Lawinen und Recht Lawinen und Recht

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Lawinen und Recht Lawinen und Recht
Eidg. Institut für
Schnee- und Lawinenforschung SLF
Lawinen und Recht
Proceedings zum Internationalen Seminar
vom 6.–9. November 2005 in Davos
Lawinen und Recht
Proceedings zum Internationalen Seminar
vom 6.–9. November 2005 in Davos
Redaktion
Jürg Schweizer
Herausgeber
Eidgenössisches Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Davos 2006
Das Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung gehört zur
Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, Birmensdorf
Verantwortlich für die Herausgabe
Dr. Jakob Rhyner, Standortsleiter, Davos
Redaktion
Jürg Schweizer, Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF
Layout
Jacqueline Annen, Eidg. Forschungsanstalt WSL
Druck: Gonzen Druck AG, Bad Ragaz
Zitierung
Schweizer, J. (Red.) 2006: Lawinen und Recht. Proceedings zum Internationalen Seminar vom
6.–9. November 2005. Davos, Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF. 172 S.
Bezugsadresse
Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF
Bibliothek
Flüelastrasse 11
CH-7260 Davos Dorf
E-Mail: [email protected]
Preis: CHF 26.–
© 2006, Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Davos
Umschlag: Gerade noch entwischt (Foto: Archiv LWD Tirol).
Lawinen und Recht
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Introduction
Introduzione
5
7
9
Grusswort
Dr. Giusep Nay
11
Lawinenbildung und Lawinengefahrenbeurteilung – Denken oder Würfeln?
Jürg Schweizer
13
Lawinenprognose
Thomas Stucki
21
Strategische Methoden für den Skitourenfahrer
Michael Larcher
35
Erkannte Gefahr ist halbe Gefahr: Langfristige Lawinenschutzmassnahmen
Stefan Margreth
41
Reduktion des Lawinenrisikos mit temporären Massnahmen
Lukas Stoffel
49
Umgang mit dem Lawinenrisiko auf Touren
Paul Nigg
57
Skilehrer im Spannungsfeld
Harald Riedl
63
Sécurité dans la station de ski
Jean Louis Tuaillon
69
Offenhalten von Verkehrswegen – Lawinendienst Mattertal
Bruno Jelk
77
Siedlungslawinenschutz am Beispiel Davos
Hanspeter Hefti
91
Lawinenunfall = Gerichtsfall?
Jürg Schweizer
95
Rechtliche Situation beim Lawinenunfall
Patrick Bergamin
101
Missions et enjeux: le rôle de l’expert judiciaire en avalanches
Richard Lambert
105
Befundaufnahme beim Lawinenunfall: was soll, was muss erhoben werden?
Rudi Mair
109
Le régime francais de la responsabilité pénale appliquée aux accidents
de montagne et d’avalanche
Anne Manoha
115
Die rechtliche Situation beim Lawinenunfall
Klaus Weber
125
Rechtspraxis bei Lawinenunfällen in Österreich
Andreas Ermacora
135
Lawinenunfall – Die Rechtslage in der Schweiz
Heinz Walter Mathys
139
3
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Sorgfaltspflichten von Sicherheitsverantwortlichen
Workshop 1: Variantenfahren
Workshop 2: Touren
Workshop 3: Schneesportgebiete, -betriebe
Workshop 4: Verkehrswege
Workshop 5: Gemeindelawinendienste
151
155
156
164
168
Referenten und Autoren
172
4
Lawinen und Recht
Einleitung
Jürg Schweizer
Lawinen und Recht sind zwei Bereiche, die nur
wenige Berührungspunkte haben. Einerseits gibt
es kaum rechtliche Grundlagen zu Lawinen, andererseits hat die Justiz nur selten mit Lawinen zu
tun – glücklicherweise. Dennoch ist das Verhältnis
nicht unbelastet, denn aufgrund des Freiraums
entstehen oft Missverständnisse, und die Emotionen gehen hoch. Kommt dazu, dass Juristen auf
der einen und Sicherheitsverantwortliche auf der
anderen Seite nicht die selbe Sprache sprechen
– das hat die Tagung (leider) auch bestätigt. Im
besten Fall kann der Sachverständige oder Gerichtsgutachter zwischen den Welten eine Brücke
schlagen. Ziel der Tagung war daher in erster Linie,
die verschiedenen Welten zusammenzubringen
und das gegenseitige Verständnis zu fördern. Wir
wollten, banal ausgedrückt, die Angst der Sicherheitsverantwortlichen vor der Justiz verringern,
und andererseits bei den Juristen, Richtern und
Staatsanwälten das Verständnis für die Komplexität der Materie und damit verbunden die Unsicherheit bei der lawinentechnischen Beurteilung
fördern. Um dieses Ziel zu erreichen, erachteten
wir es als nützlich, die Situation im ganzen Alpenraum zu betrachten, und das Seminar international auszurichten.
Im Januar 1994, als das SLF erstmals eine ähnliche Veranstaltung durchführte, war die Stimmung
vorgängig alles andere als gut. Zwei folgenschwere Lawinenunfälle (1985 Samnaun, 1988 S-charl)
hatten mit der Verurteilung des jeweils verantwortlichen Bergführers geendet. Die Urteile waren umstritten, vor allem das zweite zum Lawinenunfall
am Monte San Lorenzo im Val S-charl, im Unterengadin. Dabei stand gerade auch das SLF in der
Kritik, einerseits weil das Schweizerische Bundesgericht sich am Lawinenbulletin und dessen Interpretationshilfe orientierte, andererseits weil ein
SLF-Mitarbeiter das Gerichtsgutachten verfasst
hatte, und u.a. nicht darauf hinwies, dass die Gefahrenstufe im Lawinenbulletin nach dem Unfall –
zu Recht oder nicht – von «mässig» auf «erheblich» angehoben wurde. Werner Munter wetterte,
die Überbewertung des Lawinenbulletins habe in
der Schweiz eine unselige Tradition. Nun, das
Ende des geführten Skitourenfahrens, eine Befürchtung der Gegner des Urteils, ist nicht eingetreten. Dazu beigetragen haben wesentliche Fortschritte, einerseits in der Kommunikation zwischen
Touren- und Sicherheitsverantwortlichen und dem
SLF – die damalige Veranstaltung initiiert von SLF-
Institutsleiter Dr. Walter Ammann war der Startschuss dazu, andererseits bei der Ausbildung, der
Lawinenwarnung, und letztlich auch bei der Ausarbeitung der Sachverständigengutachten. Auch
die AG Expertisen bei Bergunfällen hat zur Entkrampfung beigetragen und in Österreich und
Frankreich Nachahmung gefunden. All dies hat,
soweit ich das zu beurteilen vermag, vor allem im
deutschsprachigen Bereich der Schweizer Alpen
zu einer Beruhigung der Situation geführt.
Im Jahre 1999 war bekanntlich ein aussergewöhnliche Lawinenwinter, und von Frankreich bis nach
Österreich kam es zu folgenschweren Lawinenniedergängen. Die drei grössten riefen alle strafrechtliche Untersuchungen nach sich: Montroc
bei Chamonix, Evolène im Wallis und Galtür/Valzur im Tirol. Während der Fall in Frankreich mit
einer Verurteilung endete, wurden in Österreich
die Verantwortlichen frei gesprochen. Das Gerichtsgutachten wurde von zwei SLF Mitarbeitern
verfasst. Der Fall in der Schweiz, Evolène, – das
SLF lehnte es ab, einen Sachverständigen zu delegieren –, wurde nach der Tagung im November
2005 in zweiter Instanz vor dem Walliser Kantonsgericht verhandelt. Da die erstinstanzliche Verurteilung bestätigt wurde, legten die Angeklagten
beim Schweizerischen Bundesgericht Berufung
ein. Der Kassationshof des Bundesgerichtes hat
die Beschwerden Ende August 2006 abgewiesen.
Viele weitere Fast-Unfälle sind im Februar 1999
passiert, an den meisten Orten bewährten sich die
Massnahmen, resp. die Beteiligten hatten Glück,
an wenigen Orten nur gab es Menschenleben zu
beklagen. Zwar gab es in der Folge mehrere Strafuntersuchungen, aber im allgemeinem – wiederum auf die Schweiz bezogen – kam es nicht zu
einer Welle von Verurteilungen, sondern die allermeisten Verfahren wurden eingestellt. Mir sind nur
zwei Fälle bekannt, Leukerbad, wo eine künstlich
ausgelöste Lawine zu erheblichem Sachschaden
führte, und die Verantwortlichen verurteilt wurden,
und eben Evolène.
Im Gegensatz zur Veranstaltung im Jahre 1994,
standen daher aus aktuellem Anlass Fragen zur
Sicherheit von Strassen und Siedlungen mehr im
Vordergrund als das Risikomanagement auf Skitouren. Aber auch im Bereich des Tourenfahrens
sind mit der Entwicklung der strategischen Beurteilungsmethoden (Werner Munter’s Reduktionsmethoden) Fragen nach deren Relevanz im
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Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
gerichtlichen Verfahren aufgetaucht. Dazu beigetragen hat nicht zuletzt das Urteil zum Lawinenunfall im Jamtal (Dezember 1999). Das zivilrechtliche Urteil zum Jamtal-Unfall hatte zudem zur Folge, dass die kommerziellen Veranstalter heute gut
beraten sind, wenn sie über ein Sicherheitskonzept verfügen. Qualitätssicherung ist angesagt.
Nach einführenden Referaten («state-of-the-art»)
zum Thema Lawinen und Risikomanagement, und
grundlegenden rechtlichen Aspekten haben die
Berichte zur rechtlichen Situation bei der Beurteilung von Lawinenunfällen aus Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich und der Schweiz gezeigt,
dass in den Alpenländern doch erhebliche Unterschiede bestehen. In Frankreich hat ein neues
Gesetz zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit zu
etwelcher Verunsicherung geführt, gerade auch
bei den Juristen. In Italien ist die unbeabsichtigte
Lawinenauslösung ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das mit vergleichsweise hohen Strafen (1–5
Jahre Gefängnis) geahndet wird. In den deutschsprachigen Alpenländern Deutschland, Österreich
und der Schweiz ist die Situation am ehesten vergleichbar, wobei in Deutschland bei der gerichtlichen Beurteilung den Verkehrsnormen höhere Bedeutung zukommt als in Österreich und der
Schweiz, wo eher situativ – durchaus unter Berücksichtigung allgemein anerkannter Verhaltensregeln – beurteilt wird.
In den fünf Workshops wurden denn auch die
Sorgfaltspflichten hart diskutiert. Die im Tagungsband zusammengefassten Diskussionen können
daher vereinzelt auch eher singuläre Standpunkte
wiederspiegeln. Als zentraler Knackpunkt erwies
sich in den Workshops die Definition von Standards, oder wie sich herausstellte besser ausge-
6
drückt, von «allgemein anerkannten Verhaltensregeln». So zeigte sich zum Beispiel, dass das, was
zur Zeit in der Skitourenausbildung standardmässig gelehrt wird, nicht automatisch «Standards»
im juristischen Sinne sind – sie sind es erst, wenn
sie in der Praxis schon seit mehreren Jahren angewandt werden. Ein Beispiel: Das Tragen eines
Lawinenverschüttetensuchgeräts auf einer Tour
gilt als Standard, während strategische Beurteilungsmethoden wie die Reduktionsmethode
(noch) nicht als Standard angesehen werden.
Die Tatsache, dass nur wenige Lawinenunfälle
rechtliche Konsequenzen haben, zeigt, dass die
Rechtssprechung angemessen ist und dass die
Sicherheitsverantwortlichen professionell arbeiten. Und genau das erwarten Bewohner und Touristen, und damit die Justiz: Die Verantwortlichen
haben die Lage sorgfältig zu erfassen, zu beurteilen und zu prüfen, ob Massnahmen zur Risikoreduktion nötig sind. Wenn sie ihr Vorgehen zudem gut dokumentieren, haben sie wenig Grund,
sich vor den rechtlichen Folgen zu fürchten, falls
doch einmal ein Schaden eintreten sollte. Die rund
150 Teilnehmenden aus allen Alpenländern sowie
Kanada, Spanien und Polen waren sich weitgehend einig: Wenn sich die Themen «Lawinen» und
«Recht» berühren, bestehen keine unüberwindbaren Gräben. In diesem Sinne hat das Seminar eines seiner primären Ziele – das gegenseitige Verständnis zu fördern – erreicht.
Allen Beteiligten, die zum guten Gelingen des Internationalen Seminars «Lawinen und Recht» und
zur Drucklegung des vorliegenden Tagungsbandes beigetragen haben, möchte ich an dieser Stelle herzliche danken.
Lawinen und Recht
Introduction
Jürg Schweizer
Avalanches et droit sont deux domaines qui se
rencontrent rarement. D’une part, il n’existe quasiment pas de textes législatifs sur les avalanches,
d’autre part la justice doit rarement statuer sur des
avalanches – fort heureusement. Les relations
sont toutefois difficiles car l’espace laissé à l’interprétation suscite souvent des malentendus et
provoque de vives émotions. A cela s’ajoute le fait
que juristes et responsables de la sécurité n’utilisent pas le même langage – ce que la conférence
a – malheureusement – démontré elle aussi. Dans
le meilleur des cas, l’expert judiciaire réussira à
former un pont entre les deux mondes. L’objectif
du séminaire était de ce fait en premier lieu de
rapprocher ces deux mondes différents et d’encourager la compréhension réciproque. Notre
intention était simplement d’apaiser la peur des
responsables de la sécurité face à la justice, et
d’un autre côté de favoriser, chez les juristes, les
juges et les procureurs, la compréhension de la
complexité du sujet et par là même, de l’incertitude
inhérente à l’évaluation des risques d’avalanches.
Afin d’atteindre cet objectif, nous avons estimé
nécessaire d’observer la situation au niveau de
tout l’arc alpin, et de donner une dimension internationale à ce séminaire.
En janvier 1994, lorsque l’ENA organisa pour la
première fois une manifestation similaire, l’atmosphère en arrière-plan était tout sauf bonne. Deux
accidents d’avalanche lourds de conséquences
(1985 Samnaun, 1988 S-charl) avaient entraîné la
condamnation du guide de montagne responsable. Les jugements furent controversés, en particulier le deuxième portant sur l’accident d’avalanche au Monte San Lorenzo dans le Val S-charl, en
Basse-Engadine. L’ENA se retrouva lui aussi sous
le feu de la critique, d’une part parce que le tribunal fédéral suisse s’était appuyé sur le bulletin
d’avalanches et son aide à l’interprétation, d’autre
part parce qu’un collaborateur de l’ENA avait
rédigé l’expertise judiciaire sans avoir précisé,
entre autres, que le niveau de danger dans le bulletin d’avalanches était, suite à l’accident, passé
– à juste titre ou pas – de «limité» à «marqué».
Werner Munter s’indigna, déclarant que la foi excessive dans le bulletin d’avalanches relevait d’une
funeste tradition en Suisse. Finalement, la fin des
randonnées à ski avec guide, crainte émise par
ceux qui contestèrent le jugement, n’eut pas lieu.
Y contribuèrent des progrès substantiels: dans
la communication entre les responsables des
randonnées et de la sécurité d’une part, et l’ENA
d’autre part – le séminaire d’alors, initié par le
directeur de l’ENA, Walter Ammann, en fut le point
de départ; dans la formation, dans la prévision
des avalanches et enfin dans l’élaboration des
rapports d’expertise. Le groupe de travail «Expertises lors d’accidents de montagne» a aussi en
partie désamorcé les tensions et trouvé un écho
en Autriche et en France. Tous ces éléments ont,
pour autant que je puisse en juger, permis d’apaiser la situation, en particulier dans la région
germanophone des Alpes suisses.
L’hiver 1999 est connu pour son nombre exceptionnel d’avalanches. De la France à l’Autriche, on
a assisté à des avalanches aux conséquences
dramatiques. Les trois plus importantes ont été
suivies d’enquêtes pénales: à Montroc près de
Chamonix, Evolène en Valais et Galtür/Valzur au
Tyrol. Tandis que l’action en justice s’est terminée
par une condamnation en France, les responsables ont été acquittés en Autriche. Dans ces deux
cas, l’expertise judiciaire fut rédigée par deux
collaborateurs de l’ENA. Le cas en Suisse à Evolène – pour lequel l’ENA refusa de déléguer un expert
–, fut traité après le séminaire de novembre 2005
en deuxième instance devant le tribunal cantonal
valaisan. Comme la décision de première instance
fut confirmée, les accusés firent appel auprès du
tribunal fédéral suisse. La cour de cassation pénale du tribunal fédéral a rejeté les recours fin août
2006. De nombreux accidents ont pu néanmoins
être évités de peu en février 1999. Les mesures
ont fait leurs preuves dans la plupart des endroits,
puisque rares ont été les accidents mortels, même
si parfois la chance fut du côté des personnes
concernées. Maintes enquêtes pénales ont certes
été lancées par la suite mais en général – de nouveau en ce qui concerne la Suisse – on n’a pas
assisté à une vague de condamnations, la grande
majorité des procédures s’étant au contraire traduite par un non-lieu. Je n’ai connaissance que de
deux cas, celui de Leukerbad où une avalanche
déclenchée artificiellement a causé d’importants
dommages matériels et où les responsables furent
condamnés, et celui d’Evolène.
En raison des sujets d’actualité et contrairement
au séminaire de 1994, les questions sur la sécurité
des routes et des habitations furent discutées plus
intensivement que la gestion des risques lors de
randonnées à ski. Mais dans le domaine des ran-
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Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
données à ski également, l’élaboration de méthodes d’évaluation stratégique (les méthodes de
réduction de Werner Munter) a soulevé des questions sur leur pertinence dans la procédure judiciaire. Le jugement sur l’accident d’avalanche dans
le Jamtal y a particulièrement contribué (décembre
1999). Le jugement en droit civil sur l’accident du
Jamtal a aussi permis qu’aujourd’hui, les organisateurs commerciaux soient bien conseillés lorsqu’ils
disposent d’un concept de sécurité. L’assurance
de la qualité est le maître mot.
actuellement enseigné à propos des standards
dans la formation aux randonnées à ski, ne correspond pas automatiquement à des «standards»
au sens juridique du terme – ils ne le deviennent
que lorsqu’ils sont appliqués dans la pratique depuis plusieurs années. Un exemple: porter un détecteur de victimes d’avalanche dans une randonnée correspond à un standard, tandis que le recours à des méthodes d’évaluation stratégique
comme la méthode de réduction n’est pas (encore) considéré comme tel.
Après des exposés sur l’état des lieux en ce qui
concerne les avalanches et la gestion des risques,
ainsi que sur des aspects juridiques fondamentaux, les présentations sur la situation juridique
lors de l’évaluation d’accidents d’avalanche en
Allemagne, en France, en Italie, en Autriche et en
Suisse, ont montré qu’il existait encore des différences marquées entre les pays alpins. En France,
une nouvelle loi sur la responsabilité pénale a fait
naître des incertitudes, y compris chez les juristes. En Italie, le déclenchement involontaire d’avalanche est un délit de mise en danger abstrait
sanctionné par des peines comparativement élevées (1 à 5 ans d’emprisonnement). Ce sont les
pays alpins germanophones – Allemagne, Autriche,
Suisse – qui offrent la situation la plus similaire.
Toutefois, en Allemagne, les normes ont plus de
poids dans le jugement qu’en Autriche ou en Suisse où celui-ci repose plus sur du cas par cas – les
règles de comportement généralement reconnues
sont alors largement prises en considération.
Les cinq groupes de travail ont également été le
théâtre de vives discussions sur le devoir de diligence. Les discussions, résumées dans les actes
du séminaire, reflètent ainsi parfois des avis plutôt
singuliers. Le principal point d’achoppement dans
les groupes de travail fut la définition des standards, ou comme cela a été mieux formulé, de
«règles de comportement généralement reconnues». Il est apparu par exemple que ce qui est
Le fait que seuls quelques accidents d’avalanche
entraînent des conséquences juridiques, démontre que la jurisprudence est appropriée et que les
responsables de la sécurité travaillent avec professionnalisme. Et c’est exactement ce qu’attendent les habitants et les touristes et par là même
la justice: les responsables doivent dresser un
état minutieux de la situation puis l’évaluer, et
contrôler si des mesures de réduction des risques
sont nécessaires. De plus, s’ils documentent
consciencieusement leur façon de procéder, ils
n’ont guère de raisons de craindre des conséquences juridiques si un dommage devait malgré
tout survenir. Les quelque 150 participants originaires de l’ensemble des pays alpins, ainsi que du
Canada, d’Espagne et de Pologne, se sont largement accordés sur un point: lorsque les thèmes
«avalanches» et «droit» se rencontrent, il n’y a
aucun fossé infranchissable. Dans ce sens, le séminaire a atteint l’un de ses principaux objectifs:
encourager la compréhension réciproque.
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Je tiens à remercier chaleureusement à cette
occasion tous ceux qui ont fait de ce séminaire
international «Avalanches et droit» un succès et
ont aidé à l’impression des actes du séminaire.
Traduction: Jenny Sigot
Lawinen und Recht
Introduzione
Jürg Schweizer
Le valanghe e il diritto sono due campi che apparentemente hanno poche affinità. Da un lato esistono relativamente poche basi giuridiche che
fanno riferimento ad il tema delle valanghe, d’altra
parte la giustizia, fortunatamente, solo raramente
è confronta con la tematica delle valanghe. Tuttavia i rapporti le tra questi settori non sono esenti
da conflitti, in quanto a seguito delle zone d’ombra
che in questa materia inevitabilmente esistono,
spesso possono sorgere dei malintesi e la componente emozionale può prendere il sopravvento.
Inoltre bisogna considerare che, come (purtroppo) confermato anche dal convegno, i giuristi da
un lato ed i responsabili della sicurezza dall’altro
lato, di frequente non parlano la stesso linguaggio.
Nel migliore dei casi il perito della giustizia puo’
creare un ponte tra questi diversi ambiti. Obiettivo
principale del convegno era quindi quello di
radunare questi diversi settori, allo scopo di incoraggiare la comprensione reciproca. Espresso in
modo banale, il nostro intendimento era quello di
attenuare la paura dei responsabili degli addetti
della sicurezza verso la giustizia e, d’altra parte, di
offrire a giuristi, giudici o avvocati un’occasione
per meglio conoscere una materia – quella dei
provvedimenti tecnici connessi alla protezione
delle valanghe – estremamente complessa e inevitabilmente legata a dei fattori di incertezza. Per
raggiungere questo obiettivo ci è sembrato utile
esaminare la situazione a livello di intero arco
alpino, organizzando quindi un convegno aperto
ad una partecipazione internazionale.
Nel gennaio del 1994, allorquando lo SNV (l’Istituto federale svizzero per lo Studio della Neve e delle Valanghe) organizzò un convegno dai contenuti
simili, l’atmosfera che precedentemente regnava
in questo ambito era tutt’altro che tranquilla. Due
gravi incidenti valanghivi con esiti gravi (1985 a
Samnaun e 1988 a S-charl) si erano risolti con la
condanna delle guide alpine responsabili della
sicurezza. Le relative sentenze furono oggetto di
diatribe, specialmente nel caso di un incidente
avvenuto nella Bassa Engadina, sul Monte San
Lorenzo nella valle di S-charl. In questa vicenda
anche l’SNV fu sottoposto a forti critiche: da un
lato in quanto il giudice del Tribunale Federale
svizzero fece riferimento al bollettino sulle valanghe e ai relativi criteri di definizione ed interpretazione, d’altra parte un collaboratore dell’SNV venne
chiamato a produrre una perizia per il tribunale e,
tra le altre cose, non fece riferimento al fatto che le
scale di pericolo delle valanghe, dopo l’incidente
– a ragione o a torto – venne aumentato dal grado
«moderato» al grado «marcato». Werner Munter,
una guida alpina, tuonò che la sovravalutazione
del bollettino delle valanghe in Svizzera rappresenta una triste tradizione. Comunque, alla fine
della gita sciistica, gli argomenti della controparte
che avversavano la sentenza sono stati dichiarati
come irricevibili. Un contributo essenziale in questo senso con sostanziali progressi è dovuto da
un lato al miglioramento della comunicazione tra i
responsabili delle gite escursionistiche e degli addetti alla sicurezza e dell’istituto SNV che, sotto
l’impulso iniziale del responsabile dell’istituto Dottor Walter Amman, organizzò quel convegno nel
1994. Inoltre venne pure migliorata la formazione,
la prevenzione delle valanghe e anche il procedura
per l’elaborazione delle perizie oggettive. Anche il
gruppo di esperti creato in Svizzera per occuparsi
del tema delle perizie nel caso di incidenti in montagna ha contribuito a ridurre le tensioni ed è stato
preso a modello anche in Austria e in Francia. Tutti
questi fattori, per quanto l’autore è in grado di
valutare, hanno permesso, specialmente nei paesi
alpini di lingua tedesca, di rasserenare la situazione.
L’anno 1999 è notoriamente stato un anno di valanghe eccezionale, dalla Francia all’Austria, si
sono registrate numerose valanghe con conseguenze assai gravi. Le tre maggiori di esse hanno
tutte portato all’istruzione di cause a livello giuridico: Montroc nella regione di Chamonix, Evolène in
Vallese e a Galtür / Valzur nel Tirolo. Mentre l’evento francese si concluse con la condanna dei
responsabili, in Austria i responsabili vennero giudicati come innocenti. Entrambe le perizie vennero redatte da collaboratori dell’Istituto SNV. Nel
caso svizzero di Evolène, lo stesso istituto SNV si
rifiutò di redigere la perizia, delegandola ad altri.
Dopo il convegno del Novembre 2005 il caso venne
trattato in seconda istanza dal tribunale cantonale
Vallesano: la decisione della prima istanza venne
contestata dalla parte imputata e fu oggetto di
ricorsi presso il Tribunale Federale Svizzero. La
corte di cassazione penale del Tribunale Federale
bocciarono i ricorsi alla fine di Agosto 2006. Numerosi altri «quasi incidenti» accaduti nel febbraio
1999 nella maggior parte dei casi i provvedimenti
presi ebbero successo e le persone coinvolte ebbero la fortuna dalla loro parte in quanto raramente pochi casi ebbero epilogo con perdite di vite
umane. Vi furono comunque numerose inchieste
penali, anche se pure in questo caso prendendo in
9
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
esame unicamente la situazione svizzera, non vi fu
un’ondata di condanne in quanto nella maggior
parte dei casi i procedimenti in corso vennero
abbandonati A conoscenza dell’autore vi sono solamente due casi, Evolène e quello di Leukerbad,
nel quale una valanga fatta scendere artificialmente provocò dei danni materiali considerevoli e dove
i responsabili vennero condannati.
Contrariamente al convegno organizzato nel 1994,
in quello qui illustrato dai presenti atti, vennero
maggiormente considerati le questioni attuali relative alla messa in sicurezza di strade ed insediamenti abitati, che non la questione della gestione
del rischio durante le escursioni con gli sci. Tuttavia, anche nel campo delle gite in montagna con lo
sviluppo dei metodi di valutazione del rischio di
tipo strategico (metodologia di riduzione elaborata da Werner Munter) sono comunque emerse
questioni rilevanti dal profilo giuridico. A questa
situazione hanno peraltro contribuito anche la
sentenza sull’incidente provocato da una valanga
nella Jamtal del Dicembre 1999. La sentenza di
diritto civile nel caso della Jamtal ha avuto quale
effetto che chi organizza queste gite a scopo commerciale oggi viene molto meglio consigliato che
in passato, potendo predisporre di concetti sulla
sicurezza. Il tema in questo caso è quello della
garanzia della qualità dei servizi offerti.
Dopo una presentazione introduttiva sullo stato
delle conoscenze («state-of-the-art») in materia di
valanghe e delle problematiche legate alla gestione del rischio, sulle basi legali attualmente esistenti, vi sono state comunicazioni dedicate ad
aspetti giuridici rilevanti considerati nell’esame di
casi di sinistri provocati da valanghe in Germania,
Francia, Italia, Austria e Svizzera. Questa serie di
comunicazioni ha evidenziato come, tra i diversi
paesi alpini, vi siano differenze considerevoli. In
Francia la nuova legislazione sulla responsabilità
penale ha condotto a una situazione di maggiore
incertezza, anche tra i giuristi. In Italia chi provoca
il distacco non intenzionale di una valanga viene
giudicato per reato di pericolo astratto che che
puo’ implicare condanne da 1 a 5 anni di detenzione. Nei Paesi di lingua tedesca Germania, Austria
e Svizzera la situazione è maggiormente comparabile, anche se in Germania, nel caso di decisioni
del giudice, le norme hanno un’importanza maggiore che non in Austria o in Svizzera dove le sentenze hanno carattere piuttosto situativo, trattandosi di considerare in modo piuttosto generale, le
regole di comportamento riconosciute ed ammissibili.
Nell’ambito dei cinque workshops sono stati
comunque discussi anche il tema del dovere di
diligenza. I risultati delle discussioni sono stati
riassunti negli atti del convegno, anche se essi
non sono assolutamente oggettivi, ma possono
essere considerati alla stregua di punti di vista di
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singoli casi specifici. Il punto centrale maggiormente controverso è soprattutto quello trattato
nei gruppi di discussione dedicati alla definizione
di standard, ovvero quello delle «regole di comportamento di validità generale». In questo caso,
ad esempio, ciò che viene oggi considerato una
formazione standard in materia di valanghe, non
viene automaticamente assimilato a uno «standard» in senso giuridico. Comunque può assumere tale carattere unicamente quando esso è stato
utilizzato a fini pratici e quindi sperimentato da
diversi anni. Un esempio: il portare con se un strumento per la ricerca di persone sotterrate da valanghe durante una gita sciistica viene considerato
come standard, mentre i metodi di valutazione di
tipo strategico per la prevenzione e valutazione
dei rischi, non sono (ancora) automaticamente
considerati come degli standard.
Il fatto che relativamente pochi incidenti di valanghe hanno conseguenze a livello giuridico mostra
che il diritto può essere considerato come adeguato e che i responsabili della sicurezza in generale lavorano in modo ineccepibile dal punto di
vista professionale. Questo è esattamente ciò che
gli abitanti delle zone a rischio ed i turisti che le
frequentano si aspettano ed è ciò che la giustizia
considera come importante: i responsabili devono essere in grado di considerare in modo accurato la situazione, di valutare i rischi e di verificare
dove dei provvedimenti per ridurre gli stessi sono
necessari. Se essi sono inoltre in grado di documentare in modo assolutamente riproducibile il
procedimento, in genere hanno pochi motivi per
temere conseguenze a livello giuridico, nel caso in
cui dovessero essere oggetto di denunce. Gli oltre
150 partecipanti provenienti da tutti i paesi alpini
oltre che dal Canada, dalla Spagna e dalla Polonia
erano in genere unanimi: quando i temi «valanghe
e diritto» si incontrano, non vi sono necessariamente dei fossati invalicabili. In questo senso il
convegno ha pertanto centrato uno dei suoi obiettivi primari, quello di migliorare la comprensione
tra le diverse parti.
In questo contesto desideriamo ringraziare sentitamente tutti quelli che hanno contribuito alla
riuscita del convegno «valanghe e diritto» e alla
pubblicazione dei relativi atti.
Traduzione: Fulvio Giudici
Lawinen und Recht
Der Präsident
Korrespondenznummer 9.6.14
Internationales Seminar Lawinen und Recht
Grusswort von Bundesgerichtspräsident Dr. Giusep Nay
Sehr geehrter Herr Direktor Ammann
Meine sehr verehrten Damen und Herren
Nur zu gerne hätte ich Ihnen persönlich meine und die Grüsse des Schweizerischen
Bundesgerichts überbracht, doch ist dies wegen einer kurzfristig aufgetreten Termin−
kollision leider nicht möglich.
Ich bereue dies umso mehr, als ich das Lawinenforum 1994 des SLF noch in bester
Erinnerung habe, mit seinen interessanten Diskussionen unter Juristen und Schnee−
und Lawinenexperten, ja gar unter Richtern und Verantwortlichen für die Lawinensicher−
heit, die mit Strafverfahren konfrontiert waren. Diese direkten Kontakte waren für mich
bei der Beurteilung von Lawinenunfällen stets eine wertvolle Erfahrung und Hilfe.
Juristen beschäftigen sich mit Lawinen vornehmlich dann, wenn ein Unfall passiert ist
und es darum geht, allfällige zivil− und strafrechtliche Verantwortlichkeiten zu klären.
Wie Ihnen sicher auch schon aufgefallen ist, verstehen Juristen allerdings von der Mate−
rie, mit der sie sich, sei es als Anwalt oder in meinem Fall als Mitglied des Bundes−
gerichts, beruflich beschäftigen müssen, letztlich herzlich wenig. Das ist aber nicht nur in
diesem Bereich so. So müssen sie etwa, ohne über medizinische Fachkenntnisse zu
verfügen, beurteilen, ob ein Arzt nach einer missglückten Operation zivilrechtlich oder
strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann oder nicht. Die Juristen sind
daher auf die in den Prozessrechten vorgesehenen Sachverständigengutachten ange−
wiesen.
Jede rechtliche Beurteilung menschlichen Verhaltens steht und fällt mit der möglichst
präzisen Feststellung des Sachverhalts. Die rechtliche Beurteilung ist das Kerngeschäft
der Juristen. Die Feststellung des Sachverhalts können und müssen sie bei den ge−
11
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
wöhnlichen Lebensvorgängen alleine, ohne Beizug von Fachleuten, selber vornehmen.
Lawinenniedergänge sind hingegen − das ist auch den Richtern und Juristen bewusst −
höchst komplexe Ereignisse, die nicht nachzuvollziehen sind ohne Rückgriff auf Fach−
wissen, wie es und bei Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, vorhanden ist
und am SLF seit langem in kompetentester Weise erarbeitet, vermehrt und vermittelt
wird. Ohne Fachleute, die in der Lage sind, konkrete Aussagen zu den Ursachen eines
Lawinenniedergangs und dessen Vorhersehbarkeit zu machen sowie gegebenenfalls das
Verhalten der Betroffenen unter alpinistischen Gesichtspunkten zu beurteilen, ist eine
juristische Klärung allfälliger Verantwortlichkeiten schlechterdings ausgeschlossen.
Entscheidend für eine erfolgreiche juristische Aufarbeitung eines Lawinenunfalles, mit
welcher allfällige Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen oder entlastet werden
können und, was mir persönlich noch wichtiger erscheint, ein Beitrag zur Vermeidung
künftiger Unfälle geleistet werden kann, ist dabei die gute Zusammenarbeit zwischen
den lawinenkundlichen, alpinistischen und weiteren Experten und den Juristen. Beide
Seiten müssen sich dabei, was keineswegs immer einfach ist, strikt an ihre Aufgabe
halten: erstere haben − und dies ausschliesslich − die Fakten zu liefern, letztere haben
diese unter zivil− und/oder strafrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen.
Ich danke dem SLF herzlich, dass es dieses Internationale Seminar durchführt, an
welchem, wie ich sehe, auch die Aufgaben des gerichtlichen Experten thematisiert sind.
Ihre Arbeiten und vor allem der internationale Meinungsaustausch werden gewiss einen
grossen Beitrag zur Vertiefung des ganzen Wissens und u.a. auch des Verständnisses
der Rollenverteilung zwischen Gericht und Fachleuten leisten.
So wünsche ich Ihnen eine interessante, erspriessliche und angenehme Tagung im
vorwinterlichen Davos.
Lausanne, 3. November 2005
12
Lawinen und Recht
Lawinenbildung und Lawinengefahrenbeurteilung –
Denken oder Würfeln?
Jürg Schweizer
1
Einleitung
Lawinen sind eine der bedeutendsten Naturgefahren im Alpenraum. Sie zählen zu den Massenbewegungen und sind eine meteorologisch bedingte
Naturgefahr. Bis heute sind Lawinen die einzige
Naturgefahr – neben den rein meteorologischen
Phänomenen Sturm und Starkniederschlag – vor
der systematisch gewarnt wird. Seit 1945 gibt es
in der Schweiz ein Lawinenbulletin. Entsprechend
hat die Lawinenwarnung heute einen hohen Stand
erreicht. Lawinenprognosen warnen Bewohner,
Touristen und Benutzer von Verkehrswegen heute
zuverlässig vor der herrschenden Lawinengefahr.
«Vorhersage der Lawinengefahr für Mittwoch,
ganzes Gebiet der Schweizer Alpen: Mässige Lawinengefahr.» Was heisst das nun, mässig? Wo
und wann, unter welchen Bedingungen treten
demnach Lawinen auf? Diese Frage können im
Detail auch die erfahrensten Lawinenexperten
(noch?) nicht beantworten.
Mässige Lawinengefahr heisst, dass in einer bestimmten Region eine mittlere Wahrscheinlichkeit
besteht, dass Schneesportler eine Lawine auslösen können. Die Frage nach dem genauen Ort und
Zeitpunkt bleibt aber unbeantwortet. Grund dafür
ist, dass Lawinen im Grunde genommen seltene
Ereignisse sind und nur unter sehr bestimmten lokalen Bedingungen auftreten. Diese Bedingungen
hängen vor allem vom Wetter und der Witterung
ab. Das Wetter kann aber kleinräumig, und darauf
kommt es an, sehr unterschiedlich sein. Diese lokalen Launen der Natur haben auch die allerbesten Wettermodelle nicht im Griff. Zudem ist nicht
allein das aktuelle Wetter entscheidend, sondern
die ganze Wetterentwicklung des Winters – gespeichert im Schneedeckenaufbau.
2
Schneebrettauslösung
Lockerschneelawinen sind meist harmlos, können
aber zum Tod durch Mitreissen und nachfolgenden Absturz führen. Die Hauptgefahr stellen in den
meisten Situationen trockene Schneebrettlawinen
dar. Dabei zerbricht in Sekunden eine ganze
Schneetafel, bestehend aus Neuschnee oder
Triebschnee, häufig zusammen mit Altschneeschichten, und gleitet auf einmal als Ganzes ab.
Dadurch ist ein Entkommen für Schneesportler
schwierig.
