Das Kirchspiel Jurgaitschen – Königskirch im Kreis Tilsit

Transcription

Das Kirchspiel Jurgaitschen – Königskirch im Kreis Tilsit
Das Kirchspiel
Jurgaitschen – Königskirch
im Kreis
Tilsit-Ragnit/Ostpreußen
Teil I – Auf einen Blick –
Die Geschichte des Kirchspielbereiches und des Kirchspiels bis
zum Ende 1948 mit den Daten der ersten Ansiedlungen und der
Deutung der Ortsnamen (Auszug)
© 2005 Botho Eckert Bad Salzuflen
( früher Skattegirren/Groschenweide)
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 1 von 26
Karte 1
© 2004 Botho Eckert, Bad Salzuflen (Nachzeichnung und Verkleinerung nach den
zusammengefügten Messtischblättern (1:25 000) von Heinrichswalde, Tilsit, Schillen, Königskirch und
Aulenbach)
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 2 von 26
Die Verwaltungsbezirke im Kirchspielbereich
Vor der ersten Besiedlung um 1500 war der Kirchspielbereich tiefster Urwald, der so
genannte Grauden. Ab ca. 1300 beherrschte der Deutsche Orden das Gebiet mit der
Komturei in Ragnit.
1525 entstand aus den prussischen Gebieten
Samland, Nadrauen und Schalauen
der Verwaltungsbezirk Samland mit Sitz in Königsberg
Aus der Komturei Ragnit bildeten sich die Hauptämter
Tilsit mit den Creysen (Beritten) Thaurothenen und Argeningken, (in diesem lag
der Kirchspielbereich Jurgaitschen)
Ragnit
und Labiau.
1713 entstand die Domänenkammer Königsberg und
1736 für Nadrauen und Schalauen, dem damaligen Preußisch-Lithauen, die neue
Domänenkammer in Gumbinnen.
1733 gab es auf der Karte von J. F. Betgen die folgenden Districte:
den Memelschen
den Tilsitschen mit den Amtsbezirken
o Linkuhnen einschließlich Heinrichswalde
o Kukernese
o Balgarden (Tilsit)
den Ragnitschen mit den Amtsbezirken
o Ragnit
o Gerskulen, in dem das Kirchspiel Szillen lag.
1751 entstanden die ersten ländlichen Kreise.
Nadrauen und Schalauen gehörten zum Lithauischen Cammer-Departement.
Es entstanden u. a. die folgenden Kreise:
Gumbinnen
Ragnit u. a. mit dem Domänenamt
Gerskulen mit 5 Vorwerken und 70 Dörfern
Tilsit u. a. mit den Domänenämtern
Balgarden mit 2 Vorwerken und 102 Dörfern
Heinrichswalde mit 2 Vorwerken und 25 Dörfern
Linkuhnen mit 1 Vorwerk und 121 Dörfern
1808 erhielten die Domänenkammern den Titel Regierung. Somit gab es ab 1809
die Königlich Litauische und ab 1816 die Königlich Preußische Regierung
1818 entstanden im neuen Regierungsbezirk Gumbinnen u. a. die folgenden Kreise:
Insterburg Land
Ragnit
Tilsit Land und Niederung
Im Gemeindelexikon von 1888 erscheinen folgende Kreise und Amtsbezirke:
Tilsit u. a. mit dem Amtsbezirk
Eromeiten
Ragnit u. a. mit den Amtsbezirken
Jurgaitschen an der Budup
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 3 von 26
Neuhof
Niederung u. a. mit den Amtsbezirken
Brettschneidern
Kellmienen
1833 entstand das neue Kirchspiel Jurgaitschen
1905 gab es im Regierungsbezirk Gumbinnen 14 Kreise, darunter
Tilsit Stadt
Tilsit Land
Ragnit und
Niederung
1922..entstand der Landkreis Tilsit-Ragnit mit der Verwaltung in Tilsit u. a. mit
den Kirchspielen
Jurgaitschen (alle Orte kamen nun endgültig zum neuen Kirchspiel)
Schillen
und 1938 der Landkreis Elchniederung mit der Verwaltung in Heinrichswalde und
u .a. mit den Kirchspielen
Heinrichswalde
Skaisgirren/Kreuzingen
1934 erhielten alle Orte neue deutsche Namen
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 4 von 26
Zusammenstellung aller Orte des Kirchspiels mit Angaben der Ansiedlung sowie der ersten
amtlichen Eintragungen
Daten der
Ortsname alt
Ortsname neu
Hinweise
Ansiedlung
vor 1709
Alloningken
Allingen
vor 1785
Alloningscher Teich
kam 1888 zu Alloningken
vor 1709 1764
Abud Bussen
kam 1922 zu Thalszenten
vor 1630 1639
Argeningken-Graudszen
Argenhof
Birkenwalde *
Gut Birkenwalde
kam zu Allingen
1670
vor 1861
Böttchersdorf /Trakeningken
Kam zu Birkenwalde
vor 1716 1750
Budopönen
auch Kisen genannt
Freihöfen
vor 1709
Groß Brettschneidern
Brettschneidern
ca. 1785-1796
Klein Brettschneidern *
kam zu Brettschneidern
vor 1709
Groß Dummen
Ostwalde
1737
Klein Dummen
Klein Ostwalde *
kam zu Ostwalde
vor 1700 1741
Freyhoff seit 1846
Freihof *
kam zu Königskirch
vor 1630
Giggarn
Girren
vor 1709
Giggarn-Skerswethen
Garnen
ca. 1709-1736
Gaydwethen
Geidingen
ca. 1785-1796
Alt Grünheide
Forst Grünheide *
ca. 1785-1846
Neu Grünheide
kam 1888 zu
Schillupischken
vor 1914
Heide*
kam zu Seikwethen
Groß Ischdaggen
auch Brasen genannt
1623
Groß Roden
ca. 1796-1846
Klein Ischdaggen
kam zu Kellmienen
vor 1630 1741
Jurgaitschen
Königskirch
ca. 1785-1796
Dorf Kaukwethen
Gut Raunenhof
kam 1888 zu Tauern
Gut Kaukwethen
Gut Bartken
blieb beim Krs. Niederung
vor 1630
Kaukweth-Kludszen
Raunenwalde *
kam zu Alloningken
(vor 1540)
Kellmienen
auch Pillwellen genannt
1647
Kellen
vor 1630 1654
Kermuszeiten
Kermen
Klipszen-Rödszen
(vor 1540)
1619
Klipschen
vor 1630
Kluickschwethen(Klischwethen) Klischenfeld*
kam 1934 zu Königskirch
vor 1630 1716
Krauleiden
Krauden
vor 1709
Kluickschwethen
Klugwettern *
kam 1934 zu Neuhof
vor 1709
Kattenpuppen
Kattensteig *
kam 1934 zu Krauden
Kayserau
1686
Kaiserau
1687
Kühlen
vor 1655 1678
Laugallen
Martinsrode
1619
Lieparten
nach 1888
Lapienen
Forst Lapienen *
Neuhoff
1648
Groß Neuhof
......1752
Klein Neuhof
kam 1922 zu Groß Neuhof
1739 1773
Neuhof-Grineiten
Neuhof-Grüneiten kam zu Hohenberg
1754
Neuhof-Neuendorf *
gehörte zu Neuhof
1749
Neuhof-Hohenberg *
gehörte zu Neuhof
vor 1630 1716
Osznaggern
Aggern
vor 1616 1619
Groß Oszkinnen
Groß Ossen *
kam 1934 zu Lieparten
1763
Klein Oszkinnen oder Klipschen Klein Ossen *
kam 1934 zu Königskirch
1755
Odaushöfchen *
kam zu Groß Skattegirren
vor 1630
Puppen
wurde 1934 geteilt. Puppen
A * kam zu Aggern,
Puppen B * zu Königskirch
vor 1630 1683 Papuschienen
Paschen
vor 1665 1682 Groß Skattegirren
Groschenweide
1725
Klein Skattegirren *
gehörte zu Groß
Skattegirren
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 5 von 26
1639
vor 1665
vor 1630
vor 1630
vor 1630
vor 1630
vor 1736
vor 1709
vor 1709
vor 1630
vor 1709
vor 1540
1764
1695
1745
1716
1639
1772
vor 1630
1682
vor 1709
vor 1615 1643
vor 1709
Schillkojen
Auerfließ
Skambracken
Skeppetschen
Schacken-Jedwillen
Schillupischken
Schaulwethen
Sandlauken
Skardupönen
Seikwethen
Brakenau
Ellerngrund
Feldhöhe
Fichtenfließ
Lichtenhöhe
Sandfelde
Scharden
Ulmental
Sprukinnen (Klein Jurgaitschen)
Thalszenten
Groß Taurothenen
(Tauratheen)
Neu- bzw.Klein Taurothenen *
(Schrödershöfchen)
Turken
Groß Wingsnupönen
Klein Wingsnupönen
Wersmeningken
Wittgirren
Walseeden
Rockingen *
Grünhöhe
Tauern
auch Schaugsten genannt
vor 1796 Tarpszikinnen
genannt
kam 1934 zu Königskirch
war ein königliches Dorf
kam zu Tauern
Groß Wingen
Ortsteil von Groß Wingen
Angerbrunn
Berginswalde
erste Rodungen um 1615
kam nach 1710 zu teilweise
zu Laugallen
Im Kirchspielbereich gab es ursprünglich 66 Ortsnamen(Haupt- und Nebenorte). 57 davon
blieben bis 1945 erhalten. Von den restlichen Ansiedlungen fiel ein Ort der Pest zum Opfer,
die weiteren wurden vor 1922 anderen Dörfern zugeordnet.
