Notwendigkeit von Kapazitätsmechanismen
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Notwendigkeit von Kapazitätsmechanismen
Notwendigkeit von Kapazitätsmechanismen Endbericht Notwendigkeit von Kapazitätsmechanismen Endbericht Von: Dr. Marco Nicolosi Datum: 14. September 2012 Projekt-Nummer: POWDE1251111 © Ecofys 2012 beauftragt durch: Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) Zusammenfassung Das Ziel dieser Studie ist es zu hinterfragen, ob ein tiefer Regulierungseingriff derzeit gerechtfertigt ist oder ob der Strommarkt ein nachvollziehbares Ergebnis liefert, welches auf ein Funktionieren des Energy-only-Marktes hindeutet und gegebenenfalls Möglichkeiten für Nachjustierungen aufzeigt. Die Diskussion der Studienannahmen und den daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen deutet auf eine Bandbreite an Wahrnehmungen der aktuellen Marktsituation hin. Die empirische Diskussion der Annahmen zeigt, dass sie bei der Interpretation der Schlussfolgerungen eine entscheidende Rolle spielen. Vor allem die Kombination der aus Vereinfachungsgründen gesetzten Annahmen einer fixen Lebensdauer der Kraftwerke, einer fixen Nachfragen und der Preissetzung auf Basis kurzfristiger Grenzkosten determiniert eine augenscheinliche Finanzierungslücke. Das Abweichen von diesen vereinfachenden Annahmen zeigt eine Vielzahl alternativer Lösungsmöglichkeiten des Energy-onlyMarktes auf. Die Einführung eines umfassenden Kapazitätsmarktes, wie das Modell der Versorgungssicherheitsverträge, geht mit einer großen Unsicherheit beim Setzen der Parameter einher. Die zukünftige Spitzenlast unterliegt großen Unsicherheiten, wodurch der Aufbau von Überkapazitäten wahrscheinlich wird. Als Konsequenz würden keine Knappheitspreise am Strommarkt entstehen und die Anreize für einige Optionen, wie z.B. Lastmanagement, gering ausfallen, obwohl sie beispielweise bei der Integrationsherausforderung der erneuerbaren Energien zu einer effizienten Lösung beitragen könnten. Die Auktion der gesicherten Leistung unterliegt zudem einer Präqualifikation, wodurch gegebenenfalls neue technologische Optionen ausgeschlossen werden und technologische Lock-in Effekte auftreten könnten. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Ausgestaltung aufgrund von Partikularinteressen und Marktmachtbedenken selektive Elemente erhält, welche die theoretische Effizienz eines umfassenden Kapazitätsmarktes untergraben könnten. Als Konsequenz der vielen Unsicherheiten besteht die Gefahr, dass das Versorgungssystem teurer werden könnte als es bei alternativen Marktdesigns der Fall wäre und Nachjustierungen des Kapazitätsmarktes und des restlichen Marktdesigns nötig werden. Die Einführung einer strategischen Reserve könnte das Effizienz- und Innovationspotenzial des Energy-only-Marktes erhalten und gleichzeitig die Versorgungssicherheit gewährleisten. Alle Lösungsoptionen würden innerhalb des EU-Binnenmarktes einem Wettbewerb zueinander stehen. Eine europäische Perspektive auf Versorgungssicherheit hätte ein signifikantes Kostensenkungspotenzial gegenüber nationalen Lösungen. Aufgrund der zweiten Übergangsphase hin zu höheren Anteilen erneuerbarer Energien werden Investitionen in Spitzenlasttechnologien jeder Art zunehmend wichtiger. Eine Anpassung des Kraftwerksparks wird aus wirtschaftlichen Gründen stattfinden. Die aktuelle Diskussion um Kraftwerksstilllegungen deutet bereits auf diesen Prozess hin. Die strategische Reserve kann diesen Prozess effizient absichern. Hierfür sind Preisspitzen notwendig, die deutlich über Grenzkostenniveau liegen. Das Risiko einer hohen Preissetzung der strategischen Reserve dient, neben der Finanzierung von Spitzenlastkraftwerken, vor allem dazu Lastmanagementprozesse Nachfrageseite zu anzureizen flexibilisieren. und Daraus somit folgt I das zum nachgewiesene einen, dass die Potenzial auf Preissetzung der in Knappheitssituationen auf Basis des Grenznutzens der Nachfrage basieren kann und zum anderen, dass der Bedarf an Spitzenlastkraftwerken gesenkt wird. Die strategische Reserve kann ebenfalls regional ausgestaltet werden und somit herangezogen werden, um den Zeitraum zur Fertigstellung des Netzausbaus zu überbrücken. Der Energy-only-Markt bietet die Möglichkeiten den aktuellen Herausforderungen zu begegnen. Die steigende Einspeisung volatiler erneuerbarer Energien sendet entsprechende Preissignale, welche zu Investitionen in die passenden Technologien führen. Auf der anderen Seite liefert die EUBinnenmarktintegration zusätzlichen Wettbewerb und steigert somit die Effizienz des Strommarktes. Dennoch kann es in der Übergangsphase zu zeitweiligen Herausforderungen kommen, die mit Hilfe einer strategischen Reserve effektiv und effizient abgesichert werden können. Um Investitionszurückhaltung zu vermeiden, benötigen potenzielle Investoren einen Ordnungsrahmen innerhalb dessen sie agieren können. Aus diesem Grund könnte Attentismus verhindert werden, durch ein politisches Bekenntnis zum Energy-only-Markt, in dem eine strategische Reserve mit festgeschriebenen Einsatzpreisen als Absicherung dient. II Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 2 Studien- und Annahmenübersicht 2 2.1 Definition der Versorgungssicherheit 2 2.2 Angebotsseitige Annahmen 3 2.3 Nachfrageseitige Annahmen 4 2.4 Preissetzung 5 2.5 Schlussfolgerungen der Studien 5 2.6 Zwischenfazit 6 3 4 5 Theoretischer Hintergrund 8 3.1 Peak Load Pricing 3.2 Effekte der EE-Integration 8 3.2.1 Kurzfristige preissenkende Effekte volatiler erneuerbarer Energien 10 3.2.2 Langfristige Anpassung des Kraftwerksparks durch EE Ausbau 11 3.2.3 Preiseffekte bei langfristiger Anpassung der Angebotskurve 12 3.2.4 Erkenntnisse der Theorie zu Effekten der EE-Integration 14 3.3 Effekte der EU-Binnenmarktsintegration 14 3.3.1 Operative Effizienzgewinne 15 3.3.2 Investive Effizienzgewinne 17 3.3.3 Erkenntnisse der Theorie zu Effekten der EU-Integration 18 3.4 Theoretische Erkenntnisse und Erwartungen an die Marktbeobachtung 19 10 Empirische Untersuchung der Marktsituation 20 4.1.1 Preisentwicklung 20 4.1.2 Erzeugungsmix in Deutschland 23 4.2 Auswirkungen des EU Binnenmarktes 25 4.3 Auswirkungen der EE-Integration im EU-Binnenmarkt 26 4.4 Zwischenfazit: Zeitgleiche EE und EU Integration 29 Diskussion typischer Annahmen und Lösungsansätze verschiedener Komponenten 31 5.1 Definition der Versorgungssicherheit 31 5.1.1 Regional koordinierte Bewirtschaftung eines größeren Marktgebiets 31 5.1.2 Versorgungssicherheit in kleineren Gebieten 36 5.1.3 Zwischenfazit Versorgungssicherheit 40 5.2 Angebotsseitige Annahmen: Fixe Kraftwerkslebensdauer 41 5.2.1 Bandbreite der Annahmen 41 5.3 Nachfrageseitige Annahmen 45 5.4 Annahmen zur Preissetzung 47 5.4.1 Preissetzung auf Basis angebotsseitiger Gebote 48 5.4.2 Preissetzung auf Basis nachfrageseitiger Gebote 50 5.5 Schlussfolgerungen 54 6 Kapazitätsmechanismen als Lösungsoption 56 7 Zusammenfassung 61 Literatur 63 Abbildungsverzeichnis Abbildung 3.1: Peak-Load-Pricing 8 Abbildung 3.2: Merit Order Effekt 10 Abbildung 3.3: Langfristige Änderungen im Kraftwerkspark 11 Abbildung 3.4: Änderungen des Marktpreises bei Anpassung des Kraftwerksparks 13 Abbildung 3.5: Market Coupling 15 Abbildung 3.6: Auswirkungen von internationalem Handel 16 Abbildung 3.7: Effizienzgewinne durch internationalen Handel 18 Abbildung 4.1: Entwicklung des deutschen Großhandelspreises 21 Abbildung 4.2: Deutsche (links) und französische (rechts) day-ahead Strompreise und Last (01.01.2012-30.04.2012) 22 Abbildung 4.3: Entwicklung des deutschen Erzeugungsmixes 24 Abbildung 4.4: Preiskonvergenz im deutschen und niederländischen Markt 25 Abbildung 4.5: Abweichungen vom gemeinsamen Preis 27 Abbildung 4.6: Abweichungen in Abhängigkeit von der Einspeisung aus EE 2011 28 Abbildung 5.1: Interkonnektoren zu angrenzenden Marktgebieten (in MW) 32 Abbildung 5.2: Reduktion der Leistungsvorhaltung durch den Netzregelverbund 33 Abbildung 5.3: Regionale Darstellung des Netzregelverbundes 34 Abbildung 5.4: Exemplarische Darstellung des Ausgleichs von Last und residualer Last anhand eines drei-Länder Beispiels in 2011 35 Abbildung 5.5: Darstellung der Transportkosten für Importkohle 37 Abbildung 5.6: Erdgasnetz in Deutschland 38 Abbildung 5.7: Entwicklung der Transportkosten für Erdgas 38 Abbildung 5.8: Regionale Darstellung der Thüringer Strombrücke 40 Abbildung 5.9: Annahmen über technische Lebenszeit der Kraftwerke 41 Abbildung 5.10: Zusammensetzung des deutschen Kraftwerksparks 43 Abbildung 5.11: Kraftwerke im Bau und in Planung in Deutschland 44 Abbildung 5.12: Annahmen über die Entwicklung der Nachfrage 46 Abbildung 5.13: Marktpreise in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden im Februar 2012 48 Abbildung 5.14: Änderungen des Marktpreises durch Nachfrageflexibilität 50 Abbildung 5.15: Technisches Potenzial der Nachfrageflexibilität 51 Abbildung 6.1: Wirkungsweise der Kapazitätsmechanismen 58 1 Einleitung In der aktuellen politischen Diskussion bestehen Unsicherheiten, ob der Strommarkt ausschließlich auf Basis der vergüteten Energie funktionieren kann oder ob zusätzlich die Bereitstellung gesicherter Leistung notwendig ist, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Eine große Anzahl an Studien hat sich in jüngster Vergangenheit mit diesem Thema beschäftigt und die Notwendigkeit von Kapazitätsmechanismen und deren mögliche Ausgestaltung analysiert. Die Motivation dieser Studie liegt darin begründet, dass die Schlussfolgerungen verschiedener Studien zu Kapazitätsmechanismen teilweise auseinandergehen, unter anderem da sie ihre Analysen auf unterschiedliche Annahmen basieren. In der vorliegenden Studie werden diese Annahmen dargestellt, diskutiert und anhand empirischer Beobachtungen bewertet. Viele Studien geben die Integration erneuerbarer Energien (EE) und die EU-Binnenmarkintegration als wesentliche Motivation für Kapazitätsmechanismen an, untersuchen die daraus resultierenden Effekte jedoch nicht adäquat. Aus diesem Grund werden diese beiden aktuellen Herausforderungen des Strommarktes hinsichtlich ihrer Auswirkungen analysiert. Die Einführung eines Kapazitätsmarktes bedeutet einen tiefen regulatorischen Eingriff in den Strommarkt. Die wesentliche Frage ist, ob der Strommarkt in seiniger jetzigen Form versagt, wodurch ein tiefer Regulierungseingriff gerechtfertigt wäre, oder ob die Marktergebnisse auf ein Funktionieren des Marktes hinweisen, wodurch gegebenenfalls kleinere Nachjustierungen die angemessene Reaktion wären. Diese Analyse liefert Einsichten, welche für die Weiterentwicklung des Strommarktdesigns berücksichtigt werden sollten. Einige Annahmen der Studien werden anhand aktueller Entwicklungen auf dem Strommarkt empirisch diskutiert. Darauf aufbauend werden Lösungsoptionen aufgezeigt, die zur Verfügung stehen, wenn von einigen restriktiven Annahmen abstrahiert wird. Diese Lösungsoptionen in Kombination mit den identifizierten Herausforderungen dienen als Basis für die Bewertung der aktuell diskutierten Kapazitätsmechanismen. Die Studie ist folgendermaßen aufgebaut: Zunächst wird im zweiten Kapitel eine Übersicht aktueller Studien, ihrer Annahmen und der daraus resultierenden Schlussfolgerungen aufgezeigt. Das dritte Kapitel stellt grundlegende theoretische Konzepte dar, welche die Basis zum Verständnis aktueller Entwicklungen auf dem Strommarkt bilden. Im vierten Kapitel werden die theoretischen Erklärungen empirischen Marktergebnissen gegenübergestellt, um die Theorie zu verifizieren und damit theoretisch hergeleitete Handlungsoptionen zu rechtfertigen. Das fünfte Kapitel stellt die eingangs diskutierten Annahmen einiger Studien in Bezug zu aktuellen Marktentwicklungen und zeigt auf, welche Lösungsoptionen sich anbieten, wenn von den zur Vereinfachung getroffenen Annahmen abstrahiert wird. Im sechsten Kapitel werden Kapazitätsmechanismen diskutiert und anhand der Handlungsnotwendigkeit und den zur Verfügung stehenden Lösungsoptionen bewertet. Das siebte Kapitel fasst die Erkenntnisse der Studie zusammen und zieht ein Fazit. 1 2 Studien- und Annahmenübersicht Eine große Anzahl an Studien untersucht die Notwendigkeit von Kapazitätsmechanismen und liefert mehr oder weniger konkrete Ausgestaltungsvorschläge verschiedener Mechanismen. Die folgenden Studien wurden bei der Erstellung dieses Gutachtens berücksichtigt: • Cramton und Ockenfels (05/2011), Auftraggeber: RWE AG • Frontier Economics (07/2011), Auftraggeber: RWE AG • BET (09/2011), Auftraggeber: Bundesverband Neuer Energieanbieter (BNE) • r2b (10/2011 und 03/2012), Auftraggeber: Umweltbundesamt (UBA) • LBD-Beratungsgesellschaft mbH (11/2011), Auftraggeber: Umweltministerium des Landes Baden-Württemberg • Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie (DICE) (2011), Auftraggeber: RWE AG • Consentec (02/2012), Auftraggeber: EnBW AG • Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln (EWI) (03/2012), Auftraggeber: BMWi Die Ergebnisse der Studien bieten eine große Bandbreite an Problemanalysen und Handlungsempfehlungen. Die unterschiedlichen Schlussfolgerungen lassen sich zu großen Teilen auf unterschiedlich gesetzte Annahmen zurückführen. Das vordergründig gemeinsame Ziel dieser Studien ist eine Sicherung der Versorgung mit elektrischer Energie. Dennoch weichen die Definitionen der Versorgungssicherheit teilweise voneinander ab. Ebenso bestehen Unterschiede bei angebotsseitigen und nachfrageseitigen Annahmen. Schließlich bestehen Abweichungen bei der Auffassung der Preissetzung auf Strommärkten. In diesem Kapitel werden die Annahmen der verschiedenen Studien zur Versorgungssicherheit, zu angebots- und nachfrageseitigen Annahmen und zum Verständnis der Preissetzung gegenübergestellt und diskutiert. 2.1 Definition der Versorgungssicherheit Eine der grundlegenden Annahmen für die Schlussfolgerungen der Studien ist die Definition der Versorgungssicherheit. Versorgungssicherheit für den Strommarkt bedeutet, dass sich Angebot und Nachfrage stets entsprechen müssen und es somit nicht zu einer unfreiwilligen Rationaierung kommt. Cramton und Ockenfels (2011), Frontier Economics (2011) und EWI (2012) bezeichnen Versorgungssicherheit als öffentliches Gut. Ein öffentliches Gut ist durch eine Nicht-Ausschließbarkeit der Nutzung und Nicht-Rivalität definiert. Als Begründung könnte angeführt werden, dass aus technischen Gründen mögliche Konsumenten nicht vom Konsum ausgeschlossen werden können. Eine sichere Versorgung mit Strom stünde also entweder allen Nutzern zur Verfügung, oder 2 niemandem. Zudem stünden die Nutzer nicht in Konkurrenz zueinander, die gemeinsame Nutzung des Gutes wäre ohne Einschränkung möglich, da es in ausreichendem Maße vorhanden wäre. Eine andere Perspektive liefert r2b (2012), indem sie Versorgungssicherheit als Allmendegut definieren, bei der eine Rivalität zwischen den Nutzern bestehe. Dies bedeutet, dass in Knappheitssituationen nicht alle potenziellen Nutzer dieses Gut konsumieren könnten, da es nur in begrenztem Maße zur Verfügung steht. Insbesondere für leistungsgemessene Verbraucher seien bereits die Voraussetzungen für eine Konsumreduktion gegeben, da sie nur elektrische Energie beziehen würden, wenn ihre Zahlungsbereitschaft höher als der Marktpreis sei. Ob Versorgungssicherheit aus nationaler oder europäischer Perspektive betrachtet wird, ist nach Consentec (2012) von der Politik zu beantworten. Je nachdem wie die Antwort ausfällt, leiten sich andere Konsequenzen ab. Im Falle einer europäischen Perspektive wäre keine zwingende Handlungsnotwendigkeit vorhanden, im Falle einer nationalen Perspektive wäre mittel- bis langfristig eine Handlungsnotwendigkeit vorhanden und es könnten lediglich umfassende Kapazitätsmärkte eine effiziente Lösung darstellen. BET (2011) und EWI (2012) betrachten die nationale Versorgungssicherheit und sehen eine Notwendigkeit von Kapazitätsmechanismen. DICE (2011) sieht diese Thematik vornehmlich auf europäischer Ebene, insbesondere wenn es um die Einführung umfassender Kapazitätsmärkte geht. Sowohl DICE (2011) als auch r2b (2012) sehen jedoch die Möglichkeit auch bei nationaler Perspektive auf die Versorgungssicherheit das Ziel mithilfe einer strategischen Reserve zu erreichen. Die Definition von Versorgungssicherheit als öffentliches Gut in Kombination mit einer nationalen Perspektive lässt die Handlungsnotwendigkeit dringender erscheinen als es die Marktpreise derzeit widerspiegeln, da Importe aus dem EU-Binnenmarkt die Preise senken. Sollte Versorgungssicherheit als öffentliches Gut definiert werden, hätte es die Konsequenz, dass preiselastisches Verhalten vom Markt ausgeschlossen wird, da für die Versorgung gesorgt wäre und alle Konsumenten hierfür zahlen müssten. Wenn eine nationale Perspektive auf die Versorgungssicherheit eingenommen wird, hat dies höhere Kosten durch nationale Überkapazitäten zur Folge, welche selten eingesetzt würden, da in diesen Zeiten Strom üblicherweise importiert wird. Diese Definitionen sollten politisch beantwortet werden, jedoch sollten hierbei die Konsequenzen dieser Definitionen ebenfalls umfänglich betrachtet werden. 2.2 Angebotsseitige Annahmen Für die kurz- bis mittelfristige Perspektive auf die Handlungsnotwendigkeit spielen angebotsseitige Annahmen eine zentrale Rolle. Viele Strommarktmodelle benötigen Annahmen über die technische Lebensdauer eines jeden Kraftwerkstyps, um daraus zukünftigen Investitionsbedarf abzuleiten. In den Modellierungen von BET (2011) und EWI (2012) werden diese fixen Laufzeiten hinterlegt, womit der zukünftige Bedarf für neue Kraftwerke determiniert wird. Consentec (2012) hält „die Annahme „typischer“ Nutzungsdauern für eine detailliertere Bewertung der Kraftwerksparkentwicklung grundsätzlich für nur eingeschränkt geeignet“. r2b (2012) argumentiert ebenfalls mit möglichen Anreizen für Verlängerungen oder Verkürzungen der Laufzeiten von konventionellen Kraftwerken. 3 Die Annahme fixer Laufzeiten von Kraftwerken hilft, um Größenordnungen zukünftiger Investitionsbedürfnisse abzuschätzen. Diese Annahme ist jedoch ein Hilfsmittel. In der Realität spielt vor allem der Strompreis eine entscheidende Rolle bei Überlegungen zu Retrofitmaßnahmen und somit längeren Laufzeiten oder ggf. zu frühzeitigen Stilllegungen, bzw. dem Aufbau einer Kaltreserve. Wenn Knappheiten im Markt bestehen, spiegelt dies der Strompreis wider. Kraftwerksbetreiber werden in diesen Phasen dazu tendieren, ihre Kraftwerke länger laufen zu lassen und reduzieren somit die Handlungsnotwendigkeit. Strommarktmodelle treffen fixe Entscheidungen. In der Realität beeinflusst der Preis die Entscheidungen, indem er entsprechende Anreize setzt. 