Für eine Schneebrettlawine aus trockenem Schnee
braucht es einige notwendige Zutaten:
1. Steiles Gelände (steiler als ca. 30 Grad),
2. Eine bestimmte Schichtung der Schneedecke,
nämlich eine Schwachschicht oder ein schwacher Schichtübergang unter einer mindestens
teilweise leicht gebundenen Schneeschicht
(dem sogenannten Schneebrett),
3. Ein Vorkommen dieser Schichtung über eine
grössere Fläche (einige 10 – 100 m2),
4. Ein annähernd kritisches Gleichgewicht zwischen Spannungen und Festigkeiten in der
Schwachschicht oder an der Schichtgrenze
unterhalb dem Schneebrett (zuweilen als metastabiler Zustand bezeichnet),
5. Ein auslösendes Moment (meist in der Form
einer äusseren Störung, typischerweise ein
Schneesportler oder ein bedeutender Neuschneezuwachs), und schliesslich
6. Eine Neigung der Schneedecke zur Bruchausbreitung.
Neben den Gelände ist es also vor allem die
Schichtung der Schneedecke und deren Ausbreitung (Stichwort flächige Variabilität) die entscheidend sind. Die Schneebrettlawine ist ein Bruchprozess, der im Kleinen beginnt. Bei natürlichen
(oder spontanen) Lawinen kann er einige Zeit dauern, aber schliesslich in wenigen Sekunden ganze
Geländeteile erfassten. Diese Vielfalt der Skalen,
örtlich und zeitlich, stellt eine der grössten Herausforderungen dar für die realistische, physikalisch basierte Modellierung der Schneebrettauslösung.
Was passiert genau, bevor eine Schneebrettlawine spontan abgleitet? In der schwachen Schicht
oder an der schwachen Schichtgrenze kommt es
lokal unter Scherbelastung am Hang zu einem
Schädigungsprozess.
Bindungen
zwischen
Schneekörnern brechen häufiger und schneller,
als sich neue wieder bilden können. Hat sich eine
genügend grosse Bruchfläche – der Initialbruch –
gebildet, so kommt es zur sekundenschnellen
Bruchausbreitung (Scherbruch allenfalls kombinierter Scher- und Druckbruch) und schliesslich
nach dem Zugriss zum Abgleiten des Schneebrettes. Zwei Prozesse sind also wesentlich: erstens
die Bruchbildung, zweitens die Bruchausbreitung.
Festigkeit und Bruchzähigkeit sind daher zwei
wichtige Schlüsselgrössen. Der Vorgang der Lawinenauslösung umfasst also vom Schneekristall
13
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
(Zehntelmillimeter) bis zum Lawinenhang (100 m)
viele Grössenordnungen, die gleichzeitig zu untersuchen praktisch unmöglich ist.
Schneesportler initiieren direkt durch ihre dynamische Zusatzbelastung einen Initialbruch – besonders anschaulich zeigen dies die sogenannten
Wummgeräusche, die als Alarmzeichen gelten.
Die Wirkung des Schneesportlers auf die Schneedecke hängt vom Schichtaufbau ab und nimmt
generell mit der Tiefe rasch ab. Daher ist zum Beispiel ein Auslösung an eher schneearmen Stellen
oder beim Übergang von Rinnen zu Mulden wahrscheinlicher als an Orten, wo die Schneedecke
mächtig ist. Dort befinden sich allfällige Schwachschichten verhältnismässig weiter unten in der
Schneedecke, wo der Einfluss der Schneesportler
geringer ist.
Die typische Skifahrerlawine (oder generell die
von Personen ausgelöste trockene Schneebrettlawine) ist ca. 50 m breit und 150 m lang, wobei
die Länge der abgeglittenen Schneetafel ca. 80 m
ist. Die Anrisshöhe beträgt ca. 50 cm und das
Anrissgebiet (steilste Hangpartie) ist ca. 38 bis
39 Grad geneigt. Bei einer mittleren Dichte von ca.
200 kg / m3 werden im Mittel somit bei einer typische Skifahrerlawine ca. 320 Tonnen Schnee
umgelagert. Am häufigsten, nämlich in fast drei
Viertel aller Fälle, werden Skifahrerlawinen in
Nordost-, Nord- Nordwest und Osthängen ausgelöst, und zwar vor allem in kammnahen Mulden
und Rinnen.
3
Lawinenbildung und Gefahrenbeurteilung
Die Lawinenbildung lässt sich grundsätzlich von
zwei Seiten angehen. Einerseits über den Weg der
sogenannten lawinenbildenden Faktoren (Gelän-
Bruchbildung
Schädigungsprozess
(mm – cm)
de, Niederschlag, Wind, Temperatur und Strahlung und Schneedeckenaufbau), andererseits
über die Mechanik der Lawinenauslösung. Der erste Weg führt zu relativen Aussagen über die Auslösewahrscheinlichkeit und wird erfolgreich von
allen Lawinenwarndiensten begangen. Er ist der
einzig praktikable Weg zur Lawinenbeurteilung,
auch für den Schneesportler. Der zweite Weg führt
theoretisch direkt zur Prognose der Stabilität im
Einzelhang – ein Weg mit vielen Hindernissen und
bescheidenen Fortschritten – der Weg, den die
Forschung zu gehen versucht.
Niederschlag, Wind, Temperatur und Strahlung
sind relativ einfach zu messen und bewirken alle in
erster Linie eine Zunahme der Belastung. Entscheidend ist aber meist, wie die Schneedecke
beschaffen ist, ob es Schwachstellen gibt. Die
Schneedecke ist aber die grosse Unbekannte. Nur
indirekt bekommen wir Informationen geliefert
über die Instabilität der Schneedecke, zum Beispiel über Alarmzeichen (Wummgeräusche, Risse,
frische Lawinen). Zusätzlich können mit Schneedeckenuntersuchungen aktiv Informationen zum
Schneedeckenaufbau gesucht werden. Dabei
interessieren vor allem die Fragen: Hat es
Schwachschichten oder kritische Schichtübergänge, und wenn ja, wie kritisch und wie verbreitet
sind diese? Es gibt einige einfachen Regeln, die
Rückschlüsse erlauben auf die Instabilität der
Schneedecke. Dabei betrachtet man vor allem
Korngrösse und Härte und deren Unterschiede
von Schicht zu Schicht. Voraussetzung für eine
Schneebrettlawine sind nämlich Diskontinuitäten.
Je ausgeprägter die vertikale Schichtung, um so
wahrscheinlicher ist die Lawinenbildung.
Während vertikale Unterschiede die Lawinenbildung begünstigen, beeinträchtigen sie horizontale
Unterschiede. Die flächige Variabilität der Schneedecke beeinflusst die Lawinenbildung ganz entscheidend und erschwert die Gefahrenbeurtei-
Lawinenauslösung
Bruchlokalisation
(cm – dm)
Bruchausbreitung
(dm – 10 m)
Abgleiten der Lawine
(10 – 100 m)
Sprengung
Schneesportler
Abb. 1: Schematische Darstellung der Prozesse, die zur Lawinenauslösung führen.
14
Lawinen und Recht
lung. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass die Schneedecke aber nicht völlig
chaotisch ist, sondern dass die Variationen eine
räumlichen Bezug haben und recht oft auch ausgeprägte Muster existieren. Dabei gilt es zu beachten, dass Variationen auf verschiedenen Skalen (Region, Einzugsgebiet, Hang, Schneedecke,
Schneeschicht, Schneekorn) existieren, die unterschiedliche Gründe und für die Lawinenbildung
unterschiedliche Konsequenzen haben können.
So sind kleinräumige Variationen (10 cm), die
durch den Wind entstehen, eher ungünstig für die
Lawinenbildung, während Variationen auf der
Skala 10 bis 100 m dazu führen können, dass im
selben Hang, zum Beispiel mehr zum Rand hin
eine Auslösung möglich ist, während die Auslösung mehr in der Mitte des Hanges wesentlich
weniger wahrscheinlich ist. Theoretisch liesse sich
durch gezielte Beobachtung der Schneeoberfläche die Variabilität abschätzen, wobei allerdings
Änderungen, sozusagen in letzter Minute vor dem
Einschneien zu wesentlichen Unsicherheiten füh-
ren können. Grundsätzlich gilt aber: Die Schneeoberfläche von heute ist die potentielle Schwachschicht von morgen. Während die Entstehung von
Schwachschichten an der Schneeoberfläche häufig recht uniform ist, ist deren Zerstörung vor allem
durch den Wind stark von Zufälligkeiten beeinflusst. Der Wind verursacht ganz klar die grössten
und unberechenbarsten Schneedeckenvariationen. Gefahrenbeurteilung heisst vor allem, in der
grossen Vielfalt Muster zu suchen.
4
Vorhersehbarkeit
Neben dieser grossen Vielfalt gibt es eine beständige Grösse: das Gelände. Lawinen brechen denn
auch immer wieder – trotz stets anderer Bedingungen – an den selben Orten an. Nur deshalb ist
es überhaupt möglich und sinnvoll, Schutzbauten
zu erstellen. Daraus folgt, dass insbesondere
Grosslawinen weitgehend voraussehbar sind, da
nämlich kaum einmal eine derartige Lawine aus-
Abb. 2: Typische Skifahrerlawine, die von den
Hang querenden Skifahrern ausgelöst wurde.
Bei einer Schneebrettlawine gleitet eine ganze
Schneetafel ab. Die
markante Anrissstirn
entsteht durch den
Zugriss, aber erst
nachdem sich unterhalb
der Schneetafel der
primäre Scherriss
ausgebreitet hat. Bei
einer derartigen Skifahrerlawine kommen
häufig mehrere Hundert
Tonnen Schnee in
Bewegung.
15
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Abb. 3: Durchscheinendes
Profil am Lawinenanriss
der in Abb. 1 gezeigten
Schneebrettlawine. Unter
dem rund 40 cm dicken
Schneebrett erscheint hell
und luftig die Schwachschicht, in der der Bruch
erfolgte.
Abb. 4: Nahaufnahme der
Schwachschicht: eingeschneiter Oberflächenreif.
Zwischen einer feinkörnigen Neuschneeschicht
(oben) und einer grobkörnigen Altschneeschicht
(unten) sind die filigranen,
ca. 1 cm grossen Oberflächenreifkristalle gut
erkennbar.
16
Lawinen und Recht
Abb. 5: Während der Rücken im Vordergrund abgeblasen oder zumindest sehr rauh und variabel ist, sehen die meisten Hänge sehr homogen aus. Nicht zuletzt deshalb ist der Aufstieg über Rücken sicherer als durch Mulden. Auf den
Rücken können sich nämlich meist keine zusammenhängenden Schwachschichten bilden.
serhalb eines bekannten Lawinenzuges zu Unzeiten niedergeht. Überraschungen sind aber nicht
ausgeschlossen, und der genaue Zeitpunkt ist
nicht vorhersehbar, ebenso wenig wie das genaue
Ausmass im Auslaufgebiet.
Bei den von Schneesportlern ausgelösten Lawinen ist die Situation etwas komplizierter, da
Schneesportler sehr verschiedenes Gelände befahren. Dadurch wird auch der Ort der Auslösung
zunehmend von Zufälligkeiten bestimmt, die nicht
vorhersehbar sind. Auch für von Schneesportlern
ausgelöste Lawinen gilt, dass voraussehbar ist, in
welchem Gelände Lawinen grundsätzlich möglich
sind. Zeiten erhöhter Auslösewahrscheinlichkeit
lassen sich ebenfalls recht zuverlässig prognostizieren, wobei auch bei erhöhter Auslösewahrscheinlichkeit und damit erhöhter regionaler Lawinengefahr die Auslösewahrscheinlichkeit in einem
bestimmten Einzelhang relativ gering sein kann.
Schwierig wird die Beurteilung für Schneesportler
bei mittlerer Auslösewahrscheinlichkeit, die zudem über längere Zeit andauern kann. In solchen
Situationen erhöhter Unsicherheit kommt dem defensiven Verhalten bei der Risikoreduktion besondere Bedeutung zu. Besonders wesentlich wird
die Frage, wie gross Lawinen werden können. Bei
der Beantwortung können Kenntnisse über den
Schneedeckenaufbau helfen. Letztlich ist es aber
aufgrund der Schneedeckenvariabilität nicht möglich, den genauen Ort und Zeitpunkt der Auslösung
zu prognostizieren.
5
Schluss
70 Jahre Lawinenforschung haben zwar viele Geheimnisse gelüftet, aber der genaue Ort und Zeitpunkt eines Lawinenabganges lassen sich auch
heute nicht vorhersagen. Wohl aber zu einem bestimmten Grade das Gelände, wo Lawinen zu erwarten sind, und die Zeit. Es gibt ganz klar Lawinenzeiten, in denen die Wahrscheinlichkeit einer
Auslösung grösser und daher eher mit Lawinen zu
rechnen ist. Auf diesen Tatsachen beruht unter
anderem die Lawinenwarnung. Wäre die Lawinengefahr nicht zu einem gewissen Grade voraussehbar, so wäre die Zahl der Lawinenopfer auf Verkehrswegen und in Siedlungen nicht verhältnismässig gering – Zeugnis der hohen Professionalität der Sicherheitsverantwortlichen.
Gefahrenbeurteilung heisst im Wesentlichen Muster
erkennen – auf verschiedenen Skalen. Die Muster
17
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
haben ursächliche (z. T. erkennbare) Komponenten
und zufällige (nicht erkennbare) Komponenten,
und die Mischung kann variieren. Dadurch spielen
auch Zufälligkeiten eine wesentliche Rolle, aber
Lawinenprognosen oder generell Lawinengefahrenbeurteilungen durch erfahrene Sicherheitsverantwortliche – deren Trefferquote auch schon mit
derjenigen von Bauernregeln verglichen wurde –
sind zuverlässiger als Würfeln. Denken oder Würfeln? Sowohl als auch: Beobachten und Kombinieren mit dem Erfahrungsschatz (Denken) und
Berücksichtigen der Unsicherheiten (Zufälligkeiten, d. h. Würfeln) sind Voraussetzungen für eine
risikobasierte Entscheidungsfindung.
Dr. Jürg Schweizer studierte Umweltphysik an der ETH
Zürich und promovierte in Glaziologie. Seit 1990 ist er
wissenschaftlicher Mitarbeiter am SLF mit Spezialgebiet Lawinenbildung. Er ist verantwortlich für die
Lawinenausbildung von Lawinensachverständigen (IFKIS) und hat in den letzten 10 Jahren in über 20 Fällen
Gerichtsgutachten zu Lawinenunfällen verfasst.
Résumé: Formation des avalanches
et évaluation du danger – Réflexion ou
coup de dés?
Les avalanches constituent une des principales sources de danger naturel dans l’espace alpin. Elles font
partie des mouvements de masse et dépendent des
conditions météorologiques. Jusqu’à l’heure actuelle,
les avalanches sont le seul danger naturel – à côté des
phénomènes purement météorologiques que sont les
tempêtes et les fortes précipitations – qui font l’objet de
mises en garde systématiques. Depuis 1945, la Suisse
diffuse un bulletin d’avalanches. Grâce à ce travail, les
prévisions d’avalanches ont atteint aujourd’hui un
niveau élevé de qualité. Elles mettent en garde les habitants, les touristes et les usagers des voies de communication avec une bonne fiabilité contre le danger d’avalanche actuel. «Prévisions du danger d’avalanche pour
mercredi sur l’ensemble du territoire des Alpes suisses:
danger limité d’avalanche.» Mais que signifie en réalité
danger limité? Où, quand et dans quelles circonstances les avalanches se produiront-elles lorsqu’on parle
de danger limité? A ces questions même les experts en
avalanches les plus expérimentés ne peuvent pas (encore?) répondre.
Danger limité d’avalanche signifie que, dans une région
déterminée, il y a une probabilité moyenne que des
adeptes des sports de neige puissent déclencher une
avalanche. Les questions de savoir où précisément et
quand restent cependant sans réponse. La raison en
est que les avalanches sont au fond des phénomènes
rares qui ne se produisent que dans des conditions
locales très déterminées. Ces conditions dépendent
surtout du temps à un endroit donné et de la météo en
général. Le temps peut en effet être très variable sur de
petits espaces. Et c’est précisément cela la question.
Ces humeurs locales de la nature, même les modèles
18
météorologiques les plus sophistiqués ne peuvent pas
les maîtriser. De plus, il n’y a pas que le temps actuel
qui joue un rôle déterminant, il y aussi l’évolution
météorologique tout au long de la saison hivernale et
qui est emmagasinée dans la constitution du manteau
neigeux.
A côté de cette grande diversité, il y a une constante: la
configuration du terrain. Les avalanches se déclenchent régulièrement – en dépit de conditions sans
cesse changeantes – aux mêmes endroits. Ce n’est
d’ailleurs qu’à cause de cela qu’il est possible et logique de mettre en place des constructions de protection. On peut en déduire que plus particulièrement les
grandes avalanches sont largement prévisibles, car
des avalanches de ce genre ne se déclenchent guère
de manière imprévisible en dehors d’un couloir d’avalanche connu. Aucune surprise n’est cependant exclue
et ni le moment précis, ni l’ampleur exacte dans la zone
de dépôt ne sont prévisibles.
Dans le cas des avalanches déclenchées par des adeptes des sports de neige, la situation est un peu plus
complexe, car les sportifs empruntent des zones ayant
des configurations très diverses. La zone de déclenchement dépend donc en grande partie d’éléments
aléatoires qu’on ne peut pas prévoir.
Fondamentalement, la formation d’une avalanche peut
être abordée de deux côtés. D’une part, par la voie de
ce qu’on appelle les facteurs qui interviennent dans la
formation d’une avalanche (le terrain, les précipitations,
le vent, la température, le rayonnement et la constitution du manteau neigeux), et d’autre part par la voie de
la mécanique de déclenchement d’une avalanche. La
première voie mène à des conclusions relatives sur la
probabilité de déclenchement et est empruntée avec
succès par tous les services de prévisions d’avalanches. C’est la seule voie praticable pour l’évaluation
des avalanches pouvant également être empruntée par
les adeptes des sports de neige. La seconde voie mène
théoriquement et directement aux prévisions relatives à
la stabilité d’une pente déterminée – une voie semée de
nombreuses embûches sur laquelle les progrès sont
modestes – c’est la voix de la recherche. Une question
centrale à cet égard est de savoir comment la diversité
– c’est-à-dire la variabilité – influence le processus de
formation des avalanches. Les influences sont en effet
multiples. Selon l’angle sous lequel on examine le problème, les mêmes influences peuvent agir en faveur ou
à l’encontre de la formation d’une avalanche.
Même si 70 années de recherche sur les avalanches
ont levé de nombreux secrets, l’endroit et le moment
supposé du départ d’une avalanche ne peuvent pas encore être prévus aujourd’hui. On peut cependant savoir
dans une certaine mesure sur quel terrain il faut s’attendre à des avalanches et à quel moment. Il y a clairement
des heures d’avalanches au cours desquelles la probabilité d’un déclenchement est plus grande et pendant
lesquelles il faut donc s’attendre à des avalanches.
C’est entre autres sur ces faits que se fondent les prévisions d’avalanches. Si le danger d’avalanche ne pouvait pas être prévu jusqu’à un certain degré, le nombre
de victimes d’avalanches sur les voies de communication et dans les zones habitées ne serait pas relativement faible – cela témoigne du haut degré de professionnalisme des responsables de la sécurité. Même si
Lawinen und Recht
des éléments aléatoires jouent également un rôle essentiel, les prévisions d’avalanches ou, d’une manière
générale, les évaluations du danger d’avalanche par les
responsables expérimentés de la sécurité – dont l’exactitude est parfois comparée à celles des dictons populaires – sont plus fiables que des coups de dés. La
réflexion n’est donc pas interdite.
Dr Jürg Schweizer a étudié la physique de l’environnement à l’ETH Zurich et a présenté une thèse de doctorat en glaciologie. Depuis 1990, il est collaborateur
scientifique à l’ENA dans le domaine spécialisé de la
formation des avalanches. Il est responsable de la formation des experts en avalanches (IFKIS) et a rédigé au
cours des 10 dernières années des rapports d’expertise
concernant plus d’une vingtaine d’accidents d’avalanche à l’attention des tribunaux.
Riassunto: Formazione delle valanghe
e valutazione del pericolo valanghe:
riflettere o tirare i dadi?
Le valanghe sono uno dei più imponenti pericoli naturali
che si possono verificare sulle Alpi. Un pericolo naturale
che rientra nei movimenti delle masse e che è causato
da fenomeni meteorologici. Sino ad oggi le valanghe
sono infatti l’unico pericolo naturale, insieme ai fenomeni puramente meteorologici «tempesta» e «forti precipitazioni», per il quale esiste un servizio di prevenzione sistematico. In Svizzera il bollettino delle valanghe
esiste ormai dal 1945 e possiamo dire che oggi l’attività
di prevenzione contro questo fenomeno ha raggiungo
standard molto elevati. Al giorno d’oggi le previsioni
sulle valanghe avvertono in modo affidabile gli abitanti,
i turisti e gli utenti del traffico sull’esistenza di un pericolo di valanghe. «Previsione del pericolo di valanghe
per la giornata di mercoledì: intero territorio delle Alpi
svizzere: moderato pericolo di valanghe». Ma cosa
significa esattamente «moderato»? Dove, quando e in
quali condizioni si verifica quindi una valanga? A questa
domanda non sono (ancora?) in grado di dare una risposta neanche i più esperti del settore.
«Moderato pericolo di valanghe» significa che in una
determinata regione è mediamente probabile che gli
appassionati di sport invernali possano causare il distacco di una valanga. La questione sul luogo e il momento esatto rimane tuttavia irrisolta. Il motivo è dovuto
al fatto che in fin dei conti le valanghe sono fenomeni
piuttosto rari, che si verificano solo in circostanze molto
particolari. Queste ultime dipendono soprattutto dalle
condizioni meteorologiche, che possono però variare
notevolmente, ed è questo proprio il punto, nell’ambito
di minime distanze. Questi «capricci» locali della natura
non possono essere controllati neanche dai migliori
modelli meteorologici. Inoltre c’è da dire che in questi
casi non giocano un ruolo determinante solo le condizioni meteo momentanee, ma l’intera evoluzione del
tempo lungo tutto l’inverno, che è «memorizzata» nella
struttura del manto nevoso.
A fianco di tutte queste variabili c’è anche un fattore
stabile: il terreno. Perché le valanghe, nonostante la
presenza di condizioni sempre diverse, si distaccano
sempre dagli stessi punti. Ed è proprio per questo motivo che è possibile e opportuno realizzare le opere di
difesa da valanghe. Ne consegue quindi che soprattutto le valanghe di grandi dimensioni sono largamente
prevedibili, perché sino ad oggi non si è mai verificato
che una simile valanga uscisse dalla sua traccia. Ma
eventuali sorprese non possono essere escluse e il momento esatto non è prevedibile, come non sono prevedibili le sue dimensioni nella zona di deposito.
Per quanto riguarda invece le valanghe provocate da chi
pratica sport invernali la situazione è un po’ più complicata, perché questi ultimi percorrono terreni molto
diversi. Anche il luogo del distacco è quindi sempre più
determinato da casualità impossibili da prevedere.
La formazione di una valanga può fondamentalmente
essere analizzata attraverso due diverse strade. Da un
lato, attraverso la strada dei fattori che contribuiscono
alla formazione di una valanga (terreno, precipitazioni,
venti, temperatura, irradiazione e struttura del manto
nevoso) e, dall’altro, attraverso la meccanica del distacco. La prima strada conduce a previsioni relative
sulla probabilità di distacco e quindi viene percorsa con
successo da tutti i servizi di prevenzione valanghe.
Questa è l’unica strada praticabile per valutare il pericolo di valanghe, anche per l’appassionato della neve.
Dal punto di vista teorico, la seconda conduce direttamente alla previsione della stabilità del singolo pendio.
Una strada con molti ostacoli e scarsi progressi: la
strada del futuro. La questione centrale è dunque quella di determinare in che modo la molteplicità di questi
fattori, cioè la «variabilità», influisce sul processo di formazione di una valanga. In realtà questi fattori sono
molteplici, senza contare che lo stesso fattore può favorire o contrastare la formazione di una valanga, a seconda della scala di valutazione.
70 anni di studi sulle valanghe hanno certamente svelato
molti segreti, ma il luogo e il momento esatti in cui si
distaccherà una valanga non sono ancora oggi prevedibili. Sicuramente è però possibile prevedere una
determinata pendenza del terreno dove sono attese
eventuali valanghe e il periodo di tempo. Esistono infatti determinati periodi di tempo in cui la probabilità di
distacco è maggiore e in cui si prevedono quindi maggiormente eventuali valanghe. Su questi dati di fatto si
basa il servizio di prevenzione valanghe. Se il pericolo
di valanghe non fosse prevedibile entro determinati
limiti, il numero delle vittime da valanga sulle strade e
nei centri abitati non sarebbe relativamente basso, grazie anche all’alta professionalità dei responsabili della
sicurezza. Anche se le casualità giocano un ruolo
altrettanto importante, i bollettini delle valanghe o in
generale le valutazioni del pericolo di valanghe fatte da
addetti alla sicurezza con una certa esperienza (che ci
azzeccano sempre, come i proverbi contadini) sono
molto più affidabili dei dadi. Pensare non è vietato.
Il Dott. Jürg Schweizer ha studiato fisica ambientale
presso l’ETH di Zurigo e ha conseguito il dottorato in
glaciologia. Dal 1990 è collaboratore scientifico presso
l’Istituto SNV nella specialità formazione di valanghe.
Responsabile della formazione di esperti di valanghe
(IFKIS), negli ultimi 10 anni ha redatto oltre 20 perizie
legali in altrettanti incidenti da valanga.
19
Lawinen und Recht
Lawinenprognose
Wie entsteht ein Lawinenlagebericht – Möglichkeiten und Grenzen
Thomas Stucki
1
Einleitung
2
Der Text basiert auf den Gegebenheiten in der
Schweiz. Auf wesentliche, länderspezifische Abweichungen wird fallweise hingewiesen. In den
Grundsätzen ist das Vorgehen aber in allen Alpenländern sehr ähnlich (z. B. Vorgehen bei der Einschätzung, Verwendung der europäischen Lawinengefahrenstufenskala).
Das Referat vorfolgt drei Ziele:
– das Aufzeigen der Datengrundlagen
– ein Verständnis für den Prozess der Einschätzung der Lawinengefahr zu erreichen und
– die Möglichkeiten und Grenzen des Lawinenbulletins aufzuzeigen
Auf die einzelnen Prozesse, die die Entwicklung der
Lawinengefahr beeinflussen, kann an dieser Stelle
nur anhand von Beispielen andeutungsweise eingegangen werden (lawinenbildende Faktoren; siehe
«Lawinenbildung und Lawinengefahrenbeurteilung», S. 13). Auch auf Analysetools und organisatorische Abläufe wird nicht eingegangen. Diese sind
länderspezifisch sehr unterschiedlich und für die Erläuterung der behandelten Thematik nicht relevant.
Wetter
a
Höhenlage
Exposition
Hangneigung
Form
Oberflächenbeschaffenheit
a
Die Lawinenprognose basiert auf einer vielfältigen
Datenbasis, welche in Tabelle 1 für den Lawinenwarndienst der Schweiz in einer groben Übersicht
dargestellt ist. Zusätzlich zu den dort aufgeführten, institutionalisierten Datenquellen stehen noch
weitere Quellen im Internet zur Verfügung wie zum
Beispiel Webcams, Skitourenforen oder Wetterinformationen. Grundsätzlich können die Grundlagendaten gemäss der Einteilung der lawinenbildenden Faktoren (Abb. 1) in «Wetter» und «Schneedecke» unterteilt werden:
Im Bereich «Wetter» (Quelle: Wetterdienste, Messnetze für die Lawinenwarnung) stehen Daten von
automatischen Stationen im Vordergrund, weil die
meisten benötigten Grössen automatisch und
rund um die Uhr erfasst werden können. Ergänzt
werden diese Informationen durch die täglichen
Meldungen der Beobachter. Sie können die Parameter wie zum Beispiel Wettererscheinungen oder
die Schneefallgrenze beobachten. Die Neuschneemessung kann insofern zuverlässiger sein, als zum
Beispiel Windeinfluss eindeutig beobachtet und
gemeldet werden kann (Tab. 1).
Schneedecke
Schichtung
Schwachschichten
Schichtübergänge
Schneetemperatur
Wassergehalt
Variabilität
mechanische
Eigenschaften
a
Stabilität
Auslösewahrscheinlichkeit
Verbreitung der Gefahrenstellen
Grösse / Typ der Lawinen
a
Neuschnee
Wind
Lufttemperatur
Strahlung
Luftfeuchtigkeit
Gelände
Datengrundlagen
Gefahrenstufe
Einschätzung der Lawinengefahr: Faktorenkombination und -gewichtung, Regeln, Erfahrungswerte
a
Abb. 1: Die lawinenbildenden Faktoren Wetter, Gelände, Schneedecke bestimmen die Schneedeckenstabilität. Daraus wird die Gefahrenstufe abgeleitet.
21
HNW
DS
HS
Ts
Tss
Sf
Ps
TSA
Wasserwert des Neuschnees
Dichte des Neuschnees
Schneehöhe
Schneetemperaturen
Schneeoberflächentemperatur
Schneeoberflächenbeschaffenheit
Einsinktiefe (mit Rammsonde oder Ski)
Triebschneeansammlungen
1d
1d
0.5h
1d
1d
1d
1d
(1d)
1d
Beurteilung der Lawinengefahr
Bemerkungen/Zusatzinformationen
2w
(1d)
(1d)
(1d)
2w
1d
1d
2w
(1d)
1d
1d
2w
(1d)
1d
1d
[x]
[x]
[x]
1h
1h
1h
1h
1h
(1d)
1h
1h
1h
1h
1h
1h
1h
1h
(x)
ja/nein
x
x
x
x
WB
x
x
x
x
Berichte
AWB
HNP
x
x
x
x
x
x
x
täglich
... stündlich
...wöchentlich
teilweise, sporadisch
geschätzt
Modelliert
x
x
x
x
Wettermodelle
EZMWF
DWD
1d
...h
...w
(...)
(...)*
[...]
x
x
x
x
x
x
aLMo
Prognoseprodukte der Wetterdienste
aLMo:
AlpenModell MeteoSchweiz (6h-Zeitschritte bis 72h)
EZMWF: Wettermodell vom Europäischen Zentrums für
Mittelfristprognosen (12h-Zeitschritte bis 8 Tage)
DWD:
Wettermodell vom Deutschen Wetterdienst
(6h- und 12h-Zeitschritte bis 7 Tage)
1d
1d
1d
(x)
(1d)
1d
1d
(1d)
0.5h
2w
2w
0.5h
2w
1d
1d
0.5h
1d
1d
[3h]
[6h]
1d
(1d)
1d
FP
Flachfeldprofile
(1d)
(1d)
0.5h
1h
0.5h
0.5h
(1d)* 1d (1d)* (1d)* [3h]
1d
1d
GB
Automatisch Stationen Radar
IMIS ENET ANETZ Satellit
1d
1d
1d
1d
Lawinenabgänge
HP
Hangprofile mit Stabilitätstest
Wummgeräusche, Risse in der Schneedecke
Schneegrenze an N- und S-Hängen
Sun
HN
Neuschnee (gefallen)
W
Ap
Wettererscheinungen
Luftdruck (QNH)
Sonnenscheindauer
Tpsy
Tdp
Sfg
Schneefallgrenze
Taupunkttemperatur
RSWR
RH
Kurzwellige, reflektierte Strahlung
Relative Luftfeuchtigkeit
Feuchttemperatur
HN
P
VW
Ta
Neuschnee (erwartet)
Niederschlag (Regen, Schnee geschmolzen)
Wind (Richtung, Stärke, Mittel, Maxima)
Lufttemperatur
Messungen, Beobachtungen und Beurteilungen mit Angabe der Meldeintervalle
AbParameter
Beobachter
kürzung VG RB MS HP
fett: wichtigste, lawinenbildende Faktoren, kursiv: Stabilitätsinformationen
VG: Vergleichsstationen SLF
IMIS:
Interkantonales Mess- und Informationssystem
RB: Regionale Beobachter SLF
ENET: Ergänzungsmessnetz MeteoSchweiz / SLF
MS: Messstellen SLF
ANETZ: Automatisches Messnetz MeteoSchweiz
HP: Höhenprofiler SLF
WB:
Wetterberichte
GB: Geländebeobachter
AWB:
Alpenwetterbericht
freiwillige Rückmeldungen
HNP:
Neuschneeprognose (2x12h und 2x24h Zeitschritte)
Schneedecke
22
Wetter
Tab. 1: Grobe Übersicht über die institutionalisierten Datenquellen und die Parameter des Lawinenwarndienstes SLF Davos
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Lawinen und Recht
Die Stärke der Beobachter liegt in der Erfassung
von Daten zum Bereich «Schneedecke» (Quelle:
Beobachter, Sicherheitsverantwortliche, Bergführer, Skitourenleiter und -geher sowie eigene Felduntersuchungen des Lawinenwarndienstes). Zwar
sind auch hier einige Grössen automatisch messbar und werden auch vom automatischen Stationsnetz erfasst, allerdings müssen mehrere
Schlüsselgrössen von Hand und Auge erhoben
werden. Dies betrifft im wesentlichen die Untersuchung des Schneedeckenaufbaus (Schneeprofile
und Stabilitätstests) oder die Beobachtung der
Schneeoberfläche, von Triebschnee, abgegangener Lawinen oder so genannter Alarmzeichen
(Wummgeräusche, Risse in der Schneedecke).
Wenn diese vorhanden sind, deuten sie auf eine
erhöhte Lawinengefahr hin. Auch eine Beurteilung
der regionalen Lawinengefahr sowie die Möglichkeit, zusätzliche Informationen zu übermitteln, gehören zum Repertoire der meisten Beobachter.
Eigene Felduntersuchungen des Lawinenwarndienstes dienen dem Vergleich der eigenen Vorstellung vom Schneedeckenaufbau mit der Realität sowie der (örtlich beschränkten) Überprüfung
der Prognose.
Das Schneedeckensimulationsmodell SNOWPACK, welches am SLF Davos entwickelt wird,
wie die schon seit Jahren in Frankreich im Einsatz
stehende Modellkette SAFRAN-CROCUS-MEPRA
(Wetter- und Schneedeckensimulationsmodell)
sollen die Möglichkeit schaffen, aus automatisch
erhobenen Daten den Schneedeckenaufbau im
lawinenrelevanten Gelände zu berechnen und
Schlüsse auf die Schneedeckenstabilität zu
ziehen.
Für den Prognosezeitraum stehen unterschiedliche Produkte der Wetterdienste zur Verfügung.
Neben Wind und Temperatur ist der zu erwartende
Neuschnee die zentrale, aber auch am schwierigsten prognostizierbare Grösse. Wenn der Neuschnee für die weitere Entwicklung der Lawinengefahr eine Schlüsselgrösse ist (d. h. wenn sich
ohne Neuschnee die Lawinensituation nicht
wesentlich verändern würde), kann die Lawinenprognose, mindestens regional, entsprechend
unsicher sein.
3
Beispiel eines Lawinenbulletins
In Abbildung 2 ist ein Lawinenbulletin dargestellt.
Die Struktur ist in allen Ländern ähnlich und beginnt mit einem «Flash», der den Kernpunkt der
aktuellen Situation hervorhebt. Dann folgt eine
Beschreibung der allgemeinen Schnee-, Lawinen
und Wettersituation (hier «Allgemeines»). Je nach
Ausgabezeitpunkt des Bulletins wird anschliessend eine Aussage über die für die weitere Entwicklung der Lawinensituation zentrale Wetterent-
wicklung gemacht (hier «Kurzfristige Entwicklung»). Im Kern des Lawinenbulletins steht die
Prognose der Lawinengefahr. Sie ist in unterschiedliche Regionen unterteilt. Sie gibt pro Region Auskunft über die Gefahrenstufe (Stufe 1 – gering, Stufe 2 – mässig, Stufe 3 – erheblich, Stufe 4
– gross, Stufe 5 – sehr gross, Tab. 2), die besonders gefährlichen Geländeteile, Expositionen und
Höhenlagen. Nach Bedarf und Möglichkeit werden auch an wenig erfahrene Schneesportler Verhaltenstipps abgegeben. Diese Handhabung ist
allerdings länderspezifisch sehr unterschiedlich,
einzelne Länder verzichten ganz auf Verhaltenstipps. Eine Tendenz der Lawinengefahr über die
nächsten (meist zwei) Tage schliesst das Bulletin
ab.
4
Einschätzung der Lawinengefahr
4.1
Einleitung
Bei der Einschätzung der Lawinengefahr werden
zunächst die charakteristischen Eigenschaften
der Schnee- und Lawinensituation herausgearbeitet. Dann wird die Gefahrenstufe aus der 5teiligen
europäischen Gefahrenstufenskala (Tab. 2) bestimmt. Hinter jeder Gefahrenstufe stecken typische Merkmale und einheitlich verwendete Begriffe. Die Gefahrenstufe ist abhängig von der Auslösewahrscheinlichkeit von Lawinen (Stabilität der
Schneedecke), der Verbreitung der Gefahrenstellen sowie der Grösse und Anzahl der zu erwartenden Lawinen. Diese Eigenschaften werden durch
die lawinenbestimmenden Faktoren, wie sie in Abbildung 1 dargestellt sind, beeinflusst. Für die Beurteilung im Lawinenbulletin werden die Faktoren
«Wetter» und «Schneedecke» aufgrund der oben
erwähnten Datengrundlagen berücksichtigt. Der
Faktor «Gelände» findet Eingang in der Bezeichnung der besonders gefährdeten Geländeteile.
Für die Datenauswertung stehen verschiedene
Werkzeuge zur Verfügung, auf die hier nicht näher
eingegangen wird. Auch die organisatorischen
Abläufe finden hier keine spezielle Erwähnung. Sie
sind länderspezifisch unterschiedlich und basieren auf unterschiedlichen Voraussetzungen. Im
Folgenden wird der Prozess der Einschätzung
näher beschrieben.
4.2
Prozess der Prognose der Lawinengefahr
Die in Abbildung 1 unter «Wetter», «Schneedecke»
und «Gelände» dargestellten, lawinenbildenden
Faktoren müssen gemäss der zu beurteilenden
Situation analysiert, gewichtet und kombiniert
werden. Die Vielfalt an Kombinationsmöglichkei-
23
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Eidgenössisches Institut für Schnee- und Lawinenforschung
Institut Fédéral pour l'Etude de la Neige et des Avalanches
Istituto Federale per lo Studio della Neve e delle Valanghe
Institut Federal per la Perscrutaziun da la Naiv e da las Lavinas
Nationales Lawinenbulletin Nr. 85
vom Donnerstag, 6. Februar 2003, 17:00 Uhr
Verbreitet grosse Lawinengefahr
Allgemeines
Am Donnerstag setzte sich das stürmische Wetter mit Schneefall nördlich des Alpenhauptkammes fort. Es blieb
kalt mit minus 12 Grad auf 2000 m.
