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Materialien
für den Unterricht
www.vgo-schule.de
Antonia Michaelis
Der Märchenerzähler
ISBN: 978-3-8415-0247-6
Erarbeitet von
Konzipiert für die
Jahrgangsstufen 7–11
Thematik:
Adoleszenz, Emanzipation, erste Liebe,
Märchen, soziale Rolle, Rollenkonflikte
Didaktischer Schwerpunkt:
Erweitern des Textverständnisses,
­emotionales Verstehen, Entwickeln von
Ich-Stärke, Erweitern der sozialen Kompetenz, problem- und handlungsorientierter
Umgang mit dem Text
© Oetinger Taschenbuch GmbH,©
imOetinger
Vertrieb Taschenbuch
bei dtv, Hamburg,
Dezember
2013 bei dtv, Hamburg, Dezember 2013
GmbH,
im Vertrieb
Christine Hagemann
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
M aterialien
für den
U nterricht
Konzipiert für die Jahrgangsstufen 7–11
Antonia Michaelis
D er M ärchenerzähler
Thematik:
Adoleszenz, Emanzipation, erste Liebe, Märchen, soziale
Rolle, Rollenkonflikte
D idaktischer Schwerpunkt:
Erweitern des Textverständnisses, e­ motionales Verstehen,
Entwickeln von Ich-Stärke, Erweitern der sozialen Kompetenz, problem- und handlungsorientierter Umgang mit
dem Text
1.I nhalt
Anna Leemann lebt mit ihren Eltern in Greifswald an der
Ostsee. Sie ist fast achtzehn und bereitet sich auf ihr Abi­
tur vor, als sie sich zum ersten Mal richtig verliebt – ausgerechnet in Abel. Anna versteht sich selbst kaum, und
auch ihre beste Freundin Gitta warnt sie, denn Abel
Tannatek hat einen schlechten Ruf. Er sieht aus wie ein
Neonazi und dealt auf dem Schulhof mit Drogen. In der
Schule hat er keine Freunde und wird von allen spöttisch
„der polnische Kurzwarenhändler“ genannt. Doch Anna
setzt sich über alle Vorurteile hinweg, denn sie spürt, dass
es noch einen anderen Abel gibt, der sanft und verletzlich
ist. Sie findet heraus, dass er in der Plattenbausiedlung im
Ostseeviertel wohnt und eine sechsjährige Schwester hat,
um die er sich liebevoll kümmert. Seine Eltern scheinen
verschwunden zu sein. Und da gibt es noch mehr dunkle
Geheimnisse, die Abel nur andeutet. Gebannt lauscht
Anna dem wunderbaren Märchen, das Abel seiner
Schwester Micha erzählt. Der gefühlvolle Märchenerzähler Abel fasziniert sie, und das Märchen lässt sie nicht
mehr los.
Nur mühsam gelingt es Anna, Abel näherzukommen. Er
ist misstrauisch, denn er wird täglich mit der verachtenden Geringschätzung der „besseren Gesellschaft“ konfrontiert, die ihn und sein Milieu bestenfalls hinnimmt.
Anna spürt, dass sie sich entscheiden muss. Sie möchte
seine Lebenswelt kennenlernen, die sie gleichermaßen
abstößt und anzieht. Ihre anfänglichen Berührungsängste
weichen dem Gefühl von Geborgenheit in seiner Nähe.
Sie empfindet sein Umfeld als ehrlicher und authentischer
als ihr eigenes Zuhause. Abel öffnet sich zögernd und
spricht schließlich von einer großen Gefahr, vor der er
Micha mit allen Mitteln beschützen will: Ihr Vater will sie
entführen. Und dann geschieht ein Mord. Anna ahnt, dass
Abel damit zu tun hat, denn der Tote ist Michas Vater.
Doch Abel schweigt. Nur in seinem Märchen, in dem er
episodenweise das aktuell-reale Geschehen verschlüsselt
nacherzählt, macht er Andeutungen.
Die heimliche Beziehung zu Abel isoliert Anna immer
mehr. Von der pragmatischen Gitta kann sie kein Verständnis erwarten, und an ihre eigentlich toleranten Eltern mag sie sich nicht wenden. Doch ein Zurück kommt
für Anna nicht infrage. Auch wenn Abel ihre Annäherung
immer wieder als Einmischung zurückweist, fühlt sie
doch, dass er sie braucht.
Anna ist fest entschlossen, Abel und Micha beizustehen,
doch ihre bedingungslose Solidarität wird auf eine harte
Probe gestellt. Sie erlebt hautnah brutale Gewalt, auch
von Abel. Ihre Illusionen von romantischer Liebe zerbrechen. Der Strudel aus verwirrenden und immer bedroh­
licheren Ereignissen, in dem sie die Orientierung verliert,
zerreißt sie fast. Alles scheint anders zu sein, als sie es
wahrnimmt. In ihrer Panik hält Anna es sogar für möglich, dass Abel ein Psychopath und ein Mörder ist. Dann
wieder ist sie von seiner Schuldlosigkeit überzeugt und
bereit, ihm alles zu verzeihen. Ihr Gefühl hat sich längst
für Abel entschieden. Die Enthüllung der Wahrheit, die
Abel unbedingt verhindern wollte, schockiert sie letztlich
nicht mehr.
Annas Liebe zu Abel ist unerschütterlich, doch die Ereignisse eskalieren: Abel, fixiert darauf, Micha zu retten, löst
die Verstrickung auf dramatische Weise. Anna bleibt allein zurück. Doch sie fühlt, dass der Märchenerzähler
Abel auch sie gerettet hat. Sie begreift: Die Wahrheit über
Gut und Böse, nach der sie verzweifelt gesucht hat, ist
auch eine Illusion; sie löst keine Probleme und bringt
keine Antworten. Die einzig gültige Wahrheit liegt in ihren Gefühlen, ihrer Liebe. Für Anna ist die Parallelwelt,
in der sie mit Abel glücklich weiterlebt, ebenso wirklich
wie das Leben ohne ihn.
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Erarbeitet von Christine Hagemann
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
In achtzehn Kapiteln wird die Handlung des Romans
durchweg aus der Sicht der Hauptfigur Anna in perso­
naler Erzählperspektive in der Zeitstufe des Präteritums
entfaltet. In einigen Abschnitten geht die subjektive Sicht
von einer nicht benannten anderen Person aus. Einige
wenige Stellen werden aus auktorialer Perspektive
­kommentiert und weisen auf eine spätere Bedeutung hin.
Ort der Handlung ist die deutsche Stadt Greifswald;
verschiedene Stadtteile werden wirklichkeitstreu und
­
konkret nachvollziehbar beschrieben. Die erzählte Zeit
umfasst den Zeitraum vom 14. Februar bis Anfang März
2010.
Den achtzehn Kapiteln des Romans vorangestellt ist eine
Szene in der Zeitstufe Präsens mit der Überschrift „Zuerst“. Diese Eingangsszene schildert ein vorzeitiges Ereignis aus der Sicht einer nicht benannten männlichen Person. Der Leser bleibt im Unklaren über das tatsächliche
Geschehen; er versteht nur, dass ein Mann die Leiche
einer Frau aus einer Wohnung in den Wald trägt. Die
eindrücklichen Bilder klingen am Schluss des Romans
wieder an und helfen dem Leser, bisher Verborgenes zu
enträtseln. Speziell das Wort „Buschwindröschen“ wirkt
dabei wie ein Schlüsselreiz.
Die Sprache des Romans fesselt den Leser von Beginn
an. Der Leser begleitet die Hauptfigur Anna bei ihren
Unternehmungen, und er teilt ihre Faszination für die
phantastischen Bilder des Märchens. Er versteht Annas
Idealismus und ihre Sehnsucht nach tiefen, ehrlichen
Gefühlen. Offen, unsentimental und doch intensiv einfühlsam lässt die Autorin den Leser an Annas Gefühlswelt
teilhaben. Die in der Eingangsszene aufgebaute Spannung
begleitet die Lektüre bis zum überraschenden Schluss.
Zur Spannung tragen die rätselhaften Andeutungen
ebenso bei wie die Perspektivwechsel. Der Leser meint
zu verstehen, doch immer wieder sind auch andere
Deutungen möglich.
Wie Anna möchte der Leser Zusammenhänge mit dem
Verstand begreifen und wird doch vor allem mit dem
Gefühl beteiligt. Er taucht in die Märchenwelt der kleinen
Klippenkönigin ein, in der verschlüsselte Bilder intuitiv
enträtselt werden müssen. Der Leser erlebt mit, wie sich
Märchen und Wirklichkeit dramatisch vermischen, und
er hört – ebenso wie Anna – „… hinter den Worten eine
uralte Dunkelheit lauern, die Dunkelheit aller Märchen,
die Kehrseite“. (S. 45)
Auch in den eingestreuten Songtexten des Lyrikers Leonard Cohen klingt Uralt-Dunkles an. Sie kreisen thematisch um Liebe und Tod und erzeugen eine melancho­
lische, manchmal verstörend morbide Stimmung. Der
Zuhörer meint, eine magische, tiefere Weisheit zu spüren,
wie sie auch Märchen vermitteln. Ähnliche assoziative
Verknüpfungen entstehen im Roman scheinbar beiläufig:
Bei Saint-Exupérys „Der kleine Prinz“ fallen wohl jedem
Leser unmittelbar die Sätze ein: „Man sieht nur mit dem
Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Andere Assoziationen werden erst vom Schluss her
verständlich, wie etwa die Sinnsuche in Goethes Tragödie
„Faust“ mit ihrer Sehnsucht nach ehrlichen Gefühlen, die
in „Faust II“ in bizarre Welten führt und im Tod mit
unverhoffter Erlösung endet.
Der Roman „Der Märchenerzähler“ ist ein packender
Thriller, eine gefühlvolle Liebesgeschichte, ein Adoleszenzroman. Antonia Michaelis vereinigt diese Genres hier
als Märchen im ursprünglichen Sinn, das mit dem Leser
emotional kommuniziert. Immer wieder klingen Bilder
aus bekannten Märchen an, die dazu ermutigen, an die
persönliche Stärke zu glauben. Auch im Märchen wird
der Mut, Ängste und Verunsicherung unkonventionell
und selbstbestimmt zu überwinden, mit Glück belohnt.
Die Autorin aktualisiert dieses Grundmotiv für die postmoderne Gesellschaft und eröffnet dem heutigen Leser
dadurch neue Räume für Unabhängigkeit und Selbst­
bestimmung. Der Appell der Postmoderne, sich von jeder
Eindeutigkeit der Welterklärung zu verabschieden, beinhaltet auch: „Nimm dein Leben selbst in die Hand.“ Im
Märchen wie im vorliegenden Roman gibt es keine allgemeingültigen Regeln für Glück und richtiges Handeln,
keine Vorschriften für Gefühle. Anna, und mit ihr der
Leser, erkennt, dass es „die eine Wahrheit“ nicht geben
kann. Einzig ihre Intuition versteht richtig. Alle Versuche,
sich an logischen Schlüssen oder moralischen Postulaten
zu orientieren, führen in die Irre. Anna findet ihr Glück
auf völlig andere Weise, als sie selbst und der Leser erwartet haben.
3.I nformationen
zur
Autorin
Antonia Michaelis wurde 1979 in Norddeutschland
­geboren und wuchs in Süddeutschland auf. Nach dem
Abitur zog es sie in die weite Welt. Sie arbeitete unter
anderem in Südindien, Nepal und Peru. In Greifswald
studierte sie Medizin und begann parallel dazu, Geschichten für Kinder und Jugendliche zu schreiben. Seit einigen
Jahren lebt sie als freie Schriftstellerin in der Nähe der
Insel Usedom und hat mit großem Erfolg zahlreiche Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht. „Der Märchenerzähler“, ihr erstes Buch für junge Erwachsene, wurde für
den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.
4.I nformationen zu Teilaspekten des
R omans als Hilfe zur Interpretation
4.1 Sozialstruktur und Gesellschaftsordnung
„Alle Menschen sind gleich.“ Dieses Postulat fordert zur
Gleichbehandlung auf, doch in der alltäglichen Erfahrung
vieler Menschen ist es keine Wirklichkeit. Aus geschichtlicher Sicht ist die Idee der Gleichheit aller Menschen relativ neu. In archaischen Gesellschaften galt der Fremde
meist generell als Feind, und Andersartige wurden ausgesondert, wenn es zum Schutz der Gemeinschaft nötig
schien. Gesellschaften organisieren sich als Zweck- und
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2.E rzählstil
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
4.1.1 Stände – Klassen – Schichten
Der gesellschaftliche Status des Einzelnen bestimmte
zu allen Zeiten seine Lebensumstände. Die Ständeordnung des Mittelalters war durch klar definierte, weitgehend undurchlässige Grenzen innerhalb einer arbeitsteiligen Gesellschaft gekennzeichnet. Für jeden
Stand galten eigene Rechts- und Sozialnormen. Die
Standeszugehörigkeit war durch Herkunft bestimmt
und wurde als gottgegeben angesehen. Die StändeRangordnung spiegelte eine gesellschaftliche Hierarchie wider, die vor allem auf Besitzstandsregelung der
Herrschenden (Adel und Klerus) abzielte. Mitbestimmung und Bildung waren für das „einfache Volk“
nicht vorgesehen. Feste Heiratsregeln schrieben vor,
dass der Partner vor allem „ebenbürtig“ sein musste.
Der Wechsel in einen anderen Stand (soziale Mobi­
lität), vor allem ein Aufstieg, war kaum möglich; nicht
standesgemäße Ehen gehörten ins Reich der Märchen.
Die Feudalherren waren zwar verantwortlich für Versorgung und Schutz ihrer Untergebenen, doch die zunehmende ökonomische Abhängigkeit bedeutete für
die Mehrheit der Bevölkerung Armut und ­Verelendung.