1939 existierten 37 Hauptorte, 18 Nebenorte und zwei Förstereien. Die neuen Ortsnamen
wurden ab 1934 eingeführt.
Anmerkung
Die Namen der 37 Hauptorte von 1939 sind fett gedruckt. Die Nebenorte und Förstereien sind mit
einem Stern (*) bezeichnet. Bei den vor 1700 entstandenen Orten sind die Jahreszahlen fett gedruckt.
Die Jahreszahlen der ersten amtlichen Eintragung, z.B. Actum, sind unterstrichen.
(vor 1540)= Ansiedlungen an der Arge, die bereits vor 1540 entstanden.
Nachtrag:
Bei der Suche nach dem Ursprung der einzelnen Orte fällt die große Namensvielfalt einiger
Ansiedlungen besonders auf Karten und Schriftstücken vor 1800 auf. Einige Orte wechselten
vollständig ihren Namen oder tauchen nach 1800 nicht mehr auf.
Es folgen Beispiele
Groschenweide =
Skattigken
Skatiken
Skategirei
Skategirrn
Skatteggirren
Skattegirren
Ulmental =
Tarpszikinnen
Scheigwethen
Seikwethen
Groß Wingen =
Wingschnupoehnen
Wingsnupöhnen
Wingsnupönen
-?-
Forkeningken
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 6 von 26
Hinweise und Daten zur Geschichte
des Kirchspiels Jurgaitschen/Königskirch
im KreisTilsit-Ragnit/Ostpreußen
Vor 350 Millionen Jahren, im Zeitalter des Karbon, gab es sehr wahrscheinlich im
Kirchspielbereich ausgedehnte Farn- und Siegelbaumwälder. Zeuge dieser Zeit ist das
Erdölvorkommen bei Sandlauken und Kellmienen. Es soll sich um qualitativ hochwertiges Öl
handeln.
Vor 65 Millionen Jahren wuchsen im Samland ausgedehnte Kiefernwälder, Lieferanten des
wertvollen Bernsteins; Funde gab es auch im Memeldelta.
Um 11.000 v. Ch. sind erste Ansiedlungen im Gebiet von Pillkallen dokumentiert.
Bis 8.000 v. Ch., dem Ende der Eiszeit, war Ostpreußen vom Eis bedeckt. Die Landschaft
des Kirchspielbereiches wurde durch eine Grundmoräne geprägt. Die tauenden Gletscher
bildeten Wasserläufe, Seen und Sümpfe. Ablagerungen formten das Gebiet zu einer leicht
welligen Landschaft. Es entstanden diverse Landsenkungen und –hebungen von der Ostsee
bis zur Elchniederung.
Vor ca. 4.000 v. Ch. Jahren trat eine Klimaveränderung ein. Durch die Erwärmung entstand
die Vegetation des Graudenwaldes, aber auch die Tierwelt der Wisente und Auerochsen.
Aus dem Norden wanderten die Fennen (Finnen) ein. Sie waren Jäger, die mit einfachen
Geräten, z.B. Steinäxten, jagten und sich mit Fellen kleideten. Häuser kannten sie noch
nicht.
Um 2.500 v. Ch. gelangten baltische Waldbauern, die Aestii (Esten) hinzu. Sie lebten an
Flussläufen und in den Küstengebieten. Sie betrieben bereits einen primitiven Ackerbau mit
Emmer und Hafer und eine Viehhaltung mit Schweinen, Schafen und Ochsen.
Um 1.000 v. Ch. gelangten die Veneti (llyrer, Römer) in das Samland. Sie erkundeten das
Gebiet und entdeckten den Bernstein.
Jäger, Waldbauern und Ilyrer vermischten sich zu den Pruteni oder Prussi (dem Wortsinn
nach verständige und kluge Leute), den Altprussen, einem baltischen Volk, wie auch die
Kuren und Letten. Nach der Ordenszeit wurden sie zusammen mit vielen Deutschen,
Litauern und Polen zu guten Preußen.
Um 300 v. Ch. gelangten die Goten in das Samland. Von ihnen erlernten die Prussen den
Haus- und Ackerbau, sowie eine bessere Tierhaltung aber auch das Kriegshandwerk. Aus
ihrer Sprache stammt u. a. auch der Name Wanaglauken (Wangus = halbgerodete
Waldflächen).
573 n. Ch. teilte der Prussenkönig Waidewutus (Vidinitus) das Prussenland unter seinen 12
Söhnen auf. Davon erhielt Scalto Schalauen und Nadro Nadrauen.
Graudenwald, so nannte man den Urwald zwischen Pregel und Memel. Es war ein feuchtes,
teilweise sehr sumpfiges Waldgebiet mit vielen Mooren. Der Wald bestand aus Sumpfeichen,
Erlen, Birken und einem dichten, dornigen Gestrüpp. An einigen höher gelegenen Stellen
wuchsen wohl auch Kiefern und Heide. Ossat, Schillup, Budup und Arge waren mehr oder
weniger breite Flussläufe. Modernde Altbäume, Gestrüpp, Neuwuchs sowie Tierlaute
vermischt mit Wind und Sturm gaben dem Gebiet den Namen Grauden.
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 7 von 26
Erste Funde im Kirchspielbereich beweisen, dass schon um 4.000 vor Christus, also in der
jüngeren Steinzeit, Menschen im Graudenwald lebten. So fand man
in Neuhof ein kleines Steinbeil
in Argeninken zwei Steinäxte
in Jurgaitschen fand man ein Rundbeil
aus der Zeit von 1800 – 800 v. Chr.
Auch Tiere lebten in der Wildnis. Ein Beweis sind die gefundenen Auerochsen-Knochen in
Schillkojen. Aber auch viele andere Tierarten waren zu finden u. a. Elche, Bären,
Wildschweine, Wisente, Wildpferde, Wölfe und Auerhähne. In den Flussläufen gab es reiche
Fischvorkommen sowie Biber und Otter. Ortsnamen der Gegend erinnern an einige
Tierarten:
Jurgaitschen – Kollerhahnort (Auerhahn)
Taurothenen – Ort im Auerochsenwald
Lapienen – Fuchsort
Um 900 fielen die Wikinger ins Samland ein. Sie töteten die Männer, heirateten die Frauen
und wurden dann sesshaft.
Ab 1273 kam der Deutsche Orden in das Land der Nadrauer und Schalauer.
1275 fuhr der Vogt des Samlandes, Dietrich von Liedelau, erstmals mit einer Flotte über das
Haff und auf der Memel nach Schalauen und überfiel zwei Burgen in der Höhe von Ragnit.
1352 wurde Nadrauen geteilt. Der Kirchspielbereich blieb im Hoheitsgebiet des
Hochmeisters. Die Marschallstanne bei Grudszen (ein Nachbarort von Skattegirren) war
dabei ein Orientierungspunkt, wohl auch auf dem 43. Ordensweg.
um 1354 entstand der älteste Handelsweg durch den Grauden zwischen Insterburg,
Kraupischken und Ragnit.
Zur Sicherung des Ordenslandes wurden die Burgen Ragnit 1289 und Tilsit zwischen 1403
und 1408 erbaut. Den Hauptschutz vor Überfällen der Litauer bildete jedoch die zwischen
Pregel und Memel liegende Wildnis – ein Grund dafür, warum sie erst spät besiedelt wurde.
1377 zog der Marschall Gottfried von Linden mit Herzog Albrecht von Oesterreich und einem
Heer von 30.000 Mann von Königsberg über Insterburg zur Memel.
Nach mehreren Schlachten, Siegesfeiern und einem Unwetter zogen sie wieder zurück nach
Königsberg. Das Gros dieses Heeres zog von Ragnit durch den Grauden. Wo sie den
Urwald durchquerten, ist unbekannt.
1380 gelangte mit deutschen Siedlern der erste Pflug in das Ordensland. Bei der
Urbarmachung der Wildnis bedeutete er ein wichtiges Hilfsmittel, benutzte man davor doch
lediglich einen Haken aus Geweihen.
1384 wird ein erster Weg durch den Grauden, nämlich der 43. Ordensweg beschrieben. Er
führte ursprünglich durch die späteren Orte des Kirchspiels wie Skattegirren, Wittgirren,
Schaulwethen, Budopönen, Oschnaggern, Lieparten, Argeningken/Graudszen und
Taurothenen sowie über die Tilse nach Ragnit.
1390 und 1392 zog der englische Graf Derby von Norkitten über Schillen und von Tapiau
über Mehlauken nach Ragnit an die Memel. Befahrbare Wege existierten noch nicht.
