulation mit Daten der Eidg. Forschungsanstalt WSL (SLF Messdaten© 2007). Kote m ü.M. 2050 Maximalwasserstand 2049 m ü.M. 2049 Stauziel 2047.5 m ü.M. 2048 Speicherinhaltslinie 2047 aktueller Wasserstand 2046 m ü.M. 2046 2045 Minimalwasserstand 2044 m ü.M. 2044 2043 2042 2041 2040 2039 2038 Speicher-Bewirtschaftungsraum 50 000 m3 2037 2036 2035 2034 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 Stauvolumen in Tausend m3 Abb. 4. Speicherinhaltslinie des Chüebodensees nach topografischen Aufnahmen durch die FHNW Studienwoche 2005. 130 140 54 4.2 Reservoir Steinböden Durch eine unterirdisch verlegte Druckleitung soll das Wasser in ein 60 m höher gelegenes Reservoir im Gebiet Steinböden gepumpt werden. Das Reservoir mit einem Volumen von etwa 300 m3 dient nicht als Speicher, sondern lediglich dem Ausgleich zwischen Pump- und Turbinenbetrieb. Das Bauwerk kommt im Bereich des Bergkamms Steinböden zu liegen und wird komplett unterirdisch in den Berg eingebunden. 4.3 Technische Beschneiung In der Nähe des geplanten Standorts für das Reservoir befindet sich die Bergstation der Sesselbahn Pleus. In schneearmen Wintern besteht das Bedürfnis, die bestehende Skipiste zwischen Mitte November und Mitte Januar technisch zu beschneien. Die Druckleitung zur geplanten Zentrale Pleus soll unterirdisch entlang dieser Skipiste geführt werden, um einen einfachen Anschluss für die Beschneiungsanlagen zu ermöglichen. Zusammen mit dem Bau des Kleinwasserkraftwerks Pleus ergeben sich so Synergieeffekte durch die gemeinsame Nutzung der Anlagen. Dadurch können der Energieaufwand und die Kosten für die Beschneiung minimiert werden. 4.4 Zentrale Pleus Für die Stromproduktion ist eine Zentrale in der Nähe des heute schon bestehenden unterirdischen Reservoirs Pleus geplant. Die Fallhöhe zwischen dem geplanten Reservoir Steinböden und der neuen Zentrale Pleus beträgt rund 250 m. In der neuen, unterirdisch angelegten Zentrale Pleus wird eine Peltonturbine mit einer Leistung von etwa 130 kW installiert. Das dort turbinierte Wasser fliesst anschliessend zum bestehenden Reservoir Pleus, von wo es in die Anlagen der Kraftwerksstufen Empächli, Güetli und Elm-Dorf weitergeleitet wird. Forum für Wissen 2012 4.5 Bestehende Kraftwerksstufen Empächli, Güetli und Elm-Dorf Die bestehenden Kraftwerksstufen Empächli, Güetli und Elm-Dorf sind in den Sommermonaten bereits heute regelmässig zu 100 Prozent, in der Übergangszeit und den Wintermonaten allerdings nur teilweise ausgelastet. Durch die Nutzung des Chüebodensees und der damit verbundene Bau des Kleinwasserkraftwerks Pleus, kann die Auslastung dieser drei Kraftwerksstufen optimiert und die Stromproduktion entscheidend erhöht werden. Ausserdem besteht die Möglichkeit mit dem neuen Speichervolumen einige Stunden Spitzenenergie zu produzieren. Das bestehende System hat keine Speichermöglichkeit und Wasser kann nur zum Zeitpunkt des Zufliessens wie bei einem Flusskraftwerk verarbeitet werden. 5 Umweltaspekte Das Projektgebiet liegt nicht in der Zone des Bundesinventars der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN). Eine Realisierung des Projekts ist deshalb grundsätzlich möglich. Hinsichtlich kantonaler Richtlinien des Umweltund Landschaftsschutzes wird mit grösster Sorgfalt projektiert. Beeinträchtigungen des alpinen Ökosystems werden aus Sicht der Planer mit modernen Baumethoden gering gehalten. Emissionen während des Baus und Betriebs sind im Vergleich zum Nutzen sehr klein. Alle Bauwerke sind unterirdisch angeordnet und nach der Fertigstellung unsichtbar. Der Lebensraum von Wild und Vögeln wird nicht gestört. Da der Abfluss aus dem Chüebodensee in einer Doline versickert, hat er keinen Einfluss auf die Moore und auf die Vegetation der oberen Chüebodenalp. Indikator dafür sind genügend Quellaustritte im Zwischeneinzugsgebiet der Alp (Mohr 2007). Die Lage des Seespiegels ist in der Zeit von Juli bis Oktober im oberen Bereich. Bei tieferen Lagen des Spiegels verbleibt im See ein definiertes Restwasservolumen für eingesetzte Fische. Der unterhalb des Sees entstehende Chüebodenbach ist gemäss den kantonalen Fangstatistiken kein Fischgewässer. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung der neuen Anlagen ist nicht erforderlich, da die maximal mögliche Leistung kleiner 3 MW ist und die Beschneiungsfläche unter der Grösse von 5 ha liegt. Mit der Steigerung der Stromproduktion um 1,05 Mio. kWh/a lassen sich rund 300 Haushalte/a versorgen. Aus der Ökobilanz ergibt sich damit eine Ersparnis von 105 000 Liter Heizöl/a und eine Reduktion des Ausstosses von 277,2 Tonnen CO2. 6 Synergieeffekte Durch die Realisierung des Projektes «Elmer hydro» könnte das Speicherpotential des Chüebodensees umweltverträglich mit relativ wenig baulichem Aufwand in der Etappe 1 zur Beschneiung und zur Stromproduktion genutzt werden. Die bauliche Infrastruktur für Beschneiung und Stromproduktion wird dabei kombiniert. In Abbildung 5 ist das hydraulische System der technischen Infrastruktur für die Wasserversorgung, Schneeanlagen und Kraftwerke von Elm dargestellt. Die in Grün und Orange skizzierten Anlagenteile umfassen das Projekt «Elmer hydro» mit den Etappen 1 und 2. Die Etappe 2 wird im nächsten Abschnitt kurz beschrieben. 6.1 Energieproduktion Berechnungen zeigen, dass durch den Bau eines Kleinwasserkraftwerks auf der Ebene Pleus eine jährliche Energieproduktion von 0,45 Mio. kWh realisiert werden kann. Mit der Inbetriebnahme des neuen Kleinwasserkraftwerks stünde zusätzliches Wasser zur Optimierung des Auslastungsgrades der bestehenden unteren Zentralen Empächli, Güetli und Elm-Dorf zur Verfügung. Dadurch wäre eine jährliche Mehrproduktion elektrischer Energie von 0,60 Mio. kWh möglich. Mit der vorgestellten Projektidee (Etappe 1) kann somit die Stromproduktion um 1,05 Mio. kWh/a erhöht werden. Mit dem Ausbau der Anlagen in Etappe 2 können durch Zusammen- Forum für Wissen 2012 Abb. 5. Systemübersicht der Wasserversorgung, der Schneeanlagen und der Kraftwerke (heFti 2009). 55 56 legung der bestehenden zwei unteren Kraftwerksstufen Güetli und ElmDorf zu einer Stufe nochmals 0,75 Mio. kWh/a zusätzlich produziert werden. Heute liegt die gesamte Produktion bei 3,2 Mio. kWh/a bei einer Ausbauleistung von 655 kW und mit den Projekten der Etappen 1 und 2 sind künftig 5 Mio. kWh/a bei 1340 kW möglich, was einer Steigerung der Stromproduktion um mehr als 50 Prozent entspricht. 