Das Kirchspiel Jurgaitschen – Königskirch im Kreis Tilsit
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Das Kirchspiel Jurgaitschen – Königskirch im Kreis Tilsit
Das Kirchspiel Jurgaitschen – Königskirch im Kreis Tilsit-Ragnit/Ostpreußen Teil I – Auf einen Blick – Die Geschichte des Kirchspielbereiches und des Kirchspiels bis zum Ende 1948 mit den Daten der ersten Ansiedlungen und der Deutung der Ortsnamen (Auszug) © 2005 Botho Eckert Bad Salzuflen ( früher Skattegirren/Groschenweide) Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 1 von 26 Karte 1 © 2004 Botho Eckert, Bad Salzuflen (Nachzeichnung und Verkleinerung nach den zusammengefügten Messtischblättern (1:25 000) von Heinrichswalde, Tilsit, Schillen, Königskirch und Aulenbach) Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 2 von 26 Die Verwaltungsbezirke im Kirchspielbereich Vor der ersten Besiedlung um 1500 war der Kirchspielbereich tiefster Urwald, der so genannte Grauden. Ab ca. 1300 beherrschte der Deutsche Orden das Gebiet mit der Komturei in Ragnit. 1525 entstand aus den prussischen Gebieten Samland, Nadrauen und Schalauen der Verwaltungsbezirk Samland mit Sitz in Königsberg Aus der Komturei Ragnit bildeten sich die Hauptämter Tilsit mit den Creysen (Beritten) Thaurothenen und Argeningken, (in diesem lag der Kirchspielbereich Jurgaitschen) Ragnit und Labiau. 1713 entstand die Domänenkammer Königsberg und 1736 für Nadrauen und Schalauen, dem damaligen Preußisch-Lithauen, die neue Domänenkammer in Gumbinnen. 1733 gab es auf der Karte von J. F. Betgen die folgenden Districte: den Memelschen den Tilsitschen mit den Amtsbezirken o Linkuhnen einschließlich Heinrichswalde o Kukernese o Balgarden (Tilsit) den Ragnitschen mit den Amtsbezirken o Ragnit o Gerskulen, in dem das Kirchspiel Szillen lag. 1751 entstanden die ersten ländlichen Kreise. Nadrauen und Schalauen gehörten zum Lithauischen Cammer-Departement. Es entstanden u. a. die folgenden Kreise: Gumbinnen Ragnit u. a. mit dem Domänenamt Gerskulen mit 5 Vorwerken und 70 Dörfern Tilsit u. a. mit den Domänenämtern Balgarden mit 2 Vorwerken und 102 Dörfern Heinrichswalde mit 2 Vorwerken und 25 Dörfern Linkuhnen mit 1 Vorwerk und 121 Dörfern 1808 erhielten die Domänenkammern den Titel Regierung. Somit gab es ab 1809 die Königlich Litauische und ab 1816 die Königlich Preußische Regierung 1818 entstanden im neuen Regierungsbezirk Gumbinnen u. a. die folgenden Kreise: Insterburg Land Ragnit Tilsit Land und Niederung Im Gemeindelexikon von 1888 erscheinen folgende Kreise und Amtsbezirke: Tilsit u. a. mit dem Amtsbezirk Eromeiten Ragnit u. a. mit den Amtsbezirken Jurgaitschen an der Budup Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 3 von 26 Neuhof Niederung u. a. mit den Amtsbezirken Brettschneidern Kellmienen 1833 entstand das neue Kirchspiel Jurgaitschen 1905 gab es im Regierungsbezirk Gumbinnen 14 Kreise, darunter Tilsit Stadt Tilsit Land Ragnit und Niederung 1922..entstand der Landkreis Tilsit-Ragnit mit der Verwaltung in Tilsit u. a. mit den Kirchspielen Jurgaitschen (alle Orte kamen nun endgültig zum neuen Kirchspiel) Schillen und 1938 der Landkreis Elchniederung mit der Verwaltung in Heinrichswalde und u .a. mit den Kirchspielen Heinrichswalde Skaisgirren/Kreuzingen 1934 erhielten alle Orte neue deutsche Namen Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 4 von 26 Zusammenstellung aller Orte des Kirchspiels mit Angaben der Ansiedlung sowie der ersten amtlichen Eintragungen Daten der Ortsname alt Ortsname neu Hinweise Ansiedlung vor 1709 Alloningken Allingen vor 1785 Alloningscher Teich kam 1888 zu Alloningken vor 1709 1764 Abud Bussen kam 1922 zu Thalszenten vor 1630 1639 Argeningken-Graudszen Argenhof Birkenwalde * Gut Birkenwalde kam zu Allingen 1670 vor 1861 Böttchersdorf /Trakeningken Kam zu Birkenwalde vor 1716 1750 Budopönen auch Kisen genannt Freihöfen vor 1709 Groß Brettschneidern Brettschneidern ca. 1785-1796 Klein Brettschneidern * kam zu Brettschneidern vor 1709 Groß Dummen Ostwalde 1737 Klein Dummen Klein Ostwalde * kam zu Ostwalde vor 1700 1741 Freyhoff seit 1846 Freihof * kam zu Königskirch vor 1630 Giggarn Girren vor 1709 Giggarn-Skerswethen Garnen ca. 1709-1736 Gaydwethen Geidingen ca. 1785-1796 Alt Grünheide Forst Grünheide * ca. 1785-1846 Neu Grünheide kam 1888 zu Schillupischken vor 1914 Heide* kam zu Seikwethen Groß Ischdaggen auch Brasen genannt 1623 Groß Roden ca. 1796-1846 Klein Ischdaggen kam zu Kellmienen vor 1630 1741 Jurgaitschen Königskirch ca. 1785-1796 Dorf Kaukwethen Gut Raunenhof kam 1888 zu Tauern Gut Kaukwethen Gut Bartken blieb beim Krs. Niederung vor 1630 Kaukweth-Kludszen Raunenwalde * kam zu Alloningken (vor 1540) Kellmienen auch Pillwellen genannt 1647 Kellen vor 1630 1654 Kermuszeiten Kermen Klipszen-Rödszen (vor 1540) 1619 Klipschen vor 1630 Kluickschwethen(Klischwethen) Klischenfeld* kam 1934 zu Königskirch vor 1630 1716 Krauleiden Krauden vor 1709 Kluickschwethen Klugwettern * kam 1934 zu Neuhof vor 1709 Kattenpuppen Kattensteig * kam 1934 zu Krauden Kayserau 1686 Kaiserau 1687 Kühlen vor 1655 1678 Laugallen Martinsrode 1619 Lieparten nach 1888 Lapienen Forst Lapienen * Neuhoff 1648 Groß Neuhof ......1752 Klein Neuhof kam 1922 zu Groß Neuhof 1739 1773 Neuhof-Grineiten Neuhof-Grüneiten kam zu Hohenberg 1754 Neuhof-Neuendorf * gehörte zu Neuhof 1749 Neuhof-Hohenberg * gehörte zu Neuhof vor 1630 1716 Osznaggern Aggern vor 1616 1619 Groß Oszkinnen Groß Ossen * kam 1934 zu Lieparten 1763 Klein Oszkinnen oder Klipschen Klein Ossen * kam 1934 zu Königskirch 1755 Odaushöfchen * kam zu Groß Skattegirren vor 1630 Puppen wurde 1934 geteilt. Puppen A * kam zu Aggern, Puppen B * zu Königskirch vor 1630 1683 Papuschienen Paschen vor 1665 1682 Groß Skattegirren Groschenweide 1725 Klein Skattegirren * gehörte zu Groß Skattegirren Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 5 von 26 1639 vor 1665 vor 1630 vor 1630 vor 1630 vor 1630 vor 1736 vor 1709 vor 1709 vor 1630 vor 1709 vor 1540 1764 1695 1745 1716 1639 1772 vor 1630 1682 vor 1709 vor 1615 1643 vor 1709 Schillkojen Auerfließ Skambracken Skeppetschen Schacken-Jedwillen Schillupischken Schaulwethen Sandlauken Skardupönen Seikwethen Brakenau Ellerngrund Feldhöhe Fichtenfließ Lichtenhöhe Sandfelde Scharden Ulmental Sprukinnen (Klein Jurgaitschen) Thalszenten Groß Taurothenen (Tauratheen) Neu- bzw.Klein Taurothenen * (Schrödershöfchen) Turken Groß Wingsnupönen Klein Wingsnupönen Wersmeningken Wittgirren Walseeden Rockingen * Grünhöhe Tauern auch Schaugsten genannt vor 1796 Tarpszikinnen genannt kam 1934 zu Königskirch war ein königliches Dorf kam zu Tauern Groß Wingen Ortsteil von Groß Wingen Angerbrunn Berginswalde erste Rodungen um 1615 kam nach 1710 zu teilweise zu Laugallen Im Kirchspielbereich gab es ursprünglich 66 Ortsnamen(Haupt- und Nebenorte). 57 davon blieben bis 1945 erhalten. Von den restlichen Ansiedlungen fiel ein Ort der Pest zum Opfer, die weiteren wurden vor 1922 anderen Dörfern zugeordnet. 