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 8 von 26
Waldnutzung: Die Ausübung von Jagd, Imkerei und Fischfang im Urwald unterstand einer
strengen Kontrolle des Ordens und somit der Zinspflicht. Für den Orden entwickelte sich die
Wildnis zu einer reichen Einnahmequelle.
Buden, Bauden nannte man die ersten Unterkünfte der Holzfäller aber auch der im Grauden
lebenden Jäger, Fischer oder Beutner (Imker). Sie alle könnten während der Sommermonate
solche Buden benutzt haben. Bei Budopönen handelte es sich wahrscheinlich um einen
solchen Wohnplatz.
Da die alten Prussen des Lesens und Schreibens unkundig waren, gibt es über ihre
Ansiedlungen und Lebensweisen keine schriftlichen Überlieferungen. Erste Aufzeichnungen
machten die Schreiber des Ordens. Somit bekam man auch Einblicke in das Leben der
Ureinwohner, der Schalauer und Nadrauer.
Durch den Orden verbesserten sich die Lebensbedingungen der Prussen erheblich.
Stuter waren ortskundige Wegeführer, die den Grauden sehr gut kannten. Axtkerben an den
Bäumen dienten ihnen als Wegezeichen
Witinge nannte man die zum Orden übergetretenen Prussen. Sie verrichteten hauptsächlich
in der Wildnis einen für den Orden wichtigen Wehrdienst. Sie waren gute Reiter, Krieger,
Kundschafter und Bauern und erhielten für ihre Dienste einige Huben Land zu besonderen
Rechten.
Erste Wege, wahrscheinlich Reitpfade, durch den Grauden im Kirchspielbereich waren der
43. Ordensweg über Schillupischken sowie der Weg über Schillkojen und Sandlauken. Es ist
zu vermuten, dass die ersten Ansiedlungen an den Bachübergängen sowie an höher
gelegenen Stellen entstanden, die gute Aussichtspunkte darstellten. Weitere erste Orte
könnten die der Heubauern an den Rast- und Futterplätzen für Mensch und Tier in der
Wildnis gewesen sein.
1398 und 1405 wurde von Pestepidemien berichtet.
1401 trafen sich der Hochmeister des Deutschen Ordens und der Großfürst von Litauen,
Witowd in Insterburg.
Um 1404 wurde an der Tilse (Tilßelle), dort wo das etwa um 1289 erbaute Schalauerhaus
(Burg) stand, von den Ordensleuten eine Burg gebaut. Es war die Zeit der ersten
Ansiedlungen an Memel und Tilse. Die Bauleute wohnten in Ragnit.
1427 zog der erste Marschall aus Ragnit mit hunderten von Hilfskräften von Königsberg
kommend über Schirrau nach Ragnit. Vermutlich war es der Weg über Kellmienen,
Schillkojen und Sandlauken. Die Reisegeschwindigkeit betrug ca. 5 km am Tag. Um durch
den Grauden zu gelangen, mussten Buschwerk und Bäume beseitigt werden. Flussläufe und
Sumpfgebiete konnten nur mit Brücken aus Knüppeldämmen überquert werden.
1448 zog derselbe Marschall nochmals durch den Grauden, dieses Mal aber von Ragnit
nach Königsberg und vermutlich auf dem gleichen Wege.
Der Urwald bot eine reiche Nahrungsquelle für Beutner (Imker), die den guten
Waldbienenhonig ernteten. Jäger stellten Wildpferden, Hirschen, Wildschweinen und
anderen Wildtieren nach. Die Fischer fanden reichlich Nahrung durch Hechte, Forellen usw.,
die sie in den zahlreichen Flussläufen fingen. Aschbrenner gewannen die damals wertvolle
Pottasche durch Abbrennen des Waldes.
Das Land war allgemein flach, jedoch gab es an der Arge bis zu 25 m hohe Steilwände. Die
Laukne hatte sogar bis zu 30 m tiefe Stellen.
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 9 von 26
1470 wurde für die Arge das erste Fischereirecht verliehen. Der genaue Ort sowie der
Pächter sind nicht erwähnt.
1504 erhielt der Kaufmann Jörg Kromer aus Königsberg vom Amt Insterburg 100.000 ha
Wildnis bis an die Budup zum Holzeinschlag. Aufgrund der schlechten Wegeverhältnisse soll
der Einschlag nur gering gewesen sein.
Ab 1504 finden sich erste Aufzeichnungen über die Siedlungstätigkeiten in einem Hausbuch
von Ragnit. Orte aus dem Kirchspielbereich sind dort nicht erwähnt. Zum Orden
übergetretene Prussen und Litauer siedelten sich als Erste in der Nähe der Burgen, an den
Flussläufen sowie an den Hauptwegen durch die Wildnis an. Deutsche Siedler gab es zur
damaligen Zeit nur wenige. Unter den Siedlern waren auch die als Witinge bezeichneten
Wehrbauern. Insgesamt gesehen, war das Siedlungsaufkommen jedoch gering.
Bis zur Einführung des Kulmer Rechtes bestand noch die alt gewohnte ländliche Verfassung.
Der Wert des Landes wurde nach Ochsen und den darauf wohnenden Personen festgesetzt.
So bestand:
der kleinste Landwert aus zwei Ochsen mit einer Person,
ein Zins, eine Wirtschaftsgemeinschaft aus
zwei Ochsen und drei Personen. Sie wurde auch eine Familie genannt.
Brot, so nannte man die Glieder eines Zinses.
Es waren die direkten Familienmitglieder, also die Frauen und Kinder.
Bender, so nannte man die fremden Mitglieder eines Zinses.
1525 endete die Ordenszeit. Herzog Albrecht und mit ihm fast ganz Ostpreußen trat zum
evangelischen Glauben über, ebenso die im Ordensland lebenden Litauer.
1540 werden im Türkensteuerregister des Amtes Tilsit die ersten Ansiedlungen in
Tauothenen und an der Arge genannt. Vermutlich handelt es sich um Kaukwethen, KlipszenRödszen, Argeningken-Graudszen und Oszkinnen. Es gab 8 Withe in Taurothenen und 5 an
der Arge.
Ab 1548 erschien die Bibel auch in litauischer Sprache.
Während dieser Zeit begann der Handel zwischen Tilsit und Tauroggen.
1552 erhielt der Flecken Tilsit das Stadtrecht. Außer Prussen und Lithauern lebten 200
Deutsche im Ort. Den Hauptverkehrsweg bildete damals der Wasserweg über die Gilge und
das Haff. Einzige Landverbindung nach Königsberg war der Weg über Ragnit und Insterburg.
Durch den Grauden über Schillupischken bzw. Schillkojen führten nur schmale Pfade.
Die ersten Hausbauten auf dem Lande waren Blockhäuser aus Baumstämmen. Die Küche
(schwarzes Loch genannt) bestand aus einem Raum mit direktem Rauchabzug über dem
Herd. Die einzelnen Orte waren in geschlossener Bauweise angelegt. Die Häuser und die
dazugehörigen Äcker zäunte man zum Schutz gegen wilde Tiere ein.
1572 wurde von den ersten Rodungen an einer nicht näher bezeichneten Stelle am
Argefluss berichtet. Das Holz aus der Wildnis nutzte man hauptsächlich als Brennholz für
die Stadt Königsberg. Das Nutzholz kam vorwiegend aus Schamaiten.
Das Vorhaben, einen Weg durch die Wildnis von Tilsit nach Labiau zu bauen, unterband
Herzog Albrecht aus Sicherheitsgründen.
1595 wurde von einem regen Handel mit Haselnüssen, Honig und Talg berichtet. Aber auch
Hanf, Flachs und Roggen wuchsen im Tilsiter Gebiet.
1602 brach im Königsberger Gebiet die Pest aus
Um 1615 rodete ein Mann namens Bergin den Wald von Wittgirren. Eine Berahmung erhielt
sein Sohn, der Wildniswart Heinrich Bergin im Jahre 1643.
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 10 von 26
1619 wurden in Klipschen-Rödßen von Kurfürst Johann Sigismund an den Wachtmeister
Gabriel Nimmerjahn 7 Huben zu Kölmischem Recht verliehen. Einige Huben davon erhielt er
in Lieparten.
1619, am 23. Februar erhielt der Leutnant Morejau ein Privileg über 7 Hufen Land für sein
neues Gut in Oschkinnen zu Kölmischem Recht. Außerdem bekam er das Schankrecht.
Doch der Krug wurde nicht gebaut!
1623 erhielt der Rußer Fischmeister (Name nicht bekannt) 2 Hufen Dienstland in
Ischdaggen, das ihm 1670 von dem aus Trumpeiten (Kaukehmen) stammenden Christoph
Ginnunttis abgekauft wurde.
Etwa 1630 existierte wohl bereits eine Wegeverbindung von Tilsit über Schillupischken nach
Labiau, die spätere Königsberger Landstraße. Erste Ansiedlungen vor 1630 entstanden
vornehmlich im Verlauf dieses ursprünglichen 43. Ordensweges.