In den vergangenen 5 Tagen fielen in der Höhe folgende Schneemengen: Alpennordhang und Unterwallis: 80 bis
200 cm; übrige Schweizer Alpen 30 bis 80 cm. In den Regionen mit sehr grossen Neuschneemengen ist der
Schneedeckenaufbau besser als inneralpin. Das bedeutet, dass auch in den Regionen mit weniger Neuschnee mit
Spontanlawinen gerechnet werden muss, weil dort weniger Zusatzbelastung für eine Lawinenauslösung nötig ist.
Der Wind hat zum Teil mehrere Meter hohe Schneeansammlungen erzeugt. Diese sind vorerst noch instabil.
Zahlreiche Lawinen sind zum Teil sehr gross abgegangen und haben Schaden angerichtet.
Kurzfristige Entwicklung
Langsam wird der Nordstau schwächer und die Niederschläge enden vorübergehend. Am Freitagabend kommt eine
Warmfront. Sie bringt eine Temperaturerhöhung von rund 10 Grad auf 3000 m und rund 5 Grad auf 2000 m sowie
etwas Schneefall. Die Mengen liegen im Bereich von 5 bis 20 cm mit Schwerpunkt am östlichen Alpennordhang.
Die Nordwinde nehmen etwas ab, bleiben aber so stark, dass sie in Kammlagen weiterhin Schnee verfrachten
können.
Vorhersage der Lawinengefahr für Freitag
Alpennordhang; Unterwallis; nördliches Wallis; Mattertal; Goms; Gotthardgebiet; Surselva; Nordbünden:
Grosse Lawinengefahr
Die Gefahrenstellen befinden sich an Steilhängen aller Expositionen oberhalb von rund 1500 m. Spontane
Lawinen sind weiterhin zu erwarten, auch wenn im Westen der Höhepunkt der Lawinenaktivität bereits
überschritten ist. Sicherheitsmassnahmen sollten beibehalten oder erst nach Abklärung am Morgen gelockert
werden. Die Verhältnisse abseits gesicherter Pisten sind ungünstig. Die Situation für Schneesportler ist sehr
heikel. Beschränkung auf mässig steiles Gelände wird dringend empfohlen.
Übriges Oberwallis; übriges nördliches und mittleres Tessin; übriges Graubünden:
Erhebliche Lawinengefahr
Spontanlawinen sind vor allem inneralpin noch möglich. Die Hauptgefahr besteht an Triebschneehängen aller
Expositionen oberhalb von rund 2000 m. Vor allem in den Regionen mit weniger Neuschnee, also z.B. im
Wallis und in Graubünden können Lawinen leicht ausgelöst werden und grössere Ausmasse annehmen.
Besonders eingewehte Rinnen und Mulden sind kritisch zu beurteilen.
Mittleres Tessin:
Mässige Lawinengefahr
Tendenz für Samstag und Sonntag
Wahrscheinlich fällt im Osten am Samstag noch Schnee. Die Temperaturen bleiben unverändert. Am Sonntag ist es
in allen Regionen sonnig mit Wolken und milder. Die Lawinengefahr geht langsam zurück, für Schneesportler
bleibt es aber sicher heikel.
Zusätzliche Informationen: ‘Fax auf Abruf’ (Fr. 1.49/Min)
0900 59 2020
Liste aller Faxprodukte SLF
0900 59 2025
Schneehöhenkarte (bei wesentlicher Änderung)
0900 59 2026
Neuschneekarten täglich
0900 554 338
Alpenwetterbericht MeteoSchweiz
Wetterinformation in Zusammenarbeit
mit MeteoSchweiz
Regionale Lawinenbulletins (Fr. 1.49/Min)
0900 59 20 31 Zentralschweiz
0900 59 20 32 Unterwallis / VD Alpen
0900 59 20 33 Oberwallis
0900 59 20 34 Nord- und Mittelbünden
0900 59 20 35 Südbünden
0900 59 20 36 Berner Oberland
0900 59 20 37 Östlicher Alpennordhang
Abb. 2: Beispiel eines nationalen Lawinenbulletins aus der Schweiz.
24
Rückmeldungen:
Gratis-Tel.: 0800 800 187
Gratis-Fax: 0800 800 188
Internet: http://www.slf.ch
Email: [email protected]
WAP: wap.slf.ch
erheblich
gross
sehr gross
3
4
5
Die Schneedecke ist
allgemein schwach ver festigt
und weitgehend instabil.
Die Schneedecke ist an den
meisten Steilhängen*
schwach verfestigt.
Die Schneedecke ist an
vielen Steilhängen * nur
mässig bis schwach
ver festigt.
Die Schneedecke ist an
einigen Steilhängen * nur
mässig ver festigt, ansonsten
allgemein gut ver festigt.
Die Schneedecke ist
allgemein gut verfestigt und
stabil.
Schneedeckenstabilität
– extreme Steilhänge: besonders ungünstig bezüglich Neigung (meist steiler als etwa 40 Grad), Geländeform, Kammnähe, Bodenrauhigkeit
– Steilhänge: Hänge steiler als rund 30 Grad
– mässig steiles Gelände: Hänge flacher als rund 30 Grad
* im Lawinenbulletin im allgemeinen näher beschrieben (z.B. Höhenlage, Exposition,
Geländeform)t
Sehr ungünstige Verhältnisse.
Verzicht empfohlen.
Ungünstige Verhältnisse.
Viel Erfahrung in der Lawinenbeurteilung erforderlich. Beschränkung
auf mässig steiles Gelände /
Lawinenauslaufbereiche beachten.
Teilweise ungünstige Verhältnisse.
Erfahrung in der Lawinenbeurteilung erforderlich. Steilhänge der
angegebenen Exposition und
Höhenlage möglichst meiden.
Mehrheitlich günstige Verhältnisse.
Vorsichtige Routenwahl, vor allem
an Steilhängen der angegebenen
Exposition und Höhenlage.
Allgemein sichere Verhältnisse.
Auswirkungen für Personen
ausserhalb gesicherter Zonen /
Empfehlungen
– spontan: ohne menschliches Dazutun
– Exposition: Himmelsrichtung, in die ein Hang abfällt
– exponiert: besonders (der Gefahr) ausgesetzt
Akute Gefährdung.
Umfangreiche Sicherheitsmassnahmen.
Exponier te Teile mehrheitlich
gefährdet.
Dort sind Sicherheitsmassnahmen zu empfehlen.
Auslösung ist bereits bei geringer Zusatzbelastung ** an zahlreichen Steilhängen
wahrscheinlich. Fallweise sind spontan viele
mittlere, mehr fach auch grosse Lawinen zu
er warten.
Spontan sind viele grosse Lawinen, auch in
mässig steilem Gelände zu erwar ten.
Exponierte Teile vereinzelt
gefährdet.
Dort sind teilweise Sicherheitsmassnahmen zu empfehlen.
Kaum Gefährdung durch
spontane Lawinen.
Keine Gefährdung.
Auswirkungen für Verkehrswege
und Siedlungen / Empfehlungen
Auslösung ist bereits bei geringer Zusatzbelastung ** vor allem an den angegebenen
Steilhängen möglich. Fallweise sind spontan
einige mittlere, vereinzelt aber auch grosse
Lawinen möglich.
Auslösung ist insbesondere bei grosser
Zusatzbelastung ** vor allem an den
angegebenen Steilhängen möglich. Grosse
spontane Lawinen sind nicht zu erwar ten.
Eine Lawinenauslösung ist allgemein nur bei
grosser Zusatzbelastung ** an vereinzelten
Stellen im extremen Steilgelände möglich.
Spontan sind nur Rutsche und kleine
Lawinen möglich.
Lawinen-Auslösewahrscheinlichkeit
** Zusatzbelastung:
– gross (z.B. Skifahrergruppe ohne Abstände, Pistenfahrzeug, Lawinensprengung)
– gering (z.B. einzelner Schneesportler, Schneeschuhgeher)
mässig
2
Erklärungen:
gering
1
Gefahrenstufe
Tab. 2: Kurzversion der Europäischen Gefahrenstufenskala. Mehr Details sind in den Interpretationshilfen der Lawinenwarndienste zu finden, wie z.B. unter www.slf.ch – Die
Spalten Auswirkungen für Verkehrswege und Siedlungen / Empfehlungen und Auswirkungen für Personen ausserhalb gesicherter Zonen / Empfehlungen werden nicht in allen
Ländern angewendet.
Lawinen und Recht
25
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Abb. 3: Schematische Darstellung zur Einschätzung der Lawinengefahr. Die römischen Ziffern beziehen sich auf den
Text sowie die Tabelle 3.
26
Lawinen und Recht
Tab. 3: Fragen zum Schema in Abbildung 3
I)
Analyse Ist-Zustand: Wetterablauf seit der letzten Prognose
– Hat sich am Wetterablauf gegenüber der Prognose etwas geändert, was auf die Lawinengefahr einen Einfluss
hat? Welches ist/sind der/die lawinenrelevante/n Parameter?
– Niederschlag (Regen, Schnee)? —> Qualität (trocken, feucht, locker, windgepresst)? Quantität (mehr, weniger
als erwartet)?
– Wind? —> andere Richtung, stärker, schwächer? Wo liegt Triebschnee? Welche Beschaffenheit hat er?
– Temperatur? —> abweichende Entwicklung?
– Einstrahlung/Abstrahlung/Abschattung? —> mehr oder weniger oder früher oder später Sonne resp. klare Nacht
(Frühjahr)?
– Luftfeuchtigkeit —> allenfalls für weitere Entwicklung wichtig (Oberflächenreif)?
II) Analyse Ist-Zustand: neue Erkenntnisse aus der Schneedecke
– Welche neuen Schneedeckeninformationen passen zur Prognose, welche nicht? Weshalb nicht? Ausreisser?
Ist ein neues Muster zu erkennen? Gibt es Informationen, wo vorher keine vorhanden waren?
– Gibt es neue Schneeprofile oder/mit Stabilitätstests? Entsprechen diese der Erwartung?
– Gibt es Lawinenbeobachtungen (Sicht?)? Auslösebedingungen (Schneedeckenstabilität, Zusatzbelastung,
Gelände)? Häufigkeit? Grösse? Überraschungen? Begründung?
– Reagiert die Entwicklung der Lawinengefahr auf den Faktor (Wetter, Schneedecke) sensibel, wie ich das
erwartet habe? Oder nicht?
– Wie gross ist der Einfluss der abweichenden Informationen auf meine Einschätzung? Muss ich die Einschätzung korrigieren? Muss ich die Regionen anpassen?
– Liegt die Abweichung innerhalb der Tendenz (die Gefahr ist weniger oder mehr gestiegen als angenommen)
oder ausserhalb der Tendenz (die Gefahr hat nicht ab, sondern zugenommen)? Weshalb? Wo stehe ich in der
Gefahrenentwicklung?
III) Kurzfristige Wetterentwicklung (in engem Zusammenhang mit IV) / 1 Tag
– Wie entwickeln sich die einzelnen Wetterfaktoren?
– Welches sind die lawinenrelevanten Wetterfaktoren für den Prognosezeitraum? Gibt es eine diesbezügliche
Veränderung in der Entwicklung?
– Wie gross ist der Einfluss resp. die Bandbreite eines Faktors bis die Gefahr um eine Stufe ansteigt (zB Neuscheemenge, Temperaturanstieg, Windgeschwindigkeit)?
– Gibt es mögliche verstärkende oder hemmende Faktorenkombinationen?
IV) Entwicklung der Schneedecke (in engem Zusammenhang mit III) / 1 Tag
– Wie genau reagiert die Schneedecke (und die Stabilität) auf die Wetterfaktoren? An der Oberfläche, insgesamt,
langsam, schnell, verzögert, gar nicht?
– Welche Parameter und Prozesse wirken stabilisierend (+), welche destabilisierend (-) auf die Schneedecke?
Was ergibt sich in der Bilanz? Gibt es einen Tagesgang der Lawinengefahr?
– Handelt es sich um eine Neuschee- oder Altschneesituation?
– Was dominiert? Trockene oder nasse Lawinen?
– In welcher Region gibt es die grössten Unsicherheiten? Wo weiss ich im Moment zu wenig? Wo kann ich das
akzeptieren? Wo muss ich mich um zusätzliche Information bemühen?
– Was lässt sich (regional) über die Auslösebereitschaft, die Verbreitung der Gefahrenstellen, die Anzahl und
Grösse der zu erwartenden Lawinen bez. der Lawinengefahr folgern und aussagen?
V) Festlegung der Gefahrenstufe / 1 Tag
– Auslösebereitschaft, Verbreitung der Gefahrenstellen, Anzahl und Grösse der zu erwartenden Lawinen,
Angaben zum Gelände?
– Was ist die längerfristige Tendenz?
– Auf welchen Umstand muss ich im Bulletin speziell hinweisen (allenfalls Verhaltenstip für Unerfahrene)?
– In welcher Region ist die Entwicklung der Lawinengefahr am anfälligsten auf eine, von der Prognose abweichende Wetterentwicklung? Absprache mit Dienst Regional.
27
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
ten und die situative Gewichtung einzelner Faktoren sind die Herausforderung bei der Erstellung
der Lawinenprognose. Regeln und Erfahrungswerte fliessen in diesen Prozess ein. Auch das
erfahrungsbasierte Gefühl unterstützt mit zunehmender Erfahrung den PrognostikerIn bei der Entscheidfindung. Lückenhafte, manchmal auch
widersprüchliche Informationen müssen bewertet
und priorisiert werden.
In Abbildung 3 ist ein Ablaufschema dargestellt,
anhand dessen im Folgenden der Prozess von der
Analyse bis zur Prognose erläutert wird. Die
römischen Ziffern beziehen sich auf die entsprechenden Stellen in Abbildung 3.
I + II) Analyse Ist-Zustand: Wetterablauf seit
der letzten Prognose und neue Erkenntnisse
aus der Schneedecke
Vor jeder neuen Prognose wird eine Analyse des
Ist-Zustandes vorgenommen, auf dem die Prognose aufbaut. Diese Ist-Zustands-Analyse ist
meist ein laufender Prozess, indem der PrognostikerIn eingegangene, neue Informationen zur
Schneedecke und den Wetterablauf (Abb. 1) mit
der Prognose des Vortages vergleicht. Auf die
Erstellung der Prognose hin wird dann dieses Wissen verdichtet und führt zum Ist-Zustand. Dieser
ist keine Verifikation der vorangegangenen Prognose in wissenschaftlichem Sinne, sondern die
bestmögliche, auf der vorhandenen neuen Datenbasis abgestützte Ist-Zustandsbeschreibung (Anmerkung: Aus unserer Sicht sind für eine wissenschaftlich fundierte Verifikation vom Prognosedienst unabhängige und möglichst objektive Informationen nötig. Im Zentrum stünden zahlreiche
Schneedeckenstabilitätsuntersuchungen, die eine
Stabilitätsverteilung erkennen liessen – ein für
operationelle Zwecke und für die Schweiz flächendeckende Anwendung zu aufwändiges Unterfangen und wahrscheinlich eher auf eine Region zu
beschränken). Eine Bestätigung der Prognose des
Vortages oder eine Anpassung fliesst dann direkt
in die neue Prognose ein.
Wird eine Abweichung der Prognose des Vortages
vom Ist-Zustand festgestellt, so sind zwei Fälle zu
unterscheiden: a) Liegt die falsche Einschätzung
innerhalb der längerfristigen Tendenz, so hat sie in
der Regel die relevanten Prozesse erfasst, ist aber
meist einer Verzögerung oder Beschleunigung
unterlegen. Die Lawinengefahr ist also z. B. langsamer angestiegen als vorhergesehen, die höhere
Stufe wird aber z. B. einen Tag später tatsächlich
erreicht. b) Liegt die falsche Einschätzung aber
ausserhalb der längerfristigen Tendenz, so muss
von einer echten Fehlprognose ausgegangen
werden, weil meist die falschen Prozesse berücksichtigt wurden. Es wurde also z. B. ein Ansteigen
der Gefahr vorhergesagt, in der Analyse des IstZustandes hat sich aber eher eine Abnahme
28
herausgestellt, die noch weiter andauern dürfte.
Besonders anfällig auf solche Fehler sind Situationen im Frühjahr (Nassschneelawinen) oder
länger andauernde Schneefallperioden mit unsicheren Niederschlagsprognosen, aber relativ
rascher Stabilisierung der Schneedecke.
Eine wissenschaftlich fundierte Verifikation zur
Feststellung der Trefferquote existiert nach wie
vor nicht. Eine Erhebung durch Bergführer des
DAV Summit Club im Winter 2002 / 03 attestiert
den Lawinenwarndiensten der Alpenländer eine
Trefferquote in den Lawinenbulletins von 85 bis
90 % (d. h. dass in 10 bis 15 % der Fälle eine lokale
Anpassung der Gefahrenstufe nötig war). Gemäss
unserer eigenen Einschätzung ist diese Trefferquote eher zu hoch angesetzt.
III) Kurzfristige Wetterentwicklung
Bei der Erstellung der Prognose steht zunächst
die Frage im Zentrum, wie sich während des
Prognosezeitraumes (Nacht und Tag) das Wetter
entwickelt. Aus der Erfahrung der Ist-ZustandsAnalyse werden diejenigen Faktoren besonders
berücksichtigt, die auf die Entwicklung der Lawinengefahr den grössten Einfluss haben. Es kann
sich natürlich auch eine neue Faktorensensibilität
ergeben (z. B.: zunächst fiel der Neuschnee bei
nur mässigem Wind auf eine schwache Schneedecke, dann folgte eine rasche und deutliche Erwärmung mit sonnigem Wetter). Sind zum Beispiel
Altschneeoberfläche, Neuschnee und Wind (eine
typische und häufige Kombination) die Schlüsselfaktoren, so stellt sich z. B. auch die Frage, wie viel
Neuschnee fallen kann, bis die Lawinengefahr um
eine Stufe ansteigt. Bei günstiger Beschaffenheit
der Altschneeoberfläche und schwachem Wind
können es z. B. 30 bis 40 cm sein, bei ungünstiger
Beschaffenheit der Altschneeoberfläche und starkem Wind 10 bis 20 cm. In vielen Situationen kann
sich die Unsicherheit in der Neuschneeprognose
auf die Lawinenprognose auswirken, besonders
wenn wirklich die Neuschneemenge der sensible
Faktor ist und in der Regel in Kombination mit einem ungünstigen Schneedeckenaufbau). In manchen Fällen ist die Lawinenprognose gegenüber
Unsicherheiten der Neuschneeprognose tolerant
oder sogar bis zu einem gewissen Grad resistent,
v. a. bei kleinen Niederschlagsmengen und günstigem Schneedeckenaufbau.
Die wichtigsten Wetterfaktoren (Abb. 1), die für die
Entwicklung der Lawinengefahr relevant sind,
werden im Lawinenbulletin festgehalten (Schweiz:
«Kurzfristige Entwicklung»). Dies ermöglicht dem
geübten Leser einen Einblick in die Faktorenanalyse. Damit hat er die Möglichkeit, bei Abweichungen von der Prognose auch den Inhalt des Bulletins in die richtige Richtung anzupassen.
Lawinen und Recht
IV) Entwicklung der Schneedecke
Die Abschätzung der Schneedeckenentwicklung
steht in sehr engem, iterativem Zusammenhang
mit der Entwicklung des Wetters (vgl. III), wie oben
angeführte Beispiele bereits zeigen. Zielgrössen
sind die Auslösebereitschaft von Lawinen, die
Verbreitung der Gefahrenstellen sowie die Anzahl
und Grösse der zu erwartenden Lawinen. Es geht
hier im wesentlichen darum abzuschätzen, welche
Faktoren (Abb. 1) und Prozesse basierend auf dem
Ist-Zustand auf die Schneedecke stabilisierend (+)
oder destabilisierend (–) wirken und was sich in
der Bilanz ergibt. Oft gibt es auch einen Tagesgang (z. B. im Frühjahr) zu berücksichtigen. All
diese Überlegungen werden vom Lawinenprognostiker jeweils für unterschiedliche Klimaregionen
durchgeführt. Es wird unterschieden, ob es sich
um eine «Neuschneesituation» (dabei ist die Verbindung zwischen Neuschnee und Altschneedekke ungenügend und der Neuschnee gleitet als Lawine ab) oder um eine «Altschneesituation» (die
Schwachschicht ist innerhalb der Altschneedecke
und bei Auslösung gleitet auch Altschnee ab) handelt. Wichtig ist hier auch, besondere Unsicherheiten (wenn vorhanden) bewusst zu machen und
zu klären, wie mit diesen umzugehen ist. Solche
Unsicherheiten haben ihren Ursprung meist z. B.
in Informationslücken und in unterschiedlichen
oder widersprüchlichen Informationen. Es muss
entschieden werden, in welchem Falle zusätzliche
Informationen beschafft werden müssen (z. B.
telefonisch) oder wo von der wahrscheinlichsten
Entwicklung ausgegangen werden kann. Die
Organisation des Lawinenwarndienstes in der
Schweiz sieht vor, solche Unsicherheiten am Briefing, an dem die diensthabenden drei Prognostiker anwesend sind, zu thematisieren. Eine Dokumentation des Entscheidfindungsprozesses sowie
der bestehenden Unsicherheiten unterstützt den
Lernprozess. Zudem hilft sie, eine allfällige Fehlprognose nach zu vollziehen. In der Schweiz konzentriert sich der Lawinenwarndienst auf die Dokumentation der benützten Unterlagen und das
stichwortartige Festhalten der wichtigsten Eigenschaften einer Situation, Unklarheiten oder Fehleinschätzungen. Eine solche, je nach Gebietsgrösse auch detaillierter mögliche Dokumentation,
ist auch lokalen Lawinendiensten sehr zu empfehlen.
V) Festlegung der Gefahrenstufe
Die umfassenden Überlegungen zur Auslösewahrscheinlichkeit von Lawinen, der Verbreitung der
Gefahrenstellen sowie der Anzahl und Grösse der
zu erwartenden Lawinen führen zur Festlegung
der Gefahrenstufe. Dabei wird zunächst die
erwartete, kurzfristige Entwicklung (vgl. Abschnitt
III) abgeschätzt. In der Europäischen Gefahrenstufenskala (Tab. 2) sind die entsprechenden
Definitionen festgehalten. Zusätzlich werden auch
die Überlegungen zum besonders gefährdeten
Gelände (Geländeform: Steilhänge, Kammlagen,
Rinnen und Mulden, Exposition und Höhenlage)
festgehalten.
Im Lawinenbulletin wird die Lawinengefahr und
nicht das Lawinenrisiko angegeben. Allgemein
versteht man unter einer «Gefahr» einen möglicherweise ablaufenden, gefährlichen Prozess (La-
Gefahr – Risiko
Gefährlicher Prozess
Schaden
Abb. 4: Allgemein versteht man unter einer «Gefahr» einen möglicherweise ablaufenden, gefährlichen Prozess (Lawine,
Murgang, Erdbeben, Flutwelle). Mit der «Gefahr» wird aber nichts darüber ausgesagt, ob der Prozess im Einzelfall tatsächlich abläuft und zu Schaden (Personen- oder Sachschaden) führt. Ob ein Schaden eintreffen kann, hängt davon
ab, ob sich im Wirkungsbereich des gefährlichen Prozesses Personen oder Sachwerte befinden (Quelle: Kienholz).
29
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
wine, Murgang, Erdbeben, Flutwelle). Mit der «Gefahr» wird aber nichts darüber ausgesagt, ob der
Prozess im Einzelfall tatsächlich abläuft und zu
Schaden (Personen- oder Sachschaden) führt.
Ob ein Schaden eintrifft, hängt davon ab, ob sich
im Wirkungsbereich des gefährlichen Prozesses
Personen oder Sachwerte befinden (Abb. 4). Wollte man über mögliche Schäden eine Aussage
machen, so müsste das «Risiko» beurteilt werden.
Dieses setzt einerseits einen gefährlichen Prozess, andererseits durch einen solchen möglicherweise gefährdete Personen oder Objekte voraus. Eine alleinige «Risiko»-Beurteilung im Lawinenbulletin würde eine einheitliche, über Raum
und Zeit vergleichbare und zur Grundlage für Aktivitäten im freien Wintergelände dienende Information verunmöglichen (Grenzen des Lawinenbulletins). Die Beurteilung des Risikos gehört auf die
lokale Stufe (vgl. Kap. 5) und muss vom Anwender
des Lawinenbulletins vorgenommen werden.
Es wird deshalb im Lawinenbulletin zur Herausgabe der Gefahrenstufe nicht unterschieden, ob es
5
sich beim prognostizierten Tag um einen Wochentag oder ein Wochenende handelt – oder: An einem sonnigen Wochenende in der Hochsaison
wird die Gefahrenstufe nicht präventiv höher angesetzt als an einem Wochentag in der Zwischensaison.
Das Erhöhen der Gefahrenstufe ist meist an einen
meteorologisch eindeutig feststellbaren Prozess
gebunden, wie z. B. Neuschnee, Sturm oder eine
markante Erwärmung, und es erfolgt in der Regel
relativ rasch (Stunden bis wenige Tage). Das Erhöhen der Gefahrenstufe ist deshalb auch relativ
einfach vorzunehmen und zu kommunizieren. Eine
Abnahme der Lawinengefahr ist deutlich schwieriger einzuschätzen und auch zu kommunizieren,
besonders dann, wenn sie langsam vor sich geht
(mehrere Tage). Eine Abnahme der Lawinengefahr
ist weniger deutlich, im Einzelfall auch gar nicht direkt an äusserlich sichtbare Prozesse gebunden,
sondern kann nur durch Schneedeckenuntersuchungen und Stabilitätstests oder eine Abnahme
der Lawinenaktivität nachvollzogen werden.
Möglichkeiten und Grenzen des Lawinenbulletins
Möglichkeiten
Grenzen
In der Kernaussage informiert das Lawinenbulletin
regelmässig (von zwei Mal täglich wie in der Schweiz
bis nach Bedarf mehrmals pro Woche in anderen
europäischen Ländern) über die regionale Entwicklung
der Lawinengefahr.
Im Falle der Schweiz können zwischen dem Nationalen
Lawinenbulletin, das am Vorabend erscheint, und den
Regionalen Lawinenbulletins, die am Morgen herausgegeben werden, aus zwei Gründen Abweichungen in
der Einschätzung entstehen:
a) Durch eine unerwartete Veränderung der Situation
über Nacht resp. durch neue Informationen, die eine
Anpassung der Einschätzung nötig machen.
b) Die Regionalen Lawinenbulletins werden vorwiegend
in graphischer Form publiziert und lassen daher einen höheren Detaillierungsgrad zu. Damit können
Regionen feiner unterteilt werden als im Nationalen
Lawinenbulletin (solche Abweichungen werden
möglichst vermieden, wobei dadurch die Aufzählung
der Regionen in den Nationalen Lawinenbulletins
kompliziert und schwer verständlich werden kann).
Das Lawinenbulletin enthält deutlich mehr als nur eine
Gefahrenstufe. Zusätzliche Informationen zur
allgemeinen schnee- und lawinenrelevanten Wettersituation sowie nähere Angaben zur Lokalisierung der
besonders gefährdeten Geländeteile sind fester
Bestandteil und werden wenn nötig ebenfalls regional
differenziert.
Die Abfassung der Lawinenbulletins ist immer eher
generell. Naturgegebene Umstände (z.B. fliessende
Grenzen, lokale Unterschiede, zeitliche (manchmal
schnelle) Veränderungen), die regionale Informationsdichte und schwer zu prognostizierende Neuschneemengen sind die wesentlichsten Gründe dafür.
Bei regionalen Differenzierungen muss berücksichtigt
werden, dass diese Differenzierungen keine scharfen
Grenzen beinhalten und die Übergänge, sowohl zwischen den Gefahrenstufen der Regionen, Höhenlagen
und Expositionen naturgemäss nicht scharf, sondern
fliessend und von unterschiedlicher Bandbreite sind.
Dasselbe gilt für einen Tagesgang der Lawinengefahr,
wie er im Frühjahr typisch ist.
30
Lawinen und Recht
Die Gefahrenstufen werden in Europa einheitlich nach
dem Schema der 5teiligen europäischen Gefahrenstufenskala verwendet, die seit 10 Jahren im Einsatz
ist. Damit wird weitestgehend sichergestellt, dass die
Grundlage für die Einschätzung der Lawinengefahr in
den unterschiedlichen Ländern dieselbe ist. Dies ist vor
allem in grenznahen Regionen und für Personen
wichtig, die sich in verschiedenen Ländern bewegen.
Die Gefahrenstufen sind verbal umschrieben. Eine
Gefahrenstufe ist nicht eindeutig definiert, sondern
kann sich aus unterschiedlichen Ausprägungen von
Auslösebereitschaft, Verbreitung der Gefahrenstellen
sowie Anzahl und Grösse der Lawinen zusammensetzen. Auch das erklärt Übergangsbereiche zwischen den
Gefahrenstufen.
Auch ein gemeinsames Glossar zur Erklärung von viel
verwendeten Begriffen dient dem besseren, grenzüberschreitenden Verständnis. In Übersee kommen dieselben Gefahrenstufen in ähnlicher Form zur Anwendung.
Die Lawinenbulletins richten sich an unterschiedliche
Benutzergruppen, die von der breiten Öffentlichkeit
bis zur professionellen Anwendung reichen.
Es sind erst erste Ansätze vorhanden, die Lawinenbulletins auf die unterschiedlichen Benutzergruppen
abzustimmen.
Mit Zusatzprodukten wie z.B. Schneehöhenkarten,
Neuschneekarten, Schneedeckenstabilitätskarten und
WinterAktuell wird die Interpretation des Lawinenbulletins unterstützt und die Information ergänzt. Für
Sicherheitsdienste stehen spezielle Informationskanäle
mit zusätzlichen Produkten zur Verfügung.
Das Lawinenbulletin wird auf allen möglichen Verteilkanälen publiziert, so dass es für alle zugänglich ist.
Für nicht-graphische Verteilkanäle wie z.B. das Telefon
müssen Regionen aufgezählt werden. Das verringert
die Verständlichkeit gegenüber einer Karte.
In den Medien werden die Informationen immer wieder
stark gekürzt und die Gefahrenstufen durch Vermischen
von Fachausdrücken und allg. Sprache, v.a. das Wort
«gross», teils nicht korrekt wiedergegeben. Diesem Umstand muss durch eine möglichst gute Zusammenarbeit
entgegen gewirkt werden.
Das Lawinenbulletin dient als Basisinformation. Für
Lawinensicherheitsfachleute, die in speziellen Kursen
ausgebildet werden und über eigene, lokale Informationen verfügen, legt es den Grundstein für eine verfeinerte lokale Einschätzung. Für den touristischen Bereich
hat der Stellenwert des Lawinenbulletins mit der
Einführung der unterschiedlichen strategischen
Methoden im letzten Jahrzehnt deutlich an Gewicht
gewonnen.
Nie kann in einem Lawinenbulletin eine Einzelhangbeurteilung vorgenommen werden. Der genaue Auslösezeitpunkt sowie die eigentlichen Lawinenanrissflächen
können im voraus nicht bestimmt werden. Es braucht
Umsetzungsarbeit durch den Benutzer, die regionale
Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Lawinen
(Gefahrenstufe) auf den Einzelhang herunter zu brechen (Ja/Nein-Entscheidung). Zusätzliche lokale
Informationen (eigene Messungen und Beobachtungen sowie Gebietskenntnis und eine entsprechende
Ausbildung) sind dazu nötig, das Lawinenbulletin
allenfalls anzupassen (regionale Beobachtungen,
Abweichung begründen) und in Zusammenhang mit
der lokalen Situation zu bringen. Dies alles hilft, eine
möglichst gute Einschätzung der lokalen Situation vorzunehmen, jetzt auch unter der Berücksichtigung eines
möglichen Risikos. Das allfällige Ergreifen von örtlich
bedingten Massnahmen muss durch den Benutzer im
Gelände entschieden werden (Warntafel resp. -leuchte, Strassensperrung, künstliche Lawinenauslösung,
Evakuation) und darf nicht zwingend und alleine auf die
Gefahrenstufe im Lawinenbulletin abgestützt sein. Eine
Festlegung von Auslösezeitpunkt und Lawinengrösse
ist aber auch unter Einbezug aller Informationen und
Erfahrung nur sehr bedingt in Form von Zeitbereichen
und erfahrungsbasierten Annahmen möglich.
31
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Das Lawinenbulletin beschreibt die Gefahr und nicht
das Risiko.
Folgende Situation kann für die Kommunikation der
Lawinengefahr eine grosse Herausforderung bedeuten:
Über ein Wochenende nimmt die Lawinengefahr von
der Stufe 4 (gross) am Samstag auf Stufe 3 (erheblich)
am Sonntag ab. Am Samstag herrschen sehr schlechte
Sichtverhältnisse, am Sonntag ist das Wetter strahlend schön. Folglich sind am Sonntag, allein schon
aufgrund des besseren Wetters, viel mehr Leute im
freien Gelände unterwegs als am Samstag. Deshalb ist
aufgrund der höheren Präsenzwahrscheinlichkeit die
Wahrscheinlichkeit für einen Lawinenunfall am Sonntag
grösser als am Samstag (Risiko), obwohl die Lawinengefahr am Sonntag kleiner ist als am Samstag. Geschehen am Sonntag Lawinenunfälle, wird dieser Tag
als gefährlicher wahrgenommen als der Samstag. Wer
mit der Materie und Terminologie nicht vertraut ist, wird
sich fragen, weshalb die Lawinengefahr im Lawinenbulletin zurückgenommen wurde.
Das Lawinenbulletin gilt für das freie Gelände ausserhalb der durch die lokalen Sicherheitsdienste zu
sichernden Gebiete, also ausserhalb der kontrollierten
Abfahrten (Abfahrtsrouten und Pisten).
In häufig durch Wintersportler befahrenen Hängen ist
die Schneedecke oft stabiler als in selten befahrenen
Hängen. Im viel befahrenen Variantenbereich ist dieser Effekt oft besonders ausgeprägt. Die Grenze zum
wenig befahrenen Gelände ist zwar im Einzelfall scharf,
aber abhängig von der Jahreszeit und der Schneelage
von Jahr zu Jahr variabel und für das Publikum (nach
einem Schneefall) nicht nachvollziehbar. Für den viel
befahrenen Bereich sind gegebenenfalls alle Warnungen zu hoch (Lawinenbulletin, Bergbahn) und erwecken
beim Gast einen falschen Eindruck («Es gibt keine Lawinen, also ist die Warnung falsch»). Erst wenn der Gast
sich aus dem viel befahrenen Bereich hinausbegibt,
bewegt er sich in Gelände, für das die Einschätzung
gilt. Ein Problembereich, mit dem Erfahrene in der Regel umgehen können. Für Unerfahrene ist der richtige
Umgang mit dieser Situation schwierig.
6
Les données de base peuvent être réparties dans deux
domaines: la météo et le manteau neigeux. Comme
données météorologiques, on dispose d’une multitude
d’informations quotidiennes (valeurs de mesure, bulletins, modèles prévisionnels ou webcams provenant des
services météorologiques ou des réseaux de mesure
pour les prévisions d’avalanches). Par rapport à cela et
par rapport à l’importance pour l’évaluation du danger
d’avalanche, il y a des informations moins denses fournies par le manteau neigeux (les profils stratigraphiques
relevés toutes les deux semaines sur des plans horizontaux et des pentes raides avec des tests de stabilité,
les observations quotidiennes relatives aux avalanches
et à la constitution de la surface neigeuse fournies par
les observateurs, les responsables des services de
sécurité, les guides de montagne, les guides de randonnées et les randonneurs ainsi que les analyses de
terrain effectuées par le service des avalanches).
Pour l’élaboration des prévisions d’avalanches, il y a
lieu – en se basant sur les données fondamentales ainsi
sur des relevés situationnels dans les régions particulièrement critiques – d’évaluer l’influence de la météo
(précipitations, vent, température de l’air, rayonnement)
et du terrain (configuration, altitude, exposition, région)
sur la constitution du manteau neigeux. De ces données,
Literatur
Eidgenössisches Institut für Schnee- und Lawinenforschung (Hrsg.) 2004: Lawinenbulletins und weitere
Produkte des Eidg. Institutes für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Davos. Mitteilungen Eidg. Institut
für Schnee- und Lawinenforschung. 50 (7. Aufl .): 36 S.
Europäische Lawinenwarndienste: www.lawinen.org
Thomas Stucki ist Leiter des Lawinenwarndienstes am
Eidgenössischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF Davos.
Résumé: Comment est rédigé un
bulletin d’avalanches?
L’exposé se fonde sur la situation en Suisse. Lorsque
c’est nécessaire, il est fait référence à des différences
propres au pays. Du point de vue des principes, la procédure est cependant très comparable dans tous les
pays alpins (p.ex. utilisation de l’échelle européenne du
danger d’avalanche).
32
Lawinen und Recht
on déduit des conclusions pour la stabilité du manteau
neigeux ou la répartition des endroits dangereux et
donc pour la probabilité de déclenchement d’avalanches. La multitude de possibilités de combinaison et le
poids des différents facteurs en fonction de la situation
constituent un véritable défi lors de l’élaboration des
prévisions d’avalanches. A cela s’ajoute qu’il y a parfois
des informations incertaines (comme par exemple les
prévisions de précipitations), lacunaires ou contradictoires qui jouent également un rôle dans l’imprécision
des prévisions.
Dans sa partie principale, le bulletin d’avalanches
informe quotidiennement les différents usagers (le public en général, mais également les utilisateurs professionnels) sur le développement du danger d’avalanche.
Au moyen des cinq degrés de danger de l’échelle européenne du danger d’avalanche (faible, limité, marqué,
fort, très fort), le bulletin d’avalanches donne une vue
régionale générale de la probabilité de survenance et
du nombre possible ainsi que de l’ampleur des avalanches. On apprécie le danger et non le risque. Le bulletin
d’avalanches indique les parties du terrain où il faut
s’attendre à des endroits particulièrement critiques.