6.2 Technische Beschneiung Durch die Druckleitung SteinbödenPleus kann das Wasser des Chüebodensees zur technischen Beschneiung der Skipiste Steinböden-Pleus genutzt werden. Durch die gemeinsame Nutzung der Anlagen können den Sportbahnen Elm AG jährlich 50 000 m3 Wasser zur Versorgung ihrer Beschneiungsanlagen zur Verfügung gestellt werden. Die benötigte Zeit für die Beschneiung der Skipisten wird von 20 auf 10 Tage halbiert und die notwendige Pumpenergie um 90 Prozent reduziert. Forum für Wissen 2012 7 Ausblick 8 Literatur Der Ansatz im Projekt «Elmer hydro», die Infrastruktur sowohl zur Beschneiung als auch zur Stromproduktion zu nutzen, kann auf Gebirgsregionen in der Schweiz und im Ausland übertragen werden, wo entsprechendes Lagepotential von natürlichen Seen oder Speicherbecken vorhanden ist. Im Rahmen des Projekts «Elmer hydro» wurde in einer separaten Potenzialstudie ein Google-Maps unterstütztes GIS-Modell entwickelt, um weitere Standorte in der Schweiz zu identifizieren, welche sich für den Bau ähnlicher Anlagen gemäss Etappe 1 eignen würden (gonsowski et al. 2011). «Elmer hydro» ist ein durch das Netzwerk Wasser im Berggebiet NWB geförderte Gewinner-Projekt und wird Ende 2012 abgeschlossen. Auf Basis des vorliegenden Projekts könnte im kommenden Jahr das Wasserechtsverfahren für eine Neukonzession eingeleitet werden. Bundesrätin Doris Leuthard würdigte in ihrer Ansprache zur Preisverleihung, dass im Projekt die Ressource Wasser auf eine sanfte und nachhaltige Art für verschieden Zwecke genutzt wird. weingartner, r.; asChwanden, h., 2010: Hydrologischer Atlas der Schweiz. Abflussregimes als Grundlage zur Abschätzung von Mittelwerten des Abflusses. Bern, Bundesamt für Umwelt. Mohr, h., 2007: Aufstau Chüebodensee, Geologischere Bericht, Machbarkeitsstudie, Bericht 5188-1. Sargans, Büro für technische Geologie Dr. M. Kobel + Partner AG. Brunner, d.; sChwyzer, o., 2009: Projektierung eines Kleinwasserkraftwerks im Berggebiet Steinböden-Pleus in Elm, Kanton Glarus, Teil 1 Speicheranlage, Teil 2 Kraftwerksanlage, Bachelor-Thesis, Institut Bauingenieurwesen. Muttenz, Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. heFti, s., 2009: Hydraulisches System mit Ausbau-Etappen, Gemeinde Elm und Sportbahnen Elm AG, Kanton Glarus. gonsowski, p.; inderMitte, M.; stark, h-J.; BähLer, L., 2011: Kombinierte Nutzung der Infrastruktur für Beschneiung und Stromproduktion aus natürlichen Seen oder Speicherbecken, Potenzialstudie. Muttenz, Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. 6.3 Wirtschaftlichkeit Anhand des Programms zur kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) gemäss der Energieverordnung des Bundes vom 14. März 2008, lässt sich die Rentabilität des Projektes abschätzen. Mit den Eingabewerten der Jahresproduktion von 1,05 Mio. kWh und der Brutto-Fallhöhe von 265 m berechnet das Programm eine Vergütung von rund 20,4 Rp/kWh und eine theoretischen Investition von 2,3 Mio. CHF für eine entsprechende Referenzanlage. Bei einem Gestehungspreis von 16,7 Rp/kWh und der Vergütung der Jahresproduktion von 20,4 Rp/kWh resultiert ein Gewinn von rund 39 000 CHF/a. Die Rentabilitätsberechnung weist also eine positive Bilanz auf. Dabei ist die monetäre Bewertung der verbesserten Schneesicherheit für den Wintertourismus bzw. die Bereitstellung des Wassers an die Sportbahnen Elm AG zur Beschneiung noch nicht berücksichtigt. Abstract Elmer Hydro Systems - Combining Snowmaking and Electricity Production The project «Elmer hydro» was developed in collaboration with the Institute of Civil Engineering at the University of Applied Sciences in Northwestern Switzerland and the Elm power company and Sportbahnen Elm AG. The «Netzwerk Wasser im Berggebiet NWB» was awarded the Swiss Mountain Water Award in 2009. The project intends to sustainably use natural inflowing water and lakewater retention from Chüeboden lake, located above Elm in Canton Glarus, for hydroelectric power and technical snow production under ecological and economic aspects with the same technical infrastructure. The project’s approach can be transferred to other mountainous regions in Switzerland and abroad where the potential location of natural lakes or reservoirs during no-snow periods is possible for producing energy. In a separate potential study within the «Elmer hydro» project, a Google-Maps supported GIS model was developed to identify Swiss sites. Keywords: multipurpose plant for small hydroelectric power and technical snow production, development of water resources, lakewater retention Forum für Wissen 2012: 57–60 57 Wasserkraft in Zukunft: Bedürfnisse und Herausforderungen am Beispiel Prättigau Gian Paolo Lardi Repower AG, Via da Clalt 307, CH-7742 Poschiavo [email protected] Repower ist u.a. im Prättigau und Rheintal als Verteilnetzbetreiberin und Stromproduzentin tätig. Die dort betriebenen Hauptanlagen wurden vor etwa 90 Jahren gebaut. In den letzten zehn Jahren wurden die Anlagen neu konzessioniert, saniert und zum Teil neu gebaut – Investitionsvolumen von mehr als 150 Mio. Franken. Bis vor wenigen Jahren waren die technischen Herausforderungen, um die Anlagen sicher zu betreiben, nicht besonders gross. Aufgrund von Umweltkatastrophen, wie zum Beispiel Tschernobyl und Fukushima, und aufgrund des beschleunigten Klimawandels hat sich die Energiepolitik weltweit massiv verändert. In der Schweiz sind die Eckwerte der Energiestrategie 2050 definiert worden, deren wichtigste Ziele sind: Reduktion der CO2-Emissionen, Erhöhung der Energieeffizienz, Reduktion des Energieverbrauchs, Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien, mittelfristiger Ausstieg aus der Atomenergie. Um diese Ziele erreichen zu können, sind Förderprogramme auf Bundes- und Kantonsebene definiert worden, dank welcher mehr Häuser saniert, ineffiziente Heizungsanlagen ersetzt und neue Produktionsanlagen für erneuerbare Energie gebaut werden. Diese Massnahmen haben einen Einfluss auf die maximal produzierte elektrische Energie sowie auf die maximal verbrauchte Energie. Daraus entsteht die Gefahr, dass die bestehenden elektrischen Einrichtungen überlastet werden und dass es deshalb zu Versorgungsunterbrüchen kommt. Die Folgen daraus können bekanntlich gravierend sein. 1 Die Repower AG Repower ist eine international tätige Energieunternehmung mit Hauptsitz in Poschiavo / Graubünden. Sie ist in den Schlüsselmärkten Schweiz, Italien, Deutschland und Rumänien sowie auf der ganzen Strom-Wertschöpfungskette tätig: Repower produziert Strom in eigenen Wasser-, Wind- und Gaskraftwerken, handelt mit Strom, beliefert Endkunden und unterhält in der Schweiz ein Verteilnetz. Trading-Stützpunkte befinden sich in der Schweiz, in Italien und in Tschechien. Darüber hinaus ist Repower im Gasgeschäft tätig. Repower erzielte 2011 eine Gesamtleistung von rund 2,5 Mia. CHF. Die Gruppe beschäftigt rund 750 Mirarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche an mehreren Standorten in Graubünden, in Zürich, Mailand, Dortmund, Bukarest und Prag arbeiten. 2 Wasserkraftnutzung im Prättigau Prättigau und Wasserkraft: zwei Begriffe, die seit dem Bau der drei Kraftwerkstufen Klosters-Küblis, Davos- Klosters und Schlappin durch die AG Bündner Kraftwerke in den 1920er Jahren eng miteinander verbunden sind. In den Jahren 1919 bis1922 wurde die Stufe Klosters-Küblis – KW Küblis – gebaut. Von 1923 bis 1925 folgte die Stufe Davos–Klosters – KW Klosters – und 1927/28 die Anlage Schlappin – KW Schlappin. Zwischen März und Dezember 2005 wurde der Maschinensaal der Zentrale Küblis komplett erneuert sowie die sechs Maschinen durch zwei neue ersetzt. Im Mai 2011 ging eine neue Anlage, das KW Taschinas der Repower AG, ans Netz. Wie bei allen Alpenflüssen gehen die Abflussmengen des Prättigauer Talflusses Landquart im Winter stark zurück. Die wasserwirtschaftliche Nutzung des Davosersees als Winterspeicher durch Seespiegelabsenkung und Überleitung in das Prättigau bietet deshalb eine vorteilhafte Lösung zur Erhöhung der Winterenergie. Die Wassermengen des gesamten Einzugsgebietes schwanken zwischen 1,6 m3/s bei äusserstem Niederwasser in trockenen Jahren und etwa 170 m3/s bei maximalem Hoch- Abb. 1. Versorgungsgebiet Prättigau/Rheintal; Quelle: Repower AG. 58 Forum für Wissen 2012 wasser. Während sechs Monaten ist eine Abflussmenge von 5,6 m3/s im Mittel vorhanden. Die produzierte elektrische Energie hängt direkt von der turbinierten Wassermenge ab. Die Schwankungen zwischen Winter und Sommer sind sehr gross. Im Sommer wird bis zu 12-mal mehr produziert als im Winter. [MW] 70 60 50 40 