Die Bildung von Nationalstaaten versprach Schutz vor
Willkür, bot Sicherheit nach außen und Ordnung im
Innern, doch das Klassengefüge änderte sich nicht
wesentlich. In der Aufklärung forderte man Bildung
und Erziehung für alle Bürger. Revolutionäre Umwälzungen veränderten die Staatsform, verbesserten die
Sozialstruktur der Gesellschaft jedoch nicht nachhaltig. In der Industriegesellschaft des 19. Jahrhunderts
entstand der „Vierte Stand“, das Proletariat der Arbeiterklasse. Die Proletarier stellten die produktive Kraft
der Gesellschaft dar, hatten jedoch keinen Anteil am
erwirtschafteten Vermögen. Viele Menschen waren
aus materieller Not gezwungen, ihren vertrauten Lebensbereich zu verlassen und in der Fremde (Milieu,
Stadt, Ausland) ihren Lebensunterhalt zu erarbeiten.
Die moderne westliche Gesellschaft ist von demokratischen Verfassungen, Parlamenten und Sozialreformen geprägt. Nicht zuletzt die Erfahrung des Nationalsozialismus in Deutschland hat die Überzeugung
bekräftigt, dass die Beachtung allgemeiner humanitärer Grundwerte wie Menschenwürde, Freiheit und
Gleichheit unbedingt gesellschaftlicher Konsens sein
muss. Das deutsche Grundgesetz betont ausdrücklich
gleiche Rechte aller Menschen auf Anerkennung, ge­
sicherte Lebensbedingungen, Bildung und Chancengleichheit. Nach wie vor entspricht die Sozialstruktur
der Gesellschaft Deutschlands einer Rangordnung.
Der Begriff „Schichten“ mit der gebräuchlichen Einteilung in Ober-, Mittel- und Unterschicht macht dies
umso deutlicher, auch wenn heute lieber von „Lebenswelten“ gesprochen wird.
4.1.2 Die Utopie der klassenlosen Gesellschaft
Die gesellschaftliche Dynamik ist auf die Kritik an der
Kluft zwischen Soll- und Ist-Zustand angewiesen. Die
Idee der klassenlosen Gesellschaft beschreibt in erster
Linie den Wunsch, Akzeptanz, Wohlstand und Chancengleichheit für alle Mitglieder ohne Ansehen des
sozialen Status zu sichern. Doch erfahrungsgemäß hat
vor allem der gesellschaftliche Status großen Einfluss
darauf, wie jemand sich selbst und andere wahrnimmt.
Aus psychologischer Sicht gehört es zu den natürlichen
Bedürfnissen des Menschen, seine soziale Umwelt zu
ordnen, zu kategorisieren und sich innerhalb seiner
Bezugsgruppe zu positionieren. Jeder definiert und
identifiziert sich selbst in Bezug auf andere. Dabei hat
der Grad der „Fremdheit“ großen Einfluss auf das
subjektive Gefühl von Zugehörigkeit und Sicherheit.
Die moderne Klassengesellschaft ist komplexer, doch
nur vorgeblich durchlässiger geworden. Soziologen
beschreiben Gesellschaftsgruppierungen vertikal und
horizontal: Sozialer Status, Beruf, Ausbildung und
Einkommen bestimmen, wer „oben“ und wer „unten“
ist; als nebeneinander existierend (horizontal) gelten
u. a. Gruppenmerkmale wie Alter, ethnische Herkunft,
Wohnlage, Milieu, Lebensstil, Konsumverhalten,
Sprachgruppen. Im Alltag ist jedoch festzustellen, dass
viele Menschen gerade auf die horizontalen Merkmale
mit (unzulässigen) wertenden Urteilen reagieren, so
wie es in früheren Gesellschaftsformen üblich war. Die
alten Muster greifen unbewusst noch immer: Äußere
Merkmale wie Konsum, Habitus oder sogar Aussehen
lösen Vorurteile über „besser“ und „schlechter“ aus,
die Einzelne oder ganze Milieus pauschal bewerten
und soziale Abgrenzungen bewirken.
Das absichtliche Überschreiten von „Standesgrenzen“
führt auch heute zu Irritationen. Wenn Verhalten,
Beziehungen und Machtverhältnisse nicht den gewohnten Mustern entsprechen, entstehen Verunsicherungen und unterschwellige Ängste. In einer Gesellschaft, die tolerante Offenheit und soziale Mobilität
propagiert, scheint der Einzelne umso stärker nach
Kriterien zu suchen, nach denen er seine Mitmenschen
„klassifizieren“ kann. Dieses Verhalten ist meist
spontan-unbewusst und weder von Bildung noch
Schichtzugehörigkeit abhängig. Aus sozialpsychologischer Sicht stellt sich die Frage, ob es Menschen überhaupt möglich ist, Klischees, Vorurteile und unterschwellige Stigmatisierungen zu vermeiden.
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Lebensgemeinschaften nach funktionalen, kulturellen
und sozialen Kriterien, die ihren Mitgliedern feste
Rollen der Mitwirkung zuschreiben. Der Einzelne
identifiziert sich in erster Linie über seine Rolle und
über die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Lebensbereich, seiner sozialen Gruppe. In großen Gesellschaften, in denen sich die Mitglieder nicht alle persönlich kennen, signalisieren meist äußere Merkmale
wie Kleidung (Tracht, Uniform) und Habitus (Statussymbole), wer „zu einem gehört“ – und wer nicht.
4.1.3 Soziale Mobilität und Verachtung in der
pluralistischen Gesellschaft
4.1.4 Chancen und Risiken in der postmodernen
Gesellschaft
In unserer durch Arbeit geprägten Erwerbsgesellschaft
spielt die Konsumfähigkeit eine wichtige Rolle für das
persönliche Ansehen. In weiten Teilen der Bevölkerung ist noch immer die konservative Annahme vorherrschend, dass Tugenden wie Fleiß, Anstand und
Ehrlichkeit materiellen Wohlstand sichern. Im Umkehrschluss werden Arbeitslose und Bedürftige schnell
als „Sozialschmarotzer“ bezeichnet. Dadurch werden
Armutsverhältnisse auch moralisch negativ konnotiert. Der Wunsch, den eigenen Status als „besser“ zu
präsentieren, äußert sich dann in genereller Verachtung für die Unterschicht. Randgruppen und verachteten Berufen wird Ehrbarkeit oft pauschal abgesprochen. Das Bedürfnis nach Abgrenzung löst vor allem
bei denjenigen aggressive Verachtung aus, die Angst
vor eigenem sozialem Abstieg haben. Die Krisen der
Wirtschaft haben auch die Gesellschaft erschüttert, es
ist die Rede vom „Prekariat“ und der „neuen Unterschicht“. Für viele ist sozialer Abstieg mit Scham­
gefühlen besetzt. Die unterschwellige Angst wird geschürt durch Massenmedien und TV-Formate, die,
unverhohlen oder verbrämt, Verachtung bedienen.
Diffamierung, aber auch Desinteresse und das Ausblenden der „Hässlichkeit“ drücken oft tief sitzende
Berührungsängste aus. Ein Teil der Gesellschaft wird
zu „Unberührbaren“, der Umgang mit ihnen ­tabuisiert.
Verachtung behauptet den Unwert des Gegenübers,
im gesellschaftlichen Kontext meist bezogen auf Asozialität. Den meisten Jugendlichen ist sicher nicht bewusst, dass das Schimpfwort „Assi“ ursprünglich den
Vorwurf erhebt, der so Bezeichnete sei schädlich für
die Gesellschaft. Zwar ist „asozial“ heute kein Rechtsbegriff mehr, wie etwa zur NS-Zeit, doch scheint
­unterschwellig damit noch immer deutlich „arbeitsscheu“, „verwahrlost“ und sogar „kriminell“ assoziiert
zu werden. Damit eng verbunden ist das emotionale
Bedürfnis, derart schädliche, abstoßende und gefähr­
liche Elemente aus der Gemeinschaft auszusondern.
Auch wenn dies nicht explizit gefordert wird, findet
doch eine Gettoisierung statt, sowohl räumlich als
auch gedanklich. Selbst Behörden und Journalisten
fördern diese Tendenz, wenn sie den Begriff „asozial“
wie eine gesicherte soziologische Kategorie ­verwenden.
Keine noch so gut gemeinte Gesellschaftsregel kann
jedem Einzelfall gerecht werden, da immer zu viele
individuelle Faktoren unberücksichtigt bleiben. Der
Wunsch, die bestehende Gesellschaftsordnung als
Ganzes zu ändern, mag verständlich sein, doch ist er
nicht realistisch und birgt überdies Gefahren. Auch
und gerade in demokratischen Prozessen müssen ideologische Hegemoniebestrebungen („Deutungshoheit“)
und die damit verbundenen Machtinteressen jederzeit
kritisch hinterfragt werden.
Die heutige Gesellschaft propagiert das Prinzip „Alles
ist möglich“. Wir erleben eine Entidealisierung tradierter Strukturen und überkommener Werte- und
Moralvorstellungen. Lebensentwürfe und Werte stehen gleichberechtigt nebeneinander. Doch die neue
Entscheidungsfreiheit bringt auch Verunsicherungen
mit sich: Der Wunsch nach Stabilität, Berechenbarkeit
und Dauerhaftigkeit steht Erfahrungen von Ungewissheit und Ambivalenz in allen Lebensbereichen gegenüber. Die Abkehr von der Illusion, Machtverhältnisse
transparent und Lebensumstände berechenbarer machen zu können, wirft neue Fragen auf: Was ist Lebensqualität? Wie gehen wir mit der neuen Freiheit
um? Was gibt Orientierung? Die Suche nach Zufriedenheit und Glück wird inzwischen breit vom Medien­
markt bedient – und wieder sind wir Konsumenten.
Der Einzelne fühlt sich überfordert, längst nicht mehr
als Subjekt seiner Entscheidungen. Die Folge ist allzu
oft Regression, Schwarz-Weiß-Denken oder Flucht in
noch hermetischere Abkapselung. Auch im gesellschaftlichen Umgang scheinen sich die Grenzen zwischen den Lebenswelten/Schichten eher zu verfestigen.
Freiheit mag beängstigen, doch sie bietet auch Chancen für neue, eigene Wege, für Selbstverwirklichung
abseits des Mainstreams. Voraussetzung ist der Mut,
selbstbestimmt Grenzen zu überschreiten. Desillusionierung schafft auch Perspektiven zu neuer Klarheit
und Emanzipation. Die Unabhängigkeit von ideologischen Regeln eröffnet auch Freiheit, die eigene Identität selbst zu bestimmen. Wenn es gelingt, sich angstfrei
und autonom auf neue Konstellationen einzulassen,
entstehen nicht nur im privaten, sondern auch im gesellschaftlichen Raum Chancen für gleichberechtigte
Beziehungen und herrschaftsfreie Kommunikation.
Zu beachten bleibt: Klassengegensätze lassen sich
nicht beseitigen, wohl aber gesellschaftliche Missstände. Zur Überwindung der Kluft zwischen Lebenswelt„Universen“ hat sich in der Praxis ein simpel erscheinendes Konzept besser bewährt als alle Diskurse und
staatlichen Regelungen: die persönliche Begegnung
mit gegenseitigem Respekt und offenem Interesse.
Literatur (Auswahl):
Theodor W. Adorno u. a.: Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, Frankfurt a. M. (dtv) 1993
Zygmunt Bauman: Moderne und Ambivalenz. Das Ende der
Eindeutigkeit, Hamburg (Hamburger Edition) 2005
Ulrich Beck (Hrsg.): Kinder der Freiheit, Frankfurt a. M.
(Suhrkamp) 1997
Ralf Dahrendorf: Homo sociologicus. Ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen
Rolle, Opladen (Westdeutscher Verlag) 2006
Erving Goffman: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag, München (Piper) 2003
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Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Ingo Pies, Martin Leschke (Hrsg.): Karl Poppers Kritischer
Rationalismus, Tübingen (Mohr-Siebeck) 1999.
Artikel zur Diskussion:
Sozialer Verfall: Die neuen Proleten (von Gabor Steingart)
www.spiegel.de/wirtschaft/sozialer-verfall-die-neuen-proleten-a-436351.html
Der Dschungel und die Mär vom Unterschichtenfernsehen
(von Alexander Krei) www.dwdl.de/zahlenzentrale/29799/
der_dschungel_und_die_mr_vom_unterschichtenfernsehen/
page_1.html
4.2 Die Ambivalenz der Schönheit
Schönheit ist eine Frage des Geschmacks, sie liegt im
Auge des Betrachters, sagt der Volksmund. Doch
meistens drücken wir mit Geschmacksurteilen weitaus
umfassendere Wertungen aus, wenn wir etwa eine
Umgebung, ein Erlebnis, einen Charakter als schön
oder hässlich bezeichnen. Jede Wahrnehmung löst
spontan-unbewusst Gefühle von angenehm / schön
oder unangenehm / hässlich aus. In der Antike sah man
die Schönheit als Indiz für das Richtige und Gute. Seit
der Aufklärung differenziert man zwischen Vernunft
und Gefühl: Schönheit ist Gegenstand der Ästhetik,
der Wahrnehmung durch das Gefühl. Da ästhetische
Urteile immer subjektiv gefühlsgeleitet sind, berechtigen sie nicht zu wertenden Urteilen über Inhalte. Diese
Definition lässt Fragen offen: Gibt es Wechselwirkungen zwischen dem Sinn für Ästhetik und einem exklusiven Lebensgefühl? Kann Schönheit lügen? Ist Schönheit ein Glücksversprechen, eine Utopie oder eine
gefährliche Illusion?
