1967 Detroit Riots, Detroit Techno and Michael Heizer`s

Transcription

1967 Detroit Riots, Detroit Techno and Michael Heizer`s
Edgar Arceneaux in an Ongoing Collaboration With JULIAN Myers
1967 Detroit Riots,
Detroit Techno and
Michael Heizer’s
Dragged Mass
MUSEUM FÜR GEGENWARTSKUNST BASEL
INTRODUCTION
1967 Detroit Riots,
Detroit Techno and
Michael Heizer’s
Dragged Mass
Museum für Gegenwartskunst Basel
1.
EINFÜHRUNG
2.
INTRODUCTION
3.
EINFÜHRUNG
1967 Detroit Riots,
Detroit Techno and
Michael Heizer’s
Dragged Mass
6
Nikola Dietrich
Was haben Spock, Tuvok und Tupac gemeinsam?
Edgar Arceneaux: eine Einführung /
What Do Spock, Tuvok, and Tupac Have in Common?
Edgar Arceneaux: An Introduction
12 Spiegelreisen / Mirror Traveling
34
Auszüge aus Skizzenbüchern / Sketchbook Excerpts
Julian Myers
EDGAR ARCENEAUX
75 Über das Wesen meiner Notizbücher. Eine Ausführung /
On the Nature of My Notebooks. An Outro-duction
77
4.
I mpressum / Colophon
Dank / Acknowledgements
Was haben Spock, Tuvok und Tupac gemeinsam?
Edgar Arceneaux: eine Einführung
Gegenüber
Edgar Arceneaux, Tuvok, Tupac,
Spock, 2004. Lithographie auf
Papier. 101,4 x 127 cm. Courtesy
Susanne Vielmetter Los Angeles
Projects.
Ein Studiobesuch bei Edgar Arceneaux in Pasadena ist eine einzigartige Erfahrung.
Vom gleissenden kalifornischen Sonnenlicht taucht man ein in die dunklen Räume der
Garage und in eine traumhaft bis dämonisch anmutende Parallelwelt. Die Augen, noch
kaum an die Dunkelheit gewöhnt, werden gleich zu Beginn von einer Videoinstallation
(Circle Disk Rotation, 2008) in Bann gezogen. Obwohl mit sichtlich einfachen Mitteln
gebaut, ist es ein schwierigeres Unterfangen hinter das Konzept zu kommen. Von der
Decke hängt eine grosse, runde Scheibe aus Karton, die aus zwei Halbkreisen zusammengesetzt ist. Eine Kamera am anderen Ende des Raumes nimmt täglich für eine
gewisse Zeit das Bild der rotierenden Scheibe auf. Am darauffolgenden Tag wird das
Aufgenommene auf die Scheibe und die Wand dahinter projiziert. Die verschwommenen Bilder, die man als Besucher zu sehen bekommt, sind also die des Vortages,
von der anderen Seite des Raumes aus aufgenommen. Eingebettet in ein eigenes
Raum-Zeit-Gefüge ist die Installation den täglich sich verändernden Bedingungen
ausgesetzt und erweckt den Eindruck, ein Eigenleben zu führen, das die vorzufindende
Situation immer wieder aufs Neue hinterfragt. Trotz der etwas vorzeitlich erscheinenden Technologie liegt dieser Arbeit ein Verständnis zugrunde, das den Zugang zur
Arceneauxs Denk- und Arbeitsweise am besten verdeutlicht. Genauso wie er von der
Annahme ausgeht, dass alle Glaubenssysteme ohnehin einseitig und zufällig sind,
stellt er auch Konzepte und verschiedene Weltansichten zu beliebig neuen Konstellationen zusammen.
Basierend auf seinem Interesse an multiplen Bezugssystemen, konstruiert er in den
Zeichnungen, Installationen und Video- bzw. Filmarbeiten ein komplexes Geflecht
aus Assoziationen, Konnotationen und veränderten Bedeutungsebenen, um eine
konventionelle und lineare Narration zu untergraben. In einem Experimentierfeld aus
Gegenüberstellungen, Durchbrechungen und Zusammenführungen unterschiedlicher Perspektiven werden allgemeingültige Codes aufgebrochen und gewohnte
Wahrnehmungsmuster aus dem Gleichgewicht gebracht. Angesichts der Menge an
vordergründig disparaten Themen, durch die der Betrachter hindurch navigiert wird,
beschleicht einen zuerst ein mulmiges Gefühl der Desorientierung. So kommt man
nicht umhin, auch in dieser Ausstellung der weit verästelten Logik zu folgen, die
Arceneaux zwischen den Unruhen von 1967 in Detroit, der Geburt des Techno und
dem Werk Dragged Mass von Michael Heizer herstellt.
Ein Gespräch mit dem Kunsthistoriker Julian Myers war Ausgangspunkt für dieses
Projekt, an dem Arceneaux fortlaufend arbeitet und das die halb vergessenen, halb
unterdrückten urbanen Auseinandersetzungen in der amerikanischen Industriestadt
Detroit zum Thema hat. Detroit – in der Vergangenheit Schauplatz brutaler Rassenunruhen und sozialer Konflikte, in jüngerer Zeit Symbol des wirtschaftlichen Zerfalls – ist
ein Ort, der aufzeigt, wie soziale und wirtschaftliche Kräfte fundamentalen Einfluss
auf das Leben einzelner Individuen ausüben. In grossformatigen Zeichnungen zeigt
6.
What Do Spock, Tuvok, and Tupac Have in Common?
Edgar Arceneaux: An Introduction
Edgar Arceneaux, Tuvok, Tupac,
Spock, 2004. Lithograph on paper.
40 x 50 in. Courtesy of Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
A studio visit with Edgar Arceneaux in Pasadena is a unique experience. Coming in
from the gleaming Californian sunlight, you delve into the dark space of the garage
and a seemingly dream-like and demonic parallel universe. Your eyes, not yet adjusted
to the dark, are immediately captivated by a video installation (Circle Disk Rotation,
2008). Even though it is constructed with visibly simple means, it is difficult to figure
out the concept behind it. A large, round disk made of cardboard is suspended from
the ceiling, roughly put together from two semicircles. Every day, for a certain time a
camera at the other end of the room takes pictures of the rotating disk. On the following day, these pictures are projected onto the disk and the wall behind it. The blurry
pictures that the visitor gets to see are those from the previous day, taken from the
other side of the room. Imbedded in its own space-time structure, the installation is
subjected to conditions that change each day, giving the impression that it has a life
of its own which keeps questioning the situation anew. Despite the rather prehistoricseeming technology, this work is based on an understanding that provides the best
access to Arceneaux’s mode of thinking and working. Just as he assumes that all
belief systems are one-sided and random at any rate, he also combines concepts and
various worldviews into arbitrary new constellations.
Based on his interest in multiple reference systems, he constructs in his drawings,
installations and video and film works a complex network of associations, connotations,
and altered levels of meaning to undermine any conventional and linear narration. In
7.
EINFÜHRUNG
INTRODUCTION
an experimental field of comparisons, fractions, and combinations of various perspectives, generally accepted codes are questioned and usual patterns of perception
destabilized. In light of the sheer mass of ostensibly disparate themes through which
the beholder is navigated, we first of all get a queasy sense of disorientation. Thus
we cannot help but follow the ramified logic that Arceneaux creates between the
1967 Detroit riots, the birth of techno, and Michael Heizer’s work Dragged Mass.
Edgar Arceneaux, Circle Disk
Rotation, 2008. Videoprojektor,
VHS-Kamera, VHS-Spieler, VHSBänder, Pappscheibe, Fotokopie,
Lampenständer, rot und grün
gefärbtes Gel, zwei Ventilatoren
und eine goldene DreibeinSkulptur. Scheibe: 178 cm
Durchmesser. Courtesy Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Foto: Robert Wedemeyer.
Arceneaux ausgebrannte Ruinen von Pubs und Bars, sogenannter blind pigs, die als
verbotene Treffpunkte während der Unruhen eine entscheidende Rolle gespielt hatten
und deren Überreste in Detroit auch heute noch allgegenwärtig sind. In den Zeichnungen schweben diese Ruinen scheinbar schwerelos wie auf Inseln durch einen
undefinierten Raum; Vergangenheit und Gegenwart scheinen miteinander in einer
einzigen physischen Realität vereint zu sein.
Eine verworrene Dreiecksbeziehung befördert auch die in der Ausstellung gezeigte
Arbeit Borrowed Sun (2004), in der ein poetisches Netzwerk zwischen dem
Astronomen Galileo Galilei, dem Jazzmusiker Sun Ra und dem Konzeptkünstler Sol
LeWitt gebildet wird. Eine irritierende Verschmelzung von Realität, Fiktion und Illusion
stellt sich auch in dem Projekt Agitation of Expansion (2007) ein. Arceneauxs Vorgehensweise einer Art jamming diverser kultureller Referenzen und dabei unerwartete,
offene Verbindungen zwischen Wörtern, Orten und Figuren aufzustellen, zeigt sein
Interesse an assoziativen Vorgängen innerhalb von Geschichte und Erinnerungen.
Arceneaux untersucht die Grenzen unseres Wissens und sucht nach Möglichkeiten,
diese Grenzen zu erweitern.
Genau an den Schnittstellen von Dauerhaftem und Vergänglichem, Bild und Text
sowie Abstraktion und Figuration versucht er die Bedingungen des Menschseins
auszumachen. Sein unbeschwertes Vorgehen an solch grosse und undurchschaubare
Themen nimmt oftmals phantasmatische Formen und groteske Kombinationen an.
Hierdurch schafft er Raum für den Betrachter, sich aktiv an der Suche nach den tief
verwurzelten Verbindungen zwischen antiker, universeller und gegenwärtiger Geschichte zu beteiligen.
A conversation with the art historian Julian Myers was the point of departure for this
project on which Arceneaux is continuously working, and which addresses the halfforgotten, half-suppressed urban struggles in the American industrial city of Detroit.
Detroit—in the past the site of brutal race riots and social conflicts, more recently
a symbol of economic decline—represents a place that demonstrates how social
and economic forces exert a fundamental influence on the life of individuals. In large
drawings, Arceneaux depicts the burnt-out ruins of pubs and bars, so-called “blind
pigs,” which played a decisive role during the riots as illegal meeting points, and
whose remnants are ubiquitous in Detroit even today. In the drawings, these ruins
seem to float weightlessly in an undefined space; past and present seem to be united
in a single physical reality.
Edgar Arceneaux, Circle Disk
Rotation, 2008. Video projector,
VHS camera, VHS player, VHS
tapes, cardboard disk, a photo
copy, lamp stand, red and green
colored gels, two fans and a
Golden Tripod Sculpture. Disk 70
in. diameter. Courtesy of Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Photo credit: Robert Wedemeyer.
A complicated triangular relationship is advanced by the work Borrowed Sun (2004),
also included in the exhibition, where a poetic network between the astronomer
Galileo Galilei, the jazz musicians Sun Ra, and the conceptual artist Sol LeWitt is
spun. A confusing merging of reality, fiction, and illusion is also part of the project
Agitation of Expansion (2007). Arceneaux’s approach, a kind of jamming of various
cultural references that creates unexpected open connections between words,
places, and figures, shows his interest in associative processes in history and
memory. Arceneaux explores the limits of our knowledge and seeks possibilities
of extending them.
He tries to explore the conditions of what it means to be human precisely at the
interface of the lasting and the transitory, image and text, abstraction and figuration.
His easygoing approach to such large and inscrutable topics often assumes fantasmatic forms and grotesque combinations. Thus he creates space for the beholder to
participate actively in the search for the deeply rooted connections between ancient,
universal, and contemporary history.
NIKOLA DIETRICH
Museum für Gegenwartskunst
NIKOLA DIETRICH
Museum für Gegenwartskunst
8.
9.
gegenüber
FACING
Abbildungen / S. 1–3
images / PP 1–3
Edgar Arceneaux, Detroit, 2009.
Acryl, Graphit auf Papier. 185 x
156,5 cm. Sammlung des Museum
of Modern Art, New York, NY.
Courtesy Susanne Vielmetter
Los Angeles Projects.
Foto: Lutz Bertram.
Edgar Arceneaux, Detroit, 2009.
Acrylic, graphite on paper. 73 x
61 in. Collection of The Museum
of Modern Art, New York, NY.
Courtesy of Susanne Vielmetter
Los Angeles Projects.
Photo Credit: Lutz Bertram.
Edgar Arceneaux, Mirror-structure:
Clairmount and Rosa Parks, Detroit,
November 2006 (mit einer Ansicht
der Skulptur von Jack Ward).
Digitale Fotografie. Courtesy Edgar
Arceneaux.
Edgar Arceneaux, Mirror-structure:
Clairmount and Rosa Parks, Detroit,
November 2006 (With view of
Jack Ward sculpture). Digital
photograph. Courtesy of the Artist.
INSERT / vorne, links
INSERT / front, left
Edgar Arceneaux, The Fall of Man,
2009. Graphit, Öl, Acryl, Collage
auf Mylar auf Papier. 178,5 x
147,5 cm. Sammlung des Museum
of Modern Art, New York, NY.
Courtesy Susanne Vielmetter
Los Angeles Projects.
Foto: Lutz Bertram.
Edgar Arceneaux, The Fall of
Man, 2009. Graphite, oil, acrylic,
collage on mylar on paper. 73 x
59 in. Collection of The Museum
of Modern Art, New York, NY.
Courtesy of Susanne Vielmetter
Los Angeles Projects.
Photo Credit: Lutz Bertram.
INSERT / vorne, rechts
INSERT / front, RIGHT
Edgar Arceneaux, Dragged
Mass as Allegory, 2009. Acryl,
Graphit auf Papier. 160 x 231 cm.
Sammlung des Museum of Modern
Art, New York. Courtesy Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Foto: Lutz Bertram.
Edgar Arceneaux, Dragged Mass
as Allegory, 2009. Acrylic, graphite
on paper. 63 x 91 in. Collection
of The Museum of Modern Art,
New York. Courtesy of Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Photo Credit: Lutz Bertram.
INSERT / hinten, links
INSERT / BACK, left
Installationsansicht von Disfigurement in the Face of Illusion: The
Detroit Riots, Michael Heizer and
Drexciya bei Susanne Vielmetter
Berlin Projects. 5. September –
10. Oktober 2009. Courtesy
Susanne Vielmetter Los Angeles
Projects. Foto: Lutz Bertram.
Installation view from Disfigurement
in the Face of Illusion: The Detroit
Riots, Michael Heizer and Drexciya
at Susanne Vielmetter Berlin
Projects. September 5 – October
10, 2009. Courtesy of Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Photo Credit: Lutz Bertram.
INSERT / hinten, rechts
INSERT / BACK, RIGHT
Edgar Arceneaux Myth, Nature,
Man: an Advancement of Evolution,
2009. Inkjet-Print auf Papier.
36,5 x 19,3 cm. Courtesy Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Foto: Lutz Bertram.
Edgar Arceneaux, Myth, Nature,
Man: an Advancement of Evolution,
2009. Inkjet print on paper. 36.5
x 19.3 cm. Courtesy of Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Photo Credit: Lutz Bertram.
10.
Michael Heizer, Dragged Mass,
1971. Detroit Institute of Arts.
Silbergelatinfotografie von
Gianfranco Gorgoni. Ursprünglich
erschienen in Gregoire Müller
und Gianfranco Gorgoni, The New
Avant-Garde, Praeger, 1972.
„Negerfamilien verbringen
die Nacht unter Bewachung“
(Ausschnitt), Life, 4. August 1967.
UR, Revolution for Change CD
(Ausschnitt), 1992. Courtesy
Underground Resistance.
Michael Heizer, Dragged Mass,
1971. Detroit Institute of Arts.
Gelatin silver photograph by
Gianfranco Gorgoni. Originally
published in Gregoire Müller and
Gianfranco Gorgoni, The New
Avant-Garde, Praeger, 1972.
“Negro Families Face the Night
Under Armed Guard (detail),”
Life, August 4, 1967.
UR, Revolution for Change CD
(detail), 1992. Courtesy of
Underground Resistance.
insert / front
insert / vorne
Edgar Arceneaux, Hopelessness
Freezes Time, 2011. Pastell, Acryl,
Kohle auf Papier. 45,7 x 56 cm.
Courtesy Susanne Vielmetter Los
Angeles Projects. Foto: Akina Cox.
Edgar Arceneaux, Hopelessness
Freezes Time, 2011. Pastel, acrylic,
carbon on paper. 18 x 26 in.
Courtesy of Susanne Vielmetter
Los Angeles Projects. Photo credit:
Akina Cox.
insert / hinten
insert / back
Edgar Arceneaux, Untitled, 2011.