2.3 Nachfrageseitige Annahmen Die Höhe und die Struktur der Nachfrage haben einen entscheidenden Einfluss auf die Höhe der benötigten Erzeugungskapazitäten. Auf der Nachfrageseite besteht allerdings ebenfalls große Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung. Üblicherweise werden Szenarien genutzt um diese Unsicherheiten abzuschätzen. So werden in EWI (2012) drei unterschiedliche Szenarien, mit sinkender, steigender und konstanter Nachfrage berücksichtigt. BET (2011) berechnet neben einem Basisszenario mit konstanter Nachfrage ein Sensitivitätsszenario, in der die Nachfrage entsprechend den Plänen der Bundesregierung bis 2020 um 10% gegenüber 2008 sinkt. Consentec (2012) geht von einer konstanten Nachfrage mit einer ebenfalls konstanten Lastspitze aus. DICE (2011) zitiert in den Berechnungen den System Adequacy Forecast von ENTSO-E, die von einer sinkenden Spitzennachfrage ausgeht. Frontier Economics (2011) bezieht sich ebenfalls auf ENTSO-E, zeigt aber die Ergebnisse von Szenariorechnungen, bei denen zwei eine sinkende und eines eine steigende Nachfrage berücksichtigen. Die Annahme einer festgelegten Spitzenlast determiniert den absoluten Bedarf für gesicherte Leistung. Dieser Bedarf sinkt, wenn Teile der Nachfrage zeitlich verschoben oder reduziert werden können. Die Studien haben unterschiedliche Annahmen ob solches Lastmanagement in Zukunft eingesetzt werden kann. BET (2011) berechnet die Szenarien ohne Lastmanagement. DSM könne zwar in Zukunft einen wertvollen Beitrag zur Austarierung des Systems leisten, jedoch sei ein Einsatz aufgrund der Kurzfristigkeit bisher auf den Regelenergiemarkt beschränkt. EWI (2012) wählt einen ähnlichen Weg, und berechnet den zukünftigen Kapazitätsbedarf ohne Möglichkeit des Lastmanagements. In einem eigenen Kapitel quantifiziert EWI sehr detailliert den Beitrag, den DSM auf dem Strommarkt leisten könnte, stellt aber fest, dass die Potenziale längerfristige niedrige Einspeisung aus erneuerbaren Energien nicht ausgleichen könnten. r2b (2012) nennt ausdrücklich die Möglichkeit einer flexiblen Nachfrage zur Reduktion des Kapazitätsbedarfs, sofern hohe Marktpreise ein solches Verhalten der Verbraucher anreizen. Consentec (2012) erklärt die aktuell niedrige beobachtete Elastizität der Nachfrage mit den bisher niedrigen Strom-Großhandelspreisen, die eine Reaktion der Verbraucher unattraktiv mache. Bei einer höheren Preisvolatilität könnte sich somit auch die Nachfrageelastizität ändern. 4 Auch die zusätzlichen Potenziale im Rahmen von Smart Grid Initiativen könnten die Nachfrage flexibilisieren. Cramton und Ockenfels (2011) nennen ausdrücklich Smart Grid Programme und die zukünftige Nutzung von Elektroautos als Möglichkeit, Angebot und Nachfrage flexibel auszugleichen. Frontier Economics (2011) erweitert diese Aussage um den Zusatz, dass bereits ein gewisser Grad an Nachfrageflexibilität in der Industrie und in einigen Haushalten ausreichen könnte, um Stromausfälle zu vermeiden. 2.4 Preissetzung Die Wirtschaftlichkeit von Kraftwerken hängt vom Strompreisniveau ab. Eine wichtige Annahme ist daher, auf welcher Basis die Strompreise zustande kommen. BET (2011), Consentec (2012) und EWI (2012) basieren ihre Kalkulationen auf den kurzfristigen Grenzkosten der letzten eingesetzten Einheit. Werden nur Grundlastkraftwerke mit niedrigen variablen Kosten eingesetzt, liegt der Strompreis entsprechend geringer als in Stunden, in denen Spitzenlastkraftwerke mit hohen variablen Kosten den Preis setzen. Aufgrund der Annahme einer Grenzkosten-Preissetzung können die Spitzenlastkraftwerke ihre Investitionskosten nicht erwirtschaften. Einige Studien sehen die Möglichkeit, dass die Preise sich von den Grenzkosten abheben. Dies kann in Knappheitssituationen grundsätzlich durch Preissetzung der Nachfrage, Einpreisung von Opportunitätskosten oder Preisaufschläge erklärt werden. Consentec (2012) und EWI (2012) diskutieren qualitativ die Möglichkeit der Preissetzung durch den Grenznutzen der Nachfrage, beziehen diese Option jedoch nicht in die Modellierung mit ein. r2b (2011/2012), DICE (2011) und Cramton/Ockenfels (2011) folgen dieser Argumentation und kommen zu dem Schluss, dass bei ausreichend flexibler Nachfrage kein Bedarf für Kapazitätsmechanismen bestünde. 2.5 Schlussfolgerungen der Studien Auf Basis der genannten Annahmen bewerten die Studien die Funktionsfähigkeit des Strommarktes und den Bedarf für Kapazitätsmechanismen unterschiedlich. Cramton und Ockenfels (2011) betrachten die aktuelle Situation in Deutschland als Übergangsphase, in der insbesondere die politische Unsicherheit die Erneuerung des Kraftwerksparks behindert. Sie empfehlen, erst einmal ein stabiles Marktumfeld zu schaffen, in dem langfristige Entscheidungen unter größerer Sicherheit getroffen werden können. Anschließend sollte möglichen Gründen für ein Marktversagen, wie beispielsweise die unflexible Nachfrage, begegnet werden. Frontier Economics (2011) empfiehlt ebenfalls, Flexibilität in der Nachfrage voranzutreiben. Kurz- und mittelfristig seien die Erzeugungskapazitäten in Deutschland ausreichend für eine sichere Stromversorgung. r2b (2011/2012) argumentiert ebenfalls mit kurzfristiger Unsicherheit, insbesondere nach dem Kernenergieausstieg in 2011, in einem ansonsten weitestgehend funktionierenden Markt. Wie auch Consentec (2012) und DICE (2011) halten sie die Möglichkeiten zukünftiger Marktpreise für ausreichend, um neue Investitionen anzureizen. In Situationen mit knappen Kapazitäten könnten zum einen ausländische Kraftwerke die Versorgung sichern, zum anderen könnten Knappheitspreise 5 Nachfragereaktionen anreizen um eine Markträumung zu ermöglichen. Nur im Fall von politisch geforderter nationaler Versorgungssicherheit wären Kapazitätsmechanismen gerechtfertigt. EWI (2012) und BET (2011) ziehen aus den Ergebnissen ihrer auf kurzfristigen Grenzkosten basierenden Modellierung den Schluss, dass der Energy-only Markt nicht ausreichend Investitionsanreize liefert. LBD (2011) analysiert die lokale Situation in Baden-Württemberg. Da die lokalen Kapazitäten nicht ausreichten, um die lokale Versorgung zu sichern, und auch die Margen für neue Kraftwerke zu gering seien, wird der Schluss gezogen, dass Zahlungen für einzelne Kraftwerke in der Region nötig seien, um deren Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten. 2.6 Zwischenfazit In diesem Abschnitt wird deutlich, dass die Studien sich in einer Vielzahl von Annahmen unterscheiden und zwangsläufig zu abweichenden Ergebnissen kommen. Die Setzung der Annahmen führt deterministisch zu folgenden Ergebnissen: • Nationale Sichtweise auf Versorgungssicherheit führt im europäischen Strommarkt zwangsläufig zu Überkapazitäten, wodurch keine Knappheitspreise auftreten können • Fixe Kraftwerkslebensdauer führt zu Knappheiten, obwohl in der Realität ggf. aufgrund von steigenden Strompreisen ein wirtschaftlichen Weiterbetrieb möglich wäre • Fixe Nachfragespitze (ohne Lastmanagement) führt zu hohem Kapazitätsbedarf • Grenzkostenpreissetzung führt zwangsläufig zu einer Finanzierungslücke Sollten diese Annahmen gesetzt werden, führen die Studienergebnisse zwangsläufig zu einem Handlungsbedarf. Hierbei ist zu beachten, dass diese vereinfachenden Annahmen nicht zwingend etwas mit der heutigen Situation auf dem deutschen Strommarkt zu tun haben, sondern teilweise rein methodischer Natur sind. So schreibt EWI (2012), dass die Sensitivitätsszenarien, in denen die angenommenen Spitzenlasten um plus/minus 10 GW schwanken nicht zu wesentlichen Änderungen der Deckungsbeiträge führen, mit Ausnahme sinkender Deckungsbeiträge für GuD-Kraftwerke bei sinkender Nachfrage. Dies kann als Hinweis verstanden werden, dass bei der angewandten Methodik Deckungsbeiträge per Definition nicht ausreichen können. Die häufig diskutierten Treiber des Handlungsbedarfs, die Einspeisung erneuerbarer Energien und der EU-Binnenmarkt, spielen keinerlei Rolle bei den abgeleiteten Ergebnissen. Die aus Vereinfachungsgründen getroffenen Annahmen der fixen Kraftwerkslebensdauer, der inflexiblen Nachfrage und der Grenzkostenpreissetzung führen deterministisch in jedem Markt für den sie getroffen werden zu den gleichen Ergebnissen. Insofern ist zu hinterfragen, ob diese Annahmen auf den deutschen Strommarkt zutreffen und somit die Setzung dieser Annahmen verifiziert werden kann, oder ob diese Annahmen der Vereinfachung der Analysen dienen und bei einer Abstraktion von den Annahmen die Handlungsempfehlungen ggf. anders ausfallen würden. 6 Aus diesem Grund werden in Kapitel 5 diese Annahmen anhand aktueller Entwicklungen diskutiert. Zuvor wird jedoch eine theoretische Einführung der Effekte aktueller Trends, mit Fokus auf die Integration erneuerbarer Energien und des EU-Binnenmarktes, geliefert, welche im Anschluss in Kapitel 4 empirisch überprüft werden. Dies dient dem Erkenntnisgewinn, ob die aktuelle Marktsituation aus der Theorie erklärbar ist und somit theoretisch abgeleitete Lösungsvorschläge Antworten liefern können oder ob der Markt versagt und regulatorisch eingegriffen werden sollte. 7 3 Theoretischer Hintergrund In diesem Abschnitt wird das theoretische Fundament für die spätere empirische Analyse gelegt. Die Marktergebnisse basieren auf Zusammenhängen, die im Folgenden dargestellt werden. Dies beinhaltet die Preissetzung auf dem Strommarkt, die kurz- und langfristigen Effekte der EEIntegration und die ökonomischen Effekte des zusammenwachsenden EU-Binnenmarktes. 3.1 Peak Load Pricing Eine wesentliche Eigenschaft des Gutes Strom ist die Nichtspeicherbarkeit in ökonomisch relevanten Mengen. Diese Eigenschaft gibt es auch in anderen Märkten, in denen beispielsweise zeitrelevante Services angeboten werden. Als vergleichbare Beispiele gelten Hotelübernachtungen, Mietwagen und Flugreisen. In Zeiten geringer Nachfrage orientieren sich die Preise an den variablen Kosten, wie bspw. Brennstoff-, Treibstoff- oder CO2 Kosten. Diese Preise sind jedoch nicht in der Lage die fixen Kosten, wie z.B. Investitionskosten, zu decken. Aus diesem Grund lässt sich beobachten, dass in Zeiten einer hohen Nachfrage, bei Messeveranstaltungen in einer Stadt oder Reisen zu Urlaubszeiten, die Preise zum Teil deutlich über den variablen Kosten liegen (Cramton, 2004, Ockenfels, 2008). Es steht beispielsweise jedem Konsumenten frei direkt vor dem Antritt einer Flugreise das Ticket am Schalter zu kaufen. Da jedoch das Risiko sehr hoch ist einen hohen Knappheitspreis zu zahlen, sichern sich die meisten Fluggäste günstigere Preise für zukünftige Reisen indem sie ihre flexible Konsummöglichkeit einschränken und sich auf einen speziellen Flug frühzeitig festlegen (Buschnell, et al., 2009). Diese Preisunterschiede lassen sich mit dem Peak-load-pricing Modell erklären. In Abbildung 3.1 wird dieses Modell für den Strommarkt dargestellt. Abbildung 3.1: €/MWh Peak-Load-Pricing Preisspitzen = Deckungsbeiträge für Spitzenlastund Grundlastkraftwerke Deckungsbeiträge für Grundlastkraftwerke Preisdauerlinie Zeit Quelle: Eigene Darstellung. 8 In Abbildung 3.1 ist eine Preisdauerlinie mit zwei Technologien dargestellt. Die zusätzliche dritte Stufe entspricht den Preisspitzen. • Die erste Stufe entspricht den variablen Kosten eines Gundlastkraftwerks. Diese Technologie setzt in Zeiten mit geringer Nachfrage auf Basis der variablen Kosten den Preis. Zu diesen Zeiten fallen keinerlei Deckungsbeiträge an. • Die zweite Stufe entspricht den variablen Kosten eines Spitzenlastkraftwerks. Diese Technologie setzt den Preis ebenfalls auf Basis der variablen Kosten, welche jedoch höher sind als bei Grundlastkraftwerken. Da Strommärkte üblicherweise eine Einheitspreisauktion anwenden, also alle Erzeuger den gleichen Preis erhalten, fallen zu diesen Zeiten Deckungsbeiträge für Grundlastkraftwerke an, wodurch ein Teil der fixen Kosten gedeckt werden kann. Die Spitzen-lastkraftwerke erzielen keine Deckungsbeiträge, da der Preis nur ihre variablen Kosten deckt. • Die dritte Stufe entspricht Preisspitzen, welche beispielsweise durch Gebote der Nachfrageseite, durch Einpreisung von Opportunitätskosten oder durch Preisaufschläge (sogenannte Mark-ups) zustande kommen. In diesen Zeiten erwirtschaften Spitzenlastkraftwerke ihre vollständigen Deckungsbeiträge und Grundlastkraftwerke den restlichen Anteil ihrer fixen Kosten. Das Peak-load-pricing Modell erklärt folglich, dass ein Preis über den variablen Kosten nicht mit Marktmachtmissbrauch gleichzusetzen ist, sondern für ein langfristiges Gleichgewicht nötig ist, um Deckungsbeiträge zu erwirtschaften. In der energieökonomischen Literatur kommt dabei der Nachfrage eine besondere Rolle zu, da sie in Spitzenlastsituationen mit dem „Value of Lost Load“ (VOLL) den Preis setzen kann. Dies bedeutet, dass in einigen Stunden des Jahres mit sehr hohen Preisen die Nachfrage reduziert wird.1 Durch diese Preisspitzen refinanzieren die Spitzenlastkraftwerke ihre Investitionskosten. Das Gleichgewichtsergebnis des Peak-load-Pricing Modells mit einer Einheitspreisauktion ist, dass • in der kurzen Frist stets die Kraftwerke mit den günstigsten Erzeugungskosten Strom produzieren und somit ein effizienter Kraftwerksbetrieb gewährleistet ist, und • in der langen Frist ein optimaler Kraftwerksmix angereizt wird. Das bedeutet, dass sich die kostengünstigste Kombination der verschiedenen Kraftwerkstypen auf Basis der Verhältnisse von fixen und variablen Kosten einstellt. Innerhalb des Energy-only-Marktes ist es somit möglich, die angemessen Preissignale zu senden welche zum einen ausreichend Grundlastkraftwerke mit sehr hohen Volllaststunden finanzieren und gleichzeitig ausreichend Spitzenlastkraftwerke vorzuhalten, welche in verhältnismäßig wenigen Stunden des Jahres laufen und sich über Preisspitzen refinanzieren. Diese Theorie leitet sich aus der Nichtspeicherbarkeit des Stroms ab in Kombination mit der technischen Anforderung, dass sich Angebot und Nachfrage stets entsprechen müssen. 1 Der für die Anreizregulierung kalkulierte VOLL in Deutschland beträgt im Mittel 8.000 EUR/MWh. Für Industrie/Gewerbe: 5.780 EUR/MWh und für private Haushalte: 14.200 EUR/MWh (BNetzA, 2010). 9 3.2 Effekte der EE-Integration Die beschriebenen Effekte des Peak-load-pricing Modells bilden ebenfalls die Grundlage für die Erläuterung der EE-Integrationseffekte. Eine wesentliche Eigenschaft der volatilen EE ist die Dargebotsabhängigkeit mit der verschwindend geringe variable Kosten einhergehen. Zudem basiert die Erzeugung auf einer gemeinsamen Primärenergiequelle. In anderen Worten, wenn es windig ist, ist es häufig an mehreren Orten windig und wenn es sonnig ist, trifft dies ebenfalls an mehreren Orten zu. Aus diesem Grund beeinflussen variable EE in der kurzen Frist die Stromgroßhandelspreise. In der langen Frist hat die Preisstruktur Auswirkungen auf das Investitionsverhalten. 3.2.1 Kurzfristige preissenkende Effekte volatiler erneuerbarer Energien Die volatilen EE gehen mit vernachlässigbaren variablen Kosten einher, weswegen sie am Anfang der Angebotskurve (Merit-Order) stehen. Das EEG schreibt zudem fest, dass EE einen Einspeisevorrang haben, daher wird häufig die Residualperspektive verwendet. Das bedeutet es wird lediglich die Nachfrage betrachtet, welche vom konventionellen Teil des Strommarktes gedeckt werden muss. Im Wesentlichen bedeutet es, dass die EE-Einspeisung von der stündlichen Nachfrage abgezogen wird, wodurch sich die jeweilige residuale Nachfrage bildet. Eine hohe EE Einspeisung reduziert folglich die residuale Nachfrage. Aufgrund eines inzwischen signifikanten Anteils volatiler EE werden häufig zeitgleich große Mengen eingespeist. Dies hat zur Folge, dass sich zu diesen Stunden niedrigere Preise an der Strombörse einstellen. Dieser Zusammenhang ist in Abbildung 3.2 dargestellt. Abbildung 3.2: Merit Order Effekt Residuale Nachfrage Nachfrage €/MWh Nachfrage €/MWh Wind Angebot Angebot P1 P2 GW GW Quelle: Eigene Darstellung. • Auf der linken Seite von Abbildung 3.2 trifft eine verhältnismäßig hohe Nachfrage auf das obere Ende der Angebotskurve, wodurch sich der hohe Preis P1 einstellt. 10 • Auf der rechten Seite ist die gleiche ursprüngliche Nachfrage dargestellt, jedoch verschiebt eine hohe Windeinspeisung die residuale Nachfrage bis zu einem Bereich der Merit-Order, in dem ein günstigeres Kraftwerk den Preis P2 setzt. • In Extremsituationen kann der Einspeisevorrang in Kombination mit einer nicht vollständig elastischen Angebotskurve sogar zu negativen Strompreisen führen (siehe Nicolosi, 2012). Diese kurzfristigen Preisreaktionen haben in der langen Frist Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Kraftwerkstypen. Aus diesem Grund wird im folgenden Abschnitt auf die investive Perspektive der EE-Integration eingegangen. 3.2.2 Langfristige Anpassung des Kraftwerksparks durch EE Ausbau Auf Basis der beschriebenen kurzfristigen Preiseffekte sehen sich die Kraftwerksbetreiber einer anderen Ertragssituation ausgesetzt als in einem Markt ohne EE. Da der EE-Preiseffekt auf der veränderten residualen Nachfragestruktur basiert, lassen sich langfristige Investitions- und unterschiedlichen EE- Stilllegungseffekte aus einer Fundamentalbetrachtung ableiten. Abbildung 3.3 stellt dar, wie sich ein optimaler Kraftwerksmix bei Durchdringungen einstellt. Abbildung 3.3: Langfristige Änderungen im Kraftwerkspark Kosten [€/kW a] 800000 Grundlasttechnologie 700000 Mittellasttechnologie 600000 Spitzenlasttechnologie 500000 400000 300000 200000 100000 0 8760 0% 2% 4% 6% 7% 9% 11% 13% 15% 17% 19% 20% 22% 24% 26% 28% 30% 32% 34% 35% 37% 39% 41% 43% 45% 47% 48% 50% 52% 54% 56% 58% 60% 61% 63% 65% 67% 69% 71% 73% 74% 76% 78% 80% 82% 84% 86% 87% 89% 91% 93% 95% 97% 99% 0 Zeit [h] 120000 Verfügbare konventionelle Kraftwerksleistung Last [GW] 100000 80000 Spitzenlasttechnologie 60000 Ohne EE 40000 Mittellasttechnologie 20% EE 40% EE 20000 Verschiebung der residualen Grundlasttechnologie Lastdauerlinie aufgrund 0 1 0 5001 höherer EE-Einspei sung 8760 Ohne EE 20% EE 40% EE -20000 Zeit [h] Quelle: Eigene Darstellung, siehe Nabe (2006), Wissen und Nicolosi (2008) und Nicolosi (2012). 