Schatten des Krieges
Transcription
Schatten des Krieges
Schatten des Krieges Schatten des Krieges 2009 I N N O VAT I O N U N D T R A D I T I O N I M E U R O P Ä I S C H E N K I N O 1 9 4 0 – 1 9 5 0 S p e c i a l : D e u t s c h e A n i m at i o n s f i l m e d e r 1 9 4 0 e r J a h r e : Ä r m l i c h , f r ö h l i c h u n d pat r i o t i s c h Der deutsche Animationsfilm zwischen 1940 und 1950 schöpfte aus dem enormen gestalterischen Reichtum, den der animierte Werbefilm in den 1920er und 1930er Jahren in Deutschland angesammelt hatte. Dessen künstlerisches Personal bestimmte weiterhin die Erscheinungsbilder und schrieb seinen Formenkanon und seine erprobten stilistischen Eigenheiten fort. Gemeinsam mit ihnen bildeten die Innovationspotentiale des Genres eine – zeitweilig ungewisse – Chance für die Zukunft. Dieser tragfähige Humus musste freilich stets aufs Neue beackert, gedüngt und gepflegt werden. Erhebliche personelle, materielle und technische Einschränkungen infolge Krieg und Nachkrieg, sich verändernde Abspielmöglichkeiten und Verschiebungen in den Zuschauerstrukturen wirkten auf die Kunst des Animationsfilms insofern zurück, als sie Themen- und Figurenauswahl, Fabelstrukturen und Zielabsichten modifizieren und rabiat mit aktuellen Bedingungen kurzschließen musste. Die permanente ästhetische Rivalität zum Disney-Kosmos blieb hemmend und zugleich latent belebend. In werbefreien, allgemein märchenhaften, ideenreichen und fabulierfreudigen Kurzanimationsfilmen fand der deutsche Animationsfilm in schwieriger Übergangszeit ein gefährdetes und schmales, jedoch solides und ausbaufähiges Brückenfragment zur Nachkriegsmoderne, das sich in seltsamem Gegensatz zu den gesellschaftlichen Umbrüchen findet. Günter Agde Kurz-Zeichentrickfilme (wenn nicht anders angegeben) 1940. Tobis Karikatur Nr. 1 Gestaltung: Louis Seel. Produktion: Tobis-Filmkunst GmbH, Berlin. Länge: 2 min, 44 m. Format: 35mm, Farbe, 1:1.33, Ton. Antibritische Propaganda: Kriegsgegner England wird als brüllender, aber angeschlagener Löwen verhöhnt. 1940. Der Störenfried Gestaltung: Hans Held. Musik: Leo Leux. Produktion: Bavaria-Filmkunst GmbH, München. Produktionsleitung: Ernst Mosich. Länge: 12 min, 342 m. Format: 35mm, Agfacolor, 1:1.33, Ton. Zensur: 4.11.1940, B 54115, Jf, vb, Fv. Uraufführung: 26.1.1940, Berlin (Atrium, U.T. Friedrichstraße). — erster Agfacolor-Zeichentrickfilm. Die NS-Volksgemeinschaft ins Tierreich übertragen: Der Film »schildert die Mobil machung im Tierreich gegen einen räuberi- Dob, der Stallhase 1 5 4 | Cinefest – Schatten des Krieges schen Fuchs. Igel, Eichhorn und die Stuka- Geschwader der Wespen nehmen an der kriegerischen Aktion teil, die zur Befreiung eines Hasenkindes aus Meister Reinekes Klauen führen.« (Film-Kurier, Nr. 225, 25.9.1941) 1940. Perlen Gestaltung: Wolfgang Kaskeline. Produktion: Epoche-Color-Film AG, Berlin. Länge: 3 min, 75 min. Format: 35mm, Farbe, 1:1.33, Ton. Zensur: 4.1.1941, B 54615, Jf, Fv. — Werbefilm für »Henkell trocken«-Sekt. Eine filmische Spielerei mit Meereswellen und Luftbläschen und ein letztes Echo des abstrakten Animationsfilms der frühen 1930er Jahre. 1941. 