Acryl, Zuckerkristalle auf Papier.
45,7 x 56 cm. Courtesy Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Foto: Robert Wedemeyer.
Edgar Arceneaux, Untitled, 2011.
Acrylic, sugar crystals on paper.
18 x 28 in. Courtesy of Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Photo credit: Robert Wedemeyer.
Abbildungen / S. 78-80
images / PP 78-80
„Neger-Aufstand: Das Feuer breitet
sich aus“, (Ausschnitt), Life, 4.
August 1967.
“Negro Revolt: The Flames Spread,”
(detail), Life, August 4, 1967.
Michael Heizer, Dragged Mass,
1971. Detroit Institute of Arts. Dia.
Courtesy Detroit Institute of Arts.
Michael Heizer, Dragged Mass,
1971. Detroit Institute of Arts.
Slide. Courtesy of Detroit Institute
of Arts.
Edgar Arceneaux, Detail einer
Vitrine bei Exhibit 3000, Submerge
Records. Digitale Fotografie.
Courtesy Edgar Arceneaux.
Edgar Arceneaux, Detail of a
vitrine at Exhibit 3000, Submerge
Records. Digital photograph.
Courtesy of the Artist.
Rückseite
Back Cover
Abbildungen von Spock und Marx
(Detail der Studiowand von Edgar
Arceneaux).
Images of Spock and Marx
(detail of studio wall from Edgar
Arceneaux).
11.
JULIAN MYERS
JULIAN MYERS
Spiegelreisen
Mirror Traveling
Das Ideal immanenter Textanalyse, die Vorstellung der Zerlegung oder Dekonstruktion der Teile eines Textes sowie der Beschreibung seines Funktionierens
und der Momente, an denen dieses Funktionieren untergraben wird, läuft freilich
weniger darauf hinaus – wenn wir es aus unserem gegenwärtigen Standpunkt
aus betrachten – dass damit alles Interpretieren in Bausch und Bogen verworfen
würde, als dass damit ein neues und adäquateres immanentes bzw. antitranszendentales Hermeneutikmodell gefordert ist. Es wird die Aufgabe der folgenden
Seiten sein, ein solches Modell vorzuschlagen.1
From our present standpoint… the ideal of an immanent analysis
of the text, of a dismantling or deconstruction of its parts and a
description of its functioning and malfunctioning, amounts less to a
wholesale nullification of all interpretive activity than to a demand
for the construction of some new and more adequate, immanent or
antitranscendent hermeneutic model, which it will be the task of the
following pages to propose.1
– Fredric Jameson, The Political Unconscious, 1981
– Fredric Jameson, Das politische Unbewusste
Teil 1: Aufstand und Allegorie
Ein Digitalfoto zeigt das Bild eines zerfallenden Platzes, in den Schichtungen verrottender Blätter und loser Ziegel. Bänke aus altem Holz umkreisen den Platz, während
tiefer im Zentrum zwei Steintische mit angeschlagenen Schachfeldern kauern. Im
Hintergrund steht ein Ziegelbau mit einem Paar leer stehender Schaufenster und
vernagelten Fenstern im ersten Stock; in der Gasse dahinter eine Prozession von
Vorstadthäusern mit Giebeldächern und Familienautos. Laublose Bäume klettern aus
metallenen Abflussrosten und präsentieren ihre schwarzen Äste vor einem bewölkten
Himmel; jeden Moment kann es zu regnen beginnen. Und ungefähr in der Mitte der
Anordnung auf dem Foto sitzt ein fremdartiges Gebilde. Eine freistehende Konstruktion aus geschweisstem, rostigem Metall steht, etwas aus dem Gleichgewicht und
drei Meter hoch, auf der gemauerten Oberfläche des Platzes. Ihre kantige Einfachheit lässt sich trotzdem schwer beschreiben: Drei vierseitige geometrische Körper
kommen wie Speichen aus einem dreieckigen Fuss und treffen ungefähr auf halber
Höhe aufeinander, als wären sie zusammengeschnürt. Dann klappen sie wieder weg
und treffen sich oben an der Konstruktion wieder, wo sie die Form der unteren Hälfte
wiederholen: Zwei äquivalente Module, die auf dem Kopf stehend genauso aussehen
würden, oder, wie bei Constantin Brâncusis Endloser Säule (1918), sich in eine potentielle Endlosigkeit erweitern.
Edgar Arceneaux, Clairmount and
Rosa Parks, Detroit, Februar 2006.
Digitalfotografie. Courtesy Edgar
Arceneaux.
1 Fredric Jameson, Das politische Unbe-
wusste: Literatur als Symbol sozialen
Handelns. Übersetzt von Ursula Bauer,
Gerd Burger und Bruni Röhm. Reinbek
bei Hamburg: Rowohlt, 1988, S. 18.
12.
Dieses Bild mag den Lesern sofort wie eine bekannte Szene monumentaler, abstrakter, modernistischer öffentlicher Skulpturen vorkommen, die ihre übliche Rolle in einer
Stadtplanung, der Pseudoerlösung und des schlechten Gewissens spielen, die alles
verbessern wollen (und dabei unvermeidbar scheitert): die Rolle der Pseudoerlösung
und des schlechten Gewissens. Aber schaut man genauer hin, werden gewisse unstimmige Einzelheiten sichtbar: Auf wen, auf welche Öffentlichkeit, bezieht sich diese
öffentliche Kunst? Auf diesen Feldern wird wenig Schach gespielt. Solche Skulpturen
befinden sich üblicherweise an Verwaltungsorten – von Regierungen oder Konzernen
–, aber hier scheint sich die Verwaltung schon lange aufgelöst zu haben: lang genug,
Part One: Riot and Allegory
A digital photograph offers an image of a crumbling plaza, layered in decaying leaves
and loose tiles. Benches of aging wood ring the perimeter, while, deeper into the
zone, two hunched stone tables offer up chipped grids for chess. In the background
a brick building with a pair of disused storefronts and boarded second floor windows
is visible; in the alley behind, a procession of suburban residences with pitched roofs
and family vehicles. Bare trees clamber from metal drainage grates to present black
branches against a clouded sky pregnant with rain. The approximate center of the
Edgar Arceneaux, Clairmount and
Rosa Parks, Detroit, February 2006.
Digital photograph. Courtesy of
the artist.
1 Fredric Jameson, The Political Uncon-
scious: Narrative as a Socially Symbolic
Act. London and New York: Routledge
Press, 2002: 7.
13.
JULIAN MYERS
2 Robert Musil, Nachlass zu Lebzeiten.
Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1957,
S. 59.
3 Sidney Fine, Violence in the Model City:
The Cavanagh Administration, Race
Relations, and the Detroit Riot of 1967.
Ann Arbor: The University of Michigan
Press, 1989, S. 155. Neben Fine stützt
sich meine Darstellung auf umfangreiche Primärquellen und zeithistorische
Studien, die in der Detroit Public Library
archiviert sind, insbesondere in der
Burton Historical Collection, sowie in
der Walter P. Reuther Manuscript and
Records Collection in der Wayne State
University, Detroit.
4 In Bezug auf Interviews mit Zeugen von
1967 schreibt Fine: „Augenzeugen behaupteten, die Polizei habe einige ihrer
Gefangenen geschlagen, einen Mann
in Handschellen die Treppe hinunter
‚geschubst und getreten’ und ihn mit
dem Griff einer Pistole geprügelt und
einen anderen Gefangenen mit einem
Schlagstock geschlagen, als er sich
nicht ausweisen konnte, und weiblichen
Gefangenen die Arme verdreht und
sie ‚geschubst und getreten’’’. Ein
Jugendlicher, der die Szene miterlebt
hatte, behauptete, einen Polizisten dabei
beobachtet zu haben, wie er ‚diese Frau
herauszog. Ihre Kleider wurden ihr vom
Leib gerissen ... Es war schrecklich’, beteuerte er. Einem anderen
Bericht zufolge streckte eine weibliche
Gefangene ihren Kopf aus einem der
Wagen und rief ‘Brutalität’.” (Fine, S.
160.) Fine zeigt überzeugend auf, dass
diese Misshandlung wohl als der Gipfel
einer Serie von Brutalitäten seitens der
Polizei angesehen wurde, insbesondere
das Verprügeln von Barbara Jackson im
August 1964 und Howard King im September 1965. Der rassistisch motivierte
Mord an Danny Thomas (23. Juni 1967)
und der Mord an Vivian Williams (am
1. Juli 1967 Gerüchten zufolge von
einem Polizisten getötet), hatten auch
dazu beigetragen, „die Wut der Community zum Überkochen zu bringen”. Siehe
Fine, S. 95-125 und S. 163.
5 Fine, S. 161.
6 Ebenda.
7 Fine, S. 163.
dass die Kacheln sich von der niedrigen Mauer lösen konnten, die den abgesenkten
Platz von der Erdhöhe abgrenzt, dass die Ziegel an die Skulptur geworfen wurden und
dass die Dellen, die dadurch in der Metalloberfläche hervorgerufen wurden, rosten
konnten, und schliesslich, dass irgendeine hilfreiche Seele einige dieser Wunden
mit Isolierband verbunden hat. „Es gibt nichts auf der Welt, was so unsichtbar wäre
wie Denkmäler“, schreibt Robert Musil im Nachlass zu Lebzeiten. „Sie werden doch
zweifellos aufgestellt, um gesehen zu werden, ja geradezu, um die Aufmerksamkeit
zu erregen; aber gleichzeitig sind sie durch irgendetwas gegen Aufmerksamkeit
imprägniert, und diese rinnt Wassertropfen-auf-Ölbezug-artig an ihnen ab, ohne auch
nur einen Augenblick stehen zu bleiben.“2 „Durch irgendetwas gegen Aufmerksamkeit
imprägniert“: das scheint eine akkurate Beschreibung dieser Szene zu sein. Die Skulptur ist niemandem zugeschrieben (später erfahren wir, dass sie dort vom Bildhauer
Jack Ward aus dem Viertel Cass Corridor ohne Wissen oder Genehmigung der Stadt
aufgestellt wurde). Und dem Platz mangelt die Kraft eines richtigen Namens: Man
verweist auf ihn mittels der Kreuzung, an der er sich befindet, wenn überhaupt. Er ist
eine Leerstelle, die man durchquert.
Warum ihn dann beachten? Aufgenommen von Edgar Arceneaux im Jahre 2006, ist
das Bild ein zentrales Beweisstück in einem laufenden kollaborativen Forschungsprojekt, das wir Mirror-Travel in the Motor City genannt haben. Um das Gewicht, das
dieses Projekt für uns hat, zu rechtfertigen, ist eine Exkursion in die Geschichte dieses
Ortes notwendig, und dabei gehen wir von 2006 zurück zu Ereignissen, die nun schon
mehr als vier Jahrzehnte zurückliegen.
Der Ort, den die Fotografie beschreibt, ist die Ecke von Clairmount Street und Rosa
Parks Boulevard an der West Side von Detroit in Michigan. Hier verübte die Detroiter
Polizei, in den frühen Morgenstunden des 23. Juli 1967, eine Razzia in einem Speakeasy, also einer Kneipe ohne Lizenz – in Detroit als blind pig (oder blindes Schwein)
bekannt – in 9125 Twelfth Street (so hiess der Rosa Parks Boulevard damals), in einer
„schäbigen Wohnung im ersten Stock“ über einer leer stehenden Druckerei.3 Trotz
der späten Stunde – es war gegen 3:45 Uhr morgens – beschloss die (vorwiegend
weisse) Polizei, alle Partygäste zu verhaften – mindestens fünfundachtzig Menschen,
Männer und Frauen, alle von ihnen afroamerikanisch. Sie in die Polizeiwagen zu bringen, mit denen sie zur Wache des zehnten Polizeibezirks transportiert werden sollten,
brauchte Zeit, und schnell bildete sich eine grosse Menschenmenge aus der Nachbarschaft, um dagegen zu protestieren, was sie als brutale und unfaire Behandlung
von Mitgliedern ihrer Community sahen.4 „Sollen wir diese weissen Motherfuckers
hier herkommen lassen, wann sie wollen, und zulassen, dass sie uns Schwierigkeiten
machen?“, rief einer, der Sohn eines der Besitzer des Clubs. „Holt Eure gottverdammten Stöcke und Flaschen, und dann tun wir ihnen weh, Baby.“5 Die Menge ging auf
die Polizei los und begann, eine „Sturzflut“ von Mauersteinen und Flaschen zu werfen,
dabei zerbrach die Heckscheibe eines Polizeiwagens.6 Um 4:40 Uhr zog sich die
Polizei aus dem Viertel zurück, aber statt auseinanderzugehen, begann die Menge –
„ein höchst parteiischer Chor, der die Ereignisse hinsichtlich einer breiteren Spektrums schwarzer Erfahrung interpretierte“ –, Fensterscheiben einzuschlagen.7
Was folgte, war ein ziviler Aufstand grossen Ausmasses, einer der destruktivsten
14.
SPIEGELREISEN / MIRROR TRAVELING
photograph’s array is occupied by a foreign structure. A freestanding construction of
welded, rusting metal, it stands nine feet tall, slightly off balance on the plaza’s brick
surface. Its angular simplicity is nevertheless difficult to describe: Three four-sided
geometrical volumes emerge like spokes from a triangular base, to converge, as if
cinched together, halfway up its height. Folding out again, the volumes meet again at
the construction’s top, repeating the form of the bottom half: two equivalent modules
that would stand the same way upside down—or, as with Constantin Brâncusi’s
Endless Column (1918), extend into a potential infinity.
The picture may immediately strike the reader as depicting a familiar scene of monumental, abstract, modernist public sculpture playing (and inevitably failing at) its usual
role, in ameliorative urbanism, of pseudo-redemption and bad conscience. But look
closer and dissonant details appear: to whom, to which public, does this public art
refer? Few games of chess are played on these grids. Such sculptures are most conventionally located in administered spaces—governmental or corporate—but here
administration seems to have dissolved long ago: long enough for tiles to loosen from
the low wall that separates ground level from sunken plaza, and for those tiles to be
thrown at the sculpture, and for the punctures thereby created in its metal surfaces
to rust, and finally for some helpful soul to have bandaged a few of these wounds
with electrical tape. “There is nothing in this world as invisible as a monument,” wrote
Robert Musil in Posthumous Papers of a Living Author. “They are no doubt erected
to be seen—indeed to attract attention. But at the same time they are impregnated
with something that repels attention, causing the glance to roll right off, like water
droplets off an oilcloth, without even pausing for a moment.”2 “Impregnated with
something that repels attention”: this seems an accurate description of this scene.
The sculpture is unattributed (we later discover that it was placed there by Cass
Corridor sculptor Jack Ward, without the city’s knowledge or permission). And the
plaza lacks the force of its proper name: one refers to it by its intersection, if at all.
It is a blank to be traversed.
Why attend to it, then? Taken by Edgar Arceneaux in 2006, the picture is a central
piece of evidence in an ongoing, collaborative project of research we’ve called
“Mirror-Travel in the Motor City.” To account for the weight it has for us demands an
excursion into the history of this place, moving back from 2006 to events now more
than four decades past.
2 Robert Musil, “Monuments,” in
Posthumous Papers of a Living Author
(Trans. Peter Wortsman). Brooklyn, NY:
Archipelago Books, 2006. Originally
published as Nachlass zu Lebseiten by
Rohwohlt Verlag GmbH, 1957.
3 Sidney Fine, Violence in the Model City:
The Cavanagh Administration, Race
Relations, and the Detroit Riot of 1967.
Ann Arbor: The University of Michigan
Press, 1989: 155. Alongside Fine my
account relies on consideration of
extensive primary materials and period
studies archived at the Detroit Public
Library, in particular the Burton Historical
Collection, and the Walter P. Reuther
Manuscript and Records Collection at
Wayne State University, Detroit.
4 Drawing on 1967 interviews with
people who were present, Fine writes,
“Eyewitnesses claimed that the police
beat some of their prisoners, ‘pushed
and kicked’ a handcuffed man down
the stairs and hit him with a gun butt,
hit one prisoner with a nightstick when
he failed to produce identification, and
were ‘pushing, kicking and twisting’
the arms of women prisoners. A youth
at the scene alleged that he saw a
policeman ‘drag this particular lady out.
Her clothes was all pulled off… [I]t was
really horrible,’ he asserted. According
to still another report, a woman arrestee
stuck her head out of one of the wagons
and shouted ‘brutality.’” Fine, 160. Fine
demonstrates convincingly that this
mistreatment would have been seen as
the culmination of a series of incidents
of police brutality, in particular the beatings of Barbara Jackson in August 1964
and Howard King in September 1965.