4.2.1 Die Sehnsucht nach dem „guten Gefühl“
Die von Soziologen in jüngster Zeit konstatierte Ästhetisierung des Alltags wird als Ausdruck einer Lebensweise gesehen, die mehr Wert auf Design und
Image als auf Nützlichkeit der Produkte legt. Befreit
von äußeren Zwängen, wird für viele Genuss- und
Erlebnisorientierung zum Zentrum des Strebens nach
Zufriedenheit. Der Ästhet sucht Befriedigung in „schönen“ Erlebnissen und ist dafür gerne bereit, alle „hässlichen“ Realitäten auszublenden. Diese Haltung trennt
die Gesellschaftsschichten in starkem Maße, denn
nicht jeder ist von materieller Not befreit und kann
sich diese Lebensweise leisten.
Die Flucht in den „schönen Schein“, nicht zuletzt von
der Werbung als Wohlfühlgarantie suggeriert, beschränkt sich nicht nur auf das private Umfeld. Auf
gesellschaftlicher Ebene setzt sie sich fort als Flucht
vor der Auseinandersetzung mit Widersprüchen und
sozialen Gegensätzen. Schönheit wird zum Schutzwall
vor Unordnung und Elend. Auch die Unterhaltungs­
industrie propagiert Schönheit als Quelle von Anerken­
nung, Erfolg und sozialem Aufstieg. Doch die eigentliche Sehnsucht nach tiefen Gefühlen, Harmonie und
ehrlicher Akzeptanz wird auf diese Weise nicht gestillt.
4.2.2 Das Paradox der Hässlichkeit
Es gibt durchaus allgemeine Kriterien, nach denen wir
spontan ästhetisch urteilen. Alle Menschen empfinden
Ebenmäßigkeit und harmonische Erscheinung als
schön und attraktiv. Hässlichkeit wirkt abstoßend,
löst beunruhigende Gefühle aus, weil wir unbewusst
Krankheit, Elend, manchmal sogar Bosheit assoziieren, auch wenn wir wissen, dass solche Schlüsse ebenso falsch sein können. Aus der sicheren Position des
Betrachters heraus kann Hässlichkeit jedoch auch
faszinieren. Oft empfinden wir allzu viel Schönheit
und Harmonie als langweilig und öde; der Stilbruch
irritiert und belebt das Gewohnte, schafft einen reizvollen Kontrast. Im Thriller erzeugt Abstoßendes oder
Unheimliches eine angenehme Spannung, da die Gefahr Fiktion bleibt. Im Wortsinn bedeutet un-heimlich
auch fremd. Das Fremde / Unheimliche löst zunächst
Angst aus, denn es ist aus uralter Erfahrung unbe­
rechenbar und kann gefährlich sein; doch es macht
auch neugierig. Als Gegensatz zum Gewohnten wirkt
es interessant und faszinierend anders. Das Fremde
verheißt neue, angenehm spannende Erfahrungen.
4.2.3 Die Faszination des „Bösen“
Gewalttätigkeit ist in unserer Kultur generell geächtet,
strafbar und meist schambesetzt. Aus psychologischer
Sicht gibt es „das Böse“ nicht, denn jede Gewalttat hat
subjektive Auslöser. Aggressionen sind natürliche
menschliche Reaktionen auf Bedrohungen, die in Gewalt münden, wo Flucht nicht möglich erscheint.
Auch unsere Rechtsprechung berücksichtigt Notwehr
und unterscheidet zwischen Affekttaten und gestörten
Tätern mit dissozialer Persönlichkeit. Opfer von Gewalt erleben über den körperlichen Schaden hinaus
das Gefühl von Kontrollverlust oft als traumatisierend. In jedem Fall ist Gewalt destruktiv – und doch
kann sie irrational anziehend, sogar sexuell stimulierend wirken. Während unmittelbare Gefahr existen­
ziell in Angst versetzt, empfinden viele den Nerven­
kitzel beim vermittelten Erleben von Gefahr als
wohltuend anregend. Die Angst zu überwinden oder
selbst etwas Gefährliches zu tun, löst ein Gefühl von
Euphorie aus.
Jemand, der etwas Verbotenes tut, reizt unser Interesse, weil er von der Norm abweicht. Die Nähe eines
potenziell gefährlichen Menschen scheint vor allem
für Frauen reizvoll zu sein. Ein möglicher Grund ist,
dass Gewalt von jeher mit körperlicher Stärke, Energie
und Überlegenheit assoziiert wird. Aggressivität signalisiert unterschwellig auch Kraft und Durchsetzungsvermögen. Psychologen beschreiben das Phänomen
der „Gefängnisbräute“: Frauen, die sich in Straftäter
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Matthias Junge (Hrsg.): Zygmunt Bauman. Soziologie zwischen Postmoderne, Ethik und Gegenwartsdiagnose, Wiesbaden (VS Verlag für Sozialwissenschaften) 2007
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Literatur (Auswahl):
Borwin Bandelow: Wer hat Angst vorm bösen Mann? Warum uns Täter faszinieren, Reinbek (Rowohlt) 2013
Zygmunt Bauman: Gemeinschaften. Auf der Suche nach
Sicherheit in einer bedrohlichen Welt, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2009
Erich Fromm: Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen
einer neuen Gesellschaft, München (dtv) 2010
Arno Gruen, Der Fremde in uns, München (dtv) 2000
Norbert Schneider: Geschichte der Ästhetik von der Aufklärung bis zur Postmoderne, Stuttgart (Reclam) 2005
Franz M. Wuketits: Warum uns das Böse fasziniert. Die
Natur des Bösen und die Illusion der Moral, Stuttgart (Hirzel) 2000
4.3 Illusionslose Ethik – wie im Märchen
Märchen erscheinen uns heute antiquiert, als Paradigma untauglich, mit ihrem Gut-Böse-Kontrast und ihrem Happy End so ganz anders als das „wahre Leben“. Doch dieser Eindruck täuscht, denn die
vordergründige Eindeutigkeit vieler Volksmärchen ist
erst das Produkt der romantisierenden Rezeption im
19. Jahrhundert. Ursprünglich war das Anliegen der
Märchenerzählung nicht die Kindererziehung, sondern Vorbild zur Emanzipation zu sein. Märchen beschreiben das Menschenleben einschließlich all seiner
Brüche, Irrtümer und Chancen. Gleichzeitig vermittelt
das Miterleben emotionale Stärke. Märchen irritieren
absichtlich das Gewohnte, verstören und eröffnen
dadurch neue Denk- und Handlungsspiel­räume.
4.3.1 Irritation als Chance zu neuer Autonomie
Wie sollen wir handeln? Antworten auf diese Menschheitsfrage erscheinen in der Postmoderne schwieriger
denn je. Religionen, ethische Normen oder die Aufklärung werden als „große Erzählungen“ zwar geschätzt,
doch in ihrer Funktion als ideologischer Überbau abgelehnt. Wir stellen fest, dass Erkenntnis immer subjektiv bedingt ist und Problemlösungen nur situativ
möglich sind. Der Einzelne erlebt sich herausgelöst aus
traditionellen Sozialbindungen wie etwa der Familie.
Ehemals feste Strukturen haben kaum noch Einfluss
auf die Identitätsbildung. Eine neue Ethik ist gefragt,
die das Verhalten nicht an vorgegebenen Normen
misst, sondern am Maß der Autonomie, die der Einzelne bei der freien Wahl seiner Existenzweise hat. Das
in der Postmoderne propagierte Ende der Eindeutigkeit beinhaltet gleichzeitig auch neue Freiheit zu individueller Selbstbestimmung. In der Entscheidungsfreiheit liegt die Chance zu eigenständiger Entfaltung,
Selbstfindung und neuer Solidarität.
4.3.2 Desillusionierung von Richtig und Falsch
im Märchen
Rollenkonflikte und Entlarvung von Vorurteilen sind
häufig vorkommende Märchenmotive: Verlachte und
Verachtete entpuppen sich als Helden und überwinden Klassengrenzen; Schöne können böse sein und
Hässliche gut und edel. Meist muss ein schmerzhafter,
doch reinigender Prozess durchlaufen werden, bevor
die Wahrheit ans Licht kommt. Dabei ist die Intuition
dem Verstand fast immer überlegen. Die Rettung
durch Liebe und Zuwendung, für die Abscheu, Angst
und Chaos überwunden werden müssen (weiblicher
Part), wird mit Glück belohnt. Meist wird dafür ein
verwunschener Prinz aus seiner abstoßend hässlichen
Tiergestalt befreit. Dieses Motiv zeigt sich z. B. in „Die
Schöne und das Biest“ und in „Schneeweißchen und
Rosenrot“. Einerseits wird hier die subjektive Identifikation des „Bösen“ als falsch entlarvt, andererseits
bleibt das ethische Prinzip fast aller Märchen gültig:
Wer gutherzig handelt, handelt richtig.
In dieser Hinsicht überrascht das Märchen „Der
Froschkönig“: Heute wird oft übersehen, dass die
Prinzessin den abstoßenden Frosch nicht küsst, sondern an die Wand schmettert, bevor er sich in den
schönen Prinzen verwandelt. Die Prinzessin hat kein
Interesse, zu entdecken, wer er wirklich ist, und sie
handelt nicht vorsätzlich gut an ihm, ganz im Gegenteil, jedenfalls nicht empathisch und keineswegs in der
Hoffnung auf eine Metamorphose. Der Frosch, der
sich nicht selbst vom Bann des bösen Zaubers befreien
kann, ist auf die Mitwirkung der Prinzessin angewiesen. Indem sie seine hässliche Erscheinungsform zerstört, „entdeckt“ und befreit sie seine wahre Identität.
Das Märchen fragt nicht, warum der Prinz in einen
Frosch verwandelt wurde, ob er eine schwierige Kindheit hatte, ob er mehr oder weniger zufällig unter den
bösen Zauber geriet. Was wäre geschehen, wenn die
Prinzessin den Frosch, wie er es verlangte, in ihr Bett
gelassen hätte? Man merkt: Die Geschichte hätte ganz
anders ausgehen können. Auch Heinrich (als Einziger
mit Namen), der enge Vertraute des Prinzen, wird
meist wenig beachtet. Er hatte sein Herz mit drei
Eisen­ringen schützen müssen, damit er den Zustand
seines verwunschenen Freundes überhaupt ertragen
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verlieben, fühlen sich mutig und gleichzeitig sicher, da
der Inhaftierte ihnen nicht akut gefährlich werden
kann. In solchen Beziehungen sieht sich die Frau oft
als Einzige, die den Menschen im Täter sieht, die seinen wahren, guten Kern erkennt, weil nur sie ihn
wirklich versteht. Bei aller Skepsis ist doch richtig,
dass viele Täter selbst Opfer sind und nicht auf die Tat
reduziert werden sollten. Ob und wie stark bei der
Zuwendung auch der Wunsch zu „retten“, das Bedürfnis nach eigener Wichtigkeit oder Außergewöhnlichkeit eine Rolle spielen, hängt sicher vom Einzelfall
ab. Auch in „normalen“ Beziehungen ist sehr häufig
zu beobachten, dass gerade die „harten Jungs“ eine
starke Attraktivität speziell auf idealistische junge
Frauen ausstrahlen.
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
4.3.3 Plädoyer für intuitive Erkenntnis
Der Roman „Der Märchenerzähler“ enthält ­zahlreiche
Hinweise auf die Adaption des Märchens „Schneeweiß­
chen und Rosenrot“. Im Roman macht die Hauptfigur
Anna ähnliche Erfahrungen wie die Mädchen im Märchen mit ihrem Bräutigam in ­Bärengestalt. Anna wird
erwachsen, indem vordergründige und illusorische
Vorstellungen über die Welt, die Liebe, ihren Partner
und sich selbst zerstört werden. Die Enthüllung von
Wirklichkeit ist verbunden mit dem Erkennen, dass es
„die eine Wahrheit“ nicht gibt. Ratschläge, Warnungen und Argumente können Anna nicht helfen. Es gibt
keine Vorbilder; sie muss intuitiv und situativ entscheiden, was nur für sie richtig ist. Ihre Entscheidungen sind richtig, weil sie kongruent mit ihrer Persönlichkeit sind. Auch der Leser des Romans gewinnt
Zutrauen zu seiner Intuition, die sein „Schlüssel“ zum
Verstehen ist.
Im Folgenden werden einige Assoziationsparallelen
zum Märchen „Schneeweißchen und Rosenrot“ aufgeführt, die das Verstehen des Romans erleichtern
können:
Das Schwesterndoppelbild meint konträre Temperamente in einer Person: Rosenrot, aktiv, unternehmungslustig, mutig, öffnet dem Bären die Haustür.
Schneeweißchen, vorsichtig, empathisch, zugewandt,
wird mit dem Bären vertraut. Beide sind hübsch, idea­
listisch-gut, naiv, sexuell unerfahren, leben behütet.
Ihre Arglosigkeit ist wie ein Schutz vor den Gefahren
der Außenwelt (vgl. „Annas Leben in einer Seifen­
blase“). Auch Anna begegnet einem Fremden in zunächst Furcht einflößender Erscheinung. Der Bär hat,
wie Abel, zwei Seiten: Der jähzornige Zwerg lässt sich
als abgespaltener „böser“ Teil der Prinz-Identität deuten, als seine Schattenseite. Als Rosenrot dem Zwerg
hilft, beschimpft er sie heftig; Abel weist Annas „Ein­
mischung“ heftig ab. Weitere Parallelen:
–– Der strenge Winter; Rosenbusch vorm Haus der
Mädchen.
–– Die Mädchen kuscheln und tollen mit dem Bären,
worin sie nur ein harmloses Spiel sehen, während
ihm die sexuelle Komponente bewusst ist.
–– Der Bär verlässt das Haus, um seinen Schatz
(Micha) vor dem gierigen Zugriff seiner Feinde
zu schützen, notfalls mit Gewalt. Die Mädchen
wissen nicht, was er draußen tut.
–– Als sein Fell am Türrahmen reißt (Selbst­
ver­
letzung), sieht Schneeweißchen darunter Golde­
nes (wertvolles Inneres) schimmern.
–– Der Bär wird durch die liebende Solidarität
gestärkt, doch die Erlösung vom bösen Zauber
leistet er selbst, indem er den Zwerg / seinen
Schatten tötet, wodurch die Bärenhaut abfällt.