1630 erfolgte die erste amtliche Eintragung von Argeningken-Graudszen und Taurothenen.
Ein Friedrich Flubach bekleidete das Amt des ersten Dorfschulzen in beiden Orten.
Um 1630 entstand die erste Karte von Schillen – Szillen und Umgebung. Auf dieser Karte
sind auch einige Orte aus dem Kirchspielbereich aufgeführt. Zu den sieben bereits
bestehenden Orten kamen auf der Karte 15 neue hinzu.
Um 1638 gab es im Bereich Tilsit große Schafzuchten (Schäfferey)
1639 erhielt ein Martin Möller vom Kurfürsten Georg Wilhelm in Argeningken 3 Hufen sowie
1 Hufe schlechtes Land in Schillkojen und die Kruggerechtigkeit.
1639 bestanden erste Krüge in Schillkojen und Schillupischken. Das königliche Privileg
erhielten diese und einige weitere jedoch erst nach 1700:
Schillupischken ab 1738
Schillkojen ab 1740
Klein Dummen 1740
Jurgaitschen ab 1742
Lieparten ab 1749
Klipschen-Rödszen ab 1764
1645 erfolgte eine Berahmung zu Lieparten.
1647 erhielt ein gewisser von Kellen eine Berahmung in Kellmienen.
1648 wurde für Neuhof im Amt Insterburg ein Siedlungsprivileg erteilt. Weitere Ortsteile
entstanden: 1749 Hohenberg und Neuendorf, 1750 Klein Neuhof und um 1739 Grüneiten.
1654 erfolgte in Kermuscheiten für Andreas Schulz eine Landverschreibung
1656 und 1657 verwüsteten verheerende Tartarenüberfälle das Land. Der Kirchspielbereich
blieb dagegen verschont.
1663 kaufte der Bürgermeister zu Tilsit 2 Hufen Land in Argeningken-Graudszen.
1664 wurden drei Wege von Tilsit nach Süden beschrieben über Kraupischken nach
Insterburg (ältester Ordensweg), über Schillen nach Insterburg und über Argeningken nach
Labiau (wahrscheinlich über Schillupischken). Vom Herbst bis zum Frühjahr waren alle
Wege sehr schlecht befahrbar, die litauischen Wege sogar nur unter Lebensgefahr.
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 11 von 26
1665 gab es nach einer Karte des Kreises Ragnit u.a. Ansiedlungen in Schatiken
(Skattegirren), Laugallen und Schamaken(Skambraken).
1670 erhielt Gustav Fleischmann eine Berahmung in Birkenwalde.
1673 wurde Wittgirren in einer Amtsrechnung über 4 Huben für den ersten Siedler genannt.
1678 erhielt der Wildnisbereiter Martin Blaurock eine Berahmung über 5 Huben und 20
Morgen in Laugallen.
1678/79 hatten die Schweden Tilsit besetzt. Die preußischen Verteidiger zogen sich im
September 1678 nach Schillkojen zurück, um die Wegeverbindung nach Mehlauken zu
sichern. Sie bekamen Unterstützung vom Großen Kurfürsten. Im Januar 1679 eilte er mit der
Infanterie auf Schlitten über das Haff und mit der Reiterei von Mehlauken über Schillkojen
nach Splitter, wo es zum Kampf kam.
1679 erhielt der Besitzer des Gutes Oschkinnen, der Holzschreiber Ulrich Sambländicher,
eine Verschreibung für eine Ansiedlung in Neuhoff. In Abstimmung mit den Regimentsräten
nahm er das bestehende Schankrecht mit zum neuen Gut.
1680 gab in Klipschen-Rößden die Witwe des seligen Landschöppen Johann Bettikerke,
geb. Blaurock, 5 Hufen Triftenland für 1.500 Mark an einen Herrn Fleischmann ab.
1683 erfolgte eine Berahmung in Papuschienen.
1695 existierte bereits ein Amtsbauer in Schillupischken: Paul Arnoldi erhielt einen
Berahmungsvertrag (Siedlungsvertrag) über 4 Huben 24 Morgen 250 Ruthen durch den
Wildnisbereiter Martin Blaurock.
Berahmungen waren die ersten Sielungsverträge, die zwischen den Forstleuten, teilweise
auch Jägern, und den Siedlern abgeschlossen wurden.
Wildnisbereiter waren Forstleute, die für die Ansiedlung in der Wildnis, für die Waldrodung
und für die Ordnung in ihrem Beritt (Bezirk, den sie umreiten konnten) zuständig waren. Sie
hatten die Berechtigung, Berahmungsverträge abzuschließen.
Die ersten Dörfer waren geschlossene Ansiedlungen von mehreren Bauernhöfen. Die
Bauern betrieben die Dreifelderwirtschaft und hatten die Äcker und Dörfer mit Flechtzäunen
aus Holz geschützt. Die Tore blieben immer geschlossen. Jeder Hof bestand aus Wohnhaus,
Stall und Scheune.
Schatullsiedlungen waren Ansiedlungen in der Wildnis, von denen der Pachtzins in die
fürstliche Kasse (Schatulle) gezahlt werden musste.
Zwischen 1617 und 1697 erfolgte der Ausbau der Gilge.
1699 entstand die erste Reitpostverbindung von Tilsit über Ragnit und Insterburg.
Um 1700 bestand bereits die Verbindung der späteren Skaisgirrer Landstraße von
Tilsit über Schillkojen nach Wehlau.
Ab 1700 fuhren die ersten Postkutschen. Ob sie auch durch den Kirchspielbereich fuhren,
ist nicht bekannt.
Zwischen 1678 und 1745 entstanden neun Schatulldörfer mit insgesamt 55 Huben und 13
Morgen = 928 ha. Es handelte sich um die Orte:
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 12 von 26
1678 Laugallen und Birkenwalde
1682 Skattegirren
1686 Kayserau
1687 Kellmienen, Kühlen und Ischdaggen
1699 Wingsnupönen
1745 Sandlauken
Landmesser, Forstleute etc. erhielten die Berahmungen. Doch die ersten Wirthe waren
hauptsächlich lithauische Bauern, die auf fürstlichem Grund freier leben konnten als unter
dem Adel in Lithauen.
1708 gab es im Kirchspielbereich 32 Orte zuzüglich der 8 zwischen 1678 und 1687
berahmten Schatullorte.
Ohne die Schatullorte wirtschafteten 199 Bauernfamilien auf 172 Huben. Die Bauern waren
überwiegend lithauische Siedler.
1708/1709 war der Winter so kalt, dass die Wintersaat auf den Feldern erfror.
1709/10 wütete auch im Kirchspielbereich die Pest in voller Stärke. Von den im Amtsbereich
Balgarden erfassten 44 Orten waren alleine im Bereich Jurgaitschen 23 Orte hart betroffen.
1710 In dem damaligen von 9 Bauernfamilien bewohnten Ort Schillupischken gab es eine
Poststation.
Der 43. Ordensweg diente nun auch als Postweg. In einem Beritt von Taurothenen von
1716 wird berichtet: Das Dorf lieget an der Landt-Straße und muß gleich anderen die nöthige
Postfuhren geben. Es gab reitende und fahrende Postverbindungen.
Von Tilsit nach Königsberg bestanden durch den Grauden die Wegeverbindungen: über
Schillen nach Insterburg, über Jurgaitschen nach Skaisgirren und über Sandlauken nach
Skaisgirren.
Am 11. Oktober 1711 erfolgte durch den Landschöppen Friedrich Haupt aus Tilsit eine
Aufstellung über die Folgen der Pest. Der Bericht ist erschreckend. Von den 32 Orten (ohne
Schatullorte) waren:
7 total ausgestorben
4 über 90 % ausgestorben
18 über 50 % ausgestorben
3 bis zu 50 % und weniger ausgestorben.
Von den 199 Bauernfamilien starben 158 aus. Hinzugerechnet werden müssen noch die
Knechte, Mägde und Hirthen. Von den bewirtschafteten Huben Land waren nach dem
großen Sterben ca. 80 % total verwildert.
Nach der Pest wurde von König Friedrich Wilhelm I. ein großes Siedlungsprogramm zur
Neuansiedlung erlassen. Es kamen Siedler aus Thüringen, Nassau, der Schweiz und
Lithauen ins Land. Alle erhielten eine großzügige Grundausstattung an Boden (ca. 1 – 2
Huben), Besatzvieh, Saaten und Hofwehr (Arbeitsgerät). Bereits im Jahre 1711 lebten im
Kirchspielbereich zahlreiche neue deutsche Siedler und besonders viele lithauische Siedler.
Vor 1716 gab es bereits Ansiedlungen in Budopönen, auch Kisen genannt.
1716 lag der Ort Schillupischken an der Großen Königsberger landstraße. Die Einwohner
mussten den durchziehenden Soldaten Rast gewähren.
Nach 1722 ließ der König Friedrich Wilhelm I. Kirchen und Schulen erbauen. Der Kantor war
gleichzeitig auch Lehrer. Ursprünglich hatte der Pfarrer für Sicherheit, Ordnung und den
Steuereinzug zu sorgen. Zu seiner Unterstützung wurden die Dorfschulzen eingesetzt.