The racist murder of Danny Thomas
(June 23, 1967) and the murder of
Vivian Williams (rumored to have been
killed by a policeman on July 1, 1967),
too, had “raised the community’s level
of anger to the boiling point.” See Fine,
95–125, 163.
The place the photograph describes is the corner of Clairmount Street and Rosa
Parks Boulevard, on the West Side of Detroit, Michigan. It was here that, in the early
morning hours of July 23, 1967, Detroit policemen raided an afterhours drinking
club—known in Detroit as a “blind pig”—at 9125 Twelfth Street (as Rosa Parks Boulevard was then called), “a dingy second floor apartment” above a vacant print shop.3
Despite the late hour—it was around 3:45 in the morning—the police (predominantly
white) chose to arrest the entire party—at least eighty-five people, men and women,
all of them African-American. Placing them in patrol wagons to bring them down
to the Tenth Precinct station took time, and soon a large crowd of several hundred
people gathered from the surrounding neighborhood to protest what they saw as
brutal and unfair treatment of members of their community.4 “Are we going to let
15.
JULIAN MYERS
Julian Myers, „Blind Pig Raid
Was Spark“, aus Reporting the
Detroit Riot, American Newspaper
Publishers Association, 1968, 2009.
Manipulierte Fotokopie. Courtesy
Julian Myers. Ursprüngliches Bild
von Jimmy Tafoya für Detroit Free
Press.
8 Nur die New York Draft Riots 1863
während des Amerikanischen Bürgerkriegs, und die Krawalle in Los Angeles
1992, forderten mehr Menschenleben
und verursachten grösseren Schaden.
9 David Paul Boesel, „The Ghetto Riots
1964-68.“ (Ph.D. Dissertation, Cornell
University, 1972), S. 141-2, 145-7. Siehe
auch Fine, S. 199: „Bei der Ankunft in
Detroit am 23. Juli erklärte ein Gardist:
‚Ich werde auf alles schiessen, was sich
bewegt und schwarz ist.’“
10 Fine, ebenda. Er führt weiter aus: „An
einem Abend schoss ein Soldat an
einem Gardisten-Kontrollpunkt, und
75 andere Gardisten fingen an, auf die
umliegenden Gebäude zu schiessen,
um sich zu verteidigen ...“
11 Fine, S. 203-217. Siehe ebenso den
ausführlichen Bericht in Cyrus R. Vance,
Final Report of Cyrus R. Vance, Special
Assistant the Secretary of Defense
Concerning the Detroit Riots, July 23
through August 2, 1967. Veröffentlicht
vom Office of the Assistant Secretary
of Defense for Public Affairs, 12.
September 1967.
12 Fine, S. 207.
13 Fine, S. 208.
14 Fine, S. 214.
15 Schätzung der Michigan State
Insurance Commission vom Dezember
1967; zitiert in: Kerner Commission,
Report of the National Advisory
Commission on Civil Disorders.
Washington: U.S. Government
Printing Office, 1968.
und aggressivsten in der amerikanischen Geschichte.8 In den folgenden Stunden und
Tagen breiteten sich Vandalismus, Plünderei und Feuer von der Twelfth Street auf die
Strassen Linwood, Seven Mile, Livernois und Grand River und schliesslich auf den
ganzen Nordwesten von Detroit aus. Bis zum Abend des 23. hatten sich die Krawalle
auf die ganze Stadt ausgeweitet, Zehntausende waren beteiligt, vor allem diejenigen,
die in der verarmten Lower East Side wohnten. Die Stadtregierung, für einen Notstand
dieses Ausmasses keineswegs gerüstet, rief die Staatspolizei und die Nationalgarde
zur Hilfe, die in der ganzen Stadt eingesetzt wurden. Weit davon entfernt, den Aufruhr
zu bezwingen, führte die Ankunft dieser Truppen zu noch grösserem Chaos, da
Gardisten und erschöpfte Polizei, ungeschult in Taktiken der Eskalationsbewältigung,
immer mehr Gewalt gegen die Bevölkerung einsetzten und die Situation dadurch
weiter eskalierte. Ein Historiker beschreibt dies als einen „Tandem-Aufstand“, in dem
Beamten, welche die Situation unter Kontrolle halten sollten, auf ordnungswidriges
Verhalten mit „offizieller Gewalt“ reagierten: „Was als ‚Aufstand von Schwarzen
gegen die Polizei’ begonnen hatte, wurde in einem gewissen Sinne ‚ein Aufstand der
Polizei gegen Schwarze’.“9
Detroit strotzte nur so von Schusswaffen. Es gab Berichte über Heckenschützen,
die auf Polizisten feuerten, und nervöse Beamten reagierten mit halluzinatorischer
Intensivierung: „Ein Gardist schoss auf einen angeblichen Heckenschützen oder
auf Strassenlaternen, um sich gegen Schüsse aus dem Hinterhalt zu schützen, und
andere Gardisten, als sie diese Schüsse hörten, fingen an, nervös auf ‚nichts im Besonderen’ zu schiessen“.10 Fotografien zeigen mitten in der Nacht durch Wohnviertel
rollende Panzer. Angesichts einer eskalierenden Katastrophe forderten Bürgermeister
Jerome Cavanagh und der Gouverneur von Michigan, George Romney, am zweiten
Tag Unterstützung durch Bundestruppen an.11 Am 25. Juli gegen Mitternacht wandte
Präsident Lyndon Johnson den Insurrection Act (das Gesetz zur Unterdrückung von
Aufständen) von 1807 an und entsandte Fallschirmjägerbrigaden der 82. und 101.
Airborne Divisions in die Stadt. Der Präsident war wegen der Bürgerrechtsbewegung
besorgt: Er bat das Militär, Einheiten mit „so vielen Negern wie möglich“12 einzusetzen und fürchtete um die „Gefahr des ersten Bildes eines Bundessoldaten, wie er
einen Neger erschiesst“13; der stellvertretende Verteidigungsminister Cyrus Vance
wurde angewiesen, „die Schwarzen in Detroit darüber zu informieren, dass die in der
Stadt eingesetzten Fallschirmjäger genau die selben Soldaten waren, die schwarze
Schulkinder in Little Rock (101st Airborne) und James Meredith in Mississippi (82nd
Airborne) verteidigt hatten.”14 Am 28. Juli waren die Krawalle weitgehend unter Kontrolle. Dem Bericht der Kerner Commission von 1968 zufolge starben 48 Menschen
und 467 wurden verletzt; 7231 wurden festgenommen; 2509 Geschäfte wurden
geplündert oder niedergebrannt, und 412 Gebäude wurden so sehr beschädigt, dass
sie abgerissen werden mussten.15
Dies sind die Fakten. Das Trauma, von dem sie zeugen, ist offensichtlich (allerdings
kann man davon ausgehen, dass die beiden letzten Zahlen, erstellt auf der Grundlage
von Versicherungsakten, wahrscheinlich viel zu niedrig sind – vieles wurde nicht
berichtet oder aufgezeichnet). Schwieriger ist es allerdings, die Konsequenzen dieser
Fakten zu messen, denn sie fielen mit einer laufenden Wirtschaftskrise zusammen. Die
Automatisierung in der Industrie und neoliberale Wirtschaftspolitik hatten zum Abbau
16.
SPIEGELREISEN / MIRROR TRAVELING
Julian Myers, “Blind Pig Raid
Was Spark,” from Reporting the
Detroit Riot, American Newspaper
Publishers Association, 1968, 2009.
Photocopy alteration. Courtesy of
the artist. Original image by Jimmy
Tafoya for Detroit Free Press.
5 Fine, 161.
6 Ibid.
7 Fine, 163.
8 Only the New York Draft Riots in 1863,
during the American Civil War, and the
Los Angeles Riots in 1992, exacted
greater tolls in life and loss of property.
9 David Paul Boesel, “The Ghetto Riots
1964-68” (Ph.D. dissertation, Cornell
University, 1972), 141–2, 145–7. See
also Fine, 199: “Arriving in Detroit on
July 23, one Guardsman remarked, “I’m
gonna shoot anything that moves and
that is black.”
these peckerwood motherfuckers come down here any time they want and mess us
around?” shouted one, the son of one of the blind pig’s owners; “Get your god damn
sticks and bottles and start hurtin’, baby.”5 The crowd closed in on the police, and
began throwing “a torrent of” bricks and bottles, breaking out the rear window of one
police car.6 At 4:40 a.m. the police withdrew from the neighborhood, but rather than
disperse, the crowd—“a highly partisan chorus, interpreting the event in terms of a
wider range of black experience”—began breaking windows.7
What followed was a civil insurrection on a massive scale, one of the most destructive and deadly in American history.8 Over the next hours and days, vandalism, looting
and fires spread from Twelfth Street to Linwood, Seven Mile, Livernois, and Grand
River, and then throughout the northwest of Detroit. By the night of July 23, disruption extended throughout the city, involving tens of thousands of people, in particular
those living in the impoverished Lower East Side. Hardly equipped to handle an emergency of this size, the Detroit government called in State Police and the Michigan
National Guard, who were deployed throughout the city. Far from quelling the disturbance, the arrival of these forces set off further chaos as Guardsmen and exhausted
police, untrained in riot-control tactics, escalated their use of force against the
community. One historian describes this as a “tandem riot,” where “control agents”
responded to disorderly behavior with “official violence”: “what had begun as ‘a riot
of blacks against police’ became, in some degree, ‘a riot of police against blacks.’”9
17.
JULIAN MYERS
„Feuerwehrmänner unter Beschuss
durch Heckenschützen in Hazel und
Harrison Street”, Life, 4. August
1967. Manipulierte Fotokopie.
Courtesy Julian Myers.
Gegenüber
„Ruins“, aus Reporting the Detroit
Riot, American Newspaper
Publishers Association, 1968.
Manipulierte Fotokopie. Courtesy
Julian Myers.
INSERT / vorne
Edgar Arceneaux, Blind Pig #5,
2011. Acryl, Graphit auf Papier.
228 x 396 cm. Courtesy Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Foto: Robert Wedemeyer.
INSERT / hinten
Edgar Arceneaux, Blind Pig #3,
2010. Acryl, Graphit auf Papier.
183 x 426,5 cm. Sammlung Ronald
Pizzuti, Columbus, OH. Courtesy
Susanne Vielmetter Los Angeles
Projects. Foto: Robert Wedemeyer.
16 Katharine Q. Seelye, „Detroit Census
Confirms a Desertion Like No Other.“
The New York Times, 22. März 2011.
http://www.nytimes.com/2011/03/23/
us/23 detroit.html [Zugriff 6. Juni
2011].
17 Jeff Byles, Rubble: Unearthing the His-
tory of Demolition, New York: Harmony
Books, 2005, S. 230.
18 Al Taylor, zitiert in Donna Terek, „Riot
Site Ignites Peace Project“, Detroit
News.com. 9. Mai 2010. http://
detnews.com/article/20100509/
OPINION03 /5090301/Riot-site-ignitespeace-project [Zugriff: 6. Juni 2011].
19 Coleman Young, der 1974 Detroits
erster schwarzer Bürgermeister
wurde, bezeichnete die Ereignisse
von 1967 in seiner Autobiographie als
einen „Überfall“: „Die Krawalle führten
Detroit schnell in die wirtschaftliche
Verwüstung, sie waren ein Überfall
auf die Stadt, und dann machte man
sich mit ungeheuren Werten auf und
davon – Vermögenswerte wie Jobs,
Einkommenssteuern, Körperschaftssteuern, Kaufkraft, Mehrwertsteuer,
Hypotheken, Zinsen, Vermögenssteuer,
Entwicklungsgeldern, Investitionsgeldern und einfach dem ganzen
verdammtem Geld. Das Geld wurde
in den Taschen der Firmen und der
weissen Leute davongetragen, die so
schnell sie konnten flohen.“ Coleman
Young, Hard Stuff: The Autobiography
18.
von Arbeitsplätzen in der Massenproduktion geführt, die das Wachstum der Stadt im
frühen 20. Jahrhundert getragen hatte. Ehemals eine Ikone der amerikanischen industriellen Moderne, hatte in der Stadt schon vor 1967 eine fünf Jahrzehnte dauernde
Phase der Abwanderung von Mittelklassefamilien begonnen. Ehemals eine „blühende
Metropole“ mit fast zwei Millionen Menschen, hat Detroit heute weniger als eine
Million Einwohner: „Eine beispiellose Abwanderung“, schrieb die New York Times 2011.16
Auch die kriegsähnlichen Zustände, die ich oben beschrieben habe, veränderten die
Struktur der Stadt dauerhaft. Ein schockierender Prozentsatz der Wohnungen und
kleinen Firmen wurden niedergebrannt oder verlassen. Da das zur Instandsetzung
nötige Geld fehlte, blieben die Gebäude oft jahrzehntelang als Ruinen stehen oder –
das war noch die beste Lösung – sie wurden abgerissen. „Vor dem Hintergrund einer
sich verändernden ökonomischen Lage und einer starken Kluft zwischen den Rassen“
erlitt Detroit einen „terminalen Schock“, der in den Worten des Schriftstellers Jeff
Byles zu einem „Signalfeuer des Zurückbauens“ führte.17 Überall im Stadtgefüge sind
Lücken, leere Flächen, in denen der Schutt irgendeines grossen Gebäudes untergepflügt
wurde. Diese Auslöschungen geben der Stadt in einigen Gegenden eine fast vormoderne Morphologie, die es unheimlich anmuten lässt, wenn man dann plötzlich den
riesigen Boulevards oder den wuchtigen Gebäuden des 20. Jahrhunderts begegnet.
Al Taylor, der Gründer von Peace Project, beschreibt 1967 als die Zeit, „als die Lichter
in Detroit ausgeschaltet wurden ...“.18 „Abwanderung“, „terminaler Schock“, ein „Signalfeuer des Zurückbauens“: Die Mehrdeutigkeit der Ereignisse von 1967 wird in eine
allegorische Erzählung einer verlorenen (schwarzen/industriellen) Utopie verwandelt
und vereinfacht. In der Tat lässt sich der Diskurs über die Nachwirkungen von 1967 als
eine Art Krieg der Allegorien beschreiben. Für einige repräsentieren diese Ereignisse
die entscheidende Abkehr (und zwar in Detroit und in den USA insgesamt) von einer
bestimmten Art des Lebens in den Städten und das Gerinnen einer bestimmten
lang gehegten Hoffnung unter Afroamerikanern, dass Moderne und Industrie ihnen
letztendlich Wohlstand und gleiche Rechte vor dem Gesetz bescheren könnten.19
Für andere erscheinen die Ereignisse in einem ganz anderen Licht und repräsentieren
zusammen mit den Watts-Unruhen
von 1965 den amerikanischen ,Mai
68‘.20 Einige auf der Linken nennen die
Ereignisse von 1967 immer noch „The
Great Uprising“21, also den Grossen
Aufstand, und es ist ja in der Tat
richtig, dass die französische Linke
der späten 1960er Jahre sich von
den Kämpfen und dem politischen
Widerstand der Afroamerikaner zu
diesem Zeitpunkt inspirieren liess.22
Dieser Gegenmythos des entschlossenen städtischen Kampfes in den USA
ist heute halb vergessen, unterdrückt
oder verteufelt, nicht zuletzt unter
den konservativen zeitgenössischen,
SPIEGELREISEN / MIRROR TRAVELING
Detroit was bristling with guns.
There were reports of sniper
fire at police, soldiers and firemen; nervous “control agents”
responded with hallucinatory
intensification: “A Guardsman
would fire at an alleged sniper or
at streetlights to protect against
sniping, and other Guardsmen,
hearing the shots, would nervously begin firing at ‘nothing
in particular’ in response.”10
Photographs show tanks rolling
in the dark of night through
residential areas. Facing escalating disaster on the second
day, Mayor Jerome Cavanagh
and Michigan governor George
Romney requested support from
federal troops.11 Around midnight
on July 25, under the Insurrection Act of 1807, President Lyndon Johnson dispatched
paratrooper brigades from the 82nd and 101st Airborne Divisions to the city. The Civil
Rights movement was on the President’s mind: he asked the military to use units with
“as many Negros as possible”12 and worried about “the danger [of the] first picture
of a fed’l soldier shooting a Negro;”13 Deputy Secretary of Defense Cyrus Vance was
asked to “inform Detroit’s blacks that the paratroopers being deployed in the city
were the very same soldiers who had defended black schoolchildren in Little Rock
(101st Airborne) and James Meredith in Mississippi (82nd Airborne).”14 By July 28,
the disturbance was largely under control. According to the 1968 report by the Kerner
Commission, forty-three people died and 467 were wounded; 7,231 were arrested;
2,509 stores were looted or burned, and 412 buildings had been damaged enough to
require demolition.15
FACING
These are the facts. The trauma they evidence is obvious (though it must be stipulated
that these last figures, based on insurance claims, are probably very low—much
was not reported or recorded). The consequences of those facts are, however, more
difficult to quantify, blurred together as they are with an ongoing economic crisis,
as factory automation and neoliberal economic policies drained jobs from the mass
production that had supported the city’s growth in the early twentieth century. Once
an icon of American industrial modernity, the city had, even before 1967, entered a
five-decade exodus of middle-class families to the suburbs. Once a “thriving metropolis”
of nearly two million people, today fewer than a million reside in Detroit: “a desertion like no other,” wrote The New York Times in 2011.16 Similarly, the urban warfare
I’ve described above left the fabric of the city permanently transformed. A shocking
percentage of the city’s housing and small businesses had been burned or abandoned.