11 • Der Quadrant oben links stellt Vollkostenkurven verschiedener Kraftwerkstechnologien. Auf der y-Achse sind die annuitätischen Kosten abgetragen. Mit der Laufzeit steigen die Gesamtkosten aufgrund der kumulierten variablen Kosten an (x-Achse). Die Spitzenlasttechnologie zeichnet sich durch niedrige fixe und durch hohe variable Kosten aus. Dies ist an dem niedrigen Startpunkt und dem steilen Anstieg der Kostenkurve zu erkennen. Die Mittellasttechnologie hat höhere fixe und geringere variable Kosten. Die Grundlasttechnologie zeichnet sich durch die höchsten fixen Kosten aus. Dafür sind die variablen Kosten relativ gering. Aus diesem Grund lohnen sich Grundlastkraftwerke nur bei sehr hohen Volllaststunden. Die Schnittpunkte zwischen den Kurven markieren die Auslastungen, bei denen ein anderer Kraftwerkstyp die effiziente Wahl ist. • Unten links sind Lastdauerlinien dargestellt. Sie starten mit der Jahreshöchstlast auf der yAchse und sinken mit der Zeit zur Mindestlast. Es sind drei verschiedene Lastdauerlinien dargestellt. Eine reine Lastdauerlinie der jährlichen Nachfrage, eine residuale Lastdauerlinie mit 20% EE-Durchdringung und eine weitere residuale Lastdauerlinie mit 40% EEDurchdringung. Wesentliche Eigenschaften der residualen Lastdauerlinien sind, dass mit zunehmender EE-Durchdringung die Spitzenlast lediglich leicht sinkt und die Steigung abnimmt. • Rechts unten ist die resultierende verfügbare konventionelle Leistung dargestellt, welche sich je nach EE-Durchdringung unterscheidet. Der Kraftwerksmix in einem Markt ohne EE zeichnet sich durch einen relativ hohen Anteil an Grundlastkraftwerken aus. Je stärker der EE-Anteil steigt, desto kleiner wird der Grundlastanteil und je größer werden die Mittel- und Spitzenlastanteile. Diese Entwicklung ist ein direktes Resultat der relativ geringen Reduktion der Spitzenlast und der steileren residualen Lastdauerlinien. Die fundamentalen Treiber der Kosten- und Laststruktur führen dazu, dass sich ein effizienter Kraftwerksmix einstellt. Steigt der EE-Anteil, werden Investitionen in Grundlastkraftwerke weniger attraktiv. Stattdessen wird in Kraftwerkstypen investiert, die bei einer geringeren Auslastung wirtschaftlich sind. 3.2.3 Preiseffekte bei langfristiger Anpassung der Angebotskurve Diese im vorherigen Anschnitt beschriebene Anpassung des Kraftwerksparks spiegelt die Perspektive eines langfristigen Gleichgewichts wider. Der Kraftwerkspark passt sich jedoch nicht sofort an, sondern im Zeitverlauf, sobald Investitions- und Stilllegungsentscheidungen relevant werden. Wenn die EE-Durchdringung schneller ansteigt als sich der Kraftwerkspark erneuert, kann es vorübergehend zu Ungleichgewichten kommen. Dieses vorübergehende Ungleichgewicht hat Auswirkungen auf die Preissetzung. Abbildung 3.4 stellt diese Preissetzung bei einem nicht optimal angepassten Kraftwerksparks anhand des vereinfachten statischen Merit-Order Modells dar. 12 Abbildung 3.4: Änderungen des Marktpreises bei Anpassung des Kraftwerksparks Ohne Anpassung des Mit Anpassung des Kraftwerksparks Kraftwerksparks €/MWh €/MWh Nachfrage Nachfrage Angebot Angebot P2 P1 GW GW Quelle: Eigene Darstellung. • Das linke Bild in Abbildung 3.4 stellt eine spezifische Nachfragesituation in einem unangepassten Kraftwerkspark dar. Die Merit-Order des Kraftwerksparks zeichnet sich durch einen verhältnismäßig großen Anteil an Grund- und Mittellastkraftwerken aus. Obwohl die Nachfrage recht hoch ist, z.B. weil in dieser Situation nur wenig erneuerbarer Strom eingespeist wird, deckt ein Mittellastkraftwerk die Nachfrage und setzt den Preis auf einem moderaten Niveau. • Das rechte Bild stellt die exakt gleiche Nachfragesituation dar, jedoch in einem angepassten Kraftwerkspark. Dieser zeichnet sich durch einen geringeren Anteil an Grund- und Mittellastkraftwerken aus und einen größeren Anteil an Spitzenlastkraftwerken (wie in Abschnitt 3.2.2 beschrieben). Aus diesem Grund setzt bei hoher Nachfrage ein Spitzenlastkraftwerk den Preis, was die Ertragssituation zumindest für die Grund- und Mittellastkraftwerke verbessert.2 Die Preissetzung in einem nicht optimal angepassten Kraftwerkspark bei stark steigender EEDurchdringung liegt unter dem langfristig notwendigen Preisniveau. Aus diesem Grund gibt es Phasen mit niedrigem Preisniveau, die Notwendig sind um unwirtschaftliche Kraftwerke sillzulegen. Jedoch kann es dazu kommen, dass in der Übergangsphase zuerst Spitzenlastkraftwerke unrentabel werden, bevor Grundlastkraftwerke stillgelegt werden. Erst im Anschluss signalisiert der Markt zusätzlichen Kapazitätsbedarf durch Knappheitspreise, welche zu Investitionen in Spitzenlastkraftwerke führen sollten. Dieser Prozess korrigiert das Preisniveau im Zeitverlauf. Dennoch wird deutlich, dass dieser Übergangsprozess mit niedrigen und hohen Preisphasen einhergeht. Diese Preissignale senden jeweils die Information eines Kapazitätsüberangebots oder knapper Kapazitäten. Die Herausforderung liegt darin, sicherzustellen, dass dieser Übergangsprozess nicht zu ausbleibenden Markträumungen führt, sondern dass die Markträumung gewährleistet wird. In diesen ggf. extremen Phasen sollte der Strommarkt in der Lage sein, adäquate Preissignale zu senden, welche den jeweiligen Bedarf widerspiegeln. 2 Die Ertragssituation für Spitzenlastkraftwerke wird im Abschnitt 5.4 und im Kapitel 6 diskutiert. 13 3.2.4 Erkenntnisse der Theorie zu Effekten der EE-Integration In der kurzen Frist senkt eine hohe Einspeisung erneuerbarer Energie den Großhandelsstrompreis. In der langen Frist passt sich der Kraftwerksmix an. Bei hohem EE Anteil hat ein effizienter Kraftwerksmix einen geringeren Grundlastanteil und höheren Spitzenlastanteil. Es kann jedoch im Zeitverlauf die Herausforderung geben, dass der EE-Anteil schneller steigt als sich der Kraftwerkspark anpassen kann. In diesem Fall basiert die Preissetzung zu häufig auf Grund- und Mittellastkraftwerken und zu wenig auf Spitzenlastkraftwerken und Preisspitzen. In der langen Frist passt sich der Kraftwerkspark jedoch an, so dass die Preissetzung auf einem optimalen Kraftwerkspark basiert. Dennoch besteht die Gefahr, dass aufgrund des zyklischen Investitionsverhaltens zeitweilig hohe und niedrige Preisphasen auftreten. Für diesen Fall ist es wichtig eine robuste Markträumungsmöglichkeit zu gewährleisten. 3.3 Die Effekte der EU-Binnenmarktsintegration Schaffung des EU Binnenmarktes ist ein politisches Ziel seit den Anfängen des Liberalisierungsprozesses (EU Richtlinie 96/92/EG). Durch den internationalen Wettbewerb soll ein effizientes Versorgungssystem geschaffen werden, welches eine kostengünstige Stromversorgung für alle Stromkunden ermöglicht. Darüber hinaus wird mit der Stärkung des EU-Binnenmarktes das Ziel verfolgt, die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Im Zuge des Florenz-Prozesses wurde eine Vorgehensweise herausgearbeitet, welche mit dem dritten Binnenmarktpaket (EU Richtlinie 2009/72/EG) den Startpunkt der Implementierung gefunden hat. In diesem Zuge wurde die europäische Regulierungsbehörde ACER gegründet, welche in Kooperation und Koordination mit ENTSO-E einen Zeitplan für die Fertigstellung des sogenannten „Target Models“ erarbeitet hat. Das Ziel ist ein europaweiter wettbewerblicher Strommarkt um niedrige Preise, höhere Versorgungssicherheit und eine Reduzierung des Marktmachtpotenzials zu gewährleisten. Seit dem 10. November 2010 sind die Stromspotmärkt von Belgien, Niederlande, Luxemburg, Frankreich und Deutschland / Österreich gekoppelt. Diese Marktkopplung bezieht darüber hinaus die Stromspotmärkte Nordeuropas ein. Hier werden über Deutschland / Österreich die Länder Norwegen, Schweden, Dänemark und Finnland integriert. Bis zum Jahr 2014 sollen die Day-ahead und Intraday Märkte mit einer europaweiten impliziten Marktkopplung implementiert sein. Darauf aufbauend sollen ebenfalls die Regelmärkte integriert werden. Derzeit ist der Central Western Europe (CWE) Day-ahead Markt implizit gekoppelt. Dies erfordert eine enge Kooperation des Strombörsen Epex Spot, APX-Endex und Belpex, sowie zwischen den jeweiligen Übertragungsnetzbetreibern. Die Kopplung zum Nordpool Markt erfolgt noch über ein firm volume coupling (durch das EMCC Auktionsbüro), welches jedoch in naher Zukunft ebenfalls durch eine implizite Marktkopplung abgelöst werden soll. Abbildung 3.5 stellt die aktuelle Marktauflösung dar. 14 Abbildung 3.5: Market Coupling Quelle: EPEX. Zusätzlich zu den Day-ahead Märkten sind die Intradaymärkte zwischen Deutschland und Frankreich bereits seit Dezember 2010 implizit gekoppelt. Die höhere Liquidität spielt insbesondere kurz vor physikalischer Erfüllung eine signifikante Rolle. Die Ausweitung des Marktgebietes hat sowohl operative als auch investive Effizienzgewinne zur Folge. Diese werden in den folgenden Abschnitten erläutert. 3.3.1 Operative Effizienzgewinne Die implizite Marktkopplung bedeutet, dass die Interkonnektorkapazitäten ein Bestandteil des Lösungsalgorithmus ist und als Nebenbedingung zur Markträumung beiträgt. Bisher wurden in der Regel explizite Auktionen für die Vergabe der Interkonnektorkapazitäten genutzt. In expliziten Auktionen werden die Übertragungskapazitäten vor der Auktion des Strommarktes separat versteigert. Der Nachteil der expliziten Auktion ist, dass das Preisdelta des Strommarktergebnisses den gebuchten Interkonnektorflüssen entgegenstehen kann. Da somit die zur Verfügung stehenden Übertragungskapazitäten nicht sinnvoll genutzt werden, kann das Marktergebnis ineffizient sein und somit höhere Kosten für Konsumenten bedeuten. Ein weiterer Bestandteil des Target Models ist die Umstellung auf flussbasierte Berechnungsmethoden für die Interkonnektorkapazitäten. Bisher wurden Net-Transfer-Capacities (NTCs) genutzt, die unter Umständen eine nicht optimale Begrenzung der Übertragungskapazität zur Folge haben können. Mit flussbasierten Berechnungsmethoden besteht die Möglichkeit, die Interkonnektoren auszunutzen, da eine genauere Berechnung der Übertragungskapazitäten ermöglicht wird. 15 optimal Die Kombination aus impliziten Auktionen und flussbasierten Berechnungsmethoden der Übertragungskapazität führt zu einer effizienten Nutzung der Interkonnektoren. Im Marktgeschehen wirkt dieser Effekt wie eine Ausweitung der Übertragungskapazität. Anhand eines einfachen Beispiels wird in Abbildung 3.6 beschrieben, warum Effizienzgewinne anfallen. Abbildung 3.6: Auswirkungen von internationalem Handel Niedrigpreisland Hochpreisland €/MWh €/MWh Nachf rage Erzeugung Erzeugung Nachf rage Angebot Angebot P1 Neuer Systempreis P2 Urspr. Preisdelta P1 Erhöhung der Brennstof f kosten Reduktion der Brennstof f kosten Import Export Zusätzliche Produzentenrente = reduzierte Konsumentenrente Verschiebung der Brennstof f kosten Zusätzliche Konsumentenrente = reduzierte Produzentenrente Reduktion der Brennstof f kosten = Effizienzgewinn Quelle: Eigene Darstellung. • In den beiden Bildern in Abbildung 3.6 wird im Schnittpunkt der Angebots- und der Nachfragekurve das jeweilige Marktergebnis ohne Übertragungskapazitäten dargestellt. Auf der linken Seite stellt sich im Niedrigpreisland der Preis P1 ein. Auf der rechten Seite im Hochpreisland stellt sich der höhere Preis P1 ein. Dieses Preisdelta deutet auf potentielle Effizienzgewinne durch Handel hin. • Der Handel führt dazu, dass im Niedrigpreisland die Erzeugung aufgrund niedrigerer Kosten ausgeweitet und exportiert wird, so dass die Erzeugung nun die nationale Nachfrage übersteigt. Im Hochpreisland ist das Gegenteil der Fall. Der Import deckt nun einen Teil der Nachfrage, wodurch die inländische Erzeugung nun unter der nationalen Nachfrage liegt und hohe Erzeugungskosten eingespart werden können. • Als Marktergebnis stellt sich nun der Systempreis P2 ein, da angenommen wird, dass die Übertragungskapazitäten ausreichend dimensioniert sind, um den optimalen Austausch zu ermöglichen. Es wird ersichtlich, dass sich im Niedrigpreisland nun ein höherer Preis einstellt und im Hochpreisland ein niedrigerer Preis. Zwischen diesen Ländern kommt es demnach in dieser Stunde zu Verteilungswirkungen. 16 • Zusätzlich kommt es innerhalb der Länder zu diesem Zeitpunkt zu Umverteilungen. Im Niedrigpreisland gibt es nun eine Ausweitung des Angebots und höhere Preise. Als Folge steigt die Produzentenrente und die Konsumentenrente reduziert sich. Im Hochpreisland ist der gegenteilige Produzentenrente, Effekt zu was dazu beobachten. führen Hier kann, kommt dass die es zu einer Reduktion Deckungsbeiträge für der einige Erzeugungsanlagen nicht mehr ausreichen. • Der operative Effizienzgewinn kommt durch die Einsparung teurer Erzeugungskosten im Hochpreisland zustande. Die Möglichkeit des Handels hat somit das Potenzial die operativen Systemkosten zu reduzieren und somit günstigere Kosten für die Kunden zu ermöglichen. Es gilt zu beachten, dass die beschriebene Situation in Abbildung 3.6 eine statische Perspektive darstellt. Dieser Effekt tritt potenziell in jeder Stunde auf. Das bedeutet, dass sich auch ein Effizienzgewinn durch den Handel zwischen Ländern einstellen kann, wenn sie einen exakt identischen Kraftwerkspark haben, jedoch die Nachfragestrukturen nicht exakt korreliert sind. Die Korrelation nimmt tendenziell ab, wenn volatile EE die residuale Nachfragestruktur beeinflussen. Wie beschrieben kommt auch zu Verteilungswirkungen in den jeweiligen Stunden. Kunden in einigen Ländern profitieren von diesen Austauschmöglichkeiten, während Kunden in anderen Ländern höheren Preisen ausgesetzt sind. Diese Verteilungswirkungen gelten ebenso für Produzenten. Einige Produzenten werden einer Situation ausgesetzt, in der sie nicht mehr die nötigen Deckungsbeiträge erwirtschaften. Die Folge sind Anpassungen des Investitions- und Stilllegungsverhaltens. Aus diesem Grund beschäftigt sich der folgende Abschnitt mit den möglichen investiven Effizienzgewinnen. 3.3.2 Investive Effizienzgewinne Zusätzlich zu den beschriebenen operativen Effizienzgewinnen gibt es investive Effizienzgewinne bei der Nutzung größerer Marktgebiete. Im vorherigen Abschnitt wurde beschrieben, dass in einem Hochpreisland die Nachfragespitzen ebenfalls durch Importe gedeckt werden können. Die Kraftwerke, die für diese seltenen Lastspitzen vorgehalten werden, haben folglich eine geringere Auslastung. Da sich die Nachfragestrukturen und die EE-Einspeisestrukturen über größere Flächen tendenziell ausgleichen, kann ebenfalls der benötigte Kraftwerkspark ggf. geringer ausfallen. Abbildung 3.7 stellt diese Effekte dar. 17 Abbildung 3.7: Effizienzgewinne durch internationalen Handel Summe Maximale Maximale Minimale Summe individueller zeitgleiche zeitgleiche residuale zeitgleiche minimaler Spitzenlasten Spitzenlast Spitzenlast EE Einspeisung EE Einspeisungen 3 GW 2 1 Stochastische EE Einspeisung Stochastische Last 1 Ausnutzung stochastischer Lastverteilung durch größere Fläche 2 Ausnutzung stochastischer EE Einspeisung durch größere Fläche 3 Nutzung beider Effekte zur Reduktion der zu deckenden Spitzenlast Quelle: eigene Darstellung. • Der erste Schritt in Abbildung 3.7 stellt dar, dass die Summe der national individuellen Spitzenlasten größer ist als die maximale zeitgleiche Spitzenlast der betrachteten Länder. Sollten im gleichen Maße Interkonnektorkapazitäten zur Verfügung stehen, könnte man demnach diese Menge an gesicherter Leistung einsparen. • Der zweite Schritt zeigt, dass die Summe der individuellen minimalen EE-Einspeisungen kleiner ist als die zeitgleiche minimale Einspeisung. • Der dritte Schritt kombiniert nun die Stochastik der Last mit der EE getriebenen Stochastik. Als Ergebnis ist die maximale residuale Spitzenlast deutlich kleiner als bei individueller Betrachtung der nationalen Spitzenlasten. Sowohl die Last auch als die volatilen EE unterliegen stochastischen Prozessen, welche sich stärker ausgleichen, je größer die betrachtete Fläche wird. Je effizienter die Interkonnektoren bewirtschaftet werden, desto besser können diese Ausgleicheffekte zwischen den Ländern genutzt werden. Der Schritt von einer nationalen Betrachtung hin zu einer Betrachtung der Summe vieler Länder wirkt somit wie ein reduzierter Spitzenlastbedarf. Aus Sicht der Angebotsseite wirkt es wie das plötzliche Auftreten von Überkapazitäten. 3.3.3 Erkenntnisse der Theorie zu Effekten der EU-Integration Die bessere Ausnutzung des Netzes führt zu kostengünstigerem Kraftwerksbetrieb. Das bedeutet, dass häufiger Kraftwerke mit geringeren Erzeugungskosten den Preis setzen. In der investiven Perspektive spielen stochastische Treiber (Last und EE) eine Rolle, da sie sich über 18 größere Flächen stärker ausgleichen. Bei Einführung der impliziten Marktkopplung sinken kurzfristig bei Effizienzsteigerung die Preise, da die Reduktion des Spitzenlastbedarfs wie Überkapazitäten wirken. Als Ergebnis wird ein kleinerer Kraftwerkspark benötigt, der jedoch besser genutzt wird. 3.4 Theoretische Erkenntnisse und Erwartungen an die Marktbeobachtung Das Peak-load-pricing Modell zeigt, dass in Zeiten von Knappheiten die Preise höher sind und sogar über kurzfristige Grenzkosten steigen können. Gründe für die Preissetzung können Opportunitätskosten sein, die entweder den entgangenen Gewinnen auf anderen Märkten entsprechen (z.B. Regelmärkte) oder den Opportunitäten der Nachfragereduktion oder -verlagerung. Alternativ können auch Preisaufschläge in Knappheitssituationen auf die Grenzkosten aufgeschlagen werden. In jedem Fall ist dieser Regimewechsel von Grenzkosten hin zu Opportunitätskosten nötig, um ausreichend Deckungsbeiträge für den Kraftwerkspark zu erwirtschaften. Somit kann diese Beobachtung nicht mit Marktmachtmissbrauch gleichgesetzt werden, sondern ist integraler Bestandteil eines Energy-only-Marktes. Ein zunehmend integrierter EU-Binnenmarkt lässt zunehmende Effizienzgewinne erwarten. Diese spiegeln sich u.a. durch zunehmende Preiskonvergenz und durch ein tendenziell geringeres Preisniveau wider. Die steigende Durchdringung volatiler EE beeinflusst zunehmend die Großhandelsstrompreise. In Phasen hoher Einspeisung sind geringere Preis zu erwarten und in Zeiten niedriger Einspeisung sollten die Preise höher liegen. In wie Fern bereits Anpassungsprozesse des Kraftwerksparks und somit des Erzeugungsmixes durch die starke EE-Durchdringung stattgefunden haben ist schwierig zu beurteilen. Es stellt sich nun die Frage, ob die aus der Theorie hergeleiteten Erwartungen empirisch beobachtbar sind oder ob die Marktergebnisse von den Erwartungen abweichen. Die übergeordnete Frage dieser Studie ist, ob der Markt nachvollziehbare Ergebnisse liefert und somit auch längerfristig funktioniert oder ob aufgrund von Marktversagen ein tiefer Regulierungseingriff nötig ist, um dieses potenzielle Versagen zu beheben. 