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 13 von 26
1723 wurde berichtet, dass im November dieses Jahres im Amtsbereich Tilsit 8 Ochsen und
2 Milchkühe von Bären getötet wurden.
1724
erhielt Johann Baltrusch eine Verschreibung über das köllmische Gütchen
Argeningken/Graudszen.
Ab 1730
erfolgte die erste Einrichtung von Landschulen, vermutlich auch im
Kirchspielbereich.
1732 kamen Salzburger Siedler auch in den Kirchspielbereich, so u .a. nach
Klipschen – 1 Familie
Schacken – 1 Familie
Schillupischken – 2 Familien und 2 ledige Männer
Skattegirren – 1 Familie
In den folgenden Jahren verstärkte sich der Zustrom der Salzburger. Im Allgemeinen
entwickelten sie sich zu tüchtigen Bauern.
1736 entstanden die Schulen in Groß-Dummen (ab 1894 zweiklassig), Giggarn, Lieparten,
Seikwethen und Skardupönen (ab 1905 zweiklassig). Bis zum Schulneubau fand der
Unterricht in angemieteten Räumen statt.
Aus den damaligen Creysen Thaurothenen und Argeningken wurden von insgesamt 88
wehrfähigen jungen Männern 51 aus 23 Orten des Kirchspielbereichs erfasst.
Um 1736
war das Siedlungswerk weitestgehend mit Erfolg beendet. Auch im
Kirchspielbereich hatte man mit großer Anstrengung die Folgen der Pest überwunden. Nach
einer Erfassung von 1736 ergab sich folgendes Bild über die Bauern der verschiedensten
Nationalitäten. So wirtschafteten in:
10 Orten 21 deutsche Wirthe auf 21 Huben,
von denen 7 Wirthe schlecht wirtschafteten,
31 Orten 104 lithauische Wirthe auf 101 Huben,
von denen 25 Wirthe schlecht wirtschafteten.
Eine weitere Aufstellung über Cöllmer und Erbfrey-Bauern aus dem Jahre 1742 ergab:
In 6 Orten wirtschafteten 14 Cöllmer auf 25 Huben
in 6 Orten wirtschafteten 22 Chatoul-Cöllmer auf 42 Huben und 14 Morgen
in 8 Orten wirtschafteten 32 Erbfrey-Bauern auf 33 Huben und 7 Morgen.
Von den ursprünglich 32 Orten wurde nach Ausbruch der Pest ein Ort ausgelöscht. Bis 1742
kamen sieben Orte hinzu. Einschließlich der 8 Schatullorte gab es nun im Kirchspielbereich
45 Orte bzw. Ortsteile.
1737 wurde Klein Dummen erstmals vermessen
1739 gab es in Schillkojen die erste Schmiede. Weitere waren
ab 1764 in Schillkojen und Klipschen-Rödszen
1769 in Lieparten und
1782 in Jurgaitschen
Bis zum Aufkommen der ersten Schmieden gab es noch den Puffwagen, einen Wagen mit
Holzrädern und den Holzpflug.
Ab 1741 gab es in Schillkojen eine Försterei.
1741 fand in Jurgaitschen eine Verschreibung für die Wirthe Erzberger und Szimkus im Amt
Tilsit statt. Bei Wolfsjagden mussten sie Vorspann für die Kutschen der allerhöchsten
Landesherrschaften leisten
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 14 von 26
Um 1742 wirtschafteten, einschließlich der Schatullorte, 193 Wirthe auf 223 Huben und 11
Morgen = 3.740 ha. Gegenüber 1709 gab es nun einen Wirth und 2 Huben und 6 Morgen
weniger.
1752 und 1763 arbeiteten in Jurgaitschen die ersten beiden Windmühlen für 65 Orte der
Umgebung. Aus dem Kirchspielbereich gehörten 38 Orte dazu.
1757 Während des Rückzuges der Russen aus Ostpreußen im September/Oktober lagen
preußische Verbände zunächst in Aulowöhnen und ab dem 24. September in
Schillupischken in Bereitschaft. Kämpfe fanden nicht statt. In einzelnen Orten soll es Brände
gegeben haben. Über die sechsjährige Russenzeit liegen keine Berichte vom
Kirchspielbereich oder von Übergriffen auf die Bevölkerung im Tilsiter Gebiet vor.
1764 verpflichtete sich Albins Stanullis von den 4 wüsten Huben im Dorf ArgeningkenGraudszen eine Hube zu bebauen.
1764 erhielt Christian Sommerfeld in Abud Bussen die Hälfte der zwei Hufen, die bisher
Friedrich Laurin bewirtschaftet hatte.
1765 meldete sich der Köllmer Heinrich Elwert zur Urbarmachung des wüsten Landes in
Skambracken.
1766 ergab eine Zählung in 47 Orten des Kirchspielbereiches 1823 Einwohner. Davon
waren 818 Kinder und Jugendliche, 1005 Erwachsene und 59 Alte, abgelebte Leute über 60
Jahre.
1766 gab es im Kirchspielbereich u. a.
4 Dorfschulen, eine Müllerin, einen Zimmermann, einen Radmacher, einen Schneider, 3
Schmiede und 4 Aschemeister.
Pottaschenbrenner, Aschemeister gab es noch um 1766. Sie brannten Wälder ab und
lieferten schlechte Asche, Budenasche, Weidasche und Pottasche. Pottasche entstand
durch Wässern und Eindampfen. Asche war im Altertum ein bewährtes Reinigungsmittel.
Nach 1759 löste Soda die Pottasche ab.
Beritt, Wirth oder Schulze: Sie hatten die Aufgaben des späteren Ortsvorstehers bzw.
Bürgermeisters zu erfüllen. Die Bezeichnung Beritt führte vom Reiten her, da damals die
Orte nur zu Fuß oder zu Pferde zu erreichen waren (Beritt = Bezirk).
1774 erhielt Argeningken-Graudszen eine Schule.
1777/1778 lebten in den größten Orten
Neuhof
Jurgaitschen
Groß und Klein Wingsnupönen
Schillupischken
87 Personen auf 13 Höfen
81 Personen auf 8 Höfen
73 Personen auf 12 Höfen
68 Personen auf 10 Höfen
Um 1778 stiftete König Friedrich II. 5 Huben und 10 Morgen Land zur Errichtung einer
Kirche mit Pfarrei in Jurgaitschen, Möglicherweise war das sein Dank für die Aufbauleistung
nach dem großen Leiden der Pest.
1779 erhielten mehrere
Verschreibungen.
Eigenkäthner
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
im
Dorf
Argeningken-Graudszen
Land-
Seite 15 von 26
Eigenkäthner waren Kleinstsiedler auf eigenem Grund. Sie besaßen Kontrakte und konnten
ihren Acker vererben bzw. verkaufen. Die Grundstücke hatten die Größe von nur wenigen
Ruten Land.
1779 wurden in Neu- bzw. Klein Taurothenen-Schröderhoff dem Steuereinnehmer Gottfried
Schröder vier Huben zum Erstellen von Hofgebäuden und zur Ansiedlung von zwei
litauischen Familien überlassen.
1782 erhielt Jurgaitschen eine Ölmühle. Der Ort lag an der großen Landstraße von Memel
nach Königsberg.
1783 erfolgte eine erste gründliche Bestandsaufnahme der Orte. Im Actum und in der
Praetationstabelle wurden die Orte beschrieben und die Bewohner erfasst. In 51 Orten gab
es 364 Höfe, einschließlich der Eigenkäthner, mit insgesamt 1077 Huben = 8.259 ha.
Es gab u. a. 8 Dorfschulzen, einen Müller, einen Tischler, 2 Schneider, 5 Schmiede, einen
Schuster, einen Maurer.
Hube, Hufe war die ursprüngliche Bezeichnung für einen Hof ohne Größenangabe.
Innerhalb eines Dorfes waren die Hofgrößen identisch, jedoch von Dorf zu Dorf sehr
unterschiedlich.
Erst später entstanden daraus die Flächenhufen mit Namen wie Kulmer Hufe, Magdeburger
Hufe, Waldhufe etc.
1783 nannte man die Straße von Tilsit über Schillkojen nach Wehlau Skaisgirrer
Landstraße.
1783 hielten die Bauern des Kirchspiels lt. Actum rd. 1.500 Pferde und rd. 1.000 Kühe.
1783 lässt sich die Entwicklung im Kirchspielbereich an dem Dorf Oszkinnen gut verfolgen.
So gab es 1619 nur einen Bauern,
1742 bereits zwei Bauern und
1783 vier Bauern auf rd. 15 Huben Magdeburger Maß.
1785 gab es das Litthauische Cammer-Departement u. a. mit den Domänenämtern
Gerskullen
Balgarden
Heinrichswalde
Aus allen drei Ämtern setzte sich das 1833 gegründete Kirchspiel Jurgaitschen zusammen.
In den damaligen 50 Orten des Kirchspielbereiches gab es 383 Feuerstellen. Sie gehörten
zu den Kirchspielen Tilsit, Heinrichswalde und Schillen und unterstanden alle dem König.