D’autres prestations telles que par exemple les cartes
du danger, les cartes d’enneigement, les cartes de neige
fraîche, les cartes de stabilité du manteau neigeux ou
«JournalBlanc» facilitent l’interprétation et complètent
l’information. C’est surtout en combinaison avec les
méthodes stratégiques pour le randonneur à ski que le
bulletin d’avalanches a acquis, au cours de la dernière
décennie, une grande importance comme information
de base.
Le contenu du bulletin d’avalanches est toujours plutôt
général et comporte des imprécisions. Ceci résulte,
d’une part, des circonstances naturelles (absence de
frontières nettes), des possibilités d’évaluation (compréhension des processus et disponibilité des données
fondamentales) ainsi que de la formulation des prévisions. Les limites entre deux niveaux de danger différents sont toujours progressives et les zones de chevauchement sont variables. Le bulletin d’avalanches
couvre des zones en dehors des domaines qui relèvent
de la responsabilité des services locaux de sécurisation, c’est-à-dire en dehors des descentes contrôlées
(itinéraires de descentes et pistes). Le point précis de
décrochement ainsi que la superficie de rupture proprement dite d’une avalanche ne peuvent être déterminés à l’avance avec précision (il n’y a pas d’évaluation
individuelle des pentes). Pour l’application sur le terrain,
il convient dans tous les cas de vérifier le degré de danger indiqué dans le bulletin d’avalanches sur la base
des informations locales (observations et mesures propres) et, si nécessaire, il faut adapter les indications du
bulletin. La prise éventuelle de décision en fonction des
conditions ponctuelles appartient à l’usager du bulletin
d’avalanches sur le terrain.
Thomas Stucki est directeur du Service des avalanches
à l’Institut fédéral pour l’étude de la neige et des avalanches, ENA, Davos.
Riassunto: Come nasce un bollettino
delle valanghe?
Questa relazione si basa sulla situazione in Svizzera.
Eventuali divergenze importanti adottate in altri paesi
verranno espressamente citate. La procedura di base è
comunque molto identica in tutti i paesi dell’arco alpino
(p.es. utilizzo della scala europea del pericolo di valanghe).
I dati su cui si basa la previsione possono essere suddivisi in dati meteorologici e dati del manto nevoso.
Sotto forma di dati meteorologici è disponibile una
grande quantità di informazioni quotidiane (valori rilevati,
resoconti, modelli di previsione, webcam, fonte: servizi
meteorologici, reti di rilevamento per la prevenzione
contro le valanghe). Rispetto a questa ricca fonte di dati
e in relazione alla loro importanza ai fini della valutazione
del pericolo di valanghe, il manto nevoso fornisce invece
meno informazioni: un profilo stratigrafico ogni 14 giorni su terreno pianeggiante e su pendii ripidi con test di
stabilità, osservazioni quotidiane di valanghe e delle
caratteristiche del manto nevoso. Fonte: osservatori,
responsabili della sicurezza, guide alpine, guide e partecipanti di escursioni scialpinistiche e indagini sul
campo effettuate dal servizio di prevenzione valanghe).
Sulla base dei dati disponibili e di indagini mirate nelle
zone particolarmente critiche, per realizzare un bollettino delle valanghe è necessario valutare quali in flussi
esercitano il tempo (precipitazioni, venti, temperatura
dell’aria, irradiazione) e il terreno (orografia, altitudine,
esposizione, regione) sulla struttura del manto nevoso.
Da questi dati è possibile trarre conclusioni sulla stabilità
del manto nevoso, ovvero sulla diffusione dei punti pericolosi e quindi sulla probabilità di distacco di eventuali
valanghe. La varietà delle possibilità di combinazione e il
peso esercitato a livello locale da alcuni fattori sono le
sfide che deve affrontare chi scrive il bollettino delle valanghe. Non bisogna poi dimenticare che in tutti questi
dati confluiscono spesso anche informazioni parzialmente incerte (p.es. incertezza nella previsione delle
precipitazioni), lacunose o contraddittorie, che danno il
loro contributo all’indeterminatezza delle previsioni.
La funzione principale del bollettino delle valanghe è
quella di informare quotidianamente i vari utenti (sia il
vasto pubblico che l’utente professionista) sull’evoluzione del pericolo di valanghe. Con i cinque gradi della
scala europea del pericolo di valanghe (debole, moderato, marcato, forte, molto forte) viene fornita una panoramica regionale e generica sulla probabilità di distacco
e sulle possibili quantità/dimensioni delle valanghe. Il
bollettino, che valuta il pericolo e non il rischio, segnala
le regioni in cui è prevista la presenza di punti particolarmente critici. Attraverso ulteriori prodotti, come p.es.
carte di pericolo, carte dell’altezza del manto nevoso,
carte della neve fresca, carte della stabilità del manto
nevoso o «WinterAktuell», l’interpretazione del bollettino viene sostenuta e l’informazione integrata. Soprattutto in relazione ai metodi strategici per lo scialpinista,
negli ultimi decenni il bollettino delle valanghe ha assunto un’importanza sempre maggiore come mezzo
principale di informazione.
I contenuti del bollettino sono sempre piuttosto generici e caratterizzati da una certa indeterminatezza. Ciò è
33
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
dovuto a situazioni naturali (assenza di limiti netti)
indotte dalla valutabilità (comprensione dei processi e
della base di dati) e dalla stesura della previsione. I limiti tra un grado di pericolo e l’altro sono sempre molto
labili e con margini molto variabili. Il bollettino delle
valanghe vale solo per le zone dove si pratica il fuoripista, ovvero al di fuori delle piste delimitate e protette dai
locali servizi di protezione civile (sentieri e piste di
discesa). Il momento esatto in cui si verificherà il distacco e le effettive superfici di frattura non possono
essere determinati con precisione in anticipo (nessuna
valutazione del singolo pendio). Per la messa in pratica
delle informazioni contenute nel bollettino delle valanghe, il grado di pericolo ivi indicato deve in ogni caso
essere integrato con informazioni locali (rilievi e osservazioni fatte personalmente) e se necessario adeguato
alla situazione specifica. L’eventuale adozione di provvedimenti indotti dalla situazione locale deve essere
decisa sul posto dall’utente del bollettino delle valanghe.
Thomas Stucki è direttore del servizio prevenzione
valanghe presso l’Istituto Federale per lo Studio della
Neve e le Valanghe SNV di Davos.
34
Lawinen und Recht
Strategische Methoden für den Skitourenfahrer
Michael Larcher
1
Einleitung
Das jüngste Kapitel in der praktischen Lawinenkunde, das heute allgemein als «strategische Lawinenkunde», oder – treffender – als «strategische
Methoden» bezeichnet wird, wurde vom Schweizer
Bergführer Werner Munter eingeleitet. Mit seiner
«Formel 3 x 3» und der später entwickelten «Reduktionsmethode» (1996 /1997) begründete Munter eine neue Herangehensweise an das Thema
Lawine und schuf neue «Werkzeuge», um JA /
Nein-Entscheidungen im freien Skiraum systematisch herbeizuführen und diese hinsichtlich ihres
Risikopotentials zu bewerten. Im folgenden sollen
die Grundlagen dieser Entwicklung skizziert und
die heute verbreiteten Risiko-Management-Konzepte kurz vorgestellt werden.
2
Die Geschichte
In Werner Munter’s 1992 (2. Aufl.) erschienenen
«Neuen Lawinenkunde» kann man die eigentliche
«Neue Lawinenkunde» bestenfalls erahnen. Zwar
finden wir bereits dort die «Formel 3 x 3 zur ganzheitlichen Beurteilung der Lawinengefahr» (S. 114),
dennoch ist Munter hier noch stark der «analytischen Lawinenkunde» verpflichtet und die Messung der basalen Scherfestigkeit mittels Rutschblockversuch wird als «Entscheidungshilfe zur
Beantwortung der Frage «to go or not to go» (S.
102) angeboten. Noch wesentlicher: es fehlt die
enge Verknüpfung von Gefahrenpotential und
Hangneigung in Form von Obergrenzen- bzw.
«Limit»-Empfehlungen, die dann 1997 in «3 x 3 Lawinen» bzw. in der Reduktionsmethode eine
Schlüsselrolle erhalten.
Munter selbst auf die Frage, was für Ihn den Ausschlag gab: «Ende der 80er Jahre wurde mir endgültig klar, dass die analytische Lawinenkunde
eine Sackgasse darstellte, aus der man nur entweichen konnte, wenn man eine Wende um 180°
machte. Das hochkarätige Problem schien unlösbar: in Minutenschnelle JA /NEIN-Entscheide zu
fällen bei Unsicherheit, Zufall und Komplexität,
von denen Menschenleben abhängen. Zur Verfügung stehen nur die Sinnesorgane und unser
beschränkter Verstand! [...] Ich habe in der Lawinenkunde die Frage der Schneedeckenstabilität –
ein hochkomplexes Patchwork – ersetzt durch die
Frage nach dem Risiko oder einfacher durch die
Frage, WANN, bei welchen Verhältnissen, verzich-
ten wir WO auf welche Hänge? Welche Kombinationen aus ‹Verhältnissen + Gelände + Mensch›
sind gute, welche schlechte Risiken? Was ist ein
gutes, was ein schlechtes Risiko (Frage nach dem
Risikostandard). Um ein konkretes Beispiel zu geben: WANN, bei welcher Gefahrenstufe, ergibt die
Extremkombination ‹extrem steil + Sektor Nord +
unverspurt› ein gutes Risiko? Diese Fragen können wir auch dann beantworten, wenn wir die Stabilität des konkreten Einzelhangs nicht kennen.
Die unfallträchtigste Kombination habe ich mit Rasterfahndung herausgefiltert: den todgeilen Dreier
(ERHEBLICH + extrem steil + Sektor Nord).» (bergundsteigen 4/05, S. 16)
3
Bausteine der strategischen
Methoden
Nach nun mehr als fünf Jahren Neue Lawinenkunde lassen sich deutlich Chancen und die Eckpfeiler dieser Methoden erkennen. Die wesentlichen
Merkmale sind:
1. Die Strukturierung des Entscheidungsprozesses
Gerade in der Ausbildung ist dieses Merkmal
von immenser Bedeutung. Das Chaos im Prozess der Entscheidungsfindung wurde abgelöst durch einen Katalog präziser Fragestellungen, die dem Tourenskifahrer den Weg
zu JA /NEIN-Entscheidungen weisen.
2. Die Obergrenzen-Empfehlung
Vielleicht das Herzstück und das revolutionärste
Element der strategischen Methoden bilden die
sogenannten Obergrenzen-Empfehlungen (auch
«Limits» genannt). Dabei wird das allgemeine Risikopotential, das in der Gefahrenstufe des Lawinenlageberichts seinen verdichteten Ausdruck
findet, in Beziehung gesetzt zur Hangneigung.
Am Beispiel der elementaren Reduktionsmethode: Verzicht auf Hänge mit einer Neigung von
35° und mehr bei Gefahrenstufe ERHEBLICH.
3. Standardmassnahmen
Standardmassnahmen bilden einen dritten Eckpfeiler strategischer Methoden und meinen jene
Massnahmen, die routinemässig – also unabhängig von der konkret erkannten Gefahr – durchzuführen oder anzuwenden sind. Ein Beispiel:
das Überprüfen der LVS-Geräte am Ausgangspunkt von Skitouren oder Varianten (LVS-Check).
Oder z. B. die Empfehlung einer «Standard-Notfallausrüstung» (LVS + Schaufel + Sonde).
35
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
4
Die elementare Reduktionsmethode
Die Methoden
Die durch 3 x 3 und die Reduktionsmethode grundgelegten Konzepte bildeten die Vorlage für weitere
strategische Methoden: In Österreich entwickelten Larcher und Purtscheller das Konzept «Stop
or Go» (1998), Engler und Mersch in Deutschland
die Entscheidungsinstrumente «SnowCard» (2000)
und «Faktorencheck» (seit 80iger Jahre). Im folgenden eine kurze Beschreibung jener Methoden,
die heute eine grössere Verbreitung aufweisen.
4.1
Die Reduktionsmethode (und ihre
Ausformulierungen)
Elementare Reduktionsmethode
Als «Hauptgrundsatz der praktischen Lawinenkunde» bezeichnet Munter jene Kurzfassung der Reduktionsmethode, die wir heute als «elementare
Reduktionsmethode» kennen: Bei MÄSSIG geht
man in allen Expositionen nicht über 39°, bei ERHEBLICH nicht über 34° und bei GROSS beschränken wir uns auf mässig steiles Gelände (unter 30°).
Bei Gefahrenstufe
nicht über
2 MÄSSIG
3 ERHEBLICH
4 GROSS
39°
34°
30°
Reduktionsmethode: Risikoformel + Reduktionsfaktoren
Als die «eigentliche» Reduktionsmethode wird
heute jene Form verstanden, in der mithilfe der Risikoformel ein verbleibendes Restrisiko ermittelt
wird. Es ist übrigens die einzige Methode, die mit
konkreten Zahlen arbeitet und dadurch erstmalig
eine Quantifizierung des Risikos ermöglicht.
In der Risikoformel zur Berechnung des Restrisikos wird das Gefahrenpotential dividiert durch
Reduktionsfaktoren. Die Werte für das Gefahrenpotential resultieren aus Munter’s umfangreichen
Untersuchungen der mittleren Schneedeckenstabilität (MISTA), die ihn zur Erkenntnis führten, dass
sich das Gefahrenpotential von Gefahrenstufe zu
Gefahrenstufe verdoppelt, also ein exponentielles
Die [eigentliche] Reduktionsmethode
Risiko gemäss Reduktionsmethode (RRM)
Gefahrenpotential
RRM =
⭐1
Red.faktor x Red.faktor
Gefahrenstufe
Gefahrenpotential
1 GERING
2
2 MÄSSIG
4
3 ERHEBLICH
8
Bei der lokalen Einschätzung des Gefahrenpotentials können Zwischenwerte geschätzt werden. Einige Reduktionsfaktoren (RF) können kombiniert werden, in diesem Fall multiplizieren sie sich.
Die Reduktionsfaktoren und ihre Kombinationen
Nr. 1 oder
Nr. 2 oder
Nr. 3
steilste Hangpartie 35–39° (weniger als 40°)
steilste Hangpartie um 35°
steilste Hangpartie 30–34° (weniger als 35°)
RF 2
RF 3
RF 4
erstklassig
Bei ERHEBLICH muss ein erstklassiger RF gewählt werden
Nr. 4 oder
Nr. 5 oder
Nr. 6
Nr. 7
Verzicht auf Sektor NORD (NW-N-NE)
Verzicht auf nördl. Hälfte (WNW-N-ESE)
Verzicht auf die im Lawinenlagebericht genannten
kritischen Hang- und Höhenlagen (= Schnittmenge)
ständig befahrene Hänge
RF 2
RF 3
zweitklassig
RF 4
RF 2
Die zweitklassigen RF sind ungültig bei nassem Schnee
Nr. 8 oder
Nr. 9 oder
Nr. 10
grosse Gruppe mit Entlastungsabständen
kleine Gruppe (2–4 Personen)
kleine Gruppe mit Entlastungsabständen
Entlastungsabstand mind. 10 m im Aufstieg, in der Abfahrt mehr
Aus: Werner Munter, 3 x 3LAWINEN. 2003, S.12.
36
RF 2
RF 2
RF 3
drittklassig
Lawinen und Recht
Wachstum aufweist. Daher können die Gefahrenstufen der Europäischen Gefahrenskala auch nicht
mit dem tatsächlichen Gefahrenpotential gleichgesetzt werden, sondern müssen als Exponent
zur Basis 2 verwendet werden: Gefahrenstufe 1
ergibt als Potential: 21 = 2; Gefahrenstufe 2 ergibt
als Potential: 22 = 4; Gefahrenstufe 3 ergibt als Potential: 23 = 8 usw.
Die Reduktionsfaktoren, die Munter in erst-, zweitund drittklassige Faktoren einteilt, gewinnt Munter
vorrangig aus der Unfallstatistik. Die Verteilung
der tödlichen Unfälle auf die jeweilige Exposition
und die Steilheit von Schneebrettlawinen bildet
dafür die Grundlage. Die Schlussfolgerung daraus: 54% der Unfälle weisen Hangneigungen mit
40° und mehr auf, daher ergibt ein Verzicht auf
diese Neigungsklasse eine Halbierung des Risikos
(RF 2). Oder: ca. 2/3 der Lawinentoten finden sich
in den Expositionen WNW-ESE, also auf der Nordhälfte. Ein Verzicht auf diese Expositionen ergibt
eine Risikoreduktion um den Faktor 3 (RF 3).
Den bei diesem Risikokalkül zu erreichenden Wert
1 (oder kleiner), bezeichnet Munter als reine «Willkür» und dieser hänge einzig davon ab, wie viel
Unfälle man bereit sei zu akzeptieren. Die Risikoreduktion auf 1 zwinge in jedem Fall zu defensiven
Entscheidungen mit Reserven und wird gerade im
Hinblick auf Verantwortungsträger (Bergführer,
Jugendleiter) empfohlen.
Reduktionsmethode: Goldene Regel – Entscheidungsmatrix auf dem Bierdeckel
Mit der goldenen Regel bietet Munter dem Skitourengeher die Möglichkeit, seine Reduktionsmethode anzuwenden, ohne rechnen zu müssen.
Diese Form eines Schnell-Checks entwickelte
Munter zuletzt noch weiter zur «Entscheidungsmatrix auf dem Bierdeckel» (Abb. 1).
4.2
Stop or Go
In Österreich wurde 1998 von den Bergführern
Michael Larcher und Robert Purtscheller der Impuls durch Munter’s Reduktionsmethode aufgenommen und das Risiko-Management-Konzept
«Stop or Go» entwickelt (Abb. 2). Die Tourenführer
des Oesterreichischen Alpenvereins waren bei der
Konzeption dieses Sicherheitskonzepts die primäre Zielgruppe. Die zwei Pfeiler von Stop or Go:
1. Die Entscheidungsstrategie von Stop or Go arbeitet mit der elementaren Reduktionsmethode
als ersten Filter (Check 1). Die Überschreitung
dieser Grenzen ist möglich, muss allerdings
begründet werden durch: «stark verspurt» (und
ich bleibe innerhalb des verspurten Bereichs)
oder «sichere Geländeform» oder «lawinensichere Geländeform» oder «dichter Wald» oder
«Schmelzharschdeckel».
Das daraus resultierende Ergebnis ist dann
noch anhand eines Gefahrenzeichenkatalogs
zu überprüfen (Check 2). Dieser Check 2 erfüllt
neben seiner Kontrollfunktion vor allem die Aufgabe, die Wahrnehmung des Tourengehers auf
Merkmale der Schneedecke zu lenken, diese
zu interpretieren und zu bewerten (ähnlich wie
Faktorencheck; siehe unten). Und evtl. auch
zur Nachjustierung der Gefahrenstufe (nach
oben oder nach unten)
2. Die Standardmassnahmen werden in die Bereiche Planung und Gelände eingeteilt und
empfehlen zumutbare (?) Massnahmen, die unabhängig von der konkreten Gefahrensituation
anzuwenden sind.
Bei Gefahrenstufe
1 GERING
2 MÄSSIG
3 ERHEBLICH
1 beliebiger RF
2 beliebige RF
1 erst-, 1 zweit*-, 1 drittklassiger RF
* sind bei ERHEBLICH keine zweitklassigen RF verfügbar, müssen wir
unter 35° bleiben und Entlastungsabstände einhalten.
Abb. 1: Die goldene Regel als «Entscheidungsmatrix auf dem Bierdeckel».
37
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Abb. 2: Stop or Go – das Risiko-Management-Konzept des Oesterreichischen Alpenvereins.
Abb. 3: SnowCard (oben) und Faktorencheck (unten) – die Risiko-Management-Konzepte des Deutschen Alpenvereins.
38
Lawinen und Recht
4.3
SnowCard und Faktorencheck
Im Deutschen Alpenverein waren es die Bergführer Martin Engler und Jan Mersch, die – ebenfalls
auf der Grundlage von Munter das Risikomanagement-Instrument «SnowCard» entwickelten. Zudem wurde von Engler der «Faktorencheck», der
bereits seit Mitte der achtziger Jahre existiert,
weiterentwickelt und publiziert (Abb. 3).
– Die SnowCard integriert – ähnlich wie Stop or
Go – zur Risikoabwägung die elementare
Reduktionsmethode. Der Zusammenhang von
Gefahrenstufe und Hangsteilheit wird hier allerdings grafisch dargestellt, was die Darstellung
von Unschärfen mithilfe von farblichen Übergängen ermöglicht. Zudem wird die Exposition
in der Form berücksichtigt, dass sich zwei
unterschiedliche Risikopotential-Informationen
ergeben, je nachdem ob ich mich in der «ungünstigen Exposition» oder in der günstigen
Exposition befinde. Die drei Hauptfragen der
SnowCard: Gefahrengrad? – Steilheit? – Exposition günstig / ungünstig?
– Der Faktorencheck stellt ein eigenständiges Risiko-Management-Instrument dar und basiert
auf dem Prinzip, die Schneedecke in die relevanten Einzelfaktoren zu zerlegen, diese einzeln
zu bewerten und später zu einem ganzen Beurteilungsbild zusammenzuführen. Als die relevanten Einzelfaktoren werden bewertet: die
letzte Schneefallperiode, der Wind, die Temperatur, die Altschneedecke und die Altschneehöhe.
5
Abschliessend
Wenn heute in vielen Ausbildungskursen strategische Methoden angeboten und vermittelt werden,
so kann das durchaus als ein Zeichen für deren
grundsätzliche Akzeptanz in breiten Kreisen der
Experten gewertet werden. Völlig verstanden und
akzeptiert ist der Neuansatz allerdings bis heute
nicht (auch nicht von Experten!).
Funktionieren die strategischen Methoden und
treffen Skitourenfahrer damit bessere Entscheidungen? Munter abschliessend dazu: «Als ich
1996 ans Institut für Schnee und Lawinenforschung in Davos berufen wurde, musste ich ein
Ziel nennen, das ich in der mir verbleibenden Frist
von 10 Jahren erreichen wollte. Ich nannte kühn
die Halbierung der Zahl der Lawinentoten im freien Skigelände. Dieses Ziel ist erreicht, obwohl mir
damals Unfallexperten sagten, das sei vielleicht
etwas zu hoch gegriffen, weil ich ja keine Möglichkeit habe die Leute zu zwingen, sondern auf Aufklärung und Überzeugung setzen müsse.» (bergundsteigen 4/05, S. 19)
6
Literatur
Engler, Martin: Die weisse Gefahr: Schnee und Lawinen.
Erfahrungen – Mechanismen – Risikomanagement,
Sulzberg 2001
Larcher, Michael: Stop or Go Entscheiden und Handeln abseits gesicherter Pisten. In: bergundsteigen. Zeitschrift
für Risikomanagement im Bergsport, 4/02, S. 36 ff
Mersch, Jan: Strategie [DAV]. Strategische Lawinenkunde
im DAV. In: bergundsteigen. Zeitschrift für Risikomanagement im Bergsport, 4/05, S.42 ff
Munter, Werner: Neue Lawinenkunde. Ein Leitfaden für die
Praxis, 2. Auflage 1992
Munter, Werner: 3 x 3 Lawinen. Entscheiden in kritischen
Situationen, 1997
Munter, Werner: Im Gespräch mit dem Bergführer und Lawinenexperten Werner Munter. In: bergundsteigen. Zeitschrift für Risikomanagement im Bergsport, 4/05, S.16 ff
Michael Larcher ist Ausbildungsleiter beim Österreichischen Alpenverein. Chefredakteur «bergundsteigen»
und Sachverständiger.
Résumé: Méthodes stratégiques pour
les randonneurs à ski
Le dernier chapitre dans l’étude pratique des avalanches que l’on nomme aujourd’hui généralement «étude
stratégique des avalanches» est l’œuvre de l’expert
suisse en avalanches Werner Munter. Par sa «formule
3 × 3» et la «méthode des réductions» développée ultérieurement (1996/97), W. Munter propose une nouvelle
approche de la problématique des avalanches en
créant de nouveaux «outils» permettant de prendre
systématiquement des décisions «oui» ou «non» lorsqu’on se trouve en montagne dans des conditions
hivernales d’insécurité et d’apprécier ces décisions
sous l’angle du potentiel de risque d’avalanche.
Les concepts fondés sur la formule 3 × 3 et la méthode
des réductions sont à l’origine de la présentation
d’autres méthodes stratégiques: En Autriche, Larcher
et Purtscheller ont développé l’approche «Stop or Go»
(1998), et en Allemagne, Engler propose les instruments
de décision «SnowCard and Factor check» (2000).
L’élément nouveau dans ces méthodes stratégiques est
l’approche systématique de la prise de décision. C’est
ainsi qu’au moyen de check-lists et de questions directrices, le randonneur à ski doit examiner et évaluer tous
les facteurs importants qui déterminent le risque d’avalanche (et qui lui sont accessibles!). Un autre élément
important est ce que l’on appelle les «limites». Dans ce
cas, le degré de danger indiqué dans le bulletin relatif à
la situation avalancheuse est mis en rapport avec le paramètre le plus important du terrain, à savoir la déclivité
de la pente. Ainsi par exemple pour le degré trois («marqué»), il convient de renoncer aux pentes d’une déclivité de 35° ou plus. Cette relation étroite entre le degré
de danger et la déclivité peut sans doute être considérée aujourd’hui comme l’élément le plus important et le
plus utile des méthodes stratégiques.
39
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
La recherche et le développement de méthodes stratégiques ont en outre été influencés par des accidents
graves imputables à des guides de montagne, c’est-àdire à des experts reconnus. Les points faibles de
«l’étude classique des avalanches», c’est-à-dire la prise
de décision «situationnelle» fondée exclusivement sur
l’expérience sont apparus tout aussi clairement que les
points faibles de «l’étude analytique des avalanches»
qui visait à fonder des décisions «oui» ou «non» sur des
examens du manteau neigeux et des tests de stabilité.
Pendant longtemps, on a totalement ignoré que cette
dernière approche pose non seulement problème du
point de vue physique, mais échoue également au
niveau de l’acceptabilité dans le groupe cible.
W. Munter a mis en évidence l’impossibilité fondamentale d’évaluer de manière fiable le manteau neigeux
sous l’angle de sa stabilité. Il a trouvé une issue au
dilemme en se tournant vers les statistiques et vers la
réflexion en termes de probabilité.
Si aujourd’hui de nombreux cours de formation proposent et enseignent des méthodes stratégiques c’est
assurément un signe qu’elles sont fondamentalement
acceptées par un grand nombre d’experts. Cette nouvelle approche n’est cependant pas encore pleinement
comprise et acceptée à ce jour, même parmi les experts,
et une évaluation avec un appui scientifique fait encore
défaut: les méthodes stratégiques fonctionnent-elles et
permettent-elles aux randonneurs à ski de prendre de
meilleures décisions?
Michael Larcher est responsable de la formation au
Club alpin autrichien (OEAV), rédacteur en chef de
«bergundsteigen» et expert.
Riassunto: Metodi strategici per lo
scialpinista
L’ultimo capitolo della nivologia pratica, che viene oggi
generalmente denominato «nivologia strategica», è stato
scritto dall’esperto di valanghe svizzero Werner Munter.
Con la sua «formula 3 × 3» e il «metodo di riduzione del
rischio» sviluppato successivamente (1996/97), Munter
ha introdotto un nuovo metodo di avvicinamento al
tema valanghe e creato nuovi «strumenti» per suscitare
sistematicamente decisioni «sì-no» nelle zone fuoripista e per valutarle dal punto di vista del loro potenziale
di rischio.
I concetti alla base della formula 3 × 3 e del metodo di
riduzione del rischio sono stati il modello che hanno poi
portato allo sviluppo di ulteriori metodi strategici: in
Austria Larcher e Purtscheller hanno sviluppato il metodo «stop or go» (1998), mentre in Germania Engler ha
introdotto gli strumenti di decisione «snowcard and
check dei fattori» (2000).
L’innovazione di questi metodi strategici è rappresentata da un lato dalla «sistematica della decisione». Per
mezzo di checklist e domande mirate, lo scialpinista
viene indotto a verificare e valutare tutti i principali fattori che determinano il rischio valanghe (e ai quali può
accedere!). Un altro importante contributo viene offerto
dai cosiddetti «limit». In questo caso il grado di pericolo
40
segnalato nel bollettino delle valanghe viene messo in
relazione con il parametro orografico più importante,
ovvero l’inclinazione del pendio: p.es. con grado di
pericolo tre («marcato»), rinunciare ai pendii con inclinazione di 35° o superiore. Questa stretta relazione tra
grado di pericolo e inclinazione del pendio può oggi
essere considerata l’elemento forse più centrale e più
efficace dei metodi strategici.
La domanda e lo sviluppo di metodi strategici sono stati
indotti non per ultimo da gravi incidenti, la cui responsabilità è ricaduta su guide alpine, quindi su apprezzati
esperti. I punti deboli della «nivologia classica», basata
su una decisione «situazionale» derivante solo dall’esperienza, si sono quindi manifestati esattamente
come quelli della «nivologia analitica», che intendeva
motivare una decisione «sì-no» con l’ausilio di indagini
del manto nevoso e test di stabilità. Il fatto che quest’ultimo metodo analitico non solo era problematico dal
punto di vista fisico, ma era un pretesa forse un po’ troppo grande, è stato a lungo ignorato.
Munter ha riconosciuto la sostanziale impossibilità di
valutare in modo affidabile la stabilità del manto nevoso.
Voltando le spalle alle statistiche e alla mentalità probabilistica, ha trovato una via per uscire dal dilemma.
Se oggi molti corsi di formazione offrono e insegnano
metodi strategici, è senza dubbio un segno che sono
fondamentalmente stati accettati dalla maggior parte
degli esperti. Tuttavia sino ad oggi il nuovo principio
non è ancora stato completamente accolto e compreso
neanche dagli esperti, perché continua a soffrire della
mancanza di una concomitante valutazione scientifica:
i metodi strategici funzionano e lo scialpinista è in grado di decidere meglio con il loro aiuto?
Michael Larcher è responsabile della formazione presso il Club Alpino Austriaco. Redattore capo della rivista
«bergundsteigen» e perito in materia.
Lawinen und Recht
Erkannte Gefahr ist halbe Gefahr: Langfristige Lawinenschutzmassnahmen
Stefan Margreth
1
Einleitung
Zwischen 1937 und 2005 gab es in der Schweiz
1727 Lawinentote: 68 % im freien Gelände, 18 %
auf Verkehrsachsen und 14 % in Gebäuden. Bis
1970 wurden durchschnittlich pro Winter 6 Tote in
Gebäuden pro Winter gezählt. Seit 1970 hat sich
diese Zahl jedoch auf unter 1 Lawinentoten reduziert. Der Hauptgrund dürfte darin liegen, dass im
Laufe der Zeit die wichtigsten Gefahrenstellen
erkannt wurden und die getroffenen Lawinenschutzmassnahmen zu wirken begonnen haben.
Der Lawinenwinter 1951 war der Auslöser für eine
Vergrösserung der Investitionen im Bereich des
langfristigen Lawinenschutzes. Erste moderne
Stützverbauungen wurden erstellt. In Siedlungen
sind deshalb Lawinenunfälle heute sehr selten und
treten praktisch nur noch in Katastrophensituationen wie im Lawinenwinter 1999 auf. Ziel des
folgenden Beitrages ist zu zeigen, welche langfristigen Lawinenschutzmassnahmen zum Schutze
von Siedlungen und Verkehrsachsen eingesetzt
werden, was man von ihnen erwarten kann und
wo ihre Grenzen liegen.
2
Integraler Lawinenschutz
Im Gegensatz zu kurzfristigen Lawinenschutzmassnahmen wie Lawinenwarnung, künstliche
Lawinenauslösung oder Evakuierungen wird im
langfristigen Lawinenschutz nicht die aktuelle
Gefahrensituation beurteilt, sondern man betrachtet extreme Szenarien mit Wiederkehrdauern bis
300 Jahren. Bauliche Schutzmassnahmen werden
zu den langfristigen, aktiven Massnahmen gezählt.
Sind sie richtig geplant, ist nur noch in aussergewöhnlichen Lawinensituationen mit einer Gefährdung zu rechnen. Lawinengefahrenkarten dagegen sind langfristige, passive Massnahmen – sie
beeinflussen die Lawinengefahr nicht direkt. Zum
Lösen eines Lawinenproblems gibt es meist nicht
ein «Entweder-Oder», sondern die Kombination
verschiedener Massnahmen stellt oft die beste
Lösung dar.
Mit den beschränkten finanziellen Mitteln und
technischen Möglichkeiten kann eine absolute Sicherheit meist nicht erreicht werden – es verbleiben immer Restrisiken. Daher muss versucht werden, zwischen den Investitionen für eine Schutzmassnahme und dem Ausmass an nach wie vor
möglichen Schäden das Optimum zu finden. In
diesem Zusammenhang spricht man von integralem Lawinenschutz.
3
Rechtliche Grundlagen
Im langfristigen Lawinenschutz ist viel mehr geregelt als im kurzfristigen Lawinenschutz. Die wichtigsten Grundlagen sind das Raumplanungsgesetz
(RPG/SR700), das Waldgesetz (WaG/SR921) und
die Waldverordnung (WaV/SR921.01). Die Kantone
werden darin verpflichtet, Anrissgebiete zu sichern
und die zum Schutz notwendigen Grundlagen zu
erarbeiten, d.h. Gefahrenkataster und Gefahrenkarten. Weiter gibt es Vollzugshilfen wie die «Richtlinie zur Berücksichtigung der Lawinengefahr bei
raumwirksamen Tätigkeiten» (BFF/SLF, 1984), die
das Erstellen von Gefahrenkarten regelt.
4
Lawinengefahrenkarten
Lawinengefahrenkarten unterteilen das Gelände
detailliert in Teilgebiete mit verschiedenen Gefahrenstufen. In der Schweiz wurden die ersten
Gefahrenkarten in den 60er Jahren meist rein gutachtlich ohne fachtechnische Grundlagen erstellt.
Heute sind rund 65 % der gefährdeten Gebiete mit
Lawinengefahrenkarten abgedeckt und 20 % sind
in Bearbeitung. Als Mass für die potentielle Gefährdung gilt die Häufigkeit und die Intensität einer
Lawine.
– Rotes Gebiet bedeutet erhebliche Gefährdung,
und Bauen ist nicht gestattet. Ein Gebiet wird
als rot bezeichnet, wenn es einerseits von Lawinen mit einer Wiederkehrdauer von 30 Jahren
erreicht wird, andererseits wenn bei einer Lawine mit einer Wiederkehrdauer von 300 Jahren
ein Lawinendruck von 30 kN/m2 überschritten
wird. Bei einem Lawinendruck von 30 kN/m2
wird einerseits ein normales Gebäude aus Mauerwerk zerstört, andererseits kann bis zu einem
solchen Druck ein Gebäude mit einem noch
vertretbarem Aufwand verstärkt werden.
– Blaues Gebiet wird von 300jährlichen Lawinen
mit einem Lawinendruck kleiner als 30 kN/m2
erreicht. Eine beschränkte Bautätigkeit mit
Auflagen ist gestattet. Falls gewisse Auflagen
bezüglich Bauweise beachtet werden, sind im
blauen Gebiet während der Lebensdauer eines
41
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Abb. 1. Beispiel für eine Lawinengefahrenkarten mit rotem, blauem und gelbem Gefahrengebiet (Quelle: Amt für
Wald Graubünden).
Gebäudes (50–70 Jahre) Gebäudezerstörungen und damit eine Gefährdung von Personen
im Gebäude nicht zu erwarten.
Gefahrenkarten (Abb. 1) sind bei allen raumwirksamen Tätigkeiten zu berücksichtigen. Dazu
werden Gefahrenkarten in den Nutzungsplänen
grundeigentümerverbindlich umgesetzt. Im Bauund Zonenreglement sind Vorschriften für die Nutzung des roten und blauen Gefahrengebietes zu
formulieren (ARE/BWG/BUWAL, 2005). Für rotes
und blaues Gebiet sind Alarmorganisation und
Evakuationspläne vorzubereiten und die betroffenen Grundeigentümer sind zu informieren.
5
Erarbeitung von Lawinengefahrenkarten
Ein Lawinenniedergang ist ein komplexer, einmaliger, physikalischer Prozess, den man heute nur
ansatzweise versteht und wohl auch in Zukunft
kaum bis in alle Details erfassen kann. Für die Bestimmung der langfristigen Lawinengefahr gibt es
nicht eine allgemein anerkannte richtige Lösung,
sondern zahlreiche, oft verschiedenartige Ansätze. Eine Gefahrenkarte stützt sich auf folgende
Elemente:
– Aufbau und Studium des Ereigniskatasters
– Beurteilung und Begehung des Geländes
– Analyse der klimatischen Verhältnisse
– Einschätzung der zu erwartenden Lawinenarten und Wiederkehrdauern
42
– Beurteilung vorhandener Schutzmassnahmen
– Durchführung von lawinendynamischen
Berechnungen
Die oben aufgeführten Grundlagen müssen vom
Experten für die gesamtheitliche Entscheidfindung gutachtlich analysiert, interpretiert und
gewichtet werden. Die dazu gehörenden Informationen wie beispielsweise die massgebenden Szenarien sind im technischen Bericht einfach und
verständlich darzustellen. Die Zonenabgrenzung
muss nachvollziehbar und gut begründet sein,
denn eine Gefahrenkarte kann zu einem massiven
Wertverlust eines Grundstückes führen. Persönliche und politische Interessen dürfen bei einer Gefahrenbeurteilung nicht berücksichtigt werden.
Die Qualität einer Gefahrenbeurteilung zeigt sich
in der angemessenen Verwendung des bestehenden Ermessensspielraumes. Es muss eine realistische Abwägung zwischen zu optimistischen und
zu pessimistischen Prognosen gemacht werden.
6
Interpretation einer Gefahrenkarte
Eine Gefährdung kann durch unterschiedliche Einwirkungen, Wiederkehrdauern und Intensitäten
zustande kommen. Ein rotes Gebiet kann einerseits durch häufige, andererseits aber auch durch
seltene und sehr intensive Lawinen bestimmt sein.
