Gesundheitspolitik in Industrieländern 10
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Gesundheitspolitik in Industrieländern 10
Gesundheitspolitik in Industrieländern 10 Sophia Schlette, Kerstin Blum, Reinhard Busse (Hrsg.) Gesundheitspolitik in Industrieländern 10 Im Blickpunkt: Pflege unter Druck, Krankenkassen als Payer und Player, Verbesserung der Versorgungsqualität Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar. 2008 Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh Verantwortlich: Sophia Schlette Lektorat: Dr. Arno Kappler, Soest Herstellung: Sabine Reimann Umschlaggestaltung: Nadine Humann Umschlagabbildung: Aperto AG, Berlin Satz und Druck: Hans Kock Buch- und Offsetdruck GmbH, Bielefeld ISBN 978-3-86793-018-5 www.bertelsmann-stiftung.de/verlag Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Langzeitpflege: Versicherungslösung setzt sich durch . . . . . . Frankreich: Altenpflege als »fünfte Säule« der Sozialversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Österreich: Turbulente Debatte um 24-Stunden-Pflege . . . . . . . Japan: Pflegestützpunkte als Pflichtleistung . . . . . . . . . . . . . . . . Israel: Pflegeleistungen werden ausgeschrieben . . . . . . . . . . . . 11 18 21 25 29 Neue Versorgungsformen: Der Vormarsch geht weiter . . . . . Israel: Ein Duo ersetzt den allein praktizierenden Arzt . . . . . . USA: Das »medizinische Zuhause« wird Wirklichkeit . . . . . . Spanien: Neue Versorgungsmodelle werden verglichen und evaluiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 39 42 Krebs: Prävention und Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Japan: Aktionsplan gegen den Krebs soll Versorgung besser integrieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dänemark: Keine Wartezeiten und bessere Versorgung für Krebspatienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . USA, Schweiz, Neuseeland, Kanada: HPV-Impfungen Sache der Allgemeinheit? . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Krankenkassen: Payer und Player . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frankreich: »Schutzschild« gegen zu hohe Zuzahlungen . . . . Japan: Dezentrale Beiträge und ein neues Versicherungssystem für Hochaltrige . . . . . . . . . . . . Israel: Eine fünfte Krankenkasse für wechselnde Zwecke . . . 46 57 60 62 71 75 79 83 5 Qualitätssicherung: Jagd auf bewegliche Ziele . . . . . . . . . . . . . . 87 Estland: Krankenhäuser nehmen am »Path«-Programm der WHO teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Neuseeland: Qualitätsparameter orientiert am Patienten . . . . . 92 Kanada: Gesundheitsrat gibt Qualitätsempfehlungen . . . . . . . 94 Niederlande: Schneller ist nicht immer besser . . . . . . . . . . . . . . . 98 Australien: Schutz für jeden, der einen Fehler aufdeckt . . . . . . 101 Arzneimittel: Tauziehen zwischen Finanziers und Herstellern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Groûbritannien: Arzneimittelpreise sollen sich am Wert orientieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polen: Arzneimittelpolitik im Scheinwerferlicht . . . . . . . . . . . . Australien: Preisreform schafft zwei Klassen von Arzneimitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finnland: Raucher-Kaugummi einziger sichtbarer Erfolg der Arzneimittelreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spanien: Reform scheitert an der Pharma-Industrie . . . . . . . . . Mehr Wahlmöglichkeiten durch Privatisierung und Gutscheine? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Singapur: Das teuerste Gesundheitswesen ist gerade gut genug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dänemark: Konkurrenz für öffentliche Krankenhäuser . . . . . Frankreich: Pflegekräfte werden aufgewertet und besser verteilt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finnland: Kaum Nachfrage nach Versorgungsgutscheinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Internationale Netzwerk Gesundheitspolitik . . . . . . . . . . . Vorbereitung und Vorgehen der Berichterstattung . . . . . . . . . Auswahlkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Politikbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Projektmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 110 112 114 117 119 123 127 130 132 134 137 139 139 141 142 Reformverzeichnis nach Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Neu: Reformverzeichnis nach Themen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 6 Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, wir freuen uns, Ihnen mit Band 10 unsere »Jubiläumsausgabe« von »Gesundheitspolitik in Industrieländern« präsentieren zu können. Seit fünf Jahren berichten wir über aktuelle gesundheitspolitische Entwicklungen in den 20 Partnerländern des »Internationalen Netzwerks Gesundheitspolitik«. Wir hoffen, dass wir Ihnen anregende und nützliche Über- und Einblicke in internationale gesundheitspolitische Trends und »good practice« liefern und freuen uns über Ihr Interesse daran. Pünktlich zum Jubiläum bieten wir Ihnen einen neuen Service. Neben dem Reformverzeichnis nach Ländern enthält dieser Band jetzt auch ein Verzeichnis nach thematischen Schwerpunkten. Dort finden Sie ± von A wie Arzneimittelpolitik bis Z wie Zugang ± alle Reformen, über die wir in dieser Buchreihe berichtet haben. Band 10 von »Gesundheitspolitik in Industrieländern« beschäftigt sich erneut mit einem Strauû gesundheitspolitischer Themen ± von Pflegepolitik und neuen Versorgungsformen über Fragen der Qualitätssicherung bis hin zur Arzneimittelpolitik. Einen besonderen Schwerpunkt bilden diesmal die diversen Auswirkungen des demographischen Wandels auf das Gesundheitswesen. Europa und Japan befinden sich bereits mitten in einem weitreichenden Wandlungsprozess, der jedoch auch vor Staaten mit insgesamt jüngerer Bevölkerung oder stärkerer Zuwanderung nicht haltmacht. Für die Gesundheitspolitik bringt der wachsende Anteil ¾lterer an der Gesamtbevölkerung überall diverse Herausforderungen mit sich. Zum einen wächst in jeder älter werdenden Gesellschaft der Bedarf an Langzeitpflege. Gleichzeitig steigen die Anforderungen 7 Neu: Reformregister nach Themen Themenschwerpunkt: Folgen des demographischen Wandels Pflege: Quantitative und qualitative Herausforderungen Koordinierte Versorgung für Chroniker nutzt allen GPS im Versorgungslabyrinth »Alterskrankheit« Krebs an die Qualität der Pflege, wenn pflegeintensive Krankheiten wie Demenz, Alzheimer oder Parkinson zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die Frage, wie man Altern in Würde ± sei es zu Hause oder in einer stationären Einrichtung ± ermöglichen und dabei eine nachhaltige Finanzierung sicherstellen kann, treibt viele Industrienationen um. Frankreich überlegt, nach deutschem Vorbild die Pflegeversicherung als »fünfte Säule« der Sozialversicherung einzuführen ± ein Weg, den Spanien und Slowenien bereits beschritten haben. Österreich setzt auf eine gesetzliche Regelung der 24-Stunden-Pflege, mit der viele Pflegekräfte und -helfer aus zumeist osteuropäischen Ländern und ihre österreichischen Arbeitgeber aus der Grauzone der Illegalität herauskommen. Japan hingegen setzt wie Israel (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 7/8, S. 152) auf gezielte Gesundheitsförderung für ¾ltere, um Pflegebedürftigkeit möglichst lange vorzubeugen bzw. damit Pflegebedarf möglichst gar nicht erst entsteht. Zum anderen hat der steigende Anteil von chronischen Erkrankungen und Multimorbidität, der mit unserem »Grauwerden« einhergeht, indirekt Auswirkungen auf die Versorgungslandschaft. Neue Versorgungsformen, die auf eine bessere Koordination der Versorgung abzielen, entstehen oft aus Überlegungen zur besseren Versorgung chronisch Kranker. Gerade für Menschen mit komplexen Krankheitsbildern ist es immens wertvoll, im oft labyrinthischen Versorgungssystem Navigationshilfe zu erhalten. In den letzten Jahrzehnten sind hierfür verschiedene Ansätze entwickelt worden, von »Disease Management«-Programmen über das umfassendere »Chronic Care«-Modell, das der israelische Krankenversicherer Maccabi in die Tat umsetzt, bis zum Modell des »medizinischen Zuhauses«, wie es in den USA erprobt wird. Gerade das medizinische Zuhause zeigt, dass eine Neuorganisation der Versorgungslandschaft eine bessere Versorgungsqualität für alle Patienten erzielen kann und auch für Leistungserbringer und Kostenträger Vorteile entstehen. Auch Krebs rückt zunehmend in den Fokus der Medizin und der öffentlichen Aufmerksamkeit. Denn mit der Lebenserwartung steigt das Risiko, an Krebs zu erkranken: Laut Gesundheitsberichterstattung des Bundes treten fast drei Viertel aller Krebsneuerkrankungen in Deutschland bei Menschen über 60 Jahren auf. 8 Der Kampf gegen die Volkskrankheit Krebs steht folgerichtig auch im Blickpunkt der Gesundheitspolitik. So haben sich die EU-Gesundheitsminister im April 2008 darauf geeinigt, dass ein gemeinsamer EU-Aktionsplan zum Kampf gegen Krebs notwendig ist, und von der Europäischen Kommission einen Entwurf gefordert. In vielen Ländern finden sich auf nationaler Ebene bereits vielversprechende Ansätze, mit denen die Versorgung von Krebspatienten und die Krebsprävention verbessert werden sollen. Japan setzt, wie auch Neuseeland und Australien, auf einen nationalen Aktionsplan gegen den Krebs, der Prävention mit einer besseren Koordination der Versorgung, gezielter Weiterbildung der Leistungserbringer und Patienteninformation verknüpft. Dänemark überarbeitete im Jahr 2007 seinen Krebsaktionsplan von 2001. Unter anderem legt der neue Plan fest, dass Patienten mit Verdacht auf Krebs nie länger als 48 Stunden auf die diagnostische Untersuchung warten müssen. Informationsquellen für dieses Buch waren wie immer die Expertenberichte des Internationalen Netzwerks Gesundheitspolitik. Dieser Band stellt die Ergebnisse der zehnten halbjährlichen Befragung vor, die den Zeitraum Mai bis September 2007 umfasst. Von den 79 Reformmeldungen haben wir 30 für den vorliegenden Bericht ausgewählt. Unser besonderer Dank gilt Norbert Mappes-Niediek, Autor und freier Journalist, für seine Hilfe bei der Erstellung des ersten Entwurfs sowie Ines Galla (Bertelsmann Stiftung) für ihre Unterstützung bei der Redaktion und organisatorischen Betreuung dieser Publikation. Unser Dank gilt auch allen Experten aus den Partnerinstitutionen und ihren externen Koautoren: Autoren: Ain Aaviksoo, Gerard Anderson, Mickael Bech, Netta Bentur, Chantal Cases, Philippe Chastonay, Karine Chevreul, Elena Conis, Noah Ecker, Gabriel Ferragut Ensenyat, Rick Franklin, Nicholas J. Goodwin, Kees van Gool, Revital Gross, Marion Haas, Maria M. Hofmarcher, Reuven Kogen, Ehud Kokia, Agris Koppel, Lim Meng Kin, Ryozo Matsuda, Margaret McAdam, Carol Medlin, Anna Mokrzycka, Michel Naiditch, Shlomo Noi, Adam Oliver, Tanaz Petigara, Karolina Socha, Cor Spreeuwenberg, Renee Torgerson, Karsten Vrangbñk, Lauri Vuorenkoski, Lisa Walton und Rachel Wilf-Miron. Kommentatoren/Reviewer: Luca Crivelli und Mary Ries. 9 Diagnostik, Koordination und Weiterbildung Kommentare und Anregungen zu Ausgabe 10 von Gesundheitspolitik in Industrieländern sind herzlich willkommen und können an die Herausgeber gerichtet werden. Wir freuen uns über alle Verbesserungsvorschläge. Sophia Schlette, Kerstin Blum, Reinhard Busse 10 Langzeitpflege: Versicherungslösung setzt sich durch Die Einführung der deutschen Pflegeversicherung 1995 galt als Durchbruch und Pioniertat. Die Fachwelt war sich einig, dass die Weichenstellung bei der längst absehbaren Alterung der Bevölkerung überall, auch in Deutschland, schon deutlich überfällig war. Damit korrespondiert heute die bange Erwartung, dass das System sich bald neuen Finanzierungsproblemen gegenübersehen könnte. Die Entwicklungen, auf die Deutschland seinerzeit mit einer »fünften Säule« der Sozialversicherung reagierte, halten nicht nur an, sondern haben sich unterdessen noch beschleunigt: Bis 2050 soll die Zahl der über 65-Jährigen in Europa um 58 Millionen steigen, wobei die über 80-Jährigen unter ihnen den am raschesten steigenden Anteil ausmachen (Sorenson 2007: 1). Die Ausgaben, die Industriestaaten schon jetzt für die Langzeitpflege aufwenden, schwanken zwischen 0,2 Prozent und drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (OECD 2005: 2; siehe Abbildung 1). Die Herausforderung ist nicht allein quantitativer, sondern vor allem qualitativer Art. Mit der weiter fortschreitenden Alterung der Bevölkerung verändern sich die Versorgungsbedürfnisse. Pflegeintensive Alterskrankheiten wie Demenz, Alzheimer oder Parkinson nehmen stark zu. Das übliche Muster von Krankheit und Genesung, das der Gesundheitsversorgung gemeinhin zugrunde liegt, wird für einen wachsenden Teil der Bevölkerung zur Fiktion ± so wie auch der Übergang zwischen Krankheit und Pflegebedürftigkeit unscharf geworden ist. Angeregt zwar von der demographischen Entwicklung, hat die Eigenständigkeit der Langzeitpflege jedoch einen weitergehenden Paradigmenwechsel nach sich gezogen und die Aufmerksamkeit auf Probleme gelenkt, die vor einem historischen Augenblick noch 11 Mit der Alterung steigt die Zahl der Pflegebedürftigen Pflegeintensive Krankheiten nehmen zu Abbildung 1: Öffentliche und private Ausgaben für Pflege 3,0 1,4 2,5 0,2 2,0 0,2 1,5 0,1 0,1 0,2 0,3 0,2 0,4 1,0 1,7 0,1 1,2 0,5 1,3 1,1 0,9 1,2 1,0 0,1 1,0 0,5 0,4 0,4 0,6 Private Ausgaben A US ien an eiz Sp len hw Sc Po de Ös ter rei ch d erl an lan ed Ni da na Ne us ee d an Ka Ja p lan rk sc h ma ut De ne Dä Au str a lie n 0 Öffentliche Ausgaben Alle Angaben in Prozent des BIP Daten von 2005, für Australien und Japan von 2004. Quelle: OECD Gesundheitsdaten 2007. Häusliche Pflege gewinnt an Wert gar nicht als solche erkannt worden sind. Behinderte etwa als Kranke zu definieren und in Einrichtungen unterzubringen, die an Bedürfnissen von Akutpatienten entwickelt wurden, erscheint heute absurd ± und doch war es jahrzehntelang gang und gäbe. Längst unumkehrbar erscheint der quantitative und qualitative Ausbau von mobilen Pflegediensten. Ohne die Autonomie der Langzeitpflege von der akuten Gesundheitsversorgung wären auch die Diskussionen um die Selbstbestimmung und Teilhabe von Behinderten und pflegebedürftigen Alten unter den ± akut stets viel drängenderen ± Fragestellungen der Akutversorgung untergegangen. Die häusliche Pflege war immer schon ein zentraler Bestandteil der Pflegeleistungen, meist wurde sie jedoch in informellen Arrangements erbracht. Zunehmend rückt ihr Wert jedoch in den Mittelpunkt der Debatte um gute Pflege. Die häusliche Pflege hat sich zu einem wichtigen Teil der öffentlich finanzierten Pflege entwickelt (siehe Abbildung 2). 12 Abbildung 2: Öffentliche Ausgaben für Langzeitpflege, 2000 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 Ja pa n Au str Gr ali oß en br ita nn ien De ut sc hla nd Ka na da Ni ed erl an de No rw eg en Sc hw ed en US A nd Irla Ne Sp an ien us ee lan d Lu xe mb ur g 0 Häusliche Pflege (inklusive Leistungen zur Unterstützung der informellen Pflege) Stationäre Langzeitpflege Alle Angaben in Prozent des BIP Quelle: OECD Policy Brief, 2005: 6. Inzwischen wurde und wird das System der Pflegeversicherung von immer mehr Ländern übernommen. Japan und Luxemburg haben ähnliche Versicherungen eingeführt. In Österreich ist Langzeitpflege schon seit 1993 eine staatliche Leistung und damit von der versicherungsfinanzierten Akutversorgung auch organisatorisch und finanztechnisch unterschieden. Frankreich denkt über die Pflegeversicherung nach (siehe den Bericht aus Frankreich, S. 18), Spanien und Slowenien sind dabei, sie einzuführen. Spanien, ein Land mit steuerfinanziertem Gesundheitswesen, hat 2007 begonnen, ein Pflegeversicherungsmodell einzuführen. Die Pflegeversicherung soll ambulante Pflegeleistungen und nötige Umbauten im Haus finanzieren, die Integration von ambulanter und stationärer Pflege fördern und pflegende Angehörige finanziell entlasten. Das Modell wird zu je einem Drittel von der Zentralregierung, von den 17 autonomen Regionen und von den Betroffenen selbst bezahlt. Die Pflegeversicherung kommt in meh13 Pflegeversicherung als weltweit kopiertes Modell Spanien setzt neue Pflegeversicherung um Slowenien führt Pflichtversicherung nach deutschem Vorbild ein Mehr Geld soll Angehörige entlasten und Qualität heben Sonderstatus für Langezeitpflege schafft neue Probleme Sicherheit versus Selbstbestimmung reren Schritten: Der erste wurde 2007 getan, der letzte wird für 2015 erwartet. Die Vorgehensweise wurde gewählt, weil die Belastung der Versicherten und der Ausbau der Pflege-Infrastruktur parallel gehalten werden sollen (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 7/8, S. 107). Eine neue Pflichtversicherung in Slowenien soll häusliche und stationäre Pflegeleistungen sowie medizinische Hilfen umfassen und die Kosten für kleinere Wohnungsumbauten übernehmen, wenn dadurch die Bewohner länger in ihren eigenen vier Wänden versorgt werden können (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 9, S. 105). Für Erwachsene im Alter von 20 bis 64 Jahren will man auûerdem den Zugang zu Pflegeleistungen verbessern. Diese müssen bisher die Kosten für ihre Pflege meist selbst tragen, es sei denn, sie beziehen eine Behindertenrente. Plätze in Pflegeheimen für diese Altersgruppe sind Mangelware, und auch die ambulante Pflege stöût an ihre Grenzen. In Slowenien erhalten zurzeit 67.000 Personen, das sind knapp 3,4 Prozent der etwa zwei Millionen Einwohner, Pflegeleistungen. Finanziert werden sie von den Gemeinden sowie von der Kranken- und der Rentenversicherung. Einen groûen Teil der Kosten tragen die Pflegebedürftigen allerdings selbst: Im stationären Bereich liegt der Eigenanteil bei mehr als 40 Prozent. Die Regierung hofft, dass durch die universelle Pflichtversicherung mehr Geld ins System kommt und dass sie mit diesem Geld die professionellen Pflegeeinrichtungen ausbauen kann. In den letzten 20 Jahren ist die Zahl der ¾lteren um die Hälfte gestiegen. Bis 2020 erreichen die Babyboomer-Jahrgänge das Rentenalter. Bei diesen Zahlen zweifelt die Regierung in Ljubljana an der finanziellen Tragfähigkeit und Gerechtigkeit des bestehenden Systems. Mit der Abtrennung der Langzeitpflege von der Akutversorgung und der Einführung eines eigenen Finanzierungssystems stellen sich allerdings eine Reihe neuer Probleme. Sie kreisen zum gröûten Teil um die Frage, wie beide Systeme, Langzeitpflege und Akutversorgung, sinnvoll voneinander abgegrenzt und dabei Schnittstellenprobleme vermieden werden können. Unter dem Strich war es notwendig, Pflege nach ihren eigenen Gesetzen, nicht mehr nach den ihr sachfremden Grundsätzen der Akutversorgung zu beurteilen. Aber eben diese Trennung 14 konfrontiert den neuen Sektor auch mit seinen eigenen Widersprüchen. Sicherheit als zentrales Ziel von Langzeitpflege steht in einer unauflöslichen Spannung zu Wahlfreiheit und Herrschaft über das eigene Schicksal, zu Individualität und Weiterführung eines sinnvollen Lebens (Kane und Kane 2001: 116). Systematisch ungelöst bleibt aber auch, wie bei der Zuerkennung von Pflegegeld zielwidrige Anreize vermieden werden können. In Systemen, die Betroffenen je nach Pflegebedürftigkeit ein bestimmtes Budget zur freien Verfügung zuteilen, können solche zielwidrigen Anreize handlungsleitend werden: Die Pflegebedürftigen und ihre Familien verlieren bei jedem Gewinn an Autonomie Geld. Verbesserungen des Zustands ± wie die Fähigkeit, allein zu essen oder sich zu waschen ± ziehen empfindliche finanzielle Verschlechterungen nach sich. Dass gerade das (Wieder-)Erlernen solch elementarer Fertigkeiten die Betroffenen und ihre Angehörigen besonders viel Energie kostet, wird vom System ignoriert. Auch Leistungserbringer müssen im Normalfall Einkommenseinbuûen in Kauf nehmen, wenn ein von ihnen betreuter Patient in eine niedrigere Pflegestufe wechselt. Es gibt bisher selten monetäre Anreize, sich als Pflegedienst für eine Verbesserung des Gesundheitszustands der Kunden einzusetzen. Für die Lösung dieses Kernproblems gibt es jedoch hoffnungsvolle Ansätze. So erhalten in Japan Anbieter eine Zusatzvergütung für gesundheitsfördernde Maûnahmen (siehe den Bericht über Japan, S. 25). Deutschland will mit dem am 1. Juli 2008 in Kraft getretenen Pflege-Weiterentwicklungsgesetz stationäre Pflegeeinrichtungen mit finanziellen Vorteilen dazu anreizen, den Zustand der Betreuten durch aktivierende Pflege und Rehabilitation zu verbessern. Schafft es ein Pflegeheim, dass ein Patient in die nächstniedrigere Pflegestufe umgestuft wird, erhält es einen einmaligen Betrag von 1.538 Euro. Unentschieden ist international überdies die Frage, ob Pflege als Sachleistung vom Versicherungsträger pauschal übernommen oder ob Bedürftigen ein persönliches Budget zur eigenen Verfügung gegeben werden sollte. Im deutschen System ist das entscheidende Kriterium, ob jemand zu Hause oder in einer Einrichtung gepflegt wird; der finanzielle Aufwand für diese und jene Form der Pflege konnte bislang beim Bezug von Geldleistungen um mehr als 100 Prozent differieren (Lisac 2008). 15 Bonus für aktivierende Pflege Sachleistung oder Pflegegeld? Österreich: Illegale schlieûen Versorgungslücke Deutschland: »One Stop Shop« lichten Dschungel Heim- oder Hauspflege ist aber nicht die einzige mögliche Unterscheidung; auch die Schwere der Beeinträchtigung kann über Sachleistung oder feste Zahlung von Pflegegeld entscheiden. Für nur leicht Pflegebedürftige bietet sich ± unabhängig von der Form der Unterbringung ± das persönliche Budget an, weil es den Betroffenen eigene Entscheidungsmöglichkeiten lässt und ihnen auûerdem erlaubt, den Profis als Kunden, also in Augenhöhe gegenüberzutreten. Schwerstpflegebedürftigen dagegen kommt ± ebenfalls unabhängig vom Wohnort ± die Sachleistung entgegen, denn sie entlastet von eigenem Aufwand und erschwert Manipulationen aus dem Umfeld. Hier geht der weltweite Trend zu mehr Wahlmöglichkeiten. Dass die deutsche Formel für die Zuerkennung von Pflegegeld für die Versorgung zu Hause und in Einrichtungen noch einiges an Sprengstoff birgt, zeigt die Debatte in Österreich (siehe den Bericht aus Österreich, S. 21). Hier ist der Satz für Pflegegeld in der höchsten Stufe ähnlich dem deutschen, und genau wie in Deutschland liegt er um die Hälfte unter dem, was für 24-Stunden-Pflege in einem Heim aufgewendet wird. Anders als in Deutschland lassen sich hier nicht zwei Drittel (Gleckman 2007: 3), sondern 80 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause versorgen (nach Informationen des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands, November 2005). Oft werden die Pflegebedürftigen unentgeltlich von Familienangehörigen betreut, oft aber auch durch illegal beschäftigte Pflegekräfte aus den östlichen Nachbarstaaten. Alle Länder schlieûlich stehen vor dem Problem, geeignete Standards für die Qualität der Langzeitpflege zu definieren. Besonders drängend stellt die Frage sich in Deutschland, wo die an sich erfreuliche Vielfalt der Pflegedienste zu einem kontraproduktiven Wildwuchs ausgewuchert ist. Gerade alten Menschen fällt es schwer, sich auf dem unübersichtlichen Markt zurechtzufinden. Krassen Fällen wie dem, dass in einem einzigen Wohnheim fünf verschiedene Pflegedienste mit fünf verschiedenen ¾rzten tätig sind, soll künftig mit der Einrichtung eines lokalen Pflegestützpunktes begegnet werden, der nach dem Vorbild eines Bürgeramts oder des »One Stop Shop« (wie bei der Anmeldung eines Gewerbes) die Bedürfnisse nachfragender Pflegebedürftiger und das lokale Angebot miteinander koordiniert. 16 Wie Versuche scheitern können, den Staat als Nachfrager zum Richter über die Qualität von Pflegeeinrichtungen zu machen, illustriert das israelische Beispiel (siehe den Bericht aus Israel, S. 29). Der Versuch, Pflegetage auszuschreiben und auf diesem Wege Mindeststandards vorzugeben, scheiterte am Boykott der privaten Betreiber. Wer dabei wie die israelische Regierung mit dem Kopf durch die Wand will, läuft offenbar leicht Gefahr, vor allem den Betroffenen zu schaden. Als ein mögliches Qualitätsmerkmal in der Versorgung Pflegebedürftiger wird immer mehr die Aktivierung erkannt. In Japan haben Expertengruppen Strategien für die Weiterentwicklung der Altenpflege erarbeitet und dabei unter anderem Inaktivität als wesentlichen Risikofaktor für Behinderung und Pflegebedürftigkeit ausgemacht. Körperliches Training, Ernährungsberatung und Gruppenaktivitäten werden in den Leistungskatalog der Pflegeversicherung aufgenommen (siehe den Bericht aus Japan, S. 25). Einen ähnlichen Kurs verfolgt auch der israelische Krankenversicherer Maccabi, der in einem ambitionierten Pilotprogramm nicht nur ¾rzte zum speziellen gesundheitlichen Bedarf älterer Menschen schult, sondern auch die körperliche und geistige Fitness fördern will (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 7/8, S. 152). Literatur und Links Costa-Font, Joan, und Anna García-Gonzµlez. »Long-term Care Reform in Spain«. Eurohealth. (13) 1 2007. 20±22. G+G Netzwerk News. »Slowenien: Pflegerisiko besser absichern.« Gesundheit und Gesellschaft. (10) 11 2007. 8. Gleckman, Howard. »Financing long-term care: lessons from abroad«. Center for Retirement Research at Boston College. 7/8, Juni 2007. 3±10. Kane, Robert L., und Rosalie A. Kane. »What Older People Want From Long-term Care, And How They Can Get It«. Health Affairs (20) 6 2001. 114±127. Larizgoitia, Itziar. »Approaches to evaluating LTC systems«. World Health Organization Collection on Long-Term Care. Key Policy Issues in Long-Term Care. 2003. 227±245. 17 Auch körperlich und geistig fit halten Lisac, Melanie. »Reform of the long-term care system«. Health Policy Monitor. Januar 2008. www.hpm.org/sur vey/de/b10/2. OECD »Ensuring quality long-term care for older people«. OECD Policy Brief. März 2005. Sorenson, Corinna et al. »Quality measurement and assurance of long-term care for older people ± case studies on the United States and the UK«. Euro Observer (9) 2 2007. 1±5. Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Rentner oder aktive Generation als Finanziers l de Wa n Be we rtu ng g set zun Um set zge bu ng pie Ge pa gie Str ate ot pr oj Pil Id ee ek t r Frankreich: Altenpflege als »fünfte Säule« der Sozialversicherung Staatspräsident Nicolas Sarkozy will für die Langzeitpflege gebrechlicher alter Menschen eine neue Säule der Sozialversicherung schaffen. Gestritten wird über die Organisation und über die Finanzierung. Höhere Sozialabgaben für Rentner würden 750 Millionen Euro bringen, eine Erhöhung bei den Berufstätigen aber 1,5 Milliarden. Zurzeit umfasst die französische Sozialversicherung vier Säulen: eine Krankenversicherung gegen das finanzielle Risiko bei Krankheit und Schwangerschaft, eine Unfallversicherung für Arbeitsinvalidität und Berufskrankheiten, eine Familienversicherung für Elternschaft und eine Rentenversicherung für Alter und Witwenschaft. Im Grundsatz stehen für die künftige »fünfte Säule« zwei Finanzierungsquellen zur Auswahl. Die Rentner, die zurzeit mit 6,6 Prozent ihres Einkommens zur Finanzierung der Sozialversicherung beitragen, können stärker zur Mitfinanzierung herangezogen werden und wie die Berufstätigen künftig 7,5 Prozent 18 zahlen. Die zweite mögliche Quelle wäre die Ausweitung der Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Sozialabgaben, die die aktive Generation zu leisten hat: Neben Lohn und Gehalt könnten auch andere Einkommensquellen herangezogen werden. Darüber hinaus will die Regierung die Selbstbehalte für Menschen, die in Alters- und Pflegeheimen untergebracht werden, senken. Sie liegen im Landesdurchschnitt bei monatlich 1.500 Euro und in der le de France sogar bei durchschnittlich 2.500 Euro. Angedacht ist, dass das Risiko der hohen Zuzahlungen von einer neuen Zusatzversicherung abgedeckt werden soll. Es ist allerdings fraglich, ob das Modell den gegenwärtigen Finanzierungsproblemen auf kürzere und mittlere Sicht abhelfen kann. Menschen über 70 werden von Versicherungen ungern aufgenommen, und Jüngere zeigen ihrerseits wenig Neigung, sich für den verdrängten Fall der Gebrechlichkeit im Alter freiwillig zu versichern. Hintergrund der Reformbemühungen ist die Erwartung, dass der Bevölkerungsanteil gebrechlicher alter Menschen bis 2040 um jährlich ein Prozent ansteigen wird. Schuld sind vor allem neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson sowie der Verlust an körperlicher Autonomie. Zwei Berichte von 2005 kommen, was den Anstieg solcher Ursachen von Pflegebedürftigkeit im Alter betrifft, zu alarmierenden Schlussfolgerungen. Schon jetzt werden für das Problem 0,94 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufgewendet. Mit Steigerungsraten von jährlich drei bis vier Prozent dürfte der Anteil am Sozialprodukt im Jahre 2025 schon 1,5 Prozent betragen. Ein aufsehenerregender Bericht der bekannten Rechnungsprüferin HØlne Gisserot von 2007 kommt zu dem Schluss, dass in den nächsten 20 Jahren jährlich Mehrausgaben von 250 bis 430 Millionen Euro für die Langzeitpflege aufgewendet werden müssen. Der Anteil, den die Krankenversicherung zu tragen hat, ist dabei noch nicht eingerechnet. Wollte man die erforderlichen Beträge alle über die Sozialabgaben aufbringen, so müsste der Beitragssatz pro Jahr um 0,5 bis 0,9 Prozentpunkte steigen. Auf der Leistungsseite werden die notwendigen Schlussfolgerungen aus der Entwicklung bereits gezogen. Ein »Solidaritätsplan hohes Alter« (Plan SolidaritØ Grand ge) soll bis 2012 für mehr Heimpflegebetten, mehr ambulante Pflege und in den Krankenhäusern für bessere Kapazitäten bei der Behandlung neurode19 Jedes Jahr ein Prozent mehr Gebrechliche »Solidaritätsplan Alter« soll Pflegesystem aufrüsten »Nationaler Solidaritätstag« Die lokale Ebene ist skeptisch generativer Erkrankungen sorgen. Mit einem »plan cerveau« (»Gehirnplan«) wird auch die Forschung zu diesen Erkrankungen gefördert. Schlieûlich sollen jährlich 40.000 Menschen für die Altenpflege geworben und ausgebildet werden. Gegenwärtig wird Langzeitpflege aus drei Quellen finanziert: aus dem landesweiten Autonomiefonds, aus den entsprechenden Budgets der 100 DØpartements und von den Betroffenen und ihren Angehörigen selbst. Der »Nationale Solidaritätsfonds für Autonomie« (CNSA), erst 2004 gegründet (siehe Debrand 2005), bekommt seine Mittel zum einen von der Krankenversicherung, zum anderen von den Erlösen des nationalen Solidaritätstages, eines unbezahlten Arbeitstages, den alle Arbeitnehmer zu leisten haben. Der Erlös aus dem Solidaritätstag liegt zurzeit bei etwa zwei Milliarden Euro. Der Anteil aus der Krankenversicherung wird jährlich neu festgesetzt. Zwischen den ± überwiegend links regierten ± DØpartements und der bürgerlichen Regierung findet zudem ein Verteilungskampf statt: Während die Aufwendungen der lokalen Verwaltungseinheiten zwischen 2002 und 2006 um 129 Prozent stiegen, sank der Aufwand der Zentralregierung im gleichen Zeitraum von 43 auf 33 Prozent. Inzwischen geben die DØpartements mehr als 15 Prozent ihres Budgets für die Altenpflege aus. Auf der Ebene der DØpartements herrscht überhaupt Skepsis gegenüber der Idee einer »fünften Säule«, wie Präsident Sarkozy sie plant. Würde die Altenpflege ein Teil der Sozialversicherung, unterläge sie wie die schon bestehenden vier Säulen einer paritätischen Selbstverwaltung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Die DØpartements verlören damit das Verfügungsrecht über ihre Aufwendungen. Erwartet wird deshalb eine Kompromisslösung. Literatur und Links Chevreul, Karine. »Financing long-term care: a new insurance scheme?«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www.hpm.org/survey/fr/a10/1. 20 Debrand, Thierry, und Zeynep Or. »Solidarity fund for financing dependency«. Health Policy Monitor. Oktober 2005. www.hpm.org/survey/fr/a6/5. Ministre du travail, des relations sociales et de la solidaritØ. »Le plan solidaritØ grand âge«. Juni 2006. www.travailsolidarite.gouv.fr/IMG/pdf/dossier_de_presse.pdf. Rapport au prØsident de la rØpublique suivi des rØsponses des administrations et des organismes intØressØs. »Les personnes agØes dØpendantes«. Cours des comptes. November 2005. www.ccomptes.fr/CC/documents/RPT/Rapport. pdf. l de Wa n we rtu ng ng Be tzu se Um se tzg pie Ge pa gie Str ate otp Pil Ide e roj ek t r eb un g Österreich: Turbulente Debatte um 24-Stunden-Pflege Wer sie braucht, soll in Österreich künftig einfacher und auf legalem Weg häusliche Pflege rund um die Uhr bekommen können. Das ist das Ziel eines Gesetzes, das im Juli 2007 nach turbulenter Debatte verabschiedet wurde. Pflegebedürftige sollen selbst Verträge mit Pflegekräften schlieûen. Deren Arbeitszeiten werden ausgeweitet und der Staat hilft mit spürbaren Subventionen. Der Löwenanteil in der häuslichen Pflege, etwa 80 Prozent, wird in Österreich von Familienangehörigen übernommen, was durch den Gesetzgeber aktiv unterstützt wird. So können sich pflegende Angehörige von unheilbar kranken Familienmitgliedern oder schwer erkrankten Kindern seit 2002 von ihrer Arbeit ganz oder teilweise unbezahlt freistellen lassen. Arbeitsplatz, Kranken- und Rentenversicherungsschutz bleiben während einer Pflegetätigkeit von bis zu maximal sechs Monaten erhalten (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 2, S. 44). Doch Angehörige sind mit der Rund-um-die-Uhr-Betreuung oft überfordert; legale 21 Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit 20.000 Haushalte beschäftigen illegal Pflegerinnen aus dem Osten Legalisierung soll 24-Stunden-Pflege weiterhin sichern Familiäre Pflege erhält ökonomischen Wert Pflegedienste sind für viele unerschwinglich. In den letzten Jahren hat sich die 24-Stunden-Pflege mit illegal in Österreich tätigen Ausländerinnen daher zu einem lukrativen Markt entwickelt. In Anspruch genommen wird diese Art der Pflege nach unterschiedlichen Schätzungen von bis zu 20.000 Menschen. Die Pflegekräfte, meist aus den an Österreich grenzenden neuen EU-Mitgliedstaaten, haben meistens keine Arbeitserlaubnis und zahlen auch keine Sozialleistungen. Über ihre Ausbildung ist in der Regel nichts bekannt. Das neue Gesetz, nach heftigen Auseinadersetzungen im Sommer 2007 verabschiedet, soll nun mit ¾nderungen im Arbeits-, Sozialversicherungs- und Berufsrecht legale 24-Stunden-Pflege möglich machen. Gedacht ist die neue Regelung für Menschen in den Pflegestufen drei bis sieben, für Demenzkranke auch in den niedrigeren Stufen. Die Pflegebedürftigen oder ihre Angehörigen treten als Auftraggeber für einen Pflegedienst oder direkt als Arbeitgeber für eine selbstständige Pflegekraft auf. Zum Leistungsumfang zählen Pflege und Hilfe im Haushalt, nicht aber medizinische Leistungen. Die Arbeitsverträge sehen nach dem neuen Gesetz bis zu 64 Wochenstunden vor, sie enden mit dem Tod des Pflegebedürftigen. Bis zum Sommer 2008 sollen alle Pflegenden einen Kursus in Haushaltshilfe absolviert haben. Damit ermöglicht das neue »Hausbetreuungsgesetz« direkte Arbeitsverträge zwischen Pflegebedürftigen und Pflegekräften. Die Arbeitszeitregelungen für die formal selbstständigen Pflegerinnen sind weitaus liberaler als die Regeln für abhängig Beschäftigte. Der familiären Pflege, die zumeist Ehefrauen und Töchter erbringen, wird damit ein ökonomischer Wert zuerkannt. Wird die 24-Stunden-Pflege von osteuropäischen Pflegerinnen erbracht, wird ihr Wert jedoch oft niedrig angesetzt: Für einen Arbeitstag im Haushalt, bestehend aus zehn Stunden Arbeitszeit, weiteren elf Stunden ständiger Arbeitsbereitschaft und nur drei Stunden garantierter Ruhezeit bekommen die meistens slowakischen oder rumänischen Pflegerinnen nach Aussagen von Vermittlungsagenturen und Hilfsorganisationen zwischen 35 und 50 Euro (Mappes-Niediek 2008). Pflegebedürftige ab Pflegestufe drei erhalten finanzielle Unterstützung durch das Sozialministerium: Anspruch auf eine Sub22 vention zwischen 250 und 800 Euro soll bekommen, wer nicht mehr als 2.500 Euro im Monat zur Verfügung hat und über weniger als 7.000 Euro an Ersparnissen verfügt. Beschäftigt ein Haushalt, wie es die Regel ist, eine »selbstständige« Pflegerin, sind 250 Euro das Maximum. Eine Dynamisierung ist nicht vorgesehen. Das 1993 eingeführte staatliche Pflegegeld ist bisher nur einmal, im Jahre 2005, erhöht worden. Österreich wendet jährlich 1,9 Milliarden Euro für Pflege auf, etwa 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.Würden Marktpreise gezahlt, läge der Anteil etwa bei drei Prozent, wie es etwa in Dänemark oder Schweden tatsächlich der Fall ist. Dem neuen Gesetz, das noch immer umstritten ist, ging eine heftige öffentliche Debatte voraus. Die Situation in der Familienpflege mit ihren vielen illegal beschäftigten Pflegerinnen geriet mit einem Schlag an die Öffentlichkeit. Der konservative Wirtschaftsminister nutzte den öffentlichen Druck, um sich für eine weitgehende Legalisierung der illegalen Pflegetätigkeit einzusetzen. Der sozialdemokratische Sozialminister bemühte sich dagegen, die übliche Praxis in der häuslichen Pflege mit den sozialund arbeitsmarktpolitischen Ansprüchen der Gewerkschaften zu versöhnen. Der gefundene Kompromiss stellt keine Seite wirklich zufrieden. Familien werden für häusliche Pflege nach wie vor zuschieûen müssen, weil die Summe aus Subvention und eigenem Einkommen der Pflegebedürftigen meistens unter dem erforderlichen Betrag bleiben dürfte. Die Gewerkschaften fürchten eine Aufweichung von erreichten Beschäftigungsstandards und ihrer Abwehrpolitik gegen Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern. Arbeitsrechtler weisen darauf hin, dass billige Sonderregelungen für Slowakinnen und Rumäninnen bei deren gleichzeitiger Fernhaltung vom freien Arbeitsmarkt eine Ausländerdiskriminierung darstellen und damit EU-widrig sind (Mappes-Niediek 2008). Die ersten Erfahrungen mit dem neuen Gesetz waren entsprechend enttäuschend: In einem guten halben Jahr haben nur etwa 1.300 Pflegerinnen einen Gewerbeschein beantragt. Der Grund für die schwache Resonanz wird in der Vermögensgrenze von 7.000 Euro gesehen, die die allermeisten Pflegebedürftigen überschreiten dürften ± eine Erhöhung wurde Anfang 2008 bereits diskutiert. Gegen die illegale Beschäftigung gab es vorerst 23 Zuschlag zum Pflegegeld Streit zwischen Sozialdemokraten und Konservativen Kompromiss lässt Fragen offen Legalisierung verläuft zunächst schleppend keine Sanktionen. Unklar ist, ob die öffentliche Meinung solche Sanktionen in der Zukunft möglich machen wird. Literatur und Links Hofmarcher, Maria M. »Making 24h care at home more accessible«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www. hpm.org/survey/at/a10/1. Arbeitskreis »Zukunft denken«. Pflege und Altenbetreuung. Abschlussbericht des Arbeitskreises. Oktober 2006. Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz (Hrsg.). Ausbau der Dienste und Einrichtungen für pflegebedürftige Menschen. Wien 2004. Hausbetreuungsgesetz. HBeG 2007. Nr. 78 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrats der XXIII. Sitzungsperiode. www.parlinkom.gv.at/pls/portal/ docs/page/PG/DE/XXIII/I/I_00078/fname_076411.pdf. Hofmarcher, Maria M. »Austria's new Home Care Law: An assessment in the context of long-term care policy«. OECD working paper (noch nicht erschienen). Mappes-Niediek, Norbert. »20-Stunden-Tag für 25 Euro«. Berliner Zeitung. 5. Februar 2008. OECD. »Long-term care of older people«. OECD Policy Brief. März 2005. 24 l de Wa n St ra te gi ep ap ier Ge se tzg eb un g Um se tzu ng Be we rtu ng otp Pil Ide e roj e kt Japan: Pflegestützpunkte als Pflichtleistung Mit einer Reihe von Maûnahmen hat Japans Regierung die Pflege von gebrechlichen älteren Menschen verbessert: Die Zuwendungen für Hauskrankenpflege wurden erhöht, der Zugang erleichtert und neu geschaffene Zentren für umfassende Versorgung sollen verschiedene Dienstleistungen zusammenführen. Mehr Rehabilitation soll es Gefährdeten erleichtern, ihre körperlichen, geistigen und gesellschaftlichen Funktionen länger zu erhalten. Wer in Japan einen Anspruch auf Pflegeleistungen geltend machen will, stellt einen Antrag bei der Kommune. Diese beauftragt den Hausarzt mit einem Gutachten und schickt einen Care Manager zum Antragsteller, der eine Einschätzung im Wohnumfeld vornimmt. Das Ergebnis ist die Zuteilung in eine von drei Hauptgruppen, die bis zur Reform wie folgt aussahen: ± Wer als »gefährdet« eingestuft war, erhielt öffentliche Unterstützung durch die Kommune, etwa Essen auf Rädern, jedoch keine Pflegeleistungen. ± In den Unterstützungsstufen eins bis drei wurde ein Pflegevermeidungsplan aufgestellt mit Maûnahmen wie Muskeltraining oder Ernährungsunterweisung ± Die Pflegestufen eins bis vier erhielten je nach Bedarf Pflegeleistungen, wobei zwischen häuslichen und stationären Leistungen gewählt werden konnte. Prinzipiell wurde dieses Stufensystem beibehalten. Doch die Ausgaben in der Pflegeversicherung sind in Japan in den letzten Jahren immens gestiegen, weil deutlich mehr Menschen als erwartet in Unterstützungs- und Pflegestufen eingeordnet wurden. 2005 wurde das System daher reformiert. Konzipiert wurden die Maûnahmen in den Jahren 2003 bis 2005, als die Regierung unter Ministerpräsident Junichiro Koizumi mit Gesundheitsreformen das Haushaltsdefizit abbauen 25 Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Das bisherige System: drei Leistungsstufen Das neue System fördert Aktivierung im Alter Pflegebedürftige werden »heruntergestuft« Pflegestützpunkte auf Japanisch wollte. Auch der Rahmen für Gesundheitsausgaben änderte sich: Mit der Politik der Dezentralisierung bekamen die Kommunen eine stärkere Steuerhoheit; gleichzeitig wurden durch Zusammenlegung gröûere kommunale Einheiten geschaffen. Inzwischen haben sich die verschiedenen Reformen zu einer Strategie verdichtet, mit der Menschen ein längeres Leben in Gesundheit ermöglicht werden soll. Angeregt wurde die Reform von zwei Gutachten ± einem auf der makroökonomischen und einem auf der konkreten Ebene der Gesundheitsförderung. Forscher hatten im Auftrag des Ministeriums für Gesundheit, Arbeit und Soziales dargelegt, dass aktive Alte ihre körperlichen und geistigen Funktionen länger erhalten als inaktive, und Inaktivität sogar als wesentlichen Risikofaktor für Behinderung und Pflegebedürftigkeit ausgemacht. Dies betraf vor allem Menschen, die in einer der niedrigeren der vier Pflegestufen eingeordnet wurden, prinzipiell aber noch zu körperlicher Aktivität fähig waren. Für sie waren nur noch die jeweils notwendige Pflege, aber keine Aktivierungsmaûnahmen mehr vorgesehen ± ihre körperlichen Fähigkeiten nahmen also häufig schnell ab. Die Experten empfahlen daher, einen Teil der Pflegebedürftigen auf die jeweils niedrigere Stufe »herunterzustufen«. So wurden beispielsweise 21,4 Prozent der Menschen aus der ersten Pflegestufe in die höchste Unterstützungsstufe »verschoben« ± was bei den Betroffenen zunächst einmal zu Protest führte. Gleichzeitig wurden bei den »Gefährdeten« und in den Unterstützungsstufen die Maûnahmen ausgebaut. »Gefährdete« erhalten in Zukunft Unterstützung durch ein »Community Support Program« der Kommunen. Diese bieten Angebote für ein aktives Alter an, organisieren Möglichkeiten für körperliches Training und fördern unterstützende Netzwerke im Wohnumfeld. Zudem sollen die Gemeinden die »Gefährdeten« regelmäûig auf erste Anzeichen von Gebrechlichkeit untersuchen, um bei Bedarf frühzeitig für eine Einstufung in die nächsthöhere Kategorie zu sorgen. Neue Koordinationszentren, die die Kommunen für je 6.000 Senioren einrichten, sollen die Leistungen verschiedener Träger aufeinander abstimmen. Haushaltshilfen für »Gefährdete« werden nicht mehr stundenweise, sondern monatlich abgerechnet, damit sie flexibler in Anspruch genommen werden können. 26 Für beide Gruppen soll eine neue Vergütungsstruktur den Leistungsanbietern Anreize für eine bessere Versorgung liefern. Körperliches Training, Verbesserung der Ernährung, Mundhygiene und Gruppenaktivitäten werden in Zukunft zusätzlich vergütet. Anbieter erhalten zudem eine leistungsbezogene Bezahlung: Wenn ein Unterstützungsbedürftiger aufgrund der Bemühungen in eine niedrigere Stufe eingeordnet werden kann, erhalten sie einen Bonus. Die neue Strategie wurde in Japan zunächst breit diskutiert. Die Positionen differierten zwischen begeisterter Zustimmung und strikter Ablehnung (siehe Abbildung 3). Abbildung 3: Positionen zur japanischen Pflegereform Positionen sehr unterstützend 1 2 kein Einfluss 4 3 sehr großer Einfluss 5 6 stark dagegen 1 Gesundheitsministerium, Regierungspartei 4 Sozialarbeiter, Medien 2 betroffene Leistungserbringer 5 Politische Opposition 3 Reha-Experten 6 Verband der Pflegekräfte Quelle: Matsuda 2007. 27 »Pay for Performance« für bessere Gesundheit Reformpläne zunächst umstritten Die intensive Debatte mündete in eine Entschlieûung im Oberhaus des japanischen Parlaments, die etliche Korrekturen der ursprünglichen Regierungspläne vorsah. So mahnten die Abgeordneten die Regierung, in jedem Falle dafür Sorge zu tragen, dass niemand das Recht auf bisher empfangene Leistungen verlöre. Das Finanzierungssystem solle flexibler gestaltet werden. Die Bedürfnisse der Betroffenen sollten genauer erhoben werden. Die Unterschiede in den regionalen Beitragssätzen sollen stärker eingeebnet werden. Schlieûlich sollten Zahnärzte einbezogen und die neu eingeführten Leistungen mit Aktionen zur Gesundheitsförderung verbunden werden. Im Juni 2005 wurde das veränderte Gesetz in der oben beschriebenen Form schlieûlich verabschiedet, im April 2006 trat es in Kraft. Literatur und Links Matsuda, Ryozo. »Improving functions of the frail elderly«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www.hpm.org/sur vey/jp/a10/1. Committee for Long-Term Care Insurance, Social Security Council. Review of the Long-Term Care Insurance and Its Future Directions. 2004. Ministry of Health, Labour and Welfare. Papers to the National Conference for Heads of Long-Term Care Insurance and Health and Welfare for the Aged Section. 2007. Rehabilitation for the Aged Research Group. Future direction of rehabilitation services for the aged. 2004. Research Group on Long-Term Care for the Aged. LongTerm Care for the Aged in 2015. 2003. 28 l de Wa n ert un g Be w Pil ot pr oj ek t Str ate gie pa pie r Ge set zge bu ng Um set zun g Ide e Israel: Pflegeleistungen werden ausgeschrieben Israels Regierung will beim Einkauf von Pflegeleistungen künftig mit Ausschreibungen vorgehen. Ein entsprechendes Pilotprojekt entwickelte sich aber zu einer Kraftprobe zwischen der Regierung auf der einen und den Betreibern von Pflegeheimen auf der anderen Seite. Hintergrund des Projekts ist die Privatisierung von Leistungen, die seit über einem Jahrzehnt anhält. Bis vor wenigen Jahren hat das israelische Gesundheitsministerium mehr als die Hälfte der Akut-, Psychiatrie- und Pflegebetten selbst betrieben. Jetzt verlangt die veränderte Angebotsstruktur von der Regierung, sich von der Rolle des Anbieters von Pflegeleistungen mehr und mehr auf die der bloûen Planung und der Aufsicht zurückzuziehen. Im Einzelnen will die Regierung mit der Einführung von Ausschreibungen, ± die Infrastruktur vereinheitlichen und die Qualifikation der Pflegenden heben; ± einen gemeinsamen Standard für alle Einrichtungen festlegen; ± die tägliche Vergütung für stationäre Langzeitpflege reduzieren ± Einrichtungen mit höherem als dem definierten Standard einen Bonus zahlen; ± Bedingungen für staatliche Akkreditierung öffentlich machen und so mehr Transparenz schaffen; ± Aufsicht und Kontrolle deutlich verstärken; und ± Einrichtungen, die die Mindeststandards nicht erfüllen, die Akkreditierung verweigern. Die Lizenzen für den Betrieb eines Pflegeheims vergibt in Israel das Gesundheitsministerium. In seine Verantwortung fallen auch die Aufsicht und der Einkauf von Pflegeleistungen von den Einrichtungen. Damit verfügt es über eine beherrschende Stellung auf dem Markt: Für sieben von zehn Bewohnern von Pflegehei29 Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Staat zieht sich aus Heimpflege zurück Das Ministerium zahlt, die Betreiber verdienen Ausschreibung soll Preiskonkurrenz schaffen Betreiber boykottieren das neue System Gegen Qualitätsstandards und mehr Transparenz men deckt das Ministerium je nach der wirtschaftlichen Situation der Pflegebedürftigen und der ihrer Kinder die Kosten ganz oder teilweise ab. Das soll sich nun ändern. Statt Pflegeplätze flächendeckend zu finanzieren, will das Ministerium künftig von den Pflegedienstleistern Angebote einholen. Über die Vergabe sollen Qualitätsparameter und Preis entscheiden. In einem Testlauf in einer mittelisraelischen Provinz im Jahr 2007 wurden mehr als 20 regionale Altenpflege-Einrichtungen eingeladen, sich an einer entsprechenden Ausschreibung zu beteiligen. Das Angebot sollte einen Tagessatz umfassen. Darüber hinaus sollten die Bieter Aussagen über die Ausstattung ihrer Heime treffen, ihren Personalschlüssel und das Ausbildungsniveau ihrer Mitarbeiter angeben und damit belegen, dass sie den Regierungsstandards genügen. Die etablierten Betreiber entschlossen sich, die Ausschreibung zu boykottieren, da die Tagesraten, die ihnen über die Ausschreibungen angeboten wurden, niedriger lagen als die bisherige Vergütung. Nur vier Angebote gingen ein. Zwei davon kamen von Betreibern, die nach ihren Leistungen in der Ernährung und in der Pflege als schwach eingestuft werden müssen. Immerhin boten die Bewerber aber so viele Betten an, wie ausgeschrieben wurden, sodass das Pilotprojekt seinen Lauf nehmen konnte. Trotzdem zieht der Boykott schwerwiegende Folgen nach sich. Bei den etablierten Betreibern, die nicht am Pilotprojekt teilnehmen, nimmt die Zahl der Betten ab ± sinkende Einnahmen könnten, so fürchten sie, zu sinkenden Standards führen. Die teilnehmenden Heime klagen ebenfalls: Ihre Vergütung sei so gering, dass sie zu Kosteneinsparungen in allen Bereichen gezwungen seien, beispielsweise durch Personalabbau. Pflegebedürftige, die auf staatliche Finanzhilfen angewiesen sind, haben weniger Wahlmöglichkeit: Sie müssen eines der vier teilnehmenden Pflegeheime wählen, auch wenn diese als qualitativ schlechter gelten als andere in der Region. Der Streit hat eine lange Vorgeschichte. Vor allem beim Finanzministerium stehen die Betreiber von Pflegeheimen schon seit geraumer Zeit im Verdacht, sich auf Staatskosten zu bereichern. Die Betreiber dagegen behaupten, sie gäben mehr aus, als sie einnähmen. Jahrelange Versuche des Finanz- und des Gesundheits30 ministers, den Verband der Pflegeheimbetreiber zur Formulierung von Qualitätsstandards, Vereinheitlichung in der Ausstattung, zu mehr Transparenz und zur Senkung der Tagessätze zu bewegen, sind gescheitert. Das einjährige Pilotprojekt war die Antwort. Aber auch in den Ministerien werden unterschiedliche Meinungen laut. Dem Finanzminister, der das Projekt besonders entschieden betreibt, wird die Sorge um die Qualität der Pflege naturgemäû nicht recht abgenommen. Im Gesundheitsministerium steht die Kritik im Vordergrund: Die Finanzexperten wollen ein stimmiges Einkaufssystem und halten nichts davon, Ausgabenstruktur und Qualitätsaspekte miteinander zu vermengen. Die Experten der einschlägigen Fachabteilung fürchten, dass die Häuser künftig weniger Mittel für Investitionen zur Verfügung haben und deshalb den besser zahlenden Privatpatienten kein attraktives Umfeld mehr anbieten könnten. So würden dann mit der Zeit zwei Klassen von Pflegeheimen entstehen: schlichte, die auf staatlich geförderte Klienten setzen, und gehobene für die besser gestellte Klientel. Als Resultat der Pilotphase wurden einige ¾nderungen am Programm vorgenommen. Im Januar 2008 begann die Implementierung auf nationaler Ebene. Literatur und Links Bentur, Netta. »Purchase of Institutional Nursing Beds by Tender«. Health Policy Monitor. September 2007. www. hpm.org/survey/is/a10/2. Bordet, D., und A. Weber. Government Pricing Center for the Purchase of Geriatric Hospitalization Services. 2006. Dekel, A. A Comparative Study on State Contractual Tenders for the Purchase of Welfare Services. Commissioned by the Ministry of Labor and Social Affairs. 2000. Intrator, Orna, und Vincent Mor. »Effect of state Medicaid reimbursement rates on hospitalizations from nursing homes«. Journal of the American Geriatrics Society (52) 2004. 393±398. 31 Zwei Klassen in der Pflege? Myers-JDC-Brookdale Institute. Proposal for the Follow-up and Monitoring of the Implementation of a Tender Program for Nursing Codes. 2007. State of Israel. Ministry of Finance and Ministry of Health. Public Tender for the Purchase of Geriatric Hospitalization Services. 2006. 32 Neue Versorgungsformen: Der Vormarsch geht weiter Zu den unerwünschten Nebenwirkungen, die mit zunehmender Marktorientierung und professioneller Ausdifferenzierung ins Gesundheitswesen eingezogen sind, gehören oftmals Unübersichtlichkeit und zunehmende Fragmentierung. Mehr Anbieter, mehr Angebote, mehr Wahlleistungen etc. ± selbst einem bewussten, gebildeten und interessierten Verbraucher fällt es schwer, sich auf dem Markt mit seinen stets hoch erklärungsbedürftigen Produkten zurechtzufinden. Noch viel mehr gilt das aber für die Hauptkunden des Gesundheitswesens: Menschen, meistens in der zweiten Lebenshälfte, denen es aus verschiedenen Gründen oft schwererfällt als anderen, Informationen zu sammeln, aufzunehmen und zu verarbeiten. Trotzdem wird im Gesundheitssystem regelmäûig mit der Fiktion argumentiert, ein rundum informierter Patient wähle aus eigenem Entschluss zwischen den vielen Angeboten aus und steuere seine Versorgung in letzter Instanz selbst. Fällt der Patient in seiner Steuerungsfunktion aber aus ± zum Beispiel aus denselben gesundheitlichen Gründen, die ihn erst ins System geführt haben ±, kann er die Vielfalt der Angebote nicht unbedingt nutzen. Reibungsverluste zwischen Anbietern, Orientierungslosigkeit, Schüchternheit oder einfach Vergesslichkeit der Patienten führen zu Doppelverschreibungen und Dreifachuntersuchungen, zum Facharzt-Hopping, zu verpassten Nach- und Vorsorgeterminen, zur Abgabe von Medikamenten, die dann gar nicht oder zugleich mit anderen, inkompatiblen eingenommen werden, und schlieûlich zu ambulanten Diensten, die einander die Klinke in die Hand geben und jeweils verschiedene Ratschläge auf Lager haben. Alles das verursacht Kosten in Milliardenhöhe, ohne zur Gesund33 Angebotsvielfalt nur bedingt segensreich Deutschland: Fragmentierung mindert Qualität Integrierte Versorgungsformen haben Konjunktur Je fragmentierter das System, desto wichtiger die Integration »One Stop Shop« für chronisch Kranke heit oder zum Wohlbefinden der Konsumenten nur das Geringste beizutragen. Auch in Deutschland beeinträchtigt die starke Fragmentierung des Gesundheitswesens die Qualität und die Kosteneffizienz. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat 2005 fehlende Koordination als Hauptgrund für die Qualitätsmängel in der deutschen Gesundheitsversorgung ausgemacht. Wie dringend das Problem ist, hängt nicht allein vom Entwicklungsstand des Gesundheitswesens ab, sondern auch von seiner Organisation: Ein Markt tendiert, anders als etwa ein hierarchisch aufgebautes staatliches Gesundheitssystem, von seiner Natur aus ± zumindest initial ± zur Unübersichtlichkeit. Jedes Marktsubjekt sucht sich eigene Kriterien, nach denen es anderen überlegen ist. Zwischen den Kriterien zu gewichten ist dann Sache des Verbrauchers. Um Fragmentierung und Unübersichtlichkeit zu begegnen, haben weltweit neue, integrierte Versorgungsformen Konjunktur (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 6, S. 39). Die Grundidee ist, dass jedes noch so unübersichtliche System durch eine klare, logische und damit leicht fassliche Navigation handhabbar gemacht werden kann. Der Patient muss sich dann nicht mehr selbst in die Tiefen des Systems begeben, sondern bekommt seinen Manager, der als Schnittstelle zwischen ihm und dem vielfältigen Angebot fungiert. Die meisten Integrationsmodelle gibt es dort, wo die Fragmentierung des Gesundheitswesen am gröûten ist: in den USA. Wo jeder Versuch, das System von oben nach unten vernünftig durchzustrukturieren wenig aussichtsreich, da praktisch nicht verkäuflich erscheint, verspricht kreatives Networking in überschaubaren Einheiten folglich den gröûten Erfolg. Ihren Ausgang genommen haben die neuen Versorgungsformen bei den sogenannten »Disease Management«-Programmen für chronisch Kranke, wie sie seit 2002 auch in Deutschland gesetzlich verankert sind (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 6, S. 43). Ohne solche Programme standen Chroniker vor einem labyrinthischen System, in dem sie sich nur nach einer langen Patientenkarriere überhaupt zurechtfinden konnten. Da sorgten die »Disease Management«-Programme für Abhilfe: Ein 34 Diabetiker etwa sollte nicht mehr selbst die vielen Wege zum Zuckertest, zum Angiologen, zum Augenarzt, zur Ernährungsberaterin koordinieren und aus den vielfältigen Untersuchungsergebnissen seine eigenen Schlüsse ziehen müssen. Er sollte vielmehr, ähnlich wie der Bürger bei einer modernen staatlichen Behörde, einen »One Stop Shop« vorfinden, in dem er erfährt, was er alles braucht, und wo er alles das auch gleich bekommt. Für die Aufnahme in ein »Disease Management«-Programm ist allerdings eine einschlägige Diagnose Voraussetzung. Darin liegt auch die Schwäche der Programme: Im »One Stop Shop« für Zuckerkranke mag man zwar alles bekommen, was entfernt mit dem Diabetes zu tun hat. Doch neuere epidemiologische Erkenntnisse zeigen, dass das Zusammentreffen mehrerer chronischer Erkrankungen nicht die Ausnahme, sondern die Regel in der Chronikerversorgung ist. Teils bedingen sich die Komorbiditäten gegenseitig, teils sind sie häufig miteinander assoziiert. Hier stoûen indikationsbezogene Ansätze an ihre Grenzen (Schlette et al. 2005: 12). Die Schlussfolgerung daraus war: Sinnvoller als um eine Diagnosegruppe lassen sich Management-Programme um Bevölkerungsgruppen herum zentrieren. Vor allem ältere Menschen mit eventuell mehreren chronischen Erkrankungen brauchen oft ein umfassendes Management, das sich auf Gesundheitsprobleme gleich welcher Art bezieht und auch soziale Folgen und Ursachen miteinbezieht. Eine zentrale Herausforderung bei der Verbesserung der medizinischen Versorgung ist es daher, indikationsspezifische Konzepte zu systemischen und bevölkerungsbezogenen Ansätzen weiterzuentwickeln (Schlette et al. 2005: 12). Der Patient im Mittelpunkt ± das ist der Grundgedanke des sogenannten »Chronic Care«-Modells (siehe Abbildung 4), wie es 1996 von dem Versorgungsforscher Ed Wagner, Leiter des MacColl Institute for Healthcare Innovation in Seattle, entwickelt wurde und von Kaiser Permanente, dem gröûten Anbieter integrierter Gesundheitsversorgung in den USA, seit Jahren erfolgreich angewandt wird (siehe den Bericht aus den USA, S. 42). Das »Chronic Care«-Modell betrachtet ¾rzte, Praxisteam und Patienten als Partner und umfasst die Unterstützung des Selbstmanagements. Es optimiert die Organisation der medizinischen Versorgung und bindet das gesamte System, Leistungserbringer, soziale Dienste 35 Von indikationszu populationsorientierten Ansätzen »Chronic Care«Modell: Patient statt Diagnose im Mittelpunkt Abbildung 4: »Chronic Care«-Modell ± ein innovatives Konzept zur umfassenden Versorgung für chronisch Erkrankte Gesundheitssystem Gemeinwesen Organisationen in der Gesundheitsversorgung Ressourcen, Entscheidungs- klinische Entscheidungs- Unterstützung Gestaltung des Selbstder Leistungs- unterstützung Informationsstrukturen systeme und -prozesse managements erbringung informierter aktivierter Patient produktive Interaktionen vorbereitetes »pro-aktives« Versorgungs-/ Praxisteam verbesserte Ergebnisse Übersetzung: Gensichen, Knieps, Schlette 2006. Quelle: Wagner, MacColl Institute for Healthcare Innovation, 1996. Erläuterungen · Unterstützung des Selbstmanagements: Hilfen für regelmäûiges Selbstbeobachten klinischer Ergebnisse und für sicheren Umgang mit ihren Konsequenzen. · Gestaltung der Leistungserbringung: Neukonzipierung der Versorgungsabläufe, effektive Aufgabenteilung innerhalb des Versorgungs-/Praxisteams sowie z. B. · Chroniker-Sprechstunde · regelmäûiges, nachgehendes »follow-up« durch »Case Management« · »stepped care«: Ausrichtung der horizontalen wie vertikalen Kooperation auf Versorgungsbedarf des Patienten. · Entscheidungsunterstützung: z. B. evidenzbasierte Leitlinien für ¾rzte, Entscheidungshilfen für Patienten, bessere Abstimmung mit Fachspezialisten. · Klinische Informationssysteme: vom einfachen Patientenregister aller Patienten mit chronischen Erkrankungen bis zu individuellen Patientenpässen, Therapieplänen oder Reminder-Systemen. · Vorbereitetes, »pro-aktives« Versorgungs-/Praxisteam: besonders qualifiziert, mit Anforderungen der Behandlung chronischer Erkrankungen vertraut. Systematisches und regelmäûiges Erfassen der Behandlungsergebnisse, vorausschauende Planung im Behandlungsalltag. Gilt für Praxen in der ambulanten Versorgung und für gesundheitliche Einrichtungen anderer Ebenen, z. B. Rehabilitation. 36 sowie das Wohnumfeld des Patienten mit ein. Für ¾rzte stellt es Entscheidungshilfen bereit und unterstützt die Praxisabläufe durch klinische Informationssysteme (Schlette et al. 2005: 33 ff.). Noch einen Schritt weiter geht die Idee des sogenannten »Advanced Medical Home«: Sie führt das ursprünglich für chronisch Kranke entwickelte Modell in die Regelversorgung ein und strukturiert die Arbeitsweise der Praxen generell um. In dem Modell steckt nach Ansicht von Experten ein riesiges Potenzial: Es wächst mit der Zahl der alten Menschen ebenso wie mit den Möglichkeiten der Informationsverarbeitung (American Academy of Family Physicians 2007). Spätestens mit der Einführung des »Advanced Medical Home« sind neue Versorgungsformen nicht mehr bloû eine brauchbare Navigation, sondern dringen selbst tief ins System ein. Während einfachere Modelle die verschiedenen Dienstleister im Gesundheitswesen nur besser koordinieren, verändern die neueren Modelle schon die Struktur des Versorgungssystems. Ein einfaches Beispiel dafür ist die Entwicklung beim Krankenversicherer Maccabi in Israel, der die bisherigen Einzelpraxen jetzt zu kleinen Gesundheitsstationen mit einer ärztlich-pflegerischen Doppelspitze ausbaut (siehe den Bericht aus Israel, S. 39). In Deutschland steht einem Modell, wie es in Israel in nur drei Jahren beinahe flächendeckend eingeführt wurde, unter anderem eine rigide Standesgesetzgebung im Wege. Neue Strukturen im Gesundheitswesen kommen auch den ¾rzten entgegen, deren Organisationen sich etwa in den USA vehement für das »Advanced Medical Home« stark machen (siehe den Bericht aus den USA, S. 42). Immer mehr ¾rzte sind mit dem System der Einzelpraxis, das ihre Standesvertretungen über lange Zeit verteidigt haben, unzufrieden. Sie suchen einerseits für sich selbst mehr professionellen Austausch und eine bessere Abstimmung mit Kollegen und Angehörigen anderer Gesundheitsberufe. Auf der anderen Seite erleben sie, wie ihre therapeutischen Bemühungen bei ihren Patienten ins Leere laufen und von immer neuen, anderen Impulsen konterkariert werden. Entsprechend ziehen immer mehr ¾rzte die Arbeit in einem festen Zusammenhang dem traditionellen Einzelkämpfertum vor. Das Hauptproblem bei der Durchsetzung der neuen Versorgungsformen ist überall die Vergütung. Traditionell bezahlen die 37 Medical Home: Integration wird Regelversorgung Israel: Gesundheitsstationen mit »Doppelspitze« Vergütung muss Koordination belohnen Kostenträger ± Krankenkassen, Privatleute oder der Staat ± ¾rzte und andere Anbieter für definierte Einzelleistungen; für die dauerhafte und umfassende Betreuung angemeldeter Patienten durch eine Gruppe oder eine Firma gibt es noch kein überzeugendes Modell. In Katalonien experimentiert die Provinzregierung mit einer pauschalen Vergütung für die Verantwortung, die eine Einrichtung für einen bestimmten Teil der Bevölkerung übernimmt (siehe den Bericht aus Spanien, S. 46). Literatur und Links American Academy of Family Physicians, American Academy of Pediatrics, American College for Physicians, American Osteopathic Association. Joint Principles of the Patient-Centered Medical Home. Februar 2007. www.pcpcc.net/node/14. Mappes-Niediek, Norbert, und Kerstin Blum. »Von medizinischem Zuhause bis Rent-A-Doctor: neue Versorgungsformen weltweit«. Gesundheitsmonitor ± Newsletter der Bertelsmann Stiftung. Ausgabe 2/2007. Mappes-Niediek, Norbert und Kerstin Blum. »Primärversorgung weltweit im Wandel.« Gesundheitsmonitor ± Newsletter der Bertelsmann Stiftung. Ausgabe 1/2008. Schlette, Sophia, Franz Knieps und Volker Amelung (Hg.). Versorgungsmanagement für chronisch Kranke: Lösungsansätze aus den USA und aus Deutschland. Bonn 2005. 38 l de Wa n ert un g Be w se tzu ng ng Um bu tzg e pie Ge se pa gie Str ate otp Pil Ide e roj e kt r Israel: Ein Duo ersetzt den allein praktizierenden Arzt Maccabi, die zweitgröûte Krankenkasse Israels, revolutioniert ihr System der Primärversorgung: An die Stelle der hergebrachten Einzelpraxen soll ein Duo aus einem Arzt und einer Krankenpflegekraft treten. Die Zweiergruppen sollen nach dem Vorbild von Einheiten für die Versorgung chronisch Kranker arbeiten und auûer für die Primärversorgung auch für aktive Prävention, Lebensstilberatung und dauerhafte Betreuung von Patienten zuständig sein. Ziel ist eine Steigerung der Versorgungsqualität und eine stärkere Patientenorientierung der Versorgung. In 50 ambulanten Gesundheitsstationen ist das neue Modell bereits umgesetzt worden. Bei der Krankenkasse Maccabi ± benannt nach Judas Makkabäus, einem jüdischen Freiheitskämpfer des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts ± sind 25 Prozent der israelischen Bevölkerung versichert. Die Versicherung ist, wie im israelischen System üblich, zugleich ein groûer Anbieter von Gesundheitsleistungen und unterhält eine reiche gemeindebasierte Infrastruktur aus Kliniken und Polikliniken. Bisher organisierte Maccabi seine Primärversorgung wie in Deutschland mit allein praktizierenden niedergelassenen ¾rzten, zu denen man ging, wenn man sich krank fühlte. Prävention und Gesundheitsförderung fanden nur sporadisch statt und wurden auch gar nicht immer als eigentliche Aufgabe einer Praxis verstanden. Das neue Modell beruht auf fünf Prinzipien: ± Träger der Versorgung ist ein multidisziplinäres Team mit einem Arzt und einer Pflegekraft an der Spitze. Angeschlossen sind auch Angehörige anderer Gesundheitsberufe. ± Das Team übernimmt die Verantwortung für eine bestimmte Anzahl von Versicherten. Sie laden ihre Klientel von sich aus zu Maûnahmen der Gesundheitsförderung und Vorbeugung 39 Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Primärversorgung bisher in Einzelpraxen ein und betreuen chronisch Kranke dauerhaft. Dabei arbeiten sie mit der Pflegekraft zusammen, der die Aufgabe zukommt, die Versorgung zu koordinieren. ± Das dauerhaft etablierte Verhältnis von Arzt und Patient wird für umfassendes Gesundheitsmanagement genutzt. Es schlieût Lebensstilberatung ebenso ein wie periodische Tests für chronisch Kranke oder die Diagnose von emotionalem Stress. Zum umfassenden Gesundheitsmanagement gehören auch vorbereitete, längere Konsultationen, die der Nachsorge und Gesundheitserhaltung dienen. ± Die Teams bieten eine einzige gemeinsame Adresse für alle Routineuntersuchungen. ± Die Versorgung orientiert sich am Patienten und bezieht die Werte und Wünsche des Patienten in die klinischen Entscheidungen mit ein. Ziel ist, den Patienten selbst Mittel an die Hand zu geben, wie sie mit chronischen Krankheiten umgehen und dauerhaft die Erhaltung ihrer Gesundheit organisieren. ¾rzte profitieren von der Arbeit im Team Erfolg der neuen Stationen wird am Patienten getestet Maccabi bietet den ¾rzten verschiedene Anreize, auf das neue System umzusteigen. So erhalten sie Unterstützung in ihren Bemühungen, die Gesundheit ihrer Patienten zu verbessern und Fortschritte anhand von 25 Prüfparametern messen zu lassen. Zugleich werden sie von Verwaltungs- und Dokumentationspflichten entlastet und können sich mehr auf ihre klinischen Aufgaben konzentrieren. Schlieûlich bekommen sie finanzielle Mittel, um eine speziell ausgebildete Pflegekraft einzustellen, die sie bei der Chronikerversorgung unterstützt. Die Prüfparameter für die neuen Einheiten beziehen sich auf Gesundheitsförderung und Früherkennung von Brust- und Dickdarmkrebs ± durch Tests auf okkultes Blut und Koloskopie ± sowie die Dokumentation von Risikofaktoren für Herz- und Gefäûerkrankungen, darunter Blutfettwerte, Body-Mass-Index und Blutdruck. Erhoben werden auûerdem die Werte von chronisch Kranken: bei Diabetikern der Hämoglobinwert, das LDL-Cholesterin und die Ergebnisse von Augennetzhautuntersuchungen, bei Herzkranken die Medikation nach Herzmuskelinfarkt sowie bei Depressiven die Diagnose und Therapie. Eine Erprobungsphase hat das neue Modell schon bei Clalit, der anderen groûen Krankenkasse Israels, und im Ausland durch40 laufen, besonders in den USA. Die Umorientierung bei Maccabi geht auf das Jahr 2004 zurück. Treibende Kraft war die Abteilung für Qualitätsmanagement. Schon 2005 wurde die Reform unter dem Schlagwort »persönlicher Arzt« in elf Praxen, gelegen in allen fünf Regionen, getestet. Nach anfänglicher Skepsis sind nun sowohl die Zentrale als auch die meisten regionalen Untergliederungen von Maccabi von dem neuen Modell überzeugt und haben es in ihre Arbeitspläne aufgenommen. Die meisten Patienten haben die Umstrukturierung bisher kaum bemerkt. Das dürfte sich erst ändern, wenn eine Reihe Konsultationen stattgefunden haben. Voraussetzungen für die Einführung waren zunächst Schulungsmaûnahmen. Pflegekräfte mussten in ihre neue Rolle als Koordinatoren der Versorgung eingeführt werden und eine Informationsstruktur musste bereitstehen, eventuelle Fragen zu beantworten. Dann musste sichergestellt sein, dass die Parameter zur Messung des klinischen Erfolges auch ausgewertet wurden. Gelder mussten vorhanden sein, damit die ¾rzte eine Pflegekraft einstellen konnten. Schlieûlich wurden einzelne Gesundheitsfachkräfte gezielt zu »Qualitätsvorbildern« gemacht: Sie erhielten spezielle Unterweisung in Qualitätsverbesserung und wurden angeleitet, ihre Erfahrungen auch in ihrer ärztlichen oder pflegerischen Kollegenschaft zu verbreiten. Einige Mitglieder der Gewerkschaft selbstständiger ¾rzte, die für Maccabi tätig sind, waren zunächst skeptisch bis ablehnend. Die Gewerkschaft wurde aber von Anfang an einbezogen und akzeptiert das neue Modell heute de facto. Die Gewerkschaft der Krankenschwestern dagegen erkannte die Umorganisation als Chance für die Aufwertung ihres Berufsstands und leistete aktive Unterstützung bei der Einführung. Literatur und Links Wilf-Miron, Rachel, Ehud Kokia und Revital Gross. »Redesigning primary care services in Maccabi«. Health Policy Monitor. September 2007. www.hpm.org/survey/is/a10/ 3. 41 Neue Rolle für Pflegekräfte ¾rztegewerkschaft von Skepsis zu stiller Akzeptanz Bodenheimer, Thomas, Edward H. Wagner und Kevin Grumbach. »Improving primary care for patients with chronic illness. The chronic care model.« Journal of the American Medical Association (288) 2002. 1775±1779. Bodenheimer, Thomas, Edward H. Wagner und Kevin Grumbach. »Improving primary care for patients with chronic illness. The chronic care model, part 2«. Journal of the American Medical Association (288) 2002. 1909±1914. Wang, Margaret C., Jenny K. Hyun, Michael I. Harrison, Stephen M. Shortell und Irene Fraser. »Redesigning health systems for quality: Lessons from emerging practices«. Joint Commission Journal of Quality and Patient Safety (32) 11 2006. 599±611. Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Drei Viertel der Patienten erhalten, was sie brauchen Wa n de l ng rtu we Be se tzu ng ng Um bu iep zge set Ge eg ra t St ot Pil Id ee pr oj ek t ap ier USA: Das »medizinische Zuhause« wird Wirklichkeit Das »medizinische Zuhause«, jüngstes Produkt der Versorgungsforschung in den USA, ist dabei, Wirklichkeit zu werden. Das Konzept sieht enge, technisch unterstützte Zusammenarbeit zwischen Arztpraxis, Hauskrankenpflege, Sozialarbeit und Apotheke vor, basierend auf zentralen Leitlinien und auf evidenzbasierter Medizin. Obwohl das Konzept zunächst vor allem für Kinder gedacht war, werden besonders ältere Menschen profitieren, die immer häufiger unter mehreren chronischen Erkrankungen leiden und mit der Steuerung der vielen Hilfsangebote überfordert sind. Auch Kinder bleiben jedoch eine wichtige Zielgruppe. Nach einer Studie des Kinderärzte-Verbandes von 2003 erhalten Kinder und Jugendliche im traditionellen System nur die Hälfte der Leistungen, auf die sie in dem neuen System rechnen könnten. Bei 42 Erwachsenen sehen die Zahlen ähnlich aus: 2006 fand der Commonwealth Fund heraus, dass im »medizinischen Zuhause« 74 Prozent ihren Bedürfnissen entsprechend betreut werden, im herkömmlichen System dagegen nur 38 Prozent. Erste Pilotprojekte haben gute Ergebnisse hervorgebracht: Die Zahl der Krankenhauseinweisungen und besonders der Notaufnahmen ging zurück, ebenso die Zahl der Fehltage, die chronisch Kranke einlegen mussten. Entsprechend steigt der Druck zur Umsetzung des Modells. Besonders stark machen sich für das neue System Kinderärzte und Geriater, weil Kinder und alte Leute am stärksten davon profitieren würden. Aus der Pädiatrie stammt auch die Idee: Der Begriff »medizinisches Zuhause« (Medical Home) kam dort schon 1967 auf. Die US-Kinderärzte-Akademie (AAP) gründete Lerngruppen für Beschäftigte in den Agenturen der Bundesstaaten für Kinder mit besonderen Bedürfnissen, die in das neue System einführen sollen. Jede Agentur wählte drei Gruppenpraxen zur Mitarbeit aus. Die Akademie für Hausärzte rief das Programm »TransforMED« ins Leben, mit dem unionsweit 36 Gruppenpraxen auf das »medizinische Zuhause« umsteigen sollen. Aber auch die ¾rzteschaft in den USA unterstützt die neue Versorgungsform. Nach einem Vorschlag des American College of Physicians sollen ¾rztegruppen ein Zertifikat bekommen, wenn sie erfahrungsgestützte Richtlinien nutzen, das »Chronic Care«Modell anwenden, mit Patienten und deren Familien übergreifende Versorgungspläne erstellen, den Zugang zu ihren Praxen erleichtern, Qualitätsindikatoren verwenden, Informationstechnologie nutzen und ihren Mitarbeitern fachliche Rückmeldungen geben. Der Bundesstaat North Carolina schlieûlich zahlt ¾rzten, die das »Zuhause« einführen, einen Bonus. Der Ostküstenstaat hat mit integrierten Systemen gute Erfahrungen gemacht: Zwischen 2002 und 2004 sparten die acht Millionen Einwohner über 60 Millionen Dollar durch Fallmanagement für chronisch Kranke. Haupthindernis für eine flächendeckende Umsetzung des »medizinischen Zuhauses« ist das System der Kostenerstattung. Versicherer vergüten ¾rzten in der Regel nur Einzelleistungen. Wenn ¾rzte für ihre Arbeit ihrerseits auf andere Dienstleister zurückgrei43 Das medizinische Zuhause kommt aus der Pädiatrie North Carolina zahlt den Neuerern einen Bonus Haupthindernis: Einzelleistungsvergütung Drei Jahre Erprobung bei Medicare IT verbessert »compliance« Vorbild: Das »Chronic Care«-Modell fen, bleibt das im Erstattungssystem unberücksichtigt. Ein Demonstrationsprojekt von Medicare, dem staatlichen Versicherungsprogramm für über 65-Jährige, soll deshalb neben neuen Versorgungs- auch neue Vergütungsformen erproben. Die Initiativen zur Einführung des »medizinischen Zuhauses« fallen in eine Testphase. Drei Jahre lang sollen Allgemeinärzte in acht Bundesstaaten für ihre chronisch kranken Patienten jenseits der 65 das neue Modell erproben. Grundlage ist ein Konzept für die völlige Umgestaltung der Primärversorgung, wie es das American College of Physicians entwickelt hat. Danach sollen Arztpraxen eine umfassende patientenorientierte Versorgung anbieten und sich zu diesem Zweck einem offiziellen Anerkennungsverfahren unterwerfen. Patient und Versorgungsteam arbeiten nach dem Modell dauerhaft zusammen. Das »medizinische Zuhause« sticht aus den vielfältigen neuen Versorgungsformen vor allem dadurch heraus, dass es stark mit moderner Informationstechnologie unterlegt ist. Körpergewicht, Blutdruck, Laborwerte eines einbezogenen Patienten werden automatisch erfasst und in einem Computersystem mit Besuchen beim Arzt, beim Physiotherapeuten und in der Apotheke zusammengeführt. Eine ins Pillendöschen eingearbeitete Waage ermöglicht sogar die Kontrolle darüber, ob die verschriebenen Medikamente auch wirklich eingenommen wurden. Darüber hinaus sind die Teilnehmer mit einem Versorgungsteam vernetzt, zu dem Sozialarbeiter ebenso gehören können wie etwa Ernährungsberater, Physiotherapeuten oder Apotheker. Hausarzt und Versorgungsteam verstehen sich als Lotsen, die den Patienten durch die Versorgungslandschaft dirigieren. Solange er dazu selbst in der Lage ist, soll der Patient eigene Entscheidungen treffen und dafür verständliche Informationen an die Hand bekommen. Ausgangspunkt für die Idee des »medizinischen Zuhauses« ist das sogenannte »Chronic Care«-Modell des Arztes und Versorgungsforschers Ed Wagner (siehe Abbildung 4, S. 36), wie es der kalifornische »Managed Care«-Plan Kaiser Permanente seit Jahren erfolgreich anwendet. Es umschlieût Hilfen für chronisch Kranke beim Selbstmanagement ebenso wie Neuerungen in der Versorgung: besondere Sprechstunden, neue Formen der Kooperation, viel klinische Information und ein gut vorbereitetes, pro-aktives 44 Versorgungsteam. Ausgangspunkt ist der Patient mit seinen besonderen Bedürfnissen, nicht irgendeine vorhandene Versorgungsstruktur. Ambulant geht vor stationär; letztlich entscheidet, was der Patient will. Auch vor den Grenzen des Gesundheitswesens macht das Modell nicht halt, sondern greift ein ins Wohnumfeld und in den Sozialsektor. Während die »Disease Management«-Programme (DMP) etwa für Diabetiker oder Herzpatienten von bestimmten Krankheiten ausgehen, stellt Ed Wagners »Chronic Care«-Modell zum ersten Mal radikal den einzelnen Patienten mit seinen individuellen Bedürfnissen in den Mittelpunkt. Die Idee vom »medizinischen Zuhause« geht noch einen Schritt weiter, führt das ursprünglich für chronisch Kranke entwickelte Modell in die Regelversorgung ein. Literatur und Links Petigara, Tanaz, und Gerard Anderson. »Strategies to Implement Medical Homes¬ in the US«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www.hpm.org/survey/us/a10/5. American Academy of Family Physician News Now (AAFP NN). »36 Practices Selected: AAFP's TransforMED Launches Project to Prove Innovative Model of Care«. www.aafp.org/online/en/home/publications/news/newsnow/practice-management/20060405transformed.html. American Academy of Family Physicians, American Academy of Pediatrics, American College of Physicians, and American Osteopathic Association. Joint Principles of the Patient-Centered Medical Home. Februar 2007. www.pcp cc.net/node/14. Barr, Michael, und Jack Ginsburg. »For the Health and Policy Committee of the American College of Physicians«. The Advanced Medical Home: A Patient-Centered, Physician-Guided Model of Health Care. Januar 2006. Beal, Anne C., Michelle M. Doty, Susan E. Hernandez, Katherine K. Shea und Karen Davis. Closing the Divide: How Medical Homes Promote Equity in Health Care. The Commonwealth Fund, Juli 2007. 45 Centers for Medicare and Medicaid Services. Details for Medicare Medical Home Demonstration Project. Demonstration Projects and Evaluation Reports. 2007. Starfield, Barbara, und Leiyu Shi. »The medical home, access to care, and insurance: a review of evidence«. Pediatrics (113) 5 2004. 1493±1498. Strickland, Bonnie, Merle McPherson, Gloria Weissman, Peter Van Dyck, Zhihuan Huang und Paul Newacheck. »Access to the Medical Home: Results of the National Survey of Children With Special Health Care Needs«. Pediatrics (113) 5 2004. 1485±1492. Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Untersuchung soll Schwächen ausbügeln de l Wa n we r tu ng ng Be tzu ng Um se set zge bu ap Ge iep teg Str a otp r Pil Ide e oje kt ier Spanien: Neue Versorgungsmodelle werden verglichen und evaluiert Auch in Spanien, besonders in der autonomen Region Katalonien, sind in den letzten Jahren zahlreiche Modelle zu einer integrierten Versorgung entstanden, bei denen ¾rzte und Angehörige anderer Gesundheits- und Sozialberufe organisiert zusammenarbeiten (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 1, S. 38). Hervorgebracht wurden die Modelle meist von Problemen in der Praxis, und entsprechend den unterschiedlichen Problemen und der jeweiligen rechtlichen und wirtschaftlichen Ausgangslage entwickelten sie sich sehr verschieden. Die neuen Versorgungsformen in Katalonien werden seit 2006 wissenschaftlich verglichen und evaluiert. Einen entsprechenden Auftrag hat die staatliche katalanische Krankenhausgesellschaft einem »Dienst für Studium und Perspektiven der Gesundheit« (Servicio de Estudios y Prospectivas de Salud, SEPPS) erteilt. Das Ziel war, gute Erfahrungen nutzbar zu machen und Schwachpunkte auszubügeln. 46 Im Einzelnen sollten die verschiedenen Modelle zunächst ausführlich und Fall für Fall beschrieben werden. In einem zweiten Schritt wurden dann die Erfahrungen der integrierten Einrichtungen sowie die wirtschaftlichen und gesundheitlichen Ergebnisse analysiert. Dann ging es um die Auswirkungen der Modelle auf das katalanische Gesundheitswesen. Schlieûlich wird die Untersuchung auch praktisch: Gute Erfahrungen werden nicht nur erforscht, sondern auch verbreitet. Weiteres Ziel war die Suche nach anderen Feldern der Effizienzsteigerung und nach Möglichkeiten, neue Initiativen zu entwickeln. Vereinheitlichung ist nicht unbedingt der Sinn der Erfassung. Was dem systematischen Blick als planlos erscheint, lässt sich mit gleichem Recht als Innovationsfreudigkeit beschreiben. Gemeinsam ist den unterschiedlichen Modellen immerhin, dass sie effizienter sind und von den Nutzern als besser empfunden werden als die herkömmliche Praxis. Weil sie so ungeplant entstanden sind, weisen die integrierten Modelle schon auf den ersten Blick eine ganze Reihe von Unterschieden auf. Auffällig ist der Grad der Integration und Vernetzung, der erheblich differieren kann. Am auffälligsten aber ist der Unterschied in der Form der Zusammenarbeit: Angehörige verschiedener Gesundheitsberufe können etwa räumlich ± Tür an Tür und Schreibtisch an Schreibtisch ± zusammenarbeiten und zum Beispiel Angestellte desselben Arbeitgebers sein. Sie können aber auch verschiedenen Institutionen angehören oder aber selbstständig sein und bloû virtuell, über Telefon und E-Mail, in Verbindung miteinander stehen. Weitere Unterschiede lassen sich in der Rechts- und Eigentumsform finden. Neben privaten und öffentlichen Einrichtungen kommen auch gemischte Modelle vor. Unterscheiden lassen sich die Organisationen zudem nach der Bevölkerungsgruppe, an die sie sich wenden. Dass die neuen Formen eine groûe Zukunft haben, steht auûer Frage. Erforderlich wurden die Neuerungen allesamt in Anbetracht der wachsenden Zahl chronisch kranker Patienten und von Problemen wie Komorbidität und Abhängigkeit von Hilfe. Alle diese Herausforderungen werden in den nächsten Jahren weiter zunehmen. 47 Good Practices werden verbreitet Planlosigkeit gilt nicht unbedingt als Nachteil Unterschiede im Grad der Integration, . . . . . . in Rechts- und Eigentumsform und bei Zielgruppe Kooperation mit staatlichem Gesundheitssystem Neue Modelle vermeiden unnötige Kosten In Katalonien sind seit den frühen 90er Jahren 18 Einheiten entstanden, die eine mehr oder weniger tief gehende, vernetzte Gesundheitsversorgung betreiben. Sie sind nicht direkt Teil des staatlichen Gesundheitssystems, kooperieren aber alle auf unterschiedliche Weise mit ihm. Den Anstoû gaben ursprünglich weniger Vorstellungen von integrierter Versorgung als vielmehr Impulse zur Kostendämpfung. Aus den ersten Anstöûen hat sich rasch eine eigene Dynamik entwickelt. Ohne Impulse von oben entstanden auf lokaler Ebene Assistenzdienste für auf Hilfe Angewiesene und »Public Health«Initiativen. Zusätzlich schrieb die katalonische Regierung Pilotprojekte aus und kaufte in fünf verschiedenen geografischen Gebieten integrierte Dienste ein. Insgesamt aber war die Rolle des Staates bei der Entwicklung der neuen Modelle eher schwach. Vorangebracht haben die Idee vor allem ± und zwar aus wirtschaftlichen Impulsen ± die Krankenhausmanager und die auf Sparpotenziale geeichten Gemeindeverwaltungen. Seit Neuestem haben allerdings die neuen Versorgungsformen für die Politik »hohe Priorität«. Unter dem Strich kommt die Studie zu einem positiven Ergebnis. Die Integration verschiedener Versorgungsformen, wie sie in den untersuchten Organisationen stattfindet, führt zu einem Gewinn an Effizienz, Koordination und Kontrolle, zu einer Verringerung von Transaktionskosten und einer Abnahme von überflüssigen Dienstleistungen. Alle diese Effekte könnten aber noch weit gröûer sein, so die Studie. Der Grund ist, dass die Organisationen zwar stark auf interne Integration gepolt sind, aber nicht reibungslos mit anderen Systemen kooperieren. Verstärken sollen sich auch die wirtschaftlichen und organisatorischen Anreize, auf neue Versorgungsformen umzusteigen. Ein klassisches Beispiel dafür sind Vergütungsformen, die sich nicht an der Zahl der Patienten, sondern an der allgemeinen Bevölkerungszahl ausrichten, und Messungen des klinischen Erfolgs. Positiv hervorgehoben wird das Experiment der Regionalregierung, die in einer Versuchsphase drei der neuen Dienste nicht nach der Fall-, sondern nach der Bevölkerungszahl entschädigt hat. Ein Beispiel für eine neue Versorgungseinrichtung ist das Gesundheitszentrum der Kleinstadt Castelldefels bei Barcelona. 48 Untypisch ist das Beispiel, weil es als einziges direkte staatliche Finanzierung und privatrechtliche Organisation zusammenführt. In seiner Neuheit und Ausgefallenheit ist es damit allerdings schon wieder typisch. Kataloniens Regierung wollte die Vorteile privatwirtschaftlicher und öffentlicher Gesundheitszentren verbinden. Zu diesem Zweck wurde in der Kleinstadt das Pilotprojekt eines privat wirtschaftenden, aber staatlich finanzierten Konsortiums ins Leben gerufen und auf den Namen »Consorci Castelldefels de Salut d'Atenció Primària« (CASAP) getauft. Anderswo in Katalonien obliegt die Primärversorgung in der Regel den Zentren des »Katalanischen Gesundheitsinstituts«. Diese Zentren wirtschaften mit öffentlichen Mitteln nach den Regeln der öffentlichen Verwaltung. Daneben existieren »assoziierte Basiseinheiten«, sogenannte ABEs ± private Firmen, die nach dem Vorbild britischer »fundholdings« von mehreren frei praktizierenden ¾rzten getragen werden und zu denen sich auch die meisten Organisationen der integrierten Versorgung zählen. Um diese ABEs hatte es politischen Streit gegeben: Von der früheren konservativen Regionalregierung gefördert, um das Management der Primärversorgungszentren zu professionalisieren, galten sie der sozialistischen Administration, die 2003 ins Amt gewählt wurde, als Vorreiter einer Privatisierung des Gesundheitswesens. Öffentlich-private Mischformen wie jetzt in Castelldefels kannte man bisher nur im Krankenhauswesen. 2005 erhielt der Küstenort am südlichen Stadtrand von Barcelona als erste Gemeinde in Spanien für seine 24.000 Einwohner ein öffentliches und zugleich autonom wirtschaftendes »CASAP«. Das Konsortium richtete der Stadt neben dem bestehenden Gesundheitszentrum, das aus allen Nähten platzte, ein modernes, hochwertig ausgestattetes Primärversorgungszentrum neuen Typs ein. Zusätzlich zu den üblichen Versorgungsleistungen übernimmt das Zentrum auch so unterschiedliche neue Aufgaben wie Ernährungsberatung, Tageschirurgie, Kampf gegen Nikotinsucht ± und erschlieût damit neue Einnahmequellen, indem es den wohlhabenden Bewohnern von Castelldefels attraktive Angebote macht und die Fahrt nach Barcelona erspart. Träger des Konsortiums sind zu 70 Prozent das Katalanische Gesundheitsinstitut und zu 30 Prozent die Gemeinde. Das CASAP-Management 49 Pilotsystem in Castelldefels, Katalonien Staatlich-private Mischform CASAP ± Primärversorgungszentrum Personal motiviert; Pflegekräfte aufgewertet kann wie eine Firma wirtschaften und sein Personal nach privatrechtlichen Grundsätzen einstellen. An das öffentliche Dienstrecht ist es nicht gebunden. Bisher kann das Gesundheitszentrum von Castelldefels gute klinische Ergebnisse vorweisen; Wartelisten gibt es nicht. Qualitätsprüfungen verliefen positiv. Das Personal ist nicht weniger motiviert als bei privaten Einrichtungen. Pflegekräfte und Mediziner arbeiten gleichberechtigt. Wer ohne Termin kommt, den empfängt zunächst die Pflegekraft, die über die weitere Behandlung entscheidend. Die Skepsis unter Gesundheitsberuflern gegenüber der neuen Institution hat sich inzwischen gelegt. Kritiker fürchten allerdings mögliche staatliche Einflussnahme auf Management-Entscheidungen. Literatur und Links Ferragut Ensenyat, Gabriel. »Evaluating Catalan Integrated Health Care Schemes«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www.hpm.org/survey/es/a10/1. Ferragut Ensenyat, Gabriel. »CASAP: A new form of primary care delivery«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www.hpm.org/survey/es/a10/2. CRES. »Catalonia: Integrated HC Pilot Project«. Health Policy Monitor. www.hpm.org/survey/es/a1/2. Ibern Regµs, Pere. Integración asistencial: fundamentos, experiencias y vías de avance. Barcelona 2006. Vµzquez Navarrete, María Luisa, und Ingrid Vargas Lorenzo. Organizaciones Sanitarias Integradas. Un estudio de casos. Barcelona 2007. 50 Krebs: Prävention und Versorgung Krebs ist in den meisten Industrieländern nach Herz- und Kreislauferkrankungen die zweithäufigste Todesursache, in einigen, wie in den Niederlanden, sogar die häufigste. Von den 58 Millionen Menschen auf der Welt, deren Leben im Jahr 2005 zu Ende ging, starben nach einer Schätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 7,6 Millionen an bösartigen Tumoren. Weltweit ist Krebs eine der häufigsten Todesursachen mit steigender Tendenz: ¾ndert sich nichts Gravierendes, werden im Jahr 2015 schon neun Millionen und im Jahr 2030 11,4 Millionen Menschen weltweit am Krebs sterben. Bereits jetzt allerdings entfallen sieben von zehn Krebstoten auf die Entwicklungsländer. Dort ist das Erkrankungsrisiko zwar geringer; dasselbe gilt aber auch für die Heilungschance. Nach einer Formel der WHO können bei früher Erkennung und angemessener Behandlung 40 Prozent aller Krebstode vermieden werden (zu allen Daten siehe WHO 2007a). In Deutschland fielen 2005 etwa 224.000 Menschen einer Krebserkrankung zum Opfer; 94.000 unter ihnen waren noch keine 70 Jahre alt. Die Zahl von 2005 entspricht 26,6 Prozent aller Todesfälle; der Anteil, der auf den Krebs entfällt, wird in Jahren bis 2030 voraussichtlich noch leicht ansteigen (WHO 2007a). Von den Krebstoten starben unter Männern in Deutschland die meisten an Lungen- oder Bronchialkrebs, gefolgt von Geschwulsten des Dickdarms und der Prostata. Bei Frauen liegt der Brustkrebs an der Spitze der Todesursachen, vor Dickdarm- und Lungenkarzinomen. Fast zwei Drittel der diagnostizierten Fälle weltweit führen zum Tode. Die medizinische Krebsforschung konzentriert sich seit Langem auf die genetischen und anderen Ursachen, die ge51 40 Prozent aller Krebstode vermeidbar Deutschland: Fast jeder Dritte stirbt an Krebs Krebsforschung wartet auf therapeutische Durchbrüche Trend zu nationalen Aktionsplänen Krebs im Zentrum der slowenischen EU-Ratspräsidentschaft Im Kommen: Reihenuntersuchungen, . . . sunde Zellen zu Krebszellen mutieren lassen, und auf die Bedingungen, unter denen Tumoren wachsen. Groûe Durchbrüche oder gar spektakuläre Forschungserfolge bleiben aber bisher aus. In dieser Situation konzentriert sich diese Ausgabe von Gesundheitspolitik in Industrieländern auf Prävention und Früherkennung, auf Erleichterung des Zugangs zu adäquater Therapie und auf verbesserte Palliativversorgung. Zu einem Trend entwickeln sich umfassende nationale Aktionspläne gegen den Krebs, wie sie in Neuseeland (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 5, S. 87±89), Australien (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 2, S. 77) und Japan (siehe den Bericht S. 57) aufgelegt wurden. Sie umfassen Screening-Programme in der Regel ebenso wie Verbesserungen in Ausbildung und Patienteninformation und die Konzentration von Therapie an besonders gut ausgestatteten Einrichtungen mit qualifiziertem Personal. Im Pionierland Neuseeland gehören dazu die Primärprävention von lebensstil- und berufsbedingten Risiken und die Vermeidung von karzinogenen Infektionen, wirksames Screening, effektive Diagnostik und Behandlung, mehr Lebensqualität durch Betreuung der Betroffenen und ihrer Angehörigen, ein besseres Leistungskontinuum und mehr Forschung und Gesundheitsberichterstattung. In der Europäischen Union hat Slowenien die Krebsbekämpfung zu einem der Schwerpunkte seiner Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2008 gemacht (siehe Albreht 2007). Wachsende Unterschiede in den Überlebensraten und bei Qualitätsindikatoren zwischen den EU-Ländern rufen nach unionsweiten integrierten und zusammenführenden Programmen. In jedem Falle, so die slowenische Gesundheitsministerin Zofija Mazej Kukovi, sei eine konzertierte Aktion erforderlich, mit der das Problem Krebs in allen seinen Dimensionen angegangen werde. Zahlreiche Länder konzentrieren sich wieder mehr auf Reihenuntersuchungen zur Früherkennung. Röntgenuntersuchungen auf Brustkrebs sind bereits die Regel. Ein umfassendes Screening auf das Karzinom des Gebärmutterhalses durch den sogenannten Pap-Abstrich ist in vielen Ländern Realität, u. a. in Australien und Neuseeland sowie den skandinavischen Ländern. In Australien und Groûbritannien wurde das Alter für kostenlose Untersuchungen auf Dickdarmkarzinom auf die in Deutschland 52 bereits üblichen 55 Jahre herabgesetzt (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 7/8, S. 213). In den USA wird dem Screening auf Dickdarmkrebs der gröûte Verdienst an der sinkenden Krebsmortalität zugerechnet. Gröûerer Wert wird in vielen Ländern neuerdings auf die Versorgung Sterbender gelegt. Solange die Fachwelt noch in der Illusion lebte, den »Kampf gegen den Krebs« bald besiegen zu können, neigte das Versorgungssystem dazu, Todkranke als »Niederlage« zu betrachten und, statt sich näher mit ihnen zu beschäftigen, den »Blick nach vorne« zu richten. Mit der wachsenden Bescheidenheit der Antikrebskämpfer stellt sich auch eine Besinnung auf die Opfer ein (siehe beispielsweise »Israel: Palliative Versorgung im Leistungskatalog«; Gesundheitspolitik in Industrieländern 5, S. 112). Teil einer Strategie gegen den Krebs sind schlieûlich auch die Rauchverbote, die neuerdings in vielen europäischen Ländern für den öffentlichen Raum in Kraft getreten sind (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 7/8, S. 225±236). Etwa 90 Prozent der Fälle von Lungenkrebs betreffen Raucher. Berechtigte Furcht vor der noch immer geheimnisvollen Krankheit und die lebhafte Anteilnahme der Öffentlichkeit an therapeutischen Fortschritten führen allerdings nicht immer dazu, dass in der Krebspolitik wirklich rationale Entscheidungen gefällt werden. Kritik aus der Fachwelt trifft zum Beispiel die dänische Regierung, die Wartezeiten für Chemotherapien abschaffen will, auch wenn sich damit die Wartezeiten für andere Behandlungen verlängern (siehe den Bericht über Dänemark, S. 60). Thema des Jahres ist die Impfung gegen die Infektion mit sogenannten humanpathogenen Papillomviren (HPV) (siehe den Bericht über die USA, die Schweiz, Neuseeland und Kanada, S. 62). Seit 15 Jahren ist bekannt, dass zwischen HPV-Infektionen und Karzinomen vor allem des Gebärmutterhalses ein Zusammenhang besteht. Seit 2006 hilft gegen die vier gefährlichsten HPV-Viren eine Schutzimpfung, die drei intramuskuläre Injektionen in sechs Monaten verlangt. Danach tritt für fünf bis zehn Jahre sichere Immunität ein. Die vier ± von insgesamt über hundert ± Hochrisikotypen dieser Viren lösen Krebserkrankungen im Genitalbereich aus und stehen darüber hinaus im Verdacht, zu einer Reihe von weiteren 53 . . . Palliativpflege, . . . . . . Rauchverbote Furcht führt auch zu irrationalen Entscheidungen Neue Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs Die meisten HPVInfektionen sind völlig harmlos HPV-Impfung weltweit in der Diskussion Krebserkrankungen beizutragen. In bis zu 80 Prozent der bösartigen Tumore des Gebärmutterhalses ist einer der Hochrisikotypen nachweisbar (RKI 2007: 98). Internationale Daten zur Prävalenz von HPV-Infektionen bei Frauen zeigen eine groûe Schwankungsbreite (LBI 2007). Das Robert Koch-Institut kommt zu dem Schluss, dass sich rund 70 Prozent der sexuell aktiven Frauen im Lauf ihres Lebens mit HPV infizieren, im Groûteil der Fälle jedoch ohne die Infektionen zu bemerken (RKI 2007: 98). Nur bei einem Bruchteil der Infektionen handelt es sich um die beiden gefährlichsten Hochrisikotypen HPV 16 und 18, gegen die die neuen Impfstoffe vorrangig wirken ± eine US-Studie ergab einen Wert von 2,3 Prozent für Frauen zwischen 14 und 59 Jahren (Dunne 2007). Auch Männer sind infiziert und fungieren als Überträger, erkranken aber nicht. Das Virus kann eine von ihm befallene Zelle dazu bringen, sich unentwegt zu teilen. Im Normalfall allerdings verhindern zelleigene Schutzmechanismen, dass es zu unkontrollierten Wucherungen kommt. In 70 Prozent der Fälle sind HPV-Infektionen daher nur vorübergehend (LBI 2007). Bereits kurze Zeit nach der Markteinführung der neuen Impfung wurde sie in zahlreichen Ländern in den Leistungskatalog aufgenommen. In Deutschland zahlt die gesetzliche Krankenversicherung seit Frühjahr 2007 die Impfung für Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren (zum Hintergrund dieser Entscheidung siehe Blum 2008). Andere Länder beschränken sich auf 11- und 12-Jährige (etwa Norwegen) oder Zehn- bis 13-Jährige (etwa Spanien). Die unterschiedlichen Empfehlungen drücken die unterschiedlichen Strategien und Annahmen aus, also für welches Alter etwa der erste Sexualkontakt angenommen wird. Inzwischen mehren sich bei einigen die Zweifel. Einige kritische Wissenschaftler bemängeln, dass die Erstattung bereits entschieden worden war, obwohl noch diverse Fragen zur neuen Impfung offen sind. So ist die Dauer des Impfschutzes noch unklar, ebenso wie Sicherheit und Effektivität bei einer eventuell nötigen Auffrischung (LBI 2007). Dadurch unterscheiden sich auch die Berechnungen zur Kosteneffektivität noch erheblich: Die Kalkulationen zu den Kosten pro gewonnenem Lebensjahr schwanken in Europa zwischen 11.400 Euro in Dänemark über 54 28.800 Euro in Frankreich bis 60.000 Euro in Norwegen und 64.000 Euro in Österreich. Gesundheitsökonomen diskutieren nun, ob eine allgemeine, öffentlich finanzierte Impfung junger Mädchen wirklich der richtige Zugang im Kampf gegen den Gebärmutterhalskrebs ist. Den ± zumindest derzeit noch ± hohen Kosten für den Impfstoff und dem beträchtlichem Aufwand, den es erfordert, die immerhin mit drei Spritzen verbundene Impfung zu popularisieren, steht eine in Industrienationen relativ niedrige und obendrein sinkende Inzidenz dieser Krebsart gegenüber: Unter den in Deutschland im Jahr 2004 neu an Krebs erkrankten Frauen leiden nur drei Prozent an einem Karzinom des Gebärmutterhalses, wie es besonders häufig von humanpathogenen Papillomviren verursacht wird (RKI 2008: 12). »Public-Health«-Experten fürchten zudem, die Impfung könnte die Teilnahmequoten der Vorsorgeuntersuchungen senken. Da jedoch auch andere HPV-Arten Krebs auslösen können, ist die regelmäûige Vorsorge auch für geimpfte Frauen weiterhin notwendig (RKI 2007: 97). Da Langzeituntersuchungen ausstehen, ist noch nicht ausgemacht, welche der beiden präventiven Strategien die besseren Ergebnisse bringt. Einige Experten kommen zu dem Schluss, dass eine Verbesserung der Krebsprävention die sinnvollere Alternative sein könnte (LBI 2007, Rosenbrock 2007). Literatur und Links Albreht, Tit. »Cancer ± main topic of Slovenia's EU Presidency«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www.hpm. org/survey/si/a10/3. Blum, Kerstin. »HPV vaccination in Germany«. Health Policy Monitor. Januar 2008. www.hpm.org/survey/de/ b10/1. Dunne, Eileen F., et al. »Prevalence of HPV Infection Among Females in the United States«. JAMA ± Journal of the American Medical Association (297) 2007. 813±819. http://jama.ama-assn.org/cgi/content/abstract/297/8/ 813. 55 Zweifel am Sinn flächendeckender Impfung Impfung ersetzt den Abstrich nicht Ludwig Boltzmann Institut für Health Technology Assessment. Ökonomische Evaluation der Impfung gegen humane Papillomaviren in Österreich. Wien 2007. Robert Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin. Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health 12 2007. Robert Koch-Institut/Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e. V. Krebs in Deutschland 2003±2004. Häufigkeiten und Trends. 6. überarbeitete Auflage. Berlin 2008. Rosenbrock, Rolf. »HPV-Impfung ± Durchbruch in der Krebsprävention?«. März 2007. www.forum-gesundheits politik.de. Wenderlein, J. Matthias. »Humanpathogene Papillomviren und Zervixkarzinom ± Entwicklung und derzeitiger Stand der ersten Impfstoffe gegen humanpathogene Papillomviren: Kostenfaktor diskutieren«. Deutsches ¾rzteblatt (105) 1±2 2008. 23. WHO. Cancer. www.who.int/cancer/en. 2007a. WHO Europe. »Can we prevent cervical cancer?«. Entre Nous ± The European Magazine for Sexual and Reproductive Health (64) 2007b. www.euro.who.int/document/ens/ en64.pdf. 56 l de Wa n St ra te gi ep ap ier Ge se tzg eb un g Um se tzu ng Be we rtu ng otp roj e Pil Ide e kt Japan: Aktionsplan gegen den Krebs soll Versorgung besser integrieren Mit einem ganzen Bündel von Maûnahmen will die japanische Regierung die Versorgung von Krebskranken im Lande verbessern. Ziel eines nationalen Aktionsplans gegen den Krebs, den die Regierung bis ins Jahr 2011 umsetzen will, ist die Entwicklung einer integrierten, umfassenden und koordinierten Versorgung. Die Schwerpunkte liegen auf der weiteren Verbreitung von Strahlen- und Chemotherapie und von Palliativversorgung sowie dem Aufbau eines Krebsregisters. Mit dem Aktionsplan erhöhte die Regierung den Haushaltstitel für eine bessere Krebsversorgung von 41 Milliarden Yen (252 Millionen Euro) jährlich, die schon nach dem Zehnjahresplan vorgesehen waren, auf 53,4 Milliarden Yen (328 Millionen Euro). Zwei Drittel des Betrages gehen in Forschung und Entwicklung. Es bleibt aber noch immer ein stattlicher Rest für die Integration der Versorgung, für bessere Aus- und Fortbildung und andere Maûnahmen. Integration heiût, dass Strahlen- und Chemotherapie ebenso von einer Hand koordiniert werden sollen wie Akuttherapie und Palliativpflege, sodass der Patient nicht von einer Abteilung oder einem Versorgungsbereich in den anderen wandert. Bessere Heimkrankenpflege soll nicht nur den Patienten, sondern auch den Nöten der pflegenden Angehörigen Aufmerksamkeit schenken. Krankenhäuser sollen landesweit besser für Krebstherapie gerüstet werden und Patienten so in allen Landesteilen gleichen Zugang zur Behandlung ermöglichen. Auch die eigene Meinung und der individuelle Lebensstil des Kranken sollen bei der Therapie stärker als bisher Berücksichtigung finden. Weitere Ziele des Aktionsplans sind eine breitere Nutzung von Screening-Programmen, mehr klinische und epidemiologische Forschung und allgemein ein gröûerer Aufwand an Arbeits57 Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Zwei Drittel für Forschung und Entwicklung, . . . . . . der Rest für bessere Versorgung Ziel: Ein Fünftel weniger Krebstote unter 75 Jahren Aktionsplan wurde zum Top-Thema der groûen Politik kräften für diesen Sektor der Forschung, Therapie und Versorgung. Innerhalb von zehn Jahren soll eine spürbare Senkung der Zahl der Krebstoten erreicht werden. Die Zielzahl liegt bei 20 Prozent weniger Krebsmortalität bei den unter 75-Jährigen. Auûerdem sollen die Leiden der Krebskranken gemindert und die Bürde ihrer Angehörigen erleichtert werden. Die Probleme der Krebsversorgung sind seit den späten 90er Jahren beständig in der Diskussion. 2004 prägten die Medien für Patienten, die vergeblich nach angemessener Versorgung suchen, den populären Begriff vom »Krebsflüchtling«. Immer wieder wird eingefordert, dass Kranke stärker an ihren Behandlungsplänen und allgemein an den Grundsätzen der Krebsversorgung mitwirken sollten, um die Versorgung wirklich um den Patienten zu zentrieren. Der Krebs-Aktionsplan wurde im Sommer 2006, in den letzten Monaten der Regierung von Junichiro Koizumi, sogar zu einem politischen Thema ersten Ranges. Die Initiative ging zunächst von der oppositionellen Demokratischen Partei aus, wurde dann aber von den regierenden Liberaldemokraten mit einem eigenen Gesetzentwurf aufgegriffen. Umgesetzt werden konnte der Plan, obwohl allseits vehement befürwortet, erst nach einem Abkommen zwischen Regierung und Opposition. Befeuert wurde die Auseinandersetzung darum auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen der Krebspatienten, deren Aktivitäten in den Medien auf groûe Resonanz stieûen. Mit seinen einzelnen Bestimmungen ist der Aktionsplan Teil einer umfassenden, auf zehn Jahre angelegten Antikrebsstrategie, die schon zwei Jahre zuvor beschlossen worden war. Ein Bericht, der am Anfang dieser Strategie stand, machte die landesweite Verbreitung von Krebstherapien zum zunächst wichtigsten Ziel. Einem neu gebildeten Rat für Krebsversorgung und -prävention beim Minister für Gesundheit, Arbeit und Soziales sollen ¾rzte und Angehörige anderer Gesundheitsberufe ebenso angehören wie spezialisierte Juristen und betroffene Krebspatienten. Krebszentren, regional angesiedelt bei den 47 Präfekturen, haben den Auftrag, besonders gute Krebsversorgung zu gewährleisten, Versorgungsmaûstäbe zu entwickeln und Personal auszubilden (siehe Matsuda 2007b). Sie und einige spezialisierte Kran58 kenhäuser sollen nach dem Aktionsplan nun auch die Maûstäbe für die integrierte Versorgung entwickeln. Neben dem generellen Ziel sieht die Zehnjahresstrategie etliche Einzelmaûnahmen vor: Neu entwickelte Medikamente sollen rascher zugänglich, Palliativpfleger gründlicher ausgebildet, neue Heimpflegemodelle entwickelt werden. Klinisch Tätige und die Patienten selbst sollen besseren Zugang zu klinischen Informationen bekommen, aus stationärer Behandlung Entlassene sich gemeinsam mit ähnlich Erkrankten bei einem spezialisierten niedergelassenen Arzt zusammenfinden. Geplant ist auch, lokale Krebszentren anhand neuer Standards zu aktualisieren und ihre Arbeit zu begutachten. Daneben stehen präventive Ziele: Mit allgemeinen Informationen ± über das Internet und ausgebildete Präventionsberater ± sowie mit spezieller, patientenzentrierter Beratung für Erkrankte soll die Aufgeschlossenheit für Prävention und Therapie erhöht werden. Mehr Krankenhäuser sollen an der Registrierung von Krebsfällen teilnehmen und die Krebsforschung soll sich stärker der Öffentlichkeit und der Beteiligung von Patienten öffnen. Literatur und Links Matsuda, Ryozo. »National Action Plan on Cancer Care«. Health Policy Monitor. Oktober 2007a. www.hpm.org/ survey/jp/a10/5. Matsuda, Ryozo. »Detailed planning for secure health care delivery«. Health Policy Monitor. März 2007b. www.hpm. org/survey/jp/a9/3. Japanese Cabinet. National Action Plan on Cancer Care. Reported to the Diet in June 2007. 59 Bündelweise konkrete Einzelmaûnahmen Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Krebstherapie noch immer nicht sofort verfügbar Wa n de l g ert un Be w St ra te gi ep ap ier Ge se tzg eb un g Um set zun g otp roj e Pil Ide e kt Dänemark: Keine Wartezeiten und bessere Versorgung für Krebspatienten Krebspatienten sollen in Dänemark schneller Zugang zu adäquater Behandlung finden: Ein neuer Aktionsplan verkürzt die Zeit, die zwischen Überweisung und erster Untersuchung vergehen darf, auf 48 Stunden. Nach einem ersten Plan aus dem Jahre 2001 durften von der Überweisung zur Erstuntersuchung noch zwei Wochen, von dann bis zur ersten Strahlentherapie und von der Entlassung bis zum Beginn der Nachsorge noch einmal je vier Wochen vergehen. Ein zweiter Krebs-Aktionsplan im Jahr 2005 konzentrierte sich dann mehr auf Prävention und den Ablauf von »Patienten-Karrieren«. Erst 2007 stellte sich heraus, dass die Ziele des Jahres 2001 nicht überall erreicht worden waren und dass die Verantwortung dafür zwischen landesweiten und regionalen Einrichtungen nicht klar verteilt war. Nach der Abklärung der Verantwortlichkeiten schlug die Versammlung der dänischen Regionen der Regierung dann neue, präzisere Richtlinien vor: ± Die Regionen garantieren Akutuntersuchung und Therapie für Fälle von Hals- und Lungenkrebs, Dickdarm- und Mastdarmkarzinom innerhalb von 48 Stunden nach der Überweisung. Für weitere Therapien und für Nachsorge sind Wartezeiten, so nicht medizinisch indiziert, überhaupt nicht mehr zulässig. ± Die Regionen schaffen im Rahmen des allgemeinen Screenings gegen Brustkrebs feste Wege für Patientinnen durch Untersuchung und Therapie. ± Für jede der fünf erwähnten Krebsformen schafft jede Region einen Koordinator, der die Wege der Patienten verfolgt und auf mögliche Staus oder Engpässe achtet. ± Die Regionen berichten monatlich über den Stand der Krebsbehandlung und teilen dabei auch die Wartezeiten mit. 60 ± Die Regionen machen mögliche personelle, organisatorische und technologische Hürden aus und entwickeln Pläne, diese Hürden abzubauen. ± Die Versammlung der Regionen tritt mit der Regierung in Finanzierungsverhandlungen und übernimmt es auch, den Aktionsplan mit den betroffenen Berufsvertretungen abzustimmen. Als Vorbild schwebten der Versammlung sogenannte »Versorgungspakete« aus standardisierten diagnostischen und therapeutischen Verfahren und mit festen Zeitvorgaben vor. Besonders gute Erfahrungen mit dieser Form der Beschleunigung von Krebstherapien hat das Krankenhaus im süddänischen Vejle gemacht. Nichtsdestoweniger wies der Minister die Selbstverpflichtung der Regionen als unzureichend zurück und verlangte, ± alle Krebskranken künftig als Akutpatienten zu behandeln ± spezielle »Patientenpakete« mit klinischen Richtlinien zu erstellen ± dabei nationale Standards für Wartezeiten festzulegen ± klinische Daten zu erfassen und publizieren ± die Patienteninformation auszubauen ± Kontaktpersonen für Patienten zu schaffen, die zugleich als Koordinatoren fungieren. »Versorgungs- Neu ist an den Bestimmungen, für die der Minister einen nicht näher spezifizierten Kostenbeitrag der Zentralregierung versprach, vor allem die Qualifizierung von Krebspatienten als Akutkranke. Dahinter steht eine langjährige Forderung der Dänischen Krebsgesellschaft. Experten befürchten nun, dass die Regionen unter dem Druck des Ministeriums ihre Ressourcen einfach in Richtung Krebstherapie umschichten. Während die Wartezeiten für Krebspatienten kürzer würden, würden die für andere Kranke eben länger. Krebspatienten Literatur und Links Vrangbñk, Karsten. »Treatment guarantee and care packages for cancer«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www.hpm.org/survey/dk/a10/4. 61 pakete« mit festen Zeitvorgaben endlich als Akutkranke anerkannt Appel, Michael O. »The National Cancer Action Plan«. Health Policy Monitor. Oktober 2004. www.hpm.org/survey/dk/a4/1. Mùller Pedersen, Kjeld. »National cancer plan (2)«. Health Policy Monitor. November 2006. www.hpm.org/survey/ dk/a8/5. Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Hersteller ficht für allgemeine Impfung l de Wa n Pil ot pr oj ek t Str ate gie pa pie r Ge se tzg eb un g Um se tzu ng Be we rtu ng Id ee USA, Schweiz, Neuseeland, Kanada: HPV-Impfungen Sache der Allgemeinheit? Seit der Pharma-Konzern Merck, Sharp & Dohme mit Gardasil einen Impfstoff gegen die Infektion mit Humanen Papillomviren (HPV) entwickelt hat, stehen Behörden, Krankenversicherungen und staatliche Gesundheitsdienste weltweit vor der Frage, ob und gegebenenfalls wem sie die Impfung empfehlen und erstatten sollen. Gardasil immunisiert gegen einige Typen der Viren, die im Verdacht stehen, ein Risikofaktor für Gebärmutterhalskrebs zu sein. Der Hersteller und manche wissenschaftliche Gesellschaften setzen sich mit Vehemenz für eine allgemeine Impfung der weiblichen Bevölkerung ein, die möglichst vor dem ersten Sexualkontakt erfolgen sollte. Die Impfung ist ± zumindest derzeit ± noch sehr teuer; in Österreich etwa ist eine Strecke von drei Injektionsdosen für 495 Euro zu haben, in Deutschland für 465 Euro, in der Schweiz für 700 Franken (422 Euro), in Kanada allerdings schon für 400 kanadische Dollar (276 Euro). Ob der Preis bei breiter Anwendung und damit drastisch höheren Verkaufszahlen ± wie zu erwarten wäre ± sinken wird, bleibt abzuwarten ± auch, ob dies gegebenenfalls einzelne Länder zur Voraussetzung der Aufnahme in den Leistungskatalog machen werden. 62 Einige Kritiker wenden ein, dass die HPV-Impfung noch nicht gründlich genug erforscht sei, um schon in den Leistungskatalog von Kassen und Gesundheitsdiensten aufgenommen zu werden. Gardasil immunisiere nur gegen bestimmte Typen des Virus, und es stehe zu befürchten, dass, wenn diese ausgeschaltet würden, ihre karzinogenen Funktionen von Mutanten wahrgenommen würden. Zudem lasse sich Gebärmutterhalskrebs bei dem empfohlenen allgemeinen Screening ohnehin bis zu 90 Prozent erkennen und ausschalten (siehe auch S. 55 ff.). Die wichtigsten Hürden der Zulassung hat Gardasil passiert: Im Juni 2006 wurde es in den USA, im September desselben Jahres in der Europäischen Union zugelassen. Was die Aufnahme in die Leistungskataloge angeht, entscheidet jedes Land wiederum einzeln. Die Skala reicht dabei von begeisterter Zustimmung bis zu skeptischer Ablehnung. Die erste ± und gleich eine turbulente ± Debatte um die HPVImpfung hat sich im US-Bundesstaat Kalifornien entwickelt. Schon Ende 2006 hatte die demokratische Abgeordnete Sally Lieber einen Entwurf ins kalifornische Parlament eingebracht, nach dem vom Sommer 2008 an alle Sechstklässlerinnen in dem USBundesstaat gegen HPV geimpft werden sollten. Später wurde der Entwurf zur Überarbeitung wieder zurückgezogen. Aber das Thema war gesetzt. Obligatorische Impfprogramme sind in Kaliforniens Schulsystem Standard; würde die Impfung mit Gardasil ins Programm aufgenommen, wäre eine sehr weitgehende Immunisierung jedes nachwachsenden Geburtsjahrgangs gesichert. Eltern können die Impfung nur aus religiösen, moralischen oder medizinischen Gründen ablehnen. Für die Ablehnung aus medizinischem Grund müssen sie ein Attest des Arztes vorlegen, aus dem hervorgeht, warum ihr Kind nicht geimpft werden kann. Für die Initiative hatte Kalifornien auch den Segen der zuständigen Fachinstanz: Schon gleich nach der Zulassung von Gardasil hatte das unionsweite Beratungskomitee für Impfpraxis die Durchimpfung aller elf- und zwölfjährigen Mädchen empfohlen. Bei so früher Impfung wird im Alter zwischen 13 und 26 Jahren allerdings noch mindestens eine Auffrischungsimpfung nötig. Trotz der positiven Empfehlung geriet die Initiative der Abgeordneten Lieber rasch ins Zwielicht. Als die Öffentlichkeit erfuhr, 63 Öffentliche Debatte begann erst nach der Zulassung Kalifornien: HPV im staatlichen Impfprogramm Befürwortern wird Befangenheit nachgewiesen In Genf und im Wallis ist Impfung schon kostenlos dass Liebers Ehemann Merck-Aktien hielt, zog die Demokratin ihren Namen von der Unterstützerliste zurück. Der gegenwärtig federführende Abgeordnete Ed Hernandez gab auf Befragen zu, dass er für seine Kampagne Konzerngelder bekommen hatte. Das habe sein Urteil aber nicht beeinflusst. Die alarmierte Öffentlichkeit lieû sich mit dem Statement nicht beruhigen. Kritiker wandten ein, dass seit der Zulassung zu wenig Zeit verstrichen sei, als dass man den Sinn der Durchimpfung schon verlässlich beurteilen könne. Auch die Anstrengungen des Herstellers, Einfluss auf die politische Entscheidung zu nehmen, verstärkten die Skepsis noch. Nach Kalifornien haben inzwischen 21 US-Bundesstaaten die Aufnahme von Gardasil in Schulimpfprogramme erwogen. In Michigan scheiterte ein Entwurf im Parlament. In Texas wurde die HPV-Impfung durch einen Erlass des Gouverneurs Rick Perry eingeführt. Kritiker fanden später heraus, dass Perry gut mit einem führenden Merck-Lobbyisten befreundet war und der Gouverneur selbst für seinen Wahlkampf eine Merck-Spende über 85.000 Dollar (59.000 Euro) erhalten hatte. In der Schweiz dagegen herrscht weitgehend Zustimmung. Die Bundesimpfkommission empfiehlt offiziell die Impfung aller Mädchen zwischen elf und 14 Jahren, für eine Übergangszeit auch der 15- bis 19-Jährigen. Das Eidgenössische Departement des Innern hat im November 2007 beschlossen, dass ab Anfang 2008 die Kosten für die HPV-Impfung von der Krankenversicherung übernommen werden, sofern diese im Rahmen von kantonal organisierten Programmen durchgeführt wird. Drei Kantone haben solche Programme direkt eingeführt, in anderen Kantonen sind entsprechende Programme in Vorbereitung. Ein Merkmal dieser Programme sind verbindliche Qualitätsstandards und der zentrale, kostengünstige Einkauf des Impfstoffs durch die Kantone. Die Programme sollen die Information der Zielgruppen sicherstellen und für die vollständige Impfung mit drei Dosen und Auffrischimpfungen sorgen. Eine Kosten-Nutzen-Analyse hat ergeben, dass bei einer Impfung 26.000 Franken (15.660 Euro) pro gesundem Lebensjahr gespart werden. Die Analyse unterstellt allerdings die strittige Annahme, dass durch die Impfung 98 Prozent der Fälle von Gebärmutterhalskrebs vermieden werden können. 64 Neuseeland hat seine Zulassung für Gardasil im Juli 2006 ausgesprochen, noch vor der Europäischen Union. Seither streiten Interessengruppen sowie die Fachverbände der Gynäkologen für die allgemeine Impfung. Der Gebärmutterhalskrebs steht bei der Inzidenz unter den Karzinomen in Neuseeland an achter Stelle. In Neuseeland sind Präventionserfolge traditionell sehr unterschiedlich auf die Volksgruppen verteilt: Trotz allgemeinen Screenings sind Maori-Frauen und Pazifik-Insulanerinnen doppelt so häufig vom Gebärmutterhalskrebs betroffen wie andere. Die Pharma-Industrie bemüht sich mit aggressivem Marketing, Gardasil im Impfprogramm für elf- bis 15-jährige Mädchen unterzubringen. Politischer Druck kommt meist in Form von offenen Briefen, auch von Fachärzteverbänden wie den Gynäkologen, den Kinderärzten, den Sexual- und Allgemeinmedizinern sowie vom Forschungszentrum der Universität Auckland. Das Gesundheitsministerium zögert und wendet ein, noch gebe es keine überzeugende Kosten-Nutzen-Analyse. Eine Arbeitsgruppe des Hauses hat allerdings empfohlen, entweder 15-Jährige mit den drei Injektionsdosen oder aber ± im Falle, dass auch eine Auffrischung finanzierbar wäre ± schon die 11- bis 13-Jährigen zu impfen. In Australien, dessen Gynäkologen mit den neuseeländischen Kollegen in einem einzigen Verband zusammengeschlossen sind, werden die 11- und 12-Jährigen gegen HPV geimpft. Berufen kann das Ministerium sich mit seiner Haltung auf die abwartende Stellungnahme der Leiterin des Screening-Programms auf Gebärmutterhalskrebs, Hazel Lewis. Sie verweist auf ungelöste Fragen und empfiehlt, mit der Einführung noch zu warten. Neuseelands Screening-Programm gegen Gebärmutterhalskrebs gilt als sehr erfolgreich: 70 Prozent der Zielgruppe nehmen daran teil. Seit die Früherkennungsuntersuchungen eingeführt wurden, sind die Erkrankungsrate um die Hälfte und die Mortalität um 65 Prozent zurückgegangen. Bei Maori-Frauen und Pazifik-Insulanerinnen dagegen lässt die Teilnahmerate mit 50 bzw. 45 Prozent zu wünschen übrig. Sollte die HPV-Impfung eingeführt werden, müssten nach Auffassung der Screening-Expertin zunächst folgende Fragen geklärt werden: ± Wer soll geimpft werden und ist eine Auffrischungsimpfung nötig? Gegenwärtig werden die Kosten für eine Alterskohorte 65 Neuseeland: Impfung rivalisiert mit Screening Warten auf überzeugende KostenNutzen-Analyse Screening-Expertin bezweifelt Überlegenheit der Impfung ± ± ± ± Kanada: Netzwerk für Frauengesundheit skeptisch auf 10 Millionen neuseeländische Dollar (5,25 Millionen Euro) geschätzt. Wie soll das Screening für Geimpfte aussehen? Genauso wie das jetzige? Lassen sich dabei Kosten sparen? Wie lässt sich Aufklärung für die Mädchen und ihre Eltern in das Impfprogramm integrieren? Wenigstens zu Beginn könnte die Impfung die gesellschaftliche Ungleichheit bei der Inzidenz von Gebärmutterhalskrebs noch verstärken ± dann nämlich, wenn die Impfung nicht exzessiv unter Maori-Frauen und Pazifik-Insulanerinnen beworben wird. Soll die Impfung auch Jungen angeboten werden, die ja als Überträger fungieren können? Zurzeit jedenfalls überwiegen die Bedenken. Eine allgemeine HPVImpfung wäre teuer und würde sich gegen ein Problem richten, das an Bedeutung ohnehin abnimmt. Das Hauptziel, nämlich die besonderen ethnischen Zielgruppen besser zu schützen, könnte die Impfung kaum besser erreichen als das relativ erfolgreiche Screening. Überdies könnte die Impfung auch eine falsche Sicherheit hervorrufen und die Akzeptanz für das Screening senken. Lieûe dann die Schutzwirkung der Impfung wegen Mutationen nach einer Weile nach, könnten die Erkrankungsraten am Ende sogar wieder steigen. In Kanada hat schlieûlich die Zentralregierung auf Empfehlung des nationalen Impfkomitees gleich nach der Zulassung von Gardasil für Impfprogramme 300 Millionen kanadische Dollar (207 Millionen Euro) in den Haushalt des Jahres 2007 eingestellt. Wer den Impfstoff bekommen und ob der Zugang kostenlos sein soll, ist die Entscheidung der Provinzen und Territorien. Die weitaus gröûte Provinz, Ontario, bietet etwa 84.000 Mädchen in den achten Klassen die kostenlose Impfung an. ¾hnliche Angebote machen auch Nova Scotia, Neufundland und Labrador sowie Britisch-Kolumbien. Eine Debatte um die Impfung entbrannte in Kanada erst, als die politischen Beschlüsse schon gefallen waren. Viele Forscher und das Netzwerk für Frauengesundheit hätten sich mehr Erfahrungen vor der Einführung breiter Impfprogramme gewünscht. Eine stark beachtete wissenschaftliche Arbeit beurteilte das Pro66 gramm als verfrüht und kam zu der Annahme, dass eine ähnlich hohe Investition in Abstrichuntersuchungen mehr Wirkung gezeigt hätte. Das Impfkomitee und die nationale Gesundheitsagentur verteidigten dagegen ihre Entscheidung. Nach den Erkenntnissen des Netzwerks für Frauengesundheit scheitert angemessene einschlägige Primärversorgung in Kanada am Fehlen weiblicher Fachkräfte, an Zeitmangel, direkten und indirekten Kosten für die Betroffenen, an der Kinderversorgung, sprachlichen und kulturellen Unterschieden, Sicherheitsbedenken wegen Missbrauchserfahrungen und der Haltung von ¾rzten gegenüber dem Gebärmutterhalskrebs. Zudem könne die Impfung von männlichen Jugendlichen die Verbreitung des Virus verringern. Auf der anderen Seite steht, neben den so rasch überzeugten Behörden, das Lobbying von Merck Frosst, der kanadischen Herstellerfirma von Gardasil. Befürworter und Kritiker teilen aber die Auffassung, dass die Impfung in jedem Falle nur Teil einer breiteren Strategie sein kann, die auch ein gesundes Sexualverhalten und Lebensstilentscheidungen einschlieût ± beispielsweise nicht zu rauchen und Präventionsangebote wahrzunehmen. 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Will man Kosten vermeiden, müssen sie zunächst eindeutig einem Wirtschaftssubjekt zugeordnet werden. Wer das versäumt, beschwört nach dieser Lehrmeinung die Gefahr herauf, dass Kosten unkontrolliert wuchern. Es fehlt ihnen der Gegenspieler. Wer an einer Leistung direkt oder indirekt verdient, wird kein oder nur ein schwer kalkulierbares Interesse daran haben, diese Leistung auch so billig wie möglich zu erbringen; dieses Interesse hat nur der Leistungsempfänger. Für den Gesundheitssektor bedeutet der ökonomische Imperativ, dass öffentliche Krankenkassen wie private Krankenversicherer oder, in steuerfinanzierten Systemen, der Staat sich streng auf die Rolle des Finanziers (Kostenträgers) zu beschränken haben. Für die Rolle des Anbieters (Leistungserbringers) sind danach andere Systeme zuständig. Oftmals handelt es sich dabei um den Privatsektor, oder aber ± nach dem »purchaser-provider split« ± um vom Finanzier getrennte staatliche Institutionen. Das deutsche Gesundheitswesen kommt dem neoklassischen Ideal also durchaus nahe: Die Kassen übernehmen bzw. erstatten die Kosten der Versorgung. Auf das Angebot aber nehmen sie im Prinzip nur indirekt ± als Groûkunden ± Einfluss. Damit hat Deutschland ± wie auch Frankreich ± nach herrschender Wirtschaftslehre die sauberste Variante gewählt: Die Kassen wachsen als Finanziers in die Rolle des Wächters über die Kostenentwicklung und achten darauf, die Zahl der Leistungen angemessen und die Preise im Rahmen zu halten. Die privat 71 Liberale Lehre: Krankenkassen nur Finanziers Payer und Player in einem Kassen zeigen, dass es auch billiger geht Trend zu Kassen als Player organisierten Anbieter wetteifern wie die Händler auf dem Markt um das beste Produkt und/oder den niedrigsten Preis. Andere Systeme kennen die Trennung von Kostenträger und Leistungserbringer nicht oder handhaben sie weniger streng. Bei den israelischen Krankenkassen ist der Finanzier ± trotz einer Öffnungsklausel aus der Mitte der 90er Jahre ± meistens zugleich der Anbieter. Man geht nicht in die nächstgelegene oder in irgendeine Klinik, sondern in die Klinik seiner Krankenkasse. In der Primärversorgung tätige ¾rzte sind zu 99 Prozent entweder direkt bei einer der vier Kassen angestellt oder als fester Vertragspartner an eine Kasse gebunden (Rosen 2003: 6). Die gröûte Krankenkasse, Clalit, hält zugleich jedes dritte Akutkrankenbett im Lande vor (Rosen 2003: 8). Aber auch in Ländern, die im Prinzip die deutsche und französische Trennung von Kostenträger und Leistungserbringer vollzogen haben, bieten Kassen manchmal eigene Dienste an. Teils tun sie es einfach »aus historischen Gründen«, etwa weil organisatorische Trägheit sie daran hindert, den abstrakten Geboten der Wirtschaftslehre zu folgen. Teils aber auch mit Hintergedanken: etwa um einem gröûeren, in seiner Bedeutung unbestrittenen, aber eben auch teureren Privatsektor produktive Konkurrenz zu machen. Diese Rolle spielen etwa kasseneigene Ambulatorien in Österreich, deren Bedeutung in den letzten Jahrzehnten allerdings stark zurückgegangen ist (Hofmarcher und Durand-Zaleski 2004: 212). Nach neoklassischer Lehre stellt das israelische wie das österreichische Modell eine ordnungspolitisch unsaubere Vermischung der Rollen dar, die Kosten verschleiert und damit in die Höhe treibt. Ungeachtet dieser akademischen Weisheit geht der Trend in jüngster Zeit allerdings wieder in die andere Richtung: Vom reinen »Payer« werden die Krankenkassen vermehrt zum »Player«. In der Schweiz sind schon seit 1995 Krankenkassen neuen Typs entstanden, die zugleich Leistungen anbieten (Hofmarcher und Durand-Zaleski 2004: 209). Dieselbe Tendenz kommt auch im deutschen Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung zum Ausdruck, das im April 2007 in Kraft trat und die Vertragsfreiheit der Kassen ausweitet. Hintergrund des neuen Trends ist die Erkenntnis, dass Kostenkontrolle rein aus der Rolle des Finanziers nicht so gut funk72 tioniert, wie die Lehre suggeriert. Besonders im Gesundheitswesen erfordert das Urteil über Leistungen und damit auch über deren Kosteneffizienz ein solches Maû an Sachverstand, dass die üblichen Marktmechanismen nicht greifen. Ob eine Leistung im Einzelfall angemessen ist und ob sie kosteneffizient erbracht wurde, kann in vielen Fällen weder der Leistungsempfänger noch der Finanzier angemessen beurteilen. Kassen sind manchmal selbst dann überfordert, wenn ihnen gut aufbereitete statistische Daten zur Verfügung stehen. Die Wissenschaft kennt das Problem als »asymmetrischen Informationsstand« (Hofmarcher und DurandZaleski 2004: 207). Diese Überforderung kommt die Versicherten teuer. Wenn ¾rzten ihre individuellen therapeutischen Entscheidungen mittels Durchschnittswerten vorgegeben werden, wehren sie sich häufig mit dem Hinweis auf schwer verallgemeinerbare Einzelfälle. Wirklich zufriedenstellend kontrollieren können die Kassen solche Einwände nicht, denn konkret ist immer nur der Einzelfall. Was die Kassen an »erfahrungsbasierter Therapie« und »best practice« dagegensetzen mögen, ist dagegen immer nur eine Abstraktion. Was den »purchaser-provider split« angeht, legt die Erfahrung inzwischen Ernüchterung nahe. Das Axiom der Kostentransparenz, wie es die Wirtschaftslehre propagiert, hatte bei diversen Gesundheitsreformen in Groûbritannien Pate gestanden. Das Ergebnis war aber keine Kostendämpfung. Vielmehr führten die Reformen dazu, dass die privaten Leistungserbringer wesentlich mehr Freiheiten genieûen durften. Was der nationale Gesundheitsdienst in seiner Rolle als Kostenkontrolleur einsparte, investierte er zu Beginn der NHS-Modernisierung in Saläre und damit in Anreize für private Leistungserbringer. Gerade im deutschen Gesundheitswesen wird die Entfremdung der Krankenkassen von der traditionell ärztedominierten Versorgung seit Langem als Problem empfunden. Eine besonders schmerzliche Lücke zwischen dem Sachverstand der Anbieter und dem der Kassen klafft in der zahnärztlichen Versorgung. Ein abgeschirmter Berufsstand und ein kartellartiger, aber gesetzlich garantierter Ausschluss von Konkurrenz verhindern bis heute, dass sachkundige Zahnärzte die Qualität der Arbeit ihrer Kollegen wirksam kontrollieren. Mit Vertrauensärzten und dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen, die individuelles Verschrei73 Konkreter Einzelfall vs. verallgemeinerte »best practices« Groûbritannien: Kosten klar, aber hoch Deutschland: Entfremdung zwischen Kassen und Leistungserbringern Frankreich und Japan: Finanzier und Anbieter zu scharf getrennt Israels Mischsystem nicht ohne Probleme bungsverhalten kontrollieren sollen, dem »Bundesausschuss Zahnärzte und Krankenkassen« und schlieûlich dem »Gemeinsamen Bundesausschuss« (G-BA) lieû sich das Problem von jeher nur ungenügend unter Kontrolle bringen. Den Anbietern blieb die Macht, das Notwendige und Zweckmäûige zu definieren; das macht es ihnen möglich, sich in der gesundheitspolitischen Diskussion in die Rolle des »Anwalts der Patienten« zu begeben und in deren ± vermeintlichem oder tatsächlichem ± Interesse auf der Besonderheit jedes Einzelfalls zu bestehen. Frankreich, das an der scharfen Trennung zwischen Finanzier und Anbietern einstweilen festhält, steht nun bei erhöhten Zuzahlungen vor einer Debatte, in der die ökonomische Logik der Krankenkassen und die medizinisch-fachliche der Leistungserbringer voraussichtlich besonders hart aufeinandertreffen werden (siehe den Bericht aus Frankreich, S. 75). In Japan schlieûlich soll die Kluft zwischen der staatlichen, nach kameralistischen Kriterien wirtschaftenden Volksversicherung, und dem dynamischen Sektor der Anbieter nun mit dem Einzug einer regional strukturierten Zwischenebene verkleinert werden (siehe den Bericht aus Japan, S. 79). Der Gedanke, Finanzier- und Anbieterfunktion voneinander zu trennen, ist nicht per se obsolet. In welche sachfremden Zwänge ein System geraten kann, in dem der »Payer« zugleich ein »Player« ist, illustriert das israelische Beispiel. Nach den gegenwärtigen Plänen der Regierung soll eine neue, fünfte Krankenkasse vorwiegend zu dem Zweck geschaffen werden, die vorhandenen staatlichen Groûkrankenhäuser auszulasten (siehe den Bericht aus Israel, S. 83). Statt diesem oder jenem ökonomischen Dogma zu folgen, werden Gesundheitspolitiker daher künftig gut daran tun, für ihr System eine genuine Lösung zu finden. Literatur und Links Hofmarcher, Maria M., und Isabelle Durand-Zaleski. »Contracting and paying providers in social health insurance systems«. Social health insurance systems in Western Europe. Hrsg. Richard B. Saltman, Reinhard Busse und Josep Figueiras. WHO 2004. 207±226. 74 Krummaker, Simone, Thomas Mittendorf, J.-Matthias Graf von der Schulenburg, Lutz Müller und Holger Stürmann. Quo vadis GKV? Zukünftige Entwicklungen des Krankenversicherungsmarktes in Deutschland. Hrsg. Institut für Versicherungsbetriebslehre der Leibnitz Universität Hannover und Pricewaterhouse Coopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Frankfurt/Main 2007. Rosen, Bruce. Health Care Systems in Transition: Israel. Kopenhagen, European Observatory on Health Systems and Policies, 2003. Sandier, Simone, ValØrie Paris und Dominique Polton. Health Care Systems in Transition: France. Kopenhagen 2004. l de Wa n Be we rtu ng g zun set Um set zge bu ng pie Ge pa gie Str ate otp Pil Id ee roj ek t r Frankreich: »Schutzschild« gegen zu hohe Zuzahlungen Gebietet eine Kasse nur über die Finanzierung, ist die Versuchung groû, Probleme auf die Versicherten abzuwälzen, statt bei den Anbietern zu sparen. Franzosen leisten neben ihren Versicherungsbeiträgen im Bedarfsfall schon heute hohe Zuzahlungen zu stationärer und ambulanter Behandlung und zu Arzneimitteln. Diese Zuzahlungen werden aber von den Zusatzversicherungen, den »Mutuelles«, die fast jeder hat, bislang aufgefangen. Nun sollen die Zuzahlungen mit dem Programm von Präsident Nicolas Sarkozy auf weitere Leistungen ausgedehnt werden und bestehende noch weiter steigen. Die Vorschläge stoûen aber in der Öffentlichkeit auf groûen Widerstand. Die Selbstbeteiligung soll so sehr erhöht werden, dass Teile der Bevölkerung durch sie vom Arztbesuch abgehalten werden könnten. Nach dem Programm Sarkozys etwa soll der erste Euro, 75 Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Befreiungen für überproportional Belastete Befreiung gilt für Krankheiten, nicht für Kranke den ein Arztbesuch kostet, nicht mehr erstattet werden, bis eine jährliche Grenze von 50 Euro erreicht ist. Dazu sollen 50 Cent für jedes gekaufte Medikament sowie für Besuche bei nicht ärztlichen Leistungserbringern und zwei Euro für jeden Krankentransport einbehalten werden, erneut mit einer jährlichen Zuzahlungsgrenze von 50 Euro. Mit den gesparten Geldern sollen neue Versorgungsbedarfe, etwa von Alzheimer-Kranken, finanziert werden. Gleichzeitig steht bis zum Sommer 2008 eine öffentliche Diskussion über die Finanzierung des Gesundheitswesens auf der politischen Agenda ± eine neue Aufteilung der Finanzierungszuständigkeiten zwischen verpflichtender (gesetzlicher) Krankenversicherung und freiwilliger Zusatzversicherung ist angekündigt. Dass die Zuzahlungen bereits heute immer mehr Bedürftigen den Zugang zu Leistungen versperren, wird als Problem zwar allgemein erkannt. Am generellen Prinzip soll sich nach dem Willen der Regierung allerdings nichts ändern. Stattdessen soll für Geringverdiener nun ein »Schutzschild« eingeführt werden, der sie gegen übermäûige Belastungen wappnen soll. Gemeint sind mit dem »Schutzschild« (cordon sanitaire) Befreiungen, Höchstund Schwellenbeträge, wie sie auch das deutsche Krankenversicherungssystem kennt. Über die genaue Ausgestaltung des Schutzsystems wird in Fachkreisen intensiv diskutiert. Ausgenommen von Zuzahlungen ist in Frankreich schon jetzt, wer zu den sieben Prozent der Bevölkerung mit dem geringsten Einkommen gehört, und wer laut der Diagnose eines Arztes unter einer von 30 »schweren und teuren Krankheiten« auf einer staatlichen Liste leidet. Dazu zählen etwa Krebs, schwere chronische und langwierige psychische Krankheiten. Von der Zuzahlung befreit sind in letzterem Fall aber nicht die Kranken, sondern die Krankheiten. Wer an Krebs leidet, bekommt also seine Zytostatika umsonst, muss aber für alle Medikamente gegen Leiden, die mit dem Krebs nicht ± oder nicht beweisbar ± in unmittelbarem Zusammenhang stehen, genauso zuzahlen wie jeder andere auch. Berechnungen legen nun nahe, dass es sich dabei um eine künstliche, von der Sache her nicht zu rechtfertigende Unterscheidung handelt. Krank sein ist teuer: Nach einer Schätzung zahlen 16 Prozent der Patienten, die an einer »schweren und teu76 ren Krankheit« leiden, trotz Befreiung im Jahr mehr als 500 Euro allein für ambulante Behandlungen zu. Von denen, die nicht an einer »schweren und teuren Krankheit« leiden, sind nur neun Prozent so stark belastet. Der Hohe Rat für die Krankenversicherung hat ausgerechnet, dass darüber hinaus 2,3 Millionen Franzosen im Jahr mehr als 500 Euro für ihre stationäre Behandlung ausgeben müssen. Die meisten von ihnen verfügen allerdings über eine freiwillige Zusatzversicherung, zumeist bei einer »Mutuelle« auf Gegenseitigkeit, die diese hohen Zuzahlungen abdeckt. Für acht Prozent der Bevölkerung ± zumeist aus einkommensärmeren Schichten ± gilt das aber nicht. Der noch näher zu bestimmende »Schutzschild« soll nicht nur besonders anfälligen Bevölkerungsgruppen den Weg zu medizinischer Versorgung ebnen. Gleichzeitig sollen die Schwellen und Ausnahmen des Versicherungssystems und die Mittel der Ausgabenkontrolle vereinfacht werden. Aufgebracht hat die Idee vom Schutzschild Martin Hirsch, ein angesehener Politiker und Sozialaktivist, der bisher die Emmaus-Stiftung des Arbeiterpriesters AbbØ Pierre leitete. Sarkozys Strategie der Öffnung, die auch dem sozialistischen Auûenminister Bernard Kouchner ins Amt half, machte aus Hirsch den »Hochkommissar für die Solidarität gegen die Armut«. Er fürchtete eine zu hohe Belastung für Einkommensschwache unter Sarkozys neuem System der Zuzahlungen. Gemeinsam mit dem Gesundheitsminister gab Hochkommissar Hirsch bei zwei Experten ein Gutachten über die verschiedenen Möglichkeiten eines »Schutzschilds« in Auftrag. Die möglichen Modelle lassen sich nach dem Gutachten grob in zwei Gruppen aufteilen: in die »zielorientierten« und die »rückzugsorientierten«. Nach dem »zielorientierten« Modell wird auf alle ambulanten Gesundheitsleistungen so lange eine immer gleiche prozentuale Zuzahlung erhoben, bis das fixierte Jahresmaximum erreicht ist. Ausgenommen von den Zuzahlungen sind nur Schwangere und Sozialhilfeempfänger, die schon jetzt eine ganze Reihe von Leistungen unentgeltlich gewährt bekommen. Für die Festsetzung des Jahresmaximums sind wiederum zwei Prinzipien möglich: entweder der gleiche Betrag für alle oder ein Maximum, gemes77 Die meisten Franzosen sind gegen Zuzahlungen versichert, . . . . . . den Rest soll der Schutzschild schützen Zwei Arten, den »Schutzschild« anzufertigen Populistische Scheindiskussion Auswirkungen auf die freiwillige Versicherung sind unklar sen am Haushaltseinkommen. Nach einem Vorschlag sollen für die Höhe des Jahresmaximums fünf Einkommensgruppen gebildet werden. Für ambulante und stationäre Behandlung sollen verschiedene Jahresmaxima gelten. Nach dem »Rückzugsmodell« sollen unterschiedlich hohe prozentuale Zuzahlungen erhoben werden, je nachdem, ob der Versicherte an einer teuren und langwierigen Krankheit leidet oder nicht. Die Verlierer, so die beiden Experten, wären in beiden Fällen die Patienten mit der »schweren und teuren Krankheit«, die für ihre besonderen Ausgaben zurzeit von Zuzahlung ausgenommen sind. Wie viel die anderen gewinnen könnten, hinge von der Höhe des Jahresmaximums ab. Läge es bei 900 Euro, würden fünf Prozent der Bevölkerung profitieren, bei 400 Euro wären es schon 26 Prozent. Soll derselbe Betrag einbehalten werden, so müsste der prozentuale Selbstbehalt bei dem hohen Jahresmaximum 25 Prozent, beim niedrigen Jahresmaximum aber 40 Prozent betragen. Den meisten Versicherten allerdings könnte es egal sein: Sie haben ohnehin eine Zusatzversicherung. Die öffentliche Debatte konzentriert sich einstweilen noch auf die erhöhten Zuzahlungen, wie Präsident Sarkozy sie durchsetzen will; vom »Schutzschild« für die, die sich das neue System nicht mehr werden leisten können, ist bisher noch kaum die Rede. In Fachkreisen herrscht Skepsis, dass das Modell zu kompliziert sein könnte. Einfacher wäre, heiût es, Minderbemittelten die fehlende Zusatzversicherung einfach zu schenken. Grundsätzliche Kritiker wenden sich dagegen, dass chronisch Kranke unter dem Regime des »Schutzschilds« doppelt leiden müssten: einmal unter den physischen und psychischen Folgen ihrer Krankheit und dann noch unter Zuzahlungen, von denen sie gegenwärtig noch ausgenommen sind. Noch nicht recht absehbar sind für die Gutachter die möglichen Wirkungen des »Schutzschilds« auf die freiwillige Krankenversicherung, die sich ja vor allem von der Risikoabdeckung für Zuzahlungen nährt. Nimmt das finanzielle Risiko ab, weil die gesetzliche Krankenversicherung nicht mehr so exzessiv Selbstbehalte abgreift, können die Prämien für die Zusatzversicherung sinken. Gut möglich ist aber auch, dass viele Versicherte das Risiko dann für vernachlässigbar halten und aus ihren Verträgen 78 aussteigen. Übrig blieben am Ende allein die Hochrisikopatienten. Ausgerechnet sie müssten dann besonders hohe Prämien zahlen. Literatur und Links Cases, Chantal. »Sanitary shield«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www.hpm.org/survey/fr/a10/3. Bras, Pierre-Louis, Étienne Grass und Olivier Obrecht. »En finir avec les affections de longue durØe (ALD), plafonner les restes à charge«. Droit Social April 2007. Briet, Raoul, und Bertrand Fragonard. Rapport sur la mission Bouclier sanitaire. September 2007. www.sante-jeunessesports.gouv.fr/IMG/pdf/rapport_bouclier_sanitaire.pdf. Rapport du Haut Conseil pour l'avenir de l'assurance maladie. Juli 2007. www.securite-sociale.fr/institutions/hcaam/ rapport2007/hcaam_rapport2007.pdf. l de Wa n we rtu n g ng Be un g eb se tzg Um se tzu ep Ge ra te gi St otp r Pil Ide e oje kt ap ier Japan: Dezentrale Beiträge und ein neues Versicherungssystem für Hochaltrige In Japan werden zwei Komponenten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gründlich reformiert: (1) die von der Regierung gemanagte Krankenversicherung (RKV), d.h. der Teil der GKV, der für die Angestellten in kleinen Firmen ohne eigene Betriebskrankenkassen zuständig ist, und (2) die »Gesundheitsversorgung der ¾lteren« (Gd¾), das die Krankenkassen übergreifende GKV-System für ältere Personen. Die Reform betrifft zum einen institutionelle Zuständigkeiten und zum anderen die Finanzierung. So wird der bisher nationale Beitragssatz in der RKV 79 Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Dritte Ebene zwischen Versicherten und Verwaltung Ursprünglich andere Pläne Neue Gesellschaft setzt für jede Region die Beiträge fest regionalisiert, und die über 75-Jährigen in der Gd¾ sollen sich künftig, ihrem Einkommen entsprechend, an ihren Krankheitskosten beteiligen ± bei einer besseren Versorgung, wie beteuert wird. Mit der Gesundheitsreform des Jahres 2006 hat Japan die RKV, die rund 28 Prozent der Bevölkerung versichert und bisher von der Regierung selbst zentral gemanagt wird, auf neue Füûe gestellt: Die Zuständigkeit wird einer bis Oktober 2008 zu gründenden »nationalen Krankenversicherungsgesellschaft« übertragen und innerhalb dieser wesentliche Aufgaben an regionale Einheiten weiter dezentralisieren. Die Reform folgt dem Trend, die Aufgaben staatlicher Groûverwaltungen an kleinere, spezialisierte Einheiten zu delegieren; eine Privatisierung ist nicht damit verbunden. Die Ziele der Reform sind: den Verwaltungsangestellten mehr Verantwortung zu übertragen, das Management zu verbessern, die finanzielle Stabilität zu erhöhen, eine bessere Verwaltungspraxis anzuregen und mehr Gerechtigkeit zu schaffen. Das Reformvorhaben sah ursprünglich anders aus: Die Regierung wollte die RKV dezentralisieren und zu diesem Zweck der schon bestehenden und mit anderen Aufgaben befassten staatlichen Agentur für soziale Sicherheit unterstellen. Dann aber geriet eben diese Agentur wegen Misswirtschaft in der Öffentlichkeit wie auch im Parlament unter heftigen Beschuss. Als Konsequenz aus den Attacken gründete das Ministerium eine Arbeitsgruppe zur Reform der Agentur. In ihrem Bericht schlug die Arbeitsgruppe vor, die Agentur gleich ganz aufzulösen und nur für die Verwaltung der öffentlichen Krankenversicherung eine eigene Körperschaft zu bilden. Die Regierung folgte dem Vorschlag. Der Betriebsbeginn für die neu zu gründende »Nationale Krankenversicherungsgesellschaft« wurde für Oktober 2008 angesetzt. Eine wesentliche Kompetenz der neuen Gesellschaft soll die Festsetzung der Beitragssätze sein. Unter einem Geschäftsführer, der vom Gesundheitsministerium ernannt wird, soll die neue Gesellschaft in allen 47 Präfekturen Filialen ins Leben rufen. Damit sollen regionale Präferenzen besser umgesetzt werden. Für die Ebene jeder einzelnen Präfektur soll in Zukunft auch der Beitragssatz festgelegt werden. Auf Basis der demographischen Verhältnisse und der Höhe der Einkommen soll die Gesellschaft den Beitragssatz so festsetzen, dass Einnahmen und Ausgaben 80 einander die Waage halten. Die Festsetzung der regionalen Beitragssätze erfolgt jedoch zentral; die Filialen müssen nur gehört werden. Das letzte Wort schlieûlich hat der Minister. Ein ebenfalls neuer landesweiter Ausgleich analog zum deutschen Risiko-Struktur-Ausgleich ist dazu da, entstehende Ungleichgewichte auszugleichen. Für das Erheben der Beiträge ist nach wie vor der Staat zuständig. Jedes Jahr soll die Gesellschaft berichten und alle zwei Jahre eine Finanzprognose für die nächsten fünf Jahre erstellen. Erwartet wird von der Reform vor allem eine Vereinfachung der Verwaltung. Probleme könnten allerdings entstehen, weil nun die Eintreibung der Beiträge und ihre Verwaltung nicht mehr in einer Hand sind ± ein Argument, das ja auch in Deutschland gegen den Gesundheitsfonds ins Feld geführt wurde, das aber verkennt, das dies in der Mehrzahl der Bismarck'schen Sozialversicherungsländer inzwischen der Fall ist. Dass es mit der Dezentralisierung der Beitragssätze zu regionalen Verwerfungen kommen könnte, wird weniger problematisch gesehen. Schlieûlich hat die neue Gesellschaft ja die Mittel, solchen Verwerfungen über einen Finanzausgleich entgegenzuwirken. Gleichzeitig mit der Dezentralisierung sah Japan sich gezwungen, sein System der Alterskrankenversicherung zu reformieren. Seit den 80er Jahren waren Japaner ab dem 70. Geburtstag nach besonderen Regeln versichert: Sie entrichteten neben ihren Versicherungsbeiträgen nur Zuzahlungen von 10 Prozent, während der Rest der Bevölkerung Zuzahlungen in Höhe von 30 Prozent leistete. Die rapide Alterung der japanischen Gesellschaft hat dieses System nun an seine Grenzen gebracht und wurde umgestaltet. So wurde die Grenze, ab der Personen der Gd¾ angehören, von 70 auf 75 Jahre angehoben. Zugleich wurden die Zuzahlungen für besserverdienende ¾ltere in zwei Stufen auf 20 Prozent und später 30 Prozent angehoben (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 7/8, S. 80). Künftig sollen die über 75-jährigen Versicherten nun auch noch höhere Beiträge zahlen, um so das Gd¾System nachhaltiger zu finanzieren. Auch organisatorisch wurde das System umgestaltet; die Zuständigkeit liegt nunmehr seit April 2008 bei den Präfekturen. Den Anstoû für eine grundsätzliche Reform gab das Parlament. Mit der Gesundheitsreform von 2006 erteilten die Abgeordneten 81 Eintreiben und Verwaltung der Beiträge getrennt Zuzahlungen künftig auch für Patienten über 75 Diskussion sowohl ethisch als auch finanziell Rasanter demographischer Wandel ist teuer Trotz Grundsatzdebatten ± am Ende zählt die Beitragshöhe der Regierung den Auftrag zu einer Neuorientierung der Gd¾. Kurz darauf rief die Regierung eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe zusammen, bestehend aus einem Gesundheitsökonomen, vier ¾rzten, einer Gemeindekrankenschwester und drei Patientenvertretern. Die Arbeitsgruppe sollte zunächst die kontroversen ethischen Fragen behandeln, die sich an die Versorgung alter und sterbender Menschen knüpfen. Als Grundlagen für ein System der Zukunft definierte die Arbeitsgruppe als verbindliche Werte zunächst allgemein das Leben, die Würde und die Sicherheit der alten Menschen. Nach verbreiteter Auffassung klaffen Werte und Realität auch in Japan auseinander. So sterben hier 80 Prozent der Menschen in medizinischen Einrichtungen statt, wie es sich die meisten wünschen, in der Familie. Seinem ethischen Zugang entsprechend beschränkt das Papier sich nicht auf Finanzierungsprobleme, sondern enthält auch Vorschläge zur Verbesserung der Palliativpflege und der Versorgung chronisch Kranker, konkret eine bessere Integration der Leistungen verschiedener Anbieter. Hintergrund des noch vagen Reformvorhabens ist die rasante Alterungsrate. Hatten 1990 noch 4,84 Prozent der japanischen Bevölkerung das 75. Lebensjahr vollendet, so waren es im Jahr 2000 schon 7,1 Prozent. Demographen erwarten, dass der Trend sich unvermindert fortsetzt: Für 2010 werden schon 10 Prozent über 75-Jährige prognostiziert, für 2020 gar 15 Prozent. Japaner haben auf der Welt die höchste Lebenserwartung. Jungen, die im Jahr 2003 geboren wurden, stehen nach der Statistik vor einer Lebenszeit von 78,4 Jahren, Mädchen leben im Durchschnitt sogar mehr als 85 Jahre (zum Vergleich Deutschland: Jungen 76,2 und Mädchen 81,8 Jahre). Der Weltrekord hat seinen Preis: Schon im Jahre 2005 entfielen auf die Gruppe der Alten 28,8 Prozent der gesamten Gesundheitskosten Japans. Die Ausgaben der Pflegeversicherung sind in den Betrag noch nicht eingerechnet. Ein konkretes Ergebnis hat die rege öffentliche Debatte noch nicht hervorgebracht. Bei aller Allgemeinheit, Wertgebundenheit und Grundsatzorientierung konzentrieren sich alle Beteiligten doch auf die Frage, wie das neue Versicherungssystem für alte Menschen konkret aussehen soll, wie hoch die Beiträge und Zuzahlungen ausfallen und wie sich das finanzielle Risiko auf die Betroffenen und die Jüngeren verteilt. 