1789 wurde vom ersten Kartoffelanbau im Tilsiter Bereich berichtet, zunächst allerdings nur
in den Gärten.
Zwischen 1796 und 1802 entstand die Karte „Alt Preußen“ von Schroetter mit allen
Ortsnamen.
Zwischen 1799 und 1818 endete der Scharwerksdienst der Domänenbauern sowie die
Gutsuntertänigkeit bei den Privatbauern gegenüber dem Adel. Danach trat ein
wirtrschaftlicher Aufschwung ein.
1807: Auf der Flucht vor den Franzosen zogen am 18. Juni die Russen über Schillupischken,
Jurgaitschen und Taurothenen und die Preußen über Kellmienen, Schillkojen und
Sandlauken durch den Kirchspielbereich. Eine von den Russen geplante Schlacht an der
Schillup wurde aufgrund der Übermacht der Franzosen abgeblasen.
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 16 von 26
1807 Am 19.Juni zog Napoleon über Kellmienen nach Tilsit.
In Raukotienen bauten die Franzosen für 25.000 Soldaten ein Lager. Alles Material
besorgten sie sich in der Umgebung. Viele Orte, es ist anzunehmen auch im
Kirchspielbereich, wurden geplündert. Von den Höfen holten sie Gebäudeteile, Türen,
Fenster und Möbel. Besonders zu leiden hatten die großen, gut eingerichteten Bauern. Das
Getreide wurde zum Schmücken des Lagers vom Halm abgeschnitten.
Den Bauern wurde eine weitere Belastung aufgebürdet, denn der Domänenzins pro Hufe
verdoppelte sich bei fallenden Preisen für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Nach 1815
zahlte der Staat eine Kriegsentschädigung.
1811/12 und 1816 waren schlechte Ertragsjahre. 1811 und 1812 war die Ernte besonders
schlecht, und 1816 verursachte die starke Nässe große Ausfälle in den Viehbeständen.
Im Juni 1812 zogen wieder französische Soldaten von Mehlauken kommend durch das
Kirchspiel. Die Bauern mussten Pferdewagen für den Zug nach Moskau stellen, von denen
viele nicht wieder zurück kamen.
Am 31. Dezember 1812 zogen die Franzosen nach dem Brand in Moskau von Tilsit nach
Königsberg ab. Weil die Preußen sich mit den Russen verbündet hatten, zogen die
Franzosen fluchtartig bei einsetzendem Tauwetter von Tilsit über Schillupischken nach
Skaisgirren, während die Russen sie vergeblich in Schillen erwarteten.
1816: Ab diesem Jahr wurde in Tilsit das erste „Tilsiter gemeinnützige Wochenblatt“
herausgegeben.
1818 stürzte der Kirchturm in Schillen infolge eines starken Sturmes (man vermutete ein
Erdbeben) ein. Auch in der Umgebung gab es beträchtliche Schäden. Tausende von
Gebäuden wurden zerstört, aber auch einige Tausend Tiere kamen dabei um. Über den
Kirchspielbereich liegen darüber keine Angaben vor.
Ab 1821 erfolgte die Separation.
Ursprünglich wurden die Felder eines Dorfes gemeinschaftlich bewirtschaftet. Jeder Wirth
besaß jedoch sein eigenes Haus auf einer bestimmten Fläche der Dorfgemeinschaft. Durch
die Separation erhielt jeder Wirth sein eigenes Land, dass er nun selbstverantwortlich
bewirtschaften konnte. Er musste dazu aber neue Wirtschaftsgebäude auf seinem Land
bauen. So entstanden die verstreut liegenden Einzelhöfe, die auch für das Kirchspiel typisch
waren. Die vorher gut gepflegte Dorfgemeinschaft ging teilweise verloren. Die Kosten je Hof
(Wohnhaus, Stall und Scheune) betrugen rd. 100 Taler.
1821: Bis zur Separation gab es noch eine größere Anzahl von Scharwerksdiensten, wie
Fuhrdienste, Holzfällen, Schafe scheren und Wiesen bearbeiten, was teilweise bezahlt
wurde.
Gute Einnahmen wurden dadurch erzielt, dass u. a. Getreide nach Königsberg und
Feldsteine nach Tilsit transportiert wurden.
1827 brachte eine sehr schlechte Getreideernte.
1828: Ab diesem Jahr entstand in Jurgaitschen ein Remontemarkt, eine Ankaufstelle für
Armeepferde. Dreijährige Pferde wurden aufgekauft und etwa ein Jahr lang für den Dienst in
der Armee ausgebildet.
1829 erfolgte der Straßenausbau von Tilsit über Sandlauken, Schillkojen, Kellmienen nach
Skaisgirren. Davor waren die Wege nur in den trockenen Sommermonaten gut befahrbar.
Bei starkem Regen im Herbst, Winter und Frühjahr entstanden durch die schweren
Ackerwagen oft tiefe und nasse Fahrspuren.
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 17 von 26
1833 entstand das neue Kirchspiel Jurgaitschen durch den Zusammenschluss von
7 Orten aus dem Kreis Tilsit
27 Orten aus dem Kreis Ragnit mit zuzüglich 6 Wohnplätzen
20 Orten aus dem Kreis Heinrichswalde mit zuzüglich einem Wohnplatz
Insgesamt gab es 61 Ortschaften einschließlich der 7 Wohnplätze, die Teile der
Gemeindeeinheiten darstellten.
1834 entstand die Schule in Neuhof-Hohenberg.
Um 1837 gab es in Kellmienen eine Poststation
Am 1. Juni 1841
erfolgte in Gegenwart von König Friedrich Wilhelm
IV. die
Grundsteinlegung zum Neubau der Kirche und somit die Gründung der Parochie in
Jurgaitschen.
1844/45 herrschte ein sehr kalter und langer Winter. Noch im Mai lag die Temperatur bei
minus 24° R = 30°C.
Am 10. Juni 1845 wurde die Kirche in Jurgaitschen in Gegenwart des Königs eingeweiht.
Anwesend waren 21 Geistliche einschließlich des Landessuperintendenten von Preußen,
sowie 40 Lehrer der Nachbarkirchspiele, die die Einweihung mit Gesang begleiteten.
Die in Form einer Basilika erbaute Kirche hatte keinen Turm. Dieser sollte zu späterer Zeit an
gesonderter Stelle errichtet werden. Der damalige Neubau einschließlich des Pfarr- und
Präzentorgehöftes kostete 27.020 Thaler.
1846 wurde die Schule in Jurgaitschen (ab 1889 zweiklassig) gebaut.
1846 entstanden erste Kreiskarten für militärische Zwecke. Auf diesen Karten waren 55 Orte
des Kirchspiels aufgeführt.
1854 entstanden die Schulen in Ischdaggen (ab 1885 zweiklassig), Papuschienen und
Schillupischken
1861 entstanden die ersten Messtischblätter im Kreis Tilsit.
1868 gab es im Kreis Tilsit infolge Missernte eine große Hungersnot.
Um 1871 erhielt Jurgaitschen eine Poststelle.
Am 1. Juni 1875 wurde die erste Eisenbahnstrecke von Tilsit nach Insterburg eingeweiht
mit dem Bahnhof Argeningken-Graudßen im Kirchspiel. Aber auch Schillen wurde für viele
Orte der Umgebung ein günstig zu erreichender Bahnhof. Mit der Eisenbahn verbesserte
sich der Warentransport für die Landgemeinden ganz wesentlich. Bis dahin wurden die
ländlichen Erzeugnisse mit dem Ackerwagen nach Tilsit gefahren, um dann mit dem Schiff
weiter transportiert zu werden.
Am 1. Dezember 1885 wurde eine Volkszählung in der gesamten Provinz Ostpreußen
durchgeführt. Zum Kirchspiel gehörten 61 Orte mit 1.210 Haushaltungen und 6.127
Personen. Die Gesamtfläche betrug 9.621 ha. Bewirtschaftet wurden 8.308 ha Acker-,
Wiesen- und Waldflächen. Zur Kirchengemeinde gehörten damals noch vier weitere Orte aus
den Nachbargemeinden.
Der überwiegende Teil der Bevölkerung war evangelisch. Es gab aber auch 30 Katholiken,
21 Juden und 70 Christen anderer Konfessionen.
1886 erfolgte der Ausbau der Straße von Schillen nach Jurgaitschen und Sandlauken.
Damit war die wichtigste Verbindung nach Tilsit erstellt, und der 43. Ordensweg wurde zur
Nebenstrecke.
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 18 von 26
Zwischen 1881 und 1908 wurden Regenmessungen in Schillupischken und Giggarn
durchgeführt, die 560 mm Niederschlag im Jahr ergaben.
1888 wurde der Gutsbesitzer Büchler aus Kaukwethen-Raunenwalde zur Wahl ins
Abgeordnetenhaus der freisinnigen Partei vorgeschlagen und mit 198 von 465 Stimmen
gewählt. Raunenwalde kam zu Bartken im Kirchspiel Argeningken.