1939 existierten 37 Hauptorte, 18 Nebenorte und zwei Förstereien. Die neuen Ortsnamen wurden ab 1934 eingeführt. Anmerkung Die Namen der 37 Hauptorte von 1939 sind fett gedruckt. Die Nebenorte und Förstereien sind mit einem Stern (*) bezeichnet. Bei den vor 1700 entstandenen Orten sind die Jahreszahlen fett gedruckt. Die Jahreszahlen der ersten amtlichen Eintragung, z.B. Actum, sind unterstrichen. (vor 1540)= Ansiedlungen an der Arge, die bereits vor 1540 entstanden. Nachtrag: Bei der Suche nach dem Ursprung der einzelnen Orte fällt die große Namensvielfalt einiger Ansiedlungen besonders auf Karten und Schriftstücken vor 1800 auf. Einige Orte wechselten vollständig ihren Namen oder tauchen nach 1800 nicht mehr auf. Es folgen Beispiele Groschenweide = Skattigken Skatiken Skategirei Skategirrn Skatteggirren Skattegirren Ulmental = Tarpszikinnen Scheigwethen Seikwethen Groß Wingen = Wingschnupoehnen Wingsnupöhnen Wingsnupönen -?- Forkeningken Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 6 von 26 Hinweise und Daten zur Geschichte des Kirchspiels Jurgaitschen/Königskirch im KreisTilsit-Ragnit/Ostpreußen Vor 350 Millionen Jahren, im Zeitalter des Karbon, gab es sehr wahrscheinlich im Kirchspielbereich ausgedehnte Farn- und Siegelbaumwälder. Zeuge dieser Zeit ist das Erdölvorkommen bei Sandlauken und Kellmienen. Es soll sich um qualitativ hochwertiges Öl handeln. Vor 65 Millionen Jahren wuchsen im Samland ausgedehnte Kiefernwälder, Lieferanten des wertvollen Bernsteins; Funde gab es auch im Memeldelta. Um 11.000 v. Ch. sind erste Ansiedlungen im Gebiet von Pillkallen dokumentiert. Bis 8.000 v. Ch., dem Ende der Eiszeit, war Ostpreußen vom Eis bedeckt. Die Landschaft des Kirchspielbereiches wurde durch eine Grundmoräne geprägt. Die tauenden Gletscher bildeten Wasserläufe, Seen und Sümpfe. Ablagerungen formten das Gebiet zu einer leicht welligen Landschaft. Es entstanden diverse Landsenkungen und –hebungen von der Ostsee bis zur Elchniederung. Vor ca. 4.000 v. Ch. Jahren trat eine Klimaveränderung ein. Durch die Erwärmung entstand die Vegetation des Graudenwaldes, aber auch die Tierwelt der Wisente und Auerochsen. Aus dem Norden wanderten die Fennen (Finnen) ein. Sie waren Jäger, die mit einfachen Geräten, z.B. Steinäxten, jagten und sich mit Fellen kleideten. Häuser kannten sie noch nicht. Um 2.500 v. Ch. gelangten baltische Waldbauern, die Aestii (Esten) hinzu. Sie lebten an Flussläufen und in den Küstengebieten. Sie betrieben bereits einen primitiven Ackerbau mit Emmer und Hafer und eine Viehhaltung mit Schweinen, Schafen und Ochsen. Um 1.000 v. Ch. gelangten die Veneti (llyrer, Römer) in das Samland. Sie erkundeten das Gebiet und entdeckten den Bernstein. Jäger, Waldbauern und Ilyrer vermischten sich zu den Pruteni oder Prussi (dem Wortsinn nach verständige und kluge Leute), den Altprussen, einem baltischen Volk, wie auch die Kuren und Letten. Nach der Ordenszeit wurden sie zusammen mit vielen Deutschen, Litauern und Polen zu guten Preußen. Um 300 v. Ch. gelangten die Goten in das Samland. Von ihnen erlernten die Prussen den Haus- und Ackerbau, sowie eine bessere Tierhaltung aber auch das Kriegshandwerk. Aus ihrer Sprache stammt u. a. auch der Name Wanaglauken (Wangus = halbgerodete Waldflächen). 573 n. Ch. teilte der Prussenkönig Waidewutus (Vidinitus) das Prussenland unter seinen 12 Söhnen auf. Davon erhielt Scalto Schalauen und Nadro Nadrauen. Graudenwald, so nannte man den Urwald zwischen Pregel und Memel. Es war ein feuchtes, teilweise sehr sumpfiges Waldgebiet mit vielen Mooren. Der Wald bestand aus Sumpfeichen, Erlen, Birken und einem dichten, dornigen Gestrüpp. An einigen höher gelegenen Stellen wuchsen wohl auch Kiefern und Heide. Ossat, Schillup, Budup und Arge waren mehr oder weniger breite Flussläufe. Modernde Altbäume, Gestrüpp, Neuwuchs sowie Tierlaute vermischt mit Wind und Sturm gaben dem Gebiet den Namen Grauden. Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 7 von 26 Erste Funde im Kirchspielbereich beweisen, dass schon um 4.000 vor Christus, also in der jüngeren Steinzeit, Menschen im Graudenwald lebten. So fand man in Neuhof ein kleines Steinbeil in Argeninken zwei Steinäxte in Jurgaitschen fand man ein Rundbeil aus der Zeit von 1800 – 800 v. Chr. Auch Tiere lebten in der Wildnis. Ein Beweis sind die gefundenen Auerochsen-Knochen in Schillkojen. Aber auch viele andere Tierarten waren zu finden u. a. Elche, Bären, Wildschweine, Wisente, Wildpferde, Wölfe und Auerhähne. In den Flussläufen gab es reiche Fischvorkommen sowie Biber und Otter. Ortsnamen der Gegend erinnern an einige Tierarten: Jurgaitschen – Kollerhahnort (Auerhahn) Taurothenen – Ort im Auerochsenwald Lapienen – Fuchsort Um 900 fielen die Wikinger ins Samland ein. Sie töteten die Männer, heirateten die Frauen und wurden dann sesshaft. Ab 1273 kam der Deutsche Orden in das Land der Nadrauer und Schalauer. 1275 fuhr der Vogt des Samlandes, Dietrich von Liedelau, erstmals mit einer Flotte über das Haff und auf der Memel nach Schalauen und überfiel zwei Burgen in der Höhe von Ragnit. 1352 wurde Nadrauen geteilt. Der Kirchspielbereich blieb im Hoheitsgebiet des Hochmeisters. Die Marschallstanne bei Grudszen (ein Nachbarort von Skattegirren) war dabei ein Orientierungspunkt, wohl auch auf dem 43. Ordensweg. um 1354 entstand der älteste Handelsweg durch den Grauden zwischen Insterburg, Kraupischken und Ragnit. Zur Sicherung des Ordenslandes wurden die Burgen Ragnit 1289 und Tilsit zwischen 1403 und 1408 erbaut. Den Hauptschutz vor Überfällen der Litauer bildete jedoch die zwischen Pregel und Memel liegende Wildnis – ein Grund dafür, warum sie erst spät besiedelt wurde. 1377 zog der Marschall Gottfried von Linden mit Herzog Albrecht von Oesterreich und einem Heer von 30.000 Mann von Königsberg über Insterburg zur Memel. Nach mehreren Schlachten, Siegesfeiern und einem Unwetter zogen sie wieder zurück nach Königsberg. Das Gros dieses Heeres zog von Ragnit durch den Grauden. Wo sie den Urwald durchquerten, ist unbekannt. 1380 gelangte mit deutschen Siedlern der erste Pflug in das Ordensland. Bei der Urbarmachung der Wildnis bedeutete er ein wichtiges Hilfsmittel, benutzte man davor doch lediglich einen Haken aus Geweihen. 1384 wird ein erster Weg durch den Grauden, nämlich der 43. Ordensweg beschrieben. Er führte ursprünglich durch die späteren Orte des Kirchspiels wie Skattegirren, Wittgirren, Schaulwethen, Budopönen, Oschnaggern, Lieparten, Argeningken/Graudszen und Taurothenen sowie über die Tilse nach Ragnit. 1390 und 1392 zog der englische Graf Derby von Norkitten über Schillen und von Tapiau über Mehlauken nach Ragnit an die Memel. Befahrbare Wege existierten noch nicht. Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 8 von 26 Waldnutzung: Die Ausübung von Jagd, Imkerei und Fischfang im Urwald unterstand einer strengen Kontrolle des Ordens und somit der Zinspflicht. Für den Orden entwickelte sich die Wildnis zu einer reichen Einnahmequelle. Buden, Bauden nannte man die ersten Unterkünfte der Holzfäller aber auch der im Grauden lebenden Jäger, Fischer oder Beutner (Imker). Sie alle könnten während der Sommermonate solche Buden benutzt haben. Bei Budopönen handelte es sich wahrscheinlich um einen solchen Wohnplatz. Da die alten Prussen des Lesens und Schreibens unkundig waren, gibt es über ihre Ansiedlungen und Lebensweisen keine schriftlichen Überlieferungen. Erste Aufzeichnungen machten die Schreiber des Ordens. Somit bekam man auch Einblicke in das Leben der Ureinwohner, der Schalauer und Nadrauer. Durch den Orden verbesserten sich die Lebensbedingungen der Prussen erheblich. Stuter waren ortskundige Wegeführer, die den Grauden sehr gut kannten. Axtkerben an den Bäumen dienten ihnen als Wegezeichen Witinge nannte man die zum Orden übergetretenen Prussen. Sie verrichteten hauptsächlich in der Wildnis einen für den Orden wichtigen Wehrdienst. Sie waren gute Reiter, Krieger, Kundschafter und Bauern und erhielten für ihre Dienste einige Huben Land zu besonderen Rechten. Erste Wege, wahrscheinlich Reitpfade, durch den Grauden im Kirchspielbereich waren der 43. Ordensweg über Schillupischken sowie der Weg über Schillkojen und Sandlauken. Es ist zu vermuten, dass die ersten Ansiedlungen an den Bachübergängen sowie an höher gelegenen Stellen entstanden, die gute Aussichtspunkte darstellten. Weitere erste Orte könnten die der Heubauern an den Rast- und Futterplätzen für Mensch und Tier in der Wildnis gewesen sein. 1398 und 1405 wurde von Pestepidemien berichtet. 1401 trafen sich der Hochmeister des Deutschen Ordens und der Großfürst von Litauen, Witowd in Insterburg. Um 1404 wurde an der Tilse (Tilßelle), dort wo das etwa um 1289 erbaute Schalauerhaus (Burg) stand, von den Ordensleuten eine Burg gebaut. Es war die Zeit der ersten Ansiedlungen an Memel und Tilse. Die Bauleute wohnten in Ragnit. 1427 zog der erste Marschall aus Ragnit mit hunderten von Hilfskräften von Königsberg kommend über Schirrau nach Ragnit. Vermutlich war es der Weg über Kellmienen, Schillkojen und Sandlauken. Die Reisegeschwindigkeit betrug ca. 5 km am Tag. Um durch den Grauden zu gelangen, mussten Buschwerk und Bäume beseitigt werden. Flussläufe und Sumpfgebiete konnten nur mit Brücken aus Knüppeldämmen überquert werden. 1448 zog derselbe Marschall nochmals durch den Grauden, dieses Mal aber von Ragnit nach Königsberg und vermutlich auf dem gleichen Wege. Der Urwald bot eine reiche Nahrungsquelle für Beutner (Imker), die den guten Waldbienenhonig ernteten. Jäger stellten Wildpferden, Hirschen, Wildschweinen und anderen Wildtieren nach. Die Fischer fanden reichlich Nahrung durch Hechte, Forellen usw., die sie in den zahlreichen Flussläufen fingen. Aschbrenner gewannen die damals wertvolle Pottasche durch Abbrennen des Waldes. Das Land war allgemein flach, jedoch gab es an der Arge bis zu 25 m hohe Steilwände. Die Laukne hatte sogar bis zu 30 m tiefe Stellen. Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 9 von 26 1470 wurde für die Arge das erste Fischereirecht verliehen. Der genaue Ort sowie der Pächter sind nicht erwähnt. 1504 erhielt der Kaufmann Jörg Kromer aus Königsberg vom Amt Insterburg 100.000 ha Wildnis bis an die Budup zum Holzeinschlag. Aufgrund der schlechten Wegeverhältnisse soll der Einschlag nur gering gewesen sein. Ab 1504 finden sich erste Aufzeichnungen über die Siedlungstätigkeiten in einem Hausbuch von Ragnit. Orte aus dem Kirchspielbereich sind dort nicht erwähnt. Zum Orden übergetretene Prussen und Litauer siedelten sich als Erste in der Nähe der Burgen, an den Flussläufen sowie an den Hauptwegen durch die Wildnis an. Deutsche Siedler gab es zur damaligen Zeit nur wenige. Unter den Siedlern waren auch die als Witinge bezeichneten Wehrbauern. Insgesamt gesehen, war das Siedlungsaufkommen jedoch gering. Bis zur Einführung des Kulmer Rechtes bestand noch die alt gewohnte ländliche Verfassung. Der Wert des Landes wurde nach Ochsen und den darauf wohnenden Personen festgesetzt. So bestand: der kleinste Landwert aus zwei Ochsen mit einer Person, ein Zins, eine Wirtschaftsgemeinschaft aus zwei Ochsen und drei Personen. Sie wurde auch eine Familie genannt. Brot, so nannte man die Glieder eines Zinses. Es waren die direkten Familienmitglieder, also die Frauen und Kinder. Bender, so nannte man die fremden Mitglieder eines Zinses. 1525 endete die Ordenszeit. Herzog Albrecht und mit ihm fast ganz Ostpreußen trat zum evangelischen Glauben über, ebenso die im Ordensland lebenden Litauer. 1540 werden im Türkensteuerregister des Amtes Tilsit die ersten Ansiedlungen in Tauothenen und an der Arge genannt. Vermutlich handelt es sich um Kaukwethen, KlipszenRödszen, Argeningken-Graudszen und Oszkinnen. Es gab 8 Withe in Taurothenen und 5 an der Arge. Ab 1548 erschien die Bibel auch in litauischer Sprache. Während dieser Zeit begann der Handel zwischen Tilsit und Tauroggen. 1552 erhielt der Flecken Tilsit das Stadtrecht. Außer Prussen und Lithauern lebten 200 Deutsche im Ort. Den Hauptverkehrsweg bildete damals der Wasserweg über die Gilge und das Haff. Einzige Landverbindung nach Königsberg war der Weg über Ragnit und Insterburg. Durch den Grauden über Schillupischken bzw. Schillkojen führten nur schmale Pfade. Die ersten Hausbauten auf dem Lande waren Blockhäuser aus Baumstämmen. Die Küche (schwarzes Loch genannt) bestand aus einem Raum mit direktem Rauchabzug über dem Herd. Die einzelnen Orte waren in geschlossener Bauweise angelegt. Die Häuser und die dazugehörigen Äcker zäunte man zum Schutz gegen wilde Tiere ein. 1572 wurde von den ersten Rodungen an einer nicht näher bezeichneten Stelle am Argefluss berichtet. Das Holz aus der Wildnis nutzte man hauptsächlich als Brennholz für die Stadt Königsberg. Das Nutzholz kam vorwiegend aus Schamaiten. Das Vorhaben, einen Weg durch die Wildnis von Tilsit nach Labiau zu bauen, unterband Herzog Albrecht aus Sicherheitsgründen. 1595 wurde von einem regen Handel mit Haselnüssen, Honig und Talg berichtet. Aber auch Hanf, Flachs und Roggen wuchsen im Tilsiter Gebiet. 1602 brach im Königsberger Gebiet die Pest aus Um 1615 rodete ein Mann namens Bergin den Wald von Wittgirren. Eine Berahmung erhielt sein Sohn, der Wildniswart Heinrich Bergin im Jahre 1643. Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 10 von 26 1619 wurden in Klipschen-Rödßen von Kurfürst Johann Sigismund an den Wachtmeister Gabriel Nimmerjahn 7 Huben zu Kölmischem Recht verliehen. Einige Huben davon erhielt er in Lieparten. 1619, am 23. Februar erhielt der Leutnant Morejau ein Privileg über 7 Hufen Land für sein neues Gut in Oschkinnen zu Kölmischem Recht. Außerdem bekam er das Schankrecht. Doch der Krug wurde nicht gebaut! 1623 erhielt der Rußer Fischmeister (Name nicht bekannt) 2 Hufen Dienstland in Ischdaggen, das ihm 1670 von dem aus Trumpeiten (Kaukehmen) stammenden Christoph Ginnunttis abgekauft wurde. Etwa 1630 existierte wohl bereits eine Wegeverbindung von Tilsit über Schillupischken nach Labiau, die spätere Königsberger Landstraße. Erste Ansiedlungen vor 1630 entstanden vornehmlich im Verlauf dieses ursprünglichen 43. Ordensweges. 