(Abel tötet seinen Stiefvater und sich selbst;
danach findet Anna „ihren Prinzen“.)
–– Im Prozess des Erwachsenwerdens erleben die
Mädchen die Wirklichkeit der Außenwelt, vermittelt durch den Bären. Sie bewahren ihr Wesen
und heiraten den Prinzen bzw. dessen Bruder.
(Anna wird desillusioniert / erwachsen, doch sie
liebt Abel nach wie vor und fühlt sich eng mit
ihm verbunden. Letztlich ändern sich ihr Wesen
und ihre Lebenswelt nicht. In ihrer „Parallelwelt“ leben beide zusammen weiter.)
Literatur (Auswahl):
Zygmunt Bauman: Postmoderne Ethik, Hamburg (Hamburger Edition) 2009
Eugen Drewermann: Rapunzel, Rapunzel, laß dein Haar
herunter. Grimms Märchen tiefenpsychologisch gedeutet,
München (dtv) 1992
Erving Goffman: Stigma. Über Techniken der Bewältigung
beschädigter Identität, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1967
Brüder Grimm: Kinder- und Hausmärchen, München (Artemis & Winkler) 1997
Gertrud Nunner-Wunkler (Hrsg.): Weibliche Moral. Die
Kontroverse um eine geschlechtsspezifische Ethik, Frankfurt
a. M./New York (Campus) 1991
Zur Position der Soziologie in der Postmoderne:
Ulrich Beck: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere
Moderne, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 1986
Katja Thiele: Postmoderne, www.uni-potsdam.de/db/fsr-ggr/
data/openstage/kritgeo/dateien/1230985890/Postmoderne.
pdf
Soziologische Theorien der Gegenwart. Soziologie der Postmoderne, www.soziologie.phil.uni-erlangen.de/archiv/files/
lehre/12.%20Vorlesung%20Postmoderne.pdf
5.Antonia M ichaelis’ Buch „Der
Märchenerzähler“ im Unterricht
Das Buch „Der Märchenerzähler“ eignet sich für den
Einsatz in den Fächern Deutsch und Sozialwissenschaften, auch fächerverbindend mit Beteiligung der
Fächer Psychologie, Ethik, Musik, Philosophie, Kunst
und Englisch. Eigene kreative Bearbeitungen in
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konnte. Der treue Heinrich fühlt viel tiefer mit dem
Prinzen als die Prinzessin, er leidet um ihn, doch es ist
ihm unmöglich, zu handeln. Erst durch die Gewalttat
der Prinzessin erlebt er die Befreiung des Prinzen, die
ihn glücklich macht.
Dieses Märchen verwirrt den Leser, der hier ­stringente,
eindeutig identifizierbare Charaktere vermisst. Die
Prinzessin: verwöhnt, zickig, ignorant, aggressiv –
letztlich rettend. Der Frosch: nett, bedauernswert, weil
entfremdet – erschleicht sich Intimität. Der König,
Vater der Prinzessin: gutherzig, moralisch integer, gerecht – überhöht das Prinzip und fordert Befolgung
ungeachtet der Konsequenzen. Sie alle handeln im jeweils eigenen Interesse. Nur Heinrich, der Handlungsunfähige, hat ein uneigennützig liebendes Herz.
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
5.1Unterrichtsmethoden
Die Schülerinnen und Schüler sollen sensibilisiert werden für Entwicklungsprozesse und Problemfelder, wie
etwa Erwachsenwerden, Gesellschaftsstruktur, soziale
Rollen. Hierbei sollte die Aufmerksamkeit gelenkt,
eine individuelle Sicht jedoch jederzeit zugelassen werden. Bei der Besprechung / Interpretation werden Teilaspekte problem- und handlungsorientiert näher beleuchtet. Der entsprechende „Scheinwerfer“ kann von
Kleingruppen übernommen werden.
Die Schülerinnen und Schüler sollen zu eigenen Stellungnahmen angeregt werden. Neben dem schrift­
lichen Ausdruck fördert vor allem die kommunikative
Beschäftigung mit den Themenfacetten des Buches das
kognitive und emotionale Verstehen.
Bei der fortlaufenden Besprechung ist es sinnvoll, die
Musik von Leonard Cohen an einigen Stellen einzuspielen.
Mögliche Methoden:
• offenes und/oder moderiertes Unterrichtsgespräch
• Plenumsdiskussion/Dilemmadiskussion
• Kleingruppenarbeit/Referat/Hearing zu Teil­
aspek­
ten
• Argumentation/Talkshow/Tribunal
• Simulationen/Rollenspiel
• Interview
5.2 Einstiegsmöglichkeiten in den Text über
das Coverbild
Beschreibe das Buchcover. Was sagt das Coverbild über
den Inhalt des Buches aus? Kannst du etwas über die
Handlung vermuten? Wie wirkt das Bild auf dich?
(Eine junge Frau steht allein am Waldrand, am Ufer
einer weiten Wasserfläche. Man sieht sie von hinten.
Sie breitet die Arme aus, als wolle sie etwas / jemanden
umarmen. Vielleicht sehnt sie sich nach etwas / jeman-
dem. Es ist Nacht, Winter: Kleidung, kahle Rosenzweige mit Hagebutten, Schneeflocken. Die Rückseite des
Covers erweitert das Bild: Eine Hand hält eine Pistole,
den Finger am Abzug. Die Waffe ist auf die Frau gerichtet. Man weiß nicht, ob sie ahnungslos ist oder ob
sie die Arme ausbreitet, weil sie damit rechnet.)
5.3 Zur Interpretation des Romans
Das Unterrichtsgespräch knüpft an die Erfahrungswelt der Jugendlichen an. Die Schülerinnen und Schüler erkennen, dass ihre eigenen Sichtweisen und Urteile stark von ihrer Lebenswelt, bisherigen Erfahrungen
und vorgefassten Meinungen beeinflusst werden. Bei
der Besprechung ergeben sich verschiedene Themenfelder, die schwerpunktartig behandelt werden können.
Schwerpunkt Reflexion
Persönlichkeitsentwicklung in der Adoleszenz:
Der Roman spiegelt Irritationen des Erwachsen­
werdens und der Liebe wider, die wohl jeder Jugendliche nachvollziehen kann. Themenfelder sind hier
etwa:
Sozialisation / Ablösung vom Elternhaus / Rollenkonflikte im sozialen Umfeld / Peergroup-Orientierung /
Persönlichkeitsentwicklung hin zur Autonomie.
Zur Entwicklung von Anna und Abel: Beide überschreiten Grenzen, wobei Abels externe Ausführungen
(Morde, sexuelle Gewalt) klar zu weit gehen. Hier
bieten sich Ansatzpunkte für Dilemmadiskussionen,
wie etwa:
––Annas Desillusionierung: Erfahrung von Leiden
und Schmerz – Voraussetzung für ihren Reifungsprozess
––Erfahrung von Ausweglosigkeit: Als Annas konstruktive Versuche scheitern, hat sie Fluchtgedanken. Als Abel keinen Ausweg sieht, handelt er
aggressiv-destruktiv.
––Abels Konflikt: Seine Übersprungshandlungen
(Hände vors Gesicht schlagen) deuten seinen inneren Konflikt an. Wie „freiwillig“ handelt er?
––Wie stark bestimmen Prädispositionen (Milieu,
Elternhaus) unser Empfinden, Denken und Handeln?
Gesellschaftskritik:
Hier ist Greifswald ein Beispiel, das für andere Städte
und tendenziell ebenso für ländliche Räume bestätigt
werden kann. Die Grundfrage Ist die Gesellschaft
Produkt der Menschen, oder sind die Menschen Produkt der Gesellschaft? wirft neue Fragen nach individuellen Handlungsspielräumen auf: Was kann den
Bedürfnissen der Menschen nach Zufriedenheit und
persönlicher Wertschätzung gerecht werden?
Die Zersplitterung traditioneller Lebensbereiche bewirkt, dass jeder sich auf seine eigenen Interessen
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Schreib-, Musik- oder Kunstprojekten können angeschlossen werden.
Es ist sinnvoll, Schülerinnen und Schüler höherer Stufen den Roman vorab als Ganzes lesen zu lassen. In
Lerngruppen mit jüngeren Schülerinnen und Schülern
kann eine gemeinsame, schrittweise Lektüre besser
zum Verständnis der inhaltlichen Aspekte wie auch
zum emotionalen Verstehen beitragen.
Erfahrungsgemäß neigen vor allem Mädchen dazu, in
Identifikation mit der Hauptfigur Anna deren Verhalten, speziell ihre Reaktion auf sexuelle Gewalt, pauschal zu bewerten. Hierzu sollte jedoch vorab keine
Diskussion erfolgen, da diese Szene nicht der Höhepunkt des Romans ist und die Bewertung nicht von
vornherein die Rezeption überschatten sollte. Bei der
späteren Besprechung sollte klargestellt werden, dass
mögliche Erklärungen jedenfalls keine Rechtfertigung
von Vergewaltigern darstellen.
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
––Rolle der Medien in der Informationsgesellschaft
––Funktion und Wirkung von Werbung
––Flucht in den „schönen Schein“
––Wege zwischen Fatalismus und Rebellion
––Orientierung in „unsicheren Zeiten“
––Behauptung der persönlichen Autonomie
Schwerpunkt Intuition
Märchenwelten:
Bei der Besprechung machen die Schülerinnen und
Schüler die Erfahrung, dass ihre eigene Intuition gewünscht und bei der Interpretation zielführend ist. Sie
erkennen, wie stark sie von tief verwurzelten „inneren
Bildern“ geleitet werden. Die vorangegangene Behandlung der Erzählform Märchen ist hilfreich. In
welchem Umfang die Übertragung bekannter Märchen explizit eingesetzt wird, bleibt der Lehrkraft
überlassen. Hierzu sollten die bekanntesten Volksmärchen den Schülerinnen und Schülern geläufig sein.
Abels Märchen von der kleinen Klippenkönigin weist
viele der märchentypischen Stilmittel auf. Die Über­
tragung ergibt sich aus der Romanhandlung. Zu beachten ist, dass die erzählte Wirklichkeit in Abels
Märchen zwar phantastisch-unrealistisch, doch letztlich wahrer und ehrlicher ist als Annas real wahr­
genommene Wirklichkeit. Anna entscheidet sich: „Ich
bleibe beim Märchenerzähler.“ (S. 432)
Die Übertragung der Volksmärchen auf den Roman
ist sicher nicht stringent möglich, doch das assoziative
Entschlüsseln kann zu spannenden, verblüffenden Erkenntnissen führen. Sowohl die Märchen als auch der
Roman spielen mit Rollen, und Ambivalenzen werden
nicht aufgelöst. Die Charaktere der Romanfiguren
erscheinen absichtlich wie Vexierbilder, die nicht eindeutig zu erfassen sind.
Im Folgenden wird die Interpretation des Märchens
„Der Froschkönig“ in einer Version mit vertauschten Rollen versucht, die auch die Romanszene in der
Bootshalle beleuchtet:
Wie in Annas Welt erscheint auch im Märchen „Der
Froschkönig“ zunächst „alles falsch“, doch vom Ende
aus betrachtet ist „alles richtig und gut“. Die Froschgestalt, der böse Zauber, wird psychologisch gedeutet
als Behinderung der eigenen Identität, aus der sich der
Betroffene nicht selbst befreien kann. Im Duktus des
Märchens muss die Prinzessin ihm (erlösende) Gewalt
antun, denn eine liebende Umarmung würde speziell
jemandem mit dissozialer Persönlichkeitsstörung, der
äußerst manipulativ vorgeht, nicht helfen.
1. Version: Abel ist der Frosch, der auf Erlösung wartet und Anna dafür (miss)braucht. Abel manipuliert,
belügt auch Anna, tötet relativ kaltblütig. Doch er ist
auch beschützend, zärtlich und liebevoll. Oder meint
er in Wahrheit doch nur Micha, die er nicht hergeben
will, aus Egoismus? Abels harte Schale wird erst durch
Annas Zutun gelöst; der Prozess (Zerstörung der
Frosch-Identität) endet zwangsläufig gewaltsam.
2. Version: Anna ist der Frosch. Ein Indiz: Abel ist der,
der Gewalt antut. „Das, was in der Bootshalle passiert
ist, war schlimmer als alles andere.“ (S. 430) Erst dieser extreme Gewaltakt zerstört notwendigerweise
Annas schöne Scheinwelt samt ihren idealistischen Illusionen endgültig.