19 4 Empirische Untersuchung der Marktsituation Das Ziel des Abschnitts ist es, die aktuelle Marktsituation in die theoretischen Überlegungen einzuordnen. Es wird untersucht, inwiefern sich die theoretisch abgeleiteten Erwartungen an Marktentwicklungen empirisch beobachten lassen. Auf dieser Basis lässt sich bewerten, ob der Strommarkt erwartungsgemäß funktioniert oder ob ein Marktversagen zu beobachten ist. Der deutsche Strommarkt zeichnet sich durch einen verhältnismäßig breiten Erzeugungsmix aus. Ein großer Teil der Kraftwerksleistung stammt noch aus der Zeit vor der Liberalisierung im Jahre 1998. Der Anteil der erneuerbaren Energien ist seit der Einführung des EEG im Jahre 2000 stark gestiegen. Insbesondere die dargebotsabhängigen EE prägen zunehmend die Entwicklungen am Strommarkt. Im Jahr 2011 hat die Bundesregierung die „Energiewende“ beschlossen, die einen vollständigen Kernenergieausstieg bis zum Jahr 2022 und weiterhin steigende EE-Anteile beinhaltet. Im Folgenden wird die Preisentwicklung mit dem entsprechenden Erzeugungsmix dargestellt, um die Grundlage für die Analyse der Preissetzung, der Effekte der EU-Binnenmarktintegration und der EEPreiseffekte zu schaffen. 4.1.1 Preisentwicklung Der durchschnittliche deutsche Großhandelsstrompreis ist innerhalb des vergangenen Jahrzehnts deutlich gestiegen, von durchschnittlich 29,5 EUR/MWh in 2003 auf durchschnittlich etwa 51 EUR/MWh in 2011. Der Grund für die sehr geringen Strompreise zu Beginn der Liberalisierung im Jahr 1998 waren signifikante Überkapazitäten aus den Zeiten der Gebietsmonopole. Die Entwicklung der Strompreise war jedoch keineswegs linear, sondern unterlag deutlichen Schwankungen, wie Abbildung 4.1 zeigt. Die rote Linie zeigt den durchschnittlichen Strompreis, die Balken geben den Anteil der Preisintervalle an. Im Jahr 2001 waren Preise unter 20 EUR/MWh in knapp 70% der Stunden zu beobachten. In 2011 traten sie hingegen in weniger als 5% der Stunden auf. Umgekehrt waren Preise über 50 EUR/MWh am Beginn der Liberalisierung verhältnismäßig selten, während die Preise in 2011 in mehr als der Hälfte der Stunden über diesem Wert lagen. Diese Preisentwicklung ist auch der Tatsache geschuldet, dass die ersten Jahre nach der Liberalisierung vor allem durch Überkapazitäten geprägt waren, welche im Zeitverlauf stetig abgebaut wurden. 20 Abbildung 4.1: Entwicklung des deutschen Großhandelspreises 100% 70 60 80% 50 70% Anteil [%] 60% 40 50% Großhandelspreis [EUR/MWh] 90% 30 40% >80 50-80 30% 20 20-50 0-20 0 20% 10 <0 Preis 10% 0% 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Quelle: eigene Darstellung, Daten von EEX (Daten von 2000 sind erst ab dem 16.6. verfügbar). Wie in Abbildung 4.1 zu sehen ist, spiegelt sich in der Entwicklung der Großhandelsstrompreise die konjunkturelle Situation. Eine gute Konjunktur geht mir einem höheren Stromverbrauch einher. Wenn diese Wachstumsphase globaler Natur ist, steigen zudem die Brennstoffpreise und die Preise für die europäischen CO2-Zertifikate an. Die Auswirkungen einer solchen Wachstumsphase sind anhand der Werte für 2008 abzulesen. Der durchschnittliche Strompreis lag bei über 65 EUR/MWh und in mehr als 25% der Stunden überschritt der Großhandelsstrompreis den Wert von 80 EUR/MWh. Nur ein Jahr später hat sich die konjunkturelle Lage durch die Finanzkrise deutlich verschlechtert. Dies führte zu einem durchschnittlichen Strompreis von knapp 39 EUR/MWh in 2009. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die deutsche Stromnachfrage um 6% gegenüber 2008 eingebrochen ist und sich die Brennstoffpreise deutlich reduziert haben. Im Zeitraum von 2009 bis 2011 hat sich der durchschnittliche Strompreis wieder erholt und die Anteile der Stunden mit Preisen über 50 EUR/MWh hat sich deutlich erhöht. Nach wie vor ist die Nachfragesituation in Europa verhältnismäßig gering. Auch die wirtschaftliche Lage in den südeuropäischen Ländern haben einen Einfluss auf das Preisniveau in Deutschland, da sie derzeit weniger Strom aus den jeweiligen Nachbarländern importieren und ggf. sogar Strom exportieren, was zu mehr verfügbarer Erzeugungsleistung in den CWE-Ländern führt. Aus diesem 21 Grund spiegelt das aktuelle Preisniveau die Nachfragesituation wider. Investitionen in Zeiten von Überkapazitäten wären schließlich kein Ergebnis eines effizient funktionierenden Marktes. Der Strompreis reagiert demnach direkt auf die Nachfrage, und spiegelt Überkapazitäten wie auch mögliche Knappheiten wider. Diese Knappheitssignale in Form von hohen Strompreisen führen zu Investitionsüberlegungen bei Investoren und zu möglichen Verlängerungen der technischen Laufzeit von Kraftwerken. Während die Darstellung in Abbildung 4.1 relativ aggregierte Datenpunkte zeigt, stellt Abbildung 4.2 eine detaillierte Auflösung für die ersten vier Monate des Jahres 2012 dar. Auf dieser Basis lässt sich ein genauerer Blick auf die Preissetzung in einzelnen Stunden werfen. Für dieses Beispiel werden die deutschen Daten den französischen gegenüber gestellt, um die Preissetzung auf Basis eines speziellen Zeitraums zu diskutieren. Abbildung 4.2: Deutsche (links) und französische (rechts) day-ahead Strompreise und Last (01.01.2012-30.04.2012) 2000 250 150 100 50 0 0 10 20 30 40 50 -50 60 70 80 Strompreis [EUR/MWh] Strompreis [EUR/MWh] 200 1500 1000 500 0 0 -100 -150 -500 Nachfrage [GWh/h] 20 40 60 80 100 120 Nachfrage [GWh/h] Quelle: Eigene Darstellung, Daten von EEX und ENTSO-E. In Abbildung 4.2 sind die Strompreise auf der vertikalen Achse der Nachfrage auf der horizontalen Achse gegenüber gestellt. Die linke Grafik zeigt die Situation in Deutschland und die rechte Grafik die Situation in Frankreich. Beim Vergleich der beiden Grafiken wird deutlich, dass die Nachfrage in Frankreich diejenige in Deutschland deutlich übersteigt. Währen die maximale Nachfrage in Deutschland in diesem Zeitraum bei knapp 75 GWh/h lag, wurden in Frankreich maximal 102 GWh/h nachgefragt. Zudem ist ersichtlich, dass die Preise in Deutschland einen Maximalwert von 210 EUR/MWh erreichen, während die französischen Preise bis auf knapp 2000 EUR/MWh ansteigen. Diese Preisniveaus lassen sich nicht durch Grenzkostenpreissetzung rechtfertigen. Sie spiegeln die Preissetzung innerhalb des Peak-load-Pricing Modells wider, in denen in Knappheitssituationen signifikante Preisspitzen auftreten können. Solche Preisspitzen signalisieren den Bedarf für mehr Erzeugungskapazitäten und reizen somit Investitionen an. 22 Eine weitere Auffälligkeit sind die negativen Preisspitzen im deutschen Markt. Die Preise fallen bis auf -100 EUR/MWh. In diesen Stunden ist die Nachfrage zwar nicht sehr niedrig, aber vermutlich wurde sehr viel Windenergie eingespeist. Dies ist in dieser Grafik nicht ersichtlich, da hier lediglich die Nachfrage und nicht die residuale Nachfrage aufgezeigt ist. Diese negativen Preisspitzen signalisieren den Bedarf für zusätzliche Flexibilitäten im Markt. Dennoch ist ein gewisser Anteil an must-run Kapazität für Systemdienstleistungen und im Fall von KWK-Anlagen für die Wärmeversorgung notwendig. Die effiziente Form der Flexibilität sollte sich aufgrund von Anreizen in Form negativer Preise und den jeweiligen Kosten herausbilden (Nicolosi, 2010). In Knappheitssituationen, sowohl bei hohem als auch bei sehr geringem Bedarf, entfernt sich der Strompreis von den kurzfristigen Grenzkosten und wechselt das Regime hin zu einer Opportunitätskostenpreissetzung. Diese basiert entweder auf dem Grenznutzen der Nachfrage, auf den Opportunitätskosten durch andere Märkte oder bei Speicheranwendungen auf dem Wert zu anderen Zeitpunkten und auf Preisaufschlägen der Erzeuger, wenn dies aufgrund knapper werdender Kapazitäten möglich ist. 4.1.2 Erzeugungsmix in Deutschland In diesem Abschnitt wird die Entwicklung des Erzeugungsmixes betrachtet, um die längerfristige Perspektive auf Anpassungsprozesse zu ermöglichen. Der Erzeugungsmix in Deutschland basiert nach wie vor zu mehr als zwei Dritteln auf fossilen und nuklearen Brennstoffen. Während der Anteil der Kernenergie aufgrund von Kraftwerksstilllegungen in den vergangenen Jahren zurückging, blieb die Erzeugung in Braunkohlekraftwerken relativ konstant. Wie Abbildung 4.3 zeigt, erzeugten Braunkohle- und Kernkraftwerke im Jahre 2011 zusammen fast die Hälfte des Stroms in Deutschland. Im Zeitverlauf hat sich der Anteil der Erzeugung aus Gaskraftwerken leicht erhöht, während die Steinkohle-basierte Erzeugung leicht zurückging. Auffällig ist der starke Anstieg der Erzeugung aus erneuerbare Energiequellen. Der EE-Anteil wird zudem durch die grüne Linie hervorgehoben. Während der EE-Anteil im Jahr 2001 bei 6,6% lag, hat er im Jahr 2011 fast 20% der Stromnachfrage gedeckt. Der EE-Ausbau findet schneller statt als sich der Kraftwerkspark anpassen kann. Als Folge wirkt sich der schnelle Anstieg des EE-Anteils nicht nur national sondern auch im europäischen Kontext aus und verschiebt die Import-/Exportbilanz. Während in den Jahren 2001 und 2002 die deutsche Strombilanz noch relativ ausgeglichen war, stieg, u.a. aufgrund der zunehmenden EE-Erzeugung, der Nettoexport bis zu einem Rekordwert von 22,4 TWh in 2008 (AG Energiebilanzen, 2012). Die Stilllegung von acht Kernkraftwerken in 2011 wirkte wie eine Korrektur der Strombilanz, so dass der Nettoexport auf 6 TWh in 2011 zurückging. Obwohl diese Entscheidung politischer Natur war, geht die Entwicklung eines kleiner werdenden Grundlastanteils mit Anpassungsnotwendigkeiten einher. 23 den theoretisch hergeleiteten langfristigen Abbildung 4.3: Entwicklung des deutschen Erzeugungsmixes 700 25 600 20 Erzeugung [TWh] 400 15 300 EE-Anteil [%] 500 10 200 100 5 0 0 -100 Netto Import Erneuerbare Öl Erdgas Steinkohle Braunkohle Kernenergie EE-Anteil [%] 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Quelle: Eigene Darstellung, Daten von AG Energiebilanzen und BMU Wie in Abschnitt 3.2.3 hergeleitet, hat ein hoher Grundlastanteil einen Effekt auf die Preissetzung. Bei kurzfristig hoher EE-Einspeisung in Kombination mit einer niedrigen Nachfrage sind Kraftwerke, welche z.B. für die Systemsicherheit benötigt werden, bereit negative Preise zu akzeptieren, um ein Herunterfahren zu vermeiden. Diese Preissignale sind ebenso wie positive Preisspitzen als Knappheit zu verstehen. In diesem Fall herrscht eine Knappheit an Flexibilität im Markt, die durch eine negative Preisspitze signalisiert wird. Diese zunehmende Preisvolatilität hat Auswirkungen auf das Investitionsverhalten. Tendenziell werden Kraftwerke mit geringen Investitionskosten und hoher Flexibilität angereizt. Um eine Investitionsentscheidung zu treffen, ist jedoch eine Marktbereinigung notwendig, die zu vereinzelten Stilllegungen führt, wodurch der Strommarkt in die Lage versetzt wird, wieder Knappheiten durch positive Preisspitzen zu signalisieren. Diese Anpassungen findet derzeit statt, da die Wirtschaftlichkeit einer Anzahl an Kraftwerken nicht mehr gewährleistet ist. Gleichzeitig besteht Interesse einer Vielzahl an Investoren, in Neuanlagen zu investieren. Für eine große Anzahl von Projekten liegen bereits alle relevanten Genehmigungen vor. Die Veränderungen im deutschen Erzeugungsmix zeigen, dass sich der Strommarkt derzeit in einer Umbruchsituation befindet, welche die aktuell niedrigen Preise erklärt und gleichzeitig bereits Tendenzen der Anpassung aufzeigt. 24 4.2 Auswirkungen des EU Binnenmarktes Neben der starken Ausweitung der erneuerbaren Energien ist die Bildung des europäischen Binnenmarktes ein weiterer wesentlicher Treiber der aktuellen Marktsituation. Wie bereits in Abschnitt 3.3 diskutiert, wird bis zum Jahr 2014 ein europäisch integrierter Day-ahead und IntradayMarkt angestrebt. Der deutsche Markt ist durch seine geografische Lage mit neun anderen Marktgebieten verbunden. Um die Effekte der Einführung einer impliziten Marktkopplung im Oktober 2010 darzustellen, werden empirische Daten für Deutschland und die Niederlande verwendet. Nach wie vor basieren die Berechnungen der Übertragungskapazitäten auf Net Transfer Capacities (NTCs). In naher Zukunft wird diese Kalkulation auf Basis von flussbasierten Methoden durchgeführt, welche tendenziell zu einer bessere Ausnutzung der Interkonnektoren führen. ENTSO-E (2012) gibt einen NTC Wert von Deutschland in die Niederlande von 3,9 GW an und in die Gegenrichtung von 3 GW. Die Entwicklung der Preiskonvergenz ist in Abbildung 4.4 dargestellt. Wie sich anhand der blauen und orangefarbenen Linien sehen lässt, lagen die durchschnittlichen Strompreise im Jahr 2003 noch fast 17 EUR/MWh auseinander. Seit 2008 liegt die Differenz im Durchschnitt bei unter einem Euro pro MWh. Preiskonvergenz im deutschen und niederländischen Markt 100% 80 90% 70 80% 60 70% 50 60% 50% 40 40% Großhandelspreise [€/MWh] Anteil der Preisniveaus [%] Abbildung 4.4: 30 30% 20 20% 10 10% 0% 0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 >20 10-20 5-10 1-5 <1 Durchschnittspreis NL Durchschnittspreis DE 2011 Quelle: Eigene Darstellung, Daten von Platts. Einen detaillierten Blick auf die Preisunterschiede in einzelnen Stunden erlaubt das Balkendiagramm. Die dunkelblaue Fläche zeigt eine Preisdivergenz von unter einem Euro pro MWh. Zwischen 2003 und 2009 lagen (mit der Ausnahme in 2004) die stündlichen Preise unter 20% der Zeit näher als ein Euro pro MWh beieinander (Preiskonvergenz). Die häufigste Preisdivergenz lag zwischen einem und fünf 25 Euro pro MWh. Es ließen sich jedoch auch Preisdivergenzen von mehr als 20 EUR/MWh beobachten. Das Jahr 2010 fällt aus dem Rahmen, da das letzte Quartal bereits einer impliziten Marktkopplung unterlag. Der Anteil der Preiskonvergenz stieg von üblicherweise unter 20% auf etwa 90% in 2011. Wie in Abschnitt 3.3.1 erklärt, gehen mit dieser Preiskonvergenz erhebliche Effizienzgewinne in Form von reduzierten Brennstoffkosten einher. Dieser Effizienzgewinn basiert einzig und allein auf einem effizienteren Marktdesign, da keine Investitionen in die Übertragungskapazität stattgefunden haben. Wie in Abschnitt 3.3.3 beschrieben, profitieren vor allem die Kunden von dieser Effizienzsteigerung, da die Konsumentenrente auf Kosten der Produzentenrente ansteigt. Die Preisdivergenzen in der Vergangenheit wirken wie kleine Preisaufschläge in den einzelnen Märkten. Nun entfallen diese durch den effizienteren Kraftwerksbetrieb. Somit wirkt die Effizienzsteigerung wie plötzlich eintretende Überkapazitäten. Ebenso wie bei den verhältnismäßig kurzfristig auftretenden EE-Effekten wird sich der Kraftwerkspark an diese Situation anpassen. Da sich der EU-Binnenmarkt planmäßig bis zum Jahr 2014 weiterentwickeln soll, steht diese Entwicklung jedoch erst am Anfang: Im Anschluss folgen weitere Effizienzsteigerungen durch die Integration der Regelenergiemärkte, welche zu vergleichbaren Effekten führen werden. 4.3 Auswirkungen der EE-Integration im EU-Binnenmarkt Trotz der dargestellten Effizienzgewinne kam es in 2011 in etwa 10% der Stunden zu Preisdivergenzen mit teilweise Abweichungen von über 20 EUR/MWh. Um Gründe für diese Divergenzen zu verstehen, werden die Stunden der Abweichungen in Abbildung 4.5 der residualen Nachfrage gegenübergestellt. 26 Abbildung 4.5: Abweichungen vom gemeinsamen Preis 30 20 Preisdelta D - NL [€/MWh] 10 0 -10 -20 -30 -40 -50 0 10.000 20.000 30.000 40.000 50.000 60.000 70.000 80.000 Residuale Last in Deutschland [MWh/h] Quelle: Eigene Darstellung, Daten von EEX und Platts Abbildung 4.5 zeigt die Stundenwerte in 2011, in denen die Preise in Deutschland und in den Niederlanden voneinander abwichen. Auf der vertikalen Achse abgetragen sind die Preisdifferenzen. Ein positiver Wert zeigt einen höheren Preis in Deutschland im Vergleich zu den Niederlanden, Punkte mit negativen Werten auf der vertikalen Achse symbolisieren Stunden, in denen der Großhandelspreis für Strom in Deutschland niedriger waren als in den Niederlanden. Auf der horizontalen Achse ist die jeweilige residuale Last in Deutschland aufgezeichnet.3 Die Abbildung zeigt deutlich den Zusammenhang zwischen der residualen Last in Deutschland und den Preisunterschieden zu den Niederlanden. Wenn die residuale Last unter einen Wert von 37 GW fiel, lagen die Preise in Deutschland jeweils unter den Preisen in den Niederlanden. Gleichzeitig zeigt die Grafik, dass die Abweichungen im negativen Bereich sehr viel deutlicher ausfallen, als die Abweichungen in Stunden, in denen Deutschland die höheren Marktpreise hat. Dieser strukturelle Effekt wird in Abbildung 4.6 näher untersucht, indem der Preisdivergenz die EEEinspeisungen gegenübergestellt werden. 3 In diesem Fall wird die Gesamtnachfrage abzüglich der Einspeisung aus Wind- und Sonnenenergie als residuale Last bezeichnet. 