1630 erfolgte die erste amtliche Eintragung von Argeningken-Graudszen und Taurothenen. Ein Friedrich Flubach bekleidete das Amt des ersten Dorfschulzen in beiden Orten. Um 1630 entstand die erste Karte von Schillen – Szillen und Umgebung. Auf dieser Karte sind auch einige Orte aus dem Kirchspielbereich aufgeführt. Zu den sieben bereits bestehenden Orten kamen auf der Karte 15 neue hinzu. Um 1638 gab es im Bereich Tilsit große Schafzuchten (Schäfferey) 1639 erhielt ein Martin Möller vom Kurfürsten Georg Wilhelm in Argeningken 3 Hufen sowie 1 Hufe schlechtes Land in Schillkojen und die Kruggerechtigkeit. 1639 bestanden erste Krüge in Schillkojen und Schillupischken. Das königliche Privileg erhielten diese und einige weitere jedoch erst nach 1700: Schillupischken ab 1738 Schillkojen ab 1740 Klein Dummen 1740 Jurgaitschen ab 1742 Lieparten ab 1749 Klipschen-Rödszen ab 1764 1645 erfolgte eine Berahmung zu Lieparten. 1647 erhielt ein gewisser von Kellen eine Berahmung in Kellmienen. 1648 wurde für Neuhof im Amt Insterburg ein Siedlungsprivileg erteilt. Weitere Ortsteile entstanden: 1749 Hohenberg und Neuendorf, 1750 Klein Neuhof und um 1739 Grüneiten. 1654 erfolgte in Kermuscheiten für Andreas Schulz eine Landverschreibung 1656 und 1657 verwüsteten verheerende Tartarenüberfälle das Land. Der Kirchspielbereich blieb dagegen verschont. 1663 kaufte der Bürgermeister zu Tilsit 2 Hufen Land in Argeningken-Graudszen. 1664 wurden drei Wege von Tilsit nach Süden beschrieben über Kraupischken nach Insterburg (ältester Ordensweg), über Schillen nach Insterburg und über Argeningken nach Labiau (wahrscheinlich über Schillupischken). Vom Herbst bis zum Frühjahr waren alle Wege sehr schlecht befahrbar, die litauischen Wege sogar nur unter Lebensgefahr. Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 11 von 26 1665 gab es nach einer Karte des Kreises Ragnit u.a. Ansiedlungen in Schatiken (Skattegirren), Laugallen und Schamaken(Skambraken). 1670 erhielt Gustav Fleischmann eine Berahmung in Birkenwalde. 1673 wurde Wittgirren in einer Amtsrechnung über 4 Huben für den ersten Siedler genannt. 1678 erhielt der Wildnisbereiter Martin Blaurock eine Berahmung über 5 Huben und 20 Morgen in Laugallen. 1678/79 hatten die Schweden Tilsit besetzt. Die preußischen Verteidiger zogen sich im September 1678 nach Schillkojen zurück, um die Wegeverbindung nach Mehlauken zu sichern. Sie bekamen Unterstützung vom Großen Kurfürsten. Im Januar 1679 eilte er mit der Infanterie auf Schlitten über das Haff und mit der Reiterei von Mehlauken über Schillkojen nach Splitter, wo es zum Kampf kam. 1679 erhielt der Besitzer des Gutes Oschkinnen, der Holzschreiber Ulrich Sambländicher, eine Verschreibung für eine Ansiedlung in Neuhoff. In Abstimmung mit den Regimentsräten nahm er das bestehende Schankrecht mit zum neuen Gut. 1680 gab in Klipschen-Rößden die Witwe des seligen Landschöppen Johann Bettikerke, geb. Blaurock, 5 Hufen Triftenland für 1.500 Mark an einen Herrn Fleischmann ab. 1683 erfolgte eine Berahmung in Papuschienen. 1695 existierte bereits ein Amtsbauer in Schillupischken: Paul Arnoldi erhielt einen Berahmungsvertrag (Siedlungsvertrag) über 4 Huben 24 Morgen 250 Ruthen durch den Wildnisbereiter Martin Blaurock. Berahmungen waren die ersten Sielungsverträge, die zwischen den Forstleuten, teilweise auch Jägern, und den Siedlern abgeschlossen wurden. Wildnisbereiter waren Forstleute, die für die Ansiedlung in der Wildnis, für die Waldrodung und für die Ordnung in ihrem Beritt (Bezirk, den sie umreiten konnten) zuständig waren. Sie hatten die Berechtigung, Berahmungsverträge abzuschließen. Die ersten Dörfer waren geschlossene Ansiedlungen von mehreren Bauernhöfen. Die Bauern betrieben die Dreifelderwirtschaft und hatten die Äcker und Dörfer mit Flechtzäunen aus Holz geschützt. Die Tore blieben immer geschlossen. Jeder Hof bestand aus Wohnhaus, Stall und Scheune. Schatullsiedlungen waren Ansiedlungen in der Wildnis, von denen der Pachtzins in die fürstliche Kasse (Schatulle) gezahlt werden musste. Zwischen 1617 und 1697 erfolgte der Ausbau der Gilge. 1699 entstand die erste Reitpostverbindung von Tilsit über Ragnit und Insterburg. Um 1700 bestand bereits die Verbindung der späteren Skaisgirrer Landstraße von Tilsit über Schillkojen nach Wehlau. Ab 1700 fuhren die ersten Postkutschen. Ob sie auch durch den Kirchspielbereich fuhren, ist nicht bekannt. Zwischen 1678 und 1745 entstanden neun Schatulldörfer mit insgesamt 55 Huben und 13 Morgen = 928 ha. Es handelte sich um die Orte: Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 12 von 26 1678 Laugallen und Birkenwalde 1682 Skattegirren 1686 Kayserau 1687 Kellmienen, Kühlen und Ischdaggen 1699 Wingsnupönen 1745 Sandlauken Landmesser, Forstleute etc. erhielten die Berahmungen. Doch die ersten Wirthe waren hauptsächlich lithauische Bauern, die auf fürstlichem Grund freier leben konnten als unter dem Adel in Lithauen. 1708 gab es im Kirchspielbereich 32 Orte zuzüglich der 8 zwischen 1678 und 1687 berahmten Schatullorte. Ohne die Schatullorte wirtschafteten 199 Bauernfamilien auf 172 Huben. Die Bauern waren überwiegend lithauische Siedler. 1708/1709 war der Winter so kalt, dass die Wintersaat auf den Feldern erfror. 1709/10 wütete auch im Kirchspielbereich die Pest in voller Stärke. Von den im Amtsbereich Balgarden erfassten 44 Orten waren alleine im Bereich Jurgaitschen 23 Orte hart betroffen. 1710 In dem damaligen von 9 Bauernfamilien bewohnten Ort Schillupischken gab es eine Poststation. Der 43. Ordensweg diente nun auch als Postweg. In einem Beritt von Taurothenen von 1716 wird berichtet: Das Dorf lieget an der Landt-Straße und muß gleich anderen die nöthige Postfuhren geben. Es gab reitende und fahrende Postverbindungen. Von Tilsit nach Königsberg bestanden durch den Grauden die Wegeverbindungen: über Schillen nach Insterburg, über Jurgaitschen nach Skaisgirren und über Sandlauken nach Skaisgirren. Am 11. Oktober 1711 erfolgte durch den Landschöppen Friedrich Haupt aus Tilsit eine Aufstellung über die Folgen der Pest. Der Bericht ist erschreckend. Von den 32 Orten (ohne Schatullorte) waren: 7 total ausgestorben 4 über 90 % ausgestorben 18 über 50 % ausgestorben 3 bis zu 50 % und weniger ausgestorben. Von den 199 Bauernfamilien starben 158 aus. Hinzugerechnet werden müssen noch die Knechte, Mägde und Hirthen. Von den bewirtschafteten Huben Land waren nach dem großen Sterben ca. 80 % total verwildert. Nach der Pest wurde von König Friedrich Wilhelm I. ein großes Siedlungsprogramm zur Neuansiedlung erlassen. Es kamen Siedler aus Thüringen, Nassau, der Schweiz und Lithauen ins Land. Alle erhielten eine großzügige Grundausstattung an Boden (ca. 1 – 2 Huben), Besatzvieh, Saaten und Hofwehr (Arbeitsgerät). Bereits im Jahre 1711 lebten im Kirchspielbereich zahlreiche neue deutsche Siedler und besonders viele lithauische Siedler. Vor 1716 gab es bereits Ansiedlungen in Budopönen, auch Kisen genannt. 1716 lag der Ort Schillupischken an der Großen Königsberger landstraße. Die Einwohner mussten den durchziehenden Soldaten Rast gewähren. Nach 1722 ließ der König Friedrich Wilhelm I. Kirchen und Schulen erbauen. Der Kantor war gleichzeitig auch Lehrer. Ursprünglich hatte der Pfarrer für Sicherheit, Ordnung und den Steuereinzug zu sorgen. Zu seiner Unterstützung wurden die Dorfschulzen eingesetzt. Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 13 von 26 1723 wurde berichtet, dass im November dieses Jahres im Amtsbereich Tilsit 8 Ochsen und 2 Milchkühe von Bären getötet wurden. 1724 erhielt Johann Baltrusch eine Verschreibung über das köllmische Gütchen Argeningken/Graudszen. Ab 1730 erfolgte die erste Einrichtung von Landschulen, vermutlich auch im Kirchspielbereich. 1732 kamen Salzburger Siedler auch in den Kirchspielbereich, so u .a. nach Klipschen – 1 Familie Schacken – 1 Familie Schillupischken – 2 Familien und 2 ledige Männer Skattegirren – 1 Familie In den folgenden Jahren verstärkte sich der Zustrom der Salzburger. Im Allgemeinen entwickelten sie sich zu tüchtigen Bauern. 1736 entstanden die Schulen in Groß-Dummen (ab 1894 zweiklassig), Giggarn, Lieparten, Seikwethen und Skardupönen (ab 1905 zweiklassig). Bis zum Schulneubau fand der Unterricht in angemieteten Räumen statt. Aus den damaligen Creysen Thaurothenen und Argeningken wurden von insgesamt 88 wehrfähigen jungen Männern 51 aus 23 Orten des Kirchspielbereichs erfasst. Um 1736 war das Siedlungswerk weitestgehend mit Erfolg beendet. Auch im Kirchspielbereich hatte man mit großer Anstrengung die Folgen der Pest überwunden. Nach einer Erfassung von 1736 ergab sich folgendes Bild über die Bauern der verschiedensten Nationalitäten. So wirtschafteten in: 10 Orten 21 deutsche Wirthe auf 21 Huben, von denen 7 Wirthe schlecht wirtschafteten, 31 Orten 104 lithauische Wirthe auf 101 Huben, von denen 25 Wirthe schlecht wirtschafteten. Eine weitere Aufstellung über Cöllmer und Erbfrey-Bauern aus dem Jahre 1742 ergab: In 6 Orten wirtschafteten 14 Cöllmer auf 25 Huben in 6 Orten wirtschafteten 22 Chatoul-Cöllmer auf 42 Huben und 14 Morgen in 8 Orten wirtschafteten 32 Erbfrey-Bauern auf 33 Huben und 7 Morgen. Von den ursprünglich 32 Orten wurde nach Ausbruch der Pest ein Ort ausgelöscht. Bis 1742 kamen sieben Orte hinzu. Einschließlich der 8 Schatullorte gab es nun im Kirchspielbereich 45 Orte bzw. Ortsteile. 1737 wurde Klein Dummen erstmals vermessen 1739 gab es in Schillkojen die erste Schmiede. Weitere waren ab 1764 in Schillkojen und Klipschen-Rödszen 1769 in Lieparten und 1782 in Jurgaitschen Bis zum Aufkommen der ersten Schmieden gab es noch den Puffwagen, einen Wagen mit Holzrädern und den Holzpflug. Ab 1741 gab es in Schillkojen eine Försterei. 1741 fand in Jurgaitschen eine Verschreibung für die Wirthe Erzberger und Szimkus im Amt Tilsit statt. Bei Wolfsjagden mussten sie Vorspann für die Kutschen der allerhöchsten Landesherrschaften leisten Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 14 von 26 Um 1742 wirtschafteten, einschließlich der Schatullorte, 193 Wirthe auf 223 Huben und 11 Morgen = 3.740 ha. Gegenüber 1709 gab es nun einen Wirth und 2 Huben und 6 Morgen weniger. 1752 und 1763 arbeiteten in Jurgaitschen die ersten beiden Windmühlen für 65 Orte der Umgebung. Aus dem Kirchspielbereich gehörten 38 Orte dazu. 1757 Während des Rückzuges der Russen aus Ostpreußen im September/Oktober lagen preußische Verbände zunächst in Aulowöhnen und ab dem 24. September in Schillupischken in Bereitschaft. Kämpfe fanden nicht statt. In einzelnen Orten soll es Brände gegeben haben. Über die sechsjährige Russenzeit liegen keine Berichte vom Kirchspielbereich oder von Übergriffen auf die Bevölkerung im Tilsiter Gebiet vor. 1764 verpflichtete sich Albins Stanullis von den 4 wüsten Huben im Dorf ArgeningkenGraudszen eine Hube zu bebauen. 1764 erhielt Christian Sommerfeld in Abud Bussen die Hälfte der zwei Hufen, die bisher Friedrich Laurin bewirtschaftet hatte. 1765 meldete sich der Köllmer Heinrich Elwert zur Urbarmachung des wüsten Landes in Skambracken. 1766 ergab eine Zählung in 47 Orten des Kirchspielbereiches 1823 Einwohner. Davon waren 818 Kinder und Jugendliche, 1005 Erwachsene und 59 Alte, abgelebte Leute über 60 Jahre. 1766 gab es im Kirchspielbereich u. a. 4 Dorfschulen, eine Müllerin, einen Zimmermann, einen Radmacher, einen Schneider, 3 Schmiede und 4 Aschemeister. Pottaschenbrenner, Aschemeister gab es noch um 1766. Sie brannten Wälder ab und lieferten schlechte Asche, Budenasche, Weidasche und Pottasche. Pottasche entstand durch Wässern und Eindampfen. Asche war im Altertum ein bewährtes Reinigungsmittel. Nach 1759 löste Soda die Pottasche ab. Beritt, Wirth oder Schulze: Sie hatten die Aufgaben des späteren Ortsvorstehers bzw. Bürgermeisters zu erfüllen. Die Bezeichnung Beritt führte vom Reiten her, da damals die Orte nur zu Fuß oder zu Pferde zu erreichen waren (Beritt = Bezirk). 1774 erhielt Argeningken-Graudszen eine Schule. 1777/1778 lebten in den größten Orten Neuhof Jurgaitschen Groß und Klein Wingsnupönen Schillupischken 87 Personen auf 13 Höfen 81 Personen auf 8 Höfen 73 Personen auf 12 Höfen 68 Personen auf 10 Höfen Um 1778 stiftete König Friedrich II. 5 Huben und 10 Morgen Land zur Errichtung einer Kirche mit Pfarrei in Jurgaitschen, Möglicherweise war das sein Dank für die Aufbauleistung nach dem großen Leiden der Pest. 1779 erhielten mehrere Verschreibungen. Eigenkäthner Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I im Dorf Argeningken-Graudszen Land- Seite 15 von 26 Eigenkäthner waren Kleinstsiedler auf eigenem Grund. Sie besaßen Kontrakte und konnten ihren Acker vererben bzw. verkaufen. Die Grundstücke hatten die Größe von nur wenigen Ruten Land. 1779 wurden in Neu- bzw. Klein Taurothenen-Schröderhoff dem Steuereinnehmer Gottfried Schröder vier Huben zum Erstellen von Hofgebäuden und zur Ansiedlung von zwei litauischen Familien überlassen. 1782 erhielt Jurgaitschen eine Ölmühle. Der Ort lag an der großen Landstraße von Memel nach Königsberg. 1783 erfolgte eine erste gründliche Bestandsaufnahme der Orte. Im Actum und in der Praetationstabelle wurden die Orte beschrieben und die Bewohner erfasst. In 51 Orten gab es 364 Höfe, einschließlich der Eigenkäthner, mit insgesamt 1077 Huben = 8.259 ha. Es gab u. a. 8 Dorfschulzen, einen Müller, einen Tischler, 2 Schneider, 5 Schmiede, einen Schuster, einen Maurer. Hube, Hufe war die ursprüngliche Bezeichnung für einen Hof ohne Größenangabe. Innerhalb eines Dorfes waren die Hofgrößen identisch, jedoch von Dorf zu Dorf sehr unterschiedlich. Erst später entstanden daraus die Flächenhufen mit Namen wie Kulmer Hufe, Magdeburger Hufe, Waldhufe etc. 1783 nannte man die Straße von Tilsit über Schillkojen nach Wehlau Skaisgirrer Landstraße. 1783 hielten die Bauern des Kirchspiels lt. Actum rd. 1.500 Pferde und rd. 1.000 Kühe. 1783 lässt sich die Entwicklung im Kirchspielbereich an dem Dorf Oszkinnen gut verfolgen. So gab es 1619 nur einen Bauern, 1742 bereits zwei Bauern und 1783 vier Bauern auf rd. 15 Huben Magdeburger Maß. 1785 gab es das Litthauische Cammer-Departement u. a. mit den Domänenämtern Gerskullen Balgarden Heinrichswalde Aus allen drei Ämtern setzte sich das 1833 gegründete Kirchspiel Jurgaitschen zusammen. In den damaligen 50 Orten des Kirchspielbereiches gab es 383 Feuerstellen. Sie gehörten zu den Kirchspielen Tilsit, Heinrichswalde und Schillen und unterstanden alle dem König. 