Es gibt weitere Aspekte, die diese Version nahelegen:
Auch der Frosch (Anna) lebte recht zufrieden als
Frosch, bevor die Begegnung mit der Prinzessin (Abel)
seine (ihre) Sehnsucht weckt und er ihre (sie seine)
Nähe sucht. Anna scheint gespürt zu haben, dass sie
durch Abel (einschließlich Leiden, die sie verzeiht) zu
ihrer wahren Identität befreit wird. Am Schluss ist sie
gereift, unabhängig, und sie fühlt sich von Abel, dem
Märchenerzähler, gerettet (vgl. S. 442). Die Rolle der
Märchenfigur Heinrich lässt sich in dieser Version gut
auf Gitta übertragen: Gittas Freundschaft zu Anna ist
unverbrüchlich, was auch geschieht. Sie möchte Anna
beschützen, kann aber nichts ausrichten. Anna entfernt sich von ihr, doch Gitta bleibt im Hintergrund in
ihrer Nähe. „Gitta war immer noch da. Sie hatte gedacht, sie hätte Gitta verloren, aber das war nicht
wahr. Gitta ließ ihr Zeit.“ (S. 446)
5.4 Weitere Themen für fächerverbindenden Unterricht
Der Roman bietet verschiedenen Fächern Anknüpfungspunkte, die auch in weiterführenden Unterrichtseinheiten vertieft werden können, wie etwa:
• Deutsch / Literatur: Interpretation des Gedichts
„Ballad For The Young“ / Songtexte von L. Cohen
in Bezug zur Romanhandlung / Genrevergleich:
Thriller, Roman, Märchen
• Musik: Songs von L. Cohen / Atmosphäre / Vertonung „Ballad For The Young”
• Englisch: „Ballad For The Young“ / Songtexte von
L. Cohen
• Kunst: Ausdruck von Empfindungen / Ästhetik / Post­moderne
• Psychologie: Diskriminierung / Kränkung, Rache,
Selbst­verletzung / Konditionierung / Subjektive Wahr­
nehmung und Erkenntnisfähigkeit
• Philosophie / Ethik: Theoriebildung / Erkenntnis­
theorie / Werturteile / Normative Ethik
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fokus­siert; gleichzeitig fühlt sich der Einzelne zunehmend fremdbestimmt von Zwängen, die er nicht
beeinflussen kann. In diesem Dilemma sind auch die
Romanfiguren. „Doch was Ordnung ist, was richtig
ist und was falsch, was erlaubt und was verboten, das
bestimmen diejenigen, die die Ozeanreiter bezahlen.“
(S. 361)
Zur Diskussion eignen sich Themen wie etwa:
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
5.5 Lesetagebuch / Portfolioarbeit
Die kurze Wiedergabe des Inhalts nach Kapiteln und
ausgewählte Zitate mit Seitenangabe erleichtern das
Verstehen der erzählten Ereignisse und die spätere
Interpretation. Die Schülerinnen und Schüler legen
eine Mappe an, in der auch die Arbeitsblätter und
weiteres Material sowie eigene Arbeiten gesammelt
werden.
Anleitung für die Schüler:
1.Notiere beim Lesen des Buches zu jedem Kapitel
einige Stichworte zum Inhalt.
–– Stelle dir dabei folgende Fragen:
–– Was geschieht?
–– Was empfindet Anna?
–– Worüber denkt Anna nach?
–– Du kannst beim Schreiben verschiedene Farben
benutzen, je nachdem, auf welche Frage sich
deine Antwort bezieht.
2.Schreibe zu jedem Kapitel mindestens eine Textstelle heraus, die du für besonders wichtig hältst oder
die dich besonders beeindruckt hat.
3.Markiere die Stellen, an denen Abel sein Märchen
erzählt.
––
––
––
––
eigene Gedanken und Kommentare
Cluster und Skizzen
Liedtexte und Bilder
eigene Zeichnungen, Fotos, Collagen, Gedichte
5.6Arbeitsblätter
Die Arbeitsblätter können direkt in der Lerngruppe
eingesetzt werden. Für die Lehrkraft sind Lösungen
angefügt, die auch didaktische Anregungen enthalten.
Die vorgegebenen Lösungen sind Vorschläge, auch
geeignet als Anregung für die Interpretation. Die Be­
lege durch Zitate sind, wenn nicht explizit durch die
Fragestellungen angefordert, vor allem Hilfestellungen
für die Lehrkraft. Die Arbeitsblätter 1–13 begleiten in
ihrer Abfolge die Lektüre. Sie dienen der Einführung
in die Textarbeit und dem Verständnis der Handlung.
Sie enthalten sowohl einfache Fragen nach dem Inhalt
als auch Aufforderungen zur Reflexion komplexer
Zusammenhänge. Die Arbeitsblätter 14–20 vertiefen
die Thematik und regen zur Reflexion an. Die Fragen
und Aufgaben verstehen sich als Hilfe zur Interpretation. Die Arbeitsblätter können je nach Bedürfnissen
der Lerngruppe und Umfang der Unterrichtseinheiten
variabel eingesetzt werden, zur schriftlichen wie zur
mündlichen Bearbeitung.
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4.Füge der Mappe eigene Arbeiten hinzu, wie zum
Beispiel:
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Name: ______________________________
Datum: _________
Arbeitsblatt 1
K apitel „Z uerst “: „Ü berall
ist
B lut “
1.Nenne Ort und Zeit der Handlung.
2.Was erfährst du über die Personen?
3.Was erfährt man nicht?
4.Wie wird die Handlung erzählt?
a) Zeitform: b) Erzählperspektive: c) Stilmittel: 6.Notiere deine Eindrücke beim Lesen.
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5.Welche Gefühle zeigt der Mann? Belege deine Beobachtungen mit Textstellen.
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Name: ______________________________
Datum: _________
Arbeitsblatt 2
K apitel 1: A nna
1.Wie wird die Handlung erzählt?
a) Zeitstufe: b) Erzählperspektive: 2.Was erfährst du über Anna?
3.Welche anderen Personen werden vorgestellt, und was erfährst du über sie?
5.Was verändert sich für Anna durch das Gespräch mit Abel?
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4.Was meint Anna, wenn sie sagt, sie lebt in einer Seifenblase?
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Name: ______________________________
Datum: _________
Arbeitsblatt 3
K apitel 2: A bel
1.Warum meint Gitta, dass Anna sich in den Falschen verliebt hat?
2.Was unternimmt Anna, um mit Abel in Kontakt zu kommen?
3.Welche widersprüchlichen Gefühle hat Anna?
5.Wie wird am Schluss des Kapitels Spannung erzeugt?
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4.Beschreibe die Faszination, die Abel auf Anna ausübt.
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Name: ______________________________
Datum: _________
Arbeitsblatt 4
K apitel 3
und
4: D er B eginn
des
M ärchens
1.Wovon handelt das Märchen, das Abel erzählt?
2.Wie gelingt es Anna, an der Märchenerzählung beteiligt zu werden?
3.„Sie hatte sich so darüber geärgert, dass er gedacht hatte, sie wäre die anderen.“ (S. 68)
Notiere deine Gedanken aus Annas Sicht.
5.Warum fragt Anna nach dem ersten Kennenlernen ihrer Eltern?
6.Wonach sehnt sich Anna?
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4.Warum erfindet Anna eine unwahre Geschichte für Gitta?
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Name: ______________________________
Datum: _________
Arbeitsblatt 5
B eziehungen
1.Beschreibe Annas Verhältnis zu ihren Eltern.
Anna Abel
© Oetinger Taschenbuch GmbH, im Vertrieb bei dtv, Hamburg, Dezember 2013
2.Welche Beziehungen haben die Personen zueinander? Erstelle ein Cluster und vergleiche
es anschließend mit anderen in deiner Lerngruppe. Gruppiere die Personen um Anna und
Abel. Stelle Beziehungen durch Verbindungslinien / Pfeile dar.
Personen: Anna, Magnus, Linda, Gitta, Hennes, Bertil, Abel, Micha, Michelle
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Name: ______________________________
Datum: _________
Arbeitsblatt 6
K apitel 5
und
6: D as R osenmädchen
1.Nenne typische Märchenelemente, die auch in Abels Märchen vorkommen.
2.Was ist das Besondere an Abels Märchen?
3.Warum warnt Abel in seiner Märchenerzählung vor dem Schönen?
5.Welches Geheimnis gibt es in Abels Familie?
6.Hast du eine Vermutung, wer die Person am Strand ist?
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4.Wie verändert sich Annas Beziehung zu Abel?
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Name: ______________________________
Datum: _________
Arbeitsblatt 7
M ärchen
und
W irklichkeit
1.Warum erzählt Abel das Märchen?
2.Schreibe in der rechten Spalte die Übertragung von Abels Märchen weiter.
die kleine Klippenkönigin
Micha
die Insel …
… versinkt im blutroten Meer
Michas Lebenswelt wird
durch etwas Schreckliches erschüttert
das Festland
Leuchtturmwärter
Mann mit blondem Schnauzbart
„der deinen Namen trägt“
Seelöwe / silbergrauer Hund
die Jäger, das schwarze Schiff
Insel der Rosenleute
Rosenmädchen
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­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Name: ______________________________
Datum: _________
Arbeitsblatt 8
K apitel 7
und
8: G efahr
und
G ewalt
Notiere bei jeder Antwort auch, was du ahnst oder vermutest.
1.Was erfährst du über Bertil?
2.Was ist in Abels Wohnung geschehen?
4.Beschreibe die Reaktionen auf die Zeitungsmeldung von Lierskis Tod.
a) Magnus: b) Anna: 5.Wer ist der Mann, der Anna und Abel nachschaut? (vgl. S. 186)
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3.Warum ist Abel erleichtert über Annas Annahme, dass er nachts Drogen verkauft?
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Name: ______________________________
Datum: _________
Arbeitsblatt 9
K apitel 9: F ragen
und
A ntworten
1.Warum lässt Abel in seinem Märchen den Fragenden und den Antwortenden an Bord
kommen?
2.Welche Hinweise findest du in den scheinbar wirren Fragen und Antworten?
3.Welche Antwort findet Anna in ihrem Traum?
5.„Ist das der Grund, weshalb du mit mir hier unterwegs bist? Sammelst du Leute, von
denen du denkst, dass sie arm dran sind und man ihnen helfen muss?“ (S. 211) Warum
greift Abel Anna an?
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4.„Er [Bertil] ist ehrlicher als du, Hennes.“ (S. 207) Wie meint Abel das?
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Datum: _________
Arbeitsblatt 10
K apitel 10
und
11: W ie
ein
S chmetterlingsnetz
1.In welcher Weise spitzt sich die Situation zu?
2.Wie reagieren Anna und Abel auf den zunehmenden Druck?
Anna: Abel: 3.Warum nimmt Anna Abel und Micha mit zu sich nach Hause?
5.„Sie war eine Verräterin. Sie wusste, dass sie eine Verräterin war.“ (S. 271)
Bist du Annas Meinung? Notiere deine Gedanken.
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4.Anna sagt: „Weißt du, dass ich mich manchmal bei euch wohler fühle?“ (S. 262)
Kannst du Anna verstehen? Notiere deine Gedanken.
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Datum: _________
Arbeitsblatt 11
K apitel 12
und
13: D as M eer
friert zu
1.Wie versucht Anna nach dem Schock, mit ihrer Angst fertigzuwerden?
2.„Es war ja ihre Schuld, es war alles ihre Schuld gewesen. War es das?“ (S. 315)
Notiere deine Gedanken und diskutiere in der Gruppe.
4.„Sie würde verzeihen. Sie hatte längst verziehen. […] In der Liebe gab es keine Vernunft.“
(S. 341 f.) Notiere deine Gedanken und diskutiere in der Gruppe.
5.„Das Unmögliche ist möglich. Am schwierigsten ist es immer, sich selbst zu verzeihen …“
(S. 346)
Meint Anna damit auch sich selbst? Notiere deine Gedanken und diskutiere in der
Gruppe.
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3.Denkst du, dass Anna nach dem Schock klarer sieht, wer Abel ist? Begründe deine
Meinung.
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Name: ______________________________
Datum: _________
Arbeitsblatt 12
K apitel 14
bis
16: D as E is
taut
1.Warum empfindet Anna die „seltsam surreale Art von Alltag“ (vgl. S. 364) als die allerschönsten Tage?
2.Wofür ist „Tauwetter“ hier eine Metapher?
3.Wie reagieren die Anwesenden auf Bertils Lautsprecherdurchsage?
Die Mitschüler: Gitta: Abel: 4.Wie denkst du über Annas Erklärung: „Es war eine Art Rache gewesen, […]“ (S. 394)?
5.Warum ist Anna sicher, dass Abel niemanden erschossen hat?
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Anna: Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Name: ______________________________
Datum: _________
Arbeitsblatt 13
K apitel 17
und
18: D as E nde
des
M ärchens
1.Was entdeckt Anna im Wald, wo die Buschwindröschen blühen?
2.Warum hört Anna nicht auf die Stimme ihrer Vernunft?
3.Warum glaubt Abel, mit seinen Taten im Recht zu sein?
4.Welche Lösung gibt es?
b) Abel: 5.Notiere deine Gedanken zu der Parallelwelt, in der Anna mit Abel glücklich ist.
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a) Anna: Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Name: ______________________________
Datum: _________
Arbeitsblatt 14
S eifenblasen
1.Was meint das Bild der Seifenblase?
2.Was prägt die Seifenblase, in der Anna ist?
3.Beschreibe die Seifenblase, in der Bertil ist.
5.„Die Erkenntnis traf Anna wie der Knall eines Schusses: Es sind die anderen, dachte sie,
die in einer Seifenblase leben. Nicht ich.“ (S. 197)
a) Was meint Anna damit?
b) Denkst du, dass Anna zu der Zeit in keiner Seifenblase lebt? Begründe deine Meinung.
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4.Was geschieht mit Annas Seifenblase durch die Begegnung mit Abel?
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Datum: _________
Arbeitsblatt 15
U niversen
1.Was meint das Bild des Universums?
2.„Vielleicht ist es zu ästhetisch.“ (S. 71) Was meint Anna damit?
4.Abel sagt: „Was ist das? Eine Einführung in die bessere Gesellschaft? Pass auf, was du
tust.“ Anna entgegnet: „Wir leben nicht im Mittelalter und auch nicht in Indien. Es gibt
keine Kasten.“ (S. 203)
Informiere dich über die Gesellschaftsordnung im Mittelalter. Findest du Parallelen zur
heutigen Zeit?
5.Anna behauptet: „Alle Menschen sind gleich!“ Doch Abel sagt: „Hörst du dir eigentlich
selbst manchmal zu, wenn du solchen Unsinn redest?“ (S. 208) Notiere deine Gedanken
zu diesem Konflikt und diskutiere darüber in der Gruppe.
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3.Warum möchte Anna die Kluft zwischen den Universen überwinden?
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Arbeitsblatt 16
A nna
und der polnische
K urzwarenhändler
1.Was drücken die Mitschüler mit der Bezeichnung „polnischer Kurzwarenhändler“ aus?
2.Warum ist es Anna wichtig, dass die anderen Abel beim Vornamen nennen?
3.Was meint Anna, wenn sie sagt: „Abel, du bist ja wie Linda“ (S. 165)?