Without the money to repair them, these buildings were often left in ruins for decades,
12 Fine, 207.
“Firemen Under Sniper Fire at
Hazel and Harrison Streets,”
Life, August 4, 1967. Photocopy
alteration. Courtesy of Julian Myers.
“Ruins,” from Reporting the
Detroit Riot, American Newspaper
Publishers Association, 1968.
Photocopy alteration. Courtesy
of Julian Myers.
INSERT / FRONT
Edgar Arceneaux, Blind Pig #5,
2011. Acrylic, graphite on paper.
90 x 156 in. Courtesy of Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Photo credit: Robert Wedemeyer.
INSERT / BACK
Edgar Arceneaux, Blind Pig #3,
2010. Acrylic, graphite on paper.
72 x 168 in. Collection of Ronald
Pizzuti, Columbus, OH. Courtesy of
Susanne Vielmetter Los Angeles
Projects. Photo credit: Robert
Wedemeyer.
10 Fine, ibid. He continues, “One night
a solider at a Guard staging point
accidentally fired his weapon, and
seventy-five other Guardsmen began
firing at nearby buildings to defend
themselves.”
11 Fine, 203–217. See also the exhaustive
account in Cyrus R. Vance, Final Report
of Cyrus R. Vance, Special Assistant the
Secretary of Defense Concerning the
Detroit Riots, July 23 through August
2, 1967, mimeograph. Released from
the Office of the Assistant Secretary of
Defense for Public Affairs, September
12, 1967.
13 Fine, 208.
14 Fine, 214.
15 Michigan State Insurance Commission
estimate of December 1967; quoted
in Kerner Commission, Report of the
National Advisory Commission on Civil
Disorders. Washington: U.S. Government Printing Office, 1968.
16 Katharine Q. Seelye, “Detroit Census
Confirms a Desertion Like No Other.”
The New York Times, March 22, 2011.
http://www.nytimes.com/2011/03/23/
us/23 detroit.html [Accessed June
6, 2011].
19.
JULIAN MYERS
„Landkarte der Feuer“ 1967, aus
Peter McGillivray, Civil Defense in the
Detroit Riots: A Report, s.n. 1968.
of Mayor Coleman Young. New York:
Viking Adult, 1994, S. 179.
20 Neben Detroit spielen in Arceneauxs
künstlerischer Praxis auch die WattsKrawalle eine prominente Rolle, eher
versteckt in seiner Position als Direktor
des Watts House Project (seit 1998)
und offensichtlicher in einer Serie von
Tiefdrucken mit dem Titel Beyond the
Great Eclipse (2009), die er bei der
Paulson Bott Press in Berkeley California produziert hat.
21 So sprach der politische Aktivist Grace
Lee Boggs im November 2006 im
Gespräch mit meinen Studenten Daniel
Orendorff und Chialin Chou über die
Ereignisse.
22 Siehe das anonyme Pamphlet der
Situationistischen Internationalen über
die Krawalle in Watts, verfasst auf
Englisch und im Dezember 1965 in
den USA verbreitet: „Wer hat denn die
Randalierer so verteidigt, wie sie es
verdienen? Wir werden das tun. Sollen
doch die Ökonomen sich über die
verlorenen $25 Millionen sorgen, und
die Stadtplaner darüber seufzen, dass
einer ihrer schönsten Supermärkte in
Rauch aufgegangen ist, und McIntyre
über einen getöteten Deputy Sheriff
heulen. Lasst die Soziologen die Absurdität und den Rausch dieser Rebellion
bejammern ... Was amerikanische
Schwarze wirklich zu fordern wagen ist
das Recht, wirklich zu leben, letztlich
ist dazu nichts weniger als die totale
Subversion in dieser Gesellschaft
notwendig.“ The Decline and Fall of the
Spectacle-Commodity Economy (aus
der englischen Übersetzung von Donald
Nicholson-Smith). Paris: Internationale
Situationniste, 1965. Anselm Jappe
fasst die Position der Situationisten
folgendermassen zusammen: „Die
SI vertrat den Standpunkt, dass das
für Schwarze konstruierte Spektakel
schlicht ein ärmlicheres war, als das
für Weisse; folglich begriffen die
Schwarzen den Betrug rascher und, da
sie weniger besassen als die Weissen,
verlangten sie einfach alles.” Jappe,
Guy Debord (übersetzt von Donald
Nicholson-Smith). Berkeley: The University Press, 1999, S. 82. Eine anarchistische Konsumgenossenschaft mit
Sitz in Detroit, Schwarz und Rot, sollte
später die erste englischsprachige
Edition von Guy Debords The Society
of the Spectacle herausgeben. Detroit:
Black and Red, 1977.
23 Henri Lefebvre, La production de
l’espace. Paris: Gallimard, 1974.
24 Fredric Jameson, Das politische
Unbewusste: Literatur als Symbol
sozialen Handelns. London und New
York: Routledge Press, 2002, S. 23.
Jameson beschreibt Althussers
20.
denen die 1960er Jahre eine
unvergessliche Wunde bleibt
(Aber solche Ideen verschwinden natürlich nicht, nur weil
wir sie ignorieren ...).
Der Lohn für den Sieger in
dieser Schlacht der Allegorien
ist das Recht, die Gegenwart
von Detroit zu erklären, indem
man auf ein reifiziertes Bild von
1967 zurückgreift. Und manche
möchten den mythischen Sturz
von Detroit dazu nutzen, um
diejenigen abzuwehren, die
versuchen könnten, das Projekt
der „Wiederaneignung des
Raums“ (wie Henri Lefebvre es
bezeichnete) zu erneuern, das
die Stadtguerilla in den späten
1960ern unternommen hat.23
Natürlich haben Allegorien der Geschichte sehr reale Auswirkungen. Sie nötigen zu
Handlungen und zur Zirkulierung von Ressourcen. Sie bieten Trost oder provozieren
Frustration. Sie konsolidieren politische Macht. Aber die Vergangenheit zu reifizieren
bedeutet, sie zu verzerren, ihr politisches Potential aufzuheben und das ideologische
Wesen jeder dieser miteinander im Wettstreit befindlichen Erzählungen zu leugnen.
In dem Prozess, „ein ganzes soziales Feld um ein Thema oder eine Idee zu vereinheitlichen,”24 werden Geschichten des Konflikts als moralische Lehrstücke präsentiert;
die beteiligten Menschen werden zu Requisiten in der Erzählung und Darstellung der
postindustriellen Stadt.
Als wir 2006 in Detroit ankamen, verbrachten Edgar und ich einen Vormittag damit,
den Stadtplan zu verstehen und Orte auf der Karte zu markieren, an denen 1967 Menschen getötet worden waren. Krikor Messerlian, ein alter Armenier, der versuchte,
seinen Schusterladen mit einem Zeremoniensäbel zu verteidigen, starb in der Linwood
Street nahe der 12th Street. Helen Hall, eine Frau um die Fünfzig auf Geschäftsreise,
wurde in ihrem Hotelzimmer in der John C. Lodge Street von einer Kugel eines
Nationalgardisten erwischt. Die vierjährige Tanya Blanding wurde ebenfalls von einem
Gardisten getötet, als ein Verwandter sich bei ihr zu Hause (1756 Euclid Avenue) eine
Zigarette anzündete – sie hatten gedacht, das Aufblitzen seines Feuerzeugs wäre die
Pistole eines Heckenschützen. Sheren George, Stripteasetänzerin und Mutter zweier
Kinder, starb auf dem Beifahrersitz ihres Autos in der Woodward Avenue nahe der
Melbourne Street. Unser Stadtplan wird schnell zu einem schwer lesbaren Dickicht
von Vermerken.
Als wir an einem Samstagmorgen anfangen, zu den diversen Orten zu fahren, wird
uns klar, dass die Stadt, in der Sheren George und Tanya Blanding gelebt haben,
SPIEGELREISEN / MIRROR TRAVELING
or—in the best circumstances—bulldozed. “Against a background of shifting economic fortunes and stark racial divides” Detroit went into “terminal shock,” leading
to what writer Jeff Byles has called “a bonfire of unbuilding.”17 Cavities are everywhere in the contemporary urban fabric, empty lots where the rubble of some great
structure has been plowed under. These erasures give the city an almost pre-modern
morphology in some parts, which becomes uncanny upon encountering vast boulevards or massive twentieth century buildings.
Al Taylor, the founder of Peace Project, describes 1967 as “when the lights got
switched out on Detroit…”18 “Desertion,” “terminal shock,” “a bonfire of unbuilding”:
the ambiguity of the events of 1967 here finds itself transformed, and simplified, into
an allegorical narrative, of a lost (black/industrial) utopia. Indeed we might characterize the discourse in the aftermath of 1967 as a kind of war of allegories. For some
these events represented the definitive turning away, for Detroit and the nation, from
a certain kind of life in the cities, and the curdling of a certain long-held hope amongst
African-Americans, that modernity and industry might eventually bring prosperity
and equal rights under the law.19 For others, the events take on quite a different cast,
representing, alongside the 1965 Watts riots, the American “May ’68.”20 Some on the
left still refer to the events of 1967 as “The Great Uprising;”21 and indeed the French
Left of the late 1960s took great inspiration from the urban struggles and political
resistance of African-Americans in this moment.22 This counter-myth, of committed
urban struggle in the U.S., is today half-forgotten, repressed or demonized, not least
amongst contemporary conservatives for whom the 1960s remain an unforgettable
wound. (But such ideas hardly go away just because we choose to ignore them.)
The prize in this battle of allegories is the right to explain Detroit’s present by recourse to a reified picture of 1967. And, for some, to use a mythic “fall of Detroit” to
ward against those who might attempt to renew the project of (what Henri Lefebvre
once described as) the “reappropriation of space” attempted by urban guerrilla actions
in the late 1960s.23 Of course, allegories of history have real effects. They compel
action and the circulation of resources. They provide solace or provoke frustration.
They consolidate political power. But to reify the past is to distort it, to suspend its
political potential, and to disavow the ideological character of each of these competing narratives. In the process of “unifying a social field around a theme or idea,”24
histories of conflict are presented as moral lessons; the people involved become
props in the narrative and mise-en-scène [Darstellung] of the post-industrial city.
Arriving in Detroit in 2006, Edgar and I spent one morning figuring out the city’s urban
plan and marking locations on a map where people were killed during in 1967. Krikor
Messerlian, an old Armenian who tried to defend his shoe repair shop with a ceremonial saber, died on Linwood near 12th. Helen Hall, a fiftyish woman on a business trip,
caught a National Guardsman’s bullet in her hotel room on John C. Lodge. Four-year-old
Tanya Blanding was killed by another Guardsman when a relative lit a cigarette in her
home at 1756 Euclid—they thought the flash of his lighter was a sniper’s rifle. Sheren
George, an exotic dancer and mother of two, died in the passenger seat of her car at
Woodward near Melbourne. Our map quickly became a hard-to-read clot of notations.
When, on Saturday morning, we began driving to the various places, we realized
FACING
“Map of Fires,” 1967, from Peter
McGillivray, Civil Defense in the
Detroit Riots: A Report, s.n. 1968.
17 Jeff Byles, Rubble: Unearthing the His-
tory of Demolition, New York: Harmony
Books, 2005, 230.
18 Al Taylor, quoted by Donna Terek, “Riot
Site Ignites Peace Project,” Detroit
News.com. May 9, 2010. http://detnews.com/article/20100509/OPINION03
/5090301/Riot-site-ignites-peaceproject [Accessed June 6, 2011].
19 In his autobiography, Coleman Young,
who became Detroit’s first black
mayor in 1974, put this in the terms
of economics and crime, calling the
events of 1967 a “mugging.” “The
riot put Detroit in the fast track to
economic desolation, mugging the city
and making off with incalculable value
in jobs, earning taxes, corporate taxes,
retail dollars, sales taxes, mortgages,
interest, property taxes, mortgages,
interest, property taxes, development
dollars, investment dollars, and plain
damn money. The money was carried
out in the pockets of the businesses
and the white people who fled as fast
as they could.” Coleman Young, Hard
Stuff: The Autobiography of Mayor
Coleman Young. New York: Viking
Adult, 1994: 179.
20 Alongside Detroit, the Watts riots
also figure importantly in Arceneaux’s
practice, obliquely in his directorship of
the Watts House Project since 1998,
and more directly in a series of intaglio
prints made at Paulson Bott Press in
Berkeley California, titled Beyond the
Great Eclipse (2009).
21 This is how political activist Grace
Lee Boggs referred to the events
in conversation with my students
Daniel Orendorff and Chialin Chou in
November 2006.
22 See the unattributed Situationist
International pamphlet on the revolt in
Watts, written in English and distributed in the USA in December, 1965.
“Who has defended the rioters in the
terms they deserve? We will. Let the
economists fret over the $27 million
lost, and the city planners sigh over one
of their most beautiful supermarkets
gone up in smoke, and McIntyre blubber over his slain deputy sheriff. Let the
sociologists bemoan the absurdity and
intoxication of this rebellion… What
American blacks are really daring to
demand is the right to really live, and in
the final analysis this requires nothing
less than the total subversion of this
society.” The Decline and Fall of the
Spectacle-Commodity Economy (trans.
Donald Nicholson-Smith). Paris: Internationale Situationniste, 1965. Anselm
Jappe summarizes the Situationist’s
position: “The SI contended that the
21.
JULIAN MYERS
Gegenüber
Julian Myers und Edgar Arceneaux,
National Geographic Road Atlas
(2001), Map of Detroit, 2006.
Manipulierte Fotokopie und
Zeichnung. Courtesy Julian Myers.
Kritik der „expressiven Kausalität“
folgendermassen: „eine gigantische
Interpretationsallegorie, nach der eine
Sequenz historischer Ereignisse, Texte
oder Artefakte vom Standpunkt einer
tiefgreifenderen, unterschwelligen
und ‚grundlegenderen’ Erzählung nach
Massgabe einer verborgenen Schlüsselerzählung (master narrative), die als
allegorischer Schlüssel oder figuraler
Inhalt der ersten Abfolge empirischen
Materials dient.“
25 Edgar Arceneaux, Disfigurement in the
Face of Illusion, Susanne Vielmetter
Berlin Projects, 5. September – 10.
Oktober 2009, Berlin, Deutschland; und
The Algorithm Doesn’t Love You, Susanne Vielmetter Los Angeles Projects,
6. November – 11. December 2010,
Los Angeles, Verinigte Staaten.
26 Siehe meine Ausstellungskritik
„Edgar Arceneaux / Rodney McMillian“,
Frieze, Mai 2004. http://www.frieze.
com/issue/review/edgar_arceneaux_
rodney_mcmillian/ [Zugriff: 11. Juni
2011]. ‚The Michael Jackson Project’,
Susanne Vielmetter Los Angeles
Projects, 10. Januar – 14. Februar
2004; ‚Edgar Arceneaux’, The Hammer
Museum, Los Angeles (organisiert von
James Elaine und Aimee Chang), 25.
November 2003 – 29. Februar 2004.
27 T.J. Clark, Image of the People: Gustave
Courbet and the 1848 Revolution.
London: Thames and Hudson, 1973.
28 Ebd., S. 6.
gar nicht mehr existiert. Es gibt die Adresse 1756 Euclid nicht, keine Ruine, keine
trauriges Mahnmal, keine tragische Geschichte, keine Spezifizität, überhaupt keinen
Ort. Wurden diese Orte abgebrannt oder untergepflügt? Fast bewundern wir Detroits
Fähigkeit zur proteischen Neuordnung. Krawall, Unruhen, Störungen, Chaos, Aufruhr,
Aufstand ...? Weggang, Rückbau, Begrünung, Erneuerung ...? Diese allegorischen
Fragmente umkreisen die Leerstelle an der Clairmont Street und Rosa Parks Boulevard,
wo die Geschichte sowohl präsent ist – ein leerer Platz, über den Fundamentsruinen
des blind pig gebaut, wo alles begonnen hatte – als auch verschlüsselt, fremd, eine
reine und abwesende Ursache. Die Worte erklären nichts.