1789 wurde vom ersten Kartoffelanbau im Tilsiter Bereich berichtet, zunächst allerdings nur in den Gärten. Zwischen 1796 und 1802 entstand die Karte „Alt Preußen“ von Schroetter mit allen Ortsnamen. Zwischen 1799 und 1818 endete der Scharwerksdienst der Domänenbauern sowie die Gutsuntertänigkeit bei den Privatbauern gegenüber dem Adel. Danach trat ein wirtrschaftlicher Aufschwung ein. 1807: Auf der Flucht vor den Franzosen zogen am 18. Juni die Russen über Schillupischken, Jurgaitschen und Taurothenen und die Preußen über Kellmienen, Schillkojen und Sandlauken durch den Kirchspielbereich. Eine von den Russen geplante Schlacht an der Schillup wurde aufgrund der Übermacht der Franzosen abgeblasen. Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 16 von 26 1807 Am 19.Juni zog Napoleon über Kellmienen nach Tilsit. In Raukotienen bauten die Franzosen für 25.000 Soldaten ein Lager. Alles Material besorgten sie sich in der Umgebung. Viele Orte, es ist anzunehmen auch im Kirchspielbereich, wurden geplündert. Von den Höfen holten sie Gebäudeteile, Türen, Fenster und Möbel. Besonders zu leiden hatten die großen, gut eingerichteten Bauern. Das Getreide wurde zum Schmücken des Lagers vom Halm abgeschnitten. Den Bauern wurde eine weitere Belastung aufgebürdet, denn der Domänenzins pro Hufe verdoppelte sich bei fallenden Preisen für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Nach 1815 zahlte der Staat eine Kriegsentschädigung. 1811/12 und 1816 waren schlechte Ertragsjahre. 1811 und 1812 war die Ernte besonders schlecht, und 1816 verursachte die starke Nässe große Ausfälle in den Viehbeständen. Im Juni 1812 zogen wieder französische Soldaten von Mehlauken kommend durch das Kirchspiel. Die Bauern mussten Pferdewagen für den Zug nach Moskau stellen, von denen viele nicht wieder zurück kamen. Am 31. Dezember 1812 zogen die Franzosen nach dem Brand in Moskau von Tilsit nach Königsberg ab. Weil die Preußen sich mit den Russen verbündet hatten, zogen die Franzosen fluchtartig bei einsetzendem Tauwetter von Tilsit über Schillupischken nach Skaisgirren, während die Russen sie vergeblich in Schillen erwarteten. 1816: Ab diesem Jahr wurde in Tilsit das erste „Tilsiter gemeinnützige Wochenblatt“ herausgegeben. 1818 stürzte der Kirchturm in Schillen infolge eines starken Sturmes (man vermutete ein Erdbeben) ein. Auch in der Umgebung gab es beträchtliche Schäden. Tausende von Gebäuden wurden zerstört, aber auch einige Tausend Tiere kamen dabei um. Über den Kirchspielbereich liegen darüber keine Angaben vor. Ab 1821 erfolgte die Separation. Ursprünglich wurden die Felder eines Dorfes gemeinschaftlich bewirtschaftet. Jeder Wirth besaß jedoch sein eigenes Haus auf einer bestimmten Fläche der Dorfgemeinschaft. Durch die Separation erhielt jeder Wirth sein eigenes Land, dass er nun selbstverantwortlich bewirtschaften konnte. Er musste dazu aber neue Wirtschaftsgebäude auf seinem Land bauen. So entstanden die verstreut liegenden Einzelhöfe, die auch für das Kirchspiel typisch waren. Die vorher gut gepflegte Dorfgemeinschaft ging teilweise verloren. Die Kosten je Hof (Wohnhaus, Stall und Scheune) betrugen rd. 100 Taler. 1821: Bis zur Separation gab es noch eine größere Anzahl von Scharwerksdiensten, wie Fuhrdienste, Holzfällen, Schafe scheren und Wiesen bearbeiten, was teilweise bezahlt wurde. Gute Einnahmen wurden dadurch erzielt, dass u. a. Getreide nach Königsberg und Feldsteine nach Tilsit transportiert wurden. 1827 brachte eine sehr schlechte Getreideernte. 1828: Ab diesem Jahr entstand in Jurgaitschen ein Remontemarkt, eine Ankaufstelle für Armeepferde. Dreijährige Pferde wurden aufgekauft und etwa ein Jahr lang für den Dienst in der Armee ausgebildet. 1829 erfolgte der Straßenausbau von Tilsit über Sandlauken, Schillkojen, Kellmienen nach Skaisgirren. Davor waren die Wege nur in den trockenen Sommermonaten gut befahrbar. Bei starkem Regen im Herbst, Winter und Frühjahr entstanden durch die schweren Ackerwagen oft tiefe und nasse Fahrspuren. Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 17 von 26 1833 entstand das neue Kirchspiel Jurgaitschen durch den Zusammenschluss von 7 Orten aus dem Kreis Tilsit 27 Orten aus dem Kreis Ragnit mit zuzüglich 6 Wohnplätzen 20 Orten aus dem Kreis Heinrichswalde mit zuzüglich einem Wohnplatz Insgesamt gab es 61 Ortschaften einschließlich der 7 Wohnplätze, die Teile der Gemeindeeinheiten darstellten. 1834 entstand die Schule in Neuhof-Hohenberg. Um 1837 gab es in Kellmienen eine Poststation Am 1. Juni 1841 erfolgte in Gegenwart von König Friedrich Wilhelm IV. die Grundsteinlegung zum Neubau der Kirche und somit die Gründung der Parochie in Jurgaitschen. 1844/45 herrschte ein sehr kalter und langer Winter. Noch im Mai lag die Temperatur bei minus 24° R = 30°C. Am 10. Juni 1845 wurde die Kirche in Jurgaitschen in Gegenwart des Königs eingeweiht. Anwesend waren 21 Geistliche einschließlich des Landessuperintendenten von Preußen, sowie 40 Lehrer der Nachbarkirchspiele, die die Einweihung mit Gesang begleiteten. Die in Form einer Basilika erbaute Kirche hatte keinen Turm. Dieser sollte zu späterer Zeit an gesonderter Stelle errichtet werden. Der damalige Neubau einschließlich des Pfarr- und Präzentorgehöftes kostete 27.020 Thaler. 1846 wurde die Schule in Jurgaitschen (ab 1889 zweiklassig) gebaut. 1846 entstanden erste Kreiskarten für militärische Zwecke. Auf diesen Karten waren 55 Orte des Kirchspiels aufgeführt. 1854 entstanden die Schulen in Ischdaggen (ab 1885 zweiklassig), Papuschienen und Schillupischken 1861 entstanden die ersten Messtischblätter im Kreis Tilsit. 1868 gab es im Kreis Tilsit infolge Missernte eine große Hungersnot. Um 1871 erhielt Jurgaitschen eine Poststelle. Am 1. Juni 1875 wurde die erste Eisenbahnstrecke von Tilsit nach Insterburg eingeweiht mit dem Bahnhof Argeningken-Graudßen im Kirchspiel. Aber auch Schillen wurde für viele Orte der Umgebung ein günstig zu erreichender Bahnhof. Mit der Eisenbahn verbesserte sich der Warentransport für die Landgemeinden ganz wesentlich. Bis dahin wurden die ländlichen Erzeugnisse mit dem Ackerwagen nach Tilsit gefahren, um dann mit dem Schiff weiter transportiert zu werden. Am 1. Dezember 1885 wurde eine Volkszählung in der gesamten Provinz Ostpreußen durchgeführt. Zum Kirchspiel gehörten 61 Orte mit 1.210 Haushaltungen und 6.127 Personen. Die Gesamtfläche betrug 9.621 ha. Bewirtschaftet wurden 8.308 ha Acker-, Wiesen- und Waldflächen. Zur Kirchengemeinde gehörten damals noch vier weitere Orte aus den Nachbargemeinden. Der überwiegende Teil der Bevölkerung war evangelisch. Es gab aber auch 30 Katholiken, 21 Juden und 70 Christen anderer Konfessionen. 1886 erfolgte der Ausbau der Straße von Schillen nach Jurgaitschen und Sandlauken. Damit war die wichtigste Verbindung nach Tilsit erstellt, und der 43. Ordensweg wurde zur Nebenstrecke. Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 18 von 26 Zwischen 1881 und 1908 wurden Regenmessungen in Schillupischken und Giggarn durchgeführt, die 560 mm Niederschlag im Jahr ergaben. 