5.„[…] in der Liebe gibt es keine Kritik. In der Liebe gibt es keine Vernunft.“ (S. 272)
Notiere deine Gedanken und besprich sie anschließend in der Gruppe.
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4.„Leute wie du suchen sich Leute wie ihn, und später wundern sie sich, was geschieht …“
(S. 340) Was meint Gitta?
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Name: ______________________________
Datum: _________
Arbeitsblatt 17
S chauspieler
1.Erstelle ein Cluster zu den Romanfiguren, das ihre Rollen verdeutlicht.
a) Beachte dabei: Einige der Personen möchten eine andere beschützen.
b) Stell dir die Fragen: Welche Motive haben die Personen? Gelingt das Beschützen?
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Beziehe deine Antworten in dein Cluster ein.
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Name: ______________________________
Datum: _________
Arbeitsblatt 18
W as
geschah , geschah einfach
Hätte das Geschehen eine andere Wendung nehmen können? Einige Stellen im Buch weisen
darauf hin. Wähle eine der Stellen aus und skizziere, wie die Geschichte anders weitergehen
könnte.
1.„Und dann, nach der sechsten Stunde, nach einem absolut tödlichen Biokurs, fand sie
die Puppe. Später dachte sie oft darüber nach, was geschehen wäre, wenn sie sie nicht
gefunden hätte.“ (S. 17)
2.„In diesem Moment meldete sich ihr Handy. Es war ein Reflex, in die Tasche zu greifen
und den Anruf anzunehmen. Ein dummer Reflex, sie hätte es klingeln lassen sollen.“
(S. 231)
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3.„Und später fragte sie sich, ob Abel in diesem Moment entschieden hatte, dass er nachts
noch wegmusste. Ob es gar nichts mit einem Anruf zu tun hatte. Ob er in dieser Nacht
das Haus nicht verlassen hätte, wenn Magnus nicht eine dumme Bemerkung gemacht
hätte. Und ob dann manche Dinge anders gekommen wären.“ (S. 369)
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Name: ______________________________
Datum: _________
Arbeitsblatt 19
D as M ärchen
von
A nna
und
A bel
1.Welche Hinweise findest du darauf, dass der gesamte Roman ein Märchen ist?
2.Nenne ein Märchen, in dem ein verwunschener Prinz befreit wird. Welche Parallelen zur
Romanhandlung findest du?
3.„Sieh du bloß zu, […] dass du nicht versuchst, jemanden aus mir zu machen, der ich nicht
bin.“ (S. 296)
a) Wie sieht Abel sich selbst?
4.Was meint Abel, wenn er Anna „Prinzessin“ nennt?
5.Wie sieht Anna sich selbst?
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b) Wer nennt Abel „Prinz“?
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Name: ______________________________
Datum: _________
Arbeitsblatt 19 Fortsetzung
D as M ärchen
von
A nna
und
A bel
6.Denkst du, dass Anna sich durch ihre Erlebnisse verändert hat? Notiere deine Gedanken.
7.„Heile, heile Segen, drei Tage Regen, drei Tage Sonnenschein, und alles wird vergessen
sein.“ (S. 444) Notiere deine Gedanken: Was bleibt am Schluss?
9.Welche Überschrift würdest du dem Märchen von Anna und Abel geben?
10.Wähle ein Zitat aus dem Text, das für den Roman „Der Märchenerzähler“ ein Motto
sein könnte.
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8.Welche Funktion von Märchen findest du auch für den Roman „Der Märchenerzähler“
zutreffend?
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
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Datum: _________
Arbeitsblatt 20
B allad F or T he Y oung
My child I know you’re not a child
but I still see you running wild
between those blooming trees
your sparkling dreams, your silver laugh
your questions for the stars above
are just my memories
and in your eyes the ocean
and in your eyes the sea
the waters frozen over
with your longing to be free
I didn’t say the world was good
I hope by now you understood
why I could never lie
I didn’t promise you a thing
don’t ask my wintervoice for spring
just spread your wings and fly
though in the hidden garden
down by the green, green lane
the plant of love grows next to
the tree of hate and pain
you had to kill this child, I know
to break the arrow and the bow
to shed your skin and change
the trees are flowering no more
there’s blood upon the marble floor
this place is dark and strange
I see you standing in the storm
holding the curse of youth
each of you with your story
each of you with your truth
some words will never be spoken
some stories never be told
this is the age you are broken
or turned into gold
So take my tears as a token
they’ll keep you warm in the cold
this is the age you are broken
or turned into gold
You’ve lived too long among us
to leave without a trace
you’ve lived too short to understand
a thing about this place
some of you just sit there smokin’
and some are already sold
this is the age you are broken
or turned into gold
this is the age you are broken
or turned into gold
© Oetinger Taschenbuch GmbH, im Vertrieb bei dtv, Hamburg, Dezember 2013
yesterday when you’d awoken
the world seemed incredibly old
this is the age you are broken
or turned into gold
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Arbeitsblatt 1 – LÖSUNGEN
K apitel „Z uerst “: „Ü berall
ist
B lut “
1. Nenne Ort und Zeit der Handlung.
Winter, im Februar, Nacht, eine Wohnung bzw. Wald
2. Was erfährst du über die Personen?
Ein Mann und eine Frau, die in einer Beziehung zueinander stehen. Die Frau ist tot.
3. Was erfährt man nicht?
Man erfährt nicht, wie die Personen heißen und wie alt sie sind; wie die Frau ums Leben
gekommen ist; in welcher Beziehung die Personen zueinander standen.
5. Welche Gefühle zeigt der Mann? Belege deine Beobachtungen mit Textstellen.
Er versucht, cool zu handeln, doch er ist in einem verwirrten Zustand. „Sie sitzt da, gegen die
Wand gelehnt; weigert sich, mit ihm zu sprechen.“ (S. 10) – Das Geschehen ist ein Einschnitt,
der sein Leben zum Stillstand bringt. „Es wird immer Winter bleiben.“ (S. 9) – Er spricht mit
der Frau, als lebe sie. Er beschwört die Vergangenheit, in der er glücklich war. „Weißt du
noch? […] unsere einzige wirklich gute Zeit, nur wir beide, weißt du noch, weißt du noch,
weißt du noch …“ (S. 10) – Er hat Angst. „Sein Herz pocht im Rhythmus der Angst, als er sie
trägt, hinaus in die Nacht.“ (S. 11) – Er fühlt sich hilflos. „Hilf mir doch. Hilf mir doch ein
einziges Mal!“ (S. 11) – Er ist wütend. „Und plötzlich packt ihn die Wut.“ (S. 11) – Er weint,
fühlt sich im Stich gelassen. „Du hast eine Lösung für dich gefunden, nur keine Lösung für
mich, für uns, du hast keine Sekunde daran gedacht …“ (S. 12)
Arbeitsblatt 2 – LÖSUNGEN
K apitel 1: A nna
1. Wie wird die Handlung erzählt?
a) Zeitstufe: Vergangenheit / Präteritum
b) Erzählperspektive: personale Erzählperspektive aus Sicht der Hauptfigur Anna
2. Was erfährst du über Anna?
Anna Leemann ist Schülerin, fast achtzehn Jahre alt. Sie lebt mit ihren Eltern in einem
Haus in der Fleischervorstadt, einem Stadtteil von Greifswald an der Ostsee (MecklenburgVorpommern). Ihr Vater ist Arzt. Sie spielt Querflöte und möchte Musik studieren. Sie raucht
nicht und geht nicht in die Disco. „Ich lebe, dachte sie, in einer Seifenblase.“ (S. 17)
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4. Wie wird die Handlung erzählt?
a) Zeitform: Präsens
b) Erzählperspektive: personale Erzählperspektive, subjektiv aus Sicht des Mannes
c) Stilmittel: innere Monologe, ausdrucksstarke Bilder
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
3. Welche anderen Personen werden vorgestellt, und was erfährst du über sie?
Gitta, Annas beste Freundin, ein halbes Jahr älter als Anna. Sie wohnt mit ihren Eltern im
Neubaugebiet. Ihre Mutter ist Ärztin. Sie trägt schwarze Kleidung; geht regelmäßig in die
Disco; verliebt sich oft, zurzeit ist sie mit Hennes zusammen. Sie gibt sich erwachsen, fühlt
sich Anna überlegen; nennt Anna oft „mein Kind“ (vgl. S. 13).
Hennes, gut aussehend, sportlich, „perfekt“ (vgl. S. 15). Anna findet ihn arrogant.
Abel Tannatek, ein Mitschüler; Außenseiter (freiwillig); blond, breitschultrig; Spitzname:
„polnischer Kurzwarenhändler“, dealt mit Drogen. „Lebt in seiner eigenen Welt.“ (S. 16) Er
wohnt mit seiner sechsjährigen Schwester Micha in einer Plattenbausiedlung im Ostseeviertel.
Bertil, ein Mitschüler; Außenseiter (unfreiwillig); trägt eine dicke Brille; ist ständig zerstreut;
nicht beliebt; ist in Anna verliebt.
5. Was verändert sich für Anna durch das Gespräch mit Abel?
Zuerst hat sie Angst vor ihm, doch sie erlebt ihn anders als erwartet, nämlich weich und
gefühlvoll. „Tannatek sah die Puppe einen Moment lang an, er hielt sie wie etwas Lebendiges.“
(S. 21) Sie verliebt sich in ihn und denkt ständig an ihn. „Und dann fuhr er weg und Anna
stand da und alles war anders als zuvor.“ (S. 25) „Seltsam, an diesem Tag hatte sie das Haus
auf ganz andere Weise gesehen. Als ginge sie nicht alleine durch die hohen Räume, sondern
mit Abel Tannatek an ihrer Seite.“ (S. 25) Alles erscheint ihr plötzlich schön (vgl. S. 26). Sie
wird neugierig auf „Dinge außerhalb der Seifenblase“ (vgl. S. 27).
Arbeitsblatt 3 – LÖSUNGEN
K apitel 2: A bel
1. Warum meint Gitta, dass Anna sich in den Falschen verliebt hat?
Abel lebt in einer völlig anderen Welt, äußerlich wie innerlich. – Gitta hält Abel für rücksichtslos, kalt und berechnend.
2. Was unternimmt Anna, um mit Abel in Kontakt zu kommen?
Sie spricht ihn an, um angeblich Drogen zu kaufen. – Sie fährt ihm nach.
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4. Was meint Anna, wenn sie sagt, sie lebt in einer Seifenblase?
Symbol für die behütete heile (Kinder-)Welt, in der sie lebt. „Die ganze Schule weiß Dinge, die
ich nicht weiß. Aber vielleicht will ich sie gar nicht wissen.“ (S. 17) Anna weiß, dass sie anders
ist als ihre Mitschüler, doch sie ist stolz auf ihre Individualität. Sie weiß, was sie will. „Und es
ist viel kindischer, in schwarzen Klamotten herumzulaufen und sich einzubilden, man würde
dadurch schlauer aussehen.“ (S. 17) Vielleicht hat sie etwas Angst vor der Welt außerhalb
ihrer „schönen und irgendwie auch eigensinnigen Seifenblase“ (S. 17). Sie weiß, dass sich mit
dem Erwachsenwerden etwas ändern wird.
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
3. Welche widersprüchlichen Gefühle hat Anna?
–– Angst vor dem kriminellen / gefährlichen Abel (vgl. S. 34)
–– Enttäuschung und Abscheu vor dem „Kampfhund“ Abel (S. 36)
–– Überraschung, dass er neben white noise auch sentimentale Lieder hört (vgl. S. 36)
–– Vertrautheit, als er ihr private Dinge aus seinem Leben erzählt (vgl. S. 36 f.)
–– Zärtlichkeit, als sie ihn und Micha zusammen beobachtet (vgl. S. 39 f.)
–– Faszination für den Märchenerzähler Abel (vgl. S. 44 f.)
–– Glücksgefühl, dass es den „anderen Abel“ gibt und nur sie ihn entdeckt hat
4. Beschreibe die Faszination, die Abel auf Anna ausübt.
Sie entdeckt Seiten an ihm, die im Widerspruch zu seinem Ruf stehen. Nach außen wirkt er
unnahbar, geheimnisvoll, fast unheimlich; ihn kennenzulernen scheint unmöglich. „Bilde dir
bloß nicht ein, du könntest so einen kennenlernen wie Tannatek.“ (S. 27 und S. 29) – Sie verliebt sich. „Anna hatte sich einen anderen Tannatek zusammengeträumt, von ferne.“ (S. 34)
Das Abenteuer, ihn kennenzulernen, reizt sie. „Sie wusste nicht, ob das nur der Ehrgeiz in ihr
war, etwas herauszufinden, was niemand wusste.“ (S. 41)
5. Wie wird am Schluss des Kapitels Spannung erzeugt?
Perspektivwechsel: Die Handlung wird auktorial (allwissender Erzähler) als Märchen transportiert; eine gefährliche Entwicklung wird angedeutet. „Dies war der Moment, in dem […]
die Geschichte begann, die auch Annas Geschichte werden sollte. […] Erst später, viel später,
erst zu spät würde Anna begreifen, dass dieses Märchen tödlich war.“ (S. 44 f.) – Die letzte
Szene wird aus der Sicht eines Mannes erzählt, der Abel und Anna heimlich beobachtet. Für
den Leser wird eine neue, geheimnisvolle Dimension sichtbar. „Sie waren alle nur Schauspieler
[…].“ (S. 45)
K apitel 3
und
4: D er B eginn
des
M ärchens
1. Wovon handelt das Märchen, das Abel erzählt?
Die kleine Klippenkönigin (Micha) muss ihre Insel (ihr bisheriges Leben) verlassen und sich
auf einen gefährlichen Weg machen, um das Festland (Sicherheit) zu erreichen.