82 Literatur und Links Matsuda, Ryozo. »Delegation of Government-Managed Health Insurance«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www.hpm.org/survey/jp/a10/3. Matsuda, Ryozo. »Delivering appropriate care for the aged«. Health Policy Monitor. März 2007. www.hpm.org/survey/ jp/a9/2. l de Wa n we rtu n g g Be Um set zun tzg eb un g se pie Ge pa gie Str ate otp r Pil Ide e oje kt r Israel: Eine fünfte Krankenkasse für wechselnde Zwecke Nach jahrelanger Diskussion ermöglicht ein Kabinettsbeschluss in Israel die Gründung einer fünften Krankenkasse ± wenn auch einer ganz anderen als zunächst geplant. Was eine Konkurrenz und Herausforderung für das öffentliche Versicherungssystem hätte werden sollen, wird nun aller Voraussicht nach eher zu einem weiteren Pfeiler des Systems ± und zu einem, der ausgerechnet die staatlichen Groûkrankenhäuser einer früheren Epoche stützen soll. Am Anfang der Debatte stand die Idee des Finanzministeriums, die bestehenden vier Kassen mittels privater Konkurrenz zu effizienterem Wirtschaften anzuregen. Nach dem Eintritt der Arbeiterpartei in die Regierung machte sich gegen diese Intention allerdings Skepsis breit. Im Vordergrund stand nun die Sorge, dass die neue Kasse sich die guten Risiken sichern und den bestehenden vier anderen die schlechten überlassen könnte. Jetzt schlieûlich soll die Idee von der fünften Kasse doch noch Wirklichkeit werden ± wenn auch in erheblich modifizierter Form. Nach dem ursprünglichen Plan hätte die neue Kasse als einzige gewinnorientiert wirtschaften dürfen. Sie hätte zudem pro 83 Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Private Konkurrenz für bestehende Kassen Neue Kasse sollte nur »Payer«, nicht »Player« sein Konflikt zwischen Finanz- und Gesundheitsminister Die Fachwelt war skeptisch Die fünfte Kasse ± im neuen Gewand Versichertem weniger öffentliche Mittel bekommen als die anderen Krankenkassen. Auf diese Weise hätte sie unter Beweis stellen sollen, dass man mit dem verfügbaren Geld besser wirtschaften und die Verwaltungskosten niedrig halten kann (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 4, S. 66). Auch hätte die neue Kasse nach dem ursprünglichen Plan keine neue Gesundheitsinfrastruktur ± wie Krankenhäuser und Polikliniken ± schaffen sollen, sondern lediglich die Behandlung ihrer Mitglieder in bestehenden Einrichtungen finanzieren dürfen ± also nicht »Player«, sondern nur »Payer« sein. Auch das war ein Bruch mit dem überkommenen System: Normalerweise unterhalten Krankenkassen in Israel selbst in groûem Stil Versorgungseinrichtungen. Treibende Kraft hinter dem Vorhaben war, den fiskalischen Zielen der Reform entsprechend, der Finanzminister. Im Gesundheitsministerium dagegen bestanden von Anfang an Bedenken, die sich auf die Gleichheit und Gerechtigkeit im System richteten. Befürchtet wurden relative Nachteile vor allem für ¾ltere und chronisch Kranke. Irgendwie würde eine gewinnorientiert arbeitende Kasse Wege finden, sich von schlechten Risiken fernzuhalten, so die Befürchtung ± und sei es durch die Wahl der Filialen, die man zur Kostenreduktion vorwiegend in den wohlhabenden Zonen der groûen Städte ansiedeln würde. Die Initiative zur Gründung der fünften Kasse entwickelte sich schleppend. Zwar fand sie Freunde, vor allem unter den privaten Anbietern im Gesundheitswesen ± etwa den Apothekern, die hofften, dass eine private Krankenkasse mehr bei privaten Anbietern einkaufen würde als eine öffentliche. Aber in der Öffentlichkeit und in gesundheitspolitischen Fachkreisen überwog die Skepsis. Das Adva-Institut für Sozialforschung, das sich der Idee der sozialen Gerechtigkeit verbunden fühlt, geiûelte den Vorstoû als Ergebnis »neoliberaler Ideologie« und Bedrohung für eine allgemein zugängliche Gesundheitsversorgung. Schlieûlich blieben sogar Zweifel, ob sich überhaupt ein Versicherungskonzern finden würde, der unter den schwierigen Bedingungen und in dem kritischen Umfeld in das Geschäft einstiege. 2007 initiierte das Sheba Medical Center, mit 1.700 Betten der gröûte Krankenhauskomplex im Lande, ein neues Konzept für 84 die fünfte Krankenkasse. Wie die bestehenden vier Kassen sollte sie nach den Vorstellungen des Betreibers nicht gewinnorientiert arbeiten. Um »Rosinenpickerei« der neuen Kasse bei der Einschreibung der Versicherten zu verhindern, sollte sie im ersten Jahr nach der Aufnahme des Geschäftsbetriebs 40.000 und nach drei Jahren schon 130.000 Mitglieder zählen. Auch die anfängliche Bestimmung, dass die neue Kasse keine eigenen Einrichtungen vorhalten sollte, wurde aufgegeben. Dafür verband sich die Idee der fünften Kasse von nun an mit einem ganz anderen Zweck. Staatliche Krankenhäuser, wie das riesige Sheba-Hospital in Zentral-Israel, führen seit Langem Klage darüber, dass die groûen Kassen wie Clalit und Maccabi ihnen keine Patienten mehr überweisen. Stattdessen dirigieren die groûen Kassen ihre Mitglieder lieber in ihre eigenen Einrichtungen ± etwa in das neue Assuta-Krankenhaus in Tel Aviv, das Maccabi gehört. In der letzten Zeit hat sich dieser Trend noch verschärft: Clalit und Maccabi schicken, um Kosten zu sparen, inzwischen selbst ihre Krebspatienten und andere Schwerkranke nicht mehr in die groûen staatlichen Häuser. Diese allerdings tragen weitgehend die Last der Forschung und der Spitzenversorgung. Hinzu kommt, dass die beiden gröûten Kassen ihre Kleinchirurgie-Patienten neuerdings gern an kleinere Privatkliniken überweisen. Diese Praxis nimmt den staatlichen Krankenhäusern den einzigen Zweig, in dem sie noch wirtschaftlich arbeiten können. Der Streit um die Überweisungen wirft ein Schlaglicht auf die Probleme von Systemen, in denen Finanzierung und Versorgungsangebot in einer Hand sind. Um sich von interessegeleiteter Überweisungspraxis unabhängig zu machen, sind die groûen staatlichen Krankenhäuser an einer direkten Verbindung mit einer Kasse interessiert. Nur wenn sie »ihre« Kasse haben, glauben sie, lässt sich im israelischen System auf längere Sicht ein Zustrom an Patienten sichern, der ihnen das wirtschaftliche Überleben sichert. So galt (wie erwähnt) die Klinik Sheba als treibende Kraft hinter dem neuen Konzept für die fünfte Kasse. Ob das ursprüngliche Ziel, über Konkurrenz die Effizienz der bestehenden Krankenkassen zu bessern, auch wirklich erreicht wird, stöût bei Experten auf Zweifel. Die neue Kasse steht bereits jetzt in dem Verdacht, bessere Leistungen nur rund um ihre eige85 Harte Konkurrenz zwischen Krankenhäusern Groûkliniken wollen »eigene« Kasse Wem nützt, wem schadet Kasse Nr. 5? nen Zentren anzubieten, also etwa in der Nähe des Sheba-Krankenhauses bei Tel Aviv. Sicher ist zunächst nur, dass die bestehenden Krankenkassen Mitglieder und damit Einnahmen verlieren würden, ihre Infrastruktur aber nicht in gleichem Maûe einschränken könnten ± wenigstens dann nicht, wenn der Mitgliederschwund sich gleichmäûig auf ganz Israel erstreckt. Entsprechend müssten sie eher teurer als billiger werden. Auch die Befürchtung, dass die neue Kasse sich die Rosinen aus dem Kuchen picken könnte, ist noch immer nicht ausgeräumt. Zwar wird erwartet, dass die fünfte Kasse mehr Auswahlmöglichkeiten, kürzere Wartezeiten beim Facharzt und eine bessere Verbindung zwischen dem primären, dem sekundären und dem tertiären Sektor der Gesundheitsversorgung bieten könnte. Auf der anderen Seite könnte der neue Konkurrent sich aber verlockt fühlen, mit guten, vor allem aber mit gut sichtbaren Leistungen die jungen und gesunden Beitragszahler anzusprechen und die chronisch kranken und älteren Patienten eher auf Distanz zu halten. Literatur und Links Gross, Revital, Reuven Kogen, Shlomo Noi und Noa Ecker. »Establishing a Fifth Sick Fund«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www.hpm.org/survey/is/a10/4. Gross, Revital, Alec Aviram und Gabi Ben Nun. »For profit Health plan«. Health Policy Monitor. April 2005. www. hpm.org/survey/is/a5/5. Gross, Revital, Alik Aviram, Gabi Ben Nun und Boaz Lev. »For-profit Sick Fund«. Health Policy Monitor. Oktober 2004. www.hpm.org/survey/is/a4/1. 86 Qualitätssicherung: Jagd auf bewegliche Ziele Nach den Debatten über Kostendämpfung im Gesundheitswesen, wie sie in vielen Industriestaaten in der zweiten Hälfte der 70er Jahre entbrannten, folgte logisch die Debatte über Qualität: Eine Gesellschaft, die sich der steigenden Kosten für das Gesundheitswesen bewusst war, verlangte für ihr Geld wertvolle und zweckmäûige Dienstleistungen. In Deutschland ist Qualitätssicherung seit 1993 rechtsverbindlicher Bestandteil der ärztlichen Versorgung. Eine erste Initiative ± zur Senkung der Sterblichkeit bei der Geburt ± geht auf die Jahre 1975 bis 1977 zurück. Historisches Urbild einer erfahrungsbasierten Qualitätssicherung ist die Entdeckung des zeitlebens verkannten Pioniers Ignaz Semmelweis (1818±1865). Der ungarische Gynäkologe fand durch Beobachtung heraus, dass die Müttersterblichkeit in einer Abteilung des Wiener Krankenhauses, in der ¾rzte und Medizinstudenten die Geburtshilfe betrieben, viel höher lag als in einer anderen, wo Hebammenschülerinnen ausgebildet wurden. Semmelweis entdeckte, dass die Mediziner sich ihre Hände bei Obduktionen mit pathogenen Keimen verschmutzt hatten, und empfahl die Desinfizierung mit Chlorkalk. Trotz vieler Anstrengungen gibt es bis heute weltweit kein allgemein und dauerhaft anerkanntes System, Qualität im Gesundheitswesen zu beurteilen. In der Geburtshilfe hat das System zwar eine 150-jährige Tradition. Manche Fachgebiete aber, wie die Innere Medizin, gelten immer noch als besonders schwierig. Die Messbarkeit des Ertrages, Voraussetzung für jede sinnvolle Definition von Qualität, stöût auf grundsätzliche Schwierigkeiten, denn Gesundheit ist ein schwer objektivierbarer Wert. Die Kriterien für die Qualitätsmessung müssen, neuen Erkenntnis87 Die alte Idee des Händewaschens Qualität ist messbar ± ist Qualität messbar? Auditing und Tracer-Methode Benchmarking dient als Indikator und als Anreiz sen und veränderten Patientenwünschen entsprechend, immer wieder neu angepasst werden. Qualität im Gesundheitswesen ist ein bewegliches Ziel ± und zudem eines, das mitunter schneller von der Stelle rückt, als wir uns darauf zubewegen. Besser steht es um die Methoden, anerkannte Qualitätsindikatoren in die Wirklichkeit umzusetzen. Effizient, aber auch aufwendig ist das Auditing, bei dem neutrale Fachärzte, zum Beispiel Kollegen aus einer anderen Stadt oder einem anderen Krankenhaus, nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Krankenakten studieren und nach Unstimmigkeiten auswerten. Leichter, aber nur auf bestimmte Probleme anwendbar, ist die sogenannte »Tracer«-Methode. Dabei werden Patienten mit bestimmten Diagnosen, die als eine Art Leitmerkmale über das Funktionieren eines Gesundheitssystems Auskunft geben sollen, in ihren Karrieren verfolgt. Typische »tracer«-Diagnosen sind in der Chirurgie zum Beispiel der Leistenbruch, der Oberschenkelhalsbruch, die Blinddarmentzündung, Gallensteine und Dickdarmkrebs. Die Idee ist, dass, wenn für diese Diagnosen Fortschritte erzielt werden, diese notwendig auch anderen Patienten zugute kommen. Die systematischen Probleme der Qualitätssicherung im Gesundheitswesen treten besonders da zutage, wo vergleichende Messung von Fortschritten, sogenanntes Benchmarking, als Indikator und Anreiz eingesetzt wird. In Estland und Neuseeland werden traditionelle, auf leicht Messbares beschränkte Leistungsanalysen für Kliniken verlangt (siehe die Berichte aus Estland, S. 91, und aus Neuseeland, S. 92). In Kanada erstellen sogenannte Qualitätsräte jährlich zu einzelnen Themen Berichte und geben konkrete Empfehlungen ab (siehe den Bericht aus Kanada, S. 94). Ein sich selbst tragendes System der Qualitätssicherung ist mit solchen Anstrengungen aber noch lange nicht geschaffen. Diesem ehrgeizigen Ziel hatte sich eine niederländische Initiative verschrieben, mit der stationäre Versorgung »schneller« und »besser« hätte werden sollen. Vorbild war die 100.000-Lives-Kampagne in den USA, die sich zum Ziel gesetzt hatte, durch Vermeidung ganz bestimmter, vorab ausgemachter Fehler 100.000 Leben zu retten (Mappes-Niediek und Blum 2007). Nach der nie88 derländischen Idee hätte Fehlervermeidung im Krankenhaussystem selbst ihren systematischen Ort finden sollen. Obwohl das Land auf dem Gebiet der Qualitätssicherung eine ehrwürdige Tradition und einige hochqualifizierte Institutionen vorweisen kann, blieb das Vorhaben stecken. Wenige Ziele wurden messbar erreicht, vieles blieb im Ungefähren (siehe den Bericht aus den Niederlanden, S. 98). Wie in der Industrie wird im Prinzip auch im Gesundheitswesen zwischen Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität unterschieden. Unter Strukturqualität fasst man üblicherweise die personellen, technischen, baulichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Systems zusammen: hier also etwa den Betreuungsschlüssel in der Pflege, die Ausstattung des Operationssaals oder die Möglichkeit für den Patienten, in angemessener Zeit in einem Krankenhaus behandelt zu werden. Die Prozessqualität umfasst Kriterien wie Erfüllung professioneller Standards in der Pflege oder die Anwendung dieses oder jenes Pflegesystems. Die Ergebnisqualität schlieûlich gibt Auskunft darüber, was ein System ± unter welchen Voraussetzungen und auf welche Weise auch immer ± am Ende hervorbringt: wie viele gelungene Operationen, wie viele ausgeheilte Tumore, aber auch wie viele Druckgeschwüre vom langen Liegen oder wie viele Krankenhausinfektionen. Auch die in Befragungen ermittelte Zufriedenheit der Patienten gehört hierher. Ein allgemeiner Trend in der Qualitätssicherung geht weg von der Methode Versuch und Irrtum und hin zu erfahrungsbasiertem Handeln. Nach diesem Prinzip werden Fehler systematisch ausfindig gemacht, analysiert und zur Verbesserung der Praxis genutzt. Zweck solcher Initiativen sind nicht Sanktionen, sondern Fehlervermeidung. Haupthindernis für die Durchsetzung dieses (im Grunde nicht mehr so neuen) Denkens ist noch immer der sogenannte »Semmelweis-Reflex«: die hochmütige, reflexhafte Ablehnung einer einfachen, auf Beobachtung gegründeten Erkenntnis durch eine gut ausgebildete Fachwelt. Diesem Gedanken sind zum Beispiel Aktionen verpflichtet wie »Jeder Fehler zählt«, ein Fehlerberichts- und Lernsystem für deutsche Hausarztpraxen. Ziel ist ein System, in dem der Bericht über Fehler nicht beschämendes Eingeständnis, sondern Merkmal von 89 Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität Der »SemmelweisReflex«: Angst vor Neuem, Angst vor Sanktionen Jeder Fehler zählt: Ziel Fehlervermeidung Lernfähigkeit und Transparenz ist. Voraussetzung ist aber eine Kultur, die das freie und vorurteilslose Erörtern eigener Fehler überhaupt erst ermöglicht. Diesem Ziel dient zum Beispiel eine Initiative zum Zeugenschutz in Australien, die allen Mut machen will, im Interesse der Sache über Fehler anderer zu berichten (siehe den Bericht aus Australien, S. 101). Literatur und Links Breckenkamp, Jürgen, Christiane Wiskow und Ulrich Laaser. »Progress on Quality Management in the German Health System ± a long and winding road«. Health Research Policy and Systems (7) 5 2007. 1±11. European Observatory on Health Systems and Policies (Hrsg.). »Role of information in assuring quality of services ± case studies on England, Denmark, Norway and Sweden«. Euro Observer, Herbst 2007. Sawicki, Peter. »Qualität der Gesundheitsversorgung in Deutschland«. Medizinische Klinik. (100) 11 2005. 755± 768. Mappes-Niediek, Norbert, und Kerstin Blum. »Mit Transparenz zu mehr Qualität ± Wie Patienten anderswo informiert werden«. gesundheitsmonitor ± Newsletter der Bertelsmann Stiftung. Ausgabe 3/2007. 8±11. 90 Wa n de l g ert un Be w Pil ot pr oj ek t Str ate gie pa pie r Ge set zge bu ng Um set zun g Id ee Estland: Krankenhäuser nehmen am »Path«-Programm der WHO teil Sechs estnische Krankenhäuser, vier zentrale und zwei regionale, wollen am »Path«-Programm der WHO teilnehmen und haben dazu untereinander schon einmal ein Netzwerk gebildet. Das »Path«-Programm, dessen Name sich von den englischen Anfangsbuchstaben für »Instrument der Leistungsbeurteilung für Qualitätsverbesserung in Krankenhäusern« ableitet, ist vom europäischen Regionalbüro der Weltgesundheitsorganisation aufgelegt worden und läuft seit 2004. Ziel ist, Krankenhausmanager vom Sinn von Leistungsbeurteilung zu überzeugen. Dazu werden Daten von über 200 Krankenhäusern in zehn europäischen Ländern zusammengeführt (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 4, S. 57). Die Zusammenführung der Daten hat den Zweck, den Managern eine Rückmeldung über die Leistungen ihrer Häuser zu geben und ihren Blick über den nationalen Tellerrand hinaus zu weiten. Mehrkosten sind damit nicht verbunden, denn die erhobenen Daten sind auch anderweitig nutzbar. Eben diese Tatsache wird allerdings nicht durchweg als erfreulich empfunden: Bei manchen Kliniken bestand anfangs die Sorge, dass die nationale Krankenkasse die Daten für andere Zwecke ausschlachten könnte ± etwa um Mittelkürzungen zu begründen. Das Misstrauen ist aber inzwischen weitgehend ausgeräumt. Leistungs- und Qualitätsmessungen waren bei den letzten Gesundheitsreformen in Estland nicht vorrangig. Vor allem ausländische Experten haben das immer wieder angemerkt. Einige Indikatoren wurden zwar entwickelt, aber nicht angewendet. Immerhin wurde ein Qualitätshandbuch aufgelegt, und die meisten Krankenhäuser fragen die Patienten nach ihrer Zufriedenheit oder messen Qualität auf andere Weise. Von der Teilnahme am »Path«-Programm erhoffen sich die Esten, dass sie eine bisher kaum vorhandene Kultur der Leistungsmessung etabliert. 91 Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Sinneswandel: Kliniken wollen Feedback über eigene Leistungen Für eine Kultur der Leistungsmessung Literatur und Links Koppel, Agris, und Ain Aaviksoo. »Performance Assessment Tool for Estonian hospitals«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www.hpm.org/survey/ee/a10/2. Pðlluste, Kaja, Jarno Habicht, Ruth Kalda und Margus Lember. »Quality improvement in the Estonian health system-assessment of progress using an international tool«. International Journal for Quality in Health Care. (18) 6 2006. 403±413. Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Krankenhäuser vergleichbar machen l de Wa n we rtu ng ng Be tzu Um se set zge bu ng pie Ge pa gie Str ate otp r Pil Ide e oje kt r Neuseeland: Qualitätsparameter orientiert am Patienten Die vierteljährlichen Berichte, die über die Qualität der neuseeländischen Krankenhäuser Auskunft geben, müssen künftig umgeschrieben werden: Neue Bewertungsparameter konzentrieren sich auf Transparenz und Nützlichkeit, orientieren sich generell stärker an den Interessen der Patienten und erfassen zum Beispiel die Wartezeiten präziser. Die regelmäûigen Bewertungen, genannt »Hospital Benchmark Information« (HBI), sollen die Krankenhäuser der neu gegründeten 21 Gesundheitsbezirke im Land miteinander vergleichbar machen und als Unterstützung für Verbesserungen bei der Effizienz und Qualität der Versorgung dienen. Zu den 15 Parametern zählen die sogenannte Triage-Zeit, die es dauert, bis ein Patient der richtigen Abteilung zugewiesen wird, die Patientenzufriedenheit, die durchschnittliche Aufenthaltsdauer, Wiederaufnahmen im Akutbereich, Krankenhausinfektionen und eine Reihe von organisatorischen Dingen wie der Patientenumsatz oder die Zahl der Arbeitsunfälle. Tabelle 1 zeigt alle 92 15 Parameter, die derzeit für die HBI-Berichte erhoben werden, und zeigt auf, welche Parameter bei der Überarbeitung verändert oder entfernt wurden. Tabelle 1: Parameter der Qualitätsberichte neuseeländischer Krankenhäuser Neue, alte und frühere, inzwischen entfernte Parameter Unverändert Verändert Neu Entfernt Personalstabilität bzw. -umsatz Krankenstand Akute Wiederaufnahmen Personalstabilität Erkrankungen und Unfälle am Arbeitsplatz Versorgungsassoziierte »Staphylococcusaureus«-Infektionen Aufnahmen am Tage der Operation Prozentsatz erledigter bzw. geklärter Beschwerden Patientenzufriedenheit Tagesbehandlungen Nicht erschienene Angemeldete Nutzung der Ressourcen Durchschnittliche Verweildauer Triage-Zeit bei Notfällen Einnahmen aus Anlagen Vertragserfüllung Verhältnis Kredite/ Aktiva Verhältnis Investititonsausgaben/ Abschreibung Einnahmen aus angelegten Überschüssen Personalkostenrate Verhältnis Umsatz/ Einnahmen Quelle: New Zealand Ministry of Health. DHB Hospital Benchmark Information: Report for the Quarter July±September 2006. Die Überarbeitung der Indikatoren, die auch in Zukunft weiter verbessert werden sollen, zog sich einige Jahre länger hin als erwartet. Den Ausschlag gab schlieûlich das Argument der Transparenz. Formuliert wurden die neuen Parameter von einer eigens zu diesem Zweck gebildeten Arbeitsgruppe aus Gesundheitsministerium und den 21 Gesundheitsbezirken. Die 38 Mitglieder ± 29 davon aus 15 verschiedenen Bezirken und neun aus dem Ministerium ± teilten sich in Arbeitsgruppen auf. Die Überarbeitung dauerte drei Monate, und bis zum Endbericht dauerte es noch weitere vier. 93 Neuformulierung der Indikatoren dauerte Jahre Literatur und Links Walton, Lisa, und Nicholas J. Goodwin. »Public hospital benchmarking«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. http://www.hpm.org/survey/nz/a10/2. Ministry of Health. DHB Hospital Benchmark Information: Report for the Quarter July-September 2006. Wellington: Ministry of Health 2007. www.moh.govt.nz/ moh.nsf/indexmh/dhb-hospital-benchmark-informationreport-julsep06?Open. Ministry of Health. DHB Hospital Benchmark Information: Report for the Quarter October±December 2006. Wellington: Ministry of Health 2007. www.moh.govt.nz/ moh.nsf/indexmh/dhb-hospital-benchmark-informationreport-octdec06?Open. Ministry of Health. 2007/2008 DHB Reporting Requirement S. Part B, p7. Wellington: Ministry of Health 2006. Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit de l Wa n we rt un g ng Be tzu ng Um se ap ge bu set z Ge iep teg Str a otp r Pil Ide e oje kt ier Kanada: Gesundheitsrat gibt Qualitätsempfehlungen Seit Kanada einen sogenannten Gesundheitsrat hat, können die allgemeine und die Fachöffentlichkeit in regelmäûigen Berichten nachlesen, wie es um das kanadische Gesundheitswesen steht. Eingerichtet wurde der Gesundheitsrat im Jahre 2003 durch ein Übereinkommen zwischen Föderation, Provinzen und Territorien (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 2, S. 74). Die Einrichtung ist Teil eines Zehnjahresplans zur Stärkung der Gesundheitsversorgung, der für verschiedene Reforminitiativen den Betrag von 41,3 Milliarden kanadischen Dollar (27,5 Milliarden Euro) bereithält. Dem Gesundheitsrat kommt in dem Zusammen94 hang die Rolle zu, das Verantwortungsgefühl zu heben und vor allem mehr Transparenz zu schaffen. Zu diesem Zweck soll der Rat die Qualität, Effektivität und Nachhaltigkeit des Gesundheitswesens beurteilen. Der erste Bericht zu Fragen des Zugangs wurde 2005 veröffentlicht; 2007 betrachtete der Gesundheitsrat die kanadische Evaluationskultur im Gesundheitswesen und die Transparenz über die Qualität der Versorgung. Ein im Jahr 2006 veröffentlichter Bericht beschäftigte sich speziell mit Fragen der Versorgungsqualität und betrachtete vier Themenbereiche: Patientensicherheit, den Einsatz von Informationsverarbeitung für die Qualitätssicherung, die »Qualitätsräte« in einigen Provinzen sowie Gesundheitsindikatoren und öffentliche Berichterstattung. Erstes Thema im Qualitätsbericht von 2006 war die Patientensicherheit. Ein für diesen Zweck geschaffenes Institut, ins Leben gerufen 2003 von den Premierministern der Provinzen, hat seither eine Kampagne unter dem Titel »Sicherere Gesundheitsversorgung jetzt!« geführt. Das Ziel war, in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen sechs bestimmte Maûnahmen zur Vermeidung von Tod und Behinderung anzuregen: die Einrichtung von Schnellreaktionsteams, die Versorgung mit erfahrungsgestützter Therapie für Herzinfarktpatienten, Vorsorge gegen Irrtümer bei der Medikamentenvergabe und gegen Blutvergiftung nach Katheterisierung, Vorbeugung von Infektionen in der Chirurgie und von Lungenentzündungen durch Ventilatoren. 135 Krankenhäuser beteiligen sich, und ihre Zahl steigt weiter. Parallel dazu unternimmt die Zulassungsbehörde Anstrengungen, Patientensicherheit stärker schon in die Zulassungsbedingungen für Gesundheitseinrichtungen einzubetten. Neue Einrichtungen sind danach gehalten, eine betriebsinterne Sicherheitskultur zu schaffen, die Kommunikation zwischen Versorgern und Patienten effektiver zu gestalten, für Sicherheit bei der Verabreichung von gefährlichen Arzneien zu sorgen, den sicheren Gebrauch von Infusionsmaterial zu gewährleisten, eine sichere Arbeitsumgebung zu schaffen und Krankenhausinfektionen zu vermeiden. Der Gesundheitsrat schlägt nun vor, dass die bisher freiwillige Zulassungsprüfung zur Pflicht wird und dass die Prüfberichte für die Zulassung veröffentlicht werden. Auûerdem empfiehlt der Rat, neu darüber nachzudenken, ob Opfer von verunglückten Operationen oder von Infektionen nicht auch dann entschädigt 95 Rat soll Verantwortungsgefühl und Transparenz schaffen Rege Beteiligung an Projekt für Patientensicherheit Sicherheit schon bei Zulassung groûschreiben Elektronische Krankenakte soll Versorgungsqualität steigern Regionen sollen vergleichbar werden werden sollen, wenn die Klinik kein nachweisbares Verschulden trifft. Ebenfalls im Übereinkommen von 2003 beschlossen die Föderation, die Provinzen und die Territorien die sogenannte »Telegesundheit« zu einer Priorität zu machen und neue Technologien besonders in entlegenen Gegenden einzusetzen, an denen Kanada reich ist. Wie in vielen anderen Ländern soll zunächst eine Art elektronische Krankenakte eingeführt werden. Bis 2010 soll für über 50 Prozent der Kanadier eine solche Akte vorhanden sein. Hinzu kommen Speicher für die Resultate bildgebender Diagnoseverfahren, Arzneimittel- und Laborwert-Informationssysteme. Hier empfahl der Gesundheitsrat ein entschlosseneres Herangehen, mehr Mitteleinsatz und eine bessere Vorbereitung der Öffentlichkeit. Einige Provinzen ± Britisch-Kolumbien, Manitoba und Saskatchewan ± sind bei der Entwicklung von Arzneimittel-Informationssystemen weiter als andere. Das elektronische Rezept ist in Kanada noch nicht die Norm. Dass nur acht Prozent der ¾rzte das Verfahren anwenden, hängt manchmal mit unvollständiger Dokumentation zusammen, liegt aber auch oft daran, dass der Arzt beim Verordnen gerade keinen Computer zur Hand hat. Der Gesundheitsrat schlägt vor, elektronische Verordnungen und die elektronische Krankenakte zu verlinken. Unterstützung kommt vom Gesundheitsrat für die Qualitätsräte, die sich in den Provinzen Saskatchewan (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 1, S. 27), Alberta, Ontario und QuØbec gebildet haben ± und die Empfehlung, solche Räte bis auf die lokale Ebene herab zu schaffen. Schlieûlich hat der Rat sich auch mit den jährlichen Statusberichten der Gesundheitsministerkonferenz beschäftigt. Die Berichte beschreiben den Stand des Gesundheitswesens und beziehen sich dabei auf Struktur-, Verlaufs- und Ergebnisindikatoren wie Wartezeiten, diagnostische und medizinische Ausstattung, Personalstand, Mortalitätsraten u. a. Die Berichte seien schwer vergleichbar, so die Kritik des Rates. Sie beruhten manchmal auf überholten Zahlen und enthielten nicht genug finanzielle Daten, sodass nicht immer ersichtlich sei, wie viel Mittel wohin gegangen seien. Deshalb empfiehlt der Gesundheitsrat, die Berichte an definierte Gesundheitsziele zu binden und jedes Jahr den Fortschritt zu messen. 96 Literatur und Links MacAdam, Margaret. »Health Council of Canada: Quality of Care Renewal«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www.hpm.org/survey/ca/a10/1. Barker, Paul. »An Assessment of the Health Council of Canada«. Presentation. Annual Meeting of the Canadian Political Science Association. Winnipeg 2004. Fooks, Cathy, und Lisa Maslove. »Co-operation for quality in Canada?«. Health Policy Monitor. Oktober 2003. www. hpm.org/survey/ca/a2/3. Fooks, Cathy, und Lisa Maslove. »Accountability in Health Care«. Health Policy Monitor. April 2004. www.hpm.org/ survey/ca/a3/3. Health Council of Canada. Health Care Renewal in Canada: Measuring Up? Annual Report 2007. Ottawa 2007. www. healthcouncilcanada.ca/en/index.php?option=com_ content&task=view&id=136&Itemid=115. Health Council of Canada. Health Care Renewal in Canada: Clearing the Road to Quality. 2006 Annual Report. Ottawa 2006. www.healthcouncilcanada.ca/en/index.php?option= com_content&task=view&id=70&Itemid=72. 97 Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Top-Manager geben Tipps zur Rationalisierung Externe Evaluierung der Ergebnisse Be we rtu ng Wa nd el se tzu ng ng Um bu tzg e pie Ge se pa gie Str ate otp Pil Ide e roj e kt r Niederlande: Schneller ist nicht immer besser »Sneller beter«, ein ehrgeiziges Projekt zur Verbesserung der Krankenhausversorgung in den Niederlanden (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 2, S. 76), ist nach eindrucksvollen Anfangserfolgen nun in den Mühen der Ebene angekommen. Eine erste Bilanz zeigt, dass weitere Erfolge vor allem da winken, wo die Beteiligten die positiven Auswirkungen selber spüren ± dann etwa, wenn sie über eingesparte Beträge selbst verfügen können. Aufgelegt wurde das Programm mit dem eigenwilligen Titel ± zu Deutsch »schneller, besser« ± von der Regierung aus christdemokratischer CDA, der rechtsliberalen VVD und der Mitte-linksPartei der Neuen Demokraten D66, die von 2002 bis 2007 an der Macht war. Am Anfang stand ein Auftrag an vier Spitzenmanager der niederländischen Privatwirtschaft, Rationalisierungsvorschläge zu unterbreiten und dafür die Erfahrungen aus ihren eigenen Branchen zu nützen. Was die vier Industriekapitäne ± Peter Bakker vom Postzusteller TPG, Rein Willems von Shell, Johan van der Werf von der Lebensversicherung Aegon und Ad Scheepbouwer von der Telekom-Gesellschaft KPN ± als ihre Vorschläge unterbreiteten, deckte sich im Wesentlichen mit dem, was auch das Qualitätsinstitut »Centraal begeleidingsorgaan voor interdisciplinaire toetsing« (CBO) schon herausgefunden hatte. Organisatorisch wurde das Programm »Sneller beter« beim staatlichen Gesundheitsforschungsinstitut »Nederlandse organisatie voor gezondheidsonderzoek en zorginnovatie« (ZonMw) angesiedelt. Partner sind CBO und die Erasmus-Universität in Rotterdam. Für die wissenschaftliche Evaluierung sind andere Einrichtungen zuständig: Nivel, das Institut für die Erforschung der Primärversorgung, die Freie Universität Amsterdam und die Universität von Maastricht. Der zweite Schritt nach der Konsultation der Spitzenmanager war die Formulierung von sorgfältig ausgewählten Indikatoren, 98 die verraten sollten, wo Defizite bestanden und Verbesserungen möglich waren. Ein Arbeitskreis fand zusammen mit der Krankenhausgesellschaft, dem Verband der Universitätskliniken und dem Fachärzteverband eine stattliche Reihe von originellen Parametern. So sollte zum Beispiel erhoben werden, wie oft in den ersten 72 Stunden nach einer Operation der Schmerzlevel eines Patienten über den Wert sieben auf der zehnteiligen Schmerzskala steigt. Gezählt wurde auch, wie viele Operationen weniger als 24 Stunden vor dem Termin wieder abgesagt wurden, wie viele Arbeitsstunden Notfallmediziner auf regulären Intensivstationen leisteten oder der Prozentsatz der Diabetiker, die innerhalb eines Jahres zum Augenarzt gehen. Aus den Indikatoren wurde für jede Einrichtung eine »Diagnose« erstellt. Mit neuen Messungen der alten Indikatoren sollte so zugleich der Grad der Verbesserung gemessen werden können. In einem dritten Schritt wurden auf Basis der Diagnose »Leuchtturm-Projekte« ausgemacht. Um den Schwung in der Aktion zu erhalten, wählten die Organisatoren fünf Felder aus, auf denen relativ leicht und vor allem schnell Fortschritte zu erkennen sein würden. Ausgewählt wurden 24 Krankenhäuser von insgesamt 98, die dann wiederum in drei Blöcke aufgeteilt wurden. In den ersten Block kamen die acht voraussichtlichen Spitzenreiter, die anderen 16 in die beiden anderen Blöcke. Die fünf Felder, auf denen es besonders gut und schnell gehen sollte, waren ± Patientensicherheit, einschlieûlich Dekubitus-Prophylaxe, Bekämpfung von postoperativen Wundinfektionen, sichere Arzneimittelverabreichung und Berichterstattung über besondere Vorfälle ± Patientenlogistik, einschlieûlich Produktivität am Operationstisch, reibungslose Arbeitsorganisation ohne unproduktive Wartezeiten und Verfahrensausgestaltung ± Patientenbeteiligung ± Qualität im professionellen Handeln ± Leitungskapazität und Organisationsentwicklung. Auf allen diesen Feldern wurden messbare Ziele vorgegeben. Zu diesen Zielen zählte zum Beispiel, dass die Wartezeit für einen Besuch in der Ambulanz nicht länger als eine Woche betragen durfte. 99 Wie viele Diabetiker gehen zum Augenarzt? Auf fünf Feldern wurde ein »Durchbruch« geplant Fortschritte nur da, wo Ergebnis sichtbar ist »Spitzenreiter«: Nur jeder fünfte erfüllt die Erwartungen Die Produktivität bei Operationen sollte um 30 Prozent steigen, die Zahl der gescheiterten Therapien um 50 Prozent sinken. Auf den Stationen sollten nicht mehr als fünf Prozent der Patienten unter Wundschmerz leiden. Am Ende des Programms sollte jedes fünfte niederländische Krankenhaus die Ziele erreicht haben. Der Block der ersten acht Kliniken, der Spitzenreiter also, ist auf seine Fortschritte hin inzwischen abschlieûend wissenschaftlich evaluiert worden. 77 Projektteams, so die Bilanz, haben genau 113 Verbesserungen erreicht. Ob ein Fortschritt erzielt wird, hängt nach dem Urteil der Evaluatoren stark davon ab, ob die Beschäftigten die Ergebnisse auch sehen und Anerkennung dafür bekommen, indem man ihnen zum Beispiel Gelegenheit gibt, sich an neue Verbesserungen zu wagen. Auch unter den Spitzenreitern hatte nur jedes fünfte Krankenhaus die angestrebten Verbesserungen tatsächlich in einem Jahr umgesetzt ± eine Vorgabe, die eigentlich für alle Krankenhäuser, und nicht bloû für die stärksten hätte gelten sollen. Bei einem Drittel der Top-Krankenhäuser jedoch waren die Ziele definitiv nicht erreicht worden. Beim groûen Rest der Projekte wurde nicht recht klar, wie erfolgreich sie eigentlich waren. Positive Auswirkungen des Programms waren in jedem Falle der systematische Zugang, die Einbeziehung der Klinikleitungen und der Enthusiasmus der Beteiligten. Kein Krankenhaus konnte nur Erfolge oder nur Fehlschläge verbuchen. Was den wirtschaftlichen Gewinn betrifft, schnitten die Projekte zur Logistik, etwa zur Produktivität bei Operationen, besser ab als etwa die Projekte zur Patientensicherheit. Die Einbeziehung der Klinikleitung erwies sich überall als schwierig. Literatur und Links Spreeuwenberg, Cor. »Sneller Beter: improving health care quality«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www.hpm.org/survey/nl/a10/1. Helderman, Jan-Kees, und Anniek Peelen. »Benchmarking: Stimulating efficiency & innovation«. Health Policy Monitor. April 2004. www.hpm.org/survey/nl/b3/1. 100 Wagner, Cordula, Michele Dückers und Monique de Bruijn. Doing the right things right; results and diffusion of large-scale improvement actions. Utrecht 2006. l de Wa n un g Um se tzu ng Be we rtu ng tzg eb pie Ge se pa gie Str ate otp Pil Ide e roj ek t r Australien: Schutz für jeden, der einen Fehler aufdeckt Trotz manch gesetzlicher Zeugenschutzmechanismen stehen Angestellte im Gesundheitswesen, die Kunstfehler, Vergehen und Fehlentwicklungen in ihrem Arbeitsumfeld öffentlich machen, überall auf der Welt im Konflikt zwischen Loyalität und gesellschaftlicher Verantwortung. In Australien sollen Beschäftigte nun weiter ermutigt werden, die Mängel, von denen sie Kenntnis bekommen, auch zu melden. Für das mutige Durchbrechen institutioneller Schweigeregeln kennt das Englische den Begriff »whistleblowing«: Ein Beteiligter bläst laut die Alarmpfeife, wenn er Fehlverhalten wahrnimmt. Das darf nicht mit dem deutschen »Verpfeifen« verwechselt werden, sondern entspricht unserem »Alarm schlagen«. Australien hat seit 1993 kontinentweit und in allen seinen Staaten und Territorien eine spezielle »Whistleblower«-Gesetzgebung entwickelt: Wer illegale, unmoralische oder illegitime Praktiken seines Arbeitgebers oder eines Kollegen aufdeckt, ist vor Nachteilen geschützt. Dem liegt die Einschätzung zugrunde, dass »Whistleblower« in der Organisation des ganzen öffentlichen Sektors eine wichtige Rolle spielen. Eine besondere Richtlinie bestätigt diese Einschätzung auch im klinischen Bereich. Zu denken ist hier vor allem an unnötige Todesfälle und Schädigungen von Patienten. Vorkommnisse aus jüngerer Zeit haben den Schluss nahegelegt, dass die Schutzmechanismen noch nicht ausreichen. 