Interessant ist ein Polizeibericht aus dem Jahre 1888. So wurde u. a. der Landwirt
Christian Pichler aus Jurgaitschen zu 20 Mark Strafe oder drei Tagen Haft verurteilt, falls er
nicht den Anbau seiner Scheune, der anstatt 40 m Grenzabstand nur 17 m aufwies,
innerhalb von 8 Tagen entfernen würde.
Nächtliche Ruhestörer durch Musik und Gesang wurden streng bestraft.
Um 1890/91 wurden die Rentenguts- und Arbeiterrentengesetze erlassen. Mit diesen
Gesetzen wollte man die Landflucht drosseln und die bäuerliche Ansiedlung fördern. Die
neuen Wirthe erhielten einen Kredit zum Hoferwerb, den sie je nach Zinssatz im Laufe von
50 bis 60 Jahren zurückzahlen konnten.
Einige Jahre später gründete man die ländlichen Arbeiterrentenstellen zu ähnlichen
Bedingungen. So entstanden neue Bauernhöfe und zahlreiche kleine Arbeiteransiedlungen.
Die Menschen wirtschafteten teilweise auf eigener Scholle. Den Hauptverdienst fanden sie
jedoch als Arbeiter auf den größeren Höfen und im Forst.
Höchstwahrscheinlich sind durch diese Förderung auch viele dieser Ansiedlungen im
Kirchspiel entstanden.
1891 entstand eine neue Landgemeindeordnung, die den Dorfschulzen durch den
Gemeindevorsteher bzw. Bürgermeister ersetzte. Ihm zugeordnet waren Schöffe und
Kassenwart. Übergeordnet war der Amtsvorsteher mit Sitz im Kirchspielort Jurgaitschen.
Am 1. Juni 1894
wurde die direkte Bahnverbindung von Tilsit nach Königsberg über
Wilhelmsbruch und Skaisgirren eröffnet. Somit hatte das Kirchspiel drei günstig zu
erreichende Bahnstationen.
Eine wesentliche Verbesserung brachte die Gründung von Wasser- und Bodenverbänden
mit der damit verbundenen Bachregulierung und Ackerdrainage. Die Erträge konnten mit
einer zusätzlich gezielten Düngung erheblich gesteigert werden.
Folgende Verbände wurden gegründet:
1895/99 Wasserverband Klein Taurothenen mit Birkenwalde, KaukwethenKludßen und Groß-Taurothenen
1897/99 Drainageverband Wittgirren
1905/06 Drainageverband Seikwethen mit Brettschneidern und Sandlauken
1910
Wasser- und Bodenverband Thalßenten mit Abbudbussau
1911
Wasser- und Bodenverband Jurgaitschen mit Giggarn-Skerswethen;
Skeppetschen und Schillupischken
1908/11 Wassergenossenschaft Groß Skattegirren mit Schillupischken
Ab 1900
entstanden Wirtschaftsberatungsstellen in Argeningken-Graudßen und
Jurgaitschen.
Ackerbau und Tierhaltung bekamen dadurch einen Aufschwung. Die
Einführung von Herdbuchvieh und der Anbau von Kleefutter auf dem Acker erhöhte die
Milchproduktion.
Um 1900 entstand in Schillupischken die erste Molkerei. Insgesamt gab es bis 1936
6 Molkereien. Doch nur Fichtenfließ blieb als Großmolkerei bestehen.
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 19 von 26
Um die Jahrhundertwende fand ein wirtschaftlicher Aufschwung statt. Auf den Höfen
erbaute man Stallungen, Scheunen und neue Wohnhäuser. Auch modernere Ackergeräte
wurden angeschafft.
In vielen Orten entstanden neue landwirtschaftliche Siedlungen.
Anstatt der bis dahin bestehenden Lehmhütten oder einfachen Holzhäuser konnten nun dank
der neuen Baumaterialien massive Stallungen und Wohnhäuser gebaut werden.
1905 entstand die Schule in Skambraken. Bis zum Schulneubau 1909 fand der Unterricht in
angemieteten Räumen statt.
1909 entstand die Schule in Skattegirren. Bis zum Schulneubau 1938 wurde in einem
angemieteten Wohnhaus unterrichtet.
1910 entstand die Schule in Schillkojen, ab 1930 zweiklassig.
Ab 1913 gab es in Jurgaitschen die Freiwillige Feuerwehr und den Frauenverein des DRK.
1914 zogen russische Soldaten durch das Kirchspiel. Zu kriegerischen Handlungen kam es
jedoch nicht.
Für die Landwirtschaft brachte der Krieg einen großen Einbruch. Die Folgen waren noch
lange zu spüren. Viele arme Menschen klopften damals in ihrer Not an die Türen, um zu
überleben.
1915 standen in 20 Orten des Kirchspiels 24 Windmühlen. Je 2 Mühlen waren in
Jurgaitschen, Dummen, Schillkojen und Kellmienen.
1922 brachte die Elektrizität wesentliche Erleichterungen in den Haushalten und auf den
Höfen. So konnten durch Elektromotoren die arbeitsaufwendigen Rosswerke, die als Antrieb
für viele Maschinen durch Pferdekraft gedient hatten, stillgelegt werden. Elektrische Lampen
mit Glühbirnen ersetzten nun die Karbidlampen.
1922 kam das Kirchspiel Jurgaitschen im Rahmen einer kommunalen Neuordnung zum neu
gebildeten Kreis Tislit-Ragnit.
1922/23 erhielt Jurgaitschen eine Zweigstelle der Kreissparkasse.
Ab 1922 wurde das Gendarmerieamt Jurgaitschen durch weitere Gendarmerieposten in
Schillupischken, Auerfließ und Argenhof verstärkt.
1923 entstand der erste Kraftpostverkehr von Tilsit nach Sandlauken, Jurgaitschen sowie
nach Schillkojen. Neben den Postsendungen konnten nun auch Personen befördert werden.
Besonders für die Fahrschüler des Kirchspiels war es eine wesentliche Erleichterung. Fast
von der Haustür aus fuhr man nun nach Tilsit zur höheren Schule.
Sowohl mit der Eisenbahn als auch mit dem Bus wurde das Reisen bequemer. Vorher
konnte man nur mit Kutsche oder Reitpferd voran kommen. Der praktische Arzt aus Tilsit
oder aus einem anderen größeren Ort (in Jurgaitschen gab es keinen praktischen Arzt)
konnte nun schneller zu den Patienten gelangen. Dasselbe galt auch umgekehrt.
Ab 1926 gab es Fortbildungsschulen in Jurgaitschen und Schillupischken.
1927 wurden im Kirchspiel 904 Ansiedlungen gezählt: Höfe, Insthäuser und Geschäfte sowie
eine Kirche, ein Bahnhof, zwei Bahnwärterhäuschen und zwei Förstereien.
1932 wurde in Sandlauken eine Landpoststelle eingerichtet.
1932 erfolgte ein weiterer Ausbau von wichtigen Straßenverbindungen. So entstand die
neue Kiesstraße von Schillen über Schillupischken nach Kayserau.
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 20 von 26
1934 wurden die urtümlich klingenden Ortsnamen durch neue deutschen Namen ersetzt. So
wurde aus Jurgaitschen Königskirch, wahrscheinlich weil der König den Ort nach der
Pestzeit so großzügig gefördert hatte.
1936 arbeiteten im Kirchspiel 17 Schmieden, davon je zwei in Königskirch und Neuhof.
1939 fand eine weitere Volkszählung statt. Durch eine Gemeindereform gehörten nun zum
Kirchspiel 37 Orte und 2 Förstereien einschließlich der 18 Ortsteile, die ursprünglich
selbständige Orte gewesen waren. Insgesamt bewirtschafteten ca. 800 Bauernfamilien rd.
9.000 ha Fläche.
Es hatten 11 Bauernhöfe mehr als 100 ha
27 Bauernhöfe
50 – 100 ha
67 Bauernhöfe
25 – 50 ha
ca. 700 Bauernhöfe weniger als
25 ha.
Die meisten Bauern gab es in Ostwalde. Hier bewirtschafteten 82 Bauern 365 ha. Dagegen
gab in Berginswalde nur zwei Bauern mit rd. 100 ha.
Insgesamt zählte man im Kirchspiel rd. 5.000 Menschen.
1940 erscheinen in einem Adressbuch nur noch 5 Mühlenbesitzer. Windmühlen gab es
allerdings nicht mehr.
Die meisten Orte des Kirchspiels bestanden nur aus landwirtschaftlichen Betrieben. Zu
größeren Einkäufen wurde nach Tilsit oder Insterburg gefahren. Doch gab es die wichtigsten
Geschäfte, Händler und Handwerksbetriebe in Königskirch und einige wenige in den Orten
Argenhof, Auerfließ, Fichtenfließ, Grosswingen, Kellen, Ostwalde, Martinsrode und Ulmental.
1944: Aus militärischen Gründen wurde das Kreisgebiet im Oktober und November von den
Bewohnern geräumt. Auch die Kühe wurden fortgetrieben.
1945 endete die ca. 450-jährige Geschichte des Kirchspielbereiches Jurgaitschen und des
späteren Kirchspiels Königskirch. Mitte Januar besetzten es die Russen.