2. Wie gelingt es Anna, an der Märchenerzählung beteiligt zu werden?
Micha fragt sie nach ihrer Meinung. – Abel baut Elemente ein, die sich an Anna richten: „Die
Wahrheit darüber, was ein Seelöwe ist, kann ein Seelöwe niemals wissen. […] Du kannst es
vielleicht lernen, wenn du bei mir bleibst.“ (S. 60) – Die Kommunikation zwischen Anna und
Abel auf der Bildebene des Märchens beginnt. Anna zeigt, dass sie das Bild verstanden hat:
„Vielleicht kann sich der Seelöwe verwandeln.“ (S. 64 f.)
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Arbeitsblatt 4 – LÖSUNGEN
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
4. Warum erfindet Anna eine unwahre Geschichte für Gitta?
Sie will sich nicht mit Gittas Einwänden auseinandersetzen. – Sie spürt, dass sie sich zwischen
Gitta und Abel entscheiden muss. – Sie will Abel beweisen, dass sie zu ihm steht.
5. Warum fragt Anna nach dem ersten Kennenlernen ihrer Eltern?
Anna sucht nach einem Modell, an dem sie sich orientieren könnte.
6. Wonach sehnt sich Anna?
Sie möchte Neues entdecken, etwas Eigenes tun. „In ihr keimte der unbestimmte Wille,
stark zu sein und gehört zu werden, irgendwann für irgendetwas zu kämpfen, irgendwo …
aber wo? Für was? Und gegen wen?“ (S. 70) – Sie sehnt sich nach der starken Liebe und
Zusammengehörigkeit, die Abel in seinem Märchen ausdrückt. „Abel hatte mehr Worte, richtigere Worte, wie erstaunlich, dass gerade Abel Tannatek die richtigen Worte hatte.“ (S. 72)
„Es gab nur eine Geschichte, die sie wirklich interessierte. Ein Märchen.“ (S. 75)
Arbeitsblatt 5 – LÖSUNGEN
B eziehungen
1. Beschreibe Annas Verhältnis zu ihren Eltern.
Anna hat ein liebevolles, partnerschaftliches Verhältnis zu ihren Eltern (nennt sie beim
Vornamen). Alle drei gehen empathisch, respektvoll, doch sanft-vorsichtig miteinander um.
Jeder lebt in seiner eigenen Innenwelt. Sie sprechen nicht wirklich offen miteinander.
Arbeitsblatt 6 – LÖSUNGEN
und
6: D as R osenmädchen
1. Nenne typische Märchenelemente, die auch in Abels Märchen vorkommen.
–– Tiere agieren wie Personen.
–– Verwandlung; hier: Seelöwe in silbergrauen Hund (vgl. S. 99)
–– Dreizahl; hier: dreifache Warnung vor dem Schönen (vgl. S. 96 f.)
–– Gut-Böse-Unterscheidung
–– Verschlüsselungen fordern zum Miterleben auf.
2. Was ist das Besondere an Abels Märchen?
Es ist interaktiv auf das aktuelle Geschehen bezogen. Abel erzählt in Abschnitten, was jeweils
geschehen ist. – Es ist nicht abgeschlossen. „Vielleicht finden wir es noch heraus“ (S. 101). –
Abel baut verschlüsselte Hinweise ein, die Anna Aufschluss über sein Leben geben.
3. Warum warnt Abel in seiner Märchenerzählung vor dem Schönen?
Er warnt Micha, damit sie nicht enttäuscht und verletzt wird. Er sagt, was er von Annas Welt
hält: Der schöne Schein ist eine Illusion, die Gefahren verschleiert, eine Falle.
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K apitel 5
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
4. Wie verändert sich Annas Beziehung zu Abel?
Anna bemüht sich um Abels Vertrauen, doch er bleibt misstrauisch. Im Märchen lässt er ihre
Nähe zu: Er signalisiert, dass er sie an seinem Leben beteiligen möchte. Anna ist glücklich,
dass sie als „Rosenmädchen“ im Märchen vorkommt.
5. Welches Geheimnis gibt es in Abels Familie?
Michelle ist verschwunden, vielleicht ist sie tot. Abel behauptet, dass sie lebt, damit Rainer
nicht das Sorgerecht für Micha bekommt. Es wird angedeutet, dass Rainer Abel als Kind
sexuell missbraucht hat und auch Micha missbrauchen könnte (vgl. S. 109 f.).
6. Hast du eine Vermutung, wer die Person am Strand ist?
Die Person am Strand ist ein Stalker. Vielleicht ist es Bertil.
Arbeitsblatt 7 – LÖSUNGEN
M ärchen
und
W irklichkeit
1. Warum erzählt Abel das Märchen?
Er möchte Micha stark machen, sie schonend auf etwas Schreckliches vorbereiten. – Er sendet
verschlüsselte Botschaften an Anna und fordert sie dadurch zum Mitmachen auf.
die kleine Klippenkönigin
Micha
die Insel …
… versinkt im blutroten Meer
Michas Lebenswelt wird
durch etwas Schreckliches erschüttert
das Festland
Sicherheit
Leuchtturmwärter
Lehrer Knaake
Mann mit blondem Schnauzbart
Rainer Lierski, Michas Vater
„der deinen Namen trägt“
Tätowierung
Seelöwe / silbergrauer Hund
Abel, Michas Beschützer
die Jäger, das schwarze Schiff
Bedrohung
Insel der Rosenleute
schöne heile Welt der Oberschicht
Rosenmädchen
Anna
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2. Schreibe in der rechten Spalte die Übertragung von Abels Märchen weiter.
Die Übertragung in der Tabelle kann bei der weiteren Lektüre fortgesetzt werden.
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Arbeitsblatt 8 – LÖSUNGEN
K apitel 7
und
8: G efahr
und
G ewalt
Falls die Schülerinnen und Schüler das Buch noch nicht bis zum Schluss gelesen haben, notieren sie
auch, was sie ahnen oder vermuten. Bei der Besprechung sollten dann keine Antworten „verraten“
werden. Die Intention ist, die Schülerinnen und Schüler mit ihrer eigenen Intuition zu beteiligen.
1. Was erfährst du über Bertil?
Er ist intelligent, gut in Mathematik. – Er kann schießen und würde jemanden töten, den er
hasst. Er wirkt gefühllos, als er erzählt, wie sein Hund starb. – Gitta und Frauke nennen ihn
„Freak“. – Er macht Andeutungen, dass Anna sich in Gefahr begibt (vgl. S. 168). – Sein Hund
(„Silbergrau und Goldaugen“, S. 133) erinnert an Abel.
2. Was ist in Abels Wohnung geschehen?
Abel hat sich mit Rainer Lierski geprügelt. Die Wohnung ist verwüstet, und Abel ist verletzt.
3. Warum ist Abel erleichtert über Annas Annahme, dass er nachts Drogen verkauft?
Er ist froh, dass sie so locker damit umgeht. – Vermutung: Da gibt es noch Schlimmeres.
4. Beschreibe die Reaktionen auf die Zeitungsmeldung von Lierskis Tod.
a) Magnus: macht sich lustig, ist fröhlich, weil er keinerlei Beziehung dazu hat.
b) Anna: ist erschrocken und verwirrt, weil sie ahnt, dass Abel damit zu tun hat.
6. Wer ist der Mann, der Anna und Abel nachschaut? (vgl. S. 186)
Es ist Lehrer Knaake.
Arbeitsblatt 9 – LÖSUNGEN
und
A ntworten
1. Warum lässt Abel in seinem Märchen den Fragenden und den Antwortenden an Bord kommen?
Er sagt Anna damit, dass die Antworten, die sie zu haben glaubt, falsch sind. – Er gibt verschlüsselte Hinweise auf das, was wirklich passiert.
2. Welche Hinweise findest du in den scheinbar wirren Fragen und Antworten?
„Am dreizehnten März“ (S. 178): Das Datum ist wichtig, es wird schon vorher genannt. – „Ist
er gut oder böse?“ (S. 178): Das ist die zentrale Frage, die sich auch der Leser stellt. – „Unter
den Buchen, wo im Frühjahr die Buschwindröschen wachsen.“ (S. 178): Das ist die Stelle, zu
der die tote Frau (vgl. Kapitel „Zuerst“) gebracht wurde.
3. Welche Antwort findet Anna in ihrem Traum?
Sie hat das Gefühl, zu Abel zu gehören. Sie weiß jetzt, dass sie unbedingt zu Abel halten wird,
was auch passiert. – Sie findet eine eigene Position.
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K apitel 9: F ragen
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
4. „Er [Bertil] ist ehrlicher als du, Hennes.“ (S. 207) Wie meint Abel das?
Hennes will mit Abel auch nichts zu tun haben, er äußert seine Verachtung nur nicht offen.
5. „Ist das der Grund, weshalb du mit mir hier unterwegs bist? Sammelst du Leute, von denen
du denkst, dass sie arm dran sind und man ihnen helfen muss?“ (S. 211) Warum greift Abel
Anna an?
Abel fühlt sich gedemütigt und frustriert. Er provoziert Anna, indem er sagt, dass sie doch zu
den anderen gehört; dass sie ihn in Wirklichkeit auch verachtet; dass ihr Idealismus unecht
ist. Das bringt er auch in seinem Märchen zum Ausdruck: „Man kann die Dinge eben nicht
ändern. Arm bleibt Arm und Reich bleibt Reich, und die, die treffen sich nie.“ (S. 218)
Arbeitsblatt 10 – LÖSUNGEN
K apitel 10
und
11: W ie
ein
S chmetterlingsnetz
1. In welcher Weise spitzt sich die Situation zu?
–– Das Sozialamt / Jugendamt schaltet sich ein.
–– Anna muss sich entscheiden, wohin sie gehört; sie fühlt sich isoliert.
2. Wie reagieren Anna und Abel auf den zunehmenden Druck?
Anna: versucht panisch, jemanden zu finden, der helfen könnte. Sie spricht mit Marinke und
Lehrer Knaake. Sie erzählt ihren Eltern alles.
Abel: flieht; verschwindet zusammen mit Micha.
Arbeitsblatt 11 – LÖSUNGEN
K apitel 12
und
13: D as M eer
friert zu
1. Wie versucht Anna nach dem Schock, mit ihrer Angst fertigzuwerden?
Sie sucht Antworten. „Ich muss die Fragen und die Antworten zusammenbringen.“ (S. 314 f.)
2. „Es war ja ihre Schuld, es war alles ihre Schuld gewesen. War es das?“ (S. 315)
Notiere deine Gedanken und diskutiere in der Gruppe.
Es sollte deutlich gesagt werden, dass Anna wie viele Vergewaltigungsopfer reagiert und dass
es selbstverständlich nicht ihre Schuld war. Doch die Diskussion sollte an dieser Stelle nicht
eskalieren. Es sollte klargestellt werden, dass Fragen wie „Darf sie Abel verzeihen?“ eine
(unzulässige) moralische Bevormundung beinhalten. Annas subjektive Entscheidung zum
Verzeihen muss nicht geteilt, sollte jedoch akzeptiert werden. Es geht hier nicht darum, ob
Abel Verständnis verdient, sondern um Annas Selbstbestimmung.
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3. Warum nimmt Anna Abel und Micha mit zu sich nach Hause?
Anna möchte nah bei Abel sein; helfen; einen Ausweg finden. Sie fühlt sich gestärkt durch das
Gespräch mit ihren Eltern.
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
3. Denkst du, dass Anna nach dem Schock klarer sieht, wer Abel ist? Begründe deine Meinung.
Einerseits sieht Anna klarer, weil ihre Illusionen zerstört sind. Andererseits verzerrt jetzt der
Schock ihre Wahrnehmung: Sie hält es sogar für möglich, dass Abel Micha missbraucht.
Arbeitsblatt 12 – LÖSUNGEN
K apitel 14
bis
16: D as E is
taut
1.Warum empfindet Anna die „seltsam surreale Art von Alltag“ (vgl. S. 364) als die aller­
schönsten Tage?
Sie empfindet die Unbeschwertheit wie eine Auszeit von den Problemen. – Anna und Abel sind
glücklich zusammen, beide verdrängen die Realität.
2. Wofür ist „Tauwetter“ hier eine Metapher?
Abels emotionale Kälte taut langsam. Er wird weicher, gelöster, entspannter. – Es gibt
Hoffnung auf eine schöne gemeinsame Zukunft. – Im Märchen: Wenn das Eis taut, können sie
das Festland erreichen und sind endlich in Sicherheit. – Die Eisschicht, die Abels Geheimnisse
verdeckt, taut weg: Die Wahrheit kommt ans Licht.
3. Wie reagieren die Anwesenden auf Bertils Lautsprecherdurchsage?
Die Mitschüler: starren Abel an; nehmen die Enthüllung als Sensation.
Gitta: versucht als Einzige, Bertil zu stoppen.
Abel: verlässt die Schule, schaut die anderen nicht an; flieht.
Anna: verlässt die Schule aufrecht, schaut die anderen offensiv an; trennt sich nicht von Abel.
Arbeitsblatt 13 – LÖSUNGEN
K apitel 17
und
18: D as E nde
des
M ärchens
1. Was entdeckt Anna im Wald, wo die Buschwindröschen blühen?
Sie entdeckt die Leiche von Michelle. – Sie entdeckt, wie Fragen und Antworten aus Abels
Märchen zusammenhängen. – Sie versteht einen Teil der Wahrheit, doch wieder hält sie auch
alle darüber hinausgehenden Vermutungen für möglich, sogar wahrscheinlich: Abel könnte
auch Michelle erschossen haben, und Micha könnte in Gefahr sein. „Ich will nicht, dass das
wahr ist. Ich … ich war mir so sicher …“ (S. 419) – Sie begreift: „[…] sie lebte in einer anderen
Welt, und er hatte mit allem recht gehabt. Geh weg, Prinzessin. Lass deinen Outlaw allein.
Du wirst ihn nicht ändern … Geh weg, Anna, weit weg, und komm nie wieder. Das Märchen
geht nicht gut aus.“ (S. 419)
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5. Warum ist Anna sicher, dass Abel niemanden erschossen hat?