101 Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Wer etwas bemerkt, bläst in die Alarmpfeife Vorhandener Zeugenschutz unzureichend Angst vor Kollegenschelte? Für »Whistleblower« ein schwieriges Terrain Grundelement der bestehenden Gesetzgebung zum Thema ist die Verpflichtung der Regierung, einem angeblichen Missstand, etwa einer berichteten Geldverschwendung oder Bedrohungen für die Gesundheit oder Sicherheit von Menschen, auch nachzugehen. Gleichzeitig muss die Regierung die Identität desjenigen schützen, der den Missstand gemeldet hat. Disziplinarische oder strafrechtliche Verfolgung ist ausgeschlossen. Wer sie trotzdem anstrengt, begeht eine Übertretung. Geprüft werden soll nun, ob der gesetzliche Schutz ausreicht und ob die organisatorischen Abläufe im Gesundheitswesen das »whistleblowing« als letzten Ausweg begünstigen oder nicht. Verdachtsannahme ist dabei, dass Meldungen entweder ganz unterbleiben oder aber dass jemand, der sich trotzdem dazu durchringt, fortan mit dem Misstrauen der Kollegenschaft zu kämpfen hat. Gleichzeitig mit der Gesetzgebung zum Zeugenschutz haben australische Kliniken Initiativen zur Qualitätsverbesserung unternommen. Wichtigstes Mittel dazu war ± wie im gröûten Bundesstaat New South Wales ± die Berufung eines Direktors für Unternehmensführung und eines für Beschwerden zuständigen Ombudsmanns. In den Richtlinien für Unternehmensführung, wie sie in den Kliniken von New South Wales gelten, ist zum Beispiel festgehalten, welcher Umgang mit einer Beschwerde gepflogen werden soll: Sie hat laut Vorschrift ernst genommen und ordentlich untersucht zu werden, und der Beschwerdeführer hat eine Antwort verdient. Von seiner Geheimhaltung der Identität des Beschwerdeführers oder seinem Schutz vor Repressalien ist nicht die Rede. Das Gesundheitswesen richtet, verglichen mit anderen öffentlichen Sektoren, noch zusätzliche Barrieren gegen das »Whistleblowing« auf. Der enge Rahmen aus Zulassungsbestimmungen, Berechtigungsnachweisen, Beurteilung durch Kollegen, Berichterstattung über Unfälle und Mortalitätsraten, Prüfungen und Strategien zum Umgang mit Risiken lässt für den Schutz von »Whistleblowern« wenig Platz. Schlieûlich behindern Unternehmenskultur und Berufsethos die Bereitschaft des Einzelnen, sich mitzuteilen. 102 Literatur und Links Haas, Marion. »Reducing barriers to whistleblowing«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www.hpm.org/survey/ au/a10/4. Brown, Alexander J. »Public Interest Disclosure Legislation in Australia: towards the next generation. Report for Australian Research Council Linkage¬ Project Whistling While They Work¬«. www.griffith.edu.au/centre/ slrc/whistleblowing/. Brown, Alexander J. »Privacy and the public interest disclosure: when is it reasonable to protect whistleblowing¬ to the media«. Privacy Law Bulletin. (4) 2 2007. 19±28. Faunce, Thomas A., und Stephen N. Bolsin. »Three Australian whistleblowing sagas: lessons for internal and external regulation«. Medical Journal of Australia. (181) 1 2004. 44±47. Kruger, Paula. »Doctor pays high price after whistleblowing«. Australian Broadcasting Commission News, Montag 27. August 2007. McMillan, John. »Freedom of Information and Whistleblower Legislation: an Australian perspective«. Paper delivered to the 9th Asian Ombudsman Association Conference. Hongkong, 30. November 2005. NSW Health. Policy Directive. Complaint or Concern about a Clinician ± Principles for Action. Document number PD2006_007. Januar 2006. 103 Arzneimittel: Tauziehen zwischen Finanziers und Herstellern Steigende Arzneimittelkosten machen in vielen Ländern einen wichtigen Anteil an den wachsenden Gesundheitskosten aus. Gemessen an der Kaufkraft sind die Ausgaben für Medikamente pro Person in den letzten 25 Jahren in Deutschland auf das Vierfache, in Frankreich auf das Fünffache, in den USA auf das Achtfache und in Kanada sogar auf das Neunfache gestiegen (Mossialos et al. 2004: 4; siehe Tabelle 2). In allen Industrieländern sind diese Kosten, die sich im Wesentlichen aus dem steigenden Verkaufsvolumen ergeben, seit langem Gegenstand eines beständigen Tauziehens zwischen den Pharma-Herstellern und ihren mit weitem Abstand gröûten Kunden, den Krankenkassen oder den staatlichen Gesundheitsdiensten. Das Kräftemessen findet an vielen Fronten statt: Die allermeisten europäischen Länder nehmen per Gesetz und Verordnung direkt Einfluss auf die Preisbildung für Medikamente (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 7/8, S. 187). Überall geht es um die Förderung von Generika sowie um die Preise für neu eingeführte Medikamente und für solche, deren Patent abgelaufen ist. Wo für die Preisbildung für neue Produkte andere, groûzügigere Regelungen gelten als für den Nachbau eingeführter Präparate, kommen Scheininnovationen auf den Markt, die von echten Neuerungen zu unterscheiden Aufgabe neutraler Fachbehörden ist und deren Prüfung die Kapazitäten oft genug lahmlegt. Weitere Streitpunkte sind Rabatte für Apotheker, Rabatte für Krankenkassen, Packungsgröûen und in Deutschland auch immer noch die Einführung einer »Positivliste«. Von einem multizentrischen Markt mit seinen vielen Akteuren, wie er bei anderen Produkten bis in die Feinheiten der Preisbildung hinein funktioniert, kann auf dem Pharmasektor kaum 105 Fast alle Länder nehmen Einfluss auf Preisbildung Gesundheitsmarkt im herkömmlichen Sinne 106 1,0 1,3 Quelle: OECD-Gesundheitsdaten 2007. 1,2 1,5 1,5 1,9 1,9 0,8 USA 1,4 1,2 1,1 Spanien 1,1 1,2 1,1 1,7 1,0 1,2 1,1 1,6 1,7 1,8 1,2 1,6 0,8 2005 0,8 1,2 0,9 1,4 1,4 1,4 1,7 1 1,4 0,7 1,2 2000 Schweiz 0,9 0,9 1,1 1,4 1,2 1,5 1,1 1,6 1,0 1,3 0,7 0,9 1995 Polen Österreich 0,8 0,6 0,6 Kanada Niederlande 1,4 Japan 0,8 1,6 0,7 Groûbritannien 1,4 0,9 1,1 Frankreich 0,7 0,7 0,7 Finnland 1,2 Neuseeland 1,1 Deutschland 0,6 0,7 1990 Korea 0,5 0,5 1980 Dänemark Australien Gesamtausgaben für Arzneimittel (als Prozent BIP) 9,0 21,0 8,0 11,9 8,5 21,2 12,8 16,0 10,7 13,4 6,0 8,0 1980 9,2 17,8 10,2 9,6 13,8 36,5 11,5 21,4 13,5 16,9 9,4 14,3 7,5 9,0 1990 8,9 19,2 10,0 9,1 11,0 14,8 33,5 13,8 22,3 15,3 16,0 14,1 12,9 9,1 11,2 1995 11,7 21,3 10,7 11,8 11,7 29,5 15,9 18,7 18,2 15,5 13,6 8,8 13,9 2000 12,4 22,9 10,4 28,0 11,6 12,4 27,3 17,7 16,4 16,3 15,2 8,9 2005 Gesamtausgaben für Arzneimittel (als Prozent der Gesamtgesundheitsausgaben) 8,7 64,0 66,7 81,1 24,7 67,6 66,5 46,7 73,7 49,9 43,7 1980 12,5 71,7 66,6 74,6 11,5 32,9 61,1 66,6 61,9 47,4 73,1 34,2 44,8 1990 16,4 71,1 53,3 58,2 88,8 70,1 15,7 33,3 68,3 63,5 62,2 45,3 70,8 48,6 54,0 1995 19,2 73,5 60,8 68,4 58,3 30,8 35,4 66,0 67,9 50,2 72,2 48,7 55,5 2000 24,2 72,5 67,7 37,9 72,8 66,0 50,2 38,7 68,9 56,3 73,3 55,8 2005 Öffentliche Ausgaben für Arzneimittel (als Prozent der Gesamtausgaben für Arzneimittel) 96 76 60 60 67 123 62 108 62 127 53 56 1980 251 155 208 137 136 130 200 240 134 253 131 247 114 118 1990 325 229 257 205 200 184 178 284 345 211 331 201 286 167 195 1995 535 324 341 335 264 230 399 367 454 267 358 209 334 2000 792 517 436 243 409 290 360 589 554 380 498 276 2005 Arzneimittelausgaben pro Kopf (US$ PPPs) Tabelle 2: Arzneimittelausgaben in den OECD-Staaten des Internationalen Netzwerks Gesundheitspolitik (1990±2005) die Rede sein. Ein positiver Wettbewerb ist hier unerreichbar, weil auf dem Gesundheitsmarkt verschiedene Formen von Marktversagen vorherrschen. In einem funktionierenden Markt verfügt der Käufer über alle notwendigen Informationen über Qualität, Wirkung und Preis eines Medikaments; die Leistung, die er einkaufen will, ist vorher klar definiert; der Käufer kann klare Präferenzen entwickeln und diese dann in seinem Kaufverhalten frei umsetzen. Der Gesundheitsmarkt und noch deutlicher der Arzneimittelmarkt erfüllen keine dieser Bedingungen. Lieûe man den Herstellern unter den gegebenen Bedingungen wie in einer echten Marktwirtschaft volle Freiheit der Preisbildung, führte dies nicht zu einer Preisregulierung, sondern zu einem Markt, in dem der Verkäufer seine Vormachtstellung gegenüber dem Kunden zum eigenen Vorteil nutzt (Light und Walley 2004: 348). Entsprechend trifft hier weniger das Bild von einem Marktals das von einem Kampfplatz zu, auf dem sich zwei Parteien gegenüberstehen und jeden Meter Boden verteidigen. Auf der einen Seite findet sich dort im Prinzip ein einziger prosperierender Industriezweig, der weltweit agiert und Verluste im einen Land wenigstens zeitweise durch Gewinne im anderen ausgleichen kann. Auf der anderen Seite stehen die Staaten, die Steuerzahler und in beitragsfinanzierten Krankenkassensystemen wie dem deutschen auch Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Wo der Markt nicht funktioniert, versucht man meist, die Entscheidung über Zulassung, Erstattung und Preisbildung einer Behörde oder einer kundigen Schiedsstelle zu überlassen (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 5, S. 44). Die diskrete Regelung aller möglicher Streitfragen durch eine allseits respektierte Autorität funktioniert aber in einer skeptischen und mit Informationen überfütterten Gesellschaft immer schlechter. Nichts bleibt unhinterfragt, nicht alles wird verstanden, aber alles kann zum Gegenstand öffentlicher Debatte werden. Das gilt erst recht im Gesundheitswesen, weil Gesundheit jeden angeht. Nach den Gesetzen populärer Medien schlägt der schicksalhafte Einzelfall jedes strukturelle Argument. Einmal in einem Fernsehsender oder einer Illustrierten angekommen, hat ein noch so geschickt entworfenes Präventionsprogramm, das Zehntausende Krebstote vermeidet, gegen die Rettung eines Einzelnen aus sicht- und nachvollziehbarer Not keine Chance. Diese Erfahrung 107 Kein Markt, sondern ein Kampfplatz Mediengesellschaft schürt Emotionen statt Argumente Australien: zwei Klassen von Arzneimitteln Ob Spanien oder Finnland: Reformen schlugen fehl Spanien: Kein Paradigmenwechsel muss die polnische Regierung machen, seit sie die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln an das Kosten-Nutzen-Verhältnis bindet (siehe den Bericht über Polen, S. 112). Prompt tauchten in den Medien Fälle von Patienten auf, die ihre liebgewonnenen Medikamente nicht mehr bezahlt bekamen. Eigentliche Zielscheibe der Kampagne ist nach Meinung polnischer Experten die Positivliste erstattungsfähiger Arzneimittel. Aber auch wo keine solchen öffentlichen Kampagnen gefahren werden, verschafft doch deren theoretische Möglichkeit der Pharma-Partei Munition. Konflikte, bei denen das Arsenal hilfreich werden kann, gibt es allenthalben genug. In Australien hat eine Reform zwei Klassen von Arzneimitteln geschaffen: Je nachdem, ob sie kopiert oder innovativ sind, gelten unterschiedliche Regelungen für die Preisbildung. Die Klassifizierung eines neu entwickelten Produkts als »innovativ« ist stets strittig; leicht lassen sich Patientengruppen ausfindig machen, für die die neue, wenn auch gar nicht revolutionäre Entwicklung dennoch eine Verbesserung darstellt. Auch eine mögliche Pressekampagne kann da ihre Wirkung tun (siehe den Bericht über Australien, S. 114). Unter ähnlichen Bedingungen hat eine ursprünglich groû angelegte Reform der Arzneimittelpolitik in Finnland zu einem kläglichen Ergebnis geführt (siehe den Bericht über Finnland, S. 117). Eine Bestimmung, nach der Mittel gegen Bagatellerkrankungen von der Erstattung ausgenommen sind, blieb gegen den Widerstand der Pharma-Industrie zwar formal bestehen, wurde in der Praxis aber wirkungslos: Nicht ein Präparat wurde wirklich ausgeschlossen. Die Aufhebung der Generika-Pflicht für Arzneimittel, die in anderen EU-Ländern patentiert sind, hielt die PharmaIndustrie schlieûlich für Verluste schadlos, die sie gar nicht erleiden musste. Einzige sichtbare Auswirkung der lange debattierten Reform blieb schlieûlich, dass man jetzt Nikotinersatzprodukte auch auûerhalb von Apotheken kaufen kann ± eine Bestimmung, die den Apothekern, nicht aber der Pharma-Industrie missfällt. ¾hnlich gescheitert ist eine Reform in Spanien, wo sich der Verband der Pharma-Industrie direkt mit den politischen Parteien auseinandersetzte (siehe den Bericht über Spanien, S. 119). Sogar mögliche Versorgungsengpässe sollten drohen, argumentierte der Verband. Wie bei hoher öffentlicher Aufmerksamkeit der Applaus zwischen Regierung und Pharma-Industrie verteilt 108 wäre, führte der Verband mit seinem populären Angebot vor, Geld in die Forschung für Medikamente gegen seltene Krankheiten zu investieren. Kompensation für die Schwächung des öffentlichen Interesses in einer für individuelle Schicksale mobilisierbaren Mediengesellschaft ist nicht leicht zu bekommen. Weder die Rückkehr zur unbestrittenen Autorität, die hinter verschlossenen Türen und ohne Debatte entscheidet, noch die Kapitulation ist ein möglicher Ausweg. Der einzig saubere, wenn auch kurzfristig wenig verheiûungsvolle Weg ist nach dem gemeinsam formulierten Urteil des Arztes James Sabin und des Philosophen Norman Daniels die Flucht nach vorn: Entscheidungen nach öffentlicher, transparenter Abwägung, mit fairen Verfahren, die auch eine Berufung zulassen (Daniels und Sabin 2002). Literatur und Links Costa-Font, Joan, und David McDaid. »Pharmaceutical policy in Spain«. Eurohealth. (12) 4 2006. 14±17. Daniels, Norman, und James E. Sabin. Setting Limits Fairly. Can We Learn to Share Medical Ressources? New York 2002. Light, Donald W., und Tom Walley. »A framework for containing cots fairly«. Regulating pharmaceuticals in Europe: an overview: striving for efficiency, equity and quality. Hrsg. Elias Mossialos, Tom Walley und Monique Mrazek. WHO 2004. 348±358. Mossialos, Elias, Tom Walley und Monique Mrazek. »Regulating pharmaceuticals in Europe: an overview«. Regulating pharmaceuticals in Europe: an overview: striving for efficiency, equity and quality. Hrsg. Elias Mossialos, Tom Walley und Monique Mrazek. WHO 2004. 4±37. 109 Transparenz als einziger Ausweg Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Preis unabhängig vom Nutzen Büro für fairen Handel übt Kritik Wa n de l g ert un Be w St ra te gi ep ap ier Ge set zge bu ng Um set zun g otp roj e Pil Id ee kt Groûbritannien: Arzneimittelpreise sollen sich am Wert orientieren Wie die meisten Industriestaaten nimmt auch Groûbritannien direkt Einfluss auf die Bildung von Arzneimittelpreisen. Ein gesetzliches »Regulierungsschema für Pharmazeutika-Preise« (PPRS) orientiert sich am Gewinn, den die Hersteller machen dürfen. Die Firmen können den Preis für einzelne, neu auf den Markt gebrachte Arzneimittel frei festsetzen, wenn sie damit ein bestimmtes Verhältnis zwischen ihrem Gesamtumsatz und ihrem Gewinn nicht überschreiten. Damit ist sichergestellt, dass die Pharma-Hersteller ihre Marktposition nicht für erpresserische Preisbildung nützen. Nun soll das System so reformiert werden, dass der Wert jedes einzelnen Arzneimittels besser erkennbar ist. Zur Ermittlung wertgerechter Preise sind Kosten-Nutzen-Analysen geplant. Im gegenwärtigen System der Preisbildung können die Arzneimittelhersteller die Preise neuer Produkte frei festlegen. Doch ihr Gesamtgewinn ist reguliert: Überschreiten sie eine festgelegte maximale Gewinngrenze, sind sie gezwungen, die Preise ihrer Produkte entsprechend zu reduzieren. Wie und welche Produktpreise sie reduzieren, bleibt den Herstellern überlassen und hat nichts mit dem »Nutzenwert« einzelner Produkte zu tun. Das PPRS-System funktioniert schon seit 50 Jahren. Kontrolliert wird das Verhältnis von Umsatz zum Gewinn alle fünf Jahre. Entsprechend finden auch alle fünf Jahre die pauschalen Preissenkungen statt. Kritik an dieser Methode der Preisregulierung übt das staatliche Büro für fairen Handel (Office of Fair Trading ± OFT). Nach den Vorstellungen des Büros soll künftig die Kosteneffizienz über die Marktchancen von Arzneimitteln entscheiden. Das würde die Pharma-Hersteller anregen, mehr innovative Produkte auf den Markt zu bringen, so die Hoffnung. Darüber hinaus sollen auf 110 diese Weise von den 11,2 Milliarden Euro, die der Nationale Gesundheitsdienst (NHS) für Pharmazeutika ausgibt, 700 Millionen Euro für überflüssige Medikamente eingespart werden. Nach den Vorstellungen des OFT-Büros sollen Kosten-NutzenAnalysen vom Hersteller schon bei der Zulassung eines Medikaments vorgelegt werden. Bietet ein Präparat keinen hinreichenden Nutzen für das Geld, wird der Preis neu verhandelt. Dasselbe soll für alle Medikamente gelten, deren Patente auslaufen. Von dem Moment an, argumentiert das Büro, sind sie Generika, und deshalb müssten von da an ganz andere Kriterien für die Preisbildung gelten. Kosten-Nutzen-Analysen sind dem britischen Gesundheitswesen nicht mehr fremd, seit die Regierung 1999 das National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) ins Leben gerufen hat. Das Institut unterwirft schon jetzt medizinische Dienstleistungen solchen Analysen. Die Ausweitung der Tätigkeit auf die Preisbildung bei Arzneimitteln läge damit in der Logik der Entwicklung. Noch allerdings ist das neue System nicht präzise umrissen und noch weniger Gegenstand einer öffentlichen Diskussion. Widerstände aber kommen bereits aus der Pharma-Industrie: Sie fürchtet zweckwidrige Auswirkungen auf Forschung und Entwicklung. Dabei haben die bisherigen Kosten-Nutzen-Analysen von NICE eher zu einer Steigerung der Arzneimittelausgaben geführt, da die Hersteller ihre Preise oft so kalkulieren, dass der Kosten-Nutzen gerade noch unterhalb des vom NICE angewendeten Schwellenwertes liegt. Zudem ist wertbasierte Preisbildung in vergleichbaren Ländern wie Schweden, Australien und Kanada schon Wirklichkeit geworden ± und letztendlich auch in Deutschland mit den neu eingeführten »Höchstpreisen« auf der Basis von Kosten-Nutzen-Evaluationen durch das Institut für Wirtschaftlichkeit und Qualität im Gesundheitswesen (IQWiG) beabsichtigt. Eingeführt werden kann das neue Prinzip frühestens 2010, wenn das PPRS-System zwischen Staat und Pharma-Herstellern neu verhandelt wird. 111 Kosten-NutzenAnalysen in Groûbritannien nicht neu Pharma-Industrie bangt um Forschung und Entwicklung Literatur und Links Oliver, Adam. »Reforming the pharmaceutical pricing mechanism«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www. hpm.org/survey/uk/a10/1. Claxton, Karl. »OFT,VBP:QED?«. Health Economics. (16) 6 2007. 545±58. Department of Health. »Dept of Health to reopen negotiations on the PPRS«. Government News Network. 2. August 2007. www.gnn.gov.uk/environment/fullDetail.asp? ReleaseID=304805&NewsAreaID=2&NavigatedFrom Department=False. Webb, David J., und Andrew Walker. »Value-based pricing of drugs in the UK«. Lancet. (369) 9571 2007. 1415±1416. Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Öffentlichkeit leicht manipulierbar Wa n de l ng rtu we Be zun g set eb tzg se Um pie Ge pa gie Str ate otp Pil Ide e roj ek t r un g Polen: Arzneimittelpolitik im Scheinwerferlicht Um eine vergleichsweise bescheidene Reform der Erstattung für Arzneimittelkosten ist eine öffentliche Debatte entbrannt. Das umstrittene Gesetz bringt die polnischen Bestimmungen des Jahres 2001 mit neuen EU-Richtlinien in Einklang (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 7/8, S. 208±210). Zweck ist, bei geänderten Regeln für die Erstattung für alle Patienten den gleichen Zugang zu Arzneimitteln offenzuhalten und ökonomisch rationale Regeln für die Erstattung zu erreichen. Aus verschiedenen Erstattungslisten soll in Zukunft eine Positivliste erstattungsfähiger Arzneimittel werden. Unstrittig ist sowohl die Anpassung an europäische Richtlinien als auch der Grundsatz, das Kosten-Nutzen-Verhältnis eines Medikaments zur Grundlage der Erstattung zu machen. Trotzdem finden sich die wesentlichen Akteure ± Patienten, Pharma-Indus112 trie, Gesundheitsminister und nationaler Gesundheitsdienst ± in konkreten Fragen meistens auf verschiedenen Seiten. Regierung und Gesundheitsdienst treten für strengere Preiskontrolle ein, die Pharma-Industrie ist dagegen. Die Öffentlichkeit, einschlieûlich der Patienten, erweist sich als schwankend und leicht manipulierbar. Den stärksten Eindruck auf sie machen einzelne, vom Fernsehen und der Presse kolportierte Fälle, in denen Patienten ihre gewohnten Medikamente nicht mehr erstattet bekommen. Die Pharma-Industrie kämpft nach wie vor gegen die Positivliste mit erstattungsfähigen Arzneimitteln, auch wenn sie ihre Haltung zurzeit nicht offen zu Markte trägt. Sie überlässt das Feld stattdessen den Medien, die ohnehin kampagnenartig gegen die Zustände im Gesundheitswesen zu Felde ziehen. Neben der Korruption unter Gesundheitsfachkräften, Bestechung durch PharmaKonzerne und der Auswirkung von Streiks auf Kranke steht auch die Erstattung von Medikamenten und Therapiekosten im Fokus der Aufmerksamkeit. Die Haltung der übrigen Anbieter im Gesundheitswesen schwankt. Besonders die ¾rzte sehen sich unter Druck, seit Fernsehsender Antikorruptions-Shows produzieren. Auf der anderen Seite steht der Berufsstand unter dem Einfluss der Pharma-Industrie. So beschwerten sich die ¾rzte über die neue Bestimmung, nach der sie auf jedes Rezept die Versicherungsnummer des Patienten schreiben müssen. Bisher war es gängige Praxis, dass man sich ein Medikament auf den Namen von jemand anderem ausstellen lieû. Die ¾rzte argumentieren, für solche Extra-Handgriffe hätten sie nicht genug Zeit: Die Vergütung für die Behandlung von Patienten sei zu gering und als Folge davon die Zahl der Patienten pro Tag zu hoch. Allgemein werden Medikamente in Polen nur von Krankenhäusern kostenlos abgegeben. Für vom Arzt verschriebene Arznei zahlt der Patient zu. Alle Arzneimittel werden in zwei grundsätzliche Klassen eingeteilt: Grundmedikamente und sogenannte Zusatzmedikamente. Bei Grundmedikamenten von der Positivliste und bei eigens zubereiteter Arznei fällt ein fester Satz an, während bei den Zusatzmedikamenten 30 bis 50 Prozent des Preises vom Patienten zu tragen sind. Bei den Grundmedikamenten beträgt die Zuzahlung maximal einen Euro, bei zubereiteter Arznei maximal vier Euro. 113 ¾rzte teils unter Druck, teils unter Pharma-Einfluss Generika, innovative und »einzigartige« Medikamente Für die Aufnahme in die Liste werden alle Medikamente in drei Kategorien eingeordnet: Generika, innovative sowie »einzigartige« Medikamente, die nicht ersetzt werden können, weil sie die einzigen sind, die eine bestimmte therapeutische Wirkung entfalten. Generika werden nur erstattet, wenn sie einen Test auf Bioäquivalenz bestanden haben. Ihr Preis muss um 30 Prozent unter dem eines Markenmedikaments liegen. Innovative Medikamente werden nach dem Gesetz dann erstattet, wenn das KostenNutzen-Verhältnis nachgewiesenermaûen stimmt. Literatur und Link: Mokrzycka, Anna. »Changes in the drug reimbursement system«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www. hpm.org/survey/pl/a10/3. Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit l de Wa n we rtu ng ng Be tzu se eb tzg se Um pie Ge pa gie Str ate otp Pil Ide e roj ek t r un g Australien: Preisreform schafft zwei Klassen von Arzneimitteln Das sogenannte Arzneimittel-Leistungspaket (Pharmaceutical Benefit Scheme ± PBS), das den Australiern subventionierten Zugang zu Medikamenten ermöglicht, musste wegen hoher Ausgabensteigerungen gründlich reformiert werden. Ziel war, mehr Gewinn aus der Konkurrenz unter den Generika zu ziehen und zugleich einige Medikamente aus der Preiskonkurrenz herauszunehmen. Aus einer Formel wurden so zwei: Gruppe eins umfasst jetzt Markenpräparate, die nicht gegen ähnliche Produkte ausgetauscht werden können. Zu dieser Gruppe gehören patentgeschützte, aber auch einige nicht patentgeschützte Arzneimittel. Zur Gruppe zwei schlieûlich gehören alle Medikamente, für die es wenigstens ein klinisches ¾quivalent gibt ± also die meisten Generika. Nach der Reform soll es für Medikamente der Gruppe eins keine verpflichtende Preisreduzierung geben. Auch die Formel 114 für die Gruppe zwei wurde geändert. Bisher (d.h. bis Juli 2008) mussten alle Medikamente um 12,5 Prozent billiger werden, sobald ein neues klinisches ¾quivalent beim PBS registriert wurde. Künftig sollen Medikamente der Gruppe 2, bei denen die Preiskonkurrenz niedrig ist, zusätzlich in den nächsten drei Jahren um zwei Prozent jährlich billiger werden. Wo hohe Konkurrenz herrscht, ist ein einmaliger Preisabschlag um 25 Prozent vorgesehen. Erwartet wird nun, dass die Arzneimittelhersteller Argumente suchen und gewiss auch finden werden, um ihre Produkte in die Gruppe eins einzuordnen: etwa dass ihr Präparat wenigstens für bestimmte Patientengruppen einen höheren Wert darstellt als ein mögliches Konkurrenzprodukt und diesem also klinisch nicht äquivalent ist. Um ihr Präparat in die Gruppe eins zu hieven, müssen die Hersteller lediglich geltend machen können, dass ihr Arzneimittel nicht »auf der Ebene des einzelnen Patienten austauschbar« ist. Daneben will die Regierung garantieren, dass die verordneten Preisabschläge bei den Generika auch wirklich beim Verbraucher ankommen. Bisher sind die Reduktionen häufig bei den Apothekern hängengeblieben, weil Konkurrenz zwischen den Herstellern die Endpreise unter die Erstattung durch das PBS fallen lieû. Die neue Regelung ist schon ein Kompromiss. Ursprünglich hatte die Regierung verfügt, dass alle Arzneimittel nach Ablauf der Patentfrist pauschal um 12,5 Prozent billiger würden. Die Maûnahme stieû auf Protest bei den Pharma-Herstellern. Vier Firmen setzten die niedrigeren Preise nicht um; für ihre Produkte müssen Versicherte jetzt rund drei Euro und Nichtversicherte sogar gut 18 Euro zuzahlen. Eine Herstellerfirma konnte die Regierung von der höheren Wirksamkeit eines ihrer Präparate überzeugen und damit der Preissenkung entgehen. Die zweite Runde der Reform kam nun in Abstimmung mit den Pharma-Herstellern zustande ± obwohl deren Bedenken nicht ausgeräumt wurden. Zusätzlich sollen Apotheken für jedes abgegebene Medikament, dessen Preis den PBS-Erstattungsbetrag nicht überschreitet, knapp einen Euro zusätzlich verrechnen können. Die Bestimmung soll den Apotheken einen Anreiz bieten, Generika gegenüber Markenpräparaten den Vorzug zu geben. 115 »Unersetzliche« Medikamente ohne Preisreduzierung Pauschale Reduzierung nicht umgesetzt Werden Preissenkungen durch Zuzahlungen kompensiert? Kritiker bemängeln, dass die Preise in den beiden neu geschaffenen Gruppen von Arzneimitteln nicht aufeinander bezogen sind. Ist ein Medikament in der Gruppe eins, muss es nach klinischer Prüfung nicht mehr ± bzw. darf sogar weniger ± wirksam sein als ein Präparat der Gruppe zwei, und es darf trotzdem mehr kosten. Überdies herrscht die Befürchtung, dass Generika nach der neuen Regelung in Australien immer noch teurer wären als in vergleichbaren Industrieländern. Bisher gelten neue Medikamente in Australien als vergleichsweise billig und Generika als vergleichsweise teuer. Von anderer Stelle kam der Hinweis, dass die Einführung der Gruppe eins Folge eines Freihandelabkommens mit den USA sei. Es wird befürchtet, dass an die Stelle verordneter Preisreduzierungen künftig höhere Zuzahlungen treten könnten und dass die Kämpfe um Patentierung neuer Wirkstoffe noch erbitterter ausgetragen werden könnten. Literatur und Links van Gool, Kees. »Pharmaceutical prices: reforms 2007«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www.hpm.org/ survey/au/a10/1. Department of Health and Ageing. Strengthening Your PBS ± Preparing for the Future. Canberra 2007a. www.health.gov. au/internet/wcms/publishing.nsf/Content/Strengthen ing-your-PBS.htm. Department of Health and Ageing. Formulary listing. Canberra 2007b. www.health.gov.au/internet/wcms/publish ing.nsf/Content/B631AE281B89C9D7CA2572AB0005E E96/$File/Formulary%20Allocations_1%20September% 202007.pdf. Faunce, Thomas. »Reference pricing for pharmaceuticals: is the Australia-United States Free Trade Agreement affecting Australia's Pharmaceutical Benefits Scheme?«. Medical Journal of Australia. (187) 4 2007. 240±242. www. mja.com.au/public/rop/contents_rop.html. Searles, Andrew Maxwell, Susannah Jefferys, Evan Doran und David Alexander Henry. »Reference pricing, gene- 116 ric drugs and proposed changes to the Pharmaceutical Benefits Scheme«. Medical Journal of Australia. (187) 4 2007. 236±239. www.mja.com.au/public/rop/contents_ rop.html. van Gool, Kees. »Pharmaceutical pricing«. Health Policy Monitor. Oktober 2005. www.hpm.org/survey/au/a6/2. Be we rtu ng Wa nd el un tzg eb se tzu ng Um g pie Ge se pa Str ate gie otp Pil Ide e roj ek t r Finnland: Raucher-Kaugummi einziger sichtbarer Erfolg der Arzneimittelreform Finnlands Arzneimittelreform (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 6, S. 112) zeitigt erste ± höchst widersprüchliche ± Ergebnisse: Die Preise sind generell gesunken, und Nikotinersatzprodukte sind leichter zugänglich und auch billiger geworden. Der Anwendungsbereich von Generika aber ist geschrumpft. Eckpunkte der Reform waren der Ausschluss einiger Arzneimittel von der Erstattung, eine fünfprozentige Senkung der Höchstpreise im Groûhandel und die Freigabe des Verkaufs von Nikotinersatzprodukten in Geschäften, Kiosken und an Tankstellen, wenn dort auch Zigaretten verkauft werden. Nicht mehr erstattet werden Präparate, wenn sie nur gegen Bagatellerkrankungen wirken, keinen signifikanten Nutzen darstellen oder nicht zur Behandlung einer Krankheit gebraucht werden. Zuvor waren Medikamente nur dann von der Erstattung ausgeschlossen, wenn sie zu teuer waren. Damit der finnische Markt für die Pharma-Industrie interessant bleibt, wurden Medikamente mit Patenten in fünf europäischen Ländern von der obligatorischen Substitution durch ein Generikum ausgenommen. Als schwierig erwies sich der Ausschluss der schwach wirksamen Medikamente von der Erstattung. Die Definitionen »Baga117 Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Keine Erstattung mehr bei Bagatellerkrankungen Groûhandelspreise um fünf Prozent gesenkt Nikotinersatzprodukte nicht mehr nur in Apotheken tellerkrankung«, »nur zeitweiser Gebrauch« und »unbedeutender Nutzwert« erwiesen sich als uneindeutig, und wenn etwas als »schwach wirksam« beurteilt wurde, galt das oft für bestimmte Patientengruppen nicht. Tatsächlich wurde nicht ein einziges Medikament ausgeschlossen. Erfolgreich dagegen war die fünfprozentige Senkung der Preise im Groûhandel. Die Pharma-Hersteller hatten gegen die Regelung protestiert und vorab angekündigt, sie müssten einige Medikamente ganz aus dem Erstattungsbereich herausnehmen, wenn die Preissenkung wahr würde. Der Drohung folgten aber keine Taten. Als Folge der Preissenkung gingen die Gesamtausgaben für Arzneimittel von 2006 auf 2007 um 0,7 Prozent zurück, nachdem sie im Jahr zuvor noch um 6,7 Prozent gestiegen waren. Auf der anderen Seite wurde die Einschränkung der Generika-Pflicht teurer als die erwarteten 20 Millionen Euro. Nachdem es dafür wie zu erwarten Kritik hagelte, gehen Experten davon aus, dass die Bestimmung bald wieder auf die Tagesordnung kommt. Die Freiverkäuflichkeit von Nikotinersatzprodukten galt als eine Art Tabubruch: Bisher gilt in Finnland für alle Medikamente strikte Apothekenpflicht. Schon im Januar 2007, gleich nach Inkrafttreten der Reform, wurden die Präparate auûer in den etwa 1.000 Apotheken auch in 2.375 Geschäften, an 355 Tankstellen und 714 Kiosken verkauft. Der Umsatz mit den Präparaten stieg um stolze 41 Prozent, von denen ein Teil allerdings bloû Füllung der Lager war, und die Preise sanken wegen der Konkurrenz und dem Wegfall der Apothekengebühr um 15 Prozent. Derzeit sind die Präparate in Apotheken teurer als anderswo. Dafür findet man hier aber das breitere Sortiment. Eine ministerielle Arbeitsgruppe hat empfohlen, den Verkauf von Nikotinersatzprodukten künftig auch in Restaurants und in solchen Geschäften zu gestatten, die keine Zigaretten verkaufen. Literatur und Links Vuorenkoski, Lauri. »Reform on pharmaceuticals ± Follow up«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www.hpm. org/survey/fi/a10/5. 118 Vuorenkoski, Lauri. »Reform of legislation concerning pharmaceuticals«. Health Policy Monitor. Oktober 2005. www.hpm.org/survey/fi/a6/1. Vuorenkoski, Lauri. »Generic substitution of prescription drugs«. Health Policy Monitor. April 2005. www.hpm.org/ survey/fi/a5/6. Working group memorandum (expanded sales of nicotine replacement preparations), Ministry for Social Affairs and Health 2007: 21. www.stm.fi/Resource.phx/publish ing/documents/10602/summary_en.htx. l de Wa n we rtu ng ng Be tzu Um se set zge bu ng pie Ge pa gie Str ate otp r Pil Ide e oje kt r Spanien: Reform scheitert an der Pharma-Industrie Starke Einflussnahme von Pharma-Industrie, Arbeitgebern und ¾rzteschaft hat eine geplante Reform der Preisbildung bei Arzneimitteln weitgehend scheitern lassen. Mit der Förderung der allgemeinen Konkurrenz und eines gröûeren Marktanteils für Generika hätte die Reform eigentlich einen paradigmatischen Wandel in der spanischen Arzneimittelpolitik einleiten sollen. Heraus kam ein weiterer Schritt auf dem seit langem begangenen Weg, durch Preiskontrolle und üppige Regulierung eine Dämpfung der Ausgaben zu erreichen (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 7/8, S. 196; und Gesundheitspolitik in Industrieländern 5, S. 58). Übrig blieben von den Reformzielen ein 20-prozentiger Preisabschlag auf alle Medikamente, die länger als zehn Jahre auf dem Markt sind und für deren Wirkstoff es in Spanien noch kein Generikum gibt, sowie die Einführung der sogenannten »Bolar«Bestimmung, die es einem konkurrierenden Hersteller erlaubt, die Markteinführung eines Generikums schon dann vorzubereiten, 119 Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Preisabschlag für Altmedikamente Kein Wandel zu mehr Rationalität im Verbrauch Pharma-Industrie drohte mit Versorgungsengpässen wenn der Patentschutz für das kopierte Arzneimittel noch läuft. Mit dem neuen Gesetz kann der Herstellerpreis schrittweise herabgesetzt werden, wenn der errechnete Referenzpreis (in Deutschlands gesetzlicher Krankenversicherung »Festbetrag« genannt) um 30 Prozent darunter liegt. Medikamente mit bio-äquivalentem Wirkstoff schlieûlich werden in eine Gruppe mit gleichem Referenzpreis eingeordnet. Stellen die Arzneimittel einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen dar, werden sie für fünf Jahre von der Bestimmung ausgenommen. Hinzu kommen ein Verbot von Rabatten, eine kodifizierte Vormachtsrolle für die ¾rzte und die Stärkung der Wächtermechanismen. Die Referenzpreise stellen nach dem neuen Gesetz das arithmetische Mittel der drei billigsten Tagesdosen für eine bio-äquivalente Arzneimittelgruppe dar. Präparate, für die der Hersteller die verordneten Preisabschläge nicht umsetzt, werden vom nationalen Gesundheitsdienst nicht mehr finanziert. Wie oft der Referenzpreis neu ermittelt wird, ist nun in das Ermessen der Behörde gestellt. Experten stellen der Reform kein gutes Zeugnis aus. Ein eigentlich erforderlicher spürbarer Wandel, der sich auf mehr Rationalität beim Arzneimittelverbrauch hätte richten sollen, bleibe aus. Darüber hinaus verhindere die Reform in ihrer groûen Bandbreite sogar die Anwendung intelligenterer Erstattungsmechanismen, etwa von erfahrungsgestützten Informationsmechanismen, die eine selektive Finanzierung von Medikamenten je nach ihrem therapeutischen Nutzen ermöglichen würden. Für diesen Zweck müsse eine hoch spezialisierte und von den Interessen der Beteiligten unabhängige Agentur geschaffen werden. Vermisst werden überdies deutliche Fortschritte bei der Festlegung von Kriterien, mit denen die Bereitschaft gemessen wird, für Innovationen im Sinne eines besseren Kosten-Nutzen-Verhältnisses zu forschen. Befürchtet wird nun, dass sich der Preisanstieg trotz möglicher kurzfristiger Entlastung fortsetzt. Hauptgründe sind zum einen, dass die Anreize zur Kostenersparnis zu schwach sind, zum anderen der Mangel an Konkurrenz in allen Phasen der Produktion, des Absatzes und des Verkaufs. Die Pharma-Industrie hatte im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens davor gewarnt, dass die Reform das Wachstum und die Innovationskraft der Branche gefährde und dass es sogar zu Ver120 sorgungsengpässen kommen könne. Erleichtert wurde ihr Einfluss durch die Konzentration des Gesetzgebungsverfahrens auf die zentrale Ebene. Initiativen von Regionen und des sogenannten Interterritorialen Rates, die sich alle auf eine weitergehende Reform gerichtet hätten, wurden so ausgeschaltet. Die ¾rzteschaft lieû sich mit einer Stärkung ihrer Rolle zufriedenstellen: Ein Arzt kann nunmehr Generika verordnen, ohne dass der Apotheker stattdessen ein Markenpräparat abgeben dürfte. Abbildung 5: Positionen zur Reform der Arzneimittelpolitik in Spanien Positionen sehr unterstützend 1 kein Einfluss 2 4 5 6 7 3 sehr großer Einfluss stark dagegen 1 Patienten/Verbraucher 5 Regionalregierungen 2 Ärzte, Generika-Hersteller 6 Apotheker 3 Zentralregierung 7 Pharma-Industrie, Pharmazeutischer Großhandel 4 Pflegekräfte Quelle: Ferragut 2007. 