27 Abbildung 4.6: Abweichungen in Abhängigkeit von der Einspeisung aus EE 2011 30 20 Preisdelta D-NL [€/MWh] 10 0 -10 -20 -30 -40 -50 0 5.000 10.000 15.000 20.000 25.000 30.000 Wind + PV Einspeisung in Deutschland [MWh/h] Quelle: Eigene Darstellung, Daten von EEX und Platts Wiederum ist auf der vertikalen Achse die Differenz zwischen deutschen und niederländischen Großhandelspreisen dargestellt, auf der horizontalen Achse ist die Summe der Wind und PV Einspeisungen abgetragen. In 2011 lag die durchschnittliche Einspeisung aus Wind und Sonnenenergie bei 7,2 GW. Es ist auffällig, dass bei einer EE-Einspeisung über 13,5 GW keine positiven Abweichungen mehr für das deutsche Marktgebiet zu beobachten sind. Bei EE- Einspeisewerten unter 13,5 GW wichen in wenigen Fällen die Preise auch in die andere Richtung ab. Erst bei einer deutlich unterdurchschnittlichen EE-Einspeisung von bis zu ca. 4 GW lässt sich ebenfalls eine Häufung von positiven Preisdifferenzen feststellen. Die effiziente Bewirtschaftung der Kuppelleitungen wirkt sich ebenfalls positiv auf die EE-Integration aus. Situationen mit EE-bedingtem Überangebot an Strom lassen sich besser auf verschiedene Märkte verteilen. Die geringere Anzahl an negative Preisspitzen im Vergleich zu den Jahren 2009 und 2010 ist ein Indiz für diesen Effekt. Bei ineffizienter Nutzung des Interkonnektors in der Vergangenheit kam es in einigen Stunden zu extremen Preisreaktionen, obwohl potenziell weitere Energie hätte exportiert werden können. Diesen extremen Preisreaktionen wird nun durch eine effiziente geografische Verteilung entgegengewirkt. Dies gilt im Umkehrschluss ebenso für positive Preisspitzen. Sobald der Interkonnektor ausgelastet ist, kommt es zu Preisabweichungen. In Abbildung 4.6 ist zu sehen, dass die EE-Einspeisung hierbei eine wichtige Rolle spielt. Daraus lässt sich ablesen, dass Deutschland und die Niederlande eine unterschiedliche residuale Laststruktur haben. Im Zeitverlauf werden sich diese abweichenden Laststrukturen in Anpassungen der Kraftwerksparks widerspiegeln. 28 Hierbei wird Deutschland in Zeiten hoher EE-Einspeisung zum Exporteur und in Zeiten von geringer EE-Einspeisung zum Importeur. Der dazu passende Kraftwerkspark zeichnet sich durch einen geringeren Anteil an Grundlastkraftwerken und einen höheren Spitzenlastanteil aus. 4.4 Zwischenfazit: Zeitgleiche EE und EU Integration In diesem Abschnitt wurden die theoretischen Wirkungszusammenhänge aus Kapitel 3 empirischen Beispielen gegenübergestellt. Anhand der Stromgroßhandelspreise lässt sich feststellen, dass sie sowohl in der längeren Frist, als auch in der sehr kurzen (stündlichen) Frist auf Knappheiten im Sinne des Peak-load-Pricing reagieren. In Zeiten von Knappheiten weichen die Preise von den Grenzkosten ab und signalisieren damit einen Bedarf. Dies gilt sowohl für positive, wie auch für negative Preisspitzen. Die Effekte der Integration des EU-Binnenmarktes zeigen sich anhand der stark gestiegenen Preiskonvergenz zwischen den Marktgebieten. Die Einführung des impliziten Market Coupling im CWE-Raum hat somit signifikante Effizienzgewinne zur Folge. Diese Effizienzgewinne gehen in der Übergangsphase zu Lasten der Produzenten, welche geringere Deckungsbeiträge realisieren können. Dies ist ein direktes Resultat aus dem Streben nach mehr internationalem Wettbewerb und Effizienz. Die ersten empirisch beobachtbaren Effekte deuten demnach darauf hin, dass die Ziele durch die getroffenen Anpassungen des Marktdesigns erreicht werden. Die aktuell niedrigen Preise sind ein Beleg für diesen Erfolg. Aufgrund der EU-Binnenmarktintegration wirkt sich die angespannte konjunkturelle Lage in einigen EU-Ländern ebenfalls stärker auf den deutschen Markt aus. Da in einigen Ländern die Stromnachfrage konjunkturbedingt relativ gering ist, werden in diesen Ländern Erzeugungskapazitäten frei. Durch die effiziente Bewirtschaftung der Interkonnektoren lassen sich diese freien Kapazitäten für die Deckung der Nachfrage in anderen Ländern nutzen. Es profitieren Stromnachfrager von diesen Effekten, während Erzeuger sich hierdurch stärkerem Wettbewerb ausgesetzt sehen. Folglich ist auch dies ein gewünschter Effekt der Liberalisierungsbestrebungen. Die beiden Effekte des Peak-load-Pricing und der EU-Binnenmarktintegration wirken sich ebenfalls positiv auf die EE-Integrationseffekte aus. In Stunden mit hoher Einspeisung aus erneuerbaren Energien sinkt tendenziell der Strompreis am Großhandelsmarkt. Diesem Effekt wird teilweise durch die effiziente Verteilung auf andere Marktgebiete entgegengewirkt. Die gesunkene Anzahl an Stunden mit negativen Strompreisen ist ein Indiz hierfür. Dennoch kommt es zu Situationen, in denen die Kuppelleitung ausgelastet ist und sich eine Preisdivergenz einstellt. Bei hoher EE-Einspeisung sinken daher die deutschen Preise unter diejenigen der Nachbarländer. Dieser Effekt zeigt die abweichende residuale Laststruktur Deutschlands. Da sich der deutsche Kraftwerkspark noch nicht an die Situation des schnell angestiegenen Anteils erneuerbarer Energien angepasst hat, kommt es häufig zu Situationen mit Preissetzung durch Mittel- und Grundlastkraftwerke. Dieser Umstand ist nicht langfristig tragfähig, da die Wirtschaftlichkeit einzelner Kraftwerkstypen nicht gegeben ist. Aus diesem Grund findet derzeit ein Bereinigungsprozess statt, der zu Stilllegungen einzelner Kraftwerke führt. Als Ergebnis wird sich in Zukunft häufiger ein hoher Strompreis bilden, der wiederum Investitionen in die angemessenen Kraftwerkstechnologien anreizt. 29 Obwohl es aufgrund des europäischen Strommarktes sehr unwahrscheinlich ist, kann nicht vollkommen ausgeschlossen werden, dass es in dieser Übergangsphase zu einer ausbleibenden Markträumung kommen könnte. Es gibt eine Vielzahl von Optionen, die wahrscheinlich vor einer solchen Situation zum Einsatz kommen würden. Der folgende Abschnitt diskutiert daher Optionen aus der Perspektive verschiedener Komponenten des Strommarktes und stellt sie den in Kapitel 2 diskutierten Annahmen gegenüber, mit denen in einigen Studien für die Notwendigkeit von Kapazitätsmechanismen argumentiert wird. 30 5 Diskussion typischer Annahmen und Lösungsansätze verschiedener Komponenten Im vorangegangenen Kapitel wurde die aktuelle Situation am Strommarkt in den theoretischen Rahmen eingeordnet. Somit konnten die derzeit auftretenden Effekte mit voraussehbaren Marktergebnissen erklärt werden. Auf dieser Basis werden nun die in Kapitel 2 dargestellten Annahmen einiger Studien anhand empirischer Beispiele diskutiert und Lösungsoptionen aufgezeigt, die möglich werden, wenn von diesen Annahmen abgewichen wird. Diskutiert werden die Definition der Versorgungssicherheit, angebots- und nachfrageseitige Annahmen und das Verständnis der Preissetzung. 5.1 Definition der Versorgungssicherheit Die Definition der Versorgungssicherheit ist ein übergeordnetes Thema, das alle Komponenten des Strommarktes umfasst. Von dieser Definition ist abhängig, wie die Versorgung auf dem Strommarkt gesichert werden kann. Wie bereits in Abschnitt 2.1 diskutiert definieren einige Studien Versorgungssicherheit als öffentliches Gut und sehen daher die Notwendigkeit ausreichend physische Erzeugungskapazität für die erwartete Spitzenlastsituation vorzuhalten. Andere Studien definieren Versorgungssicherheit als Ausgleich von Angebot und Nachfrage über das Strompreisniveau. Darüber hinaus liegt in der politischen Verantwortung, entweder national oder auf EU-Ebene, die Rahmenbedingungen des Strommarktes zu definieren. Das EU Binnenmarkpaket nennt als eine der Ziele des Stromverbundes die Steigerung der Versorgungssicherheit. In diesem Abschnitt wird vornehmlich die regionale Dimension der Versorgungssicherheit diskutiert. Dies beinhaltet die Auswirkungen einer nationalen, EU-weiten oder sogar lokal definierten Versorgungssicherheit. Die Preiselastizität der Nachfrage, welche ebenfalls wichtige Implikationen für die Definition der Versorgungssicherheit hat, wird im Abschnitt der Preissetzung diskutiert, da es starke Interdependenzen der beiden Themen gibt. 5.1.1 Regional koordinierte Bewirtschaftung eines größeren Marktgebiets Eine Lösungsoption, um mit der Unsicherheit zukünftiger Entwicklungen umzugehen, ist die Erweiterung der Versorgungssicherheitsdefinition auf ein größeres Marktgebiet und somit die Berücksichtigung von Erzeugungskapazität in Nachbarländern bei der Deckung der deutschen Nachfrage. Bis zu welchem Grad eine solche Definition angewendet wird, verbleibt in der Verantwortung der Politik. Dennoch bietet die Berücksichtigung des EU-Binnenmarktes ein erhebliches Effizienzpotenzial im operativen und im investiven Bereich, wie in Abschnitt 3.3 dargestellt wurde. 31 Da Deutschland Interkonnektoren zu neun angrenzenden Marktgebieten hat, ist die Wahrscheinlichkeit verfügbarerer Erzeugungsleistung und Übertragungskapazität in Knappheitssituationen sehr hoch. Die Übertragungskapazitäten werden in Abbildung 5.1 auf Basis von Net Transfer Capacities (NTCs) dargestellt (ENTSO-E, 2011). Abbildung 5.1: Interkonnektoren zu angrenzenden Marktgebieten (in MW) DK-Ost DK-West Import: 1500 Schweden Import: 585 Import: 610 Export:600 Export: 600 Export: 950 Polen Niederlande Import: 1100 Import: 3000 Export: 1200 Export: 3850 Tschechien Import: 2300 Export: 800 Frankreich Import: 2700 Österreich Export: 3200 Schweiz Import: 2000 Import: 3500 Export: 2200 Export: 1500 Quelle: Eigene Darstellung, Daten von ENTSO-E (2011). Die in Abbildung 5.1 dargestellten NTCs wurden unter bestimmten Annahmen kalkuliert. In der Realität können die verfügbaren Übertragungskapazitäten von diesen Werten abweichen. So wird für die Kuppelleitung nach Österreich in BNetzA (2012) auf eine Übertragungskapazität von 10 GW verwiesen. Die Umstellung auf flussbasierte Methoden zur Kalkulation der Übertragungskapazitäten in Kombination mit impliziten Marktkopplungsinitiative (wie in Abschnitt 3.3 diskutiert), führt innerhalb der nächsten Jahre zu einer besseren Nutzung vorhandener Übertragungs- und Erzeugungskapazitäten im EU-Binnenmarkt. Zusätzlich können Investitionen in das Stromnetz die verfügbaren Übertragungskapazitäten noch ausweiten. Zwei Projekte, die innerhalb der nächsten zehn Jahre realisiert werden könnten, sind die DC-Unterseekabel Nord-Link und NorGer nach Norwegen mit verfügbaren Kapazitäten von jeweils 1,4 GW. Die Auswirkungen der Bewirtschaftung eines größeren Marktgebietes lassen sich anschaulich anhand des deutschen Netzregelverbundes darstellen. Bis 2008 haben die deutschen ÜNB unabhängig 32 voneinander Regelleistung akquiriert und eingesetzt, um Prognosefehler und Kraftwerksausfälle innerhalb ihrer Regelzone auszugleichen. Dabei kam es zu Situationen, in denen die ÜNB gegeneinandergeregelt haben, in denen also ein ÜNB positive Regelenergie abgerufen hat, während ein anderer ÜNB negative Regelenergie benötigte. Da dieses Vorgehen ineffizient war, haben 50Hertz Transmission, TenneT und TransnetBW ihre Regelzonen in einer zusammengelegten Auktion und mit koordiniertem Abruf gemeinsam bewirtschaftet. Im Mai 2010 hat sich Amprion dem Netzregelverbund angeschlossen. Durch den koordinierten Regelenergieabruf hat sich die abgerufene Energiemenge reduziert. Ein weiterer großer Vorteil der gemeinsamen Bewirtschaftung ist die Reduktion der Leistungsvorhaltung. Dieser Effekt ist in Abbildung 5.2 dargestellt. Abbildung 5.2: Reduktion der Leistungsvorhaltung durch den Netzregelverbund 3500 Mai 2009 - April 2010 Mai 2010 - April 2011 3000 Leistung [GW] 2500 2000 1500 1000 500 0 Positiv Primärreserve Negativ Postiv Sekundärreserve Negativ Minutenreserve Quelle: BNetzA Monitoringbericht (2011). Für die gesicherte Leistung spielt vor allem die Reduktion der positiven Sekundär- und Minutenreservevorhaltung eine Rolle. Die vorher gebundenen Kapazitäten wurden dadurch für den Energiemarkt nutzbar. Dieser Effekt wirkt auf den Strommarkt folglich wie eine Ausweitung der Erzeugungskapazität. Der Grund für diesen Effizienzgewinn liegt in der stochastischen Natur der Last und EE-Prognosefehler sowie der Kraftwerksausfälle begründet. Je größer die Menge stochastischer Ereignisse ist (tendenziell steigt die Zahl bei einer größeren Fläche), desto eher gleichen sie sich aus. Um von diesen Ausgleichseffekten zu profitieren, haben weitere ÜNB Interesse bekundet, sich am Netzregelverbund zu beteiligen. Im Oktober 2011 ist Energienet.dk beigetreten, im Februar 2012 der niederländische Übertragungsnetzbetreiber TenneT BV, einen Monat später hat sich Swissgrid 33 angeschlossen und Anfang Juni 2012 der tschechische Übertragungsnetzbetreiber CEPS (siehe Abbildung 5.3). Abbildung 5.3: Regionale Darstellung des Netzregelverbundes Quelle: Eigene Darstellung. Im Zuge der EU-Binnenmarktintegration wird im Anschluss an die implizite Marktkopplung der Dayahead und Intradaymärkte die Integration der Regelenergiemärkte geplant. Es kann folglich davon ausgegangen werden, dass der in Abbildung 5.2 beschriebene Effekt sich auf europäischer Ebene wiederholen wird. Zwar werden aufgrund von Netzengpässen zwischen den Marktgebieten vermutlich Kernanteile beibehalten, dennoch sollte im Anschluss an die Integration mehr Erzeugungskapazität für den Energiemarkt verfügbar sein. Konsequenterweise hat die Integration des EU-Binnenmarktes auch Auswirkungen auf die investive Effizienz, wie in Abschnitt 3.3.2 beschrieben. Durch die bessere Nutzung vorhandener Erzeugungsund Übertragungskapazitäten kann die vorzuhaltende Erzeugungskapazität reduziert werden, wenn von der nationalen Perspektive auf die Versorgungssicherheit abstrahiert wird. In Abschnitt 2.2 wurden die investiven Effizienzpotenziale bei der Berücksichtigung größerer Marktgebiete diskutiert. Dieser Effekt wird anhand empirischer Daten aus Deutschland, Frankreich 34 und Dänemark für das Jahr 2011 analysiert.4 In Abbildung 5.4 werden die nationalen Spitzenlasten und die zeitgleiche gemeinsame Spitzenlast der zeitgleichen residualen Spitzenlast gegenübergestellt. Abbildung 5.4: Exemplarische Darstellung des Ausgleichs von Last und residualer Last anhand eines drei-Länder Beispiels in 2011 176 174 Nachfrage [GWh/h] ~ 2GW 172 ~ 6GW ~ 4GW 170 168 166 164 Addierte Spitzenlasten Maximale zeitgleiche Last Maximale zeitgleiche residuale Last Quelle: Eigene Darstellung, Daten von EEX und Platts. • Zwar ähneln sich die Nachfragestrukturen der drei Länder, dennoch haben sie nicht zwangsläufig zur gleichen Zeit ihre maximale Nachfrage. • Die maximale Nachfrage reduziert sich bei der Berücksichtigung der drei Länder um etwa 2 GW gegenüber den jeweiligen nationalen Betrachtungsweisen. Wie bereits in Abschnitt 3.3 erläutert, basiert dieser Effekt auf der stochastischen Verteilung der Nachfrage. • Ein weiterer stochastischer Mittelungseffekt tritt bei der Windenergieeinspeisung auf. Die Betrachtung der maximalen zeitgleichen residualen Nachfrage führt somit zu einer weiteren Reduktion des Maximalwertes um 4 GW. • Unter der Annahme, dass in dieser Spitzenlaststunde ausreichend Übertragungskapazität verfügbar ist, könnte in diesem Beispieljahr eine Reduktion der gemeinsamen Spitzenlast um 6 GW für diese drei Länder realisiert werden. Eine Ausweitung der Betrachtung auf mehr Länder könnte zu höheren potenziellen Reduktionseffekten führen. 4 Aus Gründen der Datenverfügbarkeit wurden die Effekte lediglich für drei Länder untersucht. Bei einer Ausweitung auf alle neun angrenzenden Marktgebiete sollten die Effekte entsprechend größer ausfallen. 35 Dieses Drei-Länder-Beispiel dient lediglich der Illustration der Durchmischungseffekte auf Basis des Jahres 2011. Die zeitgleiche Spitzenlast ändert sich jährlich, ebenso wie die zeitgleiche EEEinspeisung. Da keine hundertprozentige Versorgungssicherheit angestrebt wird, werden probabilistische Methoden herangezogen. Folglich erhöht sich durch die beschriebenen Effekte die Versorgungssicherheit. Die daraus ableitbaren Einspareffekte können zudem nur realisiert werden, wenn die Übertragungskapazitäten dies zulassen. Für die Kalkulation der EE-Einspareffekte wurde lediglich Windenergie herangezogen. Bei Berücksichtigung anderer Must-run Anlagen würde der Effekt entsprechend größer ausfallen. Beispielsweise würde die Berücksichtigung der deutschen Biomasseerzeugung (unter der Annahme eines konstanten Jahresbandes), die residuale Spitzenlast um weitere 4,2 GW reduzieren. 5.1.2 Versorgungssicherheit in kleineren Gebieten Sollte die politisch definierten Versorgungssicherheitsbestrebungen in Richtung kleinerer Marktgebiete gehen und somit den Bestrebungen des EU-Binnenmarktes entgegenwirken, drehen sich folglich die beschriebenen Effekte um. In Summe müsste deutlich mehr Leistung bereitgestellt werden, wodurch die Investitionskosten höher ausfallen. Zudem kommt es aufgrund von geografisch bedingten Verfügbarkeiten von Primärenergieträger zu Zusatzkosten im operativen Betrieb. Bei der Betrachtung erneuerbarer Primärenergieträger würde ein eine suboptimale geografische Verteilung dazu führen, dass beispielweise Standorte mit schlechteren Wind- und Sonnenverhältnissen erschlossen werden. Um die gleiche Energieausbeute an diesen Standorten zu realisieren, müsste entsprechend mehr Kapazität aufgebaut werden. Vor dem Hintergrund aktueller Diskussion einer EU-weit koordinierten Strategie bei der Förderung erneuerbarer Energie, mit dem Ziel die Kosten zu reduzieren, erscheint diese Option nicht erstrebenswert. Die suboptimale Anordnung konventioneller Erzeugungskapazitäten führt prinzipiell zu ähnlichen Effekten. Der wesentliche Vorteil fossiler Brennstoffe ist, dass sie transportiert werden können. Die Wirtschaftlichkeit des Transports hängt von der Energiedichte ab. • Braunkohle wird aufgrund des Verhältnisses von variablen Kosten und Energiedichte nicht transportiert. Stattdessen wird sie direkt an der Förderstätte verstromt und über Stromleitungen abtransportiert. Die Anordnung von Braunkohlekraftwerken wird folglich durch die Verfügbarkeit bestimmt und kann geografisch nicht ohne signifikante Zusatzkosten verlagert werden. • Nukleare Brennelemente zeichnen sich durch eine sehr hohe Energiedichte aus, wodurch sie zu verhältnismäßig geringen Kosten über weite Strecken transportiert werden können. Aus diesem Grund haben sich in der Vergangenheit auch Standorte in Süddeutschland als wirtschaftlich erwiesen. Aufgrund des beschlossenen Kernenergieausstiegs scheidet diese Technologie jedoch als Lösungsoption aus. • Steinkohle lässt sich zwar über weite Strecken transportieren, der Transport im deutschen Binnenmarkt geht jedoch mit hohen Kosten einher. Als Transportoptionen stehen die Binnenschifffahrt und der Schienenverkehr zur Verfügung, um die Steinkohle von der Küste 36 an den Kraftwerksstandort zu transportieren. Abbildung 5.5 bietet eine Übersicht der Transportkosten für Steinkohle in Deutschland. Abbildung 5.5: Darstellung der Transportkosten für Importkohle 2,42€/t 11,75€/t 36,76€/t per Bahn 10,55€/t 9,20€/t 14,40€/t 55,10€/t per Bahn 13,68€/t 20,94€/t 11,60€/t 45,28€/t per Bahn Quelle: Frontier/Consentec (2008). • Ende Juli 2012 kostet eine Tonne Steinkohle in Rotterdam ca. 72 EUR/t.5 In dieser Kostenrelation können die Transportkosten innerhalb Deutschlands als signifikant bezeichnet werden. Ein suboptimale Anordnung der Erzeugungskapazitäten würde demnach im operativen Betrieb bei jeder eingesetzten Tonne Steinkohle zu den in Abbildung 5.5 dargestellten Zusatzkosten führen. • Eine weitere Option bietet die Stromerzeugung in Gaskraftwerken. Die Verfügbarkeit von Erdgas innerhalb Deutschlands ist in Abbildung 5.6 anhand des Leitungsnetzes dargestellt. 