5 Pfg. Serenade Gestaltung, Produzent: Hans Fischerkoesen. Produktion: Universum-Film AG (Ufa), Berlin. Länge: 3 min, 70 m. Format: 35mm, Agfacolor, 1:1.33, Ton. Zensur: 12.9.1941, B 55872, Jf, Fv. — Werbefilm für »Muratti Ariston Gold«- Zigaretten. Ein Nachklang der avantgardistisch gestalteten »Muratti«-Werbefilme: »Ein Streichholz mit Armen und Beinen steigt aus einer Streichholzschachtel. Es entflammt in Liebe für eine Muratti-Zigarettendame mit Herz lippen, die dadurch entzündet wird. Der Rauch der Zigarette bildet Ringe, die zu Herzen verschmelzen.« (Bundesarchiv-Filmarchiv) Special: Deutsche Animations filme der 1940er Jahre: Ärmlich, fröhlich und patriotisch 1941. Es regnet ... Gestaltung: Curt Schumann. Produktion: Universum-Film AG (Ufa), Berlin. Länge: 4 min, 102 m. Format: 35mm, Agfacolor, 1:1.33, Ton. Zensur: 16.10.1941, B 56017, Jf, Fv. — Werbefilm für »Henko«-Einweichmittel von Henkel. »Ein guter Geist aus der Regentonne kommt in die Stadt und sieht, wie böse Kalkmännchen das Waschpulver auffressen und dabei immer dicker werden. Er mahnt die Hausfrauen, nicht deutsches Volksgut zu verschwenden, sondern beim Waschen erst ›Henko‹ zu verwenden.« (Bundesarchiv-Filmarchiv) 1942. John Bull in Nöten Produktion: Tobis-Filmkunst GmbH, Berlin. Länge: 5 min, 141 m. Format: 35mm, Gaspar-Color, 1:1.33, Ton. — Puppentrickfilm mit Zeichentrickteilen. Antibritische Propaganda: »John Bull, anfangs hungrig und dünn, bereichert sich an den Schätzen anderer Kontinente, bis er am Ende von den Wellen verschlungen wird.« (Bundesarchiv-Filmarchiv) 1942. Krach im Päckchen Gestaltung: Kurt Stordel Idee: Dr. Will Fischer. Musik: Giuseppe Becce. Produktion: Döring-Film-Werke GmbH, Berlin; für: Reichspost. Länge: 3 min, 80 m. Format: 35mm, s/w, 1:1.33, Ton. Zensur: 7.11.1941, B 57819, Jf, vb, oSp, Fv. — Werbefilm der Reichspost über das richtige Packen von Feldpostpäckchen. Dob, der Stallhase Cinefest – Schatten des Krieges | 1 5 5 Special: Deutsche Animations filme der 1940er Jahre: Ärmlich, fröhlich und patriotisch 1942/43. Van den vos Reynaerde Regie: Egbert van Putten. Buch: Henk Plaizier. Vorlage: Erzählung »Van den vos Reynaerde« (1937) von Robert van Genechten. Kamera: Joszef Misik. Animation: Hill Beekman (Leitung), Jan Bouman, André C. J. Holla, Olga Tijssen, Jan van Hillo. Musik: Leo Ruygrok. Produktion: Nederland Film, Den Haag; für: Departement van Volksvoorlichting en Kunsten (DVK). Drehzeit: 1942 – April 1943. Länge: 20 min. Format: 35mm, Agfacolor, 1:1.33, Ton. Uraufführung: 25.4.1943, Den Haag (Asta, interne Voraufführung). — nicht öffentlich aufgeführt. — nur als 12-minütiges Fragment erhalten. Antisemitische Tierfabel, von niederländischen Filmschaffenden unter deutscher Besatzung produziert. 1943. Verwitterte Melodie Gestaltung: Hans Fischerkoesen. Buch: Horst von Möllendorff. Kamera, Schnitt: Kurt Schleicher. Animation (Hauptzeichner): Rudolf Bär, Hill Beekman, Susanne Birkner, Leni Fischer, Ewald von Tresckow. Musik: Lothar Brühne. Liedtext: Bruno Balz. Kapellmeister: Willi Stech. Gesang: Hertha Mayen. Produktion: Fischerkoesen-Produktion, Potsdam/Den Haag; für: Deutsche Wochenschau GmbH, Berlin. Länge: 10 min, 266 m. Hochzeit im Korallenmeer Format: 35mm, Agfacolor, 1:1.33, Ton. Zensur: 6.4.1943, B 59053, Jf, küw, oSp, Fv. Uraufführung: November 1943, München (Luitpold-Theater, Reichswoche für den Deutschen Kulturfilm). — Arbeitstitel: »Scherzo«. »Ein heiterer Wirbel von Einfällen ist das Merkmal dieses kleinen Wunders aus Strich und Farbe, aus Laune und Lebensfreude. Die Erlebnisse einer Wespe, die einem auf der Wiese vergessenen Grammophon vermittels ihres Stachels nie gekannte Töne entlockt und damit die Wiesenwelt und Käfer, Würmer, Frösche, Igel und Insekten verzaubert, das ist ein Erlebnis ganz besonderer Art.