121 Pharma-Verband bietet Tauschhandel Im Laufe der Debatte kam es zu einer scharfen Konfrontation zwischen Farmaindustria, dem spanischen Verband der pharmazeutischen Industrie, sowie dem Arbeitgeberverband auf der einen und dem Verband der Generika-Hersteller auf der anderen Seite (siehe auch Abbildung 5). Gegenstand war das Patentsystem. Um zu demonstrieren, welches Verhängnis von der geplanten Reform drohte, hielt Farmaindustria mehrere Treffen mit politischen Parteien ab. Schlieûlich bot der Verband an, bis 2012 300 Millionen Euro in die Erforschung von ausgefallenen Krankheiten zu stecken, wenn das geplante neue Patentsystem nicht verabschiedet würde. Umgesetzt werden die neuen Bestimmungen vom Interterritorialen Rat des nationalen Gesundheitsdienstes. Dort hält die Zentralregierung eine Stimmenmehrheit. Eine Evaluierung der Folgen des Gesetzes ist nicht vorgesehen. Der Spareffekt wird von der Regierung auf eine Milliarde Euro im Jahr 2007 geschätzt. Unabhängige Experten erwarten dagegen von der Reform nur moderaten Einfluss und beklagen, die wirklichen Probleme des spanischen Arzneimittelmarktes seien nicht angegangen worden. Literatur und Links Ferragut Ensenyat, Gabriel. »Update on Pharmaceutical Policy in Spain«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www.hpm.org/survey/es/a10/4. Puig-Junoy, Jaume. »Pharmaceutical Plan For The Spanish NHS«. Health Policy Monitor. April 2005. www.hpm.org/ survey/es/a5/3. Sµnchez, Elvira. »Rationalizing use of drugs and health products«. Health Policy Monitor. April 2006. www.hpm. org/survey/es/a7/3. 122 Mehr Wahlmöglichkeiten durch Privatisierung und Gutscheine? Versuche, die ewige Auseinandersetzung über das rechte Verhältnis von Markt und zentraler Planung radikal nach einer Seite hin aufzulösen, sind heute die Ausnahme. Der ideologische Grundsatzstreit im Gesundheitswesen ist einem pragmatischen Herangehen gewichen. Überall werden Elemente von Angebot und Nachfrage und Elemente zentraler Planung auf mehr oder weniger glückliche Weise miteinander kombiniert (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 5, S. 18±30). Dem entspricht auf der Finanzierungs- und der Angebotsseite die Vielfalt von staatlichen, halbstaatlichen, gemeinnützigen und privaten Akteuren. Das heiût nicht, dass das Verhältnis von Markt und Planung, öffentlicher und privater Organisation dem politischen Streit schon entzogen wäre. Im Gegenteil: Gerade weil es ständig um die Balance beider Elemente geht, wird anhaltend diskutiert und verhandelt. Nur die Extreme auf beiden Seiten können eben wenig überzeugen. Privat organisiert und gewinnorientiert ist in der weltweiten Übersicht besonders häufig die Anbieterseite ± und hier besonders die Primärversorgung und die ambulanten Pflegedienste. Seltener sind auch Krankenhäuser so organisiert. Auf der Finanzierungsseite bestehen, zumindest in Industrieländern, fast überall kollektive Systeme, als Staat oder als gesetzliche Pflichtversicherung organisiert. Eine Teilprivatisierung stellen auf der Finanzierungsseite aber die zunehmenden Zuzahlungen dar, die Erkrankte aus eigener Tasche bezahlen müssen (WHO 2002: 4±8). Rein staatliche, nach den Regeln der öffentlichen Finanzverwaltung betriebene Systeme verkommen nach der Erfahrung über die Zeit zur reinen Kulisse, hinter der sich eine illegale, aber sehr rege und besonders rigorose Marktwirtschaft etabliert. Eine rein 123 Befürworter und Gegner dauerhaft mobilisiert Staatliche Systeme als Kulisse für Marktrigorismus Markteuphorie wich der Ernüchterung Jedem Land seine eigene Organisation administrative Rationierung der knappen Gesundheitsleistungen lässt sich unter den Bedingungen von Demokratie und Marktwirtschaft nicht ohne Weiteres durchsetzen. Mit »schuld« daran ist die Schwerfälligkeit administrativer Systeme, bedingt vor allem durch die Pflicht zu Gleichbehandlung, Transparenz und Nachvollziehbarkeit, die sie gegenüber privaten Akteuren ins Hintertreffen setzt. Auf der anderen Seite ist auch die Euphorie über die Segnungen des Marktes im Gesundheitswesen, wie sie weltweit in den frühen 80er Jahren aufkam und bis weit in die 90er hinein vorhielt, der Ernüchterung gewichen. In den USA, dem Kernland marktwirtschaftlichen Denkens, treten inzwischen Arbeitgeber und wertkonservative Politiker für eine allgemeine Krankenversicherung ein. Neue, bessere Versorgungsformen legen zudem wieder kollektive Organisationsformen nahe. Unwiderlegbares Argument der Marktskeptiker ist das der asymmetrischen Information: Wer als Kunde vernünftig auswählen will, muss das Angebot kennen und beurteilen können ± in der hoch spezialisierten Medizin eine unerfüllbare Anforderung. Dass der Patient wie der Käufer »zu Markte geht«, ist schon als Metapher schief: Viele Patienten und eben jene, die den höchsten Bedarf haben, können gar nicht gehen. Nicht zuletzt lässt sich klar nachweisen, dass in privat orientierten Systemen der Anteil der Gesundheitskosten am Bruttoinlandsprodukt am höchsten ist. Wie im Einzelnen marktwirtschaftliche Elemente und geplante Ressourcenverteilung zueinander ins Verhältnis gesetzt werden, orientiert sich nicht an der weltweit gültigen, abstrakten Zweckmäûigkeit, sondern viel stärker an nationalen Kulturen (siehe WHO 2002: 3). Wo die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen absolut gesetzt wird und jeder als seines Glückes Schmied gilt, ist die Tendenz zu Marktmechanismen am gröûten. In den gefestigten Nationalstaaten des »alten Europa«, mit seinen alten sozialstaatlichen Traditionen, stehen Gerechtigkeit und Solidarität im Wertesystem weit oben. Die Verteilung der Ressourcen nach individueller Zahlungskraft, so die verbreitete Überzeugung, hat da haltzumachen, wo es um Leben und Tod geht. Wenn es hier zu Privatisierungstendenzen kommt, dann bewegen diese sich auf einem Spektrum, in dem hybride Formen groûen Raum einnehmen (siehe Abbildung 6). 124 Abbildung 6: Das Kontinuum der Privatisierung Hybride Organisationen Neue Organisationsformen Interne Transformation »Public-PrivatePartnerships« Komplette Privatisierung Outsourcing Quelle: WHO Europe 2007: 247. Auf den ersten Blick Refugium einer »klaren« im Sinne von ideologisch reinen Organisation des Gesundheitswesens ist der Stadtstaat Singapur (siehe den Bericht über Singapur, S. 127). Aber auch hier beschränkt sich der Staat nicht nur darauf, seine Bürger für den Krankheitsfall zum individuellen Sparen zu nötigen, sondern hat diese »MediSave«-Gesundheitssparkonten mit einem Subventionssystem für Krankenhausaufenthalte untermauert (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 7/8, S. 84±85). Ein genauerer Blick verrät aber auch, warum das in Singapur funktioniert: Das Gesundheitswesen ist ein prosperierender Exportsektor und zieht Patienten aus ganz Asien an. Vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, ist es damit ein Aktivposten. Die Zahl der Krankenhausbetten, ständige teure Innovationen: Was anderswo als volkswirtschaftlicher Kostenfaktor mit groûem Aufwand eingedämmt wird, wird in Singapur mit staatlicher Hilfe noch gefördert. Umgekehrt nutzt das nicht minder kleine Dänemark das Ausland, um den eigenen Krankenhäusern produktive Konkurrenz zu machen: Wer zu lange auf eine Operation warten muss, soll sich auf Kosten des nationalen Gesundheitsdienstes im Ausland ± oder in einer dänischen Privatklinik ± behandeln lassen dürfen (siehe den Bericht über Dänemark, S. 130). In groûen Flächenstaaten funktioniert der Rückgriff auf das Ausland nicht. Hier kann die marktwirtschaftliche Ordnung des Gesundheitswesens vielmehr erhebliche negative Folgen in der 125 Singapur und Dänemark: Rückgriff auf das Ausland Marktorientierung führt zu regionalen Verwerfungen Staatliches Gegensteuern ist schwierig Siedlungsstruktur nach sich ziehen. Wo die Kaufkraft gering ist, siedeln sich keine privaten Anbieter an, sodass für Teile der Bevölkerung wichtige Versorgung praktisch unerreichbar wird. Wo die Kaufkraft hoch ist, ballen sich dagegen die Spezialisten und erzeugen sich die Nachfrage in ihrer schon bestens versorgten Klientel zur Not selbst. Beides kann Ab- und Zuwanderung verstärken. In Frankreich hat die private Organisation der Hauskrankenpflege zu einer krass ungleichen Verteilung von Ressourcen vor allem im regionalen Rahmen geführt: Paris und Umgebung sowie die Côte d'Azur sind stark über-, periphere Regionen auf dem Lande dagegen ebenso stark unterversorgt (siehe den Bericht über Frankreich, S. 132). Jetzt muss der Staat wieder eingreifen. ¾hnliche Erfahrungen hat Finnland mit seiner extrem niedrigen Bevölkerungsdichte gemacht: Ein Gutscheinsystem für ambulante Leistungen will in den entlegenen Gebieten nicht funktionieren (siehe den Bericht über Finnland, S. 134). Um den regionalen Personalmangel zu lindern, haben auch das streng föderale Kanada und Australien wieder landesweit anerkannte Abschlüsse einführen müssen. In Kanada stellen die Provinz- und Territorialregierungen detaillierte Pläne für die Fachkräfteentwicklung in den nächsten zehn Jahren auf und setzen dabei auch auf neue sektorübergreifende Berufsbilder (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 7/8, S. 172±174). Auch Australien arbeitet an einem Zehnjahresplan, der frühere Fehlsteuerungen bei der Personalentwicklung korrigieren soll. Vor allem will man die Registrierung von medizinischem Personal entbürokratisieren, mehr Ausbildungs- und Studienplätze schaffen und die Ausbildungsqualität verbessern (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 7/8, S. 177±179). Literatur und Links Atun, Rifat. »Privatization as decentralization strategy«. Decentralization in Healthcare. WHO 2007. 246±272. Busse, Reinhard, Anette Zentner und Sophia Schlette. »Finanzierung und Privatisierung«. Gesundheitspolitik in Industrieländern 5. Gütersloh 2006. 18±43. 126 WHO Europe. The Role of the Private Sector and Privatization in European Health Systems. Handreichung zur 52. Sitzung des Regionalkomitees Europa. Kopenhagen 2002. www.euro.who.int/document/rc52/edoc10.pdf. Wa n de l ng rtu we Be se tzu ng ng Um eb u tzg pie Ge se gie pa Str ate otp Pil Ide e roj ek t r Singapur: Das teuerste Gesundheitswesen ist gerade gut genug Während andere Staaten danach trachten, ihre Gesundheitsausgaben zurückzufahren, baut Singapur seine Kapazitäten um etliche Milliarden Dollar aus. Grund ist die steigende Nachfrage aus dem Privatsektor: Die Zahl der ausländischen Patienten wächst jährlich um 20 Prozent; zwischen 2002 und 2005 hat sich ihre Gesamtzahl von 200.000 auf 400.000 verdoppelt. Die halb staatliche, halb private Firma Singapore Medicine nutzt den Zustrom, die hinterindische Metropole zu einem regionalen Gesundheitszentrum zu machen. Vier von fünf Ausländern lassen sich in privaten Einrichtungen behandeln. Etwa 21 Prozent der Krankenhausbetten in Singapur gehören gewinnorientierten Investoren, zumeist Aktiengesellschaften. Das Gesundheitsministerium sucht gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium und der Stadtentwicklungsbehörde nach passenden Grundstücken für weitere Privatkliniken. Künftig sollen auch Ausländer hier Krankenhäuser betreiben können. Beliebt als Standorte sind vor allem die Gelände bestehender öffentlicher Krankenhäuser. Hier befinden sich drei der vier ausgemachten möglichen Neubaugrundstücke. Allgemein wird erwartet, dass die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen von hoher Qualität in Singapur in den nächsten Jahren noch stark ansteigen wird. Grund dafür ist zum einen der angestrebte Anstieg der Bevölkerungszahl um zwei auf 6,5 Mil127 Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Gesundheitsministerium sucht Klinikstandorte Mehr Einwohner, mehr Gesundheitstouristen Regierung will mehr private Betten Gemeinsames Unternehmen der »Singapore Incorporated« lionen Menschen. Der weitaus gröûte Anteil an dem Anstieg soll bei den stagnierenden Geburtenzahlen auf die Immigration entfallen. Zum anderen strebt die Regierung an, bis zum Jahr 2012 die Zahl der ausländischen Patienten auf eine Million zu heben. Der Gesundheitstourismus soll einen Umsatz von drei Milliarden Dollar bringen und 13.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Schon seit 1993 verfolgt die Regierung die Strategie, den privaten Anteil an den Krankenhausbetten von 20 auf 30 Prozent zu steigern. Hemmender Faktor waren allerdings stets die enormen Immobilienpreise in dem räumlich beengten Stadtstaat. Die Reaktionen der Öffentlichkeit und der Fachwelt auf die Ausbaustrategie waren bisher eher gedämpft. Vor allem unter den eingesessenen Einwohnern Singapurs herrschte die Befürchtung, dass der dynamische Ausbau nur den Ausländern zugutekommen würde. Besondere Skepsis machte sich gegenüber der Praxis breit, auf dem Gelände öffentlicher Krankenhäuser private Abteilungen zu gründen: Über kurz oder lang würden die Einheimischen dabei zu kurz kommen. Die Regierung trat der Skepsis aber mit einem offenbar überzeugenden Argument entgegen: Gerade bei seltenen Krankheiten sei die Zahl der Einwohner zu klein, als dass ¾rzte mit ihnen genügend Erfahrungen sammeln könnten. So kämen die vielen Ausländer auf Dauer auch den einheimischen Patienten zugute. Der asiatische Markt für derlei Gesundheitstourismus wird für die nächsten fünf Jahre auf sieben Milliarden Singapur-Dollar (etwa 3,5 Mrd. Euro) geschätzt. Immer mehr Kunden kommen aus Indien und China. Singapur genieût als Anbieterland von Gesundheitsleistungen in Asien den besten Ruf. Die Hälfte aller von der Joint Commission International anerkannten Krankenhäuser steht hier. Konkurrenz machen dem Stadtstaat vor allem Thailand und Indien. Singapurs geringe Gröûe und daraus folgende Flexibilität stellen sich dabei als Vorteile heraus. Die Behörden arbeiten zusammen für das gemeinsame Ziel (siehe Abbildung 7). So bemüht sich die Agentur für Wirtschaftsentwicklung um die Ansiedlung von einschlägigen Investoren, während die Agentur für Handelsentwicklung sich um die regionale Expansion der örtlichen Versorgungsanbieter kümmert. Die Tourismusbehörde übernimmt das internationale Marketing und arbeitet gemeinsam mit dem 128 Abbildung 7: Positionen zum geplanten Ausbau des privaten Gesundheitssektors in Singapur Positionen sehr unterstützend 2 1 3 4 kein Einfluss sehr großer Einfluss 5 stark dagegen 1 Hotels, Reiseveranstalter 4 öffentliche Krankenhäuser 2 Tourismusbehörde, Agentur für Handelsentwicklung, private Krankenhäuser 5 Öffentlichkeit 3 Gesundheitsministerium, Agentur für Wirtschaftsentwicklung Quelle: Lim 2007. Gesundheitsministerium an marktgerechten Versorgungsstrukturen. Seit 2006 hilft auch die Unternehmensberatung McKinsey bei der Entwicklung und Umsetzung von Strategien. 129 Literatur und Link Lim, Meng Kin. »Singapore to expand health services«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www.hpm.org/sur vey/sg/a10/4. Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Wer seine Patienten warten lässt, verliert sie Wa n de l ng rtu we Be se tzu ng ng Um eb u tzg pie Ge se gie pa Str ate otp Pil Ide e roj ek t r Dänemark: Konkurrenz für öffentliche Krankenhäuser Dänen, die innerhalb eines Monats keine Aufnahme in einem öffentlichen Krankenhaus gefunden haben, können sich neuerdings auf Kosten des öffentlichen Gesundheitsdienstes in Privatkliniken behandeln lassen. Das Prinzip gilt eigentlich schon seit 1993; nur betrug die Wartezeit damals drei Monate. 2002 wurde sie auf zwei Monate verkürzt. Sinn der Regelung war ursprünglich, die Wartezeiten in den öffentlichen Krankenhäusern zu verkürzen. Als Wartefrist wurde die Zeitspanne zwischen Überweisung und Beginn der Therapie definiert. Die Konkurrenzklausel gilt nicht nur für dänische, sondern auch für ausländische Kliniken. Mit der Verkürzung der Wartefrist auf einen Monat tritt zugleich die Bedingung in Kraft, dass die aufnehmende Privatklinik einen Behandlungsvertrag mit der zuständigen dänischen Regionalbehörde schlieût. Auûerdem muss klargestellt sein, dass kein anderes öffentliches Krankenhaus im Lande die Therapie übernimmt. Durchgesetzt wurde die neue kürzere Wartezeit von der liberal-konservativen Regierung, die dafür im Parlament auch die Unterstützung der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei fand. 59 Abgeordnete stimmten dafür, 49 dagegen. Der politische Widerstand konzentriert sich bei den Sozialdemokraten. Unter den öffentlichen Anbietern herrscht Skepsis; die neue zulässige Wartezeit wird als zu kurz empfunden. Als Finanziers sind auch 130 die Regionalregierungen nicht glücklich mit der Reform: Behandlungen in Privatkliniken oder im Ausland sind meistens teurer als die in öffentlichen Krankenhäusern. Jedoch scheint die Reform langsam auch die ursprünglichen Ziele der Regelung zu erreichen. Signale aus öffentlichen Krankenhäusern lassen den Schluss zu, dass dort die Kapazitäten noch ausgeweitet werden können. Manche Regionalregierungen haben »Garantie-Kliniken« eingerichtet, die versprechen, alle Patienten vor Ablauf der Wartefrist aufzunehmen. Sie bekommen dafür höhere Vergütungen von der Regionalregierung. Andere Krankenhäuser sehen sich durch die verbesserte Auftragslage bei den Privaten zunehmend dem Problem ausgesetzt, geeignetes Personal zu finden. Privatkliniken zahlen in der Regel besser. Ein weiteres Problem wird in den entstehenden »dualen Arztpraxen« gesehen: ¾rzte dürfen neben ihrer Tätigkeit für den öffentlichen Gesundheitsdienst auch in Privatkliniken praktizieren. Dabei sind sie nicht selten versucht, der lukrativeren Privatpraxis mehr Energie zu widmen als ihrem Hauptarbeitgeber. Im Ergebnis kann der öffentliche Gesundheitsdienst in dem Maûe an Attraktivität verlieren, wie der Privatsektor gewinnt. Am Ende stünde eine schleichende Privatisierung. Appelle, das doppelte Praktizieren zu unterbinden, blieben auf Regierungsseite bislang ungehört. Gewinner der Entwicklung sind in jedem Falle die privaten Einrichtungen, die sich auf einem deutlich höheren Niveau zu stabilisieren beginnen. Ebenfalls zu den Gewinnern zählen Patienten, die dringend eine Operation benötigen, und indirekt auch ¾rzte und andere Gesundheitsberufler, die zwischen mehr Arbeitsplätzen auswählen können. Zu den Verlierern zählen die Regionen, die sich preistreibender Personalkonkurrenz ausgesetzt sehen und an Privatkliniken hohe Sätze bezahlen müssen. Eine Evaluierung des Konkurrenzsystems hat bei Patienten und Krankenhausmanagern eher positive Ergebnisse zutage gefördert. In Privatkliniken wird allerdings Klage über mangelnden Informationsfluss von den öffentlichen Kliniken geführt. Die Zahl der Patienten, die die Möglichkeit zu auswärtiger Behandlung in Anspruch nehmen, ist nichtsdestoweniger geringer als erwartet. Für möglichst wohnortnahe Behandlung wird oft auch eine längere Wartezeit in Kauf genommen. Der Verdacht, 131 Mehr Kliniken garantieren rasche Aufnahme Öffentliche Krankenhäuser in Personalnöten Patienten und Manager sind zufrieden dass die Privatkliniken sich die Rosinen aus dem Kuchen picken und nur leicht und preiswert zu behandelnde Patienten aufnehmen könnten, hat sich in einer Untersuchung des Dänischen Gesundheitsinstituts dagegen nicht bestätigt. Literatur und Links Socha, Karolina, und Mickael Bech. »Extended free choice of hospital ± waiting time«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www.hpm.org/survey/dk/a10/1. The Government Platform »New Goals«. Februar 2005. www.statsministeriet.dk/publikationer/UK_reggrund05/ New_Goals.pdf. The Ministry of Health and Interior. Health care in Denmark. August 2002. www.im.dk/publikationer/health care_in_dk/healthcare.pdf. The Ministry of Health and Interior. The local government reform ± in brief, Dezember 2005. www.im.dk/publika tioner/government_reform_in_brief/Kommunal_UK_ screen.pdf. Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit de l Wa n un we rt Be se tzu g ng g un Um set zge b Ge iep teg Str a otp Pil Ide e roj ek t ap ier Frankreich: Pflegekräfte werden aufgewertet und besser verteilt Ein Abkommen zwischen den Krankenschwestern-Gewerkschaften und der nationalen Krankenversicherung gibt Pflegekräften mehr Kompetenzen und damit eine stärkere Rolle in klinischer und technischer Versorgung alter Menschen, die auf fremde Hilfe angewiesen sind. Um örtliche Versorgungsengpässe zu überwinden, soll zudem die regionale Aufteilung strenger gehandhabt wer132 den. Mittel dazu sind Zulassungsbeschränkungen für Pflegedienste in überversorgten Gebieten und Anreize, sich in unterversorgten Gegenden niederzulassen. Die Bestimmungen im Einzelnen: ± Die Tarife, auch die für die Anfahrt, werden generell angehoben. ± Krankenschwestern wird die Befugnis zur Ausführung zusätzlicher medizinischer Leistungen für alte Menschen mit chronischen Krankheiten und für Präventions- und Gesundheitsförderungsmaûnahmen erteilt. Wer bestimmten Behandlungsplänen folgt, etwa für Diabetiker, bekommt einen Bonus. Frühere Abkommen hatten dagegen meistens auf Kontrolle der Pflegetätigkeit gesetzt. ± Krankenschwestern können künftig in gröûerem Umfang selbst über die Verordnung von Medikamenten und die Anwendung von Therapien entscheiden. ± Das Krankenpflege-Examen wird, anders als bisher, mit dem Hochschulabschlusssystem abgeglichen und dem Bachelor gleichgestellt. ± Bestimmungen zu einer besseren Verteilung der Hauskrankenpflegedienste zwischen über- und unterversorgten Gebieten können erst nach einer Gesetzesänderung in Kraft treten. ± Erstmalig wird ± analog zu den ¾rzten ± auch für Pflegekräfte ein Nationaler Rat eingerichtet, der in etwa die Funktionen einer deutschen Kammer erfüllen soll. Anders als der ¾rzterat soll der Pflegerat aber nicht vom Staat finanziert werden. Das neue System soll dem Beruf mehr Anerkennung und mehr Attraktivität verschaffen und die schon tätigen Hauskrankenschwestern besser im Land verteilen. Besonders der regionale Ausgleich gestaltet sich schwierig, weil die ungleiche Verteilung auch sehr ungleiche Einkommen nach sich zieht. Ein besonderes Problem ist Unterversorgung da, wo sich auch wenige Allgemeinärzte niederlassen. Die Übertragung von Kompetenzen auf Krankenschwestern und ihre bessere Verteilung sollen das Problem mildern. Die Gewerkschaft der Pflegekräfte in Krankenhäusern schloss sich dem Abkommen nicht an. Klinisch tätige Pflegekräfte profitieren nicht von den finanziellen Anreizen und fürchten darü133 Gesellschaftliche Anerkennung für den Pflegeberuf Pflegekräfte in Krankenhäusern . . . . . . und niedergelassene ¾rzte sind kritisch ber hinaus, dass der vereinbarte Pflegerat Privatisierungstendenzen fördern könnte. Widerstände besonders gegen den Mechanismus der regionalen Verteilung kommen von den niedergelassenen ¾rzten. Sie fürchten, dass nach den Krankenschwestern auch sie Objekt einer geografischen Umverteilung werden könnten. Literatur und Link Naiditch, Michel. »New nursing regulation«. Health Policy Monitor. Oktober 2007. www.hpm.org/survey/fr/a10/2. Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Für Gemeinden ist Eigenleistung oft günstiger Wa n de l ng we rtu Be g set zun Um se tzg pie Ge pa gie Str ate otp r Pil Ide e oje kt r eb un g Finnland: Kaum Nachfrage nach Versorgungsgutscheinen Schon seit 2004 besteht ein gesetzlicher Rahmen für ein System von Gutscheinen, die Patienten für kommunale Sozial- und Gesundheitsdienste und besonders für Hauskrankenpflege eintauschen können (siehe Gesundheitspolitik in Industrieländern 2, S. 20). Die Einführung des neuen Systems gestaltete sich allerdings schleppend. Ein Gesetz von 2007 hat das Ziel, den Gebrauch der Gutscheine besonders in der Hauskrankenpflege auszuweiten. Eine Arbeitsgruppe soll nun weitere Vorschläge für die Anwendung des Systems machen. Haupthindernis für die Verbreitung ist eine Bestimmung, die den Kommunen die Ausgabe von Gutscheinen freistellt und es den Klienten erlaubt, die Dienste auf Wunsch auch direkt von der Gemeinde zu beziehen. Ohne die Gemeinde geht es nicht, denn Anbieter brauchen vorab von dort eine Genehmigung. Die hat daran nicht unbedingt ein Interesse: Geht es um Hauskrankenpflege, kann der Zuzahlungsbetrag für Patienten, die einen Gutschein einlösen, höher sein als bei direkter Dienstleistung der Gemeinde. Für andere Dienste gilt das allerdings nicht. 134 Bis Anfang 2007 hatten etwa 25 Prozent der Gemeinden das Gutscheinsystem eingeführt. In den meisten Fällen können die Gutscheine gegen Hilfe im Haushalt, Putzdienste und informelle Hilfen durch Angehörige eingetauscht werden. Im Jahr davor hatten rund 4.000 Klienten solche Gutscheindienste in Anspruch genommen. Die Anbieter sind zumeist sehr kleine private Firmen. Die Hauptstadt Helsinki allerdings ging über das übliche Muster hinaus und vergab Gutscheine auch für zahnärztliche Betreuung. Der Grund dafür ist der Zahnärztemangel in der Stadt mit den entsprechenden langen Wartezeiten. Mit den Gutscheinen können die Patienten zu privat praktizierenden Zahnärzten gehen und dort zu den gleichen Sätzen Behandlung finden wie im kommunalen Gesundheitszentrum. Das Programm der aktuellen Regierung sieht generell eine Ausweitung privat angebotener Dienstleistungen vor (siehe Vourensoski 2007b). Besonderer Wert wird dabei auf eine Kundenbeziehung zwischen den Empfängern und Anbietern von Gesundheitsleistungen gelegt. Die Gemeinden stehen dem neuen System grundsätzlich positiv gegenüber. Noch stärker gilt das für den Privatsektor, der sich davon einen gröûeren Markt erhofft. Auf der politischen Ebene streiten rechts und links seit geraumer Zeit über die Grundsatzfrage, welche Rolle der private Sektor im Gesundheitswesen künftig spielen soll. Dass die Einführung so schleppend vorangeht, liegt vor allem daran, dass beinahe die Hälfte der Gemeinden Hilfe im Haushalt und Hauskrankenpflege als integrierten Dienst anbieten. In diesen Fällen wäre es wenig praktikabel, wenn die eine Leistung direkt von der Gemeinde und die andere über die Gutscheine von privaten Firmen angeboten würde. Darüber hinaus mangelt es in schwach besiedelten Gebieten an Anbietern. Schlieûlich gibt es für Gemeinden mit funktionierenden eigenen Diensten keinen Anreiz, Private zu beauftragen. Ein Bericht über erste Erfahrungen mit dem Gutscheinsystem kommt indessen bei Gemeindevertretern und Klienten zu gleichermaûen positiven Ergebnissen. Die Anbieter haben in der Regel nur wenige Klienten mit Gutscheinen, hoffen aber, dass deren Zahl zunimmt. 135 Helsinki: Mit Gutschein zum privaten Zahnarzt Grundsatzstreit zwischen rechts und links Erste Beurteilung kommt zu positivem Ergebnis Die ganze Reform stellte sich als lange nicht so einschneidend heraus wie ursprünglich erwartet. Mit dem neuen Gesetz dürfte die Zahl der Gutscheingemeinden ebenfalls nur mäûig ansteigen. Literatur und Links Vuorenkoski, Lauri. »Vouchers in social and health care ± follow up«. Health Policy Monitor. Oktober 2007a. www. hpm.org/survey/fi/a10/4. Volk, Raija, und Tuula Laukkanen. »The use of service vouchers in municipalities in Finland«. Reports of the Ministry of Social Affairs and Health 2007: 38. www.stm. fi/Resource.phx/publishing/documents/11722/summary_ en.htx. Vuorenkoski, Lauri. »The government programme for the years 2007±2010«. Health Policy Monitor. Oktober 2007b. www.hpm.org/survey/fi/a10/1. 136 Das Internationale Netzwerk Gesundheitspolitik Seit 2002 arbeiten in dem Netzwerk gesundheitspolitische Experten aus inzwischen 20 Ländern zusammen, die über aktuelle Themen und Entwicklungen der Gesundheitspolitik berichten. Ziel des Netzwerks ist es, die Lücke zwischen Forschung und Politik mit halbjährlichen Informationen darüber, was sich gesundheitspolitisch bewegt und bewährt hat ± und was nicht, zu verringern. Kriterium für die Auswahl der Länder für die systematische Betrachtung im Rahmen des Netzwerks waren einschlägige gesundheitspolitische Reformerfahrungen oder Innovationen, die die deutsche Debatte bereichern könnten. Netzwerkpartner sind Fach- und Forschungsinstitutionen mit ausgewiesener Expertise in Gesundheitspolitik, Gesundheitsökonomie, Gesundheitsmanagement oder »Public Health«. Das Netzwerk ist somit interdisziplinär; die Experten und Expertinnen sind Ökonomen, Politikwissenschaftler, Mediziner und Juristen. Viele von ihnen haben Erfahrung als Politikberater, andere solche in international vergleichender Gesundheitssystemforschung. 137 Australien Centre for Health Economics, Research and Evaluation (CHERE), University of Technology, Sydney Dänemark Institute of Public Health, Health Economics, University of Southern Denmark, Odense Deutschland Bertelsmann Stiftung, Gütersloh; Fachgebiet Management im Gesundheitswesen (MiG), Technische Universität Berlin Estland PRAXIS, Center for Policy Studies, Tallinn Finnland National Research and Development Center for Welfare and Health (STAKES), Helsinki Frankreich Institut de Recherche et Documentation en Economie de la SantØ (IRDES), Paris Groûbritannien LSE Health & Social Care, London School of Economics and Political Science Israel Smokler Center for Health Policy Research, The Myers-JDC-Brookdale Institute, Jerusalem Japan Kinugasa Research Organization, Ritsumeikan University, Kyoto Kanada Canadian Policy Research Networks (CPRN), Ottawa Niederlande Department of Health Organization, Policy and Economics (BEOZ), Faculty of Health Sciences, University of Maastricht Neuseeland Centre for Health Services, Research and Policy, University of Auckland Österreich Institut für Höhere Studien (IHS), Wien Polen Institute of Public Health, Faculty of Healthcare, Medical College, Jagiellonian University, Krakau Schweiz Institute of Microeconomics and Public Finance (MecoP), Università della Svizzera Italiana, Lugano Singapur Department of Community, Occupational and Family Medicine, National University of Singapore (NUS) Slowenien Institute of Public Health of the Republic of Slovenia, Ljubljana Spanien Research Centre for Health and Economics (Centre de Recerca en Economia i Salut, CRES), University Pompeu Fabra, Barcelona Südkorea Department of Health Policy and Management, School of Public Health, Seoul National University USA Institute for Global Health (IGH), University of California, Berkeley/San Francisco; Department of Health Policy and Management, Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health, Baltimore 138 Vorbereitung und Vorgehen der Berichterstattung Für die Berichterstattung wurden Politikfelder, in denen Reformen dringend nötig sind, identifiziert und diese in die folgenden Gruppen eingeordnet: ± nachhaltige Finanzierung von Gesundheitssystemen (Hauptfinanzierungsquelle und Verteilung von Finanzmitteln, Vergütung der Leistungsanbieter) ± Fachkräfteentwicklung ± Qualität der Gesundheitsversorgung ± Leistungskatalog und Prioritätensetzung ± Zugang zu Gesundheitsleistungen ± Nutzerorientierung des Systems und Stärkung der Patienten ± politischer Kontext, Dezentralisierung und öffentliche Verwaltung ± Organisation des Gesundheitssystems und integrierte Versorgung ± Pflege chronisch Kranker und älterer Menschen ± Rolle der Privatwirtschaft ± neue Technologien ± Arzneimittelpolitik ± Prävention ± »Public Health« Auswahlkriterien Für jede der halbjährlichen Erhebungen berichten die Netzwerkpartner über bis zu fünf aktuelle gesundheitspolitische Reformthemen. Kriterien für die Wahl der Berichtsthemen sind: ± Bedeutung und Reichweite ± Auswirkung auf den Status quo ± Innovationsgrad (im nationalen und internationalen Vergleich) ± Medienpräsenz/öffentliche Aufmerksamkeit. Zu jedem Thema füllen die Partner einen Fragebogen aus, um die Reformidee oder -politik sowie den Entwicklungsprozess zu beschreiben und zu bewerten. Abschlieûend geben die Berichterstatter zu den zu erwartenden Ergebnissen und Auswirkungen 139 l de Wa n Be we rtu ng g un etz Um s tzg eb un g pie Ge se pa gie Str ate otp Pil Ide e roj ek t r der Reform ihre Einschätzung ab und beurteilen die beschriebene Politik im Hinblick auf Systemabhängigkeit bzw. Übertragbarkeit auf andere Systeme. Eine kleine Grafik illustriert die Entwicklungsstufen des Reformprozesses. Eine Reformidee oder -politik muss nicht notwendigerweise alle Stadien durchlaufen. Je nach Dynamik des Prozesses kann eine Reformentwicklung innerhalb des Beobachtungszeitraumes auch einzelne Phasen überspringen. ± Unter »Idee« werden neue oder erneut aufgegriffene Ansätze gefasst, die zunächst in unterschiedlichen Fachkreisen diskutiert werden. Hierunter fallen auch »Ideen« in einem noch sehr frühen Stadium ± fernab von Politik oder formaler Einführung. Auf diese Weise entsteht eine Art »gesundheitspolitischer Ideenspeicher«, der es erlaubt, die Dynamik von Reformideen von ihrer Entstehung bis zu ihrer Umsetzung, ihrem Verschwinden oder ihrer Ablehnung über die Zeit und über Regionen hinweg zu beobachten. ± »Pilotprojekt« steht für Neuerungen, Modellvorhaben oder Pilotprojekte, die auf lokaler oder institutioneller Ebene erprobt werden. ± »Strategiepapier« umfasst formale politische Statements (Eckpunkte, Weiû- oder Grünbücher) oder Stellungnahmen. Hierunter ist auch die Phase wachsender Akzeptanz von Ideen in einschlägigen Fachkreisen, wie z. B. der ¾rzteschaft, zu verstehen. ± Der Begriff »Gesetzgebung« steht hier für alle Stufen der Gesetzgebung ± vom Einbringen eines Gesetzentwurfes über die parlamentarische Debatte nebst Anhörungen und Einflussnahme der gesundheitspolitischen Akteure, Entscheider und Interessengruppen und sonstiger treibender Kräfte bis hin zur Verabschiedung oder Ablehnung des Entwurfs. 140 ± »Umsetzung« beschreibt alle Maûnahmen in der Phase der Implementierung und praktischen Anwendung der Reform. Diese Phase setzt nicht notwendigerweise eine vorangegangene Gesetzesänderung voraus, sie kann auch Ergebnis eines erfolgreichen Modell- oder Pilotprojektes im Sinne der Anwendung von »best practice« sein. ± »Bewertung« benennt alle gesundheitspolitischen Reformen oder Ansätze, die während des Beobachtungszeitraumes evaluiert werden. Hier beschriebene Auswertungen können intern oder extern sowie als Zwischen- oder Abschlussevaluierung erfolgen. ± »Wandel« schlieûlich kann die Folge einer Evaluation oder den Endpunkt einer Entwicklung beschreiben. Politikbewertung Für den vorliegenden Bericht wurden drei von fünf Bewertungskriterien exemplarisch ausgewählt: Medienpräsenz, strukturelle Wirkung und Übertragbarkeit. Gemäû der Bewertung und Expertenmeinung der Berichterstatter wird die Ausprägung dieser Merkmale jeweils auf einer Skala von fünf Stufen grafisch dargestellt und dient als Anhaltspunkt für detaillierte Analysen: ± »Medienpräsenz«: Hier wird bewertet, welchen Stellenwert ein gesundheitspolitisches Reformthema hatte bzw. wie viel Aufmerksamkeit ihm zuteil wurde und welche Rolle Presse, Rundfunk oder Internet in der öffentlichen Diskussion und Meinungsbildung dabei gespielt haben. Die Skala reicht von »sehr niedrig« (links) bis »sehr hoch« (rechts). ± »Strukturelle Wirkung«: Dieses Kriterium beschreibt den strukturell-systemischen Aspekt und die Bedeutsamkeit der Reform. Die Endpunkte der Skala sind mit »marginal« (links) bzw. »fundamental« (rechts) bezeichnet. ± »Übertragbarkeit«: Dieses Merkmal zeigt an, inwieweit eine Reform in einen anderen Kontext übertragbar ist. Die Bewertung der Experten erfolgt als Einschätzung zwischen den Extremen »stark systemabhängig« (links) und »systemneutral« (rechts). 141 Die folgende Grafik illustriert beispielhaft eine Reform, deren Struktureffekt der Experte für allenfalls marginal hält, was mit einer nur geringen Medienpräsenz einhergeht, die er jedoch für bedingt übertragbar auf andere Gesundheitssysteme hält: Medienpräsenz Strukturelle Wirkung Übertragbarkeit Projektmanagement Das Themenfeld Gesundheit der Bertelsmann Stiftung organisiert und koordiniert die halbjährlichen Erhebungen des Internationalen Netzwerks Gesundheitspolitik und entwickelte, mit Unterstützung des Fachgebiets »Management im Gesundheitswesen« der Technischen Universität Berlin, den halbstandardisierten Fragebogen. Sämtliche Reformberichte der letzten neun Befragungsrunden können auf der Website des Netzwerks, www.healthpolicymonitor. org, recherchiert und eingesehen werden. Dort ist auch das unveröffentlichte Arbeitspapier Gesundheitspolitik in Industrieländern 1/2003 erhältlich. Sowohl die vollständigen Reformberichte auf der Website als auch diese Publikation stützen sich auf die von den Partnerinstitutionen ausgefüllten Fragebögen und geben nicht notwendigerweise den Standpunkt der Bertelsmann Stiftung wieder. 