Ein blaues Gefahrengebiet kann durch häufige
Staublawinen mit schwacher Intensität, aber auch
durch sehr seltene Fliesslawinen mit mittlerer In-
Lawinen und Recht
tensität bedingt sein. So ist es nicht möglich, für
eine Gefahrenstufe einheitliche organisatorische
Massnahmen zu definieren. Weiter können solche
Massnahmen im roten oder blauem Gebiet nicht
automatisch an das Lawinenbulletin geknüpft
werden. Bei der Bulletinstufe 5 «sehr gross» muss
die Evakuation von rotem Gebiet ernsthaft geprüft
werden, zwingend ist sie aber nicht. Die realen lokalen Verhältnisse sind immer entscheidend. Ein
massgebendes Anrissgebiet kann sich z. B. bereits entladen haben oder es können Schutzmassnahmen bestehen, die in der Gefahrenkarte nicht
im vollen Umfang berücksichtigt wurden. Das
Ende eines roten Gebietes wird je nach Geländeund Schneesituation typischerweise alle 15 bis 50
Jahren von Lawinen erreicht. Eine Gefährdung, die
organisatorische Massnahmen bedingt, tritt erfahrungsgemäss nur etwa alle 4 bis 10 Jahre auf.
Die erreichbare Genauigkeit einer Gefahrenkarte
variiert in der Praxis stark, resp. die langfristige
Vorhersehbarkeit eines extremen Lawinenabganges ist beschränkt. Allgemein gilt, je weniger
Grundlagendaten zur Verfügung stehen und je
komplexer sich das Gelände präsentiert, desto
kleiner wird die erreichbare Genauigkeit. Eine inhaltliche, direkte Prüfung einer Gefahrenkarte ist
nur durch das Eintreten des prognostizierten Ereignisses möglich, was natürlich sehr selten der
Fall ist.
Gefahrenkarten werden für ein bestimmtes Szenario erstellt. In einem Szenario werden die Randbedingungen und der Ablauf eines Ereignisses
festgelegt. Man bestimmt den massgebenden Lawinentyp, die Wiederkehrdauer, die Anrissfläche,
die Anrissmächtigkeit, Reibungswerte, das Geländeprofil und so weiter. Die Szenarienbildung ist für
die Ausdehnung der Gefahrengebiete entscheidend. Für die Umsetzung von Gefahrenkarten und
für das Erstellen von Sicherheitskonzepten ist es
wichtig, dass die verantwortlichen Akteure die
massgebenden Szenarien kennen. Tritt beispielsweise ein extremeres oder anderes Szenario auf
als angenommen, können Grenzen von Gefahrenkarten überschritten werden.
7
Beispiel Lawinenkatastrophe von
Galtür vom 23. Februar 1999
Am 23. Februar 1999 brach die Äussere Wasserleiter-Lawine in extremer Grösse an und zerstörte
den Dorfteil Winkl. 31 Personen fanden den Tod.
Die Lawinenkommission von Galtür hielt die Ausdehnung der Gefahrenzonen für das maximal
mögliche Ausmass einer Katastrophenlawine.
Folglich wurden in Galtür nur für die ausgewiesenen Gefahrenzonen Sicherheitsmassnahmen festgelegt. Die Lawinenkommission erkannte nicht,
dass sich im Februar 1999 eine extremere Situation anbahnte, als im Lawinenzonenplan berücksichtigt worden war. Die Tragik an der Unglückslawine von Galtür lag darin, dass das Ausmass viel
grösser war, als im Zonenplan angenommen wurde. Das Hauptschadengebiet befand sich im weissen, also im als sicher angesehenen Gebiet (Abb.
2 und 3). Das SLF untersuchte im Auftrag des
Landesgerichtes Innsbruck das Unglück. Als
Hauptursache für das grosse Lawinenausmass
stellte sich die relativ grosse Basisfestigkeit der
Schneedecke verbunden mit aussergewöhnlichen
Niederschlagsmengen heraus. Weiter wurde fest-
Abb. 2: Zerstörter
Dorfteil Winkl in
Galtür (Photo SLF,
S.Margreth).
43
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Abb. 3: Ausmass der
Unglückslawine von Galtür
in blauer Farbe mit Roten
und Gelben Gefahrenzonen
(Gelb entspricht in etwa
Blau in der Schweiz) (Quelle:
SLF Gutachten 2000.16).
gestellt, dass bei der Erarbeitung des Gefahrenzonenplanes das Gefahrenpotential unterschätzt
wurde, u. a. weil der lückenhafte Kataster optimistisch interpretiert wurde und weil es sich um eine
schwierig zu beurteilende Lawine handelt. Im Gutachten wurde gefolgert, dass es «auch für einen
erfahrenen Zonenplanverfasser mit dem ihm zur
Verfügung stehenden Unterlagen nicht möglich
war, ein so extremes Ausmass dieser Lawine vorherzusehen». Schliesslich wurde das Gerichtsverfahren infolge Unvorhersehbarkeit des Ausmasses
der Lawine eingestellt.
8
Baulicher Lawinenschutz und
seine Grenzen
Bauliche Schutzmassnahmen kommen dort zum
Einsatz, wo bestehende Schutzdefizite (z. B. überbaute Bauzone im roten Gefahrengebiet) mit planerischen Bemühungen nicht beseitigt werden
können. Bauliche Schutzmassnahmen werden
typischerweise auf Szenarien mit einer Wiederkehrdauer von 50 bis 100 Jahren ausgelegt. Sie
bieten eine hohe Sicherheit. Nur aussergewöhnliche Situationen verlangen nach zusätzlichen temporären Massnahmen. Wichtig ist, dass das Bemessungsszenario und das Schutzziel bekannt
sind. In einer kritischen Lawinenperiode muss die
aktuelle Situation mit dem Bemessungsszenario
verglichen werden. In diesem Zusammenhang ist
der Unterhalt der bestehenden Schutzmassnahmen und die periodische Überprüfung ihrer Wirksamkeit von grosser Bedeutung. Die Wirkung von
44
baulichem Lawinenschutz wird in Gefahrenkarten
sehr zurückhaltend berücksichtigt, insbesondere
wenn die Raumnutzung in Richtung der Gefahrenquelle erfolgen soll.
Stützverbauungen: Im Anrissgebiet verhindern
Stützverbauungen das Anbrechen von Lawinen
indem die Schneemassen stabilisiert und zurückbehalten werden (Abb. 4). Oberhalb der Waldgrenze werden heute Stahlschneebrücken oder
Schneenetze eingesetzt. Aus Kostengründen –
eine verbaute Hektare kostet bis 1 Million Franken
– kann oft nicht das gesamte Anrissgebiet verbaut
werden. In den unverbauten Gebieten sind Lawinenanbrüche weiterhin möglich.
Trotz richtiger Planung können Stützwerke überschneit werden. Der Neuschnee wird nicht mehr
abgestützt, und der Anbruch von Oberlawinen
wird möglich. Die Schneehöhe in einer Verbauung
muss fortlaufend überwacht werden. Bei sehr
leichtem Neuschnee, sogenanntem Wildschnee,
oder kohäsionslosem Nassschnee, sind Lawinenanbrüche auch im verbautem Gebiet möglich. Wo
sich das Siedlungsgebiet oder Verkehrsachsen direkt unterhalb der Verbauung befinden, können
solche Lawinen eine Gefährdung darstellen.
Stützwerke können im Laufe der Zeit auch beschädigt und funktionslos werden. Wichtig ist,
dass ihr Zustand jährlich überprüft wird und falls
notwendig Sanierungsmassnahmen vorgenommen werden. Die Planung und Bemessung von
Stützverbauungen ist in der Richtlinie für den
Lawinenverbau im Anbruchgebiet dargestellt
(BUWAL/WSL, 1990 / 2000).
Lawinen und Recht
Abb. 4: Grosser
Lawinenanbruch
neben einer Stützverbauung im Februar
1999. Die instabile
Schneedecke wurde
durch die Stützwerkreihen so stabilisiert,
dass kein Anbruch
erfolgte (Photo SLF,
S.Margreth).
Ablenk- und Auffangdämme: Ablenkdämme aus
Erdmaterial oder Beton lenken Lawinen vom zu
schützenden Objekt ab. Die beste Wirkung zeigen
sie, wenn das Gelände steil und der Ablenkwinkel
nicht grösser als 30° ist.
Auffangdämme bremsen eine Lawine ab und fangen sie auf. Wesentlich ist die Höhe und der Stauraum eines Dammes. Bei grossen Lawinengeschwindigkeiten ist oft eine Höhe von mehr als
20m erforderlich. Im Vergleich zu Stützverbauungen sind Dämme relativ kostengünstig. Oft steht
aber für eine Realisierung der notwendige Raum
nicht zur Verfügung. Für die Bemessung von Dämmen ist die Lawinengeschwindigkeit die entscheidende Grösse. Ist die Geschwindigkeit grösser als
angenommen, wird der Damm überflossen. Dies
ist speziell bei Staublawinen der Fall. Vorverfüllungen von Dämmen, insbesondere im Zusammenhang mit Mehrfachlawinenniedergängen, können
die Wirkungshöhe stark reduzieren. Eine periodische Überprüfung des Dammvorfeldes ist sehr
wichtig. Direkt unterhalb eines Auffangdammes
besteht immer eine Restgefährdung.
9
Lawinengalerien: Lawinengalerien sind der klassische Schutz für Verkehrsachsen. Lawinen überfliessen eine Galerie oder lagern sich auf ihrem
Dach ab, ohne den Verkehr zu beeinträchtigen.
Das Hauptproblem bei Galerien stellt meist die
Galerielänge dar. Infolge der hohen Kosten von
rund 30 000 Franken pro Meter Galerie für eine
zweispurige Strasse, wird die Galerielänge oft zu
kurz bemessen. Bei ungünstiger Topographie
kann bei einer offener Fassade auch Lawinenschnee von unten in die Galerie hereinfliessen. Die
In der Vergangenheit wurden Schutzmassnahmen
oft als Reaktion auf ein Ereignis geplant und realisiert. Heute wird die Planung von Schutzmassnahmen vermehrt risikobasiert vorgenommen
(PLANAT 2004). Die folgenden Fragen stehen dabei im Vordergrund:
Was kann passieren? Diese Frage wird mit einer
Risikoanalyse beantwortet, in dem für ein Gebiet
die Risiken möglichst objektiv erfasst. Risiken entstehen durch die Interaktion zwischen einem ge-
Bemessung von Galerien ist in der Richtlinie «Einwirkungen auf Lawinenschutzgalerien» (ASTRA/
SBB, 1994) zusammengestellt.
Objektschutz: Einzelobjekte können mit einem
sogenannten Objektschutz (verstärkte Wände
ohne Öffnungen, Lawinenkeil, Ebenhöch) effektiv
geschützt werden. Menschen sind in so gesicherten Gebäuden praktisch nicht mehr gefährdet. Der
Aussenraum ist jedoch nicht gesichert. Problematisch kann auch sein, wenn eine intensivere Lawine als angenommen auftritt. Der Objektschutz
wird insbesondere im blauen Gefahrengebiet eingesetzt. Lawinengerechtes Bauen verursacht nur
geringe Mehrkosten (weniger als 10% der Gebäudekosten), wenn zu Beginn der Projektierung die
Gebäudekonzeption entsprechend angepasst
wird. Die Planung von Objektschutzmassnahmen
ist in der Wegleitung «Objektschutz gegen gravitative Naturgefahren» (VKF, 2006) dargestellt.
Planung von Lawinenschutzmassnahmen
45
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
fährlichen Prozess und einem Schadenpotential.
Auf der Gefahrenseite sind die Wahrscheinlichkeit
eines Lawinenabganges und die Intensität einer
Lawine zu bestimmen. Beim Schadenpotential
steht der Wert, die Verletzlichkeit – also wie stark
zum Beispiel eine Haus gebaut ist – und die Präsenzwahrscheinlichkeit im Vordergrund. Je häufiger und intensiver eine Lawine auftritt und je wertvoller und verletzlicher ein Objekt ist, desto grösser wird das Risiko. Das Risiko ist das Mass für die
Grösse der Gefährdung und wird als jährlicher
Schadenerwartungswert in Franken oder als jährliche Todesfallwahrscheinlichkeit dargestellt.
Was darf passieren? Wenn man das Risiko berechnet hat, stellt sich die Frage, ob es akzeptiert
werden kann. Das Risiko muss bewertet werden.
Eine systematische Risikobewertung bei Naturgefahren ist erst seit kurzem in Diskussion und es
gibt nur wenige ausgewertete Erfahrungen. Ein
Ziel der Gesellschaft ist, die Gesamtzahl von Opfern bei allen Risiken möglichst klein zu halten.
Eine solche Optimierung kann nur vorgenommen
werden, wenn in allen Risikosituationen ähnliche
Sicherheitsanstrengungen getroffen werden, um
ein Menschenleben zu retten. Man spricht von so-
10
Grenzkosten
[CHF/T ]
10 Mio.
1 Mio.
1000 000
A SBB Brand und
Freisetzung (1992)
B ÖBB Tunnel (1993)
C SBB Zusammenstösse
und Entgleisungen (1992)
D USA Luftverkehr
E
F
G
H
DB NBS Tunnel (1982)
British Rail (1992)
SBB Arbeitsunflälle (1992)
DB Bahnübergänge
(1986)
J USA Strassenverkehr
Abb. 5. Beispiele von Grenzkosten zur Verhinderung eines Todesopfers in Abhängigkeit von Kategorien. Legende: CHF/T = Schweizerfranken pro verhindertes
Todesopfer (Quelle: BABS, 2003. KATARISK-Studie,
Erläuterung der Methode).
46
genannten Grenzkosten, die beschreiben, wie viel
die Gesellschaft zur Rettung eines Menschenlebens bereit ist zu zahlen. Bei der Risikobewertung
sind die Freiwilligkeit der Risikoübernahme und
die eigene Kontrollmöglichkeiten über das Risiko
von Bedeutung (Abb. 5). Bei einem hohen Selbstbestimmungsgrad, z. B. beim Bergsteigen, ist die
Risikoakzeptanz höher als bei einem kleinem
Selbstbestimmungsgrad z. B. bei der Fahrt mit einem öffentlichen Verkehrsmittel. Auf Grund von
Erfahrungen konnten vier Risikokategorien festgelegt werden. Bei der Kategorie 1 «freiwillig» werden Grenzkosten von rund 1 bis 2 Millionen Franken eingesetzt und bei der Kategorie 4 «unfreiwillig» 10 bis 20 Millionen Franken
Was ist zu tun? Ist ein Risiko nicht akzeptierbar,
muss es reduziert werden. Das Ziel ist mit einem
minimalem Aufwand eine grösstmögliche Sicherheit zu erreichen. Dies kann mit Kosten-Wirksamkeitsberechnungen überprüft werden. Die KostenWirksamkeit ist das Verhältnis von den Massnahmenkosten zur Risikoverminderung. Betragen die
jährlichen Kosten für eine Schutzmassnahme z. B.
0,5 Millionen Franken und die Risikoverminderung
0,18 Todesfälle pro Jahr so berechnet sich die Kosten-Wirksamkeit zu 2,8 Millionen Franken pro gerettetem Menschenleben. Je kleiner die Grenzkosten sind, desto effizienter ist eine Schutzmassnahme. Die Grenzkosten zeigen auf, ob eine
Schutzmassnahme verhältnismässig ist. Der Einbezug der Kosten-Wirksamkeit wird immer wichtiger, denn einen Schutz um jeden Preis ist nicht
möglich.
Schlussbemerkungen
Es wurde gezeigt, mit welchen langfristigen
Schutzmassnahmen wir uns vor Lawinen schützen können und wo die Grenzen der verschiedenen Massnahmen liegen. Lawinengefahrenkarten
stellen eine wichtige Basis für risikogerechtes Planen und für organisatorische Massnahmen dar.
Bauliche Schutzmassnahmen reduzieren das
Risiko, indem beispielsweise durch Stützverbauungen die Anbruchwahrscheinlichkeit oder durch
einen Objektschutz die Verletzlichkeit eine Gebäudes verkleinert wird. Der Vorteil von baulichen
Schutzmassnahmen liegt darin, dass höhere
Schwellenwerte festgelegt werden können, bis organisatorische Massnahmen notwendig werden.
Ein Sicherungsdienst kann sich auf extremere Ereignisse konzentrieren, die häufigen, oft schwierig
zu handhabenden Ereignisse sind nicht mehr
massgebend. Sehr wichtig ist zu wissen, dass
Schutzmassnahmen und Gefahrenkarten ein bestimmtes Szenario abdecken. Das Restrisiko besteht darin, dass ein extremeres Szenario auftritt
Lawinen und Recht
oder dass das Szenario anders als vorgesehen
abläuft. Wichtig ist, dass diese Restrisiken und
möglichen Gegenmassnahmen den Betroffenen
klar kommuniziert werden. Nur so können diese
im Ereignisfall richtig handeln. So sind beispielsweise die Lawinenverhältnisse und die Wirksamkeit einer Schutzmassnahme fortlaufend zu beurteilen, damit in einer Katastrophensituation ihre
Wirkung realistisch eingeschätzt werden kann.
Schliesslich muss man zur Kenntnis nehmen, dass
ein absoluter Schutz vor Lawinen technisch nicht
machbar, finanziell nicht verkraftbar und ökologisch nicht sinnvoll ist. Die Gesellschaft muss lernen, mit Restrisiken richtig umgehen zu können.
11
Literatur
ASTRA/SBB, 1994. Richtlinie Einwirkungen auf Lawinenschutzgalerien. EDMZ, Bern.
ARE/BWG/BUWAL, 2005. Empfehlung – Raumplanung
und Naturgefahren. Verkauf Bundespublikationen,
Bern.
BFF/SLF, 1984. Richtlinie zur Berücksichtigung der Lawinengefahr bei raumwirksamen Tätigkeiten. EDMZ,
Bern.
BUWAL/WSL, 1990/2000. Richtlinie für den Lawinenverbau im Anbruchgebiet. EDMZ, Bern.
PLANAT, 2004. Strategie Naturgefahren Schweiz – Synthesebericht. Nationale Plattform Naturgefahren.
VKF, 2006. Wegleitung – Objektschutz gegen gravitative
Naturgefahren. Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen, Bern.
Stefan Margreth studierte Bauingenieur an der ETH
Zürich und ist heute der Leiter des Teams Lawinenschutz am SLF Davos. Er verfasste zahlreiche Gutachten über Gefahrenbeurteilungen und hat u. a. auch die
Gerichtsexpertise über das Lawinenunglück von Galtür
und Valzur vom Februar 1999 erstellt.
Résumé: Connaître les dangers pour
diminuer les risques: mesures de
protection à long terme contre les
avalanches
L’objectif de cet exposé est de montrer quelles sont les
mesures à long terme mises en place pour protéger les
habitations et les voies de communication contre les
avalanches, ce que l’on peut en attendre et quelles en
sont les limites. Contrairement aux mesures à court
terme telles que les prévisions d’avalanches, le déclenchement artificiel ou les évacuations, la protection à
long terme ne se fonde pas sur l’appréciation actuelle
de la situation de danger, mais sur l’examen de scénarios extrêmes avec des durées de récurrence allant jusqu’à 300 ans. Pour résoudre un problème d’avalanche,
il ne s’agit généralement pas de choisir l’une ou l’autre
possibilité; la meilleure solution est souvent de combiner plusieurs mesures. Avec les moyens financiers et
les possibilités techniques existants, il n’est généralement pas possible d’atteindre une sécurité absolue. Il
s’agit dès lors de trouver la réponse optimale entre les
investissements pour une mesure de protection et l’ampleur des dommages possibles en cas de protection
limitée. On parle dans ce cas de gestion intégrée du
risque.
Les bases juridiques ayant trait à la protection contre
les avalanches figurent pour l’essentiel dans la Loi
fédérale sur les forêts et dans l’Ordonnance fédérale
sur les forêts. Ces textes stipulent que les cantons sont
tenus de sécuriser les zones de décrochement et d’élaborer les bases nécessaires à la protection, c’est-à-dire
un cadastre des dangers et des cartes de danger. La
«directive pour la prise en considération du danger
d’avalanches lors de l’exercice d’activités touchant
l’organisation du territoire» constitue la base pour l’élaboration de cartes des dangers d’avalanche.
Les cartes des dangers d’avalanche divisent la zone en
sous-zones avec différents degrés de danger. La mesure du danger potentiel est la fréquence et l’intensité
d’une avalanche. Une zone rouge représente un danger
marqué (zones non constructibles) et une région bleue
fait référence à des avalanches plus rares d’une intensité plus faible (construction avec respect de certaines
obligations). Pour les zones de danger rouges et bleues,
il y a lieu de prévoir l’organisation d’une alerte et un plan
d’évacuation. Il est en outre précisé comment une carte
des dangers est élaborée et quel degré de précision on
peut en escompter. Pour les situations pour lesquelles
un cas extrême n’est encore jamais intervenu ou n’a
pas été documenté, la précision possible est limitée. Il
est important qu’on adopte une attitude responsable
vis-à-vis de la latitude de jugement présente dans toutes les situations. Dans le rapport technique concernant une carte des dangers, il y a lieu de décrire les
scénarios pris en compte et le danger résiduel existant.
Ces points sont d’une grande importance pour la réalisation de cartes des dangers et l’élaboration de
concepts de sécurisation.
Des constructions paravalanches seront prévues là où
il n’est pas possible de pallier aux déficits de sécurité
existants par des mesures de planification. Dans la
zone de décrochement d’avalanches, des constructions paravalanches empêchent le décrochement des
masses de neige. Sur sa trajectoire, l’avalanche peut
être déviée ou même stoppée par des digues de retenue. Les constructions paravalanches se justifient parfaitement dans le cas de scénarios avec une récurrence
comprise entre 50 et 100 ans. En dépit d’une bonne
planification, il arrive que des ouvrages de stabilisation
soient recouverts de neige ou qu’une digue soit déjà
comblée par des avalanches précédentes. Il est important que, pendant une situation avalancheuse, on
connaisse les limites d’efficacité et qu’on réfléchisse
aux conséquences d’une surcharge. Les mesures de
protection offrent une sécurité élevée. Seules des situations exceptionnelles nécessitent des mesures temporaires supplémentaires. Dans ce contexte, l’entretien
des équipements de protection existants et l’examen
périodique de leur efficacité revêt une grande importance.
47
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Stefan Margreth est ingénieur en construction diplômé
de l’ETH Zurich et est aujourd’hui directeur de l’équipe
de protection contre les avalanches à l’ENA Davos. Il a
rédigé de nombreux rapports d’expertise sur les évaluations de danger et a entre autres établi le rapport
d’expertise relatif à l’accident d’avalanche de Galtür et
Valzur de février 1999.
Riassunto: Pericolo ravvisato = pericolo dimezzato: misure a lungo termine
di protezione contro le valanghe
Lo scopo di questa relazione è quello di illustrare i
sistemi che vengono utilizzati per garantire a lungo termine una protezione contro le valanghe ai centri abitati
e alle vie di comunicazione, cosa ci si può aspettare da
questi sistemi di protezione e quali sono i loro limiti.
Contrariamente alle misure di protezione a breve termine, quali il bollettino delle valanghe, distacchi artificiali
o evacuazioni, nei sistemi di protezione a lungo termine
non viene considerata la situazione di pericolo momentanea, ma vengono analizzati scenari estremi che si
ripresentano a intervalli regolari, anche ogni 300 anni.
Per risolvere un problema legato alle valanghe, non
sempre esiste una soluzione A o una soluzione B. La
combinazione di diverse misure rappresenta invece
spesso la soluzione migliore. Considerando i mezzi
finanziari e le possibilità tecniche disponibili, spesso
non è possibile garantire una sicurezza assoluta.
È dunque necessario trovare una giusta misura tra investire in un sistema di protezione e il dover affrontare
eventuali catastrofi, sempre possibili in zone con grado
di protezione limitato.
A questo proposito si parla di gestione integrale del
rischio.
Fondamenti legislativi che si riferiscono alla protezione
dalle valanghe sono reperibili soprattutto nella legge
forestale LFo e nell’ordinanza sulle foreste OFo. Con
questa legge, i Cantoni vengono impegnati a proteggere
le zone di distacco e a elaborare le basi necessarie per
la protezione, cioè catasti e carte dei pericoli. Le «Direttive per la considerazione del pericolo di valanghe nelle
attività di incidenza territoriale» rappresentano la base
per la realizzazione delle carte di localizzazione probabile delle valanghe (CLPV).
Le carte di localizzazione probabile delle valanghe suddividono il territorio in regioni con diversi gradi di pericolo. La misura del potenziale pericolo è rappresentata
dalla frequenza e dall’intensità di una valanga. L’area
rossa è un’area soggetta a un marcato pericolo (divieto
di costruzione) mentre nell’area blu si verificano rare
valanghe di piccola intensità (permesso di costruzione
con determinati obblighi). Nelle aree di pericolo di
colore rosso e blu è necessario organizzare sistemi di
allarme e piani di evacuazione. Passiamo ora a illustrare
come viene compilata una carta dei pericoli e il livello di
precisione che ci si può aspettare. In situazioni in cui il
caso estremo non si è ancora verificato o non è stato
documentato, la precisione raggiungibile è limitata.
L’importante è che il margine di discrezionalità esistente
venga utilizzato in modo responsabile. Nella relazione
48
tecnica su una carta dei pericoli devono essere descritti
gli scenari considerati e il rischio residuo esistente. Per
la messa in pratica di una carta dei pericoli e per l’elaborazione di sistemi di protezione sono molto importanti questi punti.
I sistemi di protezione di tipo edilizio vengono impiegati
laddove il deficit protettivo non può essere eliminato
con misure progettuali. Nelle tipiche zone di distacco,
le opere di stabilizzazione del manto nevoso impediscono la rottura delle masse di neve. Lungo la traiettoria della valanga, il flusso può essere deviato o addirittura arrestato per mezzo di speciali dighe. Interventi
protettivi di tipo edilizio vengono di norma valutati su
scenari che ricorrono ogni 50–100 anni. Nonostante
una pianificazione corretta, le opere di ritenuta possono essere innevate o una diga può essere già stata
riempita da una valanga precedente. L’importante è che
in caso di pericolo si riconoscano i limiti dell’efficacia e
si rifletta sugli effetti in caso di sovraccarico. Le misure
di protezione offrono un elevato livello di sicurezza.
Solo situazioni eccezionali richiedono misure provvisorie supplementari. A questo proposito assume una
notevole importanza la manutenzione dei sistemi di
protezione esistenti e il controllo periodico della loro
efficacia.
Stefan Margreth ha studiato ingegneria civile presso
l’ETH di Zurigo ed è oggi direttore del team prevenzione
valanghe dell’Istituto SNV di Davos. Redattore di numerose perizie sulla valutazione dei rischi, ha compilato
anche la perizia legale sull’incidente da valanga di
Galtür e Valzur del febbraio 1999.
Lawinen und Recht
Reduktion des Lawinenrisikos mit temporären Massnahmen
Lukas Stoffel
1
Einleitung
Während einer aktuellen Lawinensituation ist zu
beurteilen, ob eine Gefährdung von Personen oder
Sachwerten besteht. Je nach Situation sind temporäre Massnahmen wie Sperrungen oder die künstliche Lawinenauslösung notwendig. Falls bauliche
Massnahmen vorhanden sind, ist ihre Wirksamkeit
zu beurteilen (z. B.: Ist eine Galerie genügend
lang?).
Im Folgenden wird auf die Grenzen temporärer
Massnahmen (Restrisiko), die Beurteilung einer
lokalen Gefährdung und auf organisatorische
Aspekte eingegangen.
Für den Einsatz temporärer Massnahmen sind
wichtig:
– Gebietskenntnisse (u. a. Karte mit Lawinenzügen, Gefahrenkarten usw.)
– Auseinandersetzung mit aktueller Situation
(Wetter-, Schnee-, Lawinendaten, Prognosen,
Winterverlauf)
– Erfahrung
– Organisation
– Journalführung / Dokumentation.
2
de der künstlichen Lawinenauslösung auch zur
Sicherung von Verkehrswegen und eher selten
auch von Siedlungsbereichen verwendet.
Am meisten werden sogenannte Handsprengungen (Handwurfladungen) und Helikoptersprengungen eingesetzt, bei denen Patrouilleure die
Sprengladungen in die Anrissgebiete werfen.
Handsprengungen kommen in Schneesportgebieten zum Einsatz. Helikoptersprengungen weisen den Vorteil auf, dass rasch und sehr flexibel
an der Situation angepassten Sprengpunkten
gesprengt werden kann; nachteilig ist die Abhängigkeit von genügend gutem Flugwetter und die
Verfügbarkeit der Helikopter.
Für Einsätze bei schlechten Sichtverhältnissen
und über eine gewisse Distanz stehen Armeewaffen zur Verfügung (Minenwerfer, Raketenrohr).
Auch mit dem Avalancheur kann Sprengstoff (in
Lanzen) in Anrissgebiete geschossen werden;
eine weitere Möglichkeit, um entfernte Sprengpunkte zu erreichen, stellen Sprengseilbahnen
dar. Zudem können ortsfeste, in den Anrissgebieten installierte Sprenganlagen verwendet werden:
Gasex (Abb. 1), Sprengmast Wyssen (Abb. 2), Lawinenwächter/Lawinenmast Inauen-Schätti (Abb.
3) und Avalhex. Mit diesen vier Systemen können
Übersicht über temporäre Massnahmen
Temporäre Massnahmen zum Schutz von Personen umfassen Sperrungen von Verkehrswegen,
Absperrungen von Siedlungsbereichen (evtl.
Hausaufenthalt für Personen), Evakuierungen von
Gebäuden (Personen und eventuell Tiere) sowie
die künstliche Lawinenauslösung.
Sperrungen und Evakuierungen
Sperrungen und Evakuierungen können prinzipiell
immer durchgeführt werden. Bei Evakuierungen
stellt sich die Frage, wo betroffene Personen, z. B.
in von der Umwelt abgeschnittenen Orten, untergebracht werden. In der Schweiz wurde die Erfahrung gemacht, dass bei frühzeitiger Ankündigung
von Evakuierungen betroffene Personen sich zum
Teil selbst organisieren und zum Beispiel zu Bekannten ziehen.
Künstliche Lawinenauslösung
In Schweizer Schneesportgebieten werden häufig
Sprengeinsätze zur Sicherung von Schneesportabfahrten durchgeführt. Zum Teil wird die Metho-
Abb. 1: Gasex.
49
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Abb. 2: Sprengmast Wyssen.
Abb. 3: Lawinenmast Inauen-Schätti.
sicht- und witterungsunabhängige Einsätze an
ausgewählten Sprengpunkten ab Computer mittels Funkverbindung durchgeführt werden, welche
grosse Sprengwirkung entfalten.
Ob die Methode der künstlichen Lawinenauslösung in einem bestimmten Gebiet angewendet
werden kann, ist vor allem vom Gelände (u. a.
Grösse und Neigung Anrissgebiet) und vom vorhandenen Schadenpotential abhängig. Als Schadenpotentiale sind Objekte in der Sturzbahn (z. B.
Wald, Hochspannungsleitung) und im Auslaufgebiet (z. B. Gebäude, Infrastruktur), auch durch
allfällig ausgelöste Sekundärlawinen, zu beachten.
sicherheiten auf, vor allem dadurch bedingt, dass
unter Druck Entscheidungen gefällt werden müssen.
– Schwierige Beurteilung der Gefährdung (Einzelhänge, evtl. keine Sicht)
– Durchführbarkeit / Umsetzung der Massnahmen (Druck auf Verantwortliche in Tourismusregionen), Information
– Künstliche Lawinenauslösung: mögliche Schäden, je nach Situation schwierige Beurteilung
der Wirksamkeit von Sprengungen und damit
Unsicherheiten beim Festlegen von weiteren
Massnahmen.
Ziele, Wirksamkeit, Problematik und Restrisiko
Als Ziele für Sperrungen / Evakuierungen sind zu
nennen: keine Gefährdung von Personen und der
Situation angepasste Sperrzeiten.
Die Ziele der künstlichen Lawinenauslösung sind:
– keine Gefährdung von Personen, möglichst
keine Sachschäden
– kleinere Lawinen durch frühzeitige Auslösungen
– kürzere Sperrzeiten.
Die Wirksamkeit von Sperrungen und Evakuierungen sind vom Zeitpunkt und der Dauer abhängig.
Für Sprengeinsätze sind der Einsatztag (inkl.
Sprengzeitpunkt), die Sprengpunkte (Ort und Anzahl), die Sprengwirkung und die durchgeführten
Absperrmassnahmen entscheidend.
Temporäre Massnahmen sind relativ kostengünstig, weisen aber etliche Schwierigkeiten und Un-
50
Da die Beurteilung einer Lawinensituation nicht
einfach ist und etliche Unsicherheiten bestehen,
verbleibt bei den temporären Methoden ein Restrisiko:
– Sperrungen / Evakuierungen: Trotz sorgfältiger
Beurteilung keine Sperrung angeordnet, Sperrung zu spät durchgeführt oder zu früh aufgehoben. Missachtungen von Sperrungen sind
möglich.
– Künstliche Lawinenauslösung: Ausgelöste Lawine grösser als erwartet, Auslösung von Sekundärlawinen. Nach negativen Sprengungen
(keine Auslösung) kann es zu einem späteren
Zeitpunkt zu spontanen Abgängen kommen.
Fehlbeurteilungen, die zu Todesopfern führen und
mit Rechtsfolgen verbunden sind, sind auch bei
sorgfältigem Arbeiten möglich. Selbstverständlich
ist es Ziel der Sicherheitsverantwortlichen, solche
Situationen nicht eintreten zu lassen.
Lawinen und Recht
3
Beurteilung einer lokalen Lawinengefährdung und Massnahmenentscheid
Zu beurteilen ist ein zu sicherndes Gebiet. Es kann
sich um einen bestimmten Auslaufbereich eines
Lawinenzuges oder einen Abschnitt eines Verkehrsweges mit mehreren Lawinenzügen handeln.
Massnahmenentscheide, respektive Empfehlungen für Massnahmen (z. B. für Sperrungen), sollen
sich auf die Erhebung des Ist-Zustandes beziehen
und die Entwicklung der Wetter- und Lawinensituation der nächsten Stunden einbeziehen.
Es geht um die Frage der möglichen Lawinengrösse in einem Lawinenzug (Bezug zu Objekten, z. B.
einer Strasse) und der vorhandenen Anbruchwahrscheinlichkeit. Beide Grössen sind nicht
direkt messbar, Abschätzungen sind notwendig.
Neuschnee-, aber auch Nassschneesituationen
sind zu beurteilen.
Bei einer Gefährdung von Personen im Freien,
d. h. die mögliche Lawinengrösse wird als kritisch
beurteilt und ein Anbruch ist wahrscheinlich oder
möglich, sind Sperrungen notwendig. Für Gebäude und Objekte ist die Schadenempfindlichkeit zu
beurteilen, was nicht einfach ist. Je nach Situation
können Personen in Gebäuden belassen werden
oder eine Evakuierung kann ratsam sein.
Während einer aktuellen Situation kann mit Varianten von Massnahmen gearbeitet werden. Beispiel: Am Abend wird beschlossen, dass, falls bis
frühmorgens noch 20 cm Schnee fallen, Variante
A zur Ausführung gelangt, ansonsten Variante B.
Der Einsatz temporärer Massnahmen braucht eine
gewisse Vorlaufzeit, da nach einem Entscheid zuerst etliche Personen zu informieren sind und u. a.
Absperrpersonal aufgeboten werden muss.
Im Folgenden wird auf allgemeine Grundlagen und
das mögliche Vorgehen bei der Beurteilung einer
aktuellen Situation eingegangen (Schritte 1 und 2).
Allgemeine Grundlagen, Gebietskenntnisse
Die Kenntnisse sollen sich auf die Geländeverhältnisse der Lawinenzüge und auf den Lawinenkataster beziehen.
Die folgenden allgemeinen Grundlagen sind hilfreich:
– Karte mit Lawinenzügen (Anrissgebiete, Fliessrichtung der Lawinen, evtl. Umrisse grosser bekannter Lawinen)
– Gefahrenkarten / Zonenplan (rote und blaue
Zone)
– Angaben zu vorhandenen baulichen Schutzmassnahmen und diesen zu Grunde liegenden
Szenarien
– Lawinenkataster mit Angaben zu Abgängen:
Datum, Lawinengrösse und -art / Auslaufgebiet,
Wetterlage, Schneedaten.
Angaben zu den Lawinenzügen können u. a. Hangneigung, Exposition, Grösse und Höhenlage der
Anrissgebiete umfassen. Eine Beschreibung von
Sturzbahn und Auslaufgebiet, inkl. vorhandenem
Schadenpotenzial, ist hilfreich.
Die Auswertung des Katasters (Ereignis, Wetterlage, Schneesituation) ergibt einen Hinweis zur
Wiederkehrdauer der Verschüttung eines Geländeabschnittes und kann zumindest für Neuschneesituationen mit Schneedaten, z. B. Neuschneesummen bezogen auf ein Messfeld, verknüpft werden.
Die Auswertung kann einen Hinweis auf einen kritischen Neuschneewert geben.
Für Bereiche, die alle 1 bis 2 Jahre verschüttet
werden, ist mehrmals jährlich mit einer potentiellen
Gefährdung zu rechnen. Ein Gebiet, in welches
ca. alle 50 Jahre eine Lawine vorstösst, dürfte alle
10 bis 20 Jahre, d. h. während und nach aussergewöhnlichen Situationen, gefährdet sein.
Für Strassenabschnitte kann ebenfalls die Wiederkehrdauer einer Verschüttung ermittelt werden.
Für höhergelegene Täler kann für einen Strassenabschnitt mit mehreren Lawinenzügen z. B. eine
Verschüttungswiederkehrdauer von 10 Jahren
vorliegen, was durchschnittlich alle 2 bis 3 Jahre
eine Sperrung ratsam erscheinen lässt. Für die
betreffende Strasse kann die, z. B. auf eine Meereshöhe von 160 m ü. M. bezogene, kritische Neuschneesumme 60 cm betragen (Ausgangswert, 1
bis 3 Tagessumme).
Da nicht jede Neuschneesumme von 60 cm die
gleiche mögliche Lawinengrösse ergibt, ist dieser
Ausgangswert immer auf die aktuelle Situation anzupassen. Falls der Schneefall von sehr starken
Winden begleitet ist und zudem in der Sturzbahn
mit einem Mitreissen von Schneeschichten zu
rechnen ist, ist der Ausgangswert beispielsweise
zu verkleinern. Es kann auch mit einer Bandbreite
für kritische Werte gearbeitet werden.