30 20 10 3 Verteilnetz und Versorgungssicherheit (Verbrauch) 0 Jan. Ausspeisepunkte 2 Unterwerke 8 Trafostationen Verteilkabinen 551 Hochspannungskabel 20 km Niederspannungsfreileitungen Niederspannungskabel Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. Verbrauch Prättigau, Tagesmittel Abb. 2. Produktion und Verbrauch 2011 im Versorgungsgebiet Prättigau/Rheintal. Quelle: Repower AG. [MW] 70 60 50 40 30 20 10 0 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2012 Abb. 3. Lastspitzentendenz (1/4 h) Versorgungsgebiet Prättigau/Rheintal. Quelle: Repower AG. 4 72 km Mittelspannungskabel Mai 245 Hochspannungsfreileitungen Mittelspannungsfreileitungen März April Produktion Prättigau, Tagesmittel Die Hochspannungsversorgung im Prättigau erfolgt ab den Unterwerken Sarelli und Filisur. Zwischen Sarelli und Küblis sind zwei, zwischen Küblis und Filisur ist eine Hochspannungsfreileitung vorhanden. Die Kapazität dieser Leitungen ist auf rund 50 MW pro Leitung begrenzt. Acht Unterwerke, 245 Trafostationen und 551 Verteilkabinen, verteilt zwischen Landquart und Klosters, sorgen dafür, dass dem Endkunden via Kabel und Freileitungen elektrische Energie zu jeder Zeit bei jedem Anschluss in der gewünschten Menge und Qualität zur Verfügung steht. Hier einige wichtige Zahlen zu den Hauptanlagen des Verteilnetzes im Versorgungsgebiet: Einspeisepunkte (Kraftwerke) Feb. 85 km 166 km 72 km 645 km Die in der Region nachgefragte Energie schwankt zwischen Sommer und Winter massiv. Im Winter wird bis zu fünfmal so viel Strom verbraucht als im Sommer. Tourismus sowie sehr tiefe Temperaturen sind die Hauptgründe für dieses Phänomen. Es ist davon auszugehen, dass sowohl die verbrauchte Energie als auch die Spitzenleistung im Repower-Versorgungsgebiet weiterhin zunehmen werden. Die Hauptgründe dafür sind einerseits die Zunahme an Elektromobilität, wie zum Beispiel die Einführung des Halbstundentakts zwischen Zürich und Chur sowie die Zunahme auf dem RhB-Streckennetz, andererseits die Umstrukturierung von Heizanlagen. Heutzutage wird im Prättigau in etwa 60 Prozent der Haushalte mit Öl geheizt, nur 4 Prozent heizen mit einer Wärmepumpe. Der Trend zeigt ganz klar, dass die alten Ölheizungen durch moderne Wärmepumpanlagen ersetzt werden. In den letzten Jahren konnte bewiesen werden, dass in den Ferienregionen eine Spitzenleistungszunahme von bis 4 Prozent pro Jahr erreicht wurde (Abb. 3). Das ist mehr als doppelt so viel, wie im Rest der Schweiz. Heute kommt die Netzinfrastruktur im Prättigau bei Verbrauchsspitzen an wenigen Tagen im Jahr – Weihnachten bis Neujahr – an die Grenze der Leitungskapazität. Es gibt drei Ursachen dafür, weshalb die Netzbelastung stetig steigt: erstens mehr Konsum, also mehr Stromverbrauch. Zweitens mehr marktbedingte Schwankungen und drittens mehr erneuerbare Energien im Netz. Letztere sind zudem weniger berechenbar, da sie unregelmässig anfallen. Um die Gefahr möglicher Engpässe zu minimieren, müssen die Kapazitätsgrenzen erhöht werden, was letztendlich über das Netzentgelt den Kunden belastet wird. In Zukunft ist es Forum für Wissen 2012 über intelligente Netzwerktechnolgie auch denkbar, dass der Kunde Anreize erhält, dann zu konsumieren, wenn der Strom im Übermass vorhanden ist, und weniger zu konsumieren, wenn es zu wenig Strom hat. 4 Energiegesetz und erneuerbare Energien Der Bund verfolgt mit seiner energieund klimapolitischen Zielsetzung eine Reduktion des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen sowie eine signifikante Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien. Schweizweit werden Sanierungsprogramme und Fördermodelle eingeführt. Mit der Revision des Energiegesetzes im Jahr 1998 wurde ein Modell zur Förderung der erneuerbaren Energien, auch kostendeckende Einspeisevergütung KEV genannt, eingeführt. Die Vergütung ist für Stromerzeugung aus Wasserkraft, Photovoltaik, Windenergie, Geothermie, und Biomasse vorgesehen. Im Prättigau wurden in den letzten Jahren, auch dank der Fördermodelle, sehr viele Photovoltaik-Anlagen (PV) gebaut (etwa +100 Prozent pro Jahr). Diese PV-Anlagen sind meistens auf Dächern montiert und produzieren Strom, wenn die Sonne scheint, und nicht zwingend, wenn Nachfrage danach besteht. 5 Wasserkraft in Zukunft Da die europäischen Energiemärkte immer enger zusammenwachsen, lohnt sich zur Zukunftsbeurteilung auch der heimischen Wasserkraft ein Blick in den ebenfalls von der Umstellung der Energieerzeugung geprägten deutschen Markt. Die erneuerbaren Energien, deren Vollkosten in Deutschland ausserhalb des Marktes über das EEG (Erneuerbare Energien Gesetz) finanziert werden, speisen ihren Strom gratis in den Markt ein. Dies führt zu einem Verfall der Strompreise an der Leipziger Strombörse EEX, welche aufgrund ihrer Liquidität auch für den Schweizer Markt eine Leitwirkung hat. 59 Neben rückläufigen Preisen kommen somit die benötigten PumpSpeicherkraftWerke – das Projekt Lagobianco gehört ebenfalls in die Kategprie der PSW – auch seltener zum Einsatz, denn während der Nachfragespitzen über die Mittagszeit ist jetzt an Sonnentagen reichlich Solarstrom verfügbar. Mit der Konsequenz, dass die PSW weniger laufen und in der vormals lukrativsten Zeit jetzt nur noch geringes Deckungsbeitragspotenzial aufweisen. Vor allem neue Kraftwerke, welche sich noch in der Finanzierungsphase befinden, wären in dieser Situation nicht mehr in der Lage, ihre Vollkosten zu decken. In der Folge können die Kraftwerke nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden. In diesem Zusammenhang muss auch der deutsche Kapazitätsaufbau von 60 000 MW installierter Leistung für Sonnen- und Windenergieerzeugungsanlagen bei gesicherter Leistung von 320 MW – niedrigste Einspeisung in einer windstillen Sommernacht 2012 – beachtet werden. Dennoch gibt es im Moment für Investitionen in Ausgleichskapazitäten keine Investitionsanreize mehr, da die Marktpreise die Knappheit nicht ausreichend reflektieren. Es wird somit eine grosse Herausforderung sein, neue grosse Wasserkraftanlagen wie das Pumpspeicherkraftwerk Lagobianco wirtschaftlich zu bauen und zu betreiben. Im April 2012 hat Repower mitgeteilt, dass das Kraftwerkprojekt Chlus einer Überprüfung unterzogen werde, weil die frühere Konzeption der Anlage Kostenfolgen hätte, welche die Wirtschaftlichkeit in Frage stellen würden. In der Zwischenzeit hat Repower ein intensives Variantenstudium durchgeführt und Optimierungsmöglichkeiten geprüft. Diese Arbeiten haben nun zu einer Projektvariante geführt, die wirtschaftlich besser abschneidet, ohne die ökologischen Vorteile des ursprünglichen Projekts in Frage zu stellen. Das veränderte Projekt sieht weiterhin vor, das bereits im Kraftwerk Küblis turbinierte Wasser mittels eines Druckstollens talauswärts zu führen. Die Kraftwerkzentrale ist neu aber nicht mehr in der Chlus bei Landquart, sondern in Trimmis vorgesehen. Unverändert soll zusätzlich Wasser in der Landquart und in drei Seitenbächen gefasst werden (Arieschbach, Furnerbach und Schranggabach). Das Verhältnis zwi- schen zusätzlicher Energieproduktion – über 200 GWh – sowie Eingriffen in die Umwelt wäre schweizweit eines der vorteilhaftesten. Generell besteht für die Wasserkraft in der Schweiz die Gefahr einer Überregulierung, welche es Betreibern bestehender Kraftwerke erschwert, ihre Anlagen zu erneuern bzw. zu erweitern sowie Investoren für neue Projekte zu finden, da sich allein über den Marktpreis die Anlagen oftmals nicht wirtschaftlich betreiben lassen. 