142 Reformverzeichnis nach Ländern Land, Thema, Titel, Ausgabe, Seite Australien Arzneimittelpolitik Reform der Arzneimittelbewertung wegen Freihandelsabkommen mit den USA; V, 50 Preisreform schafft zwei Klassen Arzneimittel; X, 114 Alternde Gesellschaft Politische Strategie für eine alternde Gesellschaft; II, 19 Evaluation im Gesundheitswesen Evaluation von HealthConnect; VI, 24 Fachkräfteentwicklung Strategie gegen Pflegenotstand; II, 79 Maûnahmen gegen langjährige Fehlsteuerungen in der Personalplanung; VII/VIII, 177 Finanzierung Anreizsystem für private Krankenversicherungsverträge; I, 15 Produktausweitung der privaten Krankenversicherung; VII/VIII, 86 Zurück zu öffentlicher Finanzierung zahnärztlicher Versorgung; IX, 84 143 Informationstechnologien HealthConnect ± netzwerkbasierte elektronische Patientenakte; V, 74 Leitliniendatenbank für Krebstherapie; VI, 84 Integrierte Versorgung Bilanz zu Pilotstudien in der Versorgung chronisch Kranker; III, 30 Change Management für Hausärzte; III, 32 Chronic Care Collaboratives; VI, 49 Optionen für Versorgung von Krebspatienten; VI, 55 Psychische Gesundheit »beyondblue« ± nationale Initiative gegen Depression; IV, 18 Psychotherapie wird erstattet; IX, 54 »Public Health« und Prävention Krebsinstitut mit hochgesteckten Zielen; II, 77 Darmkrebs-Screening zukünftig ab 55 Jahren; VII/VIII, 213 Bundesstaaten zahlen freiwillig für »Public Health«; IX, 108 Qualitätsverbesserung und Qualitätsmanagement Schutz für jeden, der einen Fehler aufdeckt; X, 101 Vergütung Vergütung der Hausärzte; IV, 52 Dänemark Alternde Gesellschaft Wahlfreiheit bei sozialen Dienstleistungen; II, 27 Arzneimittelpolitik Gesundheitsökonomische Evaluierung von Arzneimitteln; II, 54 Evaluation im Gesundheitswesen Evaluation des DRG-Systems; VI, 37 144 Finanzierung Säumnisgebühren für unzuverlässige Patienten; IV, 41 Informationstechnologien Elektronische Patientenakte in Krankenhäusern; III, 62 Einführung der elektronischen Patientenakte in Krankenhäusern verzögert sich; VI, 73 Krankenhausreform Konkurrenz für öffentliche Krankenhäuser; X, 130 Organisationsreform Die Suche nach der richtigen Aufgabenteilung ± Krankenhäuser, Landkreise und Anreizsysteme; I, 23 Neuordnung der Verwaltungsebenen; III, 47 Verwaltungs- und Krankenhausreform unter Dach und Fach; IV, 84 Patientenorientierung und Partizipation Der Patient zuerst; III, 19 »Public Health« und Prävention Mehr Schilder statt weniger Rauch; V, 110 Qualitätsverbesserung und Qualitätsmanagement Keine Wartezeiten und bessere Versorgung für Krebspatienten; X, 60 Estland Informationstechnologien Nationales Gesundheitsinformationssystem; VI, 75 Patientenorientierung und Partizipation Hausarzt-Hotline 24/7; VII/VIII, 124 Qualitätsverbesserung und Qualitätsmanagement Krankenhäuser nehmen am »Path«-Programm der WHO teil; X, 91 145 Zugang zum Gesundheitssystem Zahntourismus und EU-Steuern verteuern Zahnversorgung; IX, 89 Finnland Arzneimittelpolitik Erfolgreiche Aut-idem-Regelung; II, 59 Unabhängige Arzneimittelinformation für ¾rzte; II, 62 Einschränkungen für Generika; IV, 82 Teure Arzneimittel für seltene Erkrankungen; V, 56 Umfassendes Arzneimittelreformpaket; VI, 112 Raucher-Kaugummi einziger sichtbarer Erfolg der Arzneimittelreform; X, 117 Finanzierung Reformvorschlag für »Managed Care«; II, 70 Wertgutscheine für Gesundheits- und Sozialleistungen; III, 20 Zusatzgebühren für ambulante Krankenhausbehandlung; IV, 37 Kaum Nachfrage nach Versorgungsgutscheinen; X, 134 Informationstechnologien Patient bleibt Herr seiner Daten; IX, 113 Krankenhausreform Reform der Krankenhausfinanzierung; I, 24 Organisationsreform Das Kainuu-Experiment; III, 48 Gemeindeverbünde übernehmen Primärversorgung; IX, 71 Primärversorgung Forschung in Primärversorgungszentren; V, 117 Regierung setzt kürzere Wartezeiten durch; VII/VIII, 41 »Public Health« und Prävention Senkung der Alkoholsteuer als Folge des EU-Beitritts; V, 102 Rauchverbot in Kneipen und Restaurants; VII/VIII, 230 146 Qualitätsverbesserung und Qualitätsmanagement Zentralisierung und Qualität der hochspezialisierten Versorgung; I, 30 Krankenhausbewertung für höhere Kosteneffektivität; VII/VIII, 133 Zugang zum Gesundheitssystem Besserer Zugang zu zahnärztlichen Leistungen für Erwachsene; VII/VIII, 78 Frankreich Alternde Gesellschaft Reform der Versorgung hilfsbedürftiger Menschen; II, 38 Altenpflege als »fünfte Säule« der Sozialversicherung; X, 18 Arzneimittelpolitik Neuordnung der Kostenübernahme durch Nutzenbewertung; II, 47 Liberalisierung der Preise für innovative Arzneimittel; II, 54 Fachkräfteentwicklung ¾rztemangel ± unklare Daten und Konsequenzen; VI, 94 Zukunftsplan gegen drohenden ¾rztemangel; VII/VIII, 175 Pflegekräfte werden aufgewertet und besser verteilt; X, 132 Finanzierung Diskussion um Reform der Finanzierung; II, 67 »Schutzschild« gegen zu hohe Zuzahlungen; X, 75 Integrierte Versorgung Reform der häuslichen Krankenpflege; I, 37 Krankenhausreform »Hôpital 2007«; V, 37 Krankenhausreform mit Nebenwirkungen; IX, 73 147 Medizinische Ethik Novelle des Bioethik-Gesetzes; III, 65 Primärversorgung Verbesserte Koordination der Gesundheitsversorgung; IV, 50 »Public Health« und Prävention Fünfjahresplan öffentliche Gesundheit; I, 40 »Public Health«-Gesetz mit vielen Gesundheitszielen; III, 38 Anspruchsvolles »Public Health«-Konzept gefährdet; V, 82 Jugendliche auch bei Gratisversorgung schwer erreichbar; IX, 86 Qualitätsverbesserung und Qualitätsmanagement Benchmarks zur Reduzierung von Krankenhausinfektionen; VII/VIII, 130 Vergütung Niedergelassene ¾rzte blockieren Vertragssystem; II, 72 Hausarztsystem in der Mangel von ¾rzten und Privatversicherungen; V, 40 Zugang zum Gesundheitssystem Hoher Rat zur Zukunft der Krankenversicherung; III, 80 Krankenversicherungsgutscheine für Bedürftige; IV, 28; VII/VIII, 113 Groûbritannien Alternde Gesellschaft Versorgungsstandards für ältere Menschen; II, 25 Reform der Pflegefinanzierung vertagt; II, 29 Arzneimittelpolitik Bilanz nach vier Jahren Arzneimittelbewertung durch NICE; II, 52 Arzneimittelpreise sollen sich am Wert orientieren; X, 110 148 Bedarfsorientierte Versorgung Praxiseigene Budgets für Hausärzte; VII/VIII, 51 Das 12. NICE Arbeitsprogramm: Bewertung von »Public Health«-Programmen und neuen Technologien; VII/VIII, 54 Fachkräfteentwicklung Hausärzte und Gesundheitserzieher für unterversorgte Regionen; VI, 102 Finanzierung Alternativen zur staatlichen Finanzierung des Gesundheitswesens; I, 21 Stärkung des privaten Sektors; I, 22 Integrierte Versorgung »Disease Management« nach amerikanischem Vorbild; III, 28 Reform von Pflege und Sozialdienst; VI, 57 Krankenhausreform Neue Formen stationärer Versorgung (NHS Foundation Trusts); I, 25 Patientenorientierung und Partizipation Wahlfreiheit und Nutzerorientierung im National Health Service; III, 17 Organisationsreform 10 Jahre Labour-Gesundheitsreformen ± mehr Markt, mehr Wahl; VII/VIII, 37 Primärversorgung Neuer Vertrag für Hausärzte; IV, 47 Praxiseigene Budgets für Hausärzte; VII/VIII, 51 Bürger entscheiden bei Primärversorgung mit; VII/VIII, 122 Psychische Gesundheit Angebotsvielfalt für psychisch Kranke; IX, 51 149 »Public Health« und Prävention Wanless-Gutachten zu »Public Health«-Strategien; III, 39 Nationales Screening-Programm für Darmkrebs; V, 89 Qualitätsverbesserung und Qualitätsmanagement NHS Foundation Trusts; IV, 59 Vergütung Neues Vergütungssystem für Zahnärzte; VII/VIII, 181 Zugang zum Gesundheitssystem Zähneknirschende Patienten; IV, 42 Fortschritte bei der Verkürzung von Wartezeiten; VI, 115 Israel Alternde Gesellschaft Informationsbroschüre zur Pflegeversicherung kommt mit der Zeitung; VII/VIII, 126 Maûgeschneiderte Versorgung für ¾ltere; VII/VIII, 152 Pflegeleistungen werden ausgeschrieben; X, 29 Evaluation im Gesundheitswesen Audit für Krankenhauszulassung; VI, 32 Fachkräfteentwicklung Ambulante Ausbildung von Fachärzten; VI, 98 Informationstechnologie Institutionsübergreifende elektronische Patientenakte; VI, 71 E-Learning für ¾rzte zum Thema Frauengesundheit; VII/VIII, 64 Integrierte Versorgung Ein Duo ersetzt den allein praktizierenden Arzt; X, 39 Organisationsreform Private Konkurrenz für öffentliche Kassen; IV, 66 Eine fünfte Krankenkasse für wechselnde Zwecke; X, 83 150 Palliative Versorgung Palliative Versorgung im Leistungskatalog; V, 112 Groûe Nachfrage nach Kursen in Palliativversorgung; IX, 115 Primärversorgung Qualitätsverbesserung in der Primärversorgung; IV, 55 Psychische Gesundheit Behandlung von psychischen Störungen in der Primärversorgung; VII/VIII, 60 Tauziehen um Psychiatrie-Ambulanzen; IX, 47 »Public Health« und Prävention Krankenkassen übernehmen Verantwortung für Vorsorge bei Kindern; V, 84 Sharons Erkrankung steigert Interesse für Schlaganfallprävention; VII/VIII, 222 Zugang zum Gesundheitssystem Zuzahlungen, Zugang, Gerechtigkeit; IV, 30 Japan Alternde Gesellschaft Pflegestützpunkte als Pflichtleistung; X, 25 Fachkräfteentwicklung Erstmals Arbeitserlaubnis für philippinische Pflegekräfte; VII/VIII, 169 Finanzierung Anhebung der prozentualen Zuzahlungen; I, 14 Höhere Zuzahlungen für ältere Menschen; VII/VIII, 80 Dezentrale Beiträge und ein neues Versicherungssystem für Hochaltrige; X, 79 151 Integrierte Versorgung Aktionsplan gegen den Krebs soll Versorgung besser integrieren; X, 57 Organisationsreform Plan zur Fusion der Versicherungsträger; IV, 76 »Public Health« und Prävention Anstrengungen für ein »Gesundes Japan 21«; III, 41 Blutspendeverbot zum Schutz vor Creutzfeld-Jakob-Erkrankung; V, 91 Kanada Fachkräfteentwicklung Interdisziplinäre Weiterbildung; VI, 96 Personalmangel im Gesundheitswesen erzwingt neue Maûnahmen; VII/VIII, 172 Integrierte Versorgung Staatlicher Krankenversicherungsschutz umfasst nun auch akute Nachsorge; I, 36 Hausarztnetze in Ontario; III, 33 Integrationsnetzwerke in Ontario; VI, 54 Nutzerorientierung und Partizipation Gesundheitsrat für öffentliches Verantwortungsbewusstsein; III, 25 Visionen für das Gesundheitswesen der Zukunft; IX, 34 Psychische Gesundheit Nationale Strategie für psychische Gesundheit; VII/VIII, 57 »Public Health« und Prävention HPV-Impfungen Sache der Allgemeinheit?; X, 62 152 Qualitätsverbesserung und Qualitätsmanagement Saskatchewan: Unabhängige Kommission zur Qualitätsverbesserung; I, 27 Unabhängiger Rat für Gesundheitspolitik; II, 74 Barcelona und MontrØal vergleichen ihre Gesundheitseinrichtungen; IV, 61 Institut für Patientensicherheit; V, 69 Gesundheitsrat gibt Qualitätsempfehlungen; X, 94 Zugang zum Gesundheitssystem Verliert die Garantie auf Krankenversorgung an Bedeutung?; IV, 39 Neuseeland Alternde Gesellschaft Abschaffung der Vermögensprüfung; II, 31 »Aging in Place« ± Projekte und Evaluation; VII/VIII, 146 Arzneimittelpolitik Weiterhin Direktwerbung; II, 63 Weiterhin uneingeschränkte Werbung bei Arzneimitteln?; VII/VIII, 205 Evaluation im Gesundheitswesen Auf dem Weg zur Gesundheitsfolgenabschätzung; IX, 37 Fachkräfteentwicklung Weiterentwicklung pflegerischer Versorgung; VII/VIII, 165 »Performance Evaluation« Programme; VI, 34 Finanzierung Vorauszahlung für allgemeinärztliche Behandlung; I, 14 Geringere Zuzahlungen für Hausarztbesuche; VII/VIII, 82 Informationstechnologien Elektronische Risikoanalyse bei Herzkrankheiten und Diabetes; VI, 82 153 Organisationsreform Zwischenbilanz nach Rückkehr zur dezentralen Gesundheitsversorgung; III, 58 Primärversorgung »Primary Health«-Organisationen; I, 41 Primärversorgung für besonders bedürftige Patienten; IV, 49 Geringere Zuzahlungen für Hausarztbesuche; VII/VIII, 82 Psychische Gesundheit Landesweites Konzept für psychische Gesundheit; IV, 20 »Public Health« und Prävention Nationaler Aktionsplan für Kampf gegen Krebs; V, 87 100 Prozent rauchfrei; V, 108 »Let's beat« Diabetes; VII/VIII, 215 Suizid-Präventionsstrategie 2006±2016; VII/VIII, 217 HPV-Impfungen Sache der Allgemeinheit; X, 62 Qualitätsverbesserung und Qualitätsmanagement Nationale Strategie für Qualität im Gesundheitswesen; II, 75 Qualitätsparameter orientiert am Patienten; X, 92 Niederlande Alternde Gesellschaft Monopole bei der integrierten Versorgung für ¾ltere; II, 22 Ziele für eine Reform der Pflege; II, 28 Dezentralisierung der Verantwortung für gesundheitsbezogene Sozialleistungen; VII/VIII, 141 Fachkräfteentwicklung »Nurse practitioners«; II, 78 Finanzierung Rationierung von Gesundheitsleistungen; I, 16 154 Organisationsreform Neues Krankenversicherungssystem; IV, 68 Gesetz zur sozialen Unterstützung (WMO); IV, 86 Krankenversicherungsreform; VI, 107 Gesundheitsreform 2006 ± was lange währt, wird endlich gut, oder gezielte Salami-Taktik?; VII/VIII, 23 Krankenversicherungssystem 2006 ± erste Ergebnisse; IX, 16 Patientenorientierung und Partizipation Personengebundene Budgets in der ambulanten Pflege und sozialen Hilfe; III, 22 Qualitätsverbesserung und Qualitätsmanagement Obligatorische Qualitätssicherung; I, 31; II, 76 Schneller ist nicht immer besser; X, 98 Österreich Alternde Gesellschaft Zehn Jahre Bundespflegegeld; II, 42 Familienhospizkarenz; II, 44 Turbulente Debatte um 24-Stunden-Pflege; X, 21 Arzneimittelpolitik Umfassendes Arzneimittelpaket soll Kosten senken; II, 50 Finanzierung Anpassung der Krankenversicherungsbeiträge; I, 13 Informationstechnologien Gesundheitstelematikgesetz; VI, 79 Organisationsreform Regionale Gesundheitsagenturen; III, 50 Gesundheitsreform 2005; IV, 70 »Strukturplan Gesundheit« stärkt die Länder; VII/VIII, 31 Mit Länderinitiativen zu mehr Koordination und Bürgernähe; IX, 28 155 Patientenorientierung Gesetz zum Schutz des eigenen Willens; VII/VIII, 128 »Public Health« und Prävention Preispolitik, Rauchverbot und Telefon-Hotline zur Reduktion des Tabakkonsums; VII/VIII, 232 Polen Arzneimittelpolitik Mehr Transparenz bei der Arzneimittelvergütung; VII/VIII, 198 Arzneimittelpolitik im Scheinwerferlicht; X, 112 Evaluation im Gesundheitswesen Agentur für »Health Technology Assessment«; VI, 30 Krankenhausreform 200 Krankenhäuser sollen aufgegeben werden; IX, 64 Schweiz Alternde Gesellschaft Reform der Pflegefinanzierung bis 2005 vertagt; II, 40 Evaluation im Gesundheitswesen Programm Evaluation Komplementärmedizin; VI, 26 Tessin: Wie Politik auf Gesundheit wirkt; IV, 22 Finanzierung Referendum für die Reform der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung; I, 20 Kopfprämien belasten Familien und Geringverdiener; II, 65 Kontrahierungszwang bleibt bestehen; II, 71 Regierung weiter auf Reformkurs; III, 77 Soziale Gerechtigkeit im Kopfprämiensystem; V, 33 156 Informationstechnologie Gesundheitskarte und elektronisches Gesundheitsnetz ± das Modellprojekt im Tessin; VI, 68 Krankenhausreform Auf dem Weg zu einem nationalen Krankenhauswesen; IX, 67 Organisationsreform Soziale Gerechtigkeit in einem föderalen Staat; III, 52 Neubeginn für integrierte Versorgungsnetzwerke; IV, 72 »Public Health« und Prävention Präventionsgesetz soll für Transparenz und Gleichheit sorgen; VII/VIII, 219 HPV-Impfungen Sache der Allgemeinheit?; X, 62 Singapur Alternde Gesellschaft Integration stationärer Leistungen von Akutversorgung bis Reha; VII/VIII, 144 Fachkräfteentwicklung Weiterbildungsstandards für Allgemeinmedizin; VI, 104 Finanzierung ElderShield ± neue Pflege-Zusatzversicherung; I, 18 Höhere Auszahlungsgrenzen bei MediSave und MediShield; I, 19 Finanzierung ambulanter »Disease Management«-Programme; VII/VIII, 111 MediSave muss nachsteuern; IX, 100 Das teuerste Gesundheitswesen ist gerade gut genug; X, 127 Informationstechnologien Transparenz im Web senkt Krankenhaustarife; V, 116 Outsourcing von Röntgenbefundnahme nach Indien; VII, 183 157 Integrierte Versorgung Ambulante DMPs für chronisch Kranke; VII/VIII, 68 Medizinische Ethik Revision des Organspendegesetzes; III, 68 Organisationsreform HealthConnect ± ein gemeindebezogenes Versorgungsmodell; IV, 75 Zugang zum Gesundheitssystem Reform der Hochrisikoversicherung MediShield; VII/VIII, 84 Slowenien Fachkräfteentwicklung Unabhängige Fachärzte; VI, 100 Kampf gegen Mangel an Krankenschwestern; VII/VIII, 179 Finanzierung Risikostrukturausgleich bei Zusatzversicherungen; VII/VIII, 116 Pflegeversicherung steht vor der Tür; IX, 105 Spanien Alternde Gesellschaft Castilla y LØon Vorreiter bei Integration von medizinischer und sozialer Versorgung; II, 23 Nationale Pflegeversicherung; VII/VIII, 107 Arzneimittelpolitik Neue Festbetragsregelung mit Nebenwirkungen; II, 56 Arzneimittelreform im dezentralisierten Gesundheitssystem; V, 58 Gesetzesentwurf zur Rationalisierung des Arzneimittelverbrauchs; VII/VIII, 196 Reform scheitert an der Pharma-Industrie; X, 119 158 Finanzierung Toledo-Abkommen zur Pflegefinanzierung; II, 36 Informationstechnologien Landesweites elektronisches Rezept; III, 63 Elektronische Verschreibung von Arzneimitteln; VII/VIII, 201 Integrierte Versorgung Pilotvorhaben zur integrierten Versorgung in Katalonien; I, 38 Das Denia-Modell; VI, 51 Neue Versorgungsmodelle werden verglichen und evaluiert; X, 46 Organisationsreform Erste ökonomische Bilanz der Dezentralisierung; III, 55 »Public Health« und Prävention Schwaches Antitabakgesetz; V, 105 Qualitätsverbesserung und Qualitätsmanagement Die Debatte um Qualität und Dezentralisierung; I, 32 Barcelona und MontrØal vergleichen ihre Gesundheitseinrichtungen; IV, 61 Zugang zum Gesundheitssystem Verbesserter Zugang zu fachärztlichen Diensten und Medikamenten für illegale Einwanderer; IV, 33 Südkorea Arzneimittelpolitik Trennung von Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln; II, 60 Finanzierung Ausweitung des Leistungskatalogs; VI, 110 159 Organisationsreform Einheitskasse ± mehr soziale Gerechtigkeit; II, 68 »Public Health« und Prävention Erhöhung der Tabaksteuer; III, 42 Tabaksteuer und Gesundheitsförderung; V, 107 Gesundheitsförderung durch traditionelle Medizin; VII/VIII, 211 Qualitätsverbesserung und Qualitätsmanagement Bewertung von Krankenhäusern; IV, 63 USA Alternde Gesellschaft Medicare zahlt für verschreibungspflichtige Medikamente; II, 33 Arzneimittelpolitik Kalifornien reimportiert Medikamente aus Kanada; III, 74 Kalifornien: Reimport verschreibungspflichtiger Medikamente; IV, 80 Evidenzbasierte Arzneimittellisten; V, 53 Kalifornien: Gesetz zur Sicherheit von Kosmetika; VI, 108 Medicare Part D eingeführt; VII/VIII, 192 Fachkräfteentwicklung Kalifornien: Mehr Patientensicherheit durch Pflegeschlüssel; II, 80 Finanzierung Steuergutschriften zum Erwerb der Krankenversicherung für Nicht-Versicherte; I, 47 Erste Erfahrungen mit Gesundheitssparkonten; VII/VIII, 91 Medicare-Prämie jetzt einkommensabhängig; IX, 103 Informationstechnologien Elektronische Verschreibung von Arzneimitteln; VII/VIII, 201 160 Integrierte Versorgung Medicare-Pilotprojekte zur Versorgung chronisch Kranker; VI, 46 Das »medizinische Zuhause« wird Wirklichkeit; X, 42 »Public Health« und Prävention Verbot von Softdrinks an Schulen in Kalifornien; III, 44 Kampf gegen die Übergewichtsepidemie; V, 99 HPV-Impfungen Sache der Allgemeinheit?; X, 62 Qualitätsverbesserung und Qualitätsmanagement Kalifornien: Geld folgt Leistung. Eine Initiative mehrerer »Managed Care«-Unternehmen; I, 33 Gesetz für Patientensicherheit und Qualitätsverbesserung; V, 66 »Hospital Compare«; V, 71 Zugang zum Gesundheitssystem Pläne für die Reform der staatlichen Krankenversicherungen Medicaid und SCHIP; I, 44 Kalifornien: »Managed Care«-Träger für arbeitgebergebundene allgemeine Krankenversicherung; I, 48 Hawaii: Neuerlicher Gesetzentwurf für eine allgemeine Krankenversicherungspflicht; I, 49 Kalifornien: Eine Million Beschäftigte erhalten Krankenversicherungsschutz; II, 69 Oregon: »Oregon Health« Plan ± der Anfang vom Ende; III, 70 Kalifornien: Volksabstimmung zu Arbeitgeberpflichtversicherung; III, 73 Kalifornien: Telefonsteuer zur Notfallversorgung nicht mehrheitsfähig; IV, 35 Krankenversicherungspflicht für alle; V, 18 Preisnachlässe für verschreibungspflichtige Medikamente für unversicherte Kalifornier; VII/VIII, 89 CMS veröffentlicht Preise für Krankenhausleistungen; VII/VIII, 96 Massachusetts ± Krankenversicherung für alle; VII/VIII, 105 Lücken werden geschlossen ± Pragmatismus statt Ideologie; IX, 20 161 Reformverzeichnis nach Themen Thema, Land, Titel, Ausgabe, Seite Alternde Gesellschaft Australien Politische Strategie für eine alternde Gesellschaft; II, 19 Dänemark Wahlfreiheit bei sozialen Dienstleistungen; II, 27 Frankreich Reform der Versorgung hilfsbedürftiger Menschen; II, 38 Altenpflege als »fünfte Säule« der Sozialversicherung; X, 18 Groûbritannien Versorgungsstandards für ältere Menschen; II, 25 Reform der Pflegefinanzierung vertagt; II, 29 Israel Informationsbroschüre zur Pflegeversicherung kommt mit der Zeitung; VII/VIII, 126 Maûgeschneiderte Versorgung für ¾ltere; VII/VIII, 152 Pflegeleistungen werden ausgeschrieben; X, 29 Japan Pflegestützpunkte als Pflichtleistung; X, 25 163 Neuseeland Abschaffung der Vermögensprüfung; II, 31 »Aging in Place« ± Projekte und Evaluation; VII/VIII, 146 Niederlande Monopole bei der integrierten Versorgung für ¾ltere; II, 22 Ziele für eine Reform der Pflege; II, 28 Dezentralisierung der Verantwortung für gesundheitsbezogene Sozialleistungen; VII/VIII, 141 Österreich Zehn Jahre Bundespflegegeld; II, 42 Familienhospizkarenz; II, 44 Turbulente Debatte um 24-Stunden-Pflege; X, 21 Schweiz Reform der Pflegefinanzierung bis 2005 vertagt; II, 40 Singapur Elder-Shield ± Neue Pflege-Zusatzversicherung; I, 18 Integration stationärer Leistungen von Akutversorgung bis Reha; VII/VIII, 144 Slowenien Pflegeversicherung steht vor der Tür; IX, 105 Spanien Castilla y LØon Vorreiter bei Integration von medizinischer und sozialer Versorgung; II, 23 Nationale Pflegeversicherung; VII/VIII, 107 USA Medicare zahlt für verschreibungspflichtige Medikamente; II, 33 164 Arzneimittelpolitik Australien Reform der Arzneimittelbewertung wegen Freihandelsabkommen mit den USA; V, 50 Preisreform schafft zwei Klassen Arzneimittel; X, 114 Dänemark Gesundheitsökonomische Evaluierung von Arzneimitteln; II, 54 Finnland Erfolgreiche Aut-idem-Regelung; II, 59 Unabhängige Arzneimittelinformation für ¾rzte; II, 62 Einschränkungen für Generika; IV, 82 Teure Arzneimittel für seltene Erkrankungen; V, 56 Umfassendes Arzneimittelreformpaket; VI, 112 Raucher-Kaugummi einziger sichtbarer Erfolg der Arzneimittelreform; X, 117 Frankreich Neuordnung der Kostenübernahme durch Nutzenbewertung; II, 47 Liberalisierung der Preise für innovative Arzneimittel; II, 54 Groûbritannien Bilanz nach vier Jahren Arzneimittelbewertung durch NICE; II, 52 Arzneimittelpreise sollen sich am Wert orientieren; X, 110 Neuseeland Weiterhin Direktwerbung; II, 63 Weiterhin uneingeschränkte Werbung bei Arzneimitteln?; VII/VIII, 205 Österreich Umfassendes Arzneimittelpaket soll Kosten senken; II, 50 Polen Mehr Transparenz bei der Arzneimittelvergütung; VII/VIII, 198 Arzneimittelpolitik im Scheinwerferlicht; X, 112 165 Spanien Neue Festbetragsregelung mit Nebenwirkungen; II, 56 Arzneimittelreform im dezentralisierten Gesundheitssystem; V, 58 Gesetzesentwurf zur Rationalisierung des Arzneimittelverbrauchs; VII/VIII, 196 Reform scheitert an der Pharma-Industrie; X, 119 Südkorea Trennung von Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln; II, 60 USA Kalifornien reimportiert Medikamente aus Kanada; III, 74 Kalifornien: Reimport verschreibungspflichtiger Medikamente; IV, 80 Evidenzbasierte Arzneimittellisten; V, 53 Kalifornien: Gesetz zur Sicherheit von Kosmetika; VI, 108 Medicare Part D eingeführt; VII/VIII, 192 Evaluation im Gesundheitswesen Australien Evaluation von HealthConnect; VI, 24 Dänemark Evaluation des DRG-Systems; VI, 37 Groûbritannien Das 12. NICE Arbeitsprogramm: Bewertung von »Public Health«-Programmen und neuen Technologien; VII/VIII, 54 Israel Audit für Krankenhauszulassung; VI, 32 Neuseeland Auf dem Weg zur Gesundheitsfolgenabschätzung; IX, 37 Polen Agentur für »Health Technology Assessment«; VI, 30 166 Schweiz Programm Evaluation Komplementärmedizin; VI, 26 Tessin: Wie Politik auf Gesundheit wirkt; IV, 22 Fachkräfteentwicklung Australien Strategie gegen Pflegenotstand; II, 79 Maûnahmen gegen langjährige Fehlsteuerungen in der Personalplanung; VII/VIII, 177 Frankreich ¾rztemangel ± unklare Daten und Konsequenzen; VI, 94 Zukunftsplan gegen drohenden ¾rztemangel; VII/VIII, 175 Pflegekräfte werden aufgewertet und besser verteilt; X, 132 Groûbritannien Hausärzte und Gesundheitserzieher für unterversorgte Regionen; VI, 102 Israel Ambulante Ausbildung von Fachärzten; VI, 98 Japan Erstmals Arbeitserlaubnis für philippinische Pflegekräfte; VII/VIII, 169 Kanada Interdisziplinäre Weiterbildung; VI, 96 Personalmangel im Gesundheitswesen erzwingt neue Maûnahmen; VII/VIII, 172 Neuseeland Weiterentwicklung pflegerischer Versorgung; VII/VIII, 165 »Performance Evaluation«-Programme; VI, 34 Niederlande »Nurse practitioners«; II, 78 167 Singapur Weiterbildungsstandards für Allgemeinmedizin; VI, 104 Slowenien Unabhängige Fachärzte; VI, 100 Kampf gegen Mangel an Krankenschwestern; VII/VIII, 179 USA Kalifornien: Mehr Patientensicherheit durch Pflegeschlüssel; II, 80 Finanzierung Australien Anreizsystem für private Krankenversicherungsverträge; I, 15 Produktausweitung der privaten Krankenversicherung; VII/VIII, 86 Zurück zu öffentlicher Finanzierung zahnärztlicher Versorgung; IX, 84 Dänemark Säumnisgebühren für unzuverlässige Patienten; IV, 41 Finnland Reformvorschlag für Managed Care; II, 70 Wertgutscheine für Gesundheits- und Sozialleistungen; III, 20 Zusatzgebühren für ambulante Krankenhausbehandlung; IV, 37 Kaum Nachfrage nach Versorgungsgutscheinen; X, 134 Frankreich Diskussion um Reform der Finanzierung; II, 67 »Schutzschild« gegen zu hohe Zuzahlungen; X, 75 Groûbritannien Alternativen zur staatlichen Finanzierung des Gesundheitswesens; I, 21 Stärkung des privaten Sektors; I, 22 168 Japan Anhebung der prozentualen Zuzahlungen; I, 14 Höhere Zuzahlungen für ältere Menschen; VII/VIII, 80 Dezentrale Beiträge und ein neues Versicherungssystem für Hochaltrige; X, 79 Neuseeland Vorauszahlung für allgemeinärztliche Behandlung; I, 14 Geringere Zuzahlungen für Hausarztbesuche; VII/VIII, 82 Niederlande Rationierung von Gesundheitsleistungen; I, 16 Österreich Anpassung der Krankenversicherungsbeiträge; I, 13 Schweiz Referendum für die Reform der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung; I, 20 Kopfprämien belasten Familien und Geringverdiener; II, 65 Kontrahierungszwang bleibt bestehen; II, 71 Regierung weiter auf Reformkurs; III, 77 Soziale Gerechtigkeit im Kopfprämiensystem; V, 33 Singapur Höhere Auszahlungsgrenzen bei MediSave und MediShield; I, 19 Finanzierung ambulanter Disease-Management-Programme; VII/VIII, 111 MediSave muss nachsteuern; IX, 100 Das teuerste Gesundheitswesen ist gerade gut genug; X, 127 Slowenien Risikostrukturausgleich bei Zusatzversicherungen; VII/VIII, 116 Spanien Toledo-Abkommen zur Pflegefinanzierung; II, 36 Südkorea Ausweitung des Leistungskatalogs; VI, 110 169 USA Steuergutschriften zum Erwerb der Krankenversicherung für Nicht-Versicherte; I, 47 Erste Erfahrungen mit Gesundheitssparkonten; VII/VIII, 91 Medicare-Prämie jetzt einkommensabhängig; IX, 103 Informationstechnologien Australien HealthConnect ± netzwerkbasierte elektronische Patientenakte; V, 74 Leitliniendatenbank für Krebstherapie; VI, 84 Dänemark Elektronische Patientenakte in Krankenhäusern; III, 62 Einführung der elektronischen Patientenakte in Krankenhäusern verzögert sich; VI, 73 Estland Nationales Gesundheitsinformationssystem; VI, 75 Finnland Patient bleibt Herr seiner Daten; IX, 103 Israel Institutionsübergreifende elektronische Patientenakte; VI, 71 E-Learning für ¾rzte zum Thema Frauengesundheit; VII/VIII, 64 Neuseeland Elektronische Risikoanalyse bei Herzkrankheiten und Diabetes; VI, 82 Österreich Gesundheitstelematikgesetz; VI, 79 Schweiz Gesundheitskarte und elektronisches Gesundheitsnetz ± das Modellprojekt im Tessin; VI, 68 170 Singapur Transparenz im Web senkt Krankenhaustarife; V, 116 Outsourcing von Röntgenbefundnahme nach Indien; VII/VIII, 183 Spanien Landesweites elektronisches Rezept; III, 63 Elektronische Verschreibung von Arzneimitteln; VII/VIII, 201 USA Elektronische Verschreibung von Arzneimitteln; VII/VIII, 201 Integrierte Versorgung Australien Bilanz zu Pilotstudien in der Versorgung chronisch Kranker; III, 30 Change Management für Hausärzte; III, 32 Chronic Care Collaboratives; VI, 49 Optionen für Versorgung von Krebspatienten; VI, 55 Frankreich Reform der häuslichen Krankenpflege; I, 37 Groûbritannien »Disease Management« nach amerikanischem Vorbild; III, 28 Reform von Pflege und Sozialdienst; VI, 57 Israel Ein Duo ersetzt den allein praktizierenden Arzt; X, 39 Japan Aktionsplan gegen den Krebs soll Versorgung besser integrieren; X, 57 Kanada Staatlicher Krankenversicherungsschutz umfasst nun auch akute Nachsorge; I, 36 171 Hausarztnetze in Ontario; III, 33 Integrationsnetzwerke in Ontario; VI, 54 Singapur Ambulante DMPs für chronisch Kranke; VII/VIII, 68 Spanien Pilotvorhaben zur integrierten Versorgung in Katalonien; I, 38 Das Denia-Modell; VI, 51 Neue Versorgungsmodelle werden verglichen und evaluiert; X, 46 USA Medicare-Pilotprojekte zur Versorgung chronisch Kranker; VI, 46 Das »medizinische Zuhause« wird Wirklichkeit; X, 42 Krankenhausreform Dänemark Konkurrenz für öffentliche Krankenhäuser; X, 130 Finnland Reform der Krankenhausfinanzierung; I, 24 Frankreich »Hôpital 2007«; V, 37 Krankenhausreform mit Nebenwirkungen; IX, 73 Groûbritannien Neue Formen stationärer Versorgung (NHS Foundation Trusts); I, 25 Polen 200 Krankenhäuser sollen aufgegeben werden; IX, 64 Schweiz Auf dem Weg zu einem nationalen Krankenhauswesen; IX, 67 172 Leistungskatalog, siehe Finanzierung Medizinische Ethik Frankreich Novelle des Bioethik-Gesetzes; III, 65 Singapur Revision des Organspendegesetzes; III, 68 Organisationsreform Dänemark Die Suche nach der richtigen Aufgabenteilung ± Krankenhäuser, Landkreise und Anreizsysteme; I, 23 Neuordnung der Verwaltungsebenen; III, 47 Verwaltungs- und Krankenhausreform unter Dach und Fach; IV, 84 Finnland Das Kainuu-Experiment; III, 48 Gemeindeverbünde übernehmen Primärversorgung; IX, 71 Groûbritannien 10 Jahre Labour-Gesundheitsreformen ± mehr Markt, mehr Wahl; VII/VIII, 37 Israel Private Konkurrenz für öffentliche Kassen; IV, 66 Eine fünfte Krankenkasse für wechselnde Zwecke; X, 83 Japan Plan zur Fusion der Versicherungsträger; IV, 76 Niederlande Neues Krankenversicherungssystem; IV, 68 Gesetz zur sozialen Unterstützung (WMO); IV, 86 173 Krankenversicherungsreform; VI, 107 Gesundheitsreform 2006 ± was lange währt, wird endlich gut, oder gezielte Salami-Taktik?; VII/VIII, 23 Krankenversicherungssystem 2006 ± erste Ergebnisse; IX, 16 Neuseeland Zwischenbilanz nach Rückkehr zur dezentralen Gesundheitsversorgung; III, 58 Österreich Regionale Gesundheitsagenturen; III, 50 Gesundheitsreform 2005; IV, 70 »Strukturplan Gesundheit« stärkt die Länder; VII/VIII, 31 Mit Länderinitiativen zu mehr Koordination und Bürgernähe; IX, 28 Schweiz Soziale Gerechtigkeit in einem föderalen Staat; III, 52 Neubeginn für integrierte Versorgungsnetzwerke; IV, 72 Singapur HealthConnect ± ein gemeindebezogenes Versorgungsmodell; IV, 75 Spanien Erste ökonomische Bilanz der Dezentralisierung; III, 55 Südkorea Einheitskasse ± mehr soziale Gerechtigkeit; II, 68 Palliative Versorgung Israel Palliative Versorgung im Leistungskatalog; V, 112 Groûe Nachfrage nach Kursen in Palliativversorgung; IX, 115 174 Patientenorientierung und Partizipation Dänemark Der Patient zuerst; III, 19 Estland Hausarzt-Hotline 24/7; VII/VIII, 124 Groûbritannien Wahlfreiheit und Nutzerorientierung im National Health Service; III, 17 Kanada Gesundheitsrat für öffentliches Verantwortungsbewusstsein; III, 25 Visionen für das Gesundheitswesen der Zukunft; IX, 34 Niederlande Personengebundene Budgets in der ambulanten Pflege und sozialen Hilfe; III, 22 Österreich Gesetz zum Schutz des eigenen Willens; VII/VIII, 128 Pflege, siehe Alternde Gesellschaft Primärversorgung Finnland Forschung in Primärversorgungszentren; V, 117 Regierung setzt kürzere Wartezeiten durch; VII/VIII, 41 Frankreich Verbesserte Koordination der Gesundheitsversorgung; IV, 50 175 Groûbritannien Neuer Vertrag für Hausärzte; IV, 47 Praxiseigene Budgets für Hausärzte; VII/VIII, 51 Bürger entscheiden bei Primärversorgung mit; VII/VIII, 122 Israel Qualitätsverbesserung in der Primärversorgung; IV, 55 Neuseeland »Primary Health«-Organisationen; I, 41 Primärversorgung für besonders bedürftige Patienten; IV, 49 Geringere Zuzahlungen für Hausarztbesuche; VII/VIII, 82 Psychische Gesundheit Australien »beyondblue« ± nationale Initiative gegen Depression; IV, 18 Psychotherapie wird erstattet; IX, 54 Groûbritannien Angebotsvielfalt für psychisch Kranke; IX, 51 Israel Behandlung von psychischen Störungen in der Primärversorgung; VII/VIII, 60 Tauziehen um Psychiatrie-Ambulanzen; IX, 47 Kanada Nationale Strategie für psychische Gesundheit; VII/VIII, 57 Neuseeland Landesweites Konzept für psychische Gesundheit; IV, 20 »Public Health« und Prävention Australien Krebsinstitut mit hochgesteckten Zielen; II, 77 176 Darmkrebs-Screening zukünftig ab 55 Jahren; VII/VIII, 213 Bundesstaaten zahlen freiwillig für »Public Health«; IX, 108 Dänemark Mehr Schilder statt weniger Rauch; V, 110 Finnland Rauchverbot in Kneipen und Restaurants; VII/VIII, 230 Senkung der Alkoholsteuer als Folge des EU-Beitritts; V, 102 Frankreich Fünfjahresplan öffentliche Gesundheit; I, 40 »Public Health«-Gesetz mit vielen Gesundheitszielen; III, 38 Anspruchsvolles »Public Health«-Konzept gefährdet; V, 82 Jugendliche auch bei Gratisversorgung schwer erreichbar; IX, 86 Groûbritannien Wanless-Gutachten zu »Public Health«-Strategien; III, 39 Nationales Screening-Programm für Darmkrebs; V, 89 Israel Krankenkassen übernehmen Verantwortung für Vorsorge bei Kindern; V, 84 Sharons Erkrankung steigert Interesse für Schlaganfallprävention; VII/VIII, 222 Japan Anstrengungen für ein »Gesundes Japan 21«; III, 41 Blutspendeverbot zum Schutz vor Creutzfeld-Jakob-Erkrankung; V, 91 Kanada HPV-Impfungen Sache der Allgemeinheit?; X, 62 Neuseeland Nationaler Aktionsplan für Kampf gegen Krebs; V, 87 100 Prozent rauchfrei; V, 108 »Let's beat« Diabetes; VII/VIII, 215 177 Suizid-Präventionsstrategie 2006±2016; VII/VIII, 217 HPV-Impfungen Sache der Allgemeinheit?; X, 62 Österreich Preispolitik, Rauchverbot und Telefon-Hotline zur Reduktion des Tabakkonsums; VII/VIII, 232 Schweiz Präventionsgesetz soll für Transparenz und Gleichheit sorgen; VII/VIII, 219 HPV-Impfungen Sache der Allgemeinheit?; X, 62 Spanien Schwaches Antitabakgesetz; V, 105 Südkorea Erhöhung der Tabaksteuer; III, 42 Tabaksteuer und Gesundheitsförderung; V, 107 Gesundheitsförderung durch traditionelle Medizin; VII/VIII, 211 USA Verbot von Softdrinks an Schulen in Kalifornien; III, 44 Kampf gegen die Übergewichtsepidemie; V, 99 HPV-Impfungen Sache der Allgemeinheit?; X, 62 Qualitätsverbesserung und Qualitätsmanagement Australien Schutz für jeden, der einen Fehler aufdeckt; X, 101 Dänemark Keine Wartezeiten und bessere Versorgung für Krebspatienten; X, 60 Estland Krankenhäuser nehmen am »Path«-Programm der WHO teil; X, 91 178 Finnland Zentralisierung und Qualität der hochspezialisierten Versorgung; I, 30 Krankenhausbewertung für höhere Kosteneffektivität; VII/VIII, 133 Frankreich Benchmarks zur Reduzierung von Krankenhausinfektionen; VII/VIII, 130 Groûbritannien NHS Foundation Trusts; IV, 59 Kanada Saskatchewan: Unabhängige Kommission zur Qualitätsverbesserung; I, 27 Unabhängiger Rat für Gesundheitspolitik; II, 74 Barcelona und MontrØal vergleichen ihre Gesundheitseinrichtungen; IV, 61 Institut für Patientensicherheit; V, 69 Gesundheitsrat gibt Qualitätsempfehlungen; X, 94 Neuseeland Nationale Strategie für Qualität im Gesundheitswesen; II, 75 Qualitätsparameter orientiert am Patienten; X, 92 Niederlande Obligatorische Qualitätssicherung; I, 31; II, 76 Schneller ist nicht immer besser; X, 98 Spanien Die Debatte um Qualität und Dezentralisierung; I, 32 Barcelona und MontrØal vergleichen ihre Gesundheitseinrichtungen; IV, 61 Südkorea Bewertung von Krankenhäusern; IV, 63 179 USA Kalifornien: Geld folgt Leistung. Eine Initiative mehrerer »Managed Care«-Unternehmen; I, 33 Gesetz für Patientensicherheit und Qualitätsverbesserung; V, 66 »Hospital Compare«; V, 71 Vergütung Australien Vergütung der Hausärzte; IV, 52 Frankreich Niedergelassene ¾rzte blockieren Vertragssystem; II, 72 Hausarztsystem in der Mangel von ¾rzten und Privatversicherungen; V, 40 Groûbritannien Neues Vergütungssystem für Zahnärzte; VII/VIII, 181 Zugang zum Gesundheitssystem Estland Zahntourismus und EU-Steuern verteuern Zahnversorgung; IX, 89 Finnland Besserer Zugang zu zahnärztlichen Leistungen für Erwachsene; VII/VIII, 78 Frankreich Hoher Rat zur Zukunft der Krankenversicherung; III, 80 Krankenversicherungsgutscheine für Bedürftige; IV, 28; VII/VIII, 113 Groûbritannien Zähneknirschende Patienten; IV, 42 Fortschritte bei der Verkürzung von Wartezeiten; VI, 115 180 Israel Zuzahlungen, Zugang, Gerechtigkeit; IV, 30 Kanada Verliert die Garantie auf Krankenversorgung an Bedeutung?; IV, 39 Singapur Reform der Hochrisikoversicherung MediShield; VII/VIII, 84 Spanien Verbesserter Zugang zu fachärztlichen Diensten und Medikamenten für illegale Einwanderer; IV, 33 USA Pläne für die Reform der staatlichen Krankenversicherungen Medicaid und SCHIP; I, 44 Kalifornien: »Managed Care«-Träger für arbeitgebergebundene allgemeine Krankenversicherung; I, 48 Hawaii: Neuerlicher Gesetzentwurf für eine allgemeine Krankenversicherungspflicht; I, 49 Kalifornien: Eine Million Beschäftigte erhalten Krankenversicherungsschutz; II, 69 Oregon: Oregon Health Plan ± der Anfang vom Ende; III, 70 Kalifornien: Volksabstimmung zu Arbeitgeberpflichtversicherung; III, 73 Kalifornien: Telefonsteuer zur Notfallversorgung nicht mehrheitsfähig; IV, 35 Krankenversicherungspflicht für alle; V, 18 Preisnachlässe für verschreibungspflichtige Medikamente für unversicherte Kalifornier; VII/VIII, 89 CMS veröffentlicht Preise für Krankenhausleistungen; VII/VIII, 96 Massachussetts ± Krankenversicherung für alle; VII/VIII, 105 Lücken werden geschlossen ± Pragmatismus statt Ideologie; IX, 20 181