Schritt 1: Erhebung aktueller Wetter-, Schneeund Lawinendaten
Bezüglich des Ist-Zustandes können folgende
Daten erhoben werden:
– Aktuelles Wetter
– Lawinenbulletin (u. a. für den aktuellen Zeitpunkt gültige Gefahrenstufe)
– Neuschnee (24 Std., Summe der Schneefallperiode, evtl. 3-Tagessumme), Gesamtschneehöhe (vor Schneefallperiode, aktuell): z. B.
Messfeld im Tal, Daten von automatischen
Stationen
– Wind (Richtung und mittlere Stärke): Daten
automatischer Stationen (Angaben in der Höhe)
– Temperatur Luft und Schneedecke (aktuell,
Veränderung, z. B. 24 Std.): Daten automatischer Stationen, Messfeld
– Schneedeckenaufbau (für Nassschneesitua-
51
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
tionen Zustand der Schneedecke), z. B.
Schneedeckenuntersuchung /-profil, Angaben
im Lawinenbulletin
– Falls aufgrund der Sichtverhältnisse möglich:
Lawinenaktivität (spontan, Sprengungen; Lawinenart und -grössen)
– Je nach Region: Informationen von anderen
Diensten.
Prognose:
– Wetterbericht, Lawinenbulletin, Frühwarnung
– Prognose Neuschnee (Menge, Schneefallgrenze), Wind (Richtung, Stärke), Lufttemperatur.
Schritt 2: Beurteilung und Entscheidfindung
Es geht um die Frage, ob in einem Lawinenzug,
respektive einem bestimmten Bereich, oder einem
Abschnitt eines Verkehrsweges eine Gefährdung
besteht. Je nach Gebiet ist auch über Sprengeinsätze zu entscheiden. Schwierig zu beurteilen ist
die Gefährdung eines Gebietes durch eine grosse
Staublawine, respektive ihre Staubeinwirkung.
Die Beurteilung und Entscheidfindung kann auf
folgende Punkte abgestützt sein:
a) Erfahrungswerte, Beobachtungen:
– Interpretation der Daten (u. a. Neuschnee,
Windeinfluss) und Vergleich mit Erfahrungswerten. Regionale Lawinenaktivität und Grösse
beobachteter Lawinen (von Sicht abhängig),
auch Vorgeschichte beachten. Resultate von
Sprengeinsätzen
– Zustand der Lawinenzüge (Anrissgebiet, Sturzbahn, Auslaufgebiet), z. B. Neuschnee in Sturzbahn, der mitgerissen werden kann, oder im
unteren Bereich Regen; bereits erfolgte Entladungen
– Wirksamkeit von baulichen Schutzmassnahmen.
b) Hilfsmittel Neuschneesumme zur Abschätzung
von möglichen Lawinengrössen:
– Vergleich der aktuellen Neuschneesumme mit
kritischem Wert, der auf die aktuelle Situation
angepasst ist (verkleinernde und vergrössernde Faktoren).
c) Hinweis Ergebnisse aus Computerprogramm
NXD-Lawinen1
– Vergleich der aktuellen Situation mit Situationen in der Vergangenheit (Voraussetzung tägliche Eingabe von Wetter-, Schnee- und Lawinendaten).
1 Es handelt sich um ein vom Eidg. Institut für Schnee- und
Lawinenforschung SLF entwickeltes Computerprogramm
zur lokalen Lawinenprognose, das «nächste Nachbartage» sucht, vgl. www.slf.ch/nxd/welcome-de.htm
52
4
Wichtiges zur Organisation
Bezüglich der Organisation ist unter anderem die
Struktur, die Information und das Durchführen von
Massnahmen zu regeln. Organigramme, Gesetze /
Verordnungen zum Lawinendienst und Pflichtenhefte stellen wichtige Grundlagen dar. Die Arbeit
im Lawinendienst soll in einer Betriebshaftpflichtversicherung abgedeckt sein.
Entscheide für Sperrungen, deren Aufhebung und
für Sprengeinsätze (Gebiete mit Schadenpotential) werden von Vorteil von einem Gremium gefällt.
Sofort notwendige Sperrungen sollen immer auch
durch eine einzelne Person angeordnet werden
können.
Für die Information von Personen in Gefahrengebieten ist zumindest eine Telefonliste zu führen.
Um Partner und andere Organisationen zu benachrichtigen, wird oft ein Informationsbulletin erstellt.
Um die genauen Sperrorte nicht jedes Mal neu definieren zu müssen, kann mit Sperrkonzepten
(Strasse: fixe Barrieren bei x, y; Siedlungsbereiche:
Absperrpläne A, B, usw., Abb. 4) gearbeitet werden. Bezüglich verfügbarem Personal ist eine Personalliste zu führen (z. B. Absperrungen durch Feuerwehr). Notwendiges Absperrmaterial wie Tafeln,
Scherengitter usw. muss vorhanden sein.
In
Sicherungskonzepten / Sicherheitskonzepten
können allgemeine Angaben zur Beurteilung einer
aktuellen Situation (Grundlagen, Formulare) und
für die Durchführung von Sperrungen (u.a. Absperrpläne) und Sprengeinsätzen festgehalten
werden.
Wichtig ist die Ausbildung der Sicherheitsverantwortlichen. In der Schweiz werden vom Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF seit
dem Jahr 2000 Ausbildungskurse für Mitglieder
von Lawinendiensten durchgeführt.
Journalführung / Dokumentation
Es empfiehlt sich, erhobene Daten, Massnahmenentscheide und die Umsetzung von Massnahmen
schriftlich festzuhalten.
Mit einer Journalführung wird das Wissen über ein
Gebiet aufgezeichnet (z. B. für Nachfolgeregelungen in einem Lawinendienst) und bei einem Lawinenunfall ist belegt, was überlegt und aufgrund
welcher Fakten entschieden worden ist.
Die Journalführung kann z. B. mit den folgenden
zwei Formularen erfolgen:
– Formular: Aktuelle Lawinensituation, siehe Kap.
3 Schritte 1 und 2 (Abb. 5)
– Formular: Massnahmen / Massnahmenplanung
(Abb. 6).
In Abbildung 6 ist eine einfache Version für Formular «Massnahmen» dargestellt. In der linken Spalte
Lawinen und Recht
Abb. 4: Beispiel eines Absperrplanes.
sind alle zu sichernden Gebiete / Abschnitte aufgeführt, während in der mittleren und rechten
Spalte Angaben zur aktuellen Situation gemacht
werden.
Zusätzlich ist ein Lawinenkataster und für Einsätze der künstlichen Lawinenauslösung ein Sprengprotokoll zu führen.
Lukas Stoffel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF
Davos. Er studierte Bauingenieur an der ETH Zürich.
Seit 1992 umfasst sein Arbeitsgebiet Fragen zur künstlichen Lawinenauslösung, Gutachtertätigkeit im Lawinenschutz, Projektarbeit und die Mitarbeit an diversen
Kursen.
53
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Lawinendienst / Ort: .......................................................
Region im Lawinenbulletin: ................................................
Erhebung der Daten, Datum: .............................................
Region für Schneeprognose: ...............................................
Zeitpunkt: .............................................................................
Aktuelle Situation, Ist-Zustand
Wetter: ....................................................................................................................................
Lawinenbulletin: aktuelle Gefahrenstufe ............................ Exposition .............................
Meteo- und Schneedaten: Messfeld ..............................
Datum
Zeit
Neuschnee,
Summe
24 Std.
Neuschnee
HN (cm)
ΣHN (cm)
0
0
Schnee IMIS ........................
Temperatur IMIS ..................
Wind IMIS ............................
Schneehöhe
HS (cm)
Schneefallgrenze: ..............
Höhenlage ..........................
Zuwachs
Schneehöhe
ΔHS (cm)
0
HN:
HSaktuell :
Heute: TA:
TSS:
Heute: Richtung:
Gestern: Richtung:
Lufttemperatur
TA (°)
HSvorSchneefall :
Gestern: TA:
Stärke (Mittel):
Stärke (Mittel):
SchneeOberfl.t.
TSS (°)
TSS:
Schneedecke (z.B. Triebschnee, Setzung): ..........................................................................................................................
Lawinenaktivität: Spontane Lawinen: .................................................................................................................................
Resultate v. Sprengungen: .....................................................................................................................
Informationen von anderen Diensten: . ..................................................................................................................................
Prognose Entwicklung der Wetter- und Lawinensituation
Wetter: ...................................
Lawinenbulletin (Gefahrenstufe, Zeitraum: ..................... ): ..................................................................................................
Prognose, Zeitraum: ........... Std.: Schnee ........................................... Wind . .............. TA............... ΣHN: .............
Prognose, Zeitraum: ........... Std.: Schnee ............................................ Wind ............... TA .............. ΣHN: .............
Prognose Gefährdung von Personen (erheblichen Sachwerten)
Gebiet / Abschnitt Verkehrsweg:
Allgemeine Bemerkungen oder Beurteilung in verbaler Form:
Zustand Anrissgebiet(e):
Zustand Sturzbahn(en) und Auslaufgebiet(e):
Wirksamkeit baulicher Massnahmen (z.B. Damm):
Interpretation der Daten (u.a. Schnee, Wind):
ΣHNkrit Tal, angepasster, aktueller Wert:
Kritische Lawinengrösse
Anbruch
Ja o
Nein o
Wahrscheinlich o
Sehr unwahrscheinlich o
Gefährdung möglich
Ja o (in
Nein o (für
ca. ..... Std.)
nächste ..... Std)
Verfassung Infobulletin: ..........................................................................................................................................................
Beschaffung zusätzlicher Schneedaten: ...............................................................................................................................
Nächste Beurteilung, Datum: .................................. Zeitpunkt: ..............................................................................................
Abb. 5 Beispiel Formular «Aktuelle Lawinensituation».
54
Lawinen und Recht
Gemeinde X, 10. Februar 2003, Sitzung 17.45 Uhr
Gefährdetes Gebiet /
Abschnitt Verkehrsweg
Massnahmen (bzw. Empfehlung)
Dorfbachtobel Teilgebiet rot
(Absperrplan A)
Absperrung ab 21.00 Uhr
Hausaufenthalte
Dorfbachtobel rotes Gebiet (Plan B)
–
...
–
Gemeindestrasse Sertig
Witi – Sand
Sperrung ab 21.00
Hausaufenthalte Sprengeinsatz am
11.2.
Bemerkungen
...
Abb. 6: Beispiel Formular «Massnahmen».
Résumé: Réduction du risque d’avalanche par des mesures temporaires
Les mesures temporaires pour la protection des personnes sont: la fermeture des voies de communication, les
interdictions d’accès aux zones habitées (selon la situation, le confinement des personnes), les évacuations de
personnes et éventuellement d’animaux et le déclenchement artificiel d’avalanches.
Même si les mesures temporaires sont relativement
peu coûteuses, elles posent néanmoins diverses problématiques (liées au «facteur humain»):
– L’évaluation difficile du danger (pentes isolées, éventuellement pas de visibilité)
– L’efficacité des mesures de fermeture dépend du bon
choix du moment, de l’adéquation à la situation et
d’une durée suffisante
– La faisabilité/mise en œuvre des mesures, l’information
Des erreurs de jugement entraînant des pertes humaines impliquant des conséquences juridiques sont toujours possibles même lorsqu’on prend toutes les précautions au cours du travail. Evidemment, l’objectif des
responsables de la sécurité doit être d’empêcher que
pareille situation se produise. Les décisions prises et
l’organisation des services sont abordées brièvement.
Les décisions prises ou les mesures recommandées
(p.ex. la fermeture de voies de communication) doivent
se fonder sur l’évaluation de la situation actuelle et tenir
compte de l’évolution des conditions météorologiques
et avalancheuses au cours des heures suivantes.
Pour l’évaluation d’une situation, on dispose actuellement des bases suivantes:
– Les données générales (quelles sont les régions menacées?): cadastre des avalanches, cartes des dangers et plan de zone, les informations sur les mesures
de protection existantes
– Les données actuelles relatives à la météo, la neige et
les avalanches: bulletins météorologiques, bulletin
d’avalanches, données relatives à la neige, au vent et
à la température (p.ex. station IMIS), activité avalancheuse
– L’évaluation du danger, les décisions prises ou les
mesures recommandées: état des couloirs d’avalanche (dépendant également de la visibilité), données
empiriques, comparaison de la situation actuelle avec
des situations antérieures (p.ex. évaluation des départs d’avalanches, références aux données nivologiques d’un champ de mesure, valeurs critiques de
neige fraîche)
En ce qui concerne l’organisation, il convient en outre
de régler la structure, l’information et la mise en œuvre
des mesures. Les organigrammes, les lois et ordonnances relatives au service des avalanches et les cahiers des charges constituent des bases importantes.
Le travail au sein d’un service des avalanches doit être
couvert par une assurance de responsabilité civile d’exploitation.
Pour l’information des personnes qui se trouvent dans
les zones de danger, il y a lieu de tenir au moins une
liste téléphonique. Afin de ne pas devoir redéfinir à chaque fois les endroits précis de fermeture, il est possible
de travailler sur la base de plans de fermeture. Il y a lieu
de tenir une liste du personnel disponible (p.ex. fermeture par les pompiers). Le matériel nécessaire pour les
mesures de fermeture tel que les panneaux, barrières
extensibles, etc. doit être disponible. Il est très recommandé de consigner par écrit les données récoltées,
les décisions précises et les opérations de mise en
œuvre des mesures (tenue d’un journal).
L’évaluation d’une situation actuelle (documents de
base, formulaires) et la mise en œuvre des décisions de
fermeture (comme p.ex. les plans d’interdiction d’accès)
et les opérations de minage peuvent être consignées
dans des concepts de sécurisation ou de sécurité.
Lukas Stoffel est collaborateur scientifique à l’Institut
fédéral pour l’étude de la neige et des avalanches, ENA,
Davos. Il est ingénieur en construction diplômé de l’ETH
Zurich. Depuis 1992, son domaine de travail englobe
les questions relatives au déclenchement artificiel
d’avalanches, les activités d’expertise dans le domaine
de la protection contre les avalanches, des projets
concrets et la collaboration à divers cours.
55
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Riassunto: Riduzione del rischio valanghe attraverso misure temporanee
Tipiche misure temporanee per la protezione delle
persone sono: blocco delle vie di comunicazione, sbarramento di centri abitati (a seconda della situazione,
obbligo di permanenza in casa per le persone), evacuazione di persone ed eventualmente di animali e il
distacco artificiale di valanghe.
Sebbene le misure temporanee siano relativamente
economiche, presentano però anche parecchie problematiche («fattore umano»):
– Difficile valutazione del pericolo (singoli pendii, eventuale assenza di visibilità)
– Efficacia dei blocchi grazie a interventi tempestivi e
adeguati alla situazione e durata sufficientemente
lunga
– Fattibilità/Messa in pratica delle misure, informazione
Valutazioni errate che causano vittime e sono legate a
conseguenze legali sono sempre possibili, anche se il
lavoro è stato accurato. Naturalmente l’obiettivo del
responsabile della sicurezza è quello di evitare che
simili situazioni possano verificarsi. Qui di seguito ci
occuperemo brevemente del processo di decisione
sulle misure da prendere e dell’organizzazione dei
servizi.
La decisione sulle misure da prendere, ovvero le raccomandazioni sulle misure da prendere (p.es. per chiusure stradali) devono basarsi sulla valutazione della situazione effettiva e includere la prevista evoluzione delle
condizioni meteo e del pericolo di valanghe nelle ore
successive.
Per la valutazione di una situazione sono oggi disponibili i seguenti dati:
– Dati generici (quali zone sono in pericolo?): catasto
delle valanghe, carte dei pericoli e piano della zona,
informazioni sulle misure protettive esistenti
– Dati meteo / neve / valanghe aggiornati: bollettino meteorologico, bollettino della neve, dati sulla neve, sui
venti e sulla temperatura (p. es. stazioni IMIS), attività
valanghiva
– Valutazione del pericolo e decisione, ovvero raccomandazioni sulle misure da prendere: condizione
delle tracce delle valanghe (anche dal punto di vista
della visibilità), valori empirici, confronto della situazione momentanea con situazioni del passato (p.es.
valutazione dei distacchi di valanghe, riferimento ai
dati nivologici di un campo di rilevamento, valori critici
sulla neve fresca)
Per quanto riguarda l’organizzazione, tra le altre cose è
necessario definire la struttura, le informazioni e l’esecuzione delle misure. Organigrammi, leggi / ordinamenti
sul servizio prevenzione valanghe e capitolati sono riferimenti importanti. L’attività del servizio prevenzione
valanghe dovrebbe essere coperta da un’assicurazione
contro la responsabilità civile aziendale.
Per l’attività di informazione alle persone nelle zone
minacciate dal pericolo è necessaria almeno la gestione
di un elenco di numeri telefonici. Per non dover ridefinire ogni volta i luoghi esatti del blocco, è possibile
operare con concetti di sbarramento. In riferimento al
56
personale disponibile è necessario gestire un elenco
del personale (p. es. sbarramenti da parte dei Vigili del
Fuoco). Il necessario materiale per il blocco come cartelli, transennamenti, ecc. deve essere disponibile. Si
raccomanda vivamente di fissare per iscritto i dati
rilevati, le decisioni sulle misure da prendere e la loro
messa in pratica (gestione di un registro).
La valutazione di una situazione momentanea (dati,
formulari), l’esecuzione dei blocchi (tra cui piani di sbarramento) e gli interventi con esplosivi possono essere
fissati all’interno di sistemi di protezione o di sicurezza.
Lukas Stoffel, collaboratore scientifico presso l’Istituto
Federale per lo Studio della Neve e le Valanghe SNV di
Davos, ha studiato ingegneria civile presso l’ETH di
Zurigo. Dal 1992 si occupa di questioni relative al
distacco artificiale di valanghe, di perizie nel settore
delle opere da difesa da valanghe, di vari progetti e della collaborazione a vari corsi.
Lawinen und Recht
Umgang mit dem Lawinenrisiko auf Touren
Paul Nigg
1
Einleitung
Das Risikomanagement auf Touren, der Beurteilungs- und Entscheidungsprozess zur Optimierung
des Unfallrisikos, wird hier aus der Sicht des Schneesportlers dargestellt. Der Begriff Schneesportler
schliesst Skitourengänger, Snowboarder und
Schneeschuhläufer ein, die sich im ungesicherten
Tourengelände bewegen, abseits von viel befahrenen Varianten und Pisten.
Die grosse Zahl der Freizeit-Schneesportler dürfte
vom Bedürfnis nach eindrücklichen Erlebnissen
abseits der Alltagswelt motiviert sein. Abfahrten
im stiebenden Pulver, die Schönheit der Winterlandschaft, oder soziale Aspekte, haben vermutlich den höheren Stellenwert als Risikoüberlegungen. Die Mehrheit dieser Gruppe dürfte über eher
oberflächliche Kenntnisse im Bereich Risikomanagement verfügen. Daraus kann abgeleitet
werden, eine praktische Lawinenkunde für diese
Zielgruppe soll einfache und verständliche Strategien anbieten und ihre Grundzüge sollen in kurzer
Ausbildungszeit vermittelbar sein.
Im Vergleich zu andern Risikosportarten, wie
Tauchen, fliegen mit Hängegleitern, bestehen in
den Bergsportarten gewisse Ausbildungsdefizite.
Die Masse der Freizeitsportler müsste gezielter
erreicht werden.
Ambitonierte Bergsteiger, Tourenleiter und Bergführer sind in der Regel besser ausgebildet, aber
gegenüber den Einflüssen auf der psychologischen
Ebene auch nicht immun. Immerhin scheinen sich
die jahrelangen Anstrengungen, im Bereich der
Ausbildung, positiv abzuzeichnen. Die Anforderungen an Leiter sind allgemein höher, denn die Führung einer Gruppe geht auch mit der Übernahme
von Verantwortung einher. Nicht selten muss ein
Leiter in Belastungssituationen handeln, es besteht
eine gewisse Erwartungshaltung, es werden anspruchsvollere Touren unternommen, die Entscheidungsfindung erfolgt bisweilen unter Zeit- und Risikodruck. Das Konzept des Risikomanagements
muss jedoch auch für Leiter und Bergführer einfach
sein, es gilt grundsätzlich: Komplexe Situation
erfordert einfache Handlungsregeln.
3
2
Komplexität
Dies ist nicht einfach, denn der Umgang mit dem
Lawinenrisiko weist eine beachtliche Komplexität
auf. Es gibt keine Messmethode zur Bestimmung
der Lawinengefahr, ihre Grössenordnung kann nur
indirekt abgeschätzt werden. Die Lawinengefahr
ist nicht an eindeutigen Zeichen erkennbar, kann
also mit den menschlichen Sinnen nicht wahrgenommen werden. Zu ihrer Beurteilung sind eine
Vielzahl von Faktoren, zum Teil mehrdeutige Einflussgrössen, zu berücksichtigen. Es bestehen
immer noch empfindliche Wissenslücken. Die
Wahrnehmung der Gefahr hat ihre Tücken. Eine
Verdoppelung der Gefahr wird vielleicht als «ein
bisschen gefährlicher» interpretiert. Selektive
Wahrnehmung oder Wunschdenken, «die rosa
Brille aufgesetzt», verzerren die Einschätzung.
Weitere Komponenten, etwa das typisch risikoreiche Verhalten junger Männer, die Wirkung von
Vorbildern und der Werbung, Selbstüberschätzung, das Wettbewerbsverhalten oder Unkenntnis,
beeinflussen in schwierig erfassbarer Weise das
Verhalten der Schneesportler.
Beurteilung des Lawinenrisikos
Für den Schneesportler stellt schon das Bewältigen der Informationsflut ein zentrales Problem dar.
Bei der Tourenplanung sind mindestens folgende
Faktoren relevant: aus dem Lawinenbulletin die
Gefahrenstufe, Höhenlage, Exposition, evtl. weitere
Merkmale der kritischen Hänge, aus dem Wetterbericht etwa der tageszeitliche Verlauf der Temperatur, die Windrichtung und Windstärke, die zu
erwartenden Sichtverhältnisse, aus der Landkarte
die Hangneigung, Exposition, Geländeform, Höhenlage der Schlüsselstelle und dazu Merkpunkte
zum Routenverlauf. Hinzu kommen weitere Faktoren wie Gruppengrösse, Zeitplan, Ausrüstung.
Das sind mehr als ein Dutzend Fakten.
Unterwegs werden die Planungsannahmen mittels
eigener Beobachtung überprüft und ergänzt, im
Hang, an der Schlüsselstelle, mit aktuellen und
detaillierten Beobachtungen nochmals verfeinert.
Dies alles ohne irgendwelche Hilfsmittel.
Die Merkfähigkeit des Menschen ist hingegen
begrenzt. In einer einzelnen Lernsequenz können
lediglich etwa fünf Fakten jederzeit abrufbar gespeichert werden. Das Risiko ist somit gegeben,
dass Wichtiges übersehen oder vergessen wird.
57
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
4
Die «Formel 3 x 3» als Handlungskonzept
Es ist deshalb eine einfache Struktur zur übersichtlichen Gliederung aller wichtigen Fakten notwendig. Dieser Anforderung entspricht die bewährte «Formel 3 x 3». Ihre erste Funktion ist die
einer Matrix zur systematischen und gut merkbaren Einordnung der Informationen. Die Qualität
der Information ist entscheidender als ihre Menge.
Die wichtigen Eingaben, die Schlüsselfakten müssen aufgespürt, die weniger wichtigen und die
unnötigen ausgeschieden werden. Allen das Auflisten von Fakten ergibt noch keine Risikobeurteilung.
«Formel 3 x 3» steht weiter für ein Handlungskonzept, Beurteilung der Lawinengefahr in drei Phasen: Planen der Tour, beurteilen der Situation im
Gelände, beurteilen im Hang. In jeder Phase
werden die drei Kriterien, Verhältnisse, Gelände,
Mensch zueinander in Beziehung gesetzt.
Drei Variablen kombinieren ist eine Aufgabe von
nicht zu unterschätzender Schwierigkeit. Sie entspricht etwa der geistigen Leistung, mittels einer
zweidimensionalen Darstellung (z. B. einer Landkarte) eine dreidimensionale Vorstellung zu entwickeln (z. B. das räumliche Bild eines Berges).
Die Erfahrung zeigt, dass dieser Anforderung mindestens ein Teil der Anwender nicht gewachsen
ist. Nicht selten ist zu beobachten, dass wichtige
Kriterien ausgeblendet werden. Eine Untersuchung bei Führungskräften zeigte, dass nur etwa
15 % der Beteiligten zuverlässig eine korrekte
Schlussfolgerung aus Problemstellungen mit drei
oder mehr Variablen ziehen konnten. Die begrenzte Merk fähigkeit und der schwierig Umgang mit
mehreren Variablen können als verborgene Mitursache von Fehlbeurteilungen vermutet werden.
In der Planungsphase stehen nur Fremdinformationen, resp. Prognosen zur Verfügung: Das
Lawinenbulletin, der Wetterbericht, die Landkarte,
sowie Informationen aus weitern Quellen, die alle
ungenau, lückenhaft oder irrtümlich sein können.
Die Annahmen, die der Planung zu Grunde liegen,
müssen deshalb im Gelände überprüft und ergänzt werden. Eigene Beobachtungen sind eine
neue, unabhängige Eingabe. Dadurch können
Fehler der vorangehenden Beurteilungsstufe korrigiert und fehlende Informationen ergänzt werden.
Damit endet die Abhängigkeit von Fremdinformationen und jeder weitere Beurteilungsschritt
basiert auf selbstverantwortlichem Handeln.
58
5
Gefahr bewerten – Entscheiden
– Umsetzen
Im einzelnen Hang werden die Einflussgrössen
nochmals auf dieselbe Weise verfeinert und
schliesslich, als Basis für den Entscheid, alle
Risikoüberlegungen zusammengefasst.
Jede Beurteilungsphase kann als Sieb, mit immer
feinerer Maschenweite, aufgefasst werden,
Der Ablauf der fortlaufenden Neubeurteilung der
Verhältnisse sei an einem Praxisbeispiel gezeigt:
Phase
Informationsquelle
Einschätzung
Regional
Planen mit dem
Lawinenbulletin
(Fremdinformation)
eigene Beurteilung vor
Ort (soweit das Auge
reicht)
Beurteilung im Hang
(Schlüsselstelle)
Gefahrenstufe
«mässig»
Lokal
Zonal
kritische Neuschneemenge
erreicht
frische Triebschneeansammlungen in Mulden
Zusammenfassung der Risikoüberlegungen: jede
neue Information tendiert in Richtung erhöhter
Gefahr.
Kritische Neuschneemenge erreicht bedeutet,
lokal entspricht die Gefahr knapp der Stufe «erheblich». Im Einzelhang sind frische Triebschneeansammlungen vorhanden, die möglicherweise
leicht ausgelöst werden können.
Verhaltenskonsequenz: Umgehung von steilen,
mit frischem Triebschnee gefüllten Mulden. Verzicht auf sehr steile Hänge. In Steilhängen mit kritischer Neuschneemenge, Schneedecke schonen.
Es ist also defensiveres Verhalten erforderlich, als
bei der ausgegebenen Bulletinstufe «mässig»
üblich ist.
Der Prozess der Informationsverarbeitung kann in
drei Schritte gegliedert werden:
– Gefahr bewerten: Gefahrenstufe Lawinenbulletin, Stabilität des Hanges, Schlüsselfakten gewichten und vernetzen
– Entscheiden, mittels Wahrscheinlichkeitsüberlegungen (Reduktionsmethoden)
– Umsetzen
Die Reihenfolge des Ablaufs ist zwingend. Beispiel: Gefahrenstufe mässig, der nächste Hang ist
eine sehr steile, schattige Mulde. Entscheid:
gehen, aber mit Vorsichtsmassnahmen. Letztere
müssen in angemessener Distanz, vor dem Betreten des Hanges, angeordnet werden und dann
auch eingehalten werden. Dies ist in der Führungspraxis nicht ganz so banal, wie das Beispiel einfach
scheint.
Lawinen und Recht
6
Reduktionsmethoden
Reduktionsmethoden strukturieren die Vernetzung
der Variablen auf übersichtliche Weise, unfallträchtige Kombination können erkannt werden. Oft wird
darauf hingewiesen, dass die Reduktionsmethoden wichtige Fakten nicht einbeziehen. Das ist
nicht unbedingt eine Schwäche der Methode,
denn die Beschränkung auf die Schlüsselfakten
ist notwendig (s.o.), nämlich: bei der elementaren
Methode, Gefahrenstufe vernetzt mit Hangneigung; bei der klassischen Methode Gefahrenstufe
(resp. Bewertung der Hangstabilität), Hangneigung, Exposition, häufig / selten befahrener Hang,
Belastung (Gruppengrösse, Entlastungsabstand).
Der Grundgedanke aller strategischen Methoden
ist die Gegenüberstellung von Gefahrenpotential
und Vorsichtsmassnahmen.
Gefahrenpotential
akzeptables Restrisiko
Vorsichtsmassnahmen
7
Denken in Bandbreiten
Das Resultat zeigt die Bandbreite vernünftigen
Verhaltens, nämlich: günstiger Bereich / am Limit /
im kritischen Bereich. Nicht Sicherheit ist das
(unmögliche) Ziel, sondern Risiko-Optimierung.
Auf der Snowcard und auf dem Schweizer Merkblatt «Achtung Lawinen» werden dieselben Elemente visuell umgesetzt, das Resultat wird in den
Ampel-Farben dargestellt.
Die nicht berücksichtigten Faktoren, können mit
naheliegenden, zusätzlichen Überlegungen einbezogen werden. Die Höhenlage beispielsweise
durch anpassen des Gefahrenpotentials. Günstige
/ ungünstige Geländeform mittels Interpretation
des Ergebnisses in der entsprechenden Richtung.
Zwei Varianten können gemäss Reduktionsmethode dasselbe Restrisiko aufweisen, aber ein
weiterer Faktor, z. B. die Erwärmung infolge Einstrahlung, kann bei einer der Variante das entscheidende Kernproblem darstellen.
Zwei typische Situationen entziehen sich in einem
gewissen Grad der Einschätzung mittels Reduktionsmethoden: frischer Triebschnee, infolge der
kaum einschätzbaren Auslösewahrscheinlichkeit;
kohäsionsloser nasser, oder trockener «zuckriger»
Schnee.
Das Problemfeld Gewichtung, Bewertung wird
nicht selten missverstanden.
Genauigkeit ist hier nicht gefragt, ja fehl am Platz.
Es wird mit Faustregeln gearbeitet, es muss in
Grössenordnungen und Bandbreiten gedacht
werden. Das Lawinenbulletin unterteilt den Gefahrengrad in Stufen. In Wirklichkeit handelt es sich
um eine gleitende Skala. Stufe «mässig» auf der
Seite von «gering» (ziemlich günstige Tourenverhältnisse), ist nicht dasselbe wie Stufe «mässig»
am Übergang zu «erheblich» (ziemlich kritische
Verhältnisse, jedoch ohne Alarmzeichen und damit schwierig erkennbar). Zwischen diesen Extremen, immer innerhalb der Stufe «mässig», kann
sich eine Verdoppelung des Gefahrenpotentials
verbergen.
Die Hangneigung kann auf der Landkarte nicht exakt gemessen werden, die Auflösung der Höhenkurven ist zu grob. Schätzen der Hangsteilheit im
Gelände ist infolge der perspektivischen Verzerrung schwierig. Es ist in der Praxis zweckmässig,
grobe Klassen der Hangneigung zu bilden: unterhalb der kritische Hangneigung (< 30°), steil (< 35°),
sehr steil (< 40°), extrem steil (> 40°). Haarspalterische Überlegungen bei der Tourenplanung, ob die
Sohle einer Mulde nun 38° oder 41° steil sei, sind
wenig hilfreich. Ihre Seitenhänge sind, aus geometrischen Gründen, auf jeden Fall steiler. Es stellt
sich weiter die Frage, wo die Hangneigung geschätzt werden soll; andersherum gefragt: wie
gross könnte ein mögliches Schneebrett werden,
wie weit ist der wirksame Auslöseradius. Merkwürdigerweise wurde dieses nahe liegende Fragestellung, lange Zeit nicht beachtet. Erfahrungsgemäss kann die Beurteilung bei Stufe «mässig» auf
die nähere Umgebung der Spur begrenzt werden,
Umkreis ca. 20 m. Bei Stufe «erheblich» hingegen
soll der gesamte Hang, also der ganze Einzugsbereich, in Betracht gezogen werden.
Schwierig gestaltet sich die Zuordnung zu einer
bestimmten Exposition. Eine ausgeprägte Mulde
weist mehrere Expositionen auf und die Übergänge sind fliessend.
8
Muster erkennen
Eine Stärke des menschlichen Denkens liegt im
erkennen von Mustern, von «Bildern», von «Problemfeldern». Die Vorgeschichte von Lawinenunfällen zeigt häufig einprägsame Muster, die im
Sinne einer Erweiterung des probabilistischen Ansatzes genutzt werden können. Unfälle ereignen
sich typischerweise:
– nach grösseren Neuschneefällen
Neuschneemenge, Wind, Kälte kombiniert
– bei schwacher Schneedecke
oberflächennahe Schwachschicht; viele, dünne
und verschiedenartige Schichten in der Schneedecke; dünne, unregelmässige Vor- und Hochwinterschneedecke,
– bei markanter, rascher Erwärmung
Einstrahlung, tageszeitliche Erwärmung, Regen,
fehlende Abstrahlung
59
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
– vermehrt in schneearmen und kalten Gebieten,
z. B. im inneralpinen Raum, weniger in schneereichen und warmen Gebieten, z. B. am Alpennordhang (abgesehen von der kurzen Zeitspanne nach grösseren Neuschneefällen)
Ebenso wie die Qualität der Bewertung der Gefahr
und der Entscheide, ist die Art und Weise der Umsetzung entscheidend: Die vernünftige Wahl des
Tourenzieles, die Wahl der Route, fortlaufendes
Überprüfen der Situation im Gelände, die Anlage
der Spur, das rechtzeitige Treffen von Führungsentscheiden, eine klare Kommunikation, die Anordnung von Vorsichtsmassnahmen, die Resistenz
in Stresssituationen und nicht zuletzt eine gewisse
Selbstdisziplin aller Beteiligten.
9
Ausblick
Die Entwicklung der praktischen Lawinenkunde
ist bei weitem noch nicht abgeschlossen.
Sie enthält bedeutsames Potential für Erweiterungen und Verbesserungen in unterschiedlichen
Bereichen:
– eine vertiefte weitere Bearbeitung des, in der
Lawinenkunde eher vernachlässigten, Faktors
«Mensch»
– besseres Verständnis der Eigenschaften des
Materials Schnee und der Vorgänge bei der Lawinenauslösung
– die Sensibilisierung der Freizeitsportler und
eine dieser Zielgruppe angepasste Vermittlung
von elementaren Kenntnissen.
Paul Nigg, 1949, wohnhaft in Luzern, Konstrukteur im
Maschinenbau, seit 1980 selbständigerwerbender Bergführer, Ausbildner in Kursen des SAC und bei J+S
Résumé: Gestion des risques au cours
de randonnées à ski
Dans le cadre de la gestion du risque d’avalanches en
randonnées, c’est le processus d’évaluation et de décision de l’adepte des sports de neige qui sera ici traité.
Le désir de partir en randonnée est surtout motivé par
le besoin de ressentir des émotions fortes en marge de
son quotidien. On peut supposer que les randonneurs
choisissent leur itinéraire en fonction de critères tels
que l’agrément de la montée, la poudreuse dans la descente, la beauté du paysage hivernal plutôt que sur la
base de considérations liées aux risques encourus. Les
connaissances de gestion du risque de ce groupe doivent être plutôt modestes.
On peut donc en tirer la conclusion suivante: la science
des avalanches doit fournir des stratégies simples et
compréhensibles de gestion du risque. Il doit être pos-
60
sible d’en enseigner les éléments fondamentaux dans
le cadre d’une formation de courte durée. Les responsables de randonnées et les utilisateurs professionnels
ont également besoin d’outils simples et efficaces. Des
situations complexes requièrent des règles de comportement simples.
La gestion de la profusion d’informations constitue déjà
pour l’utilisateur un problème majeur. Lors de la planification d’une randonnée, il convient de prendre au moins
connaissance du degré de danger, de l’altitude et de
l’exposition des pentes critiques dans le bulletin d’avalanche, de consulter par exemple l’évolution des températures dans le bulletin météorologique, d’étudier la
carte géographique pour connaître la déclivité de la
pente, l’exposition, la configuration du terrain et l’altitude des endroits clés et d’obtenir d’autres informations
sur le tracé de l’itinéraire. De plus, il faut s’occuper des
aspects touchant à l’organisation comme p. ex. l’horaire, l’équipement, etc.
En déplacement sur le terrain, il faut vérifier et compléter les hypothèses de la planification au moyen d’examens propres et d’affiner le tout sur place par des observations actuelles et plus détaillées sur la pente. La
pression exercée par le risque et le manque de temps
constitue de possibles facteurs de stress supplémentaires. Par contre, les capacités de mémorisation sont
limitées. Dans un seul processus d’apprentissage il
n’est possible d’emmagasiner qu’environ cinq éléments
pouvant être consultés à tout moment. Il est donc possible de passer à côté du plus important ou de
l’oublier.
Il est nécessaire de disposer d’une matrice simple
permettant de classer de façon claire tous les faits importants afin de les garder en mémoire comme avec la
formule 3 x 3. Néanmoins, l’établissement d’une liste
d’éléments ne permet pas d’estimer le risque. Afin
qu’elle soit gérable, la quantité d’informations doit se
limiter aux éléments clés, aux facteurs d’influence décisifs. Ces derniers serviront de base pour la décision. Ils
seront quantifiés et mis en relation les uns avec les
autres.
Combiner trois variables revient à peu près au même en
termes de difficulté que de convertir en représentation
en 3 dimensions (p. ex. une représentation spatiale
d’une montagne) une représentation en 2 dimensions
(p. ex. une carte). Les limites des capacités moyennes
de combinaison sont ainsi atteintes. (Une étude réalisée
sur des cadres a montré que seuls 15 % des participants étaient capables de tirer des conclusions correctes et fiables en présence de plus de trois variables).