5 Quelle: Dow Jones Trade News (27. Juli 2012): 89 USD/t bei einem Wechselkurs von 1,23 USD/EUR 37 Abbildung 5.6: Erdgasnetz in Deutschland Quelle: Kavernen Informationszentrum Etzel (2012) • Die Verfügbarkeit auf Basis des Erdgasnetzes stellt sich für alle deutschen Regionen als verhältnismäßig ausgeglichen dar. Dennoch hängt die Wirtschaftlichkeit zusätzlich von den leitungsgebundenen Transportkosten ab. Diese sind in Abbildung 5.7 der Entfernung gegenübergestellt. Abbildung 5.7: Entwicklung der Transportkosten für Erdgas Quelle: Frontier/Consentec (2008) • Ende Juli 2012 kostete Erdgas in Deutschland etwa 24 EUR/MWhth. In dieser Relation führt der Transport von Erdgas innerhalb Deutschlands zu akzeptablen Zusatzkosten. 38 Aus dieser Übersicht wird ersichtlich, dass es sich tendenziell nicht lohnt, Erzeugungskapazitäten auf Basis erneuerbarer Primärenergieträger zu verlagern. Das gilt ebenso für Braunkohle und in der Tendenz ebenfalls für Steinkohle befeuerte Anlagen. In diesen Fällen sollten Erzeugungskapazitäten an Standorten errichtet werden, die sich durch einen günstigen Zugang zu Primärenergieträgern auszeichnen. Es ist deutlich kostengünstiger, den Strom mit Hilfe von Stromleitungen in die Lastzentren zu transportieren als die hohen Transportkosten der Primärenergieträger in Kauf zu nehmen. Im Fall von Erdgas kommt es zu einer anderen Abwägung. Die Verfügbarkeit ist für ganz Deutschland verhältnismäßig gut. Aufgrund der relativ teuren Erzeugungskosten erscheint zum jetzigen Zeitpunkt eine Investition in gasbefeuerte Anlagen als wirtschaftlich nicht attraktiv. Dennoch wird sich der Kraftwerkspark in naher Zukunft an die Herausforderungen der EE-Integration anpassen. Sobald dieser Wandel stattfindet, werden Investitionen in Gaskraftwerke aufgrund der residualen Nachfragestruktur an Bedeutung gewinnen. Diese können an Standorten errichtet werden, die relativ unabhängig von Brennstoff-Transportkosten sind, sofern Strom- und Gasnetzanschlüsse vorhanden sind, bzw. zeitnah bereitgestellt werden können. Da die Energiewende politischer Konsens ist und eine Transformation der Energieversorgung nicht ohne signifikante Windenergieerzeugung im Norden Deutschlands und sogar in der Nord- und Ostsee möglich scheint, führen alternative Lösungskonzepte, die den Netzausbau reduzieren sollen, zu erheblichen Zusatzkosten des Versorgungssystems. Sowohl aus Sicht der regionalen und der nationalen Versorgungssicherheit sowie aus Kostengesichtspunkten stellt der Netzausbau eine NoRegret Maßnahme dar. Nach Aussage der Bundesnetzagentur ist die derzeit am stärksten überlastete innerdeutsche Leitung die Verbindung zwischen Thüringen und Bayern. Dies führte nach Angaben des Winterberichts (BNetzA, 2012) zu 2000 Redispatchmaßnahmen im Winterhalbjahr 2011/2012. Dieser Engpass soll bis zum Jahr 2017 durch Investitionen in die Thüringer Strombrücke beseitigt sein (siehe Abbildung 5.8). 39 Abbildung 5.8: Regionale Darstellung der Thüringer Strombrücke Quelle: 50Hertz Gegen ein Teilstück der Leitung in Thüringen wurde im März 2012 vor dem Leipziger Bundesverwaltungsgerichts geklagt und innerhalb von zwei Monaten wurde gegen einen vorläufigen Baustopp entschieden, womit der Projektzeitplan keine signifikante Verzögerung erhalten hat. Durch das Energieleistungsausbaugesetzt (EnLAG) gibt es für priorisierte Leitungen nur noch eine Klageinstanz. 5.1.3 Zwischenfazit Versorgungssicherheit Es gibt eine Bandbreite möglicher geografischer Abgrenzungen für die Definition der Versorgungssicherheit. Sollte Versorgungssicherheit für kleinere Gebiete definiert werden, führt dies zu erheblichen Zusatzkosten durch den Aufbau von Überkapazitäten durch Investitionen in konventionelle Kraftwerke und ggf. durch höhere Brennstoffkosten aufgrund von vermeidbaren Transportkosten. Sollte die Betrachtung der Versorgungssicherheit dem EU-Binnenmarktgebiet entsprechen, könnten deutliche Kostenreduktionen realisiert werden. Dennoch kann es aufgrund der beschriebenen EE- und EU-Integrationseffekte sowie aufgrund von Verzögerungen des Netzausbaus in Übergangsphasen zu vorübergehenden Versorgungsrisiken kommen. Um die Versorgungssicherheit in diesen Übergangsphasen zu sichern, stehen verschiedene Optionen zur Verfügung. Diese werden in Kapitel 6 diskutiert. 40 5.2 Angebotsseitige Annahmen: Fixe Kraftwerkslebensdauer Wie bereits in Abschnitt 2.2 diskutiert, sind insbesondere für modellbasierte Quantifizierungen Annahmen bezüglich der technischen Lebensdauer verschiedener Kraftwerkstypen nötig. Diese Annahmen determinieren den zukünftigen Neubaubedarf und haben somit einen Einfluss auf die Wahrnehmung der Handlungsnotwendigkeit. Jedoch führen diese fixen Annahmen zu einer Stilllegung zu einem festgelegten Zeitpunkt, unabhängig vom situativen Preisniveau. Da diese Annahme ein wesentlicher Treiber der Modellierungsergebnisse ist, wird er im Folgenden diskutiert. 5.2.1 Bandbreite der Annahmen Da die technische Lebensdauer eine Annahme ist, weichen die Werte in verschiedenen Studien voneinander ab. Zum Teil werden diese Annahmen nicht explizit genannt, so dass sich die Auswahl auf verhältnismäßig wenige Studien konzentriert. In Abbildung 5.9 werden Annahmen verschiedener Studien zu den einzelnen Kraftwerkstypen dargestellt. Abbildung 5.9: Annahmen über technische Lebenszeit der Kraftwerke Steinkohle Braunkohle Erdgas GuD ÜNB Netzentwicklungsplan (2012) Gasturbinen IEA Energy Technology Perspectives (2012) ECF Power Perspectives 2030 (2011) Öl EWI/Prognos/GWS Energieszenarien (2010) 0 10 20 30 40 Angenommene technische Lebenszeit (in Jahren) Quelle: ÜNB, IEA, ECF, EWI/Prognos/GWS 41 50 60 In Abbildung 5.9 wird deutlich, dass die Annahmen zur technischen Lebensdauer je nach Technologie zum Teil erheblich voneinander abweichen. • Für Steinkohlekraftwerke liegen die Annahmen zum Teil 15 Jahre auseinander. • Für die technische Lebensdauer von Braunkohlekraftwerken liegen die Annahmen in den zwei dargestellten Studien lediglich fünf Jahre auseinander. • Bei Erdgas GuD-Anlagen liegen die Annahmen mit Ausnahme des Netzentwicklungsplans bei 30 Jahren. Der Konsultationsvorschlag zum Netzentwicklungsplan sah ursprünglich 50 Jahre vor. Diese Annahme wurde jedoch im Zuge der Konsultation auf 45 Jahre reduziert. • Die Bandbreite bei Gasturbinen umfasst Abweichungen von bis zu 20 Jahren. Auffällig ist, dass alle Studien eine andere Annahme treffen. Es gibt demnach keinen Konsens, ob die Anlagen eher für 25 Jahre ausgelegt sind (EWI/Prognos/GWS, 2010) oder auf 45 Jahre technisch verfügbar sein können (Netzentwicklungsplan, 2012). • Für ölbefeuerte Anlagen gibt es wiederum lediglich zwei Angaben. Diese liegen 20 Jahre auseinander. Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass diese Technologie keine tragende Rolle im zukünftigen Kraftwerksmix spielen wird. Inwiefern sich diese Annahmen in der Realität wiederfinden, kann anhand der Altersstruktur des Kraftwerksparks untersucht werden. Abbildung 5.10 zeigt die Altersstruktur in zehn-Jahresschritten und ergänzt die Darstellung um die im Bau befindlichen Erzeugungskapazitäten. 42 Abbildung 5.10: Zusammensetzung des deutschen Kraftwerksparks 30 Abfall Wasser 25 Öl Erdgas Steinkohle Leistung [GW] 20 Braunkohle Kernkraft 15 10 5 0 in Bau 0 - 10 10 - 20 20 - 30 30 - 40 40 - 50 >50 Jahre im Betrieb Quelle: Eigene Darstellung, Daten von Platts und BNetzA. Es zeigt sich in Abbildung 5.10, dass Laufzeiten von Kraftwerken über 50 Jahre, abgesehen von Wasserkraftwerken, eher die Ausnahme darstellen. Eine signifikante Kapazität liegt in der Altersklasse zwischen 40 und 50 Jahren. Diese besteht zu einem großen Teil aus Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken, wodurch die diskutierten Annahmen, die mehrheitlich zwischen 40 und 50 Jahren lagen, zumindest nicht falsifiziert werden können. Es gibt jedoch auch noch einige Erdgasbefeuerte Kraftwerke in dieser Altersklasse. Die Mehrheit der Studien hat für diese Technologie eine technische Lebensdauer von 30 Jahren angenommen. Da in der Altersklasse zwischen 30 und 40 Jahren ebenfalls noch eine signifikante Kapazität aus Erdgaskraftwerken besteht, sollten diese Annahmen nicht als sicher angenommen werden. Wenn diese Annahmen in ein Modell überführt werden, würden alle GuD-Anlagen sofort stillgelegt werden, wodurch sich die heutige Situation bereits durch erhebliche Knappheiten auszeichnen würde. Stattdessen zeichnet sich die heutige Situation eher durch Überkapazitäten aus. In jedem Fall hängt die Laufzeit der Kraftwerke neben technischen Kriterien vor allem von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Es besteht zudem die Möglichkeit, Kraftwerke vorübergehend in die Kaltreserve zu verschieben. Wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingen wieder attraktiver werden, können solche Anlagen wieder aktiviert werden. 43 Wird von den Kernkraftkapazitäten abstrahiert, wurden in den vergangenen Dekaden mit der Ausnahme der zehn Jahre zwischen 1972 und 1982, jeweils zwischen 13 und 15 GW zugebaut. Mit Ausnahme der letzten Dekaden wurden diese Kapazitäten jedoch nicht innerhalb eines liberalisierten Marktes errichtet. Laut BNetzA (2012) befinden sich derzeit Kraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 12,6 GW im Bau und werden bis zum Jahr 2015 in Betrieb gehen. Zusätzlich sind für die darauffolgenden Jahre weitere Kraftwerke angekündigt. Abbildung 5.11 zeigt die Kraftwerkstechnologien, die basierend auf drei verschieden Quellen derzeit gebaut und geplant werden. Abbildung 5.11: Kraftwerke im Bau und in Planung in Deutschland 25 Anderes Abfall Öl Pumpspeicher Laufwasser Kapazität [in GW] 20 Erdgas Steinkohle 15 Braunkohle 10 5 0 im Bau in Planung Platts im Bau in Planung im Bau BNetzA in Planung bdew Quelle: Platts, BNetzA, BDEW Sowohl Platts als auch BDEW zeigen in Abbildung 5.11 nahezu identische Erzeugungsleistung im Bau. Diese Kraftwerke wurden jedoch teilweise auf Basis der im Nationalen Allokationsplan für CO2Zertifikate festgelegten freien Zuteilungen gebaut und nicht allein auf Basis der Erwartungen für den Strommarkt. Aufgrund der technologiespezifischen Kohlekraftwerken zeitnah realisiert. 44 Kriterien wird ein großer Anteil an Die Kraftwerksplanungen umfassen bis zum Jahr 2020 über 20 GW Kraftwerkskapazität. Hierbei sind Kraftwerke berücksichtigt, die teilweise bereits Netzanbindungen beantragt haben oder Baugenehmigungen erhalten haben. Der Baubeginn hängt jedoch von den wirtschaftlichen Aussichten aus. Je nach Marktlage könnten sich die Kapazitäten in Planungen noch deutlich verändern. Die derzeitige Zurückhaltung beim Baubeginn hängt neben den aktuell niedrigen Preisen ebenfalls an der Diskussion um Kapazitätsmechanismen, die erhebliche Unsicherheiten in die Planungen einbringen. Bevor ein Projekt in die Realisierung geht, haben Investoren das Bedürfnis, die zukünftigen Rahmenbedingungen des Wirtschaftens einschätzen zu können. Neben dem Bau konventioneller Großkraftwerke bestehen weitere Potenziale für zusätzliche Erzeugungsleistung im Markt. So könnten durch Investitionen in Wärmespeicher Kraft-WärmeKopplungsanlagen zu einer potenziellen Leistungssteigerung von bis zu 3,6 GW führen (Prognos, 2011). Darüber hinaus stehen Netzersatzanlagen zur Verfügung, welche bei entsprechenden Preisen ebenfalls am Strommarkt angereizt werden können, nachdem ein Teil der Kapazität bereits am Regelenergiemarkt agiert. Wie sich anhand der Altersstruktur, der im Bau und der in Planung befindlichen Kraftwerken erkennen lässt, spielen häufig wirtschaftliche Faktoren eine wesentliche Rolle bei Zubau- und Stilllegungsentscheidungen. Wenn der Strompreis den Bedarf nach Kapazität signalisiert, können Kraftwerke teilweise länger Leistungssteigerungsoptionen betrieben durch Neubau, werden. Zudem KWK-Umrüstungen steht und eine Anzahl Netzersatzanlagen an zur Verfügung, welche teilweise auch sehr kurzfristig aktiviert werden können. Über diese in Deutschland befindlichen Optionen stehen selbstverständlich auch Kapazitäten in den Nachbarländern zur Verfügung, die den deutschen Markt im Falle von Knappheiten mit Strom versorgen können. 5.3 Nachfrageseitige Annahmen In Abschnitt 2.3 wurden Annahmen der Nachfrageseite diskutiert. Wesentliche Annahmen, die ein Studienergebnis beeinflussen können, umfassen die Entwicklung der Spitzenlast, die Entscheidung, ob die Nachfrage auch aus dem benachbarten Ausland gedeckt werden kann, und ob die Nachfrage auf Preise reagieren kann oder als fix angenommen wird. Die Nachfrage nach elektrischer Energie ist abhängig von verschiedensten Parametern, deren Entwicklung schwer abzuschätzen ist. Ein wesentlicher Treiber der Nachfrage ist die konjunkturelle Lage, wie bereits in Abschnitt 3.3.1 gezeigt wurde. Für die benötigte Kraftwerkskapazität ist jedoch auch die Struktur der Nachfrage, insbesondere die Spitzenlast, von großer Bedeutung. Sie hängt zusätzlich zur wirtschaftlichen Situation von der Temperatur ab. Für eine Abschätzung der zukünftigen Spitzenlast wird häufig eine historische Nachfragestruktur herangezogen. Aus diesem Grund wird in Abbildung 5.12 neben der Abschätzung zukünftiger Spitzenlastentwicklungen einiger Studien die historische Spitzenlast und die historische residuale Spitzenlast (Last abzüglich der Windenergieeinspeisung) gegenübergestellt. 45 Abbildung 5.12: Annahmen über die Entwicklung der Nachfrage 95 Historisch (ENTSO-E) Residual Historisch (ENTSOE/EEX) Netzentwicklungsplan (2012) 90 NEP - Sensitivitätsszenario (2012) Spitzenlast [GW] 85 ENTSO-E (2011a) ENTSO-E (2011b) 80 ENTSO-E (2011c) ENTSO-E (2010) 75 BMWi/EWI (2012a) BMWi/EWI (2012b) 70 BMWi/EWI (2012c) BMWi/EWI (2010) 65 Eurelectric (2011) Eurelectric (2010) 60 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 (Jan Mär) 2015 2016 2020 2025 2030 Quelle: ENTSO-E (2010 und 2011), ÜNB (2012), EWI (2010 und 2012), Eurelectric (2010 und 2011). • In Abbildung 5.12 ist zunächst die stark schwankende historische Last und residuale Last zu sehen. Aufgrund der Dargebotsabhängigkeit reduziert die Windenergie in einigen Jahren die zu deckende Spitzenlast bis zu 5 GW, in anderen Jahren spielt sie mit 1-2 GW eine kleinere Rolle bei der Reduktion der Spitzenlast. • Die historischen Spitzenlasten schwanken relativ stark und hängen wie bereits besprochen von der jeweiligen konjunkturellen Lage und Wetterbedingungen ab. • Die Abschätzungen zur zukünftigen Spitzenlastentwickung basieren auf zwei verschiedenen Perspektiven. BMWi/EWI (2010 und 2012) und Netzentwicklungsplan (2012) berücksichtigen Selbsterzeuger, während die anderen Quellen diese ausschließen. Aus diesem Grund lassen sich die Studien mit unterschiedlichen Ansätzen nicht vergleichen. • Jedoch nehmen auch die einzelnen Quellen häufig eine Bandbreite der möglichen Entwicklung an. Beispielweise schwanken die Annahmen in ENTSO-E (2011) für das Jahr 2020 bis zu 11,8 GW zwischen 70 GW und 81,8 GW. Die Annahmen der zwei Szenarien des Netzentwicklungsplans (2012) schwanken für das Jahr 2022 um 7 GW und für 2032 um über 12 GW (aus Vereinfachungsgründen wurden in der Abbildung die Stichjahre dargestellt). Die Szenarien in EWI/BMWi (2012) schwanken in 2020 um knapp 5 GW und in 2030 um knapp 11 GW. 46 Die Bandbreite der Annahmen macht deutlich, dass die Entwicklung der Nachfrage und der Spitzenlast nicht zuverlässig prognostiziert werden kann. Ein Anstieg der Nachfrage durch Kommunikationstechnologien, Wärmepumpen und Elektromobilität ist ebenso denkbar wie eine starke Reduktion der Nachfrage durch Energieeffizienzmaßnahmen. Die Bundesregierung plant, die Nachfrage bis 2020 um 10% gegenüber 2008 zu senken. Diese Entwicklung hätte folglich Auswirkungen auf die Spitzenlast. Auch wenn die Zielerreichung derzeit nicht wahrscheinlich erscheint, kann dennoch nicht prognostiziert werden, wie stark die Abweichung von diesem Ziel sein wird. Inwiefern historische Laststrukturen als Indikator für zukünftige Lastspitzen herangezogen werden können, ist Gegenstand des nächsten Abschnitts in dem untersucht wird, wie die Preissetzung und Nachfrageflexibilität zusammenwirken. 5.4 Annahmen zur Preissetzung In der Annahmenübersicht in Kapitel 2 ist dargestellt, dass einige der betrachteten Studien in ihren Quantifizierungen die Strompreise auf Basis der Grenzkosten der letzten Erzeugungseinheit zu kalkulieren. In Abschnitt 3.1 wird anhand des Peak-load-Pricing Modells erklärt, dass diese Annahme zwangsläufig zu ungenügenden Deckungsbeiträgen führt und Kraftwerke ihre Investitionskosten nicht erwirtschaften können. Die empirischen Untersuchungen in Abschnitt 4.1.1 zeigen, dass zuweilen die Preise in der CWE Region deutlich über das Grenzkostenpreisniveau hinausgehen. Abbildung 5.13 zeigt die Phase im Februar 2012 mit relativ hohen Preisausschlägen. 47 Abbildung 5.13: Marktpreise in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden im Februar 2012 2000 1800 Frankreich 1600 Niederlande 1400 Deutschland Preis [EUR/MWh] 1200 1000 800 600 400 200 0 06. 07. 08. 09. 10. 11. 12. 13. 14. Februar 2012 Quelle: Eigene Darstellung, Daten von Platts. In Abbildung 5.13 ist zu sehen, dass die Preise in Frankreich deutlich über die Preise in Deutschland und den Niederlanden hinausgehen. Während in Deutschland und den Niederlanden in dieser Phase der Preis bis auf 210 EUR/MWh ansteigt, steigt er in Frankreich auf über 1900 EUR/MWh. Im Zuge dieser Studie kann nicht ermittelt werden, ob die Preise durch die Nachfrageseite gesetzt werden oder durch Preisaufschläge auf der Angebotsseite. Unabhängig davon, auf welchen Geboten die Preise in Frankreich basieren, wird jedoch deutlich, dass Strompreise in Zeiten von Knappheiten zum Teil deutlich über das Grenzkostenpreisniveau der letzten Erzeugungseinheit steigen können. In diesen Phasen signalisiert der Markt den Bedarf für zusätzliche Leistung. 