Julian Myers and Edgar Arceneaux,
National Geographic Road Atlas
(2001), Map of Detroit, 2006.
Photocopy alteration and drawing.
Courtesy of Julian Myers.
spectacle designed for blacks was
simply a more impoverished version of
the one intended for whites; in consequence blacks grasped the deception
more quickly and, since they possessed
less than whites, proceeded to demand
everything.” Jappe, Guy Debord (trans.
Donald Nicholson-Smith). Berkeley:
The University Press, 1999: 82. An
anarchist co-op based in Detroit, Black
and Red would later publish the first
English edition of Guy Debord’s The
Society of the Spectacle. Detroit: Black
and Red, 1977.
Teil 2: Bedienungsanleitung für Mirror Travel
Die konzeptuellen und theoretischen Wurzeln des Mirror Travel-Projekts lassen sich
aus meiner Sicht unmöglich von den acht Jahren des Dialogs und der Freundschaft
trennen. Und deshalb hoffe ich, dass die Leser es mir nachsehen werden, wenn ich
die Arbeiten Disfigurement in the Face of Illusion (2009) und The Algorithm Doesn’t
Love You (2010) wie auch die aktuelle Ausstellung, die sich alle auf diese Unterhaltung stützen, in einen autobiografischen Rahmen stelle.25
23 Henri Lefebvre, The Production of
Space (trans. Donald Nicholson-Smith).
Oxford and Cambridge: Blackwell,
1991: 54.
24 Fredric Jameson, The Political Un-
conscious: 13. Jameson is describing
Althusser’s critique of “expressive
causality”: “a vast interpretive allegory in which a sequence of historical
events or texts or artifacts is rewritten
in terms of some deeper, underlying,
and more ‘fundamental’ narrative, of a
hidden master narrative which is the
allegorical key or figural content of the
first sequence of empirical materials.”
Edgar Arceneaux und ich lernten uns 2004 als Künstler und Kritiker kennen, als ich
für Frieze26 über zwei seiner Ausstellungen schrieb, nämlich die Arbeiten The Michael
Jackson Project (2004), eine Zusammenarbeit mit dem Künstler Rodney McMillian,
und Drawings of Removal (1999-laufend). Damals arbeitete ich an einer kunsthistorischen Dissertation an der University of California, Berkeley, über Land Art und
Stadtpolitik in den USA in den 1960er und 1970er Jahren; insbesondere arbeitete
ich an einem Kapitel über ein Werk von Michael Heizer mit dem Titel Dragged Mass
Displacement, welches auf dem Rasen des Detroit Institute of the Arts im März 1971
ausgeführt wurde.
Zuerst möchte ich kurz auf meine Ausbildung zu dieser Zeit kommen. Die Professoren
und Professorinnen, mit denen ich am engsten zusammenarbeitete, insbesondere Anne
Wagner und T.J. Clark, vertreten eine Methodologie namens ‚soziale Kunstgeschichte’,
ein in den letzten vier Jahrzehnten einflussreiches Modell der Kunstgeschichte. Wie
viele Formen der Kunstgeschichte ist dies ein hybrides Modell, das sich durch sein
Bestehen auf genaue formale Analyse, Primärforschung und historische Kontextualisierung auszeichnet und das in der Praxis diese Dinge über das privilegiert, was oft
‚kritische Theorie’ genannt wird.
„On the Social History of Art“ ist der Titel des ersten Kapitels von T.J. Clarks 1973
erschienenem Buch Image of the People: Gustave Courbet and the 1848 Revolution,
und man könnte es in vielerlei Hinsicht als das Gründungsstatement dieser Methode
bezeichnen.27 Ungeachtet der „ironischen Höflichkeitsgeste“28, die der Titel den
Büchern von Arnold Hauser erweist, schlug Clark damals etwas vollkommen Kritisches
und Neues vor: Eine Geschichte der Vermittlungen zwischen Sphären der Kunstwelt
und ein nuanciertes Studium der komplexen Kontakte der Kunst zur Politik, zum
Klassensystem, zum gesellschaftlichen Leben und zur Ideologie. In seiner Formulierung
waren Kunstwerke weder losgelöst von der Welt – ganz gleich, ob sich die Künstler
22.
SPIEGELREISEN / MIRROR TRAVELING
that the city in which Sheren George and Tanya Blanding lived no longer existed.
There was no 1756 Euclid, no ruin, no sad reminder, no tragic tale, no specificity, no
place at all. Were these places burned down or plowed under? We almost admired
Detroit’s aptitude for protean realignment. Riot, unrest, disturbance, disorder, insurrection, uprising? Abandonment, desertion, unbuilding, greening, renewal? These
allegorical fragments orbit around the void on Clairmount and Rosa Parks, where
history is both present—a bare plaza constructed over the ruined foundations of
the blind pig where everything began—and coded, alien, a pure and absent cause.
The words explain nothing.
23.
JULIAN MYERS
Installation aus Drawings of
Removal. 1999-heute. UCLA
Hammer Museum, Project
Space. 25. November 2003 – 29.
Februar 2004. Courtesy Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Foto: Joshua White.
INSERT / vorne
Part Two: A User’s Guide to Mirror Travel
FACING
The conceptual and theoretical roots of the Mirror Travel collaboration are, for me,
impossible to entangle from eight years of dialogue and friendship. And so I hope the
reader will forgive an autobiographical framing of the bodies of work, Disfigurement in
the Face of Illusion (2009) and The Algorithm Doesn’t Love You (2010), along with the
current exhibition, which have drawn from that conversation.25
Installation from Drawings of
Removal, 1999-present. UCLA
Hammer Museum, Project Space.
November 25, 2003 – February
29, 2004. Courtesy of Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Photo Credit: Joshua White.
Edgar Arceneaux and I met as artist and critic in 2004, when I reviewed two of
his exhibitions, The Michael Jackson Project (2004), a collaboration with the artist
Rodney McMillian, and Drawings of Removal (1999–), for Frieze.26 At the time, I was
working on a dissertation on earthworks and urban politics in the United States in the
1960 and 1970s; in particular I was writing a chapter on a work by Michael Heizer
called Dragged Mass Displacement, executed on the lawn of the Detroit Institute of
Arts in March 1971.
Michael Heizer, Dragged Mass,
1971. Detroit Institute of Arts.
Dia. Courtesy Detroit Institute
of the Arts.
INSERT / hinten
Michael Heizer, Dragged Mass,
1971. Detroit Institute of Arts.
Silbergelatinfotografie von
Gianfranco Gorgoni. Ursprünglich
erschienen in Gregoire Müller und
Gianfranco Gorgoni, The New
Avant-Garde, Praeger, 1972.
29 Ebd.
dies so vorstellten –, noch waren sie Spiegelungen einer Geschichte, die anderswo
stattfand, sondern sie waren selbst gesellschaftliche und politische Akte. Historische
Forschung, zusammen mit einer ebenso genauen Analyse der Form, konnte in den
besten Fällen einen Eindruck dieser sozialen Matrix vermitteln.
Dies ist eine potente Methode, die in den letzten dreissig Jahren zu einigen der
besten kunstgeschichtlichen Texte und Denkansätze geführt hat. Sie ist auch
heute mein Schwerpunkt. Doch wie bei vielen Prüfsteinen ist die polemische Kraft
dieses Aufsatzes verblasst – nicht zuletzt auch durch Clarks Desinteresse daran, zu
„irgendeiner tristen methodologischen Anpassung“ beizutragen.29 Und doch stellte
ich damals fest, dass seine Betonung von Beobachtung, Medium und „Spezifizität“
sowohl in meinem kritischen als auch in meinem historischen Schreiben unter Druck
geriet. Was könnte „formale Beobachtung“ bei einem Berg von Erde in einer Galerie
bedeuten, oder bei den Spuren eines Bulldozers, der einen 30 Tonnen schweren
Granitblock zieht? Wie sollte man stabile Verbindungen zwischen „historischem
Kontext“ und Arbeiten wie beispielsweise Dragged Mass oder Sun Tunnels (197376) herstellen, die teilweise darauf abzielen, die menschliche Geschichte zugunsten
längerer Horizonten geologischer oder astronomischer Zeit zu negieren? Wie liesse
sich „Medium-Spezifizität“ auf so etwas wie Drawings of Removal anwenden, eine
Installation, in der Arceneaux in der Echtzeit der Ausstellung Bilder nach den Erinnerungen seines Vaters an Beaumont, Texas, und aus der Erinnerung des Künstlers
an das aktuelle Beaumont, aus dem die Welt seines Vaters weitgehend ausradiert
wurde, zeichnete und wieder neu zeichnete – und wo die Zeichnung, als Medium,
sich durch ihre beschreibenden Unzulänglichkeiten, Auslöschungen, Abwesenheiten
und Negierungen wie durch das, was dargestellt wurde, auszeichnet? Und wie
schliesslich könnte ein Kunsthistoriker anfangen, mit Arbeiten umzugehen, die selbst
24.
SPIEGELREISEN / MIRROR TRAVELING
Let me first say something about the nature of my training at Berkeley during that
time. The faculty with whom I worked most closely, specifically Anne Wagner and T.J.
Clark, are committed to a methodology called “the social history of art,” an influential
model of the history of art in the last four decades. Like many forms of art history it
is a hybrid model, defined by its emphasis on close formal analysis, primary research,
and historical contextualization, and in practice a privileging of those things over what
often gets called critical theory.
“On the Social History of Art” introduced T.J. Clark’s 1973 book Image of the People:
Gustave Courbet and the 1848 Revolution, and was in some ways the founding statement of this method.27 The “ironic courtesy” paid in its title to Arnold Hauser’s books
notwithstanding,28 what Clark proposed then was wholly critical and new: a history of
mediations among spheres of the art world, and nuanced attention to art’s complex
contacts with politics, class, social life, and ideology. In his formulation, works of art
were neither detached from the world—no matter if the artists imagined it so—nor
mere “reflections” of a history happening elsewhere, but were themselves social and
political acts. Deep historical research paired together with equally close attention to
form might, in the best moments, offer up glimpses of this social matrix.
This is a powerful method, and has produced some of the very best writing and
thinking of the last thirty years. It remains today my center of gravity. Yet, as with
many touchstones, today the essay’s polemical force has faded—not least Clark’s
disinterest in contributing “to some dismal methodological change in gear.”29 And yet,
at the time, in both my critical and historical writing, I began to find that his emphasis
on observation, medium, and “specificity” were coming under great pressure. How
might “formal observation” function, for example, with a mound of dirt in a gallery,
or with the result of bulldozers dragging a thirty-ton block of granite? How might one
build steady connections between “historical context” and works, like Dragged Mass
or Sun Tunnels (1973-76), that aimed in part to negate human history, in favor of the
longer horizons of geological or astronomical time? How might “medium-specificity”
be applied to something like Drawings of Removal, an installation in which Arceneaux
drew and redrew, in the real-time of exhibition, images drawn from his father’s
memories of Beaumont, Texas, and from the artist’s memory of a present Beaumont
INSERT / FRONT
Michael Heizer, Dragged Mass,
1971. Detroit Institute of Arts. Slide.
Courtesy of Detroit Institute of Arts.
INSERT / BACK
Michael Heizer, Dragged Mass,
1971. Detroit Institute of Arts.
Gelatin silver photograph by
Gianfranco Gorgoni. Originally
published in Gregoire Müller and
Gianfranco Gorgoni, The New
Avant-Garde, Praeger, 1972.
25 Edgar Arceneaux, Disfigurement in the
Face of Illusion, Susanne Vielmetter
Berlin Projects, September 5-October
10, 2009, Berlin, Germany; and The
Algorithm Doesn’t Love You, Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects,
November 6-December 11, 2010, Los
Angeles, United States.
26 See my review, “Edgar Arceneaux/
Rodney McMillian,” Frieze, May 2004.
http://www.frieze.com/issue/review/
edgar_arceneaux_rodney_mcmillian/ [Accessed June 11, 2011]. The
Michael Jackson Project, Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects,
January 10-February 14, 2004; Edgar
Arceneaux, The Hammer Museum
(organized by James Elaine and Aimee
Chang), November 25, 2003–February
29, 2004.
27 T.J. Clark, Image of the People: Gustave
Courbet and the 1848 Revolution.
London: Thames and Hudson, 1973.
28 Ibid., p. 6.
29 Ibid.
25.
JULIAN MYERS
Gegenüber
Edgar Arceneaux, Inverted House,
ein Überrest aus Drawings of
Removal, 1999-heute. Eine
fortlaufende Zeichnungsinstallation.
Inverted House Sammlung des
Walker Art Center, Minneapolis,
MN. Drawings of Removal,
Sammlung Wilhelm und Gaby
Schürmann, Aachen.
30 Siehe beispielsweise Hal Fosters Essay
„An Archival Impulse“, der Sam Durant,
Tacita Dean und Thomas Hirschhorn in
dieser Hinsicht erörtert: October 110,
Herbst 2004, S. 3-22. Man könnte dieser Auswahl Mario Garcia Torres, Trisha
Donnelly, sicherlich Arbeiten von Pierre
Huyghe und vielen anderen, hinzufügen.
Siehe auch meinen Essay, „If it need
be termed surrender, then let it be so:
Trisha Donnelly in Parallax“, Afterall 12,
November 2005, S. 91-101.
31 Myers, „Edgar Arceneaux / Rodney
McMillian”.
32 Wie der langjährige Museumsadminis-
trator – und Protokollant – des Detroit
Institute, William Bostick in einem
Interview von Mary Chris Rospond in
Bosticks Zuhause in Detroit am 11.
August 1981, erörtert. Mary Chris
Rospond, „Interview with William
Bostick (1981).” Smithsonian Archives
of American Art, 2005. http://www.
aaa.si.edu/ oralhist/bostic81htm.htm
[Zugriff: 10 Juni 2011].
33 Zitiert von Diane Waldman in „Holes
Without History“, Arts Magazine,
Vol. 70 No. 3 (Mai 1971), S. 68.
Der Neudruck von Waldmans
Essay in Jeffrey Kastners Land
and Environmental Art lässt diese
Diskussion aus. Jeffrey Kastner, (Hg.).
Land and Environmental Art. (London:
Phaidon Press Ltd., 1998, S. 210-11).
34 Ich erörtere Dragged Mass ausfüh-
rlicher in meinem Katalogaufsatz zur
Ausstellung ‚Ends of the Earth: Land
Art to 1977’, der 2012 vom Museum
of Contemporary Art, Los Angeles,
herausgebracht wird.
in einer komplexen historischen oder parahistorischen Art und Weise arbeiten, wie
dies meinem Verständnis nach Arceneauxs Werke tun (und damit ist er unter zeitgenössischen Künstlern keineswegs allein)?30
Edgar Arceneaux, Inverted House,
a remnant of Drawings of Removal,
1999-present. An ongoing drawing
installation. Inverted House,
collection of the Walker Art Center,
Minneapolis, MN. Drawings of
Removal, collection of Wilhelm
and Gaby Schürmann, Aachen,
Germany.
Geschichte, Medium und Form bleiben in diesen unerforschten Territorien relevant.
Aber wenn meine neuen Untersuchungsobjekte meine Methode nicht ausschlossen,
war sie doch wenigstens destabilisiert, und ich sah mich zumindest gezwungen, neue
Prämissen und Taktiken zu finden. Dies zu erreichen, stellte ich mir vor, könnte eine
Rückkehr zu Clarks ursprünglichen Vorschlägen möglich machen, und irgendwie auch
ein Losreissen seiner Methoden in das Gebiet der zeitgenössischen Kunst.
Drawings of Removal spielte damals für mich eine zentrale Rolle, und eine Zeichnung
aus deren Matrix, DoR (Inverted House) (2001) entwickelte in dieser methodologischen Neuorientierung eine Glück bringende Kraft. Die Zeichnung ist eine Querschnittsansicht desselben Ortes an zwei Zeitpunkten, vermittelt durch das Gedächtnis. Das
erste ist die Fläche eines graugrünen Feldes, unterbrochen von einem Baumstumpf
und markiert durch ein unleserliches Strassenschild (keine helfenden Wegweiser);
dies ist die Gegenwart, wie Edgar sie mit seinem Vater gesehen hat. Aber auch
die Vergangenheit dieses Orts ist gegenwärtig: Das Elternhaus seines Vaters, jetzt
verschwunden, ist kopfüber unter der leeren Oberfläche der Erde dargestellt. Diese
Vergangenheit ist also nicht verloren – visuell dominiert das Haus das Bild –, sondern
verfolgt und überwältigt sogar die Gegenwart. Diese Vergangenheit weigert sich, sich
beruhigen oder begraben zu lassen. Dennoch ist diese Erscheinung nicht unverändert,
wie sie einmal war. Sie stammt aus einem „Repertoire falscher Wahrnehmungen“31,
wie ich damals schrieb, traumatisch verkehrt und umgestülpt, und von seiner phantasmagorischen Beharrlichkeit verzerrt.