6 Bedürfnisse und Herausforderungen Wie vorstehend erwähnt, ist in Graubünden die produzierte Energie im Sommer sehr hoch und die verbrauchte Energie sehr klein. Im Winter hingegen ist es genau umgekehrt: Die Produktion ist sehr gering und der Bedarf sehr hoch. Die elektrischen Einrichtungen sind so ausgelegt, dass sie die maximalen Verbrauchsspitzen als auch die maximalen Produktionsspitzen aufnehmen können. Als Folge der neuen Energiepolitik sowie der verschiedenen Fördermodelle werden die Verbrauchsspitzen in den nächsten Jahren zunehmen, zum Beispiel wegen dem Ersatz von Ölheizungen durch Wärmepumpen, und zwar genau dort, wo sie am höchsten sind. Wenn nichts unternommen wird, ist die Gefahr einer Überlastung der elektrischen Komponenten bis hin zum Versorgungsunterbruch hoch. Dank intelligenter Stromnetze, Smart Grids, werden in Zukunft dezentrale Erzeuger und Verbraucher gesteuert werden können. Verbraucher – vor allem Grossverbraucher, welche sich diese Flexibilität in ihren Energielieferverträgen honorieren lassen – werden vom Netz genommen, wenn VerbrauchsNetzüberlastungen eintreten. Die gleichen Verbraucher werden zugeschaltet, wenn Produktions-Netzüberlastungen eintreten. Mit dieser Technologie können regionale Versorgungsengpässe vermieden werden. Auf interregionaler / nationaler Ebene können die intelligenten Stromnetze die Probleme der Versorgungsengpässe und der dezentralen Einspeisung nicht lösen. Nur mit Hilfe grosser 60 Pumpspeicherwerke können die fluktuierenden Einspeisungen ausgeregelt werden, indem sie die Überschussproduktion im Pumpbetrieb aufnehmen. Diese gespeicherte Energie wird im Turbinenbetrieb wieder ins Netz eingespeist, wenn der Energieverbrauch die Stromproduktion übertrifft. Somit wird aus erneubarer Energie zum falschen Zeitpunkt nutzbare Energie zum richtigen Zeitpunkt. Die grosse Herausforderung wird somit sein, zum richtigen Zeitpunkt in den richtigen Anlagentyp mit der richtigen Technologie und am richtigen Ort investiert zu haben. Forum für Wissen 2012 Abstract Hydropower Prättigau: Needs and Challenges Repower’s operations include running a distribution grid and generating electricity in the Prättigau and Rhine Valley. The main facilities run by the company in these areas were built around 90 years ago. In the last ten years the plants have been refranchised, refurbished and in some cases rebuilt (involving investment of more than CHF 150 million). Until recently the technical challenges of running these plants were not particularly serious. But there have been huge changes in energy policy all over the world in the wake of environmental disasters such as Chernobyl and Fukushima and rapid climate change. Switzerland has now laid the cornerstones of a 2050 energy strategy, with the following main aims: Reducing CO2 emissions, Boosting energy efficiency, Reducing energy consumption, Raising the share of renewables, Phasing out nuclear power in the medium term. To help reach these goals, programmes have been defined at both federal and cantonal level designed to renovate more buildings, replace inefficient heating systems and build new renewable generation facilities. These measures will affect the maximum amount of electrical energy produced and consumed. The risk is that existing electrical installations will be overloaded, leading to potential power blackouts, which as we all know can have very serious consequences indeed. Keywords: distribution grid, Prättigau and Rhine Valley, technical challenges, energy policy, energy strategy, potential power blackouts Forum für Wissen 2012: 61–68 61 Relevante Aspekte aus dem Nationalen Forschungsprogramm NFP 61 «Nachhaltige Wassernutzung» Christian Leibundgut, Programmleiter NFP 61 Institut für Hydrologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Fahnenbergplatz, D-79098 Freiburg [email protected] Eine Wassernutzung in der Schweiz ist, ob nachhaltig oder nicht, untrennbar mit den alpinen Schnee-, Eis- und Wasserressourcen verbunden. Wie es gestern war bezüglich dieser alpinen Ressourcen, wissen wir einigermassen. Wie es heute aussieht, können wir, oft mit leichtem Schaudern nur, überall in den grösseren Höhen sehen. Was uns morgen erwartet, kann nur abgeschätzt werden. Dass sich aber viel ändern wird im Alpengebiet, ist eine einigermassen gesicherte Erkenntnis. Relevante Bezüge des NFP 61 zum Forumsthema «Alpine Schnee- und Wasserressourcen gestern, heute morgen» liegen vor allem im Bereich Wasserressourcen und weniger beim Schnee. Der NFP 61 zielt darauf ab, zur Erreichung einer Nachhaltigen Wassernutzung in der Schweiz vor allem das Denken und den Umgang mit den Wasserressourcen und deren Nutzung durch eine ganzheitliche Betrachtung und Behandlung zu fördern. Wie dies erfolgt und was im einzelnen zur Entwicklung der Wasserressourcen in Zukunft im Alpenraum vom Programm zurzeit ausgesagt werden kann, wird kurz dargestellt. Alpine Schnee- und Wasserressourcen stellen sowohl in den Arbeiten der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, als auch im Nationalen Forschungsprogramm 61 (NFP 61) ein zentrales Objekt und Thema dar. Dabei ist die Thematik im NFP 61 nicht explizit auf die alpinen Ressourcen ausgerichtet. Vielmehr wird hier eine Gesamtbetrachtung der Wassernutzung in der Schweiz angestrebt. Da allerdings die Alpen als Wasserschloss der Schweiz den grössten Teil der Schnee- und Wasserressourcen bergen, nähern sich die beiden Betrachtungssichten schon a priori an. Damit sind wir nach der Raumskala bei der Zeitskala. Während das Gestern noch stabil war bezüglich der Ressourcen, befinden wir uns heute klimatisch und gesellschaftlich in einer Übergangsphase, die durch den Klimawandel insbesondere die alpinen Wasserressourcen tangiert (Abb. 1). Die Auswirkungen der übrigen Teile des globalen Wandels, wie Landnutzung und Ressourcenverbrauch, sind noch weit schwieriger abzuschätzen. Das Morgen ist zwar noch recht unbestimmt, aber mit Sicherheit anders. Dieses Morgen mit einigermassen verlässlicher Eintretenswahrscheinlich- keit bezüglich der Wasserressourcen zu bestimmen, hat sich das NFP 61 unter anderen zum Ziel gesetzt. Wenn es gilt, im Rahmen des Tagungsthemas eine themenbezogene Brücke zwischen den Tätigkeiten der WSL und dem NFP 61 zu schlagen, dann am ehesten über die alpine Ressource Schnee. Allerdings fokussiert keines der 16 Forschungsprojekte des NFP 61 auf das Thema Schnee. 1860 Im Rahmen der Teilsynthese 1, welche im kommenden Jahr unter der Leitung der WSL erarbeitet wird, soll diese Wissenslücke im NFP bearbeitet und geschlossen werden. Relevante Aspekte, die als Beitrag des NFP 61 zum Tagungsthema verstanden werden können, sind einerseits das Grundkonzept des NFP 61, dann der Blick in die Zukunft über Szenarien mit dem Wandel in den soziökonomischen Bereichen, im Klima und in der Landnutzung sowie der Nachhaltigkeitsansatz. Methodisch ist es die Transdisziplinarität, die Umsetzung und das integrierte Wasser-Ressourcen-Management. Was kann das NFP 61 als Ganzes leisten? Angesichts der fortschreitenden Veränderungen in der natürlichen und gesellschaftlichen Umwelt, insbesondere auch in den Wasserressourcen, 1970 2050 Abb. 1. Veränderung der alpinen Wasserressourcen durch Klimawandel am Beispiel des Rhonegletschers: gestern 1860, heute 1970, morgen 2050 (Quelle: Archiv VAW). 