« (Film-Kurier, Nr. 143, 18.11.1943) Hochzeit im Korallenmeer 1 5 6 | Cinefest – Schatten des Krieges Hochzeit im Korallenmeer 1944. Hochzeit im Korallenmeer / Svatba v korálovém moři Regie, Buch: Horst von Möllendorff. Animation: Jiří Brdečka, Josef Kándl, Stanislav Látal, Jilis Kalaš, Eduard Hofman, Vácha. Kamera: Vladimír Novotný. Musik: Julius Kalaš. Produktion: Prag-Film AG, Zeichenfilm- Abteilung, Prag. Produktionsleitung: Zdeněk M. Reiman. Regie wurde gemeinsam geführt, und erst als alles fertig war, kam von Möllendorff. Er ließ sich den Film vorführen, er gefiel ihm sehr, er machte nur zwei kleinere Bemerkungen – und unterschrieb sich als Autor des Films. Der Film wurde als ›erster deutscher Zeichenfilm aus Prag‹ vorgeführt. In Wirklichkeit war er von Anfang bis Ende das Werk von Tschechen.« (Gespräch mit Eduard Hofman. Film a doba, Nr. 10, Oktober 1965) Drehort: Atelier Prag. Länge: 11 min, 303 m. Format: 35mm, Agfacolor, 1:1.33, TobisKlangfilm. Zensur: 14.6.1944, B 60324, Jf, küw, oSp, Fv. / 13.11.1944, Protektorat. Zwei Fische wollen Hochzeit machen, aber ein böser Krake raubt die Braut und hält sie in einem alten Wrack gefangen. Mit Hilfe einer Sägefisch-Armada gelingt dem Bräutigam jedoch die Befreiung. Im besetzten Prag unter deutscher Leitung hauptsächlich von einem tschechischen Team gedreht: »Wir trafen uns in Mánes, schrieben das Szenarium im Kollektiv, auch die Bildentwürfe der Typen, des Hintergrunds usw. bereiteten wir gemeinsam vor. Sogar die 1945. Dob, der Stallhase Regie, Animation: Serge Sesin. Musik: Michael Jary. Produktionsfirma: Demo-Film Hanno Hahn GmbH, Berlin. Produzent: Werner Hochbaum, Alf Teichs, Franz Graf Treuberg. Produktionsleitung: Wolfgang Brüning. Länge: 5 min. Format: 35mm, s/w, 1:1.33, Ton. Der deutsche Durchschnittsbürger als Hase in der NS-Tretmühle: »Eine moderne, satirische Fabel, die den nachdenklich-schmunzelnden Betrachter von allen Nazi-Zwangsvorstellungen befreien will.« (Berliner Illustrierte, Nr. 3, 1946) Special: Deutsche Animations filme der 1940er Jahre: Ärmlich, fröhlich und patriotisch 1944-46. Purzelbaum ins Leben Gestaltung: Gerhard Fieber. Musik: Gerhard Schröder. Produktion: Deutsche Zeichenfilm GmbH, Berlin; Fertigstellung: Deutsche Film AG (DEFA), Berlin. Länge: 9 min, 241 m. Format: 35 mm, Agfacolor, 1:1.33, Ton. — Arbeitstitel: »Schnuff der Nieser«. Der kleine Welpe Purzel kämpft mit den Widrigkeiten des Lebens und einem bösen Hundefänger. 1946. Der U-Bahn-Schreck. Gestaltung: Gerhard Fieber. Produktion: Deutsche Film AG (DEFA), Berlin. Länge: 1 min, 23 m. Format: 35mm, s/w, 1:1.33, Ton. — Zeichentricksujet in der ersten DEFA- Wochenschau »Der Augenzeuge« (UA: 19.2.1946). 1948. AGGA (Alles Gute gelingt auch) Gestaltung: Hans Fischerkoesen. Produktion: DEFA-Produktion – Atelier Fischerkösen, Potsdam. Länge: 2 min, 58 m. Format: 35mm, s/w, 1:1.33, Ton. — Werbefilm für Agga-Suppen-Würzmittel der Nährmittelfabrik Leipzig-Markkleeberg. Kopien: Bundesarchiv-Filmarchiv, Berlin Deutsches Filminstitut-DIF, Filmarchiv Wiesbaden (»Perlen«) Nederlands Filmmuseum, Amsterdam (»Van den vos Reynaerde«) Dob, der Stallhase Cinefest – Schatten des Krieges | 1 5 7 Schatten des Krieges Schatten des Krieges 2009 I N N O VAT I O N U N D T R A D I T I O N I M E U R O P Ä I S C H E N K I N O 1 9 4 0 – 1 9 5 0