1888 wurde der Gutsbesitzer Büchler aus Kaukwethen-Raunenwalde zur Wahl ins Abgeordnetenhaus der freisinnigen Partei vorgeschlagen und mit 198 von 465 Stimmen gewählt. Raunenwalde kam zu Bartken im Kirchspiel Argeningken. Interessant ist ein Polizeibericht aus dem Jahre 1888. So wurde u. a. der Landwirt Christian Pichler aus Jurgaitschen zu 20 Mark Strafe oder drei Tagen Haft verurteilt, falls er nicht den Anbau seiner Scheune, der anstatt 40 m Grenzabstand nur 17 m aufwies, innerhalb von 8 Tagen entfernen würde. Nächtliche Ruhestörer durch Musik und Gesang wurden streng bestraft. Um 1890/91 wurden die Rentenguts- und Arbeiterrentengesetze erlassen. Mit diesen Gesetzen wollte man die Landflucht drosseln und die bäuerliche Ansiedlung fördern. Die neuen Wirthe erhielten einen Kredit zum Hoferwerb, den sie je nach Zinssatz im Laufe von 50 bis 60 Jahren zurückzahlen konnten. Einige Jahre später gründete man die ländlichen Arbeiterrentenstellen zu ähnlichen Bedingungen. So entstanden neue Bauernhöfe und zahlreiche kleine Arbeiteransiedlungen. Die Menschen wirtschafteten teilweise auf eigener Scholle. Den Hauptverdienst fanden sie jedoch als Arbeiter auf den größeren Höfen und im Forst. Höchstwahrscheinlich sind durch diese Förderung auch viele dieser Ansiedlungen im Kirchspiel entstanden. 1891 entstand eine neue Landgemeindeordnung, die den Dorfschulzen durch den Gemeindevorsteher bzw. Bürgermeister ersetzte. Ihm zugeordnet waren Schöffe und Kassenwart. Übergeordnet war der Amtsvorsteher mit Sitz im Kirchspielort Jurgaitschen. Am 1. Juni 1894 wurde die direkte Bahnverbindung von Tilsit nach Königsberg über Wilhelmsbruch und Skaisgirren eröffnet. Somit hatte das Kirchspiel drei günstig zu erreichende Bahnstationen. Eine wesentliche Verbesserung brachte die Gründung von Wasser- und Bodenverbänden mit der damit verbundenen Bachregulierung und Ackerdrainage. Die Erträge konnten mit einer zusätzlich gezielten Düngung erheblich gesteigert werden. Folgende Verbände wurden gegründet: 1895/99 Wasserverband Klein Taurothenen mit Birkenwalde, KaukwethenKludßen und Groß-Taurothenen 1897/99 Drainageverband Wittgirren 1905/06 Drainageverband Seikwethen mit Brettschneidern und Sandlauken 1910 Wasser- und Bodenverband Thalßenten mit Abbudbussau 1911 Wasser- und Bodenverband Jurgaitschen mit Giggarn-Skerswethen; Skeppetschen und Schillupischken 1908/11 Wassergenossenschaft Groß Skattegirren mit Schillupischken Ab 1900 entstanden Wirtschaftsberatungsstellen in Argeningken-Graudßen und Jurgaitschen. Ackerbau und Tierhaltung bekamen dadurch einen Aufschwung. Die Einführung von Herdbuchvieh und der Anbau von Kleefutter auf dem Acker erhöhte die Milchproduktion. Um 1900 entstand in Schillupischken die erste Molkerei. Insgesamt gab es bis 1936 6 Molkereien. Doch nur Fichtenfließ blieb als Großmolkerei bestehen. Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 19 von 26 Um die Jahrhundertwende fand ein wirtschaftlicher Aufschwung statt. Auf den Höfen erbaute man Stallungen, Scheunen und neue Wohnhäuser. Auch modernere Ackergeräte wurden angeschafft. In vielen Orten entstanden neue landwirtschaftliche Siedlungen. Anstatt der bis dahin bestehenden Lehmhütten oder einfachen Holzhäuser konnten nun dank der neuen Baumaterialien massive Stallungen und Wohnhäuser gebaut werden. 1905 entstand die Schule in Skambraken. Bis zum Schulneubau 1909 fand der Unterricht in angemieteten Räumen statt. 1909 entstand die Schule in Skattegirren. Bis zum Schulneubau 1938 wurde in einem angemieteten Wohnhaus unterrichtet. 1910 entstand die Schule in Schillkojen, ab 1930 zweiklassig. Ab 1913 gab es in Jurgaitschen die Freiwillige Feuerwehr und den Frauenverein des DRK. 1914 zogen russische Soldaten durch das Kirchspiel. Zu kriegerischen Handlungen kam es jedoch nicht. Für die Landwirtschaft brachte der Krieg einen großen Einbruch. Die Folgen waren noch lange zu spüren. Viele arme Menschen klopften damals in ihrer Not an die Türen, um zu überleben. 1915 standen in 20 Orten des Kirchspiels 24 Windmühlen. Je 2 Mühlen waren in Jurgaitschen, Dummen, Schillkojen und Kellmienen. 1922 brachte die Elektrizität wesentliche Erleichterungen in den Haushalten und auf den Höfen. So konnten durch Elektromotoren die arbeitsaufwendigen Rosswerke, die als Antrieb für viele Maschinen durch Pferdekraft gedient hatten, stillgelegt werden. Elektrische Lampen mit Glühbirnen ersetzten nun die Karbidlampen. 1922 kam das Kirchspiel Jurgaitschen im Rahmen einer kommunalen Neuordnung zum neu gebildeten Kreis Tislit-Ragnit. 1922/23 erhielt Jurgaitschen eine Zweigstelle der Kreissparkasse. Ab 1922 wurde das Gendarmerieamt Jurgaitschen durch weitere Gendarmerieposten in Schillupischken, Auerfließ und Argenhof verstärkt. 1923 entstand der erste Kraftpostverkehr von Tilsit nach Sandlauken, Jurgaitschen sowie nach Schillkojen. Neben den Postsendungen konnten nun auch Personen befördert werden. Besonders für die Fahrschüler des Kirchspiels war es eine wesentliche Erleichterung. Fast von der Haustür aus fuhr man nun nach Tilsit zur höheren Schule. Sowohl mit der Eisenbahn als auch mit dem Bus wurde das Reisen bequemer. Vorher konnte man nur mit Kutsche oder Reitpferd voran kommen. Der praktische Arzt aus Tilsit oder aus einem anderen größeren Ort (in Jurgaitschen gab es keinen praktischen Arzt) konnte nun schneller zu den Patienten gelangen. Dasselbe galt auch umgekehrt. Ab 1926 gab es Fortbildungsschulen in Jurgaitschen und Schillupischken. 1927 wurden im Kirchspiel 904 Ansiedlungen gezählt: Höfe, Insthäuser und Geschäfte sowie eine Kirche, ein Bahnhof, zwei Bahnwärterhäuschen und zwei Förstereien. 1932 wurde in Sandlauken eine Landpoststelle eingerichtet. 1932 erfolgte ein weiterer Ausbau von wichtigen Straßenverbindungen. So entstand die neue Kiesstraße von Schillen über Schillupischken nach Kayserau. Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 20 von 26 1934 wurden die urtümlich klingenden Ortsnamen durch neue deutschen Namen ersetzt. So wurde aus Jurgaitschen Königskirch, wahrscheinlich weil der König den Ort nach der Pestzeit so großzügig gefördert hatte. 1936 arbeiteten im Kirchspiel 17 Schmieden, davon je zwei in Königskirch und Neuhof. 1939 fand eine weitere Volkszählung statt. Durch eine Gemeindereform gehörten nun zum Kirchspiel 37 Orte und 2 Förstereien einschließlich der 18 Ortsteile, die ursprünglich selbständige Orte gewesen waren. Insgesamt bewirtschafteten ca. 800 Bauernfamilien rd. 9.000 ha Fläche. Es hatten 11 Bauernhöfe mehr als 100 ha 27 Bauernhöfe 50 – 100 ha 67 Bauernhöfe 25 – 50 ha ca. 700 Bauernhöfe weniger als 25 ha. Die meisten Bauern gab es in Ostwalde. Hier bewirtschafteten 82 Bauern 365 ha. Dagegen gab in Berginswalde nur zwei Bauern mit rd. 100 ha. Insgesamt zählte man im Kirchspiel rd. 5.000 Menschen. 1940 erscheinen in einem Adressbuch nur noch 5 Mühlenbesitzer. Windmühlen gab es allerdings nicht mehr. Die meisten Orte des Kirchspiels bestanden nur aus landwirtschaftlichen Betrieben. Zu größeren Einkäufen wurde nach Tilsit oder Insterburg gefahren. Doch gab es die wichtigsten Geschäfte, Händler und Handwerksbetriebe in Königskirch und einige wenige in den Orten Argenhof, Auerfließ, Fichtenfließ, Grosswingen, Kellen, Ostwalde, Martinsrode und Ulmental. 