62 haben die zuständigen Stellen auf Bundesebene seinerzeit das Nationale Forschungsprogramm NFP 61 initiiert. Kurz zusammengefasst können die Ziele wie folgt umschrieben werden: Das NFP 61 befasst sich mit der Erarbeitung der hydrologischen und wasserwirtschaftlichen Grundlagen und der Entwicklung der Wasserressourcen, Früherkennung von Engpässen und Fehlentwicklungen, Risikoabschätzung sowie der Erarbeitung zukunftsweisender Strategien für integrales und nachhaltiges Wasser Ressourcen Management. Ein Blick auf die Konzeptgraphik zeigt zusammenfassend die Philosophie und die Zielsetzung des NFP 61 «Nachhaltige Wassernutzung in der Schweiz» auf. Das theoretische Konzept des NFP 61 ist ganzheitlich und beruht auf den Pfeilern der Nachhaltigkeit, des Integrierten Wasser Ressourcen Managements (IWRM) und den spezifischen Randbedingen in der Schweiz. Im Programm spielen neben den Projektarbeiten in den einzelnen Forschungsbereichen Interdisziplinarität, Transdisziplinarität und Umsetzung eine entscheidende Rolle. Zwischen Forum für Wissen 2012 dem natürlichen System der «Ökologie» und dem sozialen System der «Gesellschaft» repräsentiert das Nutzungssystem die «Ökonomie». Diese muss mit Impulsen und Rückkoppelungen aus den beiden anderen Systemen in eine Balance gebracht werden, damit die Wassernutzung in der Schweiz auch in Zukunft möglichst konfliktarm und auch nachhaltig bleiben kann (LeiBundgut 2011). Auf der Naturseite sind die identifizierbaren Veränderungen der Klimawandel und die Landnutzung. Besonders die Veränderungen der alpinen Eis- und Schneeressourcen sind augenfällig. Auf der gesellschaftlichen Seite sind es das Bevölkerungswachstum und die globalen Treiber wie Wirtschaftswachstum und Marktöffnung. Es geht also gesamthaft um den globalen Wandel mit seinen Implikationen auf die Wasserressourcen der Schweiz. Sowohl die Initianten als auch die Konstrukteure des NFP 61 gingen davon aus, dass die Auswirkungen des globalen Wandels einen verschärften Nutzungsdruck bezüglich der Ressourcen hervorrufen werden. Um negativen Folgen möglichst vorzubeugen, soll dieses nationale Forschungsprogramm eine Analyse der Situation durchführen und zusammen mit der Praxis in einem verknüpfendem Prozess Lösungswege suchen sowie spezifische ManagementTools und Techniken zur Minderung negativer Auswirkungen erarbeiten. Das Programm verfolgt einen ganzheitlichen, holistischen Ansatz in der Systembetrachtung (Abb. 2). Das Nutzungssystem als zentrales System steht in Wechselwirkung mit dem Natursystem einerseits und dem Gesellschaftssystem andererseits. Es integriert die zahlreichen Rückkoppelungen, die für die Bestimmung der zukünftigen Situation ein entscheidendes Element darstellen. Im Kontext des Programms ist der Prozess der Umsetzung hervorzuheben. Die Programmverantwortlichen sind sich der üblichen Umsetzungsprobleme zwischen Theorie und Praxis in der realen Wasserwirtschaft bewusst. Dieses Problem soll verringert werden durch die explizite Förderung der Inter- und Transdisziplinarität. So beziehen die einzelnen Projekte die verschiedenen Stakeholder aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft Abb. 2. Konzept des NFP 61 mit den drei Teilsystemen, den Impulsen und den Rückkoppelungen. Forum für Wissen 2012 seit Programmbeginn ein. sChneider (2011) beschreibt ein illustratives Fallbeispiel aus Crans Montana. Es wird der Mehrwert durch transdisziplinäres Vorgehen gezeigt. Dazu werden Begleitgruppen und Videos zur Förderung des Wissensaustausches sowohl auf Projektebene als auch auf Programmebene eingesetzt. Auch in den Teilsynthesen und der Gesamtsynthese soll der Wissensaustausch zwischen Forschung und Praxis gezielt gefördert werden. Die realisierten Massnahmen zur Erhaltung oder Erreichung einer nachhaltigen Wassernutzung in der Schweiz werden schliesslich über Erfolg oder Misserfolg des Programms entscheiden. Was kann das NFP 61 zu «Alpine Schnee- und Wasserressourcen» beitragen? Gemäss Arbeitstitel soll der Beitrag relevante Aspekte des NFP 61 «Nachhaltige Wassernutzung» zu den alpinen Schnee- und Wasserressourcen im Laufe der Zeit herausstellen. Wie bereits geschildert, liegt die grosse Klammer in der ganzheitlichen oder Systembetrachtung, dem sowohl die WSL als auch das NFP 61 verpflichtet sind. Die schweizerischen alpinen Wasserressourcen, Schnee inbegriffen, dürfen in der Ressourcenbetrachtung nur im Gesamtsystem Schweiz betrachtet werden. Der Einflussraum der Alpen – des Wasserschlosses Alpen – über den Abfluss reicht weit über die Landesgrenzen hinaus. Nur der Streifen des Jura im Westen oder die rechtsrheinischen Gebiete am Hochrhein entziehen sich in der Schweiz diesem System. Die Bedeutung der Gebirge für die Wasserversorgung der Vorländer, allgemein aber auch der Alpen, wurde von Liniger et al. (1998) eindrücklich dargelegt. Die Alpen, auch als Water Towers bezeichnet, und ihre Ressourcen gilt es langfristig zu schützen und nachhaltig zu bewirtschaften. Der Forschungsschwerpunkt der WSL «Nachhaltige Ressourcennutzung» und dessen Bearbeitung stellt ein gutes Beispiel dar. Ressourcen wie Holz (Wald), Energieholz, Böden aber eben auch Wasser und Schnee werden sinnvollerweise auch in der WSL in 63 einem ganzheitlichen Ansatz erforscht (vgl. Abb. 2). Von den entscheidenden Fragen, die im WSL Forum für Wissen 2012 diskutiert werden sollen, sind zwei Fragen dem Bereich Zielwissen zuzuordnen. Diese lauten: Haben wir heute wirklich weniger Schnee als früher? Wie können die alpinen Schnee- und Wasserressourcen überhaupt quantifiziert werden? Diese beiden Fragen werden im NFP 61 jedoch, wie berichtet, nicht explizit behandelt. Die weiteren Fragen «Wie wird mit Nutzungskonflikten in betroffenen Bergregionen umgegangen?» und «Wird es auch in Zukunft genügend Wasser zur Deckung der vielfältigen Ansprüche unserer Bergregionen geben?» gehören sowohl zum Bereich des Zielwissens und des Handlungswissens. Damit liegen sie vorrangig im Programmteil Management und transdisziplinäre Methodik. Ein weiterer relevanter Aspekt aus dem NFP 61 bezüglich der alpinen Schnee und Wasserressourcen, wenn letztlich auch ein allgemeiner, ist die Nachhaltigkeit. Die Forderung nach Erhaltung dieser typisch alpinen Ressourcen und die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der daraus möglichen Nutzungen im Verband mit den nicht wassergebundenen Ressourcen sind unabdingbar (Abb. 3). Der Begriff Nachhaltigkeit gibt immer wieder Anlass zu (kontroversen) Diskussionen (odendaaL 2002). Eine allgemein akzeptierte Definition ist nicht möglich. Immerhin besteht Einvernehmen, dass Nachhaltigkeit ein langfristig tragfähiges Gleichgewicht zwischen Ökologie, Ökonomie und dem soziokulturellen System voraussetzt. Fehlende Messgrössen, die für alle drei Sektoren gelten, erschweren die Festlegung dieser Balance – Bruttosozialprodukt, Biodiversität und Lebensqualität lassen sich nicht direkt vergleichen (LeiBundgut 2011). Für die alpinen Wasserressourcen kann die Problematik am Beispiel der markantesten alpinen Wassernutzung «Wasserkraft» etwas erhellt werden. Wasserkraftnutzung ist in sich (per se) nachhaltig, da erneuerbar. Da grössere technische Anlagen nötig sind, tangiert die Wasserkraft jedoch weitere Wassernutzungen und Umweltberei- Abb. 3. Schematische Darstellung der Nachhaltigkeit mit den drei Sektoren Ökologie, Ökonomie und Sozialem System. Alle Sektoren haben neben dem autonomen Bereich (hellblau) Interferenzbereiche mit den beiden andern, die Zielkonflikte beinhalten. In den Überschneidungsbereichen (dunkelblau) konkurrieren die Interessen der einzelnen Sektoren am stärksten. che (Gewässerökologie, Tourismus, Naturgefahren), unter