Als ich nicht ohne Verzweiflung zwischen Drawings of Removal und Dragged Mass
und zwischen zeitgenössischer Kunst und Kunstgeschichte hin- und herschwankte,
hat, so könnte man sagen, Inverted House mein Verständnis von Heizers Land-ArtArbeit von 1971 infiziert. Ich bewegte mich wie besessen zwischen Fotografien von
Dragged Mass und dem grünen Rasen des jetzigen Detroit Institute hin und her, wo
alle Spuren von Heizers „Tragödie auf dem Rasen“ (so bezeichnete eine der Kunstkommissionen des Museums die Arbeit abschätzig)32 penibel getilgt worden sind. Ich
stellte es mir als eine Reproduktion und ein Nachbild von Monumenten vor, die durch
Akte des politischen Widerstands verunstaltet wurden. Und ich tauchte in die Vergangenheit von Detroit ein, und im besonderen in den oben beschriebenen Stadtkampf,
auf den sich Heizers Arbeit formell zu beziehen (ein anderer Betrachter der Arbeit verglich dessen Aggression mit der „Brutalität des Leidens in Vietnam“33) und gleichzeitig
falsch zu erkennen schien.34
Arceneauxs Arbeit war entscheidend für das Zusammenstellen dieser instabilen
Konstellation von Geschichte(n): Monumente und Anti-Monumente, die Krawalle von
1967, die Erdarbeit von 1971 und die Gegenwart von Detroit. 2005 bat ich ihn inständig mitzumachen – die Seiten aus seinem Notizbuch, die hier enthalten sind, sind Gegenstände dieser Unterhaltung. Wir entwickelten schnell einen Plan, zusammen nach
Detroit zu reisen – diese erste Reise habe ich oben beschrieben – und übernahmen
aus Robert Smithsons 1968 erschienenem Essay „Incidents of Mirror Travel in the
26.
SPIEGELREISEN / MIRROR TRAVELING
30 See for example, Hal Foster’s essay
where the world his father remembered had been largely erased—where drawing,
as a medium, was marked as much by its descriptive inadequacies, and by cancellations, absences and negations, as by what was rendered? And finally, how might
an art historian begin to deal with art that was itself working in a complex historical
or para-historical manner, as I came to understand Arceneaux’s to be (and in this,
among contemporary artists, he is clearly not alone)?30
“An Archival Impulse,” which discusses
Sam Durant, Tacita Dean, and Thomas
Hirschhorn on these terms: October
110, Fall 2004: 3–22. One might add
to his selection Mario Garcia Torres,
Trisha Donnelly, certain works by Pierre
Huyghe, and many others. See also my
essay, “If it need be termed surrender,
then let it be so: Trisha Donnelly in
Parallax,” Afterall 12, November 2005:
91–101.
31 Myers, “Edgar Arceneaux/Rodney
McMillian.”
History, medium and form remain relevant in these unfamiliar territories. But if my
method was not obviated by its new objects of inquiry, it was at the very least destabilized, forced to find new premises and tactics. To do this, I imagined, might enable
both a return to Clark’s original proposals, and, somehow, a wresting of his methods
into the field of contemporary art.
Drawings of Removal was at the center of my mind, at the time, and one drawing
from its matrix, DoR (Inverted House) (2001) came to have a talismanic force in this
methodological rethinking. The drawing offers a cross-section view of the same place
at two moments, as mediated by memory. The first is an expanse of gray-green field,
punctuated by a tree stump, and marked by an unreadable street sign (no guideposts
will help us here); this is the present as Edgar witnessed it with his father. But present, too is the past of this place: his father’s childhood home, now missing, rendered
upside down, beneath the blank surface of the earth. This past, then, is not lost—
visually, the house dominates the picture—but instead haunts, even overwhelms,
the present. This past refuses to be settled or buried. But neither does this apparition
appear as it once was, untransformed. “Drawn from a repertoire of misrecognitions,”
as I put it at the time,31 it is traumatically inverted and upended, distorted by its
phantasmagoric insistence.
Toggling, not without some desperation, between Drawings of Removal and Dragged
Mass, and between contemporary art and art history, one might say that Inverted
House infected my understanding of Heizer’s 1971 earthwork. I moved obsessively
between photographs of Dragged Mass and the green lawn of the present Detroit
Institute, where all traces of Heizer’s “tragedy on the lawn” (this is how one of the
27.
JULIAN MYERS
Michael Heizer, Dragged Mass,
Detroit Institute of Arts, März 1971.
Courtesy Detroit Institute of Arts.
Gegenüber
André Adolphe Eugène Disderi,
Chute de la Colonne Vendôme,
1871. Fotografie.
35 Robert Smithson, „Incidents of Mirror
Travel in the Yucatan“, Nancy Holt, ed.
The Writings of Robert Smithson. New
York: New York University Press, 1979,
S. 94-103. Ursprünglich erschienen
in Artforum, September 1968. Siehe
auch Jennifer Roberts, „Smithson and
Stephens in Yucatán“, Mirror Travels:
Robert Smithson and History. New
Haven und London: Yale University
Press, 2004, S. 86-113. Neben unserer
Affinität zum Modell Smithsons mag
man auch Arceneauxs häufigen Rekurs
zur Heisenbergschen Unbestimmtheitsrelation (siehe unser Gespräch
in Lauri Firstenberg, ed. California
Biennial 2008. Los Angeles: Orange
County Museum of Art, S. 42-43) und
mein eigenes Interesse an der Idee
der Parallaxe als Modell für Kritik und
Historiographie erkennen.
36 „Interpolation ist ein wichtiger Teil der
Auseinandersetzung mit widerstreitenden Versionen von Geschichte“,
erklärte Arceneaux mir, als ich diesen
Aufsatz schrieb. Gespräch mit dem
Autor am 3. Juni 2011.
37 2009 entdeckten Arceneaux und ich,
dass wir beide zutiefst von Arthur
Janas Installation bei der Whitney Biennale im Jahr 2000 beeindruckt waren.
Siehe auch sein Aufsatz darüber, wie er
2001 erlebt hat: Arthur Jafa, „My Black
Death“, in Everything but the Burden:
What White People Are Taking from
Black Culture (Greg Tate, Hrgb.). New
York: Broadway Books, 2003.
38 John Lee Hooker, Urban Blues.
BLS6012 Bluesway/ABC, 1968; Gordon
Lightfoot, Black Day in July/Pussywillows, Cattails. UA50281 United Artists,
1968.
39 Kings Zitat im Kontext: „Wir sind auch
zu dieser merkwürdigen Stätte gekommen, um Amerika an die grimmige
Notwendigkeit des Jetzt zu erinnern.
Jetzt ist nicht die Zeit, wo man sich
den Luxus einer ‚Abkühlungsperiode’
leisten oder die Beruhigungsmittel
langsamen, schrittweisen Fortschritts
einnehmen kann. Jetzt ist es Zeit,
die Versprechungen der Demokratie
Wirklichkeit werden zu lassen. Jetzt
ist es Zeit, aus dem dunklen und
trostlosen Tal der Rassentrennung
aufzubrechen und den hellen Weg
der Gerechtigkeit für alle Rassen zu
beschreiten. Jetzt ist es Zeit, unsere
Nation aus dem Flugsand rassischer
Ungerechtigkeit zu dem festen Felsen
28.
Yucatan“ seine Formulierung von
„mirror travel“ für eine Art von
halluzinatorischem Reisebericht.
Smithsons Reisender betrachtet
seine Umgebung nicht leidenschaftslos, er verwandelt sie
vielmehr (für Smithson mit Hilfe
von Spiegeln, die er an diversen
Orten seiner Reise aufstellt) –
und wird selbst durch sie verwandelt.35 Wie für Smithson
sollte ‚Interpolation’ – für uns als
die Veränderung eines existierenden Ortes durch unautorisiertes Einfügen von neuen Inhalten definiert – eine wichtige
Arbeitsmethode werden. Bei unserem zweiten Besuch auf dem Clairmount-Grundstück stellte Arceneaux eine kleine Spiegelkonstruktion auf einen Schachtisch, ein
zerbrechliches Gegenmonument angesichts der verwirrenden Guerillaskulptur.36
Die Recherche für Mirror Travel, die sich auf die Verknüpfung von Inverted House und
Dragged Mass sowie unserer Begegnung mit den Orten an der Clairmount Street
und dem Rosa Parks Boulevard aufbaut, konzentrierte sich auf das Monument im
umkämpften Stadtraum – durch Arceneauxs assoziative Logik kam der Monolith aus
Stanley Kubricks film 2001 aus dem Jahr 1968 zu dieser Konstellation hinzu37 – sowie
auf den wörtlichen und figurativen ‚Underground’ in Detroit: Die vergrabenen Fundamente von verlassenen, abgerissenen und überdeckten Gebäuden, der halb begrabene Granitblock von Dragged Mass, die begrabene oder falsch erinnerte Geschichte
des Kampfs in den Städten, und Detroits blühende Underground-Musikszene. In den
Monumenten wie auch den Vergrabungen erlebten wir komplexe Resonanzen eines
nur halb erinnerten Jahres 1967, das andernorts bis zur Nichtigkeit politisiert und
allegorisiert wurde.
Aber wie der Theoretiker Slavoj Žižek oft versichert (basierend auf seiner Interpretation von Jacques Lacan), insistiert oft das, was nicht existiert (also das, was in
Abrede gestellt oder unterdrückt wird) in phantasmatischer Form. Und nirgendwo,
so stellten wir fest, hatten diese Geister der Revolte eindringlicher insistiert als in
Detroits Musik. Die Krawalle von 1967 wurden damals natürlich registriert – von
John Lee Hookers mehrdeutigem „The Motor City Is Burning” und von Gordon
Lightfoots einfältiger Folk-Country-Hymne „Black Day in July” (beide von 1968)38 –
aber wir fanden eine besondere Affinität mit der Ästhetik und dem Hard Techno von
Underground Resistance: Detroiter, die um die Zeit der Krawalle geboren sind und in
deren langer Folgezeit aufwuchsen. URs Titel „Riot” sampelt ein Fragment von Martin
Luther Kings Redeschluss, „jetzt ist die Zeit“ [now is the time] (aus seiner berühmtberüchtigten „I have A Dream“-Rede)39 und militarisierte die Tanzfläche;40 eine Luftaufnahme der brennenden Stadt Detroit (mit zusätzlicher expressiver Kolorierung) ziert
die Coverrückseite des richtungsweisenden Albums Revolution for Change (1992).41
Konfrontiert mit brutaler öffentlicher Unterdrückung durch Beamte (control agents)
SPIEGELREISEN / MIRROR TRAVELING
museum’s art commission
referred derisively to the
work)32 had been meticulously
erased. I imagined it as a reproduction and afterimage of
monuments defaced through
acts of political resistance.
And I delved into the past
of Detroit, in particular the
urban warfare described
above, which Heizer’s work
seemed both to reference
formally (another viewer
of the work compared its aggression to “the brutality of the suffering in Vietnam”),33
and to misrecognize.34
Arceneaux’s work had been crucial to assembling this unstable constellation of
histories: monuments and anti-monuments, the 1967 riots, the 1971 earthwork,
and the present of Detroit. In 2005, I entreated him to join in—his notebook pages,
included here, are artifacts of this conversation. We soon devised a plan to go
together to Detroit—that initial trip is described above—and adopted from Robert
Smithson’s 1968 essay “Incidents of Mirror Travel in the Yucatan” his formulation of
“mirror travel” as a kind of hallucinatory travelogue. Smithson’s traveller does not
dispassionately view his surroundings, but instead transforms them (for Smithson
through the placement of mirrors in various sites on his journey) and is transformed
by them.35 As for Smithson, “interpolation”—defined, for us, as the alteration of an
existing place through the insertion, without authorization, of new matter—would
be a crucial working method. On our second visit to the Clairmount site, Arceneaux
placed a small mirror structure on one chess table, a fragile counter-monument in
view of the perplexing guerilla sculpture.36
Drawing on the conjunction of Inverted House and Dragged Mass, as well as our encounter with the site at Clairmount and Rosa Parks, Mirror Travel’s research focused
on the monument in contested urban space—through Arceneaux’s associative logic,
the monolith from Stanley Kubrick’s 1968 film 200137 entered this constellation—
and on the literal and figurative “underground” in Detroit: the buried foundations of
buildings abandoned, demolished and covered over, the half-buried granite block of
Dragged Mass, the buried or misremembered history of urban struggle, and Detroit’s
thriving “underground” music scene. In both monuments and burials we witnessed
complex resonances of a half-remembered 1967, elsewhere politicized and allegorized into nullity.
But, as theorist Slavoj Žižek often asserts (drawing on his reading of Jacques Lacan),
that which does not exist, that which is disavowed or repressed, will often insist, in
fantasmatic form. And nowhere, we found, had these ghosts of revolt insisted themselves as vividly as in Detroit’s music. The 1967 riots were registered at the time, of
course—by John Lee Hooker’s ambivalent “The Motor City Is Burning” and by Gordon
FACING
Michael Heizer, Dragged Mass,
Detroit Institute of Arts, March 1971.
Courtesy of Detroit Institute of Arts.
André Adolphe Eugène Disderi,
Chute de la Colonne Vendôme,1871.
Photograph. Public domain.
32 As discussed by the Detroit Institute’s
longtime museum administrator—and
minutes-keeper—William Bostick
in an interview conducted by Mary
Chris Rospond at Bostick’s home in
Detroit on August 11, 1981. Mary
Chris Rospond, “Interview with William
Bostick (1981).” Smithsonian Archives
of American Art, 2005. http://www.
aaa.si.edu/ oralhist/bostic81htm.htm
[Accessed June 10, 2011].
33 As cited by Diane Waldman in “Holes
Without History,” Arts Magazine, Vol.
70 No. 3 (May 1971) 68. The reprint of
Waldman’s essay in Jeffrey Kastner’s
Land and Environmental Art omits
this discussion. Jeffrey Kastner, ed.
Land and Environmental Art. (London:
Phaidon Press Ltd., 1998, 210–11).
34 I discuss Dragged Mass at greater
length in my catalogue essay for the
exhibition Ends of the Earth: Land Art
to 1977, to be published in 2012 by
the Museum of Contemporary Art, Los
Angeles.
35 Robert Smithson, “Incidents of Mirror
Travel in the Yucatan,” Nancy Holt,
ed. The Writings of Robert Smithson.
New York: New York University Press,
1979: 94–103. Originally published
in Artforum, September 1968. See
also Jennifer Roberts, “Smithson and
Stephens in Yucatán,” Mirror Travels:
Robert Smithson and History. New Haven and London: Yale University Press,
2004: 86–113. One might also detect,
alongside our affinity with Smithson’s
model, Arceneaux’s frequent recourse
to the Heisenberg uncertainty principle
(see our conversation in Lauri Firstenberg, ed. California Biennial 2008. Los
Angeles: Orange County Museum of
Art: 42–43) and my own interest in the
idea of parallax as a model for criticism
and historiography.
36 “Interpolation is an important part
of dealing with conflicted histories,”
Arceneaux told me as I was writing this
essay. Conversation with the author,
June 3, 2011.
37 Arceneaux and I discovered in 2009
that we’d both been deeply impressed
with Arthur Jafa’s installation in the
2000 Whitney Biennial. See his essay
on experiencing 2001: Arthur Jafa,
“My Black Death,” Everything but the
Burden: What White People Are Taking
from Black Culture (Greg Tate, ed.).
New York: Broadway Books, 2003.
29.
JULIAN MYERS
Drexciya, The Quest, (Detail
aus dem Beiheft). Submerge
Recordings, 1997. Courtesy
Submerge Recordings.
der Brüderlichkeit emporzuheben. Jetzt
ist es Zeit, Gerechtigkeit für alle Kinder
Gottes Wirklichkeit werden zu lassen.“
Martin Luther King, „I have a Dream“,
http://www.king-zentrum.de (Zugriff:
12. Juli 2011)
40 Underground Resistance, Riot EP.
UR010 Underground Resistance, 1991;
die ursprünglichen Pressungen wurden
rückwärts gespielt, von innen nach
aussen.
41 Underground Resistance, Revolution
for Change. URLP1 Network Records
1992.