1944: Aus militärischen Gründen wurde das Kreisgebiet im Oktober und November von den Bewohnern geräumt. Auch die Kühe wurden fortgetrieben. 1945 endete die ca. 450-jährige Geschichte des Kirchspielbereiches Jurgaitschen und des späteren Kirchspiels Königskirch. Mitte Januar besetzten es die Russen. Von der Urwildnis über eine fruchtbare Bauernansiedlung ist heute eine Kultursteppe übrig geblieben. Im Jahre 2003 waren nur noch zwei Orte Jurgaitschen und Schillkojen zu erkennen. 1948 wurden die letzten noch im Kirchspiel lebenden Deutschen von den Russen ausgewiesen. Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 21 von 26 Karte 2 Grundlage: Karte des Deutschen Reiches – Topographische Karte 1:100 000 Kreiskarte Tilsit-Ragnit aus dem Jahre 1940 zu beziehen bei. Bundesamt für Kartographie und Geodäsie, 60598 Frankfurt am Main. Internet: http://www.bkg.bund.de Ergänzung: Botho Eckert mit Hinweisen und Bildern (Privat) Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 22 von 26 Die alten Ortsnamen im Kirchspiel Namen können einen Hinweis auf die Ursprünglichkeit der Landschaft vermitteln, besonders dann, wenn so wie bei den alten Prussen und Litauern viele Dinge aus der Natur wie Tiere, Pflanzen usw. in die Ortsnamen einflossen. Ob die Namen nun einen prussischen oder litauischen Ursprung haben, ist aufgrund der geringen sprachlichen Unterschiede nur selten zu erkennen. Auch die Schreibweise der Namen ist sehr unterschiedlich, musste man sich doch ursprünglich nur auf das Gehör verlassen. Erst ab der Ordenszeit gab es Veränderungen. Auch wenn die Deutung nicht vollständig sein kann, so ist es doch möglich, einen Eindruck von der damaligen Zeit zu gewinnen. Als Hilfsmittel wurden verwendet: Lithauisch – deutsches Wörterbuch von Friedrich Kurschat 1883 Littauischer Namensschatz von Vilius Kalvaitis 1910 Herkunft der Sprache der Prußen von Lotte Kilian 1980 Erste Ortsnamen Namensdeutung Namen nach 1934 Alloningken Ansiedlung mit dem Recht zum Bierbrauen Königliches Gut Allingen Ansiedlung an einem rauschenden Bach Hütten- bzw. Budenort an der Budup (am Bachübergang) Nach dem ersten Siedler Brettschneider Siedlung in einem Gebiet mit Rauchschwalbenvorkommen Ein erbfreier Siedler Argenhof Ort in der Heide (Fichtenwald) Ansiedlung im Walde Försterei Grünheide Alboudbussen Argeningken-Graudszen Budupönen Brettschneidern (Groß- und Klein-) Dummen (Groß- und Klein-) Freyhoff Grünheide Giggarn Gaydwethen Ischdaggen (Groß- und Klein-) Jurgaitschen kam 1922 zu Thalszenten Freihöfen Brettschneidern Ostwalde Freihof Girren Ort der Hähne Geidingen (Hühnerhaltung) Ansiedlung nach einer Brand- Groß Roden rodung (Klein Ischdaggen) gehörte zu Kellmienen) Ort der Kollerhähne Königskirch (Auerhahn), evtl. auch nach dem ersten Siedler Georg Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 23 von 26 Kaukwethen-Kludszen Laugallen Ort der lauten Hunde und Hühner Ort der lauten Hunde (vermutlich Wachhunde) Stubbenort (die Siedler mussten erst die Stubben roden Ansiedlung in einer Knoblauchgegend (Bärlauch) Ansiedlung in unebenem Gelände mit vielen Wildrosen Ansiedlung mit vielen Wegen in der Wildnis Ansiedlung mit vielen Wegen (Irrwege) Ansiedlung in einer Krähengegend Ansiedlung in der Palmkätzchengegend (Weidenkätzchen) Namen nach dem ersten Siedler Kayser Ansiedlung der Getreidebauern Ansiedlung am Feldende Martinsrode Lieparten Der Lindenort Lieparten Oschnaggern Der Eschenort Aggern Oskinnen (Groß- und Klein-) Odaushöfchen Ort mit vielen Ziegen (Ziegenhaltung) Nach dem ersten Siedler Odau Ansiedlung am Fichtenwalde Ort der schönen Weidenknospen (Salweiden) Nach dem ersten Siedler Christoph GroschenGroschenwalde Groschenwalde Ansiedlung am Rande der Heide Nach dem ersten Siedler Skambrack Ansiedlung von Flachswirthen (von Flachs kämmen) Ossen Kaukwethen Kellmienen Kermuszeiten Klipszen-Rödschen Klischwethen (Kluikschwethen Kluikschwethen Krauleiden Kattenpuppen Kayserau Kühlen Papuschienen Puppen Skattegirren (Groß- und Klein-) Schillkojen Skambracken Skeppetschen Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Raunenwalde Gut Tauern Kellen Kermen Klipschen Klischenfeld (Klischen) Klugwettern Krauden Kattensteig Kaiserau Kühlen Gut Odaushöfchen Paschen Puppen Groschenweide Auerfließ Brakenau Ellerngrund Seite 24 von 26 Schacken-Jedwillen Der Wacholderort (Sadebaum) Die Anwohner am Heidefluss Der sonnige Ort (auf dem Hügel) Ansiedlung auf einem sandigen Acker Ort der vielen Elstern Feldhöhe Ulmental Skerswethen (Giggarn) Thalszenten Ansiedlung im Bachtal (Argetal) Ort des Knospensprießens (Frühlingsort) Der Rüsterort Garnen Der große Ort Grünhöhe Taurothenen (Groß- und Klein-) Turken Ansiedlung bei den Auerochsen Der Pferdeort Tauern Wingsnupönen Grosswingen Wersmeningken Ansiedlung am Bachbogen (Schillup und Budup) Ansiedlung an der Quelle Angerbrunn Wittgirren Ansiedlung mitten im Walde Berginswalde Walseeden/Walheden Ansiedlung eines Gutes kam 1712 zu Laugallen Lapienen Ort der Füchse Försterei Lapienen Schillupischken Schaulwethen Sandlauken Skardupönen Seikwethen Sprokinnen Fichtenfließ Lichtenhöhe Sandfelde Scharden Rockingen Turken Deutung der Gewässernamen Arge Budup Schillup Ossat vermutlich der rauschende Bach/ Grenzfluss zur Wildnis Der Bach an den Buden (Hütten) Der Bach durch das Heidegebiet (Fichtenwald) Der Bach durch die Ziegenweiden/-Orte Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Arge Auerbach Fichtenfließ Krummfließ Seite 25 von 26 Ableitung einiger Namen nach der Eindeutschung von 1934 Königskirch Martinsrode Auerfließ Ellerngrund Feldhöhe Fichtenfließ Lichtenhöhe Ulmental Grünhöhe Birkenwalde Freihöfen Ostwalde Groschenweide Berginswalde Kellen nach König Wilhelm I., dem Kirchenstifter nach dem ersten Siedler Martin Blaurock nach der umbenannten Budup in Auerbach nach dem Ellernwald (Erlen) nach der höchsten Anhöhe im Kirchspiel nach der umbenannten Schillup in Fichtenfließ nach der erhöhten Lage des Ortes und des fehlenden Waldes nach dem Ulmenbestand im Ort wohl nach der erhöhten Lage des Ortes und den vielen Wiesen wohl nach den schönen Birkenwäldern und -Wegen wohl nach dem erbfreien Wirth wohl nach dem auf der Ostseite des Waldes von Schlecken gelegenen Ort nach dem ersten Siedler Christoph Groschen nach dem ersten Siedler Heinrich Bergin nach dem ersten Siedler von Kellen Autor : © 2005 Botho Eckert Bad Salzuflen ( früher Skattegirren/Groschenweide) Fotos: privat und Kreisarchiv Tilsit-Ragnit e.v. Anmerkung: Die gesamte Kirchspielgeschichte Teil I = Kurzfassung Teil II = Fakten Teil III = Erinnerungen (folgt 2007/2008) Teil IV = Untergang ist bzw. kommt in folgende Archive • Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin-Dahlem • Martin-Opitz-Bibliothek, Herne • Ostpreußisches Landesmuseum, Lüneburg • Salzburger Verein e.V., Bielefeld • Stadtarchiv Bad Salzuflen • Heimatstube der Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit e.V. in Preetz © 2007 Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit e.V. http://www.tilsit-ragnit.de Erstausfertigung: 25.03.2007 letzte Änderung am 02.05.2012 Kirchspiel Königskirch (Jurgaitschen) Teil I Seite 26 von 26
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