anderem auch mit negativen Effekten. So gesehen ist die Wasserkraft dann nicht mehr nur nachhaltig. Solche Überlegungen sind in jedem einzelnen Fall anzustellen und in die Managementstrategien einzubeziehen Bei allen Nutzungen ist stets auch die (spezifische) ökonomische Nachhaltigkeit zu berücksichtigen (Binswanger 2009). Sie besagt, dass die Nutzung einer Ressource nur nachhaltig sein kann, wenn auch die ökonomische Nachhaltigkeit Bestand hat. Dahinter steckt die Erkenntnis und Erfahrung, dass ein Projekt, Geschäft usw. von den Betreibern aufgegeben wird, wenn es nicht mehr rentiert. Ökologische Nachhaltigkeit, verstanden als Erhaltung der Lebensgrundlage, und ökonomische Nachhaltigkeit, verstanden als rentables Geschäft, bedingen also einander. Aktuell gibt es zahlreiche Felder unter anderem in der Landwirtschaft, der Wasserwirtschaft und der Energiewirtschaft, die im Zuge eines integrierten Managements auf diesen Aspekt hin geprüft werden müssten. Mit diesen beiden Begriffen sind wir auch beim Begriff der nachhaltigen Entwicklung. Diese benötigt stets eine Interessenabwägung. Im Sektor Wasserressourcen gibt es dafür das Instrument des Integrierten Wasser Ressourcen Managements (IWRM). 64 Aktuell steigt der Nutzungsdruck im Wassersektor, obwohl wir in einem wasserreichen Land leben. Dieser Druck wird im Moment in erster Linie durch die Energiewende mit der Forderung nach einem weiteren Ausbau der Wasserkraft aufgebaut. Da diese Entwicklung politisch gewollt ist, bleibt nur das Finden eines tragbaren Kompromisses, am besten nach gut eidgenössischer Manier. Hier kann das NFP 61 in mehrfacher Hinsicht, besonders aber mit den entwickelten Managementansätzen, einen gewichtigen Beitrag liefern. Wie die Nachhaltigkeit beinhaltet der IWRM-Ansatz die massgeblichen Sektoren Ökologie, Ökonomie und soziales System inklusive der Kultur (Abb. 4). Das Integrierte Wasser Ressourcen Management ist ein methodisch anerkannter und potenziell wirkungsvoller Prozess, in dem einvernehmliche Lösungen für die verschiedenen, oft gegenläufigen Interessen der Wassernutzung einerseits und andererseits allgemein der Ressourcennutzung erarbeitet werden. Die ganzheitliche Behandlung der jeweiligen Themen ist ein Grundprinzip. Damit sollen sektorale und eindimensionale Entscheide für einzelne Projekte der Wasserwirtschaft, die potenziell Konflikte auslösen können, vermieden werden. Die Beteiligung (Partizipation) der involvierten, betroffenen Personenkreise (Bevölkerung, Wirtschaft, Behörden) ist selbstverständ- Forum für Wissen 2012 lich. Dazu gehört ein Management auf einer räumlich definierten Basis. Im Wassersektor ist das grundsätzlich das Einzugsgebiet, das eine hydrologische, eventuell auch wasserwirtschaftliche Einheit bildet. Anstelle von Einzugsgebieten können auch Funktionsräume treten (sChaFFner et al. 2010). Das Konzept des IWRM ist allgemein akzeptiert als das erfolgreiche Instrument, um den Herausforderungen der Wasserwirtschaft zu begegnen (Mays 2007). So gesehen sind sowohl das Gesamtprogramm NFP 61 mit seinen Grundsätzen, als auch alle Projekte des NFP 61 relevant oder enthalten mindestens relevante Aspekte für die alpinen Schnee- und Wasserressourcen. Sie tragen unter dem Gesichtspunkt der ganzheitlichen Betrachtung zur zentralen Frage der nachhaltigen Wassernutzung bei und damit auch zu den alpinen Wasser- und Schneeressourcen, mit denen der terrestrische Kreislauf in diesem System angetrieben und versorgt wird. Konkrete relevante Aspekte aus dem NFP 61 Die Bedürfnisse der einzelnen Nutzungen wie Wintersport und Wasserkraft sind von ihrer Natur her sektorial gefärbt. Genau an diesem Punkt hängt der NFP 61 ein. Betrachtungs- weise, Ansatz, Forschung und Synthese sind darauf eingerichtet, verschiedene Bedürfnisse und Herausforderungen an die Wassernutzung unter einen Hut zu bringen. Dafür müssen erstens die Zusammenhänge bekannt und das Systemwissen vorhanden sein, und zweitens müssen Instrumente (Managementtools) zur Verfügung stehen, die eine Ausbalancierung der verschiedenen Interessen möglichst konfliktfrei erlaubt. Teile des Systemwissens werden in den einzelnen Projekten erarbeitet. Allerdings sind diese weniger darauf ausgerichtet Systemwissen im Sinne der Grundlagenforschung aufzubauen. Eher erarbeiten sie das bestehende Wissen hinsichtlich der Zielsetzung des NFP 61. Ein guter Teil des Systemwissens wird von den Forschenden mitgebracht. Ein anderer Teil muss aus externen Quellen beschafft werden. Dies gilt insbesondere für die Teilsynthesen. Die Darstellung konkreter relevanter Aspekte im Sinne erster Resultate kann zum jetzigen Zeitpunkt notgedrungen nur unvollständig ausfallen. Obwohl sich das NFP 61 im dritten Forschungsjahr befindet und die Resultate weitgehend vorliegen dürften, sind sie mit wenigen Ausnahmen noch nicht publiziert worden. Im nächsten Jahr werden die Synthesen bearbeitet. Für die Thematik der alpinen Schnee- und Wasserressourcen sind die Ergebnisse aus den Teilsynthesen besonders interessant. Folgende Teilsynthesen werden im nächsten Jahr ausgearbeitet: Thematische Synthese 1: Grundlagen Thematische Synthese 2: Bewirtschaftung der Wasserressourcen unter steigendem Nutzungsdruck Thematische Synthese 3: Wasserressourcen und Infrastruktur: Ver- und Entsorgung von Siedlungen Thematische Synthese 4: Prinzipien für eine erfolgreiche Praxis des nachhaltigen Umgangs mit Wasser Abb. 4. Das integrierte Wasser Ressourcen Managementsystem im System Einzugsgebiet. Mit einem partizipativen Integrierten Management können damit für gegebene Wasserressourcen-Probleme ausgewogene und nachhaltige Lösungen erarbeitet werden. Die Gesamtsynthese wird abschliessend die wissenschaftlichen Ergebnisse der Einzelprojekte wiedergeben und integriert sie in einen übergeordneten Kontext. Damit wird Wissen pro- Forum für Wissen 2012 duziert, das über die Erkenntnisse aus den Einzelprojekten hinausgeht. Die einzelnen Projekte tragen in sehr unterschiedlichem Masse zur Frage der alpinen Schnee- und Wasserressourcen bei, obwohl in der Gesamtbetrachtung zur nachhaltigen Wassernutzung der Schweiz alle Projekte ihren Beitrag leisten. Eine kurze Beschreibung der hier wichtigsten Projekte und die Heraushebung der relevanten Aspekte sollen zum Verständnis beitragen. Mit den nicht aufgeführten Projekten ist keine Bewertung verbunden. Sie sind dem Kontext des Tagungsthemas nur weniger verbunden. Die beiden Gletscherprojekte (NELAK) Seen als Folge schmelzender Gletscher: Chancen und Risiken (UZ) und (FUGE) Gletscherrückgang – noch genügend Wasser für die Wasserkraftproduktion? (VAW-ETH Zürich) befassen sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln direkt mit dem Kern des Tagungsthemas, allerdings nicht explizit mit der Komponente Schnee. Als bedeutender Wasserlieferant in den nächsten fünfzig Jahren können die Gletscher jedoch nicht aus der Diskussion um die Schnee- und Wasserressourcen ausgenommen werden. FUGE Aus dem Hauptforschungsgegenstand Gletscherrückgang unter Bedingungen des Klimawandels und deren Folgen für die Wasserwirtschaft soll eine Abschätzung der Abflussentwicklung und deren Implikationen für die Wasserkraftnutzung ermittelt werden. Es sollen Modelle für die zukünftige Entwicklung der Gletscher im Alpenraum erstellt werden, welche Faktoren wie Gletscherschmelze und Wasserspeicherung in Gletschern einbeziehen. In Zusammenarbeit mit Wasserkraftfirmen werden Anpassungsstrategien für den Betrieb von Wasserkraftwerken entwickelt. Aus