42 Kodwo Eshun, „The Final Transmission
from The Forever War: Underground
Resistance“, More Brilliant Than The
Sun: Adventures in Sonic Fiction.
London: Quartet Books, 1999, S. 117.
Es ist noch anzumerken, dass UR sich
im Verlauf ihrer Karriere radikal verändert und ihrem früheren akustischen
Hardcore-Ich sowohl Live-Instrumente
als auch Ausdrucksweisen aus dem
ganzen afrofuturistischem Spektrum
hinzugefügt haben: „interstellarer“
Jazz, Funk, Electro und so weiter.
gab Underground Resistance das „Strassenwissen“ auf, um eine schattenhafte und
esoterische Kriegsmaschine zu werden.42
Das Label UR brachte Anfang und Mitte der 1990er Jahre Alben des geheimnisvollen Electro-Techno-Duos Drexciya heraus, dessen komplexe und fragmentarische
Mythographie unsere Themen von Monument und Untergrund anders reflektierten.
Drexciya, so wurde es auf den Alben dargestellt, sei eine Unterwasserzivilisation in
den Grossen Seen von Michigan; sie stamme von Sklaven ab, die beim atlantischen
Sklavenhandel auf der Reise von Afrika in die USA über Bord geworfen worden
SPIEGELREISEN / MIRROR TRAVELING
Lightfoot’s simpering folk-country anthem, “Black Day in July” (both 1968)38—but we
found a particular affinity with the aesthetics and hard techno produced by Underground
Resistance, Detroiters born around the time of the riots, who grew up in their long
aftermath. Sampling a fragment of Martin Luther King’s peroration that “now is the
time” for racial equality (from his infamous “I Have A Dream” speech on August 28,
1963),39 UR’s 1991 track “Riot” militarized the dance floor;40 an aerial photograph of
a burning Detroit (with added, expressive colorization) was presented on the back
cover of their landmark album Revolution for Change (1992).41 Faced with violent
suppression in public by “control agents,” Underground Resistance “abandon[ed]
street knowledge” to become a shadowy and esoteric war machine.42
Released on UR’s label in the early and mid-1990s were records by the secretive
electro-techno duo Drexciya, whose complex and fragmentary mythography reflected
differently our thematics of monument and underground. Drexciya, the records put
forward, was an underwater civilization in the great lakes of Michigan, descended
from slaves thrown overboard during The Middle Passage from Africa to the United
States. “During the greatest holocaust the world has ever known,” read the liner
notes of The Quest (1998), “pregnant America-bound African slaves were thrown
overboard by the thousands during labor for being sick and disruptive cargo. Is it
possible that they could have given birth at sea to babies that never needed air? […]
Are Drexciyans water-breathing, aquatically mutated descendants of those unfortunate victims of human greed? Have they been spared by God to teach us or terrorize
us? Did they migrate from the Gulf of Mexico to the Mississippi river basin and on to
the great lakes of Michigan?”43 In their myth, Drexciya rewrote ground-level urban
resistance as aquatic guerrilla tactics, and buried blind pig as submerged utopia/dystopia. Hardness, in their music, becomes liquidity—burial is recoded as immersion.
(Arceneaux’s Bubble Monolith [2009] aims to fuse these contradictions by way of
2001’s mysterious stele; his re-version of Dragged Mass seeps a viscous pink blood.)
Clairmount and Rosa Parks, Dragged Mass and Drexciya: there is no easy synthesis
of this disparate material, united only by a city and a set of elusive, shifting ideas. But
Mirror Travel makes the wager that imagining these dissonant sites together might
produce a counter-allegorical field from which new work might be realized—work
that might unsettle the past that historicist allegory attempts to resolve. Much will
depend on the viewer’s willingness to engage and interpret. As I wrote in 2004,
about Drawings of Removal, “Arceneaux’s art can be as intense as critical theory and
as difficult; it certainly requires a similar investment from those seeking to appreciate it. It is a fact that the work needs to be properly investigated for its systems to
avoid appearing over-hermetic or its iconology too private. But as with critical theory,
when moments of epiphany materialize, they are stunning in their sheer expressive
economy.”44 This is no less true of the present work.
30.
FACING
Drexciya, The Quest, (detail from
booklet). Submerge Recordings,
1997. Courtesy of Submerge
Recordings.
38 John Lee Hooker, Urban Blues.
BLS6012 Bluesway/ABC, 1968; Gordon
Lightfoot, Black Day in July/Pussywillows, Cattails. UA50281 United Artists,
1968.
39 The full context of King’s quote: “We
have come to this hallowed spot to
remind America of the fierce urgency
of now. This is no time to engage in
the luxury of cooling off or to take the
tranquilizing drug of gradualism. Now
is the time to make real the promises
of democracy. Now is the time to rise
from the dark and desolate valley of
segregation to the sunlit path of racial
justice. Now is the time to lift our
nation from the quicksands of racial injustice to the solid rock of brotherhood.
Now is the time to make justice a reality for all god’s children.” Martin Luther
King, “The I Have A Dream Speech.”
www.usconstitution.net/dream.html
(Accessed June 10, 2011)
40 Underground Resistance, Riot EP.
UR010 Underground Resistance, 1991;
original pressings played in reverse,
from the inside out.
41 Underground Resistance, Revolution for
Change. URLP1 Network Records 1992.
42 Kodwo Eshun, “The Final Transmission
from The Forever War: Underground
Resistance,” More Brilliant Than The
Sun: Adventures in Sonic Fiction.
London: Quartet Books, 1999: 117. UR,
it should be noted, has changed radically over their career, adding to their
early hardcore sonic persona both live
instrumentation and idioms from across
the Afro-futurist spectrum: “interstellar” jazz, funk, electro, and so on.
43 Drexciya, The Quest. SVE7 Submerge
Recordings, 1997.
44 Myers, “Edgar Arceneaux/Rodney
McMillian.”
31.
JULIAN MYERS
Von links nach rechts
Edgar Arceneaux, Clairmount
and Rosa Parks, Detroit, Februar
und November 2006. Digitale
Fotografien. Courtesy Edgar
Arceneaux. Stanley Kubrick, 2001:
A Space Odyssey, 1968. Videostill.
gegenüber
Arceneaux im Keller von UR, mit
dem Musik machenden Mad Mike,
Juni 2010.
INSERT / vorne
Underground Resistance, Revolution for Change LP, 1992. Courtesy
Underground Resistance.
INSERT / hinten
Edgar Arceneaux, Vitrine bei
Exhibit 3000, Submerge Records.
Digitale Fotografie. Courtesy Edgar
Arceneaux.
43 Drexciya, The Quest. SVE7 Submerge
Recordings, 1997.
44 Myers, “Edgar Arceneaux / Rodney
McMillian.”
32.
waren. „Während des grössten Holocaust, den die Welt je gesehen hat“, liest man im
Begleitheftchen zu The Quest (1998), „wurden Tausende schwangerer afrikanischer
Sklavinnen, die auf dem Weg nach Amerika Wehen bekamen, über Bord geworfen,
weil sie als kranke und Unruhe stiftende Ladung betrachtet wurden. Ist es möglich,
dass sie im Meer Babys geboren haben, die nie Luft brauchen? ... Sind Drexciyaner
aquatisch mutierte, Wasser atmende Nachkommen dieser unglücklichen Opfer der
menschlichen Gier? Wurden sie von Gott verschont, um uns etwas zu lehren oder uns
zu terrorisieren? Sind sie vom Golf von Mexiko zum Mississippi-Flussdelta und dann
in die Grossen Seen gezogen?“43 In ihrem Mythos schrieben Drexciya städtischen
Graswurzelwiderstand als aquatische Guerrilla-Taktik um und begruben das blind pig
als eine untergetauchte Utopie/Dystopie. Die Härte in ihrer Musik wird zur Flüssigkeit
– Vergraben wird neu als Eintauchen codiert. (Arceneauxs Bubble Monolith, 2009
versucht diese Gegensätze über die mysteriöse Stele von 2001 zusammenzubringen;
aus seine Neuversion von Dragged Mass sickert ein zähes pinkes Blut.)
Clairmount und Rosa Parks, Dragged Mass und Drexciya: Es gibt keine einfache
Synthese dieses disparaten Materials, das nur durch eine Stadt und eine Gruppe von
flüchtigen, wechselnden Ideen verbunden ist. Aber ‚Mirror Travel’ wagt die Wette,
dass, wenn man sich diese dissonanten Orte zusammen vorstellt, sich ein gegenallegorisches Feld entwickeln könnte, aus dem dann neue Arbeit erwachsen könnte
– Arbeit, die die Vergangenheit aufmischt, die die historistische Allegorie auflöst.
Viel hängt von der Bereitschaft der Betrachter ab, sich auseinanderzusetzen und zu
interpretieren. Wie ich 2004 über Drawings of Removal geschrieben habe, „kann
Arceneauxs Kunst so ernsthaft wie kritische Theorie sein, und auch so schwierig;
gewiss fordert sie ein ähnliches Investment von denjenigen, die sie verstehen wollen.
Es ist eine Tatsache, dass die Arbeiten richtiggehend erforscht werden müssen, damit
ihre Systeme nicht allzu hermetisch erscheinen, oder ihre Ikonographie zu privat. Aber
es ist wie bei der kritischen Theorie: Wenn sich Momente der Epiphanie einstellen,
sind sie in ihrer schieren expressiven Ökonomie atemberaubend.“44 Dies trifft in allem
auch auf die aktuellen Arbeiten zu.
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
FACING / LEFT TO RIGHT
Edgar Arceneaux, Clairmount
and Rosa Parks, Detroit, February
and November 2006. Digital
photographs. Courtesy of the artist.
Stanley Kubrick, 2001: A Space
Odyssey, 1968. Video still.
Arceneaux hanging out in
basement of UR with Mad Mike
playing music, June 2010.
INSERT / FRONT
Underground Resistance, Revolution for Change LP, 1992. Courtesy
of Underground Resistance.
INSERT / BACK
Edgar Arceneaux, Vitrine at Exhibit
3000, Submerge Records. Digital
photograph. Courtesy of the Artist.
33.
EDGAR ARCENEAUX
34.
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
35.
EDGAR ARCENEAUX
36.
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
37.
EDGAR ARCENEAUX
38.
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
39.
EDGAR ARCENEAUX
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
INSERT / vorne, links
Underground Resistance,
Revolution For Change [Network
Records, 1992] Detail der Coverrückseite.
INSERT / FRONT, LEFT
Underground Resistance,
Revolution For Change [Network
Records, 1992] Detail from back
cover.
INSERT / vorne, rechts
Drexciya Schallplatten-Etiketten,
1992-1996 (von oben nach unten):
Deep Sea Dweller, 1992, Seite
B. Drexciya 4: The Unknown
Aquazone Double Aquapak,
1994, Basalt Zone 3.65X. Aquatic
Invasion, 1995, Seiten A und B.
Drexciya 2: Bubble Metropolis,
1993, Seite B. The Return of
Drexciya, 1996, Seite B.
INSERT / FRONT, RIGHT
INSERT / hinten
INSERT / BACK
"Drexciya: Collected Evidence",
zusammengestellt von Julian
Myers, 2011, mit Dank an
Drexciya und UR.
"Drexciya: Collected Evidence,"
Assembled by Julian Myers, 2011,
with Thanks to Drexciya and UR.
40.
Drexciya center labels, 1992–6
(top to bottom): Deep Sea
Dweller, 1992, Side B. Drexciya 4:
The Unknown Aquazone Double
Aquapak, 1994, Basalt Zone
3.65X. Aquatic Invasion, 1995,
Sides A and B. Drexciya 2: Bubble
Metropolis, 1993, Side B. The
Return of Drexciya, 1996, Side B.
41.
EDGAR ARCENEAUX
42.
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
43.
EDGAR ARCENEAUX
44.
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
45.
EDGAR ARCENEAUX
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
INSERT / vorne
INSERT / front
Edgar Arceneaux, Where now?
In my house? Why? It's warm in
here., 2011. Unfertige Arbeit.
Acryl, Kreide, Pastellkreide
auf Papier. Courtesy Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Foto: Robert Wedemeyer.
Edgar Arceneaux, Where now?
In my house? Why? It's warm in
here., 2011. Work in progress.
Acrylic, chalk, pastel on paper.
Courtesy of Susanne Vielmetter
Los Angeles Projects. Photo
credit: Robert Wedemeyer.
INSERT / hinten
INSERT / back
Atelieraufnahmen von unfertigen
Arbeiten für Hopelessness Freezes
Time, 2011. Courtesy Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Foto: Robert Wedemeyer.
Studio shot of works in progress
for Hopelessness Freezes Time,
2011. Courtesy of Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Photo credit: Robert Wedemeyer.
46.
47.
EDGAR ARCENEAUX
48.
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
49.
EDGAR ARCENEAUX
50.
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
51.
EDGAR ARCENEAUX
52.
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
53.
EDGAR ARCENEAUX
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
INSERT / Vorne, links
Edgar Arceneaux The Human
Sugar Factory 1, 2010. Installation
in Project Row Houses, Houston,
Texas, 9. Oktober 2010 – 28.
Februar 2011. Zwei Industrieregale,
Wellblechregale, kristallisierte
Kisten, kristallisierte Backsteine,
kristallisierte Handschuhe. Masse
variabel, Regale 2,5 m hoch,
x 0,6 m tief, x 2,5 m breit.
Courtesy Susanne Vielmetter Los
Angeles Projects. Foto: Eric Hester.
INSERT / vorne, rechts
Camilo Jose Vergara, „A gentle,
semi-abandoned place is what
remains of past dynamism
and brutal strength—a 1990s
fading container for ghosts
and shadows patrolled by
homeless men.“ Detroit, 1995.
Ursprünglich publiziert in The
New American Ghetto, 1997.
Silbergelatinfotografie.
INSERT / hinten
Edgar Arceneaux The Human
Sugar Factory 1, Detail, 2010. Zwei
Industrieregale, Wellblechregale,
kristallisierte Kisten, kristallisierte
Backsteine, kristallisierte
Handschuhe. Masse variabel,
Regale 2,5 m hoch, x 06 m tief,
x 2,5 m breit. Courtesy Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Foto: Eric Hester.
54.
INSERT / front, left
Edgar Arceneaux, The Human
Sugar Factory 1 (detail view),
2010. Installation from Project Row
Houses, Houston, TX, October
9, 2010 – February 28, 2011.
Two cargo racks, corrugated
metal shelving, crystalized boxes,
crystalized bricks, crystalized
gloves. Dimensions variable,
shelves 8 x 2 x 8 ft. Courtesy
of Susanne Vielmetter
Los Angeles Projects.
Photo credit: Eric Hester.
INSERT / front, right
Camilo Jose Vergara, “A gentle,
semi-abandoned place is what
remains of past dynamism and
brutal strength—a 1990s fading
container for ghosts and shadows
patrolled by homeless men.”
Detroit, 1995. Original published in
The New American Ghetto, 1997.
Gelatin silver photograph.
INSERT / BACK
Edgar Arceneaux, The Human
Sugar Factory (detail) ,2010.
Two cargo racks, corrugated
metal shelving, crystalized boxes,
crystalized bricks, crystalized
gloves.Dimensions variable,
shelves 8 ft. x 2 ft. x 8 ft. Courtesy
of Susanne Vielmetter Los Angeles
Projects. Photo credit: Eric Hester.
55.
EDGAR ARCENEAUX
56.
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
57.
EDGAR ARCENEAUX
58.
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
59.
EDGAR ARCENEAUX
60.
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
61.
EDGAR ARCENEAUX
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
INSERT / FRONT, LEFT
INSERT / vorne, links
Edgar Arceneaux, Holes and Waves
(unfertige Arbeit), 2011. Dreck,
Acryl, Graphit auf Papier. 106,5
x 152,5 cm. Courtesy Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Foto: Robert Wedemeyer.
Edgar Arceneaux, Holes and Waves
(a work in progress), 2011. Dirt,
acrylic, graphite on paper. 42 x 60
in. Courtesy of Susanne Vielmetter
Los Angeles Projects.Photo credit:
Robert Wedemeyer.
INSERT / FRONT, RIGHT
INSERT / Vorne, Rechts
Edgar Arceneaux, Eyes Floating in
the Abyss (Waves), 2011. Dreck,
Kreide, Pastellkreide auf Papier.
183 x 189 cm. Courtesy Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Foto: Robert Wedemeyer.
Edgar Arceneaux, Eyes Floating
in the Abyss (Waves), 2011. Dirt,
graphite, chalk pastel on paper.
72 x 78 in. Courtesy of Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Photo credit: Robert Wedemeyer.