Cela prouve qu’il est nécessaire d’avoir un processus
d’évaluation du risque simplifié et clairement structuré.
La méthode de réduction structure et systématise le
processus de pensée. La Snowcard permet de le visualiser. Des éléments clés sélectionnés sont pondérés et
mis en relation les uns avec les autres. Le résultat montre la marge de manœuvre de comportement raisonnable, la plage de risque acceptable, la zone extrême, le
domaine critique. Le but n’est pas la sécurité mais un
risque optimisé.
Les méthodes de réduction sont incomplètes. D’importants éléments manquent comme p.ex. la configuration
de la pente, sa taille, la proximité de la crête. Cependant, il est en pratique facile d’interpréter dans un
Lawinen und Recht
certain sens le résultat de la méthode de réduction en
faisant appel à des réflexions supplémentaires.
C’est du récapitulatif de toutes ces considérations
portant sur le risque que découle la décision finale:
y aller / y aller avec des mesures de précaution supplémentaires / ne pas y aller.
Outre la qualité du processus de prise de décision, le
type et le mode d’application sont décisifs pour l’optimisation du risque: choix de la destination de la
randonnée et de l’itinéraire, tracé, prises de décisions
dans les temps, disposition et respect des mesures de
prudence, conduite et communication clairs.
Il est tout à fait possible d’élargir l’approche probabilistique comme dans le cadre de la méthode de réduction. Les accidents causés par des avalanches suivent
des modèles typiques faciles à retenir. Les accidents
se produisent p. ex.:
– après d’abondantes chutes de neige fraîche; combinaison de neige fraîche, vent et froid.
– en cas de réchauffement rapide et marqué; rayonnement, température en journée, pluie.
– en cas de manteau neigeux à faible structure; manteau neigeux préhivernal et hivernal mince et irrégulier,
de nombreuses couches minces, couches fragiles
proches de la surface.
– plutôt dans les régions froides où les quantités de
neige sont faibles (p. ex. régions intraalpines) que
dans les régions chaudes à fort enneigement (p. ex.
versant nord des Alpes).
On constate la présence d’un potentiel d’amélioration
dans différents domaines p. ex.:
– le «facteur humain» plutôt négligé en science des
avalanches
– compréhension de la neige en tant que matière et
des processus impliqués dans le déclenchement
d’une avalanche
– sensibilisation des adeptes de sports de neige et
adaptation de la transmission des connaissances
Né en 1949 et domicilié à Lucerne, Paul Nigg est
constructeur de machines, guide indépendant depuis
1980 et formateur dans le cadre des cours du CAS et
de J+S.
Riassunto: La gestione del rischio
durante un’escursione scialpinistica
La relazione affronta il tema della gestione del rischio
durante un’escursione scialpinistica e del processo di
valutazione e di decisione dal punto di vista dell’appassionato di sport invernali.
La motivazione che spinge l’uomo ad affrontare
un’escursione scialpinista risiede principalmente nella
necessità di vivere esperienze straordinarie al di fuori
del trantran quotidiano. Chi pratica sport invernali durante il proprio tempo libero sceglie la meta dell’escursione più sulla base di criteri come «facilità di salita»,
«velocità della discesa» e «bellezza del paesaggio invernale», che sulla base di considerazioni sui rischi. In
questo gruppo di persone le conoscenze sulla gestione del rischio dovrebbero essere piuttosto scarse.
Ne deriva quindi che la nivologia pratica deve poter
offrire strategie di gestione del rischio facili e comprensibili, i cui fondamenti devono poter essere trasmessi in
fasi di studio molto brevi. Anche le guide escursionistiche e gli utenti professionali devono poter disporre di
strumenti semplici ed efficaci. Situazioni complesse richiedono regole di gestione semplici.
Per l’utente, un problema importante rappresenta già
solo la gestione dell’innumerevole quantità di informazioni. Per pianificare l’escursione, egli deve infatti ricorrere al bollettino delle valanghe per conoscere almeno
il grado di pericolo, l’altitudine e l’esposizione dei pendii
critici, alle previsioni meteo per l’andamento della temperatura, alla cartina geografica per verificare l’inclinazione dei pendii, l’esposizione, l’orografia del terreno e
le altitudini dei punti chiave e a qualsiasi altra fonte utile
in relazione all’escursione. A questi dati vanno poi aggiunte altre questioni di carattere organizzativo, p.es.
l’orario, l’equipaggiamento, ecc.
Durante l’escursione, le supposizioni fatte in fase di pianificazione
devono
essere
verificate / integrate
attraverso osservazioni personali, mentre sul pendio
tutti i dati devono nuovamente essere perfezionati per
mezzo di osservazioni aggiornate e dettagliate sul
posto. La pressione esercitata dal rischio e dall’orario
stabilito possono rappresentare possibili fattori supplementari di stress. La capacità mnemonica è invece
limitata. In una singola fase di studio è possibile memorizzare e successivamente richiamare solo circa cinque
fatti. Sussiste quindi il rischio di tralasciare o dimenticare quelli più importanti.
Importante è una semplice checklist in cui sono riportati
in forma prospettica e chiara tutti i fattori più importanti,
come viene fornita dalla formula 3 x 3. Un semplice
elenco di fatti non significa ancora aver valutato il
rischio. Affinché sia poi utilizzabile, la grande quantità
di dati deve essere ridotta a ciò che veramente conta,
ovvero ai fattori d’influenza principali. Per essere utilizzati come base per una decisione, i dati devono poi
essere quantificati e relazionati tra di loro.
Combinare tre variabili è altrettanto complicato come
riuscire a trasformare una rappresentazione bidimensionale (p. es. cartina geografica) in un’immagine tridimensionale (p. es. immagine spaziale di una montagna).
Vengono così raggiunti i limiti della capacità associativa
media (una ricerca svolta su un campione di dirigenti ha
dimostrato che solo il 15 % dei partecipanti è stato in
grado di trarre le giuste conclusioni da più di tre variabili). Ciò dimostra la necessità di una strutturazione chiara
e semplificata del processo di valutazione del rischio.
Il metodo di riduzione del rischio serve a strutturare e a
sistematizzare il processo di pensiero. La Snowcard lo
visualizza: importanti e selezionati fattori vengono
ponderati e collegati insieme. Il risultato visualizza i
margini di un comportamento ragionevole, cioè la zona
del rischio accettabile, la zona limite e la zona critica.
L’obiettivo non è la sicurezza, ma l’ottimizzazione del
rischio.
I metodi di riduzione sono lacunosi perché mancano
elementi importanti come la forma e le dimensioni del
pendio, o le situazioni di cresta. Attraverso ulteriori
considerazioni, in pratica è però facile interpretare il
risultato offerto dal metodo di riduzione in una determinata direzione.
61
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
La somma di tutte le considerazioni sul rischio confluisce nella decisione finale:
andare / andare adottando precauzioni supplementari /
non andare.
Per l’ottimizzazione del rischio, oltre alla qualità del processo di decisione sono importanti anche le modalità
con cui la decisione presa viene messa in pratica: scelta della meta dell’escursione e del percorso, realizzazione della traccia, presa tempestiva delle decisioni,
imposizione e rispetto di misure precauzionali, evidente
capacità di guida e di comunicazione.
Non è esclusa un’ulteriore evoluzione di questa dottrina
probabilistica che ricalca il metodo di riduzione. Gli
incidenti da valanga seguono modelli tipici e facili da
ricordare. Un incidente si verifica p. es.
– dopo abbondanti nevicate: combinazione dei fattori
quantità di neve fresca, venti e freddo
– dopo un forte e rapido riscaldamento: irradiazione,
temperatura diurna, pioggia
– con una debole struttura del manto nevoso: manto
nevoso preinvernale e invernale sottile e irregolare,
presenza di molti strati sottili, strati fragili in prossimità
della superficie
– più frequentemente nelle regioni fredde con poca
neve (p. es. regioni alpine interne) che in quelle calde
ricche di neve (p. es. versante nordalpino)
Potenziali di miglioramento sono disponibili a diversi
livelli, p. es.:
– il «fattore uomo», piuttosto trascurato dalla nivologia,
– comprensione del materiale neve e dei processi che
si verificano durante il distacco di una valanga,
– sensibilizzazione degli appassionati di sport invernali
e trasmissione adattata delle conoscenze.
Paul Nigg, 1949, residente a Lucerna e diplomato in
impiantistica, dal 1980 svolge l’attività di guida alpina
indipendente e di istruttore dei corsi SAC e J+S.
62
Lawinen und Recht
Skilehrer im Spannungsfeld
Harald Riedl
1
Einleitung
Sicherungsmassnahmen in Skigebieten schränken die Arbeit der Skilehrer immer wieder ein. Das
Verständnis der Gäste für diese Einschränkungen
sinkt. Der Druck auf die Skilehrer steigt. Im Folgenden wird dieses Spannungsfeld beim geführten Variantenfahren aufgezeigt, und zwar für das
Land Tirol, ausgehend von der Situation im Winter
2004/2005. Tiroler Behörden und Verwaltung sind
gemeinsam mit der Seilbahnwirtschaft gefordert.
2
Lawinenwinter 2004 / 2005
Der Winter 2004 / 05 war gekennzeichnet von
hunderten Lawinenabgängen allein in Tirol. Viele
davon waren mit Personenbeteiligung, was dazu
führte, dass Mitte April 2005 in Tirol 25 Todesopfer
durch Lawinenverschüttung zu beklagen waren.
Nur viel Glück und vor allem dem Umstand, dass
weitere beteiligte Personen vertraut im Umgang
mit der Kameradenhilfe waren, ist es zu verdanken, dass nicht zahlreiche weitere Opfer zu beklagen waren. Ursache für diese seit Jahren einzigartige Situation war der schlechte Schneedeckenaufbau, der sich schon durch die Entwicklungen
der Schneedecke in den ersten Winterwochen
abzeichnete.
3
Schneedeckenentwicklung
2004 /2005
Erste geringe Schneefälle im November 2004, folgend von einer niederschlagsfreien, aber kalten
Zeit, weitere, jedoch geringe Niederschläge an der
Alpennordseite bis 18. Dezember 2004 und an der
Alpensüdseite bis 26. Dezember 2004, und der
nachfolgend wieder sehr kalten Wetterperiode
während des gesamten Januar 2005 waren Ursache für die Bildung einer äusserst labilen und störanfälligen Schneedecke. Durchzogen waren diese
Wochen immer wieder von Niederschlägen geringer bis mittlerer Intensität bei sehr starken Winden
und immer tiefen Temperaturen. Der Schneezutrag
wurde während jeder Niederschlagsperiode durch
starke Winde in alle Hangrichtungen verfrachtet.
Die markanteren Niederschläge Ende Januar und
Anfang Februar 2005 änderten nichts an der gesamt kritischen Schneedeckensituation. Auch der
Wärmeeinbruch Mitte Februar 2005 mit Regen bis
auf ca. 2400 Meter konnte die Situation nicht
wesentlich entspannen. Erst die über mehrere Tage
markanten Temperaturanstiege Anfang bis Mitte
März 2005, begleitet von zahlreichen Selbstauslösungen von Lawinen, konnten die Situation einiger
Massen entspannen, und erst Mitte April 2005 und
damit ironischer Weise am Ende der Skisaison,
markant beruhigen. Deutlich zeigte sich wieder
Foto: Archiv LDW,
Tirol.
63
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
einmal, dass nicht die niederschlagsreichen Winter
die Problemwinter darstellen, sondern die niederschlagsarmen, die aufgrund des physikalisch
bedingten schlechten Schneedeckenaufbaues zu
sogenannten «Lawinenwintern» führen.
4
Beruflich exponierte Personengruppen
Beruflich mit der Beurteilung der Lawinengefahr
betraute Personenkreise wie allen voran die Tiroler Skilehrer, die Tiroler Berg- und Skiführer, die
Tiroler Lawinenkommissionen und die Tiroler Seilbahnunternehmer mussten sich somit von Winterbeginn an mit einer ungewöhnlichen Gefahrenlage
auseinandersetzen. Aus dieser Personengruppe
möchte ich besonders die Skilehrer und die Seilbahnbetreiber hervorheben, die in einer speziellen
Symbiose miteinander zu leben haben. Nicht
eingehen möchte ich auf die Skilehrer-SkiführerArbeit abseits des organisierten Skiraumes.
5
Organisierter Skiraum
Zum organisierten Skiraum gehören folgende
Pistenflächen:
– Skipisten: sind allgemein zugängliche, zur Abfahrt mit Wintersportgeräten vorgesehene und
geeignete Strecken, die markiert, kontrolliert
64
und vor atypischen Gefahren, insbesondere
Lawinengefahr, gesichert sind, und präpariert
werden.
– Skirouten: sind allgemein zugängliche, zur
Abfahrt mit Skiern vorgesehene und geeignete
Strecken, die markiert werden und nur vor
Lawinengefahr zu sichern sind; sie sind weder
präpariert, noch werden sie kontrolliert.
– Skiwege: sind für das Skifahren geschaffene
und geöffnete Wege, die Teile einer Piste darstellen oder der Verbindung von Skipisten oder
der Abfahrt ins Tal dienen.
All diese Flächen gehören zum organisierten Skiraum und müssen somit vor Lawinengefahr durch
die Seilbahnbetreiber gesichert werden. Diese
bedienen sich der fachlichen Beratung durch die
Lawinenkommission, welche interne Beratungen
führt und diese mit einem Sachverständigenvorschlag abschliesst, der an die Betriebsleitung
gerichtet wird. Die Betriebsleitung kann nun auf
Empfehlung der Lawinenkommission geeignete
Massnahmen wie z. B. das Sperren von Pisten
anordnen, durchführen und überwachen. Dabei
ist die Betriebsleitung nicht an die Empfehlung der
Lawinenkommission gebunden. Weitere Massnahmen wie z. B. das Sprengen von Lawinen, um
Pistenabschnitte zu sichern, können ebenfalls
durch die Kommission empfohlen bzw. nicht
empfohlen werden. Für die sichere Durchführung
oder die Unterlassung der Sprengung ist jedoch
wieder die Betriebsleitung der Seilbahn verantwortlich.
Lawinen und Recht
6
Die Problemstellung
Im Winter 2004 / 2005 kam es in manchen exponierteren Skigebieten vor allem im Tiroler Oberland zu folgenden skurrilen Situationen: Die Lawinenkommission empfahl in Teilen der Skigebiete
Pistenabschnitte bzw. Skirouten zu sperren, um
darunter liegende, in Betrieb befindliche Pisten zu
sichern und offen zu halten. Die Betriebsleitungen
kamen dieser Empfehlung nach und sperrten jeweils an den Einfahrten ordnungsgemäss deutlich
und für jedermann erkennbar die betroffenen
Abfahrten. Zusätzlich wurden die Sperren an den
Panoramatafeln des Skigebietes elektronisch angezeigt. Eigentlich müssten diese Massnahmen
von jedem verantwortungsbewussten Wintergast
eingehalten und akzeptiert werden. Wie es aber in
den letzten Jahren tendenziell zu beobachten war,
gelten im Wintersport der Sicherheit dienliche
Regeln als blosse Einschränkung der persönlichen
Freiheit. Es kam, wie es kommen musste. Die
Sperren wurden ignoriert und die gesperrten
Pistenabschnitte widerrechtlich befahren. Von am
Lift befindlichen Gästen der Tiroler Skischulen,
wie z. B. am Arlberg (Schindlerkar), wurde das
Befahren gesperrter Skirouten im organisierten
Skiraum beobachtet und aufgrund der Pulververhältnisse in diesen Skirouten als nachahmenswert
beurteilt. So kam es in einem extremen Fall dazu,
dass der Skilehrer die sichere offene Piste über
die Ulmerhütte bis ins Steissbachteil nahm, während die Mitglieder der Skischulgruppe es bevorzugten, trotz Belehrung und Warnung des Skilehrers das gesperrte Schindlerkar bis ins Steissbachtal abzufahren, um sich dort wieder mit ihm
zu treffen. Da es für einen Skilehrer einer Tiroler
Skischule undenkbar ist, während seines Dienstes
im Skilehreranzug gesperrte Bereiche im organisierten Skiraum zu befahren, die Gäste jedoch
aufgrund der mangelnden Akzeptanz der von Seilbahnen durchgeführten Sperren diese sehr wohl
befahren, entsteht aus Sicht des Tiroler Skilehrerverbandes ein dringender Handlungsbedarf.
7
Lösungsansätze
Im Laufe des Winters 2004 / 2005 wurde jedenfalls
immer wieder von mehr oder weniger berufener
Stelle laut über Lösungen nachgedacht. So forderte z. B. der für den Skilauf im organisierten Skiraum unzuständige Österreichische Alpenverein,
man sollte nicht mit Sanktionen im Wintersport
agieren, sondern mit Aufklärung und Ausbildung.
Ich glaube, dass ein Wintergast, der in ein Tiroler
Skigebiet ausschliesslich zum alpinen Skilaufen
kommt, nicht daran interessiert ist, mehrere Stunden am Tag oder am Abend mit Schulungen und
Einweisungen in die Lawinenkunde zu verbringen.
Dies kann daher aus meiner Sicht wohl eher ein
Ansatz für eine andere Zielgruppe, nämlich die der
Skitourengeher und Winterbergsteiger, sein, für
die die alpinen Vereine in Zukunft noch sehr viel
Arbeit haben werden.
Ein ähnlicher Lösungsansatz kam wiederum von
einer unzuständigen Stelle, nämlich der Tiroler
Bergrettung, die den Wintersport im organisierten
Skiraum ebenfalls durch Ausbildung und Aufklärung positiv zu beeinflussen gedenkt. Hier gilt das
Gleiche wie für die alpinen Vereine.
Weitere Stimmen wurden laut, die meinten, man
sollte doch die Tiroler Seilbahnbetreiber damit beauftragen, empfindliche Strafen samt Kartenentzug über uneinsichtigen Wintergäste zu verhängen.
Wie mir Rechtsexperten der Tiroler Wirtschaftskammer sowie Juristen der Tiroler Seilbahnwirtschaft und namhafte Tiroler Seilbahnbetreiber
versicherten, wird diese Massnahme bereits seit
Jahren diskutiert. Bisheriges Ergebnis scheint zu
sein, dass die Abnahme von Skipässen rechtlich
äusserst schwierig und nicht besonders effizient
zu sein scheint. Der Wintergast geht beim Kauf
einer Liftkarte einen privatrechtlichen Vertrag mit
dem Transporteur ein. Hält er sich nicht an die Beförderungsbestimmungen, kann ihm sehr wohl die
Liftkarte abgenommen werden, ein neuerlicher
Kauf einer Liftkarte kann jedoch nicht verhindert
werden. Bei Mehrtages- oder Saisonskipässen ist
der Restwertbetrag rückzuerstatten. In diesem
Fall kann der Wintergast an derselben Kasse im
selben Moment wieder einen Skipass lösen und
ins Skigebiet eintreten.
In manchen Skigebieten versuchte man daher, im
Wege von gemeindepolizeilichen Verordnungen
65
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
einen verwaltungsrechtlichen Rahmen zu schaffen. Mit diesem Rahmen wäre theoretisch eine
Grundlage gegeben, um Übertretungen wie das
Befahren gesperrter Pisten zu bestrafen und
finanziell zu ahnden.
Das Land Tirol bietet – im Gegensatz zu Vorarlberg
– derzeit keine Lösung für diese Problemstellung
an. Im Rahmen des Vorarlberger Sportgesetzes
besteht nämlich die Möglichkeit, auf Antrag eines
Seilbahnbetreibers bei der Bezirksver waltungsbehörde sogenannte Pistenwächter bestellen zu
lassen. Diese werden von der zuständigen Behörde ermächtigt, Personen, die im organisierten
Skiraum Sperren missachten, anzuhalten, deren
Identität festzustellen und der Bezirksverwaltungsbehörde zur Bestrafung zu melden.
Ein letzter, sehr drastischer Schritt wäre die Erweiterung des Strafgesetzparagraphen 89 (Gefährdung der körperlichen Sicherheit), der derzeit ausschliesslich bei einer konkreten Gefährdung von
Personen Anwendung findet. Das heisst, dass nur
jene Personen strafrechtlich zur Verantwortung
gezogen werden (und damit auch durch die Gendarmerie angehalten werden können), die konkret
andere Personen gefährden. Damit ist gemeint,
dass eine gesperrte Piste befahren werden muss,
eine Lawine ausgelöst werden muss und darunter
liegende Bereiche samt darauf befindlicher Personen dergestalt gefährdet sein müssen, dass es zu
einem Beinahe-Unfall kommt. Hier könnte diese
Bestimmung des StGB laut Expertenmeinung auf
eine abstrakte Gefährdung erweitert werden.
Unter einer abstrakten Gefährdung wäre dann zu
verstehen, dass bereits die Möglichkeit einer Gefährdung von Personen genügt (es muss kein tatsächlicher Lawinenabgang erfolgen), um diesen
Straftatbestand zu erfüllen. In Italien ist im weitesten Sinne ein solches Modell in Kraft.
8
Schluss
Abhilfe für die komplexe Situation kann aus meiner
Sicht nur ein Bündel von Massnahmen darstellen,
für das in erster Linie die Behörden und die Verwaltung unter Mitarbeit der Seilbahnbetreiber
zuständig ist. Vorstellbar wäre ein gemeinsames
Massnahmenpaket seitens des Landes Tirol und
der Tiroler Seilbahnwirtschaft, welches eine für
Tirol massgeschneiderte Lösung für die Zukunft
bietet. Es ist aus meiner Sicht, und hier spreche
ich als Ausbildungsverantwortlicher der Tiroler Lawinenkommissionen, auf Dauer nicht akzeptabel,
dass Sperrmassnahmen der Tiroler Seilbahnbetreiber Saison für Saison sanktionslos missachtet
werden. Ich glaube, dass es den Tiroler Skilehrern
nicht viel anders geht, und sehr viel Druck und
Ungemach in ihrer täglich anspruchsvollen und
66
harten Arbeit genommen werden könnte, wenn
dieses Problem durch eine klare Regelung gelöst
wird. Ich glaube auch aus Gesprächen mit Verantwortlichen der Tiroler Seilbahnen einen Lösungswunsch seitens der Behörden geortet zu haben.
Abschliessend gilt es festzustellen, dass dieses
Spannungsfeld vor allem von den Tiroler Skilehrern anzugehen ist, damit sie wie bisher ihre Arbeit
als Schneesportprofis in gewohnter Qualität
durchführen können.
Harald Riedl, Landesskilehrer, staatlich geprüfter Bergund Skiführer. Ausbildungsleiter der Tiroler Lawinenkommissionen beim Amt der Tiroler Landesregierung.
Gerichtlich beeideter und allgemein zertifizierter Sachverständiger für alpinen Skilauf, Alpinistik, Lawinenkunde, Lawinenunfälle und Lawinenschutz
Résumé: Le moniteur de ski tiraillé
entre des intérêts contradictoires
Les mesures de sécurisation dans les domaines skiables imposent constamment des restrictions au travail
des moniteurs de ski. La compréhension des clients
vis-à-vis de ces restrictions diminue et la pression sur
les moniteurs augmente. Les autorités et l’administration tyroliennes relèvent ensemble le défi avec les
exploitants des remontées mécaniques.
Les personnes chargées professionnellement de l’évaluation du danger d’avalanche et en premier lieu les
moniteurs de ski tyroliens, les guides de montagne et
de ski tyroliens, la Commission tyrolienne des avalanches ainsi que les exploitants tyroliens de remontées
mécaniques ont dû faire face dès le début de l’hiver à
une situation de danger inhabituelle.
L’espace skiable organisé comprend des pistes qui font
l’objet d’une obligation de sécurisation. Ces pistes bénéficient des conseils professionnels de la Commission
des avalanches.
La Commission des avalanches recommande de fermer
des tronçons de pistes ou des parcours de ski dans
certaines parties des domaines skiables, afin de pouvoir maintenir l’activité et garantir la sécurité des pistes
se trouvant à des niveaux inférieurs. Les responsables
d’exploitation ont répondu à cette recommandation et
ont à chaque fois fermé l’accès aux descentes concernées, dans les règles de l’art et de manière bien visible
pour tout un chacun. Au mépris évident de ces interdictions, des skieurs ont néanmoins emprunté ces
pistes. Les moniteurs de ski sont cependant tenus de
respecter les fermetures.
Pour remédier à cette situation complexe, il faut, dans
la perspective des responsables de la sécurisation, un
ensemble de mesures dont la responsabilité appartient
en première ligne aux autorités et à l’administration avec
l’appui des exploitants des remontées mécaniques.
Harald Rield est directeur de la formation de la Commission des avalanches tyrolienne auprès de l’administration du gouvernement du Tyrol à Innsbruck (Autriche). Il est moniteur de ski, guide de montagne et guide
Lawinen und Recht
de ski titulaire d’un diplôme officiel et expert certifié
auprès des tribunaux pour le ski alpin, l’alpinisme, la
science des avalanches, les accidents d’avalanches et
la protection en matière d’avalanche.
Riassunto: Il maestro di sci tra
l’incudine e il martello
Le misure di protezione adottate nei comprensori
sciistici limitano sempre di più l’attività dei maestri di
sci: la comprensione del turista verso queste limitazioni
scende e la pressione sul maestro di sci sale. Una vera
sfida per le autorità e l’amministrazione tirolese, così
come per i gestori degli impianti di risalita.
Sin dall’inizio dell’inverno, il gruppo di persone che si
occupa a livello professionale della valutazione del
pericolo di valanghe, in primo luogo i maestri di sci
tirolesi, le guide alpine ed escursionistiche tirolesi, le
commissioni valanghe tirolesi e le aziende di gestione
delle funivie tirolesi si sono quindi dovute confrontare
con una straordinaria situazione di pericolo.
All’interno del comprensorio organizzato rientrano le
piste che devono essere protette nell’ambito dell’obbligo di protezione delle piste. Queste ricorrono alla
consulenza specialistica fornita dalla commissione
valanghe.
In alcuni dei comprensori sciistici, la commissione valanghe raccomanda di vietare l’accesso a tratti di piste
e/o percorsi escursionistici, per proteggere e tenere
aperte le sottostanti piste in funzione. Le aziende di
gestione hanno accolto questa raccomandazione e
hanno quindi vietato l’accesso alle discese interessate,
mediante cartelli chiari e riconoscibili da chiunque
posizionati regolarmente nelle zone di accesso. Sulla
base di evidenti violazioni dei blocchi, i turisti sollecitano la possibilità di percorrere queste piste. I maestri di
sci sono tuttavia legati all’obbligo di rispettare questi
blocchi.
Dal punto di vista dei responsabili della protezione civile,
una soluzione a questa complessa situazione può
essere rappresentata solo da un pacchetto di misure
per le quali sono responsabili in primo luogo le autorità
e l’amministrazione, con la collaborazione delle aziende
di gestione delle funivie.
Harald Rield è direttore del servizio di formazione delle
commissioni valanghe tirolesi presso l’ufficio del governo del Tirolo a Innsbruck (A). Maestro di sci, guida
alpina ed escursionistica ufficiale e perito giurato per i
settori scialpinismo, alpinismo, nivologia, incidenti da
valanga e opere di protezione contro le valanghe.
67
Lawinen und Recht
Sécurité dans la station de ski
Jean Louis Tuaillon
1
Introduction
En 2005, le nombre d’heures d’antenne consacrées aux catastrophes naturelles a explosé, (tsunami, ouragans, tremblements de terre) les touristes qui fréquentent les sites de montagne commencent de se poser des questions sur la façon
dont les risques naturels sont pris en compte par
les responsables des lieux de vacances où ils se
rendent ou envoient leurs enfants. Très bientôt, ils
poseront des questions et exigeront des réponses: «Que faites-vous pour limiter l’impact environnemental de l’activité touristique? Y a-t-il des
risques technologiques? Y a-t-il des risques naturels? Que faites-vous pour limiter le risque?»
En France, des associations de consommateurs
se sont créées et sollicitent les pouvoirs publics
pour des mesures de sécurité draconiennes en
stations de ski.
D’autre part, la jurisprudence et l’attitude des
juges qui ont à prendre position à la suite d’accidents dus à des catastrophes naturelles montre
très clairement qu’on a largement dépassé le stade
de savoir s’il est prudent d’étaler au grand jour les
risques et surtout les insuffisances constatées
dans leur prise en compte. L’hypothèse de base
est: le maire sait. A-t-il fait quelque chose? Ensuite, le juge décide, après avoir fait diligenter une
enquête par un ou des experts, si les responsables ont suffisamment pris la chose au sérieux, en
fonction des moyens de la commune et de la compétence et de l’expérience de ces responsables.
Nos habitudes de montagnards sont parfois choquées par «l’agressivité» des victimes, de leurs
assurances ou des tribunaux après l’accident.
Qu’est ce qu’on fait et vers quoi évolue-t-on?
2
Déclenchement d’avalanches en
France
Un petit rappel géographique et historique est
nécessaire pour comprendre comment on est arrivé à la situation actuelle.
La France n’est pas un pays de montagnes, c’est
un pays avec des montagnes, seul les massifs
Pyrénéens et Alpins sont concernés par les problèmes d’avalanches. Le duché de Savoie n’a été
rattaché à la France qu’en 1860. La France est un
pays qui a longtemps été très centralisé, et les
diverses réglementations n’ont pas été faites pour
les zones de montagne. Les problèmes liés aux
avalanches n’ont réellement été pris en compte
qu’à partir des années 70 avec le grand boom des
stations de sports d’hiver. Il a fallu l’accident de
février 1970 (38 morts dans un bâtiment à Val
d’Isère) pour qu’une commission interministérielle
propose la création de l’ANENA et permette le développement des techniques de déclenchement
préventif que nous connaissons aujourd’hui.
L’ANENA est une association (non-profit organisation) et elle a le rôle d’un Institut National de la
Neige sans en avoir tous les pouvoirs. 35 ans
après sa création elle fonctionne toujours même si
son autorité est plus ou moins remise en question
par certains de ses membres. Les membres de la
commission ont proposé cette solution originale,
d’association (qui n’a pas l’autorité d’un Institut) en
voulant imiter ce qu’ils avaient vu à Davos, d’un
Institut centralisé (pourtant dans un pays Fédéral)
pour la France qui était à l’époque un pays très
centralisé.
Au-delà du travail technique, un gros travail réglementaire a du être fait pour permettre une mise en
place rapide du déclenchement préventif.
La réglementation française n’avait jamais prévu
(pour les mines, les carrières ou les travaux publics) que l’on amorce une charge d’explosif pour
la jeter au loin comme dans les westerns. La réglementation n’avait jamais prévu que l’on pouvait
monter à bord d’un engin volant avec des détonateurs et des explosifs dans des intentions pacifiques. Au-delà des techniques, il a fallu s’adapter à
une législation sur les explosifs très restrictive. On
était quelques années seulement après mai 1968
et l’Administration avait eu très peur. Contrairement à la Suisse, les militaires français laissent
leurs armes dans des enceintes militaires et l’utilisation des mortiers pour la protection de routes
d’accès à des villages est inenvisageable. Pour
utiliser des canons militaires comme aux USA, il
faudrait une avalanche de dérogations et de
précautions qui laisserait le temps au manteau
neigeux de se stabiliser, voire de fondre complètement. Ceci explique l’originalité de certaines solutions, et le développement de solutions abandonnées ailleurs comme par exemple le lanceur
pneumatique «Avalancheur» qui aujourd’hui encore est le seul propulseur de charges explosives
(à part les feux d’artifice inefficaces en matière
d’avalanche) envisageable en France dans le
respect de la législation.
69
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
La dernière des dérogations a été obtenue dans les
années 90 pour le tir des avalanches par hélicoptère qui était déjà courant ailleurs à cette époque.
La France est un pays qui a longtemps été très
centralisé avec des prises de décisions à Paris. Le
découpage administratif en régions, départements
puis commune peut paraître d’autant plus complexe que l’autorité de l’état est représenté par les
préfectures au niveau des départements dans lesquels la décentralisation donne de plus en plus de
pouvoir aux conseils généraux (structure élue du
département.)
Depuis 1982, avec encore une accélération récente (les routes départementales passent sous le
contrôle des conseils généraux) les lois de décentralisation ramènent les pouvoirs plus près du
terrain.
Le fonctionnement administratif en France donne
aux Maires la responsabilité de la sécurité sur le
territoire de leurs communes. Il doit faire cesser
les fléaux et calamités comme les inondations, les
incendies, les avalanches. Une route départementale arrivant à une station de sport d’hiver est
à la fois sous la responsabilité du président du
conseil général et à la fois sous l’autorité du maire
(responsable de la sécurité des biens et des personnes sur sa commune), voire du Préfet qui s’il
juge la situation hors norme peut prendre la décision de faire fermer la route.
Au-delà de ce qui peut sembler une complexité
administrative inutile, cela fonctionne bien sur le
terrain. Le Maire d’une station de sport d’hiver doit
prendre deux arrêtés: un arrêté sur la sécurité sur
les pistes de ski et un arrêté constituant une commission municipale de sécurité. Cette commission
municipale doit avoir au moins une réunion plénière chaque année, elle est constituée de «personnes compétentes». Au cours de cette réunion,
la commission doit réellement travailler à la sécurité avalanche et doit désigner une commission
restreinte. Le Maire est toujours président de cette
commission (restreinte ou plénière). C’est souvent
au niveau de la commission restreinte que les décisions sont prises dans les situations de crises.
Il arrive que la commission fonctionne sur deux ou
trois coups de téléphones au milieu de la nuit. NB:
Un problème peut alors exister car il n’y a pas de
compte rendu de cette réunion informelle et en cas
d’accident, le Maire (responsable de la sécurité sur
sa commune) peut se retrouver bien seul. Le risque existe que le technicien au bord de la route en
pleine tempête se sente bien seul lui aussi face à
une décision de fermeture ou d’ouverture. Quant
au président du conseil général (responsable administratif de la route) il se trouve à quelques dizaines de kilomètres, dans une ville de vallée la plupart du temps, avec des conditions météorologiques qui ne lui permettent pas de se faire une idée
de ce qui se passe même s’il s’est entouré de
70
conseillers performants. C’est lui qui autorise la
réouverture de la route. Les limites des départements ont été faites autour des grandes agglomérations en reliant les points qui pouvaient être atteints en une journée de cheval. Le rôle de celui qui
sur le terrain représente tous les intervenants est
autant un rôle technique d’intervention, qu’un rôle
de conseil avant décision et un rôle d’information
très important. Il faut une grande confiance entre
ces intervenants pour que cela fonctionne bien.
Il y a un autre arrêté du Maire qui désigne le responsable des actions de sécurité sur le domaine
skiable. C’est souvent le directeur du service des
pistes qui élargit sa fonction du domaine skiable
vers la route. Parfois, (il peut avoir des avalanches
dans un pays sans station de ski) le Maire laisse
l’intervention sur la route aux services de l’Equipement qui dépendent du département (conseil
général). Dans tous les cas, il est nécessaire que
ce service collabore, étant donné que si une avalanche obstrue la route, c’est lui qui déneige.
Services des pistes
Le développement de la pratique du ski en France
a eu lieu dans les années 70. Le «Plan Neige» devait permettre à la France de rattraper son retard
en matière d’équipement des stations de ski, on a
vu naître des domaines skiables pouvant recevoir
des dizaines de milliers de skieurs en quelques
années. Devant le besoin de sécurité des usagers,
le métier de pisteur-secouriste a vu le jour. C’est
monsieur Emile Allais qui le premier a affirmé et
mis en pratique à Courchevel que les clients
étaient là pour descendre et se faire plaisir et qu’il
fallait assurer leur plaisir et leur sécurité. Une
stabilisation des emplois liés à la préparation des
pistes (damage, prévention, secours) s’est produite. Cette stabilisation dans l’emploi a entraîné
une amélioration du niveau de formation.
Un diplôme national à trois degrés de formation
vient confirmer cette compétence depuis octobre
1979 -1° degré; 3 semaines de formation après les
brevets de secourisme(+ 10 jours)
Deuxième degré; 3 semaines à l’Ecole Nationale
de ski et d’Alpinisme, puis deux semaines pour le
3° degré pour ceux qui ont des fonctions d’encadrement.
Plusieurs spécialisations viennent conforter cette
formation de base: les observateurs nivo-météo
(1 semaine de formation) participent au réseau
d’observation mis en place par Météo-France qui
fait les bulletins de prévision. En dix jours de stage,
l’ANENA forme les artificiers pour le déclenchement préventif des avalanches et les chiens de
recherche le sont aussi sur plusieurs semaines
réparties sur plusieurs années.
Les services des pistes se sont aussi adaptés à la
fabrication de la neige, et en général gèrent tout le
Lawinen und Recht
«produit» neige dans le but de la sécurité. Pour
information, le service des pistes de Tignes que je
dirige, c’est 99 personnes 5 millions d’Euros de
budget de fonctionnement. Ces services peuvent
être soit intégrés dans l’entreprise de remontées
mécaniques qui a la concession du domaine skiable, soit le Maire (responsable de la sécurité) pour
en garder un contrôle plus direct peut l’avoir laissé
sous forme de régie municipale. Le directeur des
pistes est confirmé chaque année dans sa fonction par le Maire(arrêté municipal) et c’est souvent
ce directeur qui est le plus proche collaborateur et
un bon technicien en matière d’avalanche c’est
donc logiquement qu’au-delà des pistes le Maire
lui confie aussi le déclenchement préventif pour la
route d’accès.
En pratique, il y a une surveillance continue faite par
le service des pistes dont la mission première est la
sécurité du domaine skiable. Les services des pistes font partie du réseau d’observation nivo-météo
de Météo-France et reçoivent les bulletins de prévisions météorologiques ou nivologiques. Soit un
vrais système de prévision locale est en place, soit
une interprétation localisée de ces bulletins permettent une stratégie locale de déclenchement des
avalanches. C’est le directeur des opérations du
PIDA, le directeur du service des pistes qui prend la
décision de déclenchement préventif. Sur le domaine skiable c’est systématique à chaque chute de
neige conséquente. Il y a un problème d’interprétation de la prévision, pour être bien opérationnel sur
le terrain, cette décision doit être prise la veille; (pour
que les équipes de déclenchement viennent plus
tôt, pour la distribution du matériel, etc.). Il arrive
que l’on soit en place et que la chute de neige soit
inférieure à la prévision; et il arrive plus rarement
que la chute de neige dépasse les attentes, auquel
cas on est réellement en retard.