der Sicht des Forumthemas sind der zukünftige Abfluss und seine zeitliche Verteilung im Kontext der Schneeressourcen zu sehen, da der Schnee teilweise einen Ersatz für die schwindenden Eisspeicher darstellt. Die Auswirkungen des Glescherschwundes auf die Abflüsse und damit die Wasserkraftnutzung sind aber nur ein Aspekt dieser fundamentalen Klimawandelauswirkung. Die 65 Wasserversorgung beispielsweise wird nicht behandelt. Literatur: Farinotti et al. 2012; Farinotti et al. (2011a), Farinotti et al. (2011b) NELAK Mit dem Projekt NELAK (Neue Seen als Folge der Entgletscherung in den Alpen, Universität Zürich) wird ein innovativer Ansatz im Bereich der Alpenforschung und der alpinen Ressourcen verfolgt. Aus den bisherigen Arbeiten kann als Quintessenz unter anderem festgehalten werden, dass mit fortschreitendem Temperaturanstieg und Gletscherschwund sich in den Hochgebirgen (weltweit) viele neue Seen bilden werden. Die heute noch existierenden Gletscher-Landschaften der Schweizer Alpen dürften sich nach den Autoren (häBerLi et al. 2012) in den kommenden Jahrzehnten, für wohl sehr lange Zeit, zu FelsSchutt-Seen-Landschaften mit stark erhöhter Abtragsdynamik wandeln, dies unter Annahme realistischer Szenarien der Klimaentwicklung. Im Sinne des Programms NFP 61 werden im Projekt Grundlagen für den Umgang und das Management dieser absehbaren und potentiell konfliktträchtigen Entwicklung erarbeitet. Von besonderem Interesse sind multifunktionale Projekte für Energieproduktion (heFti und gonsowski in diesem Band), Sedimentrückhalt und Hochwasserschutz. Die anstehenden Neukonzessionierungen im Bereich der Wasserkraft bieten dazu eine gute Gelegenheit und Synergiepotenziale. Langfristig besteht eine steigende Wahrscheinlichkeit von grossen Sturzereignissen in Seen unmittelbar unterhalb von zunehmend eisfrei werdenden Steilflanken mit tendenziell abnehmender Stabilität. Da komplexe Rechtsfragen anstehen, ist eine frühzeitige Planung angezeigt. Schnittstellen zum Tagungsthema bestehen auch im Bereich Schnee und Tourismus. Literatur: häBerLi et al. (2012); BütLer et al. (2012); terrier et al. (2011); sChauB et al. (2011) SWISSKARST Im Projekt SWISSKARST werden die bisher oft vernachlässigten Karstwasservorkommen der Schweiz umfas- send, wenn auch nicht ganz flächendeckend aufgenommen. Ziel ist die Etablierung eines nationalen Inventars der Karstaquifere. Eine pragmatische, praxisorientierte Dokumentation wird erstellt, die erlaubt, in praktikabler Weise die einzelnen Vorkommen näher zu untersuchen, beispielsweise für die Trinkwasserversorgung. Die Methodik basiert auf geologischen Strukturanalysen, regionaler stratigraphischer Beschreibung, einer Aquifercharakterisierung und der Darstellung der Aquiclude. Datengrundlage bilden die Quellschüttungen, Tracer-Tests, Bohrprofile und geologische und hydrologische Berichte. Mit Hilfe von sogenannten «Identification Cards» (ID) werden die Resultate synthetisiert. ID-Cards werden für die einzelnen Karstsysteme erstellt. Sie enthalten Karten, 3-D Darstellungen, die wichtigsten Basisdaten und eine Serie von Anlagen mit den Referenzen. Diese Grundlagen sollen es erlauben, mit dem Systemwissen in Zukunft eine nachhaltige Nutzung der Karstwasser zu ermöglichen. Damit wird auch die Kenntnis der alpinen Wasserressourcen deutlich ausgeweitet, da eine Gesamtschau bisher fehlt. Literatur: (2011); VouiLLaMoz weBer (2011). SEDRIVER – Hochwasser – Sedimenttransport – Fische Das an der WSL beheimatete Projekt SEDRIVER stellt vom Thema her ein Kernprojekt des NFP 61 dar. Es werden die Folgen des Klimawandels für den Sedimenttransport und für die Qualität der Fischhabitate untersucht. Es wird erforscht, wie die Inputgrössen Starkniederschläge, Schneeschmelze, Gletscherrückgang und Veränderungen in der Vegetation den Eintrag von Sedimenten in Gebirgsflüsse beeinflussen. Die Berechnung von Sedimentbilanzen ausgewählter Flussgebiete und die Bestimmung des veränderten Sedimenttransports im Fluss bezüglich der Bachforellenpopulationen werden als Resultate erwartet. MontanAqua – Wasserbewirtschaftung in den Alpen Eine Sonderstellung nimmt das Projekt MONTANAQUA – Wasserbewirtschaftung in den Alpen ein. An 66 einem Einzugsgebiet (räumliches System) werden in einem hoch integrativen Ansatz die Wasserressourcen von deren Erhebung bis zum Bewirtschaftungsmanagement exemplarisch abgehandelt. Am Beispiel der Untersuchungsregion Crans Montana / Sierre (Wallis) werden in Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden Lösungsvorschläge für eine optimale und ausgewogene (nachhaltige) Bewirtschaftung und Verteilung der Wasserressourcen erarbeitet. Die Erfahrungen und Resultate des Projektes können als Beispiel für ein Management der Wasserressourcen im Alpenraum eingesetzt werden Literatur: weingartner et al. (2010); sChneider (2010) Bewässerungskanäle Das Projekt Bewässerungskanäle – für die Artenvielfalt und den Tourismus – befasst sich mit besonderen Aspekten der alpinen Wasserressourcen die über den hydrologischen Themenbereich hinausgehen. Es soll die ökologische und soziokulturelle Bedeutung der historischen Wasserkanäle und der traditionellen Wiesenbewirtschaftung aufgezeigt werden. Im Zeichen der Biodiversität steht die Forschung zum Einfluss der offenen Wasserkanäle auf den Bergwald und die umgebende Vegetation sowie zu ausgewählten faunistischen Indikatoren. Als Beitrag zum Wassermanagement werden die historisch überlieferten und häufig genossenschaftlichen Eigentums- und Nutzungsrechte analysiert und auf Verwendbarkeit in der Zukunft geprüft. Da die Wasserkanäle (Suonen, Bisses, Pünchera) oft Wasser über lange Strecken herleiten und dieses Wasser in der Vegetationsperiode überwiegend Schmelzwasser aus Eis und Schnee ist, spielen die Kanäle für eine nachhaltige Wassernutzung eine wichtige Rolle. Das Wasser wird hauptsächlich zur Bewässerung in den inneralpinen Trockentälern eingesetzt. Für diese gilt: ohne Wasser keine Landwirtschaft. Hier besteht eine noch oft übersehene Schnittstelle zu den alpinen Wasserressourcen (Schnee) und der Wassernutzung, die Gefahr läuft, in Zukunft in Konflikte hineinzulaufen. Mit der Änderung der Schneegrenze und dem Abgehen der Gletscherschmelzwäs- Forum für Wissen 2012 ser werden sich grundsätzlich auch die unterirdischen Speicher und damit die Quellabflüsse in Zeit und Raum verändern. Ein laufendes Projekt der Universität Freiburg i.Br. unter Verwendung von kombinierten Tracer- und Modellansätzen entwickelt die Methodik mit neuen Tracern laufend weiter (kLaus et al. 2012). Hier besteht noch Forschungsbedarf. Literatur: rodewaLd und knoepFeL (2011); sChweizer (2010, 2011); sChweizer und reynard (2010); knoepFeL (2011) IWAGO – Integrative Wasserpolitik Das Projekt IWAGO behandelt die Integrative Wasserpolitik und das Wassermanagement und erarbeitet Werkzeuge zum besseren Management der Wasserressourcen und der Wassernutzungen. Strategien und Instrumente werden für die Anwendung in der Praxis und der Wissenschaft zur Verfügung gestellt. Das Integrierte Wassermanagement berücksichtigt die Aspekte der Sektoren Wassernutzung, Gewässerschutz und Hochwasserschutz in einem gegebenen Raum. Die rechtlichen Zuständigkeiten, politische Kompetenzen und die Organisationsstrukturen erhalten besonderes Augenmerk. Ein weiteres Ziel ist es zu ermitteln, wie eine integrative Schweizer Wasserpolitik aussehen könnte. Es wird beurteilt, wie die Wassersektoren zusammenarbeiten und wie sie in geeigneter Weise