INSERT / BACK
INSERT / Hinten
Edgar Arceneaux, Holes in History,
2011. Acryl, Graphit, Tinte auf
Papier. 116,84 x 182,88 cm.
Unfertige Arbeit. Courtesy Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Foto: Robert Wedemeyer.
62.
Edgar Arceneaux, Holes in History,
2011. Acrylic, graphite, ink on
paper. 46 x 72 in. Work in progress.
Courtesy of Susanne Vielmetter
Los Angeles Projects.Photo credit:
Robert Wedemeyer.
63.
EDGAR ARCENEAUX
64.
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
65.
EDGAR ARCENEAUX
66.
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
67.
EDGAR ARCENEAUX
68.
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
69.
EDGAR ARCENEAUX
70.
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
71.
EDGAR ARCENEAUX
72.
AUSZÜGE AUS SKIZZENBÜCHERN / SKETCHBOOK EXCERPTS
73.
EDGAR ARCENEAUX
Über das Wesen meiner Notizbücher.
Eine Ausführung
insert / vorne, links
Edgar Arceneaux, The Gods of
Detroit (bkans), 2010. Lehm, Kohle,
Email auf nicht aufgezogener
Leinwand. 175 x 122 cm. Courtesy
Susanne Vielmetter Los Angeles
Projects. Foto: Robert Wedemeyer.
insert / vorne, rechts
Edgar Arceneaux, Themen der
Skizzenbücher, 2011.
insert / hinten
Installationsansicht der Gods of
Detroit, aus The Algorithm Doesn’t
Love You, fortlaufende Serie.
6. November – 11. Dezember
2010 bei Susanne Vielmetter
Los Angeles Projects. Courtesy
Susanne Vielmetter Los Angeles
Projects. Foto: Robert Wedemeyer.
Ich mache Notizen – auf Papierstücken, die dann auf Tischen liegenbleiben oder in
meinen Hosentaschen stecken, monate- und manchmal jahrelang. Diese Momente
der Ideenfindung sind kaum kontrolliert, und wenn Ideen aus dem Unterbewusstsein
entstehen, ist mir jedes Schreibmaterial recht. Aus den meisten dieser Gedankenfragmente entwickelt sich nichts, was wirklich von Wert wäre, aber die Aktivität im
Ganzen bietet doch einen Einblick in die unendliche Anzahl von Kombinationen, die aus
dem Hintergrund eines kreativen Geistes hervorgehen. Doch es gibt seltene Momente,
in denen eine Gedankenkombination ein Muster entstehen lässt, eine poetische Redundanz, die sich zur Erkundung eines Themas entwickelt. Für diese Ausstellung beispielsweise ist Hopelessness Freezes Time (1967 Detroit Riots, Detroit Techno and Michael
Heizer’s Dragged Mass) auf diese Weise entstanden.
Ich mache Notizbücher. Diese Notizbücher, gefertigt aus gefalteten 8,5 x 11 Zoll
grossen, weissen Papierblättern, dienen mir später als Referenz; sie sind nicht wie ein
traditionelles Skizzenbuch für illustrative Zeichnungen gedacht. Ich fertige nur selten
Skizzen für grössere Kunstwerke an; eher mache ich Notizen, um Muster zu entdecken –
in Sprache, Form und Geometrie. Es bleibt mir rätselhaft, was den Geist dazu führt,
in bestimmte Richtungen aktiv zu werden, aber ich bin immer überrascht, wenn beim
Nachdenken eine Ordnung entsteht. Ich beschreibe hier nicht etwa ein unbewusstes
Herumirren im Dunkeln, sondern ein sehr direktes Beobachten, Recherchieren und Experimentieren. Dies zu tun bedeutet, neue Fragen zu stellen, und mit jeder Ausstellung
warten die Überreste von noch nicht erforschten Gedanken darauf, in neue Richtungen
verfolgt zu werden. Dieses Notizbuch hat einen Rücken, ist aber nicht gebunden. Es ist
offen und expansiv, da ich ständig neue Blätter hinzufüge, wenn die Seiten voll werden.
Ein Effekt dieses Verfahrens ist, dass Seitenzahlen irrelevant werden, da Seite drei zur
Seite 5 werden kann, und dann zur Seite zehn oder 16. Dieses Notizbuch ist nur eines
einer ganzen Reihe aus den letzten zehn Jahren, die über 21 Kunstprojekte abdecken;
Ideen von vor drei Jahren treffen darin direkt auf Ideen von letzter Woche.
insert / front, left
Edgar Arceneaux, The Gods
of Detroit (bkans), 2010. Clay,
charcoal, enamel on unstretched
canvas. 69 x 48 in. Courtesy of
Susanne Vielmetter Los Angeles
Projects. Photo credit: Robert
Wedemeyer.
insert / front, right
Edgar Arceneaux, sketchbook
themes, 2011.
insert / back
Installation view of the Gods of
Detroit, from The Algorithm Doesn’t
Love You, an ongoing series.
November 6 – December 11, 2010
at Susanne Vielmetter Los Angeles
Projects. Courtesy of Susanne
Vielmetter Los Angeles Projects.
Photo credit: Robert Wedemeyer.
Die Notizen, die in diesem Katalog verstreut sind, folgen dem weiter gefassten Thema
und der Untersuchungmethode der Ausstellung ,Hopelessness Freezes Time‘; sie sind
nicht dazu gedacht, linear von einer Seite zur nächsten gelesen zu werden, da die Notizen dann chaotisch und ungeordnet wirken würden. Springen Sie von Seite zu Seite,
von Abschnitt zu Abschnitt, und in den diversen Themen werden Parallelen und Muster
entstehen, die sowohl die Gesamtheit als auch die Komplexität ihrer historischen
Verbindungen beschreiben. Verbindungen zwischen unterschiedlichen Narrativen aufzuzeigen und deren Affinitäten auszudrücken offenbart Wahrheiten über die moderne
Wirklichkeit, als Beleg sowohl dafür, dass sie sich im Wandel befindet, wie auch für
ihre primitive Vergangenheit.
EDGAR ARCENEAUX
74.
75.
On the Nature of My Notebooks.
Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung /
This catalogue is published in conjunction with the exhibition:
An OUTRO-DUCTION
I take notes. On scraps of paper that are left to lie on tables or sit in my back pocket
for months and occasionally years.These moments of ideation are hardly controlled
and when ideas emerge from the subconscious, any material to write on must do.
Most of these fragments of thought never come to be of any real value, but the
activity as a whole presents an insight into the infinite number of combinations
that emerge from the background of every creative mind. Yet, on the rare occasion
a combination of thoughts produces a pattern, a poetic redundancy that evolves
into an investigation of a subject. In the instance of this exhibition, it has produced,
“Hopelessness Freezes Time (1967 Detroit Riots, Detroit Techno and Michael Heizer’s
Dragged Mass).”
I create notebooks. These notebooks made of folded 8.5 x 11 inch sheets of white
paper are objects for future reference and not so much for illustrating drawings like
in a traditional sketch book. It is rare for me to make sketches for larger artworks;
instead I take notes so to find patterns in language, form and geometry. What guides
the mind to action towards particular directions remains a mystery to me, but am
always amazed when in reflection an order emerges. This is not a unconscious meandering about in the dark that I am describing, but a very direct act of observation,
research and experimentation. To do is to ask new questions, and with each exhibition remnants of thoughts unexplored lay in wait for further exploration in uncharted
directions. This notebook has a spine but is not bound. It is open and expansive, as
I constantly add new sheets when pages become full. One effect of this process is
that page numbers become irrelevant, as page three can become page five, then
ten or sixteen. This notebook is but one of a series from the last ten years, covering
more than twenty-one art projects; ideas from three years ago butt against ideas
from last week.
The notes submerged in this catalog follow the larger theme and method of exploration in the show “Hopelessness Freezes Time” and are not intended to be read in a
linear sense from one page to the other, as this would make the notes seem chaotic
and disordered. Jump from page to page, section to section, and parallels and patterns in the various subjects will emerge that describe the totality as well as the intricacies of their historical connections. Drawing connections and expressing affinities
between disparate narratives reveals truths of modern reality, as evidence to both its
transitional nature and to its primitive past.
EDGAR ARCENEAUX
“Hopelessness Freezes Time”
1967 Detroit Riots, Detroit Techno and Michael Heizer’s Dragged Mass
Museum für Gegenwartskunst Basel
24. September 2011 – 1. Januar 2012
Kunstmuseum Basel,
Museum für Gegenwartskunst
mit Emanuel Hoffmann-Stiftung
St. Alban-Rheinweg 60
CH - 4010 Basel
www.kunstmuseumbasel.ch
ISBN 978-3-7204-0195-1
AUSSTELLUNG / EXHIBITION
Direktor / Director Bernhard Mendes Bürgi
DANK / ACKNOWLEDGEMENTS
Creative Capital / Warhol Foundation
Arts Writers Grant Program
Gallery Praz Delavallade
Genaro Alvarez
James Anderson
Zora Arceneaux
Kuratorische Assistenz / Assistant Curator Scott Cameron Weaver
Mike Banks, Cornelius Harris
und / and Underground Resistance/
Submerge
Kommunikation / Press Christian Selz
Susan Buck-Morss
Restauratoren / Restorers Werner Müller, Sophie Eichner, Amelie Jensen,
California College of the Arts
Kuratorin / Curator Nikola Dietrich
Chantal Schwendener, Caroline Wyss
Registrarin / Registrar Charlotte Gutzwiller
Ausstellungstechnik / Installation Claude Bosch, Stefano Schaller,
Andreas Schweizer, Käthe Walser, Martin Werner
The City of Detroit
The City of Los Angeles
T.J. Clark
Sean and Arwin Duffy
KATALOG / CATALOGUE
Anna Gritz
Herausgeber / Editor Nikola Dietrich
Redaktion / Editing Scott Cameron Weaver
Becky Hart und / and
Maria Ketcham vom /
from the Detroit Institute of Arts
Lektorat / Copyediting Brian Currid, Axel Lapp
Svenja Held
Übersetzungen / Translations Wilhelm Werthern
Sharon Lerner
Gestaltung / Graphic design Kimberly Varella,
Department of Graphic Sciences, Los Angeles
Museum of Contemporary
Art Detroit
Papier / Paper French Construction, Nightshift Blue 100c and Specktone Kraft 70t;
Finch Fine 70t; Endurance Dull 70t; and 48pt chip board.
Maja Oeri
Schrift / Typeface Zurich Condensed, Eames Century Modern and
Sascha Robinett
Knockout Liteweight.
Shizu Saldamando
Umschlagsabbildung / Cover illustration TK
Joanna Szupinska
sponsor / SPONSORship
Jacqueline Tarquinio,
Sasha Drosdick,
Kevin Scholl
Ariane Vielmetter
EDGAR ARCENEAUX
Susanne Vielmetter
Los Angeles Projects
Anne Wagner
76.
© 2011 Kunstmuseum Basel und die Autoren / and the authors
The Watts Community
Printed in the USA
Watts House Project
Team and Staff
EINFÜHRUNG
78.
INTRODUCTION
79.
EINFÜHRUNG
80.
Drexciya: Collected Evidence
Techno from
The Deep/Deep H2o. [1992]1
–––––
A: Fresh Water/B: Salt Water. [1993]2
–––––
I fuck my artificial fish. [1994]3
–––––
Aqua Quote: Experiments must
continue at all cost. Even if it
means Death. [1994]4
–––––
On February First Nineteen Hundred
And Ninety Five the Drexciyan
Tactical Seaforces received orders
from UR Strikeforce Command, for one
final mission. The dreaded Drexciya
stingray and barracuda battalions were
dispatched from the Bermuda Triangle.
Their search and destroy mission to be
carried out during the Winter Equinox
of 1995 against the programmer
strongholds. During their return
journey home to the invisible city one
final mighty blow will be dealt to the
programmers. Aquatic knowledge for
those who know. [1995]5
–––––
Don’t Let Us Find You in Detroit. [1995]6
–––––
Epsilon Aquazone
We’re Going Deep. [1995]7
–––––
You don’t know—what lurks in the fog.
[1996]8
–––––
Could it be possible for humans to
breathe underwater? A fetus in its
mother’s womb is certainly alive in
an aquatic environment.
During the greatest holocaust the
world has ever known, pregnant
America-bound African slaves were
thrown overboard in the thousands
during labor for being sick and
disruptive cargo. Is it possible that they
could have given birth at sea to babies
that never needed air?
Recent experiments have shown mice
are able to breath liquid oxygen. Even
more shocking and conclusive was a
recent instance of a premature human
infant saved from certain death by
breathing liquid oxygen through its
underdeveloped lungs.
These facts combined with reported
sightings of gillmen and swamp
monsters in the coastal swamps of the
southeastern United States make the
slave trade theory startlingly feasible.
1 Runout groove etching, Drexciya, Deep Sea Dweller.
Detroit: Shockwave Records SW1007, 1992.
2 Label copy, Drexciya, Drexciya 2: Bubble Metropolis.
Detroit: Underground Resistance UR-026, 1993.
3 Backmasked on “Aquabahn,” ibid.
4 Label copy, Drexciya, Drexciya 4: The Unknown
Aquazone Double Aquapak. Detroit: Submerge
Recordings SVE-3, 1994.
5 The Unknown Writer, label copy, Drexciya, Aquatic
Invasion. Detroit: Underground Resistance, UR-030,
1995.
Assembled by Julian Myers, with thanks to Drexciya and UR
Are Drexciyans water-breathing,
aquatically mutated descendants of
those unfortunate victims of human
greed? Have they been spared by God
to teach us or terrorize us? Did they
migrate from the Gulf of Mexico to
the Mississippi River Basin and to the
Great Lakes of Michigan?
Do they walk among us? Are they more
advanced than us? How and why do
they make their strange music?
What is their quest?
These are many of the questions that
you don’t know and never will.
The end of one thing… and the
beginning of another.
Out. [1997]9
–––––
Drexciya bring this extraterritorial
discontinuum down to earth and under
the water. Instead of ground reality,
their sonic fiction sinks through the
streets with the invisible force of an
intensified magnetron. It derealises
the solid facts that Hardcore music
insists upon, deforming reality through
a systematic confusion of technology
with rumor, information with mystery.
Drexciya are esoterrorists. “Mommy,
what’s an esoterrorist?” Something,
or someone who terrorizes through
esoteric myth systems. Infiltrating the
world, the esoterrorist plants logic
bombs and then vanishes, detonating
conceptual explosions, multiplying
perceptual holes through which the
entire universe drains out. [1998]10
Drexciya presents Grava 4. Earth has
finally discovered Utopia (Drexciya
Home Universe). Earth scientists
discovered the home planet of Drexciya
on 2-14-2002. Within moments Dr.
Blowfin was given the orders to
initiate the seven dimensional cloakingspheres to hide the other three planets
from Earth’s view. The star chart is
authentic; you will be able to find
the star by using the coordinates on
the star chart. The planet Drexciya
can be found in the international star
vault in Switzerland & recorded in the
astronomical compendium (Your Place
in the Cosmos, Volume VI). [2002]11
–––––
Born on September 14, 1969, James
Stinson grew up on Detroit’s east side
and graduated from Kettering in 1989.
He died September 3, 2002 of heart
complications in Newnan, Georgia,
where he had moved earlier that year
for health reasons. A memorial service
was held at the James H. Cole Funeral
Home, 2624 W. Grand Blvd., Detroit.
[2003]12
–––––
Negative evolution cycle completed.
Now in sonic infinitum mode. [2003]13
–––––
–––––
6 Runout groove etching, Drexciya, Drexciya III:
Molecular Enhancement. Detroit: Submerge
Recordings, SVE-6, 1995.
7 Label copy, Drexciya, The Journey Home. Sheffield:
Warp Records, WAP 57, 1995.
8 Runout groove etching, Drexciya, The Return of
Drexciya. Detroit: Underground Resistance, UR-037,
1996.
9 The Unknown Writer, Liner notes, Drexciya, The
Quest. Detroit: Submerge Recordings, SVE-8, 1997.
10 K
odwo Eshun, “Fear of a Wet Planet,” The Wire 167,
January 1998. Archived at http://www.thewire.
co.uk/archive/essays/fearofawetplanet.html.
Accessed February 2, 2007.
11 Liner notes, Drexciya, Grava 4. Netherlands: Clone
Records C#25, 2002. The note refers to James J.
Richard, Your Place In The Cosmos, Volume VI.
Ingleside, IL: Mosele & Associates, 2002.
12 “James Stinson,” Discogs.com. http://www.discogs.
com/artist/James+Stinson (Accessed July 23, 2011).
13 Underground Resistance, quoted in “James
Stinson,” spannered.org. http://www.spannered.
org/music/774/ (Accessed July 23, 2011).