Sie möchte, dass er unschuldig ist. – Sie kann Abel nur als Opfer sehen. Als Opfer ist er in
ihren Augen schuldlos, kann nicht gleichzeitig Täter sein.
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
2. Warum hört Anna nicht auf die Stimme ihrer Vernunft?
Sie glaubt an Abels Liebe. – Sie will die ganze Wahrheit kennen. – Es fühlt sich für sie richtig
an, bei Abel zu bleiben.
3. Warum glaubt Abel, mit seinen Taten im Recht zu sein?
Für ihn kommt es nur darauf an, Micha zu beschützen.
4. Welche Lösung gibt es?
a) Anna: Sie glaubt, dass ihre Liebe alles überwinden wird. „Ich bleibe nicht bei dem Mörder
[…]. Ich bleibe nicht bei dem Opfer Abel Tannatek oder dem Täter Abel Tannatek. Ich bleibe
beim Märchenerzähler.“ (S. 432) Sie hat „den Wunsch, sich zu einer unendlich großen, starken Kreatur auszudehnen, die ihn für immer vor allem beschützen konnte“ (S. 433).
b) Abel: Nachdem er sicher sein kann, dass für Micha gut gesorgt ist, erschießt er sich.
Arbeitsblatt 14 – LÖSUNGEN
S eifenblasen
2. Was prägt die Seifenblase, in der Anna ist?
Sie ist geprägt von ihrem Elternhaus, ihren bisherigen Erfahrungen. Anna ist bewusst, dass
sie sich verändern wird. „Wer war sie? Ein Mädchen in einer Seifenblase. Die Tochter von
Magnus und Linda Leemann aus der Fleischervorstadt in Greifswald, aus einem Haus, in
dem die Luft immer blau war. Abiturientin, Musikerin, englisches Au-Pair in spe. Gittas steril abwaschbare kleine Schwester. Nein. Sie war jemand, der noch nicht wusste, wer er sein
würde.“ (S. 88)
3. Beschreibe die Seifenblase, in der Bertil ist.
Seine Seifenblase ist von innen beschlagen: Seine Wahrnehmung ist behindert durch seine
gestörte Emotionalität.
4. Was geschieht mit Annas Seifenblase durch die Begegnung mit Abel?
Die Seifenblase platzt. Anna verliert ihre Naivität / Illusionen. Sie ist konfrontiert mit der
„Außenwelt“, die ihr bisher völlig fremd war. Sie muss ihre gesamte Denkwelt (Ansichten,
Überzeugungen) neu sortieren. Sie ist verwirrt und überfordert. Im Schockzustand reagiert sie
fast paranoid und kann sich selbst und Abel nicht mehr „identifizieren“.
5. „Die Erkenntnis traf Anna wie der Knall eines Schusses: Es sind die anderen, dachte sie, die
in einer Seifenblase leben. Nicht ich.“ (S. 197)
a) Was meint Anna damit?
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1. Was meint das Bild der Seifenblase?
Abgeschirmte (stagnierende) Identität mit eigenen Vorstellungen, geprägt von Lebenswelt,
Beziehungen, subjektiven Erfahrungen; eigene begrenzte Denk- und Beziehungswelt
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Anna fühlt sich den anderen überlegen, denn sie verharren in ihren Vorstellungen und
Vorurteilen. „Es verwunderte Anna selbst, wie sehr sie Gitta mochte und wie wenig Gitta tatsächlich von der Welt wusste, obwohl sie immer so tat. Das Gefühl einer seltsamen Nachsicht
breitete sich in ihr aus […].“ (S. 196 f.)
b) Denkst du, dass Anna zu der Zeit in keiner Seifenblase lebt? Begründe deine Meinung.
Anna hat Illusionen verloren und damit ihre Sicht erweitert, doch sie lebt in neuen Illusionen;
es ist nicht möglich, dass sie alles versteht.
Arbeitsblatt 15 – LÖSUNGEN
U niversen
1. Was meint das Bild des Universums?
Lebenswelt, eigene Erfahrungs- und Denkwelt, in der jemand mit Gleichgesinnten lebt. –
Gesellschaftsschicht, die zu anderen keine Berührungspunkte hat und von ihnen unendlich
weit entfernt scheint. „Wir … Magnus und du und ich … wir leben in einem Universum, in
dem nur wir existieren, und … andere Leute leben in anderen Universen […].“ (S. 71)
3. Warum möchte Anna die Kluft zwischen den Universen überwinden?
Sie liebt Abel und möchte ihm nah sein. – Sie möchte bewusst und ehrlich leben. – Sie sehnt
sich nach echten Gefühlen in authentischer Begegnung. „Sie knüllte das blaue Universum samt
der Mahler-Musik zusammen und schluckte es mit dem letzten Bissen verbrannten AnnaPfannkuchens hinunter, und da hatte sie plötzlich einen so großen Kloß im Hals, dass sie nur
noch schlecht Luft bekam.“ (S. 94)
4. Abel sagt: „Was ist das? Eine Einführung in die bessere Gesellschaft? Pass auf, was du tust.“
Anna entgegnet: „Wir leben nicht im Mittelalter und auch nicht in Indien. Es gibt keine
Kasten.“ (S. 203)
Informiere dich über die Gesellschaftsordnung im Mittelalter. Findest du Parallelen zur heutigen Zeit?
Siehe u. a. Punkt 4.1.1 in dieser Handreichung.
© Oetinger Taschenbuch GmbH, im Vertrieb bei dtv, Hamburg, Dezember 2013
2. „Vielleicht ist es zu ästhetisch.“ (S. 71) Was meint Anna damit?
Das Ambiente wirkt wichtiger als die Beziehungen. Anna empfindet es als zu harmonisch,
unecht, zu privat. Jeder hat sich in seine eigene Innenwelt zurückgezogen; auch die Gefühle
sollen schön sein. „Es ist, als gäbe es einen Filter, womöglich den Garten, und durch diesen
Filter wird das Licht sanft und blau, ehe es ins Haus kommt.“ (S. 71) – Anna empfindet
das Ausblenden der unschönen Außenwelt (Unterschicht) als unehrlich. „Man sieht sie und
denkt: Diese hässlichen Klötze, warum sind sie nicht längst abgerissen? Und dann fährt man
weiter und vergisst sie, weil sie in unserem blauen Universum mit den Rotkehlchen und dem
Rosenbusch nicht existieren. Aber sie existieren. Die Plattenbauten existieren, und die Leute,
die darin wohnen, existieren […].“ (S. 72)
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
Arbeitsblatt 16 – LÖSUNGEN
A nna
und der polnische
K urzwarenhändler
1. Was drücken die Mitschüler mit der Bezeichnung „polnischer Kurzwarenhändler“ aus?
Diskriminierung; Demütigung; Desinteresse; Verachtung
Assoziationen: „fahrendes Volk“, Ausländer, Fremder, Unterschicht
2. Warum ist es Anna wichtig, dass die anderen Abel beim Vornamen nennen?
Sie fordert, dass Abel als gleichwertiger Mensch gesehen wird; dass sie Abel respektieren.
3. Was meint Anna, wenn sie sagt: „Abel, du bist ja wie Linda“ (S. 165)?
Beide sind aufmerksam, sorgend, beschützend, aufopfernd, stehen selbst unauffällig im
Hintergrund. – Sie findet Verbindendes.
4. „Leute wie du suchen sich Leute wie ihn, und später wundern sie sich, was geschieht …“
(S. 340) Was meint Gitta?
Anspielung auf Annas Naivität und illusorischen Idealismus – Anspielung auf Abels
Attraktivität als „böser Bube“. Siehe Punkt 4.2.3 in dieser Handreichung.
Arbeitsblatt 17 – LÖSUNGEN
S chauspieler
Arbeitsblatt 19 – LÖSUNGEN
D as M ärchen
von
A nna
und
A bel
Hier sollte ein Exkurs zu der Erzählform Märchen erfolgen bzw. vorangegangen sein.
Insbesondere die Funktion des Märchens als Mut zusprechende Hilfe beim Erwachsenwerden
und Anleitung zur Emanzipation spiegelt sich im Roman wider.
1. Welche Hinweise findest du darauf, dass der gesamte Roman ein Märchen ist?
Polarität der Hauptfiguren. – Handlungsverlauf mit Kampf, Aufgaben und Lösungen, Sieg. –
Stilmittel Dreizahl: dreifache Warnung „Glaub nicht alles“ (vgl. S. 350) / Dreifachnennung
„schön“ als Anklang an die Warnung in Abels Märchen (vgl. S. 96 f.); „Er hielt ein Glas in
der Hand, und die Farbe der Flüssigkeit in dem Glas war schön, und das Glas war schön, und
seine Hand war schlank und schön.“ (S. 410 f.)
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Mögliche weitere Aufgaben:
• Erstellt in der Gruppe ein gemeinsames Cluster zu den Romanfiguren und ihren Rollen auf
einem großen Plakat.
• Welche Rollen spielst du? (in Familie, Schule, Freundeskreis)
• Welchen Einfluss haben soziale Bindungen (Familienstruktur, Peergroup) auf die Identität?
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
2. Nenne ein Märchen, in dem ein verwunschener Prinz befreit wird. Welche Parallelen zur
Romanhandlung findest du?
z. B. Die Schöne und das Biest; Froschkönig; Schneeweißchen und Rosenrot.
Anna hofft, dass ihre Liebe ihn zum Guten verändert. „Vielleicht kann sich der Seelöwe verwandeln.“ (S. 65) – Annas unbedingte Liebe und Solidarität verändern Abel. „[…] aber hier
gab es keine Gewalt mehr. Er hatte etwas begriffen. Er konnte es. Er konnte zärtlich sein.“
(S. 433) „Er war ein Mensch geworden.“ (S. 441)
Abel braucht Anna, durch sie wird er vom „bösen Zauber“ befreit. „Zu irgendetwas brauchst
du sie […].“ (S. 81) „Er hatte Angst, und er hielt sie nicht fest, er hielt sich an ihr fest, einen
Moment lang war es ihr völlig klar.“ (S. 184 f.) Insgesamt siehe hierzu Punkt 4.3 in dieser
Handreichung.
3. „Sieh du bloß zu, […] dass du nicht versuchst, jemanden aus mir zu machen, der ich nicht
bin.“ (S. 296)
a) Wie sieht Abel sich selbst?
Er sieht sich vor allem als Michas Beschützer. „Es geht nicht um mich. Es ist nie um mich
gegangen.“ (S. 373) „Es geht nicht um mich. Es geht um Micha.“ (S. 430)
b) Wer nennt Abel „Prinz“?
Nur Knaake sagt das. „‚Ein Prinz‘, wiederholte er.“ (S. 384) (Im Textzusammenhang ist neben
der positiven Konnotation „edel“ auch die Andeutung von Inzest möglich.)
5. Wie sieht Anna sich selbst?
Sie sieht sich nicht in der Rolle der Prinzessin, sondern in der des Rosenmädchens, das die
Roseninsel verlassen hat. Sie möchte für Abel als Partnerin wichtig sein. Sie möchte von ihm
geliebt werden, wie er Micha liebt. „Es gibt zu viele Dornen. Ich habe angefangen, sie zu spüren. Wie die kleine Königin …“ (S. 181)
8.Welche Funktion von Märchen findest du auch für den Roman „Der Märchenerzähler“
zutreffend?
Zuspruch von Mut, zu sich selbst zu stehen. – Anleitung zu Emanzipation – Bekräftigung, dass
Liebe alle Widerstände überwindet.
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4. Was meint Abel, wenn er Anna „Prinzessin“ nennt?
Er sagt es bitter und zynisch, betont das trennende gesellschaftliche Gefälle: „Die Prinzessin
und der Outlaw. Der Underdog. Der Paria.“ (S. 406) – Er wirft Anna vor, dass sie sich nur
erbarmt; dass sie ihn verändern will. „Sammelst du Leute, von denen du denkst, dass sie arm
dran sind und man ihnen helfen muss?“ (S. 211) „Geh weg, Prinzessin. Lass deinen Outlaw
allein. Du wirst … du wirst ihn nicht ändern.“ (S. 408)
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
10.Wähle ein Zitat aus dem Text, das für den Roman „Der Märchenerzähler“ ein Motto sein
könnte.
Zum Beispiel: „Alle wussten jetzt alles. Oder wussten alle nichts? Niemand wusste irgendetwas. Niemand wusste alles.“ (S. 445) – „this is the age you are broken or turned into gold“
(S. 7)
Arbeitsblatt 20 – LÖSUNGEN
B allad F or T he Y oung
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Mögliche Aufgaben:
• Fragen zum Gedicht:
–– Wer spricht, und wer wird angesprochen?
–– Welches Thema hat das Gedicht?
–– Wie wirken die Bilder auf dich?
–– Wie passt das Gedicht zum Roman „Der Märchenerzähler“?
–– Hat dir die Lektüre des Romans geholfen, das Gedicht zu verstehen?
• Vertonung des Gedichts „Ballad For The Young“
Antonia Michaelis – Der Märchenerzähler
© Oetinger Taschenbuch GmbH, Hamburg, September 2013
Alle Rechte dieser Ausgabe vorbehalten
Materialien für den Unterricht
Erarbeitet von Christine Hagemann nach dem Buch
„Der Märchenerzähler“ von Antonia Michaelis
© Originalausgabe: Verlag Friedrich Oetinger GmbH, Hamburg 2011
Einband von Kathrin Schüler unter Verwendung eines Fotos von plainpicture / fStop
Gestaltung und Satz: FELSBERG Satz & Layout, Göttingen
www.oetinger-taschenbuch.de
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Christine Hagemann, Jahrgang 1957, studierte Theologie, Philosophie und Pädagogik, mit dem
Schwerpunkt Pädagogische Psychologie, für das Lehramt in Münster. Heute arbeitet sie als
Referentin in der Erwachsenenbildung.