5.4.1 Preissetzung auf Basis angebotsseitiger Gebote Aufgrund von Marktmachtbedenken ist es den vier großen deutschen Versorgungsunternehmen untersagt, Gebote über Grenzkosten anzubieten. So Sektoruntersuchung (2011): 48 schreibt das Bundeskartellamt in der „Die Beschlussabteilung geht im Ergebnis davon aus, dass es bei Zugrundelegung des geltenden Auktionsmechanismus und der gegebenen Marktverhältnisse den Normadressaten der §§ 19, 29 GWB, Art. 102 AEUV (nur marktbeherrschende Unternehmen) grundsätzlich verwehrt ist, zu einem Preis oberhalb ihrer Grenzkosten anzubieten, es sei denn, das Unternehmen weist nach, dass ein entsprechender Mark-up erforderlich ist, um seine – bezogen auf das gesamte Kraftwerksportfolio – totalen Durchschnittskosten zu erwirtschaften.“ (Bundeskartellamt, 2011, S. 15f) Es ist davon auszugehen, dass die vier großen EVU vermeiden werden, über Grenzkosten anzubieten, da sie ansonsten in der Nachweispflicht stehen und ein Verfahren riskieren. In Anbetracht von Abbildung 5.13 stellt sich die Frage, ob es eine vergleichbare Regelung in Frankreich gibt. Sollten die Regelungen zu Preisaufschlägen innerhalb der gekoppelten Marktgebiete abweichen, kann dies zu Situationen führen, in denen bei Knappheitssituationen in einer Marktzone mit Mark-up Verbot die Preise dennoch moderat bleiben und somit Strom in ein Marktgebiet ohne Mark-up Verbot exportiert wird. Durch abweichende Regelungen werden somit künstlich Knappheiten riskiert, die sich ggf. nicht in entsprechenden Marktpreisen widerfinden. Durch das Ausbleiben von Knappheitssignalen in einer Marktzone werden in der langen Frist keine Investitionen angereizt. Dies könnte somit zu einem ungenügenden Zubau von Erzeugungskapazität führen. Um diese Form der Verzerrung zu vermeiden, sollten diesbezügliche Regelungen innerhalb der angrenzenden Marktzonen koordiniert werden. Die Einführung von Gebotsobergrenzen hat nach Wolak (2009) ebenfalls eine Auswirkung auf das Verhalten von Stromkunden (und Versorgern) und somit auf die Effizienz und die Versorgungssicherheit des Marktes. Da das Risiko hoher Preise im kurzfristigen Handel durch Gebotsobergrenzen reduziert wird, müssen sich Stromkunden auch nicht durch Hedgegeschäfte gegen Preisspitzen absichern. Als Folge können Stromkunden mit dem Einkauf bis zum day-ahead Markt warten ohne ein signifikantes finanzielles Risiko einzugehen. Durch die Reduktion von Absicherungsgeschäften können sich die Höhe und die Planbarkeit der Deckungsbeiträge von Erzeugern reduzieren, was Investitionszurückhaltungen zur Folge haben kann. Würden solche Gebotsobergrenzen im Flugverkehr eingesetzt, würde sich die Motivation für frühzeitige Buchungen reduzieren und mehr Kunden würden am Tag der Abreise am Schalter Flüge erwerben wollen. Als Folge könnte es zu einer Situation kommen, in der die Fluggesellschaften nicht ausreichend Flugzeuge bereitstellen und einzelne Kunden nicht transportiert werden könnten. Die Entwicklung wäre vergleichbar mit den Effekten auf dem Strommarkt. Durch Gebotsobergrenzen in Kurzfristmärkten reduziert sich die Notwendigkeit für langfristige Absicherungsgeschäfte, wodurch Deckungsbeiträge ausbleiben und Investitionen zurückgehalten werden. Schließlich kommt es zu einer unzureichenden Versorgung in Knappheitssituationen. Die beobachtbaren Preisausschläge müssen jedoch nicht zwangsläufig aufgrund von Preisaufschlägen aufgetreten sein. Es ist auch möglich, dass bei diesem Preisniveau der Strompreis den Grenznutzen eines Nachfragers überstieg und somit die Nachfrage reduziert wurde. Folglich stehen angebotsseitige Preisaufschläge mit nachfrageseitigen Reaktionen in einem wettbewerblichen Verhältnis. Aus diesem Grund wird im folgenden Abschnitt die Annahme einer starren Nachfrage diskutiert. 49 5.4.2 Preissetzung auf Basis nachfrageseitiger Gebote Aus Vereinfachungsgründen wird für den Strommarkt häufig eine unelastische Nachfrage angenommen. Im Gegensatz dazu wird in der energieökonomischen Literatur (z.B. Stoft, 2002) darauf verwiesen, dass in einem Energy-only-Markt im Sinne des Peak-load-Pricing die Nachfrage in Knappheitssituationen den Preis setzt. Üblicherweise wird für diese Situationen der „Value of Lost Load“ (VOLL) Preis angenommen, der in der Regel mit ca. 8.000 EUR/MWh (siehe Fußnote 1) angegeben wird. Durch diese Preisspitzen können sich Spitzenlastkraftwerke finanzieren. Bei Nachfrageelastizität eines größeren Bereichs der Nachfrage ist dieser Effekt auch möglich, wenn regelmäßiger geringere Preisspitzen auftreten. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Nachfrager die Möglichkeit haben wollen, sich durch eine Flexibilisierung gegen hohe Preisspitzen abzusichern. Sollte es zu Preisspitzen kommen oder die Möglichkeit hoher Preisspitzen drohen, können Nachfrager limitierte Gebote in den Markt bieten, um der Gefahr sehr hoher Preise zu entgehen. Nachfrageflexibilität sollte daher nicht mit mangelnder Versorgungssicherheit gleichgestellt werden. Als Versorgungssicherheit wird in Übereinstimmung mit r2b (2012) definiert, dass Angebot und Nachfrage zu einer Markträumung in der Lage sind. Sollte die Nachfrage auf Preise reagieren, bedeutet dies eine Wahlfreiheit zur Kostenreduktion. In diesem Sinne schreibt Wolak (2009), dass Nachfrageflexibilität zum einen das angebotsseitige Marktmachtpotenzial reduziert und zum anderen die Stromrechnung reduzieren kann, im Vergleich zu einer Durchschnittskostenkalkulation der Endkundenpreise. In Abbildung 5.14 ist dieses Verhalten stilisiert dargestellt. Abbildung 5.14: €/MWh Änderungen des Marktpreises durch Nachfrageflexibilität Ohne Mit Nachfrageflexibilität Nachfrageflexibilität Preisunelastische Nachfrage Preiselastische Nachfrage €/MWh Angebot, P1 Deckungsbeitrag inkl. Mark-up Angebot, inkl. P2 Deckungsbeitrag Mark-up = Mark-up = zusätzlicher Deckungsbeitrag GW GW Quelle: Eigene Darstellung. Auf der linken Seite in Abbildung 5.14 ist die Preissetzung der Angebotsseite durch einen Preisaufschlag dargestellt. Auf der rechten Seite reagieren die Nachfrager durch eine preiselastische Nachfragefunktion, womit ein Teil der Nachfrage reduziert wird und die Preisspitze kleiner ausfällt. 50 Dies zeigt, dass bereits eine begrenzte Nachfrageflexibilität dazu in der Lage ist, zum einen Preisspitzen zu reduzieren und zum anderen die Spitzennachfrage zu reduzieren. Darüber hinaus ist in Abbildung 5.14 dargestellt, dass Nachfrageflexibilität dazu beitragen kann, Deckungsbeiträge für Spitzenlastkraftwerke zu generieren. Um abzuschätzen, ob dieser Effekt zur Lösung der Versorgungssicherheitsherausforderung beitragen kann, ist von entscheidender Bedeutung, ob es ausreichend Potenzial auf der Nachfrageseite gibt und ob Barrieren bestehen, welche die Nutzung des Potenzials verhindern könnten. Da bereits heute einige energieintensive Prozesse am Regelenergie- und Strommarkt teilnehmen (EWI, 2012) gibt es zumindest Hinweise darauf, dass dies möglich ist und ggf. aufgrund zu geringer wirtschaftlicher Anreize noch keine Ausweitung der Nachfrageflexibilisierung stattgefunden hat. Ein großer Teil der Industrie hat leistungsgemessene Verträge und ist somit zumindest theoretisch in der Lage auf hohe Strompreise zu reagieren (r2b, 2012 und Consentec, 2012). Wenn ausreichend Potenziale vorhanden sind und keine Markteintrittsbarrieren bestehen, sind somit die Grundvoraussetzungen für einen funktionierenden Energy-only-Markt vorhanden. Lastmanagementpotenziale Für die Teilnahme am Regelenergiemarkt sind bereits einige Industrieunternehmen präqualifiziert. In diesem Abschnitt werden das technische und das theoretische Potenzial einiger Studien gegenübergestellt. Abbildung 5.15 zeigt die Entwicklung des technischen Potenzials anhand von VDE (2012) und EWI (2012). Abbildung 5.15: Technisches Potenzial der Nachfrageflexibilität 18 Kommunal 16 Industrie Potenzial [in GW] 14 GHD 12 Haushalt 10 8 6 4 2 0 2010 2020 2030 VDE (2012) EWI (2012) Quelle: Eigene Darstellung nach VDE (2012) und EWI (2012) 51 Während VDE (2012) davon ausgeht, dass sich das technische Potenzial durch technologische Entwicklungen (z.B. Smart Meters und Wärmepumpen) im Zeitverlauf steigert, verbleibt das bereits höher eingeschätzte Potenzial in EWI (2012) auf dem heutigen Niveau. Zusätzlich zum technischen Potenzial analysieren einige Studien das theoretische Potenzial. In einigen Fällen ist auch nicht eindeutig, welche Potenzialdefinition gemeint ist. Tabelle 5.1 zeigt eine Übersicht verschiedener Untersuchungen. Tabelle 5.1: Abschätzungen der theoretischen Nachfrageflexibilität Quelle Haushalte GHD Industrie Summe Stadler (2005) 25 (pos.), 75 (neg.) 25 (pos.), 75 (neg.) Klobasa (2007) 20 10 30 Dena II Netzstudie (2010) 7 (pos.), 32 (neg.) 2 (pos.), 14 (neg.) 7 (pos.), 4 (neg.) 16 (pos.), 50 (neg.) VDE (2012) 13-35 7-11 4,5 24,5-50,5 Quelle: VDE (2012), dena (2010), BMWi/EWI (2012) Ein großer Teil des identifizierten Potenzials befindet sich in Haushalten. Diese sind deutlich schwieriger zu erschließen und haben eine ungünstigere Kostenstruktur als Industrieprozesse. Dennoch besteht die Möglichkeit, dieses Potenzial durch Entwicklungen im Bereich der Smart Meter, Smart Grids und Elektromobilität nutzbar zu machen. Nichtsdestotrotz bestehen die leichter erschließbaren Potenziale im Industriebereich. Diese Kunden verfügen bereits über eine Leistungsmessung und sind somit grundsätzlich bereits in der Lage, ihre Nachfrage bei hohen Preisen zu reduzieren. Der größte Teil des Lastmanagementpotenzials wird derzeit vor allem aus wirtschaftlichen Gründen nicht genutzt. Ähnlich wie bei Investitionen in Erzeugungskapazitäten scheinen diese Investitionen derzeit nicht wirtschaftliche zu sein. Bei Bedarf kann jedoch ein Teil des Potenzials in sehr kurzer Zeit erschlossen werden. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass nicht zwangsläufig eine sehr große Nachfrageflexibilität vorhanden sein muss. Es reichen einige Gebote in der Nachfragekurve, um Knappheitssignale in der Preissetzung zu ermöglichen. Sollte die Nachfrage in einigen Stunden des Jahres die Preise setzen, werden dadurch wiederum Investitionen in Spitzenlasttechnologien angereizt. Schließlich wird sich ein Gleichgewicht zwischen Lastmanagement und Spitzenlastkraftwerken bilden. Reduktion der Markteintrittsbarrieren Um die Potenziale erschließbar zu machen, ist es wichtig, mögliche Markteintrittsbarrieren zu erkennen und zu reduzieren. Die wesentlichen Einschränkungen beim Lastmanagement sind technische Kriterien, lange Vorlaufzeiten der Marktteilnahme, die minimale Produktgröße und die Länge der Lieferung. 52 • Lastmanagement hat den Vorteil, dass der Abruf in der Regel sehr schnell erfolgen kann. Daher erfüllen einige Prozesse bereits heute die Präqualifikationskriterien des Regelenergiemarktes. • Als wichtiges Kriterium zur Marktteilnahme gilt die Verfügbarkeit. Aus diesem Grund sind lange Vorlaufzeiten ein möglicher Hinderungsgrund zur Teilnahme. Die Stärkung des Intradaymarktes kommt Lastmanagementprozessen daher entgegen. • Die minimale Produktgröße spielt eine Rolle, da sie dazu führen kann, dass mehrere Prozesse aggregiert werden müssen. Beispielsweise wurde die minimale Produktgrößen auf dem Minutenreservemarkt von 15 MW auf 5 MW reduziert, wodurch auch kleinere Aggregate an diesen Märkten teilnehmen können. • Die Länge der Lieferung spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle, da einige Prozesse Einschränkungen bei der Dauer der Lastverlagerung haben. Muss beispielweise die Lieferung für einen bestimmten Zeitraum garantiert sein, müsste das Aggregat ggf. ausgeweitet werden, um den Lieferzeitraum bereitstellen zu können. Im Minutenreservemarkt besteht beispielsweise die Verpflichtung, bis zu vier Stunden liefern zu können. Dieser Zeitraum kann bei einigen Prozessen zu Herausforderungen führen. Dem gegenüber besteht seit Ende 2011 auf dem Intradaymarkt die Möglichkeit die letzten zwei Stunden vor Erfüllung in 15 Minutenprodukten zu Markteintrittsbarrieren, handeln. da Das ist insbesondere ein Beispiel für Lastmanagementprozesse die Reduktion von diesen von kurzen Erfüllungszeiträumen profitieren können. Lastmanagement auf Regel- und Strommärkten Ob Lastmanagement auf dem Regelenergiemarkt oder auf dem Strommarkt angeboten wird, spielt eine nachgelagerte Rolle. • Für die Versorgungssicherheit ist relevant, dass zusätzliche Leistung verfügbar wird. Wenn Lastmanagement auf den Regelmärkten zum Zuge kommt, werden dafür keine konventionellen Erzeugungskapazitäten mehr benötigt. Diese stehen in diesem Fall dem Strommarkt zur Verfügung. • Für die Preissetzung ist entscheidend, dass der Regelenergiemarkt und der Strommarkt interdependent sind. Besteht Knappheit auf einem Markt, steigen ebenfalls die Preise auf dem anderen Markt, da in diesem Fall die Opportunitätskosten bei der Preissetzung eine Rolle spielen. In diesem Abschnitt wurde gezeigt, dass die Preissetzung nicht zwangsläufig auf den Grenzkosten der letzten konventionellen Erzeugungseinheit basieren muss. Es gibt Situationen, in denen Preise durch Opportunitätskosten, die Nachfrage oder knappheitsbedingte Preisaufschläge gesetzt werden können. Die Flexibilisierung der Nachfrage kann eine entscheidende Rolle dabei spielen, Versorgungssicherheit im Energy-only-Markt zu gewährleisten. Es besteht ausreichend Lastmanagementpotenzial, welches bei entsprechenden Marktsignalen und angemessener Ausgestaltung der jeweiligen Produkte aktiviert 53 werden kann. Dies hat Auswirkungen auf die gesicherte Leistung und die Preissetzung als Knappheitssignal und Investitionsanreiz. 5.5 Schlussfolgerungen Anhand der Untersuchung der aus Vereinfachungsgründen getroffenen Annahmen lässt sich zeigen, dass sie häufig nur unter bestimmten Unsicherheiten getroffen werden können oder teilweise die Ergebnisse so stark determinieren, dass die Interpretationen nicht als Basis für eine Handlungsempfehlung genutzt werden sollten. Das Abweichen von diesen Annahmen eröffnet den Lösungsraum für eine Vielzahl von Optionen mit denen den aktuellen Herausforderungen begegnet werden kann. Definition der Versorgungssicherheit Annahme: Versorgungssicherheit muss national oder sogar regional erfüllt werden. Je größer das relevante Gebiet für die Versorgungssicherheit definiert wird, desto größer sind mögliche Einspareffekte durch einen geringeren Bedarf an konventioneller Kraftwerksleistung und durch einen kostengünstigeren Kraftwerksbetrieb. Bei gewünschter Versorgungssicherheit in kleineren Gebieten ist das Gegenteil der Fall: Sowohl die Investitionskosten als auch die Kosten des Kraftwerksbetriebs erhöhen sich. Angebotsseitige Annahmen Annahme: Kraftwerke werden nach ihrer fixen technischen Lebensdauer stillgelegt. Die Annahmen zu fixen Kraftwerkslebenszeiten konventioneller Kraftwerke führen zur Wahrnehmung einer Handlungsnotwendigkeit, während in der Realität die Laufzeiten vor allem auf dem Preisniveau basiert. Kraftwerke werden länger betrieben, wenn sich dies aufgrund hoher Preise rentiert. Kraftwerke in Planung werden ggf. aufgrund politischer Unsicherheiten zum zukünftigen Marktdesign derzeit nicht realisiert. Dies führt zu einer künstlichen Verschärfung der Herausforderung. Nachfrageseitige Annahmen Annahme: Die zukünftige Spitzenlast ist planbar Die Spitzenlast lässt sich lediglich unter sehr großen Unsicherheiten für längere Zeiträume prognostizieren. Die Beiträge volatiler erneuerbarer Energien verstärken diese Herausforderung. Eine Behörde würde in der Tendenz vermutlich konservativer planen und zu Überkapazitäten neigen, welche durch Stromkunden finanziert werden müssten. 54 Annahmen zur Preissetzung Annahme: Preise werden stets durch die kurzfristigen Grenzkosten des letzten Kraftwerks gesetzt. Preisspitzen über Grenzosten sind nötig um Investitionskosten zu decken und Knappheiten zu signalisieren. Ein Verbot von Mark-ups kann zum Ausbleiben ökonomisch notwendiger Signale führen. Innerhalb eines Marktes sollten die die Regelungen zu Preisaufschlägen koordiniert sein, da es zu geografischen Verzerrungen im Kraftwerksbetrieb und in der Ansiedlung von Erzeugungskapazitäten führen kann. Annahme: Die Nachfrage ist unflexibel. Die Nachfrageseite ist in der Lage auf Preise zu reagieren und auf Basis des Grenznutzens der Nachfrage Preise zu setzen. Das Potenzial für Lastmanagement ist vorhanden. Lastmanagement ist in der Lage den Bedarf an Spitzenlastkraftwerke zu reduzieren und gleichzeitig Preise zu setzen, welche die verbleibenden Spitzenlastkraftwerke finanzieren. In der langen Frist kommt es zu einem Ausgleich an Lastmanagement und Spitzenlastkraftwerken. Die Schlussfolgerungen, welche auf Basis dieser vereinfachenden Annahmen getroffen wurden, sollten kritisch hinterfragt werden, insbesondere da die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen unter Umständen einige der in diesem Abschnitt aufgezeigten Lösungsoptionen ausschließen könnten. In Anbetracht der aktuellen Herausforderungen der EE- und EU-Binnenmarkt-Integration wird eine große Anzahl an Lösungsoptionen nötig sein, um eine langfristig effiziente Weiterentwicklung des Versorgungssystems zu gewährleisten. Dieser Lösungsraum sollte folglich so offen wie möglich ausgestaltet sein. 55 6 Kapazitätsmechanismen als Lösungsoption In diesem Kapitel wird diskutiert, welcher Mechanismus dazu geeignet ist, in effizienter Weise Versorgungssicherheit zu gewährleisten und somit der aktuellen Herausforderung einer wahrgenommenen Finanzierungslücke zu begegnen. Die Diskussion in den bisherigen Kapiteln hat gezeigt, dass die Annahmen, auf denen die Handlungsnotwendigkeit und somit die Begründung für Kapazitätsmärkte hergeleitet wurde, nicht als gegeben übernommen werden sollten. Die Annahmen einer starren Nachfrage, einer fixen technischen Lebensdauer der Kraftwerke, in Kombination mit einer Preissetzung auf Basis kurzfristiger Grenzkosten, führen zwangsläufig zu einer Finanzierungslücke. Dennoch besteht durch den rasanten Anstieg des EE-Anteils und die Integration des EU-Binnenmarktes derzeit eine Umbruchsituation, die zu vorübergehend geringeren Preisen und folglich zu einer Investitionszurückhaltung führen kann. Um in dieser Übergangsphase ein mögliches Ausbleiben der Markträumung zu verhindern, kann es sinnvoll sein die Versorgungssicherheit durch einen geeigneten Mechanismus abzusichern. Dieser Mechanismus sollte die identifizierten Herausforderungen auf effiziente Weise lösen. Wenn einige der zuvor diskutierten Annahmen hinterfragt werden, eröffnen sich neue Möglichkeiten den aktuellen Herausforderungen zu begegnen. Auf dieser Basis können einige Situationen hergeleitet werden, mit denen ein Kapazitätsmechanismus umgehen können sollte. Die wichtigste Eigenschaft, neben der effektiven Gewährleistung der Versorgungssicherheit, ist die Offenheit für eine große Anzahl an Lösungsoptionen. Der Mechanismus sollte in der Lage sein, die folgenden Entwicklungen zu berücksichtigen, ohne dabei die Wirkungsweise zu gefährden oder zu signifikanten Mehrkosten zu führen. • Änderung der Nachfrage: Bei einer sich ändernden konjunkturellen Entwicklung, bei einem vom Ziel abweichenden Ausbau erneuerbarer Energie und bei Einführung von Energieeffizienzmaßnahmen sollte der Mechanismus in der Lage sein, weiterhin das Ziel in effizienter Weise zu gewährleisten, wenn sich die residuale Stromnachfrage anders als prognostiziert entwickelt. Dies beinhaltet ebenfalls die daraus folgenden Änderungen der Brennstoff- und CO2 Preise. • Technologie: Der Mechanismus sollte technologieneutral ausgestaltet sein. Eine Verengung auf spezifische Technologien vermindert die Lösungseffizienz. Sollten neue Technologien für den Strommarkt zur Verfügung stehen (z.B. Smart Meter, Smart Grids und Elektroautos), sollte der Mechanismus in der Lage sein, diese in den Markt zu integrieren, sofern sie zu einer Steigerung der Effizienz beitragen. • Netzausbau: Abhängig von der regionalen Definition der Versorgungssicherheit sollte der Mechanismus effizient auf Änderungen der Netzsituation reagieren können. Innerhalb des EUBinnenmarktes können Investitionen in Interkonnektorkapazitäten den Strompreis beeinflussen. Der Mechanismus sollte die Möglichkeiten der Effizienzsteigerung nutzen. 