Von der Urwildnis über eine fruchtbare Bauernansiedlung ist heute eine Kultursteppe übrig
geblieben. Im Jahre 2003 waren nur noch zwei Orte Jurgaitschen und Schillkojen zu
erkennen.
1948 wurden die letzten noch im Kirchspiel lebenden Deutschen von den Russen
ausgewiesen.
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 21 von 26
Karte 2
Grundlage: Karte des Deutschen Reiches – Topographische Karte 1:100 000 Kreiskarte Tilsit-Ragnit
aus dem Jahre 1940 zu beziehen bei.
Bundesamt für Kartographie und Geodäsie, 60598 Frankfurt am Main.
Internet: http://www.bkg.bund.de
Ergänzung: Botho Eckert mit Hinweisen und Bildern (Privat)
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 22 von 26
Die alten Ortsnamen im Kirchspiel
Namen können einen Hinweis auf die Ursprünglichkeit der Landschaft vermitteln,
besonders dann, wenn so wie bei den alten Prussen und Litauern viele Dinge aus
der Natur wie Tiere, Pflanzen usw. in die Ortsnamen einflossen. Ob die Namen nun
einen prussischen oder litauischen Ursprung haben, ist aufgrund der geringen
sprachlichen Unterschiede nur selten zu erkennen. Auch die Schreibweise der
Namen ist sehr unterschiedlich, musste man sich doch ursprünglich nur auf das
Gehör verlassen. Erst ab der Ordenszeit gab es Veränderungen.
Auch wenn die Deutung nicht vollständig sein kann, so ist es doch möglich, einen
Eindruck von der damaligen Zeit zu gewinnen. Als Hilfsmittel wurden verwendet:
Lithauisch – deutsches Wörterbuch
von Friedrich Kurschat 1883
Littauischer Namensschatz
von Vilius Kalvaitis 1910
Herkunft der Sprache der Prußen
von Lotte Kilian 1980
Erste Ortsnamen
Namensdeutung
Namen nach 1934
Alloningken
Ansiedlung mit dem Recht
zum Bierbrauen
Königliches Gut
Allingen
Ansiedlung an einem
rauschenden Bach
Hütten- bzw. Budenort an der
Budup (am Bachübergang)
Nach dem ersten Siedler
Brettschneider
Siedlung in einem Gebiet mit
Rauchschwalbenvorkommen
Ein erbfreier Siedler
Argenhof
Ort in der Heide
(Fichtenwald)
Ansiedlung im Walde
Försterei Grünheide
Alboudbussen
Argeningken-Graudszen
Budupönen
Brettschneidern
(Groß- und Klein-)
Dummen
(Groß- und Klein-)
Freyhoff
Grünheide
Giggarn
Gaydwethen
Ischdaggen
(Groß- und Klein-)
Jurgaitschen
kam 1922 zu Thalszenten
Freihöfen
Brettschneidern
Ostwalde
Freihof
Girren
Ort der Hähne
Geidingen
(Hühnerhaltung)
Ansiedlung nach einer Brand- Groß Roden
rodung (Klein Ischdaggen)
gehörte zu Kellmienen)
Ort der Kollerhähne
Königskirch
(Auerhahn), evtl. auch nach
dem ersten Siedler Georg
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 23 von 26
Kaukwethen-Kludszen
Laugallen
Ort der lauten Hunde und
Hühner
Ort der lauten Hunde
(vermutlich Wachhunde)
Stubbenort (die Siedler mussten erst die Stubben roden
Ansiedlung in einer Knoblauchgegend (Bärlauch)
Ansiedlung in unebenem Gelände mit vielen Wildrosen
Ansiedlung mit vielen Wegen
in der Wildnis
Ansiedlung mit vielen Wegen
(Irrwege)
Ansiedlung in einer Krähengegend
Ansiedlung in der Palmkätzchengegend (Weidenkätzchen)
Namen nach dem ersten
Siedler Kayser
Ansiedlung der Getreidebauern
Ansiedlung am Feldende
Martinsrode
Lieparten
Der Lindenort
Lieparten
Oschnaggern
Der Eschenort
Aggern
Oskinnen
(Groß- und Klein-)
Odaushöfchen
Ort mit vielen Ziegen
(Ziegenhaltung)
Nach dem ersten Siedler
Odau
Ansiedlung am Fichtenwalde
Ort der schönen Weidenknospen (Salweiden)
Nach dem ersten Siedler
Christoph GroschenGroschenwalde Groschenwalde
Ansiedlung am Rande der
Heide
Nach dem ersten Siedler
Skambrack
Ansiedlung von Flachswirthen (von Flachs kämmen)
Ossen
Kaukwethen
Kellmienen
Kermuszeiten
Klipszen-Rödschen
Klischwethen
(Kluikschwethen
Kluikschwethen
Krauleiden
Kattenpuppen
Kayserau
Kühlen
Papuschienen
Puppen
Skattegirren
(Groß- und Klein-)
Schillkojen
Skambracken
Skeppetschen
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Raunenwalde
Gut Tauern
Kellen
Kermen
Klipschen
Klischenfeld (Klischen)
Klugwettern
Krauden
Kattensteig
Kaiserau
Kühlen
Gut Odaushöfchen
Paschen
Puppen
Groschenweide
Auerfließ
Brakenau
Ellerngrund
Seite 24 von 26
Schacken-Jedwillen
Der Wacholderort
(Sadebaum)
Die Anwohner am
Heidefluss
Der sonnige Ort
(auf dem Hügel)
Ansiedlung auf einem
sandigen Acker
Ort der vielen Elstern
Feldhöhe
Ulmental
Skerswethen
(Giggarn)
Thalszenten
Ansiedlung im Bachtal
(Argetal)
Ort des Knospensprießens
(Frühlingsort)
Der Rüsterort
Garnen
Der große Ort
Grünhöhe
Taurothenen
(Groß- und Klein-)
Turken
Ansiedlung bei den
Auerochsen
Der Pferdeort
Tauern
Wingsnupönen
Grosswingen
Wersmeningken
Ansiedlung am Bachbogen
(Schillup und Budup)
Ansiedlung an der Quelle
Angerbrunn
Wittgirren
Ansiedlung mitten im Walde
Berginswalde
Walseeden/Walheden
Ansiedlung eines Gutes
kam 1712 zu Laugallen
Lapienen
Ort der Füchse
Försterei Lapienen
Schillupischken
Schaulwethen
Sandlauken
Skardupönen
Seikwethen
Sprokinnen
Fichtenfließ
Lichtenhöhe
Sandfelde
Scharden
Rockingen
Turken
Deutung der Gewässernamen
Arge
Budup
Schillup
Ossat
vermutlich der rauschende
Bach/ Grenzfluss zur Wildnis
Der Bach an den Buden
(Hütten)
Der Bach durch das
Heidegebiet (Fichtenwald)
Der Bach durch die
Ziegenweiden/-Orte
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Arge
Auerbach
Fichtenfließ
Krummfließ
Seite 25 von 26
Ableitung einiger Namen nach der Eindeutschung von 1934
Königskirch
Martinsrode
Auerfließ
Ellerngrund
Feldhöhe
Fichtenfließ
Lichtenhöhe
Ulmental
Grünhöhe
Birkenwalde
Freihöfen
Ostwalde
Groschenweide
Berginswalde
Kellen
nach König Wilhelm I., dem Kirchenstifter
nach dem ersten Siedler Martin Blaurock
nach der umbenannten Budup in Auerbach
nach dem Ellernwald (Erlen)
nach der höchsten Anhöhe im Kirchspiel
nach der umbenannten Schillup in Fichtenfließ
nach der erhöhten Lage des Ortes und des fehlenden
Waldes
nach dem Ulmenbestand im Ort
wohl nach der erhöhten Lage des Ortes
und den vielen Wiesen
wohl nach den schönen Birkenwäldern und -Wegen
wohl nach dem erbfreien Wirth
wohl nach dem auf der Ostseite des Waldes von
Schlecken gelegenen Ort
nach dem ersten Siedler Christoph Groschen
nach dem ersten Siedler Heinrich Bergin
nach dem ersten Siedler von Kellen
Autor : © 2005 Botho Eckert Bad Salzuflen ( früher Skattegirren/Groschenweide)
Fotos: privat und Kreisarchiv Tilsit-Ragnit e.v.
Anmerkung:
Die gesamte Kirchspielgeschichte
Teil I = Kurzfassung
Teil II = Fakten
Teil III = Erinnerungen (folgt 2007/2008)
Teil IV = Untergang
ist bzw. kommt in folgende Archive
• Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin-Dahlem
• Martin-Opitz-Bibliothek, Herne
• Ostpreußisches Landesmuseum, Lüneburg
• Salzburger Verein e.V., Bielefeld
• Stadtarchiv Bad Salzuflen
• Heimatstube der Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit e.V. in Preetz
© 2007 Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit e.V.
http://www.tilsit-ragnit.de
Erstausfertigung: 25.03.2007
letzte Änderung am 02.05.2012
Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I
Seite 26 von 26