gesteuert werden können. Abschliessend zu dieser kurzen Darstellung aus der Projektebene muss nochmals festgehalten werden, dass im NFP 61 ein explizites Schneeprojekt nicht vertreten ist. Das ist nicht nur bezüglich des Nationalen Programms sondern auch hinsichtlich der alpinen Wasserressourcen eine nicht zu unterschätzende Lücke. Hier braucht das Programm externes Wissen, das einbezogen werden kann. Sie kann glücklicherweise geschlossen werden. Die Thematische Synthese 1 des NFP 61 kann den «Schnee» im Hinblick auf die Gesamtsynthese «Nachhaltige Wassernutzung» aus den Forschungsarbeiten der WSL und des SLFs und weiterer Institutionen einbringen. Schlussbetrachtungen Als befristet angelegtes Forschungsprogramm kann ein NFP selbst nur kurzfristig einen Beitrag zu den alpinen Schnee- und Wasserressourcen leisten. Die WSL hat hier die besseren Voraussetzungen, weil sie langfristig Einfluss nehmen kann. Es liegt im Bestreben der Leitungsgruppe des NFP 61, diese Ausgangslage zu nutzen und Synergien zu mobilisieren. Wenn es gelänge, die Philosophie und die Ansätze des NFP 61, wie oben beschrieben, unter anderem Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit, in der Gemeinschaft weiter zu stärken, und die eidgenössische Forschungsanstalt WSL und weitere Institutionen dieses Gedankengut auch in Zukunft weiter tragen, dann hätte das NFP 61 ein grosses Ziel erreicht. Über die Transdisziplinarität soll im Programm das Verständnis und die Akzeptanz für die Grundideen einer nachhaltigen Wasser-Ressourcen-Nutzung geschaffen werden. Das wird in der Laufzeit eines NFP nur bedingt möglich sein. Mit dem Umweg über langfristig tätige Forschungseinrichtungen wie der WSL müssten hier Erfolge erzielt werden können. Die Aufgabe ist alles andere als unlösbar, vertreten doch die WSL und die EAWAG diese Ideen bereits in ihren Projekten und Veröffentlichungen. Wir können auch feststellen, dass sich bereits während der Laufzeit des NFP 61 der Druck auf die Wassernutzungen über die Wirkungen des Klimawandels hinaus im Alpenraum verstärkt hat. Nutzungen wie Tourismus (Beschneiung), Wasserversorgung und Bewässerung gehen von einem steigenden Wasserbedarf aus und werden damit zu konkurrierenden Nutzungen, die eines umsichtigen Managements bedürfen. Insbesondere sind aber durch die Energiewende und dem damit verbundenen weiteren Ausbau der Wasserkraft neue, unerwartete Konflikte ins Blickfeld gerückt. Das NFP 61 versucht hier, die Grundgedanken Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit einzubringen und die Werkzeuge und Strategien für ein Integriertes Ressourcenmanagement zur Mininimierung der Konflikte zur Verfügung zu stellen. Forum für Wissen 2012 Literatur Binswanger, h.C., 2009: Vorwärts zur Mässigung – Perspektiven einer nachhaltigen Wirtschaft. Hamburg, Murmann. 250 S. BütLer, M.; MüLLer, h.; LehMann, t.; haeBerLi, w., 2012: Neue Gletscherseen als Folge der Entgletscherung im Alpenraum – Herausforderungen für den Tourismus. tourismus 2020+ intersdisziplinär. Farinotti, d.; usseLMann, s.; huss, M.; Bauder, a.; Funk, M., 2012: The runoff evolution in the Swiss Alps: Projections for selected high-alpine catchments based on ENSEMBLES scenarios. Hydrol. Process. 26, 13: 1909–1924. Farinotti, d.; Bauder, a.; Funk, M., 2011a: Gletscherrückgang – Bleibt noch genügend Wasser für die Wasserkraftnutzung? Nat. Mensch 4: 21–23. 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VouiLLaMoz, J.; Jeannin, p.y.; deMary s., weBer e., MaLard a., eiChenBerger u., 2011: KARSYS, un concept de caractérisation des systèmes karstiques pour une gestion durable des ressources en eau. Proc. H2Karst, 9th Conference on Limestone Hydrogeology, Besançon (France) 1–4 sep. 475–478. weBer, e.; Jordan, F.; Jeannin, p. y.; VouiLLaMoz, J.; eiChenBerger, u.; MaLard a., 2011: Swisskarst project (NRP61): Towards a pragmatic simulation of karst spring discharge with con-ceptual semidistributed model. The Flims case study (Eastern Swiss Alps). Proc. H2Karst, 9th Conference on Limestone Hydrogeology, Besançon (France) 1–4 sep. 483–486. weingartner, r.; herweg, k.; Liniger, h.; rist, s.; sChädLer, B.; graeFe, o.; hoeLzLe, M.; reynard, e., 2010: Water scarcity in inner-Alpine regions – options for sustainable water use in the region Crans-Montana-Sierre (Valais canton). Hydrol. Wasserbewirtsch. 54, 4: 251–252. Informationen zu den Projekten http://www.NFP 61.ch/D/projekte/Seiten/ alle-projekte.aspx Videoclips zu den Projekten http://www.NFP 61.ch/D/projekte/videoclips/Seiten/default.aspx 68 Abstract Relevant aspects of the NRP 61 (Sustainable Water Use) The NRP 61 aims a comprehensive survey of the Swiss water use. Since the Alps save a large part of the water resources of Switzerland (snow, ice, water) they play a crucial role for the water use in the country. In the past we assumed to be dealing with a stable system. Today we are faced with very strong changes in snow and ice resources. How the system develops over the next 30 to 100 years will be is the central research issue of NRP 61. The research of the programme is based on a holistic approach and relies on the pillars of sustainability, multidisciplinarity, transdisciplinarity and implementation. Using the Integrated Water Resources Management (IWRM) to bring the different interests into a balance, the NRP 61 will contribute to minimise the conflicts of water use in future. The idea of implementation is strongly promoted within the programme. Stakeholders are involved from the start of the programme to ensure a true transdisciplinary work. Furthermore, the pressure on the use of the alpine water resources has recently already increased due to the political decisions made with regard to water power in the framework of the energy strategy of Switzerland. Keywords: water resources, water management, holistic approach, sustainability, implementation, transdisciplinarity Forum für Wissen 2012 Verzeichnis der Schriftenreihe «Forum für Wissen» Forum für Wissen 2011 Der multifunktionale Wald – Konflikte und Lösungen. 58 S. Forum für Wissen 2010 Landschaftsqualität. Konzepte, Indikatoren und Datengrundlagen. 67 S. Forum für Wissen 2009 Langzeitforschung für eine nachhaltige Waldnutzung. 129 S. Forum für Wissen 2008 Ballungsräume für Mensch und Natur. 82 S. Forum für Wissen 2007 Warnung bei aussergewöhnlichen Naturereignissen. 96 S. Forum für Wissen 2006 Wald und Klimawandel. 71 S. Forum für Wissen 2005 Wald und Huftiere – eine Lebensgemeinschaft im Wandel. 74 S. Forum für Wissen 2004 Schutzwald und Naturgefahren. 103 S. Forum für Wissen 2000 Naturwerte in Ost und West. Forschen für eine nachhaltige Entwicklung vom Alpenbogen bis zum Ural. 87 S. Forum für Wissen 1999, 2 Nachhaltige Nutzung im Gebirgsraum. 70 S. Forum für Wissen 1999, 1 Biosphärenpark Ballungsraum. 56 S. Forum für Wissen 1998 Optimierung der Produktionskette «Holz». 87 S. Forum für Wissen 1997 Säure- und Stickstoffbelastungen – ein Risiko für den Schweizer Wald? 100 S. Forum für Wissen 1996 Wild im Wald – Landschaftsgestalter oder Waldzerstörer? 71 S. Forum für Wissen 1995 Erhaltung der Biodiversität – eine Aufgabe für Wissenschaft, Praxis und Politik. 59 S. Forum für Wissen 1994 Waldwirtschaft im Gebirge – eine ökologische und ökonomische Herausforderung. 54 S Forum für Wissen 1993 Naturgefahren. 63 S. Forum für Wissen 1992 Waldschadenforschung in der Schweiz: Stand der Kenntnisse. 162 S. Forum für Wissen 1991 Wald und Landschaft: Lebensräume schützen und nutzen. 63 S.