56 • Marktdesign: Der Mechanismus sollte möglichst mit geringen Eingriffen in den Energy-only Markt auskommen. Er sollte zudem in der Lage sein zukünftige Anpassungen des Marktdesigns zu erlauben. Aufgrund der Interdependenzen im Strommarkt beeinflussen Änderungen in einem Element des Marktes andere Elemente. Aus diesem Grund sollte der Mechanismus in der Lage sein, zukünftige, der Effizienz dienende Änderungen des Marktdesigns zu erlauben, ohne dadurch in seiner Funktion beeinträchtigt zu werden. Hierzu gehören ebenfalls Reaktionen auf vorübergehende Herausforderungen, wie z.B. kurzzeitige Leistungsungleichgewichte in einigen Regionen. Reversible Mechanismen sind vorzuziehen, wenn sie anderen Maßnahmen gleichwertig sind. • Europa: Der Mechanismus sollte mit dem Strombinnenmarkt vereinbar sein. Der Prozess des Zusammenwachsens der nationalen Märkte sollte nicht durch neue Marktverwerfungen gestört werden. Operative Effizienzgewinne durch Nutzung größerer Marktgebiete sollten erschlossen werden Von zentraler Bedeutung sind die grundlegenden Eigenschaften der Mechanismen, die Effektivität, die Effizienz und die ordnungspolitische Bewertung. Die häufig angeführte Umweltverträglichkeit sollte kein dezidiertes Kriterium eines Kapazitätsmechanismus sein. Stattdessen sollte der Mechanismus mit den für diese Ziele implementierten Instrumenten kompatibel sein. Für eine diesbezügliche Bewertung der Versorgungssicherheitsverträge und der strategischen Reserve wird auf UBA (2012) verwiesen. Eine wesentliche Aussage der Analyse ist, dass Versorgungssicherheitsverträge starke regulatorische Risiken beinhalten. Da eine Vielzahl an Parametern durch eine zentrale Instanz gesetzt werden müssen, besteht die Gefahr dass diese Parameter u.a. aufgrund von Partikularinteressen suboptimal gesetzt werden. Es kann als wahrscheinlich gesehen werden, dass diese Parameter im Zeitverlauf nachjustiert werden müssen, was die Planungssicherheit der Marktteilnehmer von politischen Entscheidungen abhängig macht. Zudem besteht die Gefahr, dass aufgrund der Einführung von Versorgungssicherheitsverträgen das Marktdesign des restlichen Versorgungssystems ebenfalls angepasst werden muss. Auf selektive Mechanismen wird in der vorliegenden Studie nicht eingegangen, da sie sich auf die Anreizung einzelner Elemente konzentrieren und somit nicht in der Lage sind, Versorgungssicherheit in effizienter Weise zu gewährleisten. Für eine Diskussion dieser Bewertung wird auf DICE (2011), r2b (2011/2012) und Consentec (2012) verwiesen. An dieser Stelle Mechanismen, die sollte dennoch diskutiert werden, Versorgungssicherheitsverträge inwiefern sich (stellvertretend die für derzeit einen diskutierten umfassenden Kapazitätsmarkt) und die strategische Reserve in ihrer Kostenwirkung unterscheiden. Aus diesem Grund wird in Abbildung 6.1 die Wirkungsweisen beider Mechanismen zur Deckung der Fixkosten unter der Annahme vollständiger Voraussicht dargestellt. 57 Abbildung 6.1: €/MWh Wirkungsweise der Kapazitätsmechanismen Energy-only-Markt Ggf. mit Strategischer Reserve Kapazitätsmarkt €/MW A Preisdauerlinie Zeit Im langfristigen Gleichgewicht bei N Leistung Deckungsbeiträge: sonst gleichen Annahmen gilt: = Quelle: Eigene Darstellung. • Auf der linken Seite in Abbildung 6.1 ist die Preisdauerlinie eines Energy-only-Marktes dargestellt, der ggf. mit Absicherung durch eine strategische Reserve, Deckungsbeiträge in Knappheitssituationen ermöglicht. • Auf der rechten Seite ist die Wirkungsweise eines separaten Kapazitätsmarktes dargestellt, in dem die benötigten Deckungsbeiträge in einem separaten Markt erwirtschaftet werden. • Beide Mechanismen sollten im langfristigen Gleichgewicht unter der Annahme einer vollständigen Voraussicht zu den gleichen Kraftwerksinvestitionen und Deckungsbeiträgen und somit zu den gleichen Kosten führen. Diese Annahmen sind jedoch kritisch zu hinterfragen. • Während bei der strategischen Reserve der Energy-only-Markt in seiner maßgeblichen Funktion, das Senden eines Marktsignals, unberührt bleibt, wird bei der Einführung eines Kapazitätsmarktes ein zweites Marktsignal eingeführt. • Der Kapazitätsmarkt sendet den Kapazitätsbedarf fünf bis sieben Jahren im Voraus und der Strommarkt sendet das Signal des Kraftwerkseinsatzes. Sollte es im Zeitverlauf zwischen erster Auktion und Realisierung zu Änderungen der Rahmenbedingungen kommen, hat der Mechanismus nur noch eingeschränkte Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Bei umfassenden Kapazitätsmärkten kann demnach zu Situationen kommen, in denen der Lösungsraum, u.a. aufgrund einer Präqualifikation, eingeschränkt wird. Das ist vor allem der Fall, wenn Technologien berücksichtigt werden sollten, die unterschiedliche Ansprüche an die zeitliche Ausgestaltung der Auktion haben. Beispielweise benötigen Investitionen in konventionelle Kraftwerke fünf bis sieben Jahre Vorlaufzeit, um die Leistung bereitzustellen, während Lastmanagement gesicherte Leistung nur mit deutlich kürzeren Vorlaufzeiten anbieten kann. Häufig wird argumentiert, dass die Auktion in zeitlich aufeinander abgestimmte Teilauktionen zerlegt werden kann. Dies würde 58 den Vorteil bieten, dass im Zeitverlauf Anpassungen vorgenommen werden können. Es hat jedoch auch den Nachteil, dass die zu auktionierenden Mengen pro Auktion festgelegt werden müssen. Diese Teilauktionen haben dadurch einen eingeschränkten Lösungsraum. Sollte eine der Teilauktionen ein Jahr vor Erfüllung erfolgen, kommen beispielsweise nur noch Bestandsanlagen und Lastmanagement in Betracht. Für Neuinvestitionen reicht der Zeitraum nicht mehr aus. In den längerfristigen Auktionen ist eher das Gegenteil der Fall. Zudem zeichnen sich diese Teilauktionen durch eine geringere Liquidität aus, wodurch eine potenzielle Marktmachtproblematik eingeführt wird, wie sie im Strommarkt aufgrund der EU-Binnenmarktintegration nicht mehr relevant erscheint. Die Kapazitätsmärkte im Nordosten der USA sind nach Wolak (2009) Gegenstand regelmäßiger Anpassungen, da sie sehr anfällig für einseitige Marktmachtausübung seien und die Marktergebnisse zudem keine zuverlässigen Investitionssignale senden würden. Zudem sei quasi garantiert, dass Kapazitätszahlungen zu höheren Kosten für Stromkunden führen im Vergleich zu einer aktiven Nachfrageseite am Großhandelsmarkt. Kapazitätsmärkte tendieren dazu, insbesondere wenn eine zentrale Instanz die Verantwortung für die ausgeschriebene Menge trägt, zu viel Erzeugungsleistung aufzubauen. Wie in Abschnitt 5.3 gezeigt wurde, bestehen große Unsicherheiten bei der Abschätzung der zukünftigen Spitzenlast. Im Zweifelsfall würde eine Behörde vermutlich eher konservativ planen, bevor die Gefahr einer Deckungslücke auftritt. Diese künstlich geschaffenen Überkapazitäten drücken den Strompreis konstant auf Grenzkostenniveau. Dadurch besteht die Gefahr, dass Anreize für Lastmanagement ausbleiben und technologische Lock-in Effekte entstehen. Die Motivation für ausreichend gesicherte Leistung ist in der Regel Stromkunden vor hohen Preisen und Preisvolatilität zu schützen. Tatsächlich würde die Umlage von Kapazitätszahlungen jedoch dazu führen, dass preiselastische Nachfrager davon abgelten würden ihre Stromrechnung zu reduzieren indem sie in Zeiten hoher Strompreise ihre Nachfrage senken (siehe auch Buschnell et al., 2009). Als Folge könnte ein Kraftwerkspark entstehen, dessen Hauptaufgabe es ist, die Einspeisung aus erneuerbaren Energien abzusichern, wodurch er deutlich höhere Kosten hat als ein flexibles Versorgungssystem, welches weitere technologische Entwicklungen anreizt, die den Herausforderungen eines zunehmend auf erneuerbaren Energien basierendes Versorgungssystems entsprechen. Bei Einführung einer strategischen Reserve bleibt das Effizienz- und Innovationspotenzial des Energyonly-Marktes erhalten. Sie kann bei vorübergehend bedrohter Markträumung durch das Setzen eines hohen Preisgebots Angebot und Nachfrage zusammenführen und gleichzeitig ein Knappheitssignal senden, welches Investitionen anreizen kann. Der wesentliche Vorteil der strategischen Reserve ist, dass alle Marktakteure dem gleichen Marktpreis ausgesetzt sind. Jeder Akteur hat die Möglichkeit, darauf mit jeder verfügbaren Technologie zu reagieren. Dies kann dazu führen, dass neben Investitionen in konventionelle Kraftwerke neue Technologien genutzt werden können (z.B. Smart Grids und Elektroautos), aber auch bisher ungenutzte Potenziale angereizt werden (z.B. Lastmanagement oder Netzersatzanlagen). Sollten innerhalb einer Marktzone Netzengpässe bestehen, kann mit einer strategischen Reserve zudem die regionale Versorgungssicherheit gewährleistet werden. Diese Option ist jedoch lediglich vorübergehender Natur, da diese Absicherungsoption durch gezielten Netzausbau abgelöst wird. 59 Kurzfristig kann somit Versorgungssicherheit gewährleistet werden, ohne aufgrund zeitlich begrenzter Herausforderungen das Marktdesign grundlegend zu ändern. Ein zeitnahes Bekenntnis zu einem Energy-only Markt mit einer Absicherung durch eine strategische Reserve würde das Problem des Investitionsattentismus entgegenwirken. Derzeit bestehen erhebliche Unsicherheiten für Investitionen in Erzeugungskapazitäten allein durch die politische Diskussion zu verschiedenen zukünftigen Marktdesigns. Kapitalintensive Investitionen werden zurückgehalten, bis Klarheit über den Rahmen des Wirtschaftens besteht. Durch diese „künstlich erzeugte“ Zurückhaltung erscheint die Herausforderung bedrohlicher als sie sein müsste. Erst durch ein glaubwürdiges politisches Bekenntnis zu einem robusten Marktdesign lässt sich dieser Investitionszurückhaltung begegnen. Beim Vergleich der beiden Kapazitätsmechanismen, Versorgungssicherheitsverträge und strategische Reserve, scheint die Absicherung des Energy-only-Marktes mithilfe einer strategischen Reserve den aktuellen Anforderungen angemessener begegnen zu können. Die Übergangsphase zu einem auf erneuerbaren Energien basierenden System innerhalb eines europäischen Binnenmarktes für Strom bedarf einer Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten, welche nicht mit langen Vorlaufzeiten geplant werden können. Ein Strompreis, welcher Knappheiten und Überangebote signalisieren kann, ist am ehesten dazu in der Lage, Investitionen in die adäquaten Technologien anzureizen. 60 7 Zusammenfassung Das Ziel dieser Studie ist es zu hinterfragen, ob ein tiefer Regulierungseingriff derzeit gerechtfertigt ist oder ob der Strommarkt ein nachvollziehbares Ergebnis liefert, welches auf ein Funktionieren des Energy-only-Marktes hindeutet und gegebenenfalls Möglichkeiten für Nachjustierungen aufzeigt. Die Diskussion der Studienannahmen und den daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen deutet auf eine Bandbreite an Wahrnehmungen der aktuellen Marktsituation hin. Die empirische Diskussion der Annahmen zeigt, dass sie bei der Interpretation der Schlussfolgerungen eine entscheidende Rolle spielen. Vor allem die Kombination der aus Vereinfachungsgründen gesetzten Annahmen einer fixen Lebensdauer der Kraftwerke, einer fixen Nachfragen und der Preissetzung auf Basis kurzfristiger Grenzkosten determiniert eine augenscheinliche Finanzierungslücke. Das Abweichen von diesen vereinfachenden Annahmen zeigt eine Vielzahl alternativer Lösungsmöglichkeiten des Energy-onlyMarktes auf. Die Einführung eines umfassenden Kapazitätsmarktes, wie das Modell der Versorgungssicherheitsverträge, geht mit einer großen Unsicherheit beim Setzen der Parameter einher. Die zukünftige Spitzenlast unterliegt großen Unsicherheiten, wodurch der Aufbau von Überkapazitäten wahrscheinlich wird. Als Konsequenz würden keine Knappheitspreise am Strommarkt entstehen und die Anreize für einige Optionen, wie z.B. Lastmanagement, gering ausfallen, obwohl sie beispielweise bei der Integrationsherausforderung der erneuerbaren Energien zu einer effizienten Lösung beitragen könnten. Die Auktion der gesicherten Leistung unterliegt zudem einer Präqualifikation, wodurch gegebenenfalls neue technologische Optionen ausgeschlossen werden und technologische Lock-in Effekte auftreten könnten. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Ausgestaltung aufgrund von Partikularinteressen und Marktmachtbedenken selektive Elemente erhält, welche die theoretische Effizienz eines umfassenden Kapazitätsmarktes untergraben könnten. Als Konsequenz der vielen Unsicherheiten besteht die Gefahr, dass das Versorgungssystem teurer werden könnte als es bei alternativen Marktdesigns der Fall wäre und Nachjustierungen des Kapazitätsmarktes und des restlichen Marktdesigns nötig werden. Die Einführung einer strategischen Reserve könnte das Effizienz- und Innovationspotenzial des Energy-only-Marktes erhalten und gleichzeitig die Versorgungssicherheit gewährleisten. Alle Lösungsoptionen würden innerhalb des EU-Binnenmarktes einem Wettbewerb zueinander stehen. Eine europäische Perspektive auf Versorgungssicherheit hätte ein signifikantes Kostensenkungspotenzial gegenüber nationalen Lösungen. Aufgrund der zweiten Übergangsphase hin zu höheren Anteilen erneuerbarer Energien werden Investitionen in Spitzenlasttechnologien jeder Art zunehmend wichtiger. Eine Anpassung des Kraftwerksparks wird aus wirtschaftlichen Gründen stattfinden. Die aktuelle Diskussion um Kraftwerksstilllegungen deutet bereits auf diesen Prozess hin. Die strategische Reserve kann diesen Prozess effizient absichern. Hierfür sind Preisspitzen notwendig, die deutlich über Grenzkostenniveau liegen. Das Risiko einer hohen Preissetzung der strategischen Reserve dient, neben der Finanzierung von Spitzenlastkraftwerken, vor allem dazu Lastmanagementprozesse anzureizen und somit 61 das nachgewiesene Potenzial auf der Nachfrageseite zu flexibilisieren. Daraus folgt zum einen, dass die Preissetzung in Knappheitssituationen auf Basis des Grenznutzens der Nachfrage basieren kann und zum anderen, dass der Bedarf an Spitzenlastkraftwerken gesenkt wird. Die strategische Reserve kann ebenfalls regional ausgestaltet werden und somit herangezogen werden, um den Zeitraum zur Fertigstellung des Netzausbaus zu überbrücken. Der Energy-only-Markt bietet die Möglichkeiten den aktuellen Herausforderungen zu begegnen. Die steigende Einspeisung volatiler erneuerbarer Energien sendet entsprechende Preissignale, welche zu Investitionen in die passenden Technologien führen. Auf der anderen Seite liefert die EUBinnenmarktintegration zusätzlichen Wettbewerb und steigert somit die Effizienz des Strommarktes. Dennoch kann es in der Übergangsphase zu zeitweiligen Herausforderungen kommen, die mit Hilfe einer strategischen Reserve effektiv und effizient abgesichert werden können. Um Investitionszurückhaltung zu vermeiden, benötigen potenzielle Investoren einen Ordnungsrahmen innerhalb dessen sie agieren können. Aus diesem Grund könnte Attentismus verhindert werden, durch ein politisches Bekenntnis zum Energy-only-Markt, in dem eine strategische Reserve mit festgeschriebenen Einsatzpreisen als Absicherung dient. 62 Literatur BET (2011): Kapazitätsmarkt. Rahmenbedingungen, Notwendigkeit und Eckpunkte einer Ausgestaltung. Studie vom Büro für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH im Auftrag von dem Bundesverband Neuer Energieanbieter e.V. Buschnell, J. B., Hobbs, B. F. und Wolak, F. A. (2009): When it comes to demand response, is FERC ist own worst enemy? The Electricity Journal, Vol. 22, Issue 8. 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Veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union. 63 EWI (2012): Untersuchungen zu einem zukunftsfähigen Strommarktdesign. Gutachten von dem Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln im Auftrag von dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi). Frontier Economics (2011): Is a capacity market required in Germany to guarantee system security? Studie von Frontier Economics im Auftrag der RWE AG. Haucap, J. (2012): Modell strategische Reserve. Interview mit Justus Haucap in der Zeitschrift Energie & Management vom 15. 04. 2012. LBD - Beratungsgesellschaft mbH (2011): Energiewirtschaftliche Erfordernisse zur Ausgestaltung des Marktdesigns für einen Kapazitätsmarkt Strom. Studie von der LBD- Beratungsgesellschaft mbH im Auftrag von dem Umweltministerium des Landes Baden-Württemberg. Nicolosi, M. (2010): Wind power integration and power system flexibility – An empirical analysis of extreme events in Germany under the new negative price regime. 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