La tendance pour les domaines skiables est de
beaucoup tirer; peut être trop, en tous cas plutôt
plus que moins qu’il ne faudrait.
Pour la route, la surveillance des conditions de
neige est faite et par le service des pistes (situation analogue au domaine skiable) et par les services de l’équipement chargés du déneigement. En
Savoie, un nivologue travaille pour le conseil
général et assure une surveillance au niveau du
département. Le travail se fait en étroite collaboration avec les gens de terrain. Il existe des sites
(Cellier, col de la Madeleine) ou il n’y a pas de service des pistes. Dans quelques cas, le Maire peut
préférer laisser aux services de l’équipement le
soin de chapeauter les opérations de déclenchement (route longue, excentrée par rapport à la station, service des pistes peu disponible…). Il y a un
PIDA particulier pour la route en complément de
celui du domaine skiable. La route est souvent
mieux équipée que le domaine skiable en matière
de défenses permanentes actives ou passives
(râtelier, filets, galeries…) c’est pourquoi les interventions sont en général moins systématiques et
plus faciles à programmer.
Les installations de déclenchement à distance
sont aussi plus fréquentes sur les routes que sur
les pistes. Le déclenchement à la main avec arrivée à ski est plus rare Le plus souvent, les interventions de déclenchement sur route se font de
nuit, mais il est toujours difficile de choisir l’heure
qui ne gêne personne, les livreurs, les noctambules, les travailleurs du matin ou ceux qui redescendent le soir de la station et surtout l’objectif
étant leur sécurité, les touristes.
3
Techniques
Toutes les techniques sont mises en œuvre dans
le cadre d’un PIDA, Plan d’Intervention pour le Déclenchement des Avalanches qui est un document
administratif qui contient entre autre une carte décrivant tous les points de tir, les itinéraires et les
consignes de sécurité particulières, le directeur
des opérations et les intervenants. Ce document
approuvé par la commission municipale de sécurité à la valeur administrative d’un arrêté municipal, il est contrôlé par la préfecture en particulier
pour tout ce qui concerne les explosifs: stockage,
transport, utilisation (Fig. 1).
Sur les pistes, ce sont les techniques de déclenchement à la main qui sont majoritaires, sur les
routes des installations plus lourdes (galeries paravalanches, filets, râteliers) tentent d’empêcher
les avalanches ou leurs conséquences.
La technique la plus utilisée sur les pistes pour le
déclenchement des avalanches sur les pistes est
le lancer de charges à la main (75 %). La mise à
feu est le plus souvent à mèche lente et parfois
utilise les mises à feu électriques. NB la réglementation en France interdit aujourd’hui la mèche lente
pour tous les autres usages des explosifs, et si la
consommation d’explosif pour la sécurité avalanche représente 0,05 % de l’explosif utilisé dans le
pays, la consommation de mèche lente représente
100% de ce qui est utilisé en France. Du coup la
formation est spécifique. Cela peut paraître anecdotique, mais il y a un risque que l’on ne trouve
plus de mèche ce qui obligerait à passer au tir
électrique. C’est la technique la plus utilisée par
les services des pistes lorsque l’accès à ski est
sûr. Il y a eu malheureusement des accidents en
cas de non-déclenchement de l’avalanche visée.
Même si la carte du PIDA prévoit des itinéraires
d’approche, l’adaptation à la réalité du terrain n’est
pas toujours aussi facile.
Les techniques à distance; catex, Gazex, avalancheur ou maintenant Avalhex viennent en complément sur les pistes, elles représentent un fort
71
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Fig. 1: Carte PIDA Tignes (Plan d’Intervention pour le Déclenchement des Avalanches).
72
Lawinen und Recht
pourcentage des techniques utilisées sur les
routes.
Les catex, câble transporteur d’explosifs ont été
développés dans les années 70. Ils utilisent éventuellement des descendeurs pour optimiser le
positionnement de la charge. Ils offrent une réponse intéressante lorsqu’il faut traiter un long
versant avec de nombreux couloirs. Aujourd’hui
de plus en plus sophistiqués, il n’est pas rare de
voir des engins pouvant tirer plusieurs couloirs
dans une seule manœuvre (5 à 8 tirs). L’utilisation
de la mèche lente est une obligation avec ses
avantages et ses inconvénients.
Les Gazex avaient comme motivation initiale d’éviter l’usage d’explosifs. Bien connus aujourd’hui,
ils sont fabriqués en différents volumes pour obtenir une explosion plus ou moins forte. Ils ont progressé pour évoluer vers des systèmes avec
amortissement ce qui diminue les contraintes au
sol en particulier pour une mise en place dans les
terrains fragiles.
L’avalancheur à azote comprimé est une amélioration de l’avalauncher à air comprimé américain,
c’est le seul lanceur utilisable en France en l’état
actuel de la réglementation. Il propulse une charge
de 1,8 kg d’explosif jusqu’à 1500 m et peut atteindre un dénivelé de 600 m environ. L’explosif contenu dans cette charge s’autodégrade en cas de
non-explosion.
L’avalhex est le dernier-né de la panoplie utilisée
en France. Utilisant l’hydrogène mélangé à de l’air
dans un ballon pour une explosion importante, il
est utilisé sur quelques routes et un modèle est
installé à Tignes.
Des essais ont eu lieu dans les années 70 avec
des canons militaires aux Arcs et sur la route
d’accès à Isola2000, au-delà des problèmes administratifs d’usage par les militaires exclusivement de transport et de stockage des munitions,
les résultats n’avaient pas été probants, la fusée
de tête provocant l’explosion n’étant pas adaptée
pour une percussion sur la neige.
Bien que cette panoplie permette de traiter la
grande majorité des couloirs, il serait intéressant
d’essayer les techniques mises en œuvre dans les
autres pays soit les canons à air comprimé comme le Lowcat (5 km de portée pour une charge de
500 g qui explose à 1 m du sol) utilisé sur l’autoroute de Californie, soit les mortiers courts et les
autres techniques que l’on a vues dans les salons
en Suisses ou en Autriche, mais que pour le
moment nous ne pouvons importer en France.
4
Gestion de crise et autres mesures
de sécurité
Il y a des situations extrêmes de très fortes précipitations ou le seul déclenchement préventif ne
suffit plus et ou des mesures de sécurité complémentaires doivent être prises. Le niveau de réflexion est à ce moment là le plus souvent la commune où le Maire (responsable de la sécurité) et
les techniciens qui composent la commission
municipale de sécurité gèrent le quotidien. Dans
ces situations de crise, le travail se fait en collaboration avec la préfecture, le Préfet, représentant
de l’Etat devant prendre le pouvoir même sur le
Maire si les capacités de la commune sont dépassées. Il est toujours intéressant que les gens se
connaissent et se fassent confiance, le risque
n’est pas nul de vouloir «ouvrir le parapluie» plutôt
que de prendre le moindre risque. Le déclenchement préventif en France n’est utilisé que pour les
pistes, les routes éventuellement des remontées
mécaniques mais il n’est pas prévu de déclenchement sur les immeubles. Je passe sur les mesures
administratives liées aux conditions de construction en montagne dans le cadre des PLU (Plan
Locaux d’Urbanisme) des PZEA Plans des Zones
Exposées aux Avalanches et des PPRN Plans de
Protection contre les Risques Naturels. L’ensemble de ces préconisations devait éviter que l’on
doive prendre des mesures dans l’urgence, mais
on ne maîtrise pas tous les aléas climatiques.
Des mesures de confinement et d’évacuation peuvent être prises par la commission municipale de
sécurité. Le souci majeur étant bien souvent de
savoir ou l’on met les gens évacués. Si c’est une
mesure très provisoire pour prévoir une intervention brève de déclenchement dont l’extension
pourrait menacer un immeuble, ce n’est pas trop
difficile, si cette mesure doit durer, que la prévision météo est défavorable et que la route est
coupée, la gestion devient plus délicate. (les parkings couverts peuvent offrir une protection efficace mais sont en général d’un confort spartiate.
Cette gestion de crise dans l’urgence est délicate
à mettre en place, et l’autorité du technicien (en
Suisse le chef de sécurité) s’appuie sur toutes les
compétences de la commission municipale de
sécurité et malgré les différentes sécurités administratives il y a en France une grande responsabilité du Maire dans ces moments.
Le plus difficile n’est pas la décision de fermeture,
c’est la décision de réouverture qui pose la plus
grande interrogation, il y a un peu plus de temps
disponible, mais si on a pris la décision de fermer
c’est bien que l’on envisageait un risque. L’évolution des paramètres qui vont permettre la levée
des mesures de protection est complexe, le fait
que les skieurs poussent à la réouverture ne de-
73
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
vrait pas être un élément technique de la décision,
mais il faut bien reconnaître que c’est un élément
humain et économique; mais là, je pense que le
problème est international.
Dans notre société ou l’on a besoin d’un responsable désigné pour chaque accident, les suites de
la moindre erreur de diagnostic sont lourdes de
conséquences en particulier au cours des enquêtes judiciaires où la recherche du respect de
l’ensemble des procédures complexe sera fait (le
compte rendu de la réunion à trois personnes, à
quatre heures du matin, au bord de la route dans
la tempête a-t-il bien été fait, signé et conservé?).
La solitude du Maire et de son responsable de la
sécurité est très grande et ils connaissent souvent
«la solitude du gardien de but au moment du
penalty». Peut-on remplacer cet homme trop seul
(malgré toutes les commissions, c’est souvent un
homme seul qui appuie sur la décision) par un
programme informatique infaillible?
La judiciarisation de la société et ses conséquences est plus ou moins récente selon les pays.
En France plusieurs Maires et directeur de sécurité des pistes ont déjà été condamnés. Ils ressentent la plupart du temps un sentiment d’injustice
profonde car ils pensent avoir fait le plus honnêtement le maximum de ce qui étaient en leur pouvoir
au moment de l’accident.
La pression économique est énorme mais ce n’est
pas celui qui prend la décision d’ouverture ou de
fermeture qui en est le plus grand bénéficiaire et
ce paramètre est aussi à intégrer.
5
Evolution
Le travail des chercheurs, les progrès de l’informatique, l’exigence de résultats, les normalisations ISO 9000, 14000 ou OHSAS 18001 (santé
sécurité dans l’entreprise) pourraient faire croire
qu’avec quelques programmes informatiques bien
gérés on peut remplacer la vigilance de l’homme
et surtout éviter l’erreur. Je suis personnellement
formidablement intéressé par les nouveaux outils
d’aide à la décision qui peuvent attirer notre attention sur tel ou tel paramètre oublié, et les progrès
sont réels. On a aujourd’hui des prévisions de plus
en plus précises, une connaissance des phénomènes de plus en plus poussée et un nombre
incroyable d’information qui n’étaient pas à notre
disposition il y a dix ans. Mercredi après-midi je
serai à Tignes pour étudier les possibilités de
labeliser l’ensemble des procédures (avec une
société qui cherche à créer un label TAO Terre Air
Océan) pour conforter d’une part les élus et les
techniciens dans leur décision, mais ce projet de
label (sur le principe du pavillon bleu sur les plages) est aussi un mode d’information des touristes
74
qui fréquentent les sites et côtoient des risques
naturels.
Cette démarche a longtemps été controversée par
les professionnels, mais au-delà des décisions
pour les routes et les pistes ouvertes, la stratégie
de Tignes est d’envisager aussi une éducation sur
le risque plutôt que seulement des mesures d’interdiction. Une démarche sur l’éducation au hors
pistes avec le SPOT est en cours pour la deuxième
année consécutive, elle consiste à éduquer les
gens et à attirer leur attention sur les mesures
qu’ils doivent prendre eux même en hors pistes,
pour leur donner les moyens de faire leurs choix et
ne pas les faire à leur place.
Jean Louis Tuaillon est directeur du service des pistes et
sécurité à Tignes. De 1987–1994 il était directeur de
l’ANENA.
Riassunto: La sicurezza nei comprensori sciistici
La metodologia del distacco preventivo di valanghe si è
sviluppata in Francia negli anni 70, dopo il grave
incidente che ha causato 38 morti in un edificio di Val
d’Isère, nel mese di febbraio 1970. In seguito a quell’incidente, una commissione di inchiesta si è recata in altri
paesi europei e, in particolare, ha incontrato a Davos gli
specialisti dell’IFENA, per studiare che cosa si facesse
all’estero per risolvere questo problema.
Le raccomandazioni di questa commissione hanno
portato, tra le altre cose, alla creazione dell’ANENA.
La normativa francese sulle armi non ha permesso il
trasferimento delle tecniche utilizzate invece in Svizzera,
tra le quali in particolare l’uso di armi militari, ma ha
consentito comunque che venissero apportati adattamenti e modifiche. Ad esempio, l’impossibilità di utilizzare i mortai, salvo che da parte dei militari, spiega, in
parte, lo sviluppo dei cannoni pneumatici.
Con lo sviluppo molto rapido delle stazioni di sport
invernali sono iniziate ad aumentare le esigenze di
sicurezza negli ambienti sciistici.
In Francia, un aspetto giuridico sottintende alle organizzazioni per la sicurezza: il responsabile della sicurezza
sul suo territorio è infatti il sindaco, che può delegare il
suo potere di sorveglianza ma non la responsabilità.
La creazione di grosse stazioni sciistiche in epoca moderna ha comportato una particolarità, vale a dire la
creazione di «servizi di pista» con metodo francese, nel
quale gli addetti alla sicurezza sulle piste svolgono
contemporaneamente la funzione di Pistendienst, Bergwacht, Ski-Patrol, comprese le operazioni di distacco
preventivo. Questi servizi si occupano della fabbricazione artificiale della neve, dei guasti meccanici, della
prevenzione, tra cui appunto il distacco preventivo delle
valanghe, e dei soccorsi.
Spesso queste strutture, che hanno acquisito una buona competenza negli ambienti sciistici, estendono il
proprio campo di intervento alle strade di accesso.
In Francia, la decentralizzazione ha fatto sì che numerose strade di accesso alle stazioni sciistiche passas-
Lawinen und Recht
sero sotto il controllo dei dipartimenti e non dello stato.
Giuridicamente, il responsabile della strada è il responsabile del dipartimento (Presidente del consiglio generale), ma la strada è territorio comunale, sul quale il
responsabile della sicurezza è il Sindaco. I sindaci
dunque hanno la possibilità di controllare più da vicino
la strada di accesso e possono affidarla in gestione a
un servizio piste del Comune o ai dipartimenti, i quali
attraverso servizi statali (Equipement ex ponts et chaussées) possono occuparsi del distacco preventivo di
valanghe.Poiché questo sistema può sembrare complicato dal punto di vista amministrativo, si delinea la tendenza ad affidare questo lavoro ai servizi di pista.
Per quanto riguarda le tecniche sono utilizzate quasi
tutte, salvo le armi da guerra. Sulle piste da sci è più
diffuso il distacco di prossimità con spezzonamento
manuale, mentre sulle strade sono utilizzati in maggioranza i sistemi a distanza (CATEX GAZEX e AVALHEX).
Jean Louis Tuaillon è Direttore del servizio piste e
sicurezza a Tignes.
Zusammenfassung: Sicherheitsmassnahmen in Schneesportgebieten
Die künstliche Lawinenauslösung in Frankreich entwickelte sich in den 1970er Jahren nach dem schrecklichen Unglück, das im Februar 1970 in einem Gebäude
in Val d’Isère 38 Todesopfer forderte. Nach diesem
Unglück wurde eine Untersuchungskommission beauftragt, die Massnahmen in anderen europäischen
Ländern zu studieren. Insbesondere traf sich die Kommission in Davos mit den Experten des SLF.
Die Empfehlungen dieser Kommission führten unter
anderem zur Gründung des nationalen Vereins für
Schnee- und Lawinenforschung ANENA. Aufgrund der
gesetzlichen Bestimmungen in Frankreich, insbesondere im Hinblick auf Waffen, konnten die in der Schweiz
angewendeten Techniken (vor allem die militärischen
Waffen) nicht übertragen werden, aber es wurden Anpassungen durchgeführt. So erklärt beispielsweise die
Unmöglichkeit des Einsatzes von Minenwerfern (ausser
durch das Militär) zum Teil die Entwicklung des «Avalancheur».
Zur gleichen Zeit verzeichneten die Wintersportstationen eine rasante Entwicklung und der Bedarf an
Sicherung der Skigebiete nahm zu.
In Frankreich liegt den Sicherheitsorganisationen ein
juristischer Aspekt zugrunde: Der Bürgermeister ist für
die Sicherheit auf seinem Gemeindegebiet verantwortlich. Er kann seine Polizeigewalt delegieren, nicht jedoch seine Verantwortung.
Die seinerzeit erfolgte Entwicklung von grossen Skistationen brachte eine Besonderheit mit sich: die Gründung von Pistendiensten nach französischer Art, bei
denen die Pistenretter alle Funktionen von Pistendienst,
Bergwacht, Ski-Patrol und auch die präventive Lawinenauslösung auf sich vereinten. Diese Pistendienste
kümmern sich heute um die Herstellung von künstlichem Schnee, die Pistenpräparation, die Prävention,
darunter die künstliche Lawinenauslösung, und den
Rettungsdienst.
Diese Organisationen haben oft eine gute Kompetenz
in den Skigebieten erworben und konnten ihr Einsatzgebiet auch auf die Zufahrtsstrassen ausweiten.
Als Folge der Dezentralisierung fallen zahlreiche
Zufahrtsstrassen zu den Skistationen nicht mehr in die
Zuständigkeit des Staates, sondern in diejenige der
einzelnen Departements. Der Leiter des Departements
(Präsident des Generalrates) ist juristisch für die Strassen verantwortlich, aber auf dem Gemeindegebiet ist
der Bürgermeister für die Sicherheit zuständig. Der
letztere hat folgende Möglichkeiten: Er kann entweder
die Zufahrtstrasse sehr eng kontrollieren, indem er sie
dem Pistendienst seiner Gemeinde anvertraut, oder er
kann die Verwaltung dem Depar tement überlassen, das
über staatliche Dienste (Ministerium für Ausrüstung,
früher «Ponts et Chaussées») die vorbeugende
Lawinenauslösung durchführen kann. Dies kann unter
administrativen Gesichtspunkten kompliziert erscheinen und es zeichnet sich ein Trend ab, diese Arbeit den
Pistendiensten anzuvertrauen.
Was die Verfahren betrifft, so werden alle Techniken
angewendet (mit Ausnahme von Kriegswaffen). Während in den Skigebieten weiterhin zumeist die ortsnahe
Auslösung (handgeworfene Sprengladungen) zum
Tragen kommt, werden für die Strassen mehr und mehr
ortsfeste, ferngesteuerte Sprenganlagen Systeme
(CATEX, GAZEX und AVALHEX) eingesetzt.
Jean Louis Tuaillon ist Leiter des Pisten- und Sicherheitsdienstes in Tignes (F).
75
Lawinen und Recht
Offenhalten von Verkehrswegen – Lawinendienst Mattertal
Bruno Jelk
1
Organisation
Lawinen aus mehreren Dutzend grossen Lawinenzügen bedrohen Verkehrswege und Siedlungen
im Mattertal zwischen Stalden und Zermatt. Der
Lawinendienst Mattertal berät die Verantwortlichen der Verkehrwege (Matterhorn-Gotthardbahn,
Strasse Stalden–Täsch–Zermatt) und der Gemeinden (Zermatt, Täsch, Randa, St. Niklaus, Embd
und Grächen) im Bereich Lawinensicherheit. Er ist
dem Amt für Naturkatastrophen des Kantons
Wallis unterstellt und regional organisiert (Abb. 1:
Organigramm). Zusätzlich hat jede Gemeinde
noch eine interne Katastrophenorganisation. Im
Mattertal gibt es zwischen den Gemeinden einen
Talrat, in den jede Gemeinde einen Vertreter entsendet. Der Talrat hat beschlossen, den Lawinendienst wie folgt zu organisieren: Jede Gemeinde
hat zwei Beobachter, die alle besonderen Vorkommnisse sofort dem Chefbeobachter melden.
Entscheide werden gemeinsam gefällt und in beratender Funktion an folgende Organisationen
weitergeleitet:
– Einsatzzentrale des kantonalen Strassendienstes Sierre
– Bahnmeister für die Matterhorn-Gotthardbahn
– Informationsdienst Mattertal
– Gemeinderat der zuständigen Gemeinde
– Bergbahnen für Strassen und Wanderwege,
die parallel zur Skipiste verlaufen.
Der Entscheid über die Massnahmen wird von den
Verantwortlichen der verschiedenen Organisationen gefällt.
2
Beurteilung
Für die Beurteilung der Lawinensituation stehen
unter anderem Messwerte von diversen automatischen Stationen zur Verfügung:
– 4 automatische Wetter- und Schneestationen
vom Typ IMIS: Triftchummen, Gornergrat,
Schwarzsee, Stelligletscher
– 2 automatische Wetterstationen auf dem Kleinen Matterhorn und in Zermatt
Abb. 1:
Organigramm.
77
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Abb. 2: Karte des
Mattertals mit
Lawienzügen.
Abb. 3: Künstliche
Lawinenauslösung
eingangs Zermatt.
Abb. 4: Künstliche
Lawinenauslösung
eingangs Zermatt.
78
Lawinen und Recht
– Windmesser auf den meisten Masten der windausgesetzten Bergbahnen
– Wetterstation Testa-Grigia (Italien)
Diese Messungen werden mit eigenen Beobachtungen ergänzt. Mit Beobachtungen wird bereits
beim ersten Schneefall begonnen. Täglich sollte
eine Beurteilung vorgenommen werden. Die
untersten Schichten einer Schneedecke können je
nach Wetterverhältnissen die Schneedeckenstabilität über den ganzen Winter beeinflussen. Eine
detaillierte Beurteilung drängt sich insbesondere
auf, wenn ca. 20 bis 30 cm Schnee gefallen sind.
Dieser Grenzwert variiert je nach Windeinfluss.
Für die Beurteilung werden die folgenden Daten
und Informationen berücksichtigt:
– Wetter im Moment und Vorhersage
– Daten der automatischen Stationen
(InfoManager)
– Wind: Richtung und Stärke
– Totale Schneehöhe im fraglichen Gebiet
– Neuschneemenge im fraglichen Gebiet
– Nationales Lawinenbulletin
– Regionales Lawinenbulletin
– Satellitenbilder
– Wetterradar
– Geländeeigenschaften der Lawinenzüge
– Eigene Beobachtungen (u. a. auch Schneeprofile)
– Diskussion unter den Verantwortlichen
Wichtige Daten werden in einem Beurteilungsprotokoll festgehalten (Beilage 1: Beurteilungsprotokoll). Infoboxdaten, Satellitenbilder, Wettervorhersagen werden ausgedruckt und aufbewahrt. Bei
Katastrophensitzungen werden die Unterlagen
mitgenommen und dokumentiert.
3
als Schutz des Dorfes, seit dem Winter 2004/05
eine automatische Sprenganlage, ein Sprengmast
«Wyssen», montiert. Beim Sprengen wird wie folgt
vorgegangen:
– Sperren der Strasse Täsch–Zermatt, wenn sie
noch nicht gesperrt ist, oder Sperren der
Strasse und der Bahnlinie Herbriggen–Täsch
für einen Sprengung in Randa
– Information an den Strassenmeister
– Sperren der Matterhorn-Gotthardbahn zwischen Täsch und Zermatt
– Aussetzen von zwei Gemeindepolizeibeamten
auf beiden Seiten der Lawinenzüge als Beobachter (in Randa Personen der Feuerwehr)
– Überfliegen der gefährdeten Zonen
– Sprengen vom Helikopter aus
– Bahnlinie frei geben
– Entscheid über Öffnung der Strasse je nach
Sprengresultat
– Protokoll (Beilage 6: Sprengprotokoll).
Die oben skizzierte Organisation und das Vorgehen haben sich in den letzten Jahren bewährt, so
dass wir glücklicherweise von Ereignissen wie
dem folgenschweren Lawinenunfall Täschwang
(2. März 1985: Taxi-Kleinbus und Personenwagen
auf der Fahrt von Zermatt nach Täsch von einer
grossen Lawine mitgerissen und verschüttet, 11
Tote) verschont geblieben sind.
Bruno Jelk ist Rettungschef in Zermatt und Chef Beobachter beim Lawinendienst Mattertal.
Massnahmen und Umsetzung
Alle Entscheide werden protokolliert (Beilage 2
und 3) in einem Journal festgehalten (Beilage 4:
Auszug Journal Winter 2004/ 2005.) Empfehlungen für Massnahmen werden an die Verantwortlichen Stellen weitergeleitet (Beilage 5: Verantwortlichkeiten). Für Sperrungen sind z. B. die folgenden Personen zuständig:
– Strassenmeister für die Kantonsstrassen
– Bahnmeister für die Matterhorn–Gotthardbahn
– Der zuständiger Gemeinderat für die Gemeindestrassen, Wanderwege, Hauszugänge, Evakuationen
Die Information der Bevölkerung und der Touristen
erfolgt durch den Informationsdienst Mattertal.
Damit die Strasse Täsch–Zermatt schneller wieder geöffnet werden kann, werden Lawinen vom
Helikopter aus künstlich ausgelöst. In Randa ist
79
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Beilage 1: Beurteilungsprotokoll
Beurteilungsprotokoll
Datum:
Schnee:
Unterschrift:
Ort
Neuschnee 24 Std
Neuschnee 72 Std.
Schneehöhe
Zermatt
cm
cm
cm
Triftchumme
cm
cm
cm
Gornergrat
cm
cm
cm
Schwarzsee
cm
cm
cm
Stelligletscher
cm
cm
cm
Temperatur / Luftfeuchtigkeit:
Ort
Temperatur Temperatur Temperatur LuftLuftTendenz
Luft
Oberfläche Schicht
feuchtigkeit feuchtigkeit
Vor ........... aktuell
Zermatt
Triftchumme
Gornergrat
Schwarzsee
Stelligletscher
Wind
Ort
Durchschnitt
Maximum
Zermatt
km
km
Platjien
km
km
Gornergrat
km
km
Schwarzsee
km
km
Stelligletscher
Masten
Kl.Matterhorn
Masten
Gondelbahn
km
km
km
km
km
km
80
Richtung
Lawinen und Recht
Beilage 2: Entscheidungsprotokoll
Entscheidungsprotokoll
Datum:
Unterschrift:
Strassen
Stalden
-
St.Niklaus
St.Niklaus
-
Herbriggen
Herbriggen –
Randa
Randa
–
Täsch
Täsch
–
Zermatt
Törbel
–
Embd
St.Niklaus
– Schwiedernen
Offen
Sperren Bemerkungen
Zeit
Zeit
Bahn Matterhorn – Gotthardbahn
Stalden
–
St.Niklaus
St.Niklaus
-
Herbriggen
Herbriggen –
Randa
Randa
–
Täsch
Täsch
-
Zermatt
81
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Beilage 3: Entscheidungsprotokoll (Fortsetzung)
Entscheidungsprotokoll
Gemeinde Zermatt
Datum:
Unterschrift:
Strassen
Bahnhof - Spiess
Spiess
- Sunnegga
Bahnhof - Tschugge
Tuftera – Moos - Furri
Furri
- Stafelalp
Wanderwege
Zermatt – Zmutt
Furri – Zmutt
Zermatt – Findlen
Zermatt – Ried – Tuftern
Zermatt – Schlangengrube
82
Sperren
Offen
Zeit
Zeit
Bemerkungen
24.01.05
23.01.05
22.01.05
21.01.05
20.12.
19.12.
Datum
30.11.
Heinzmann Hildebert
Manz Roland
Summermatter Edm.
Manz Roland
1540
1830
Rekoflug Emd
Manz Roland
Telf. Jörger Leo
Telf. Erbetta
1545
1630
1830
2010
Strasse Emd
Luegelbach und Schusslawine
Emd
MG Bahn
Emd
Emd
St. Niklaus
Grieschumme/Mettelhorn
Strasse Täsch–Zermatt
Strasse Täsch–Zermatt
Strasse Täsch–Zermatt
Strasse Täsch–Zermatt
Alarmanlage
Alarmanlage
Randa
St.Niklaus
Alarmanlage
Mattertal
Luegelbach
St. Niklaus
Emd
Strasse Täsch–Zermatt
Breitmatten (Rosszug)
Strasse Emd
Bemerkungen
Strasse Täsch–Zermatt
Strasse Täsch–Zermatt
Strasse Täsch–Zermatt
0845
Julen Mario
Lengen Mario
Imboden Roland
Manz Roland
Lengen Mario
Heinzmann Hildebert
Von -an
Zeit
0800
1045
0630
0640
0700
0730
1115
1839
2120
08000840
0930
1100
1330
1410
1719
2045
2230
0346
1445
1710
1045
1133
Lawinenwarndienst Mattertal
Winter 2004 / 2005
Schusslouizug abgegangen
Arigscheis abgeangen. Mettelzug abgegangen
19 Sprengungen mit Erfolg durchgeführt. Wegen der schlechten Sicht und
keiner Möglichkeit die Sicherheitskabel einzuziehen, bleibt die Strasse noch
gesperrt. Wir konnten die Sicherheit noch nicht garantieren.
Gebiet oberhalb Emd abgeflogen. Alle Lawinenzüge sind entladen. Die
Strasse nach Emd kann wieder geöffnet werden
Lawinenniedergang
Lawinenniedergang
Lawinensprengung Automatische Anlage (Erfolg)
Strasse Schwiedernen
Lawinenniedergang
Rekoflug Beritboden und Mettelzug. Mettelzug Lawine abgegangen
Lawinenniedergang
Strasse Schwiedernen
20 cm Neuschnee kein Wind im Moment i.o
bleibt wegen der Matterhorn–Gottghartbahn (Verweigerung der Sprengungen)
Lawinenniedergang. Mettelzug Lawine abgegangen
frei gegeben
Informiert
Im Moment i.o zirka 40 cm Neuschnee
Hat sich über die Lage informiert. I.o
Hat einwenig Bedenken. Im Moment verfolgen
45 cm Neuschnee im Moment keine Probleme
45 cm Neuschnee warten bis 2200 Uhr
Sprengungen organisiert. 12 Sprengungen durchgeführt 11 mit Erfolg
offen
gesperrt
gesperrt
gesperrt
gesperrt
offen
gesperrt
Strassen
gesperrt
offen
gesperrt
Lawinen und Recht
Beilage 4: Auszug Journal Winter 2004/2005
83
84
0800
0830
0915
1030
01.02.05
02.02.05
09.02.05
10.03.05
11.03.05
15.03.05
16.03.05
17.03.05
24.03.05
25.03.05
0800
0830
0900
1045
1015
1100
1515
1600
1730
1310
1330
1340
1340–
1500
0930
0945
Zeit
0845
26.01.05
Datum
25.01.05
Telf. Imboden André
Telf. Imboden Roland
Von -an
Strasse Täsch–Zermatt
Strasse Täsch–Zermatt
Strasse Täsch–Zermatt
Strasse Täsch–Zermatt
Strasse Täsch–Zermatt
Strasse Zermatt–Furri
Strasse Täsch – Zermatt
Strasse Täsch–Täsch
Weisshorn
Täschwang
Strasse Täsch–Täsch
Lawine Getschung–
Schopfzug
Rekoflug
Bahn Täsch–Zermatt
Mettelzug
Kalter Boden
Getschung–Arigscheis
Schusslouizug Randa
Kalter Boden
Strasse Täsch–Zermatt
Strasse Herbriggen–Randa
Trift Zermatt
Rekoflug Mattertal
Bahn Täsch–Zermatt
Strasse Herbriggen–Randa
Schusslawine–Luegelbach
Bahn Täsch–Zermatt
Bahn Täsch–Zermatt
Rekoflug Weisshorn
Bemerkungen
Luegebach und Schusslawine
Mit Charly Wuilloud und Funk Martin 3 Messpunkte
für den Gletscherabbruch gesetzt
1330–1745 wegen Lawinengefahr mehrere Lawinenabgänge inkl. Mettelzug
1300–1800 wegen Lawinengefahr
1230–1700 wegen Lawinengefahr. Überall Lawinenabgänge inkl. Mettelzug
1100–1700 wegen Lawinengefahr. Mehrere Lawinenabgänge
1100–1700 wegen Lawinengefahr. Mehrere Lawinenabgänge
Auf 30 m von einer Lawine verschüttet ab 1530
0000 – 0700 wegen Lawinengefahr und Regen
Lawinenabgang bis Bachbett
Wegen Lawinensprengungen
10 Sprengungen 4 Sprengungen mit Erfolg
7 Sprengungen 4 mit Erfolg
Normal keine Probleme
3 Lawineniedergänge
Lawineniedergang
Lawineniedergang
Lawineniedergang
Lawineniedergang
Wegen dem Wind und fehlen der Sicherheitskabel bleibt
Wegen den ganzen Lawineniedergängen als Vorsichtsmassnahe
Lawineniedergang
20 Sprengungen mit Erfolg durchgeführt. Luegelbachlawine hat die Strasse
auf zirka 140 m verschüttet und die Vispa gastaut
Strasse Täsch–Zermatt für die Räumung
Besichtigung des Biesgletscher mit Charly Wuilloud
Im Moment keine Massnahmen notwendig
Abgegangen Bahngeleise verschüttet. Rekoflug notwendig.
Der hang ist entladen die Bahn kann wieder geöffnet werden
gesperrt
gesperrt
gesperrt
gesperrt
gesperrt
gesperrt
gesperrt
offen
gesperrt
frei
gegeben
offen
offen
gesperrt
gesperrt
offen
frei
gegeben
Strassen
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Beilage 4 Fortsetzung: Auszug Journal Winter 2004/2005
Alle Strassenbenützer
Strasse Stalden–Täsch
Strasse Täsch–Zermatt
Staat Wallis
Lawinendienst Mattertal
Staat Wallis
Strassenmeister
Strassenmeister
Betrifft:
Sektoren:
Auftraggeber:
Vormeinung:
Entscheid:
Ausführung
Abschnitt I.
Abschnitte
Verantwortlichkeiten im Mattertal
Bahnmeister
Bahnmeister
Matterhorn–Gotthardbahn AG
Lawinendienst Mattertal
Matterhorn–Gotthardbahn
Stalden–Zermatt
Alle Bahnbenützer
Abschnitt II
Stand 2004 /2005 Jelk Bruno
Gemeinde Zermatt
Gemeinde Zermatt
Ausgenommen sind Bergbahnen,
Skipisten und Winterwanderwege der
Bergbahnen
Gemeinde Zermatt
Lawinendienst Mattertal
Gemeinde Täsch
Gemeinde Täsch
Lawinendienst Mattertal
Lawinendienst Täsch
Gemeinde Täsch
Strasse Täsch–Täschalp
Strasse Schalli Parkplatz 2
Wanderweg Täsch–Schlangengrube
gefährdete Sidlungen in der Gemeinde
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
Strasse Bahnhof–Spiess
Strasse Tuftern–Furri
Strasse Furri-Stafelalp
Strasse Bahnhof–Hotel Tschugge
Wanderweg Zermatt–Zmutt
Wanderweg Furri–Zmutt
Wanderweg Findlen–Zermatt
Wandeweg Tuftern–Zermatt
Wanderweg Zermatt–Schlangengrube
Wohnhäuser Bahnhof–Spiess
Wohnhäuser Zen Stecken
Wohnhäuser Schluematten
Alle Personen in den nachfolgenden
Sektoren
Gemeindegebiet Täsch
Abschnitt IV. Täsch
Alle Personen in den nachfolgenden
Sektoren
Gemeidegebiet Zermatt
Abschnitt III Zermatt
Lawinen und Recht
Beilage 5: Verantwortlichkeiten Mattertal
85
86
Entscheid:
Ausführung
Auftraggeber:
Vormeinung:
Gemeinde Randa
Lawinendienst Mattertal
Lawinendienst Randa
Gemeinde Randa
Gemeinde Randa
Gemeinde Embd
Lawinendienst Mattertal
Lawinendienst Embd
Gemeinde Embd
Gemeinde Embd
Gemeinde St.Niklaus
Lawinendienst Mattertal
Lawinendienst Grächen
Gemeinde Grächen
Gemeinde Grächen
Gemeindestrassen
– gefährdete Sidlungen in der Gemeinde
– Wanderwege
–
–
–
–
–
– Gemeindestrassen
– Strasse St. Niklaus–
Schwiedernen
– gefährdete Sidlungen in der
Gemeinde
– Wanderwege
Gemeinde St.Niklaus
Lawinendienst Mattertal
Lawinendienst St.Niklaus
Gemeinde St.Niklaus
Gemeinde St.Niklaus
– Gemeindestrassen
– gefährdete Sidlungen in
der Gemeinde
– Wanderwege
– Kieswerke
Gemeindestrassen
Strasse Törbel - Emd
Luftseilbahn Kalbertran - Emd
gefährdete Sidlungen in der Gemeinde
Wanderwege
Gemeinde Grächen
Gemeinde Embd
Gemeinde St.Niklaus
Gemeinde Randa
Sektoren:
Abschnitt VIII Grächen
Alle Strassenbenützer
Alle Personen in den nachfolgenden
Sektoren
Abschnitt VII Embd
Alle Strassenbenützer
Alle Personen in den nachfolgenden
Sektoren
Alle Strassenbenützer
Alle Personen in den
nachfolgenden Sektoren
Betrifft:
Abschnitt VI St.Niklaus
Alle Strassenbenützer
Alle Personen in den nach
folgenden Sektoren
Abschnitt V Randa
Abschnitte
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Beilage 5 Fortsetztung: Verantwortlichkeiten Mattertal
Lawinen und Recht
Beilage 6: Sprengprotokoll
Sprengprotokoll:
Datum:
Zeit:
Unterschrift:
Ort:
Zeit
Name
Wachposten Heliport
Wachposten Zum Biel
Andere
Ueberflug Sperrgebiet
Sprengungen:
Anzahl
Negative
Sprengungen
Positive
Bemerkungen
Entscheid nach der Sprengung:
Strasse
Gesperrt
ja – nein
Frei gegeben
Ja - nein
Datum
Zeit
Täsch - Zermatt
Matterhornbahn
87
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Résumé: Maintenir les voies de
communication ouvertes – Service des
avalanches du Mattertal
Le service des avalanches du Mattertal dépend de
l’Office des catastrophes naturelles du Canton du Valais
et est organisé au niveau régional. Chaque commune a
en outre une organisation interne pour la gestion des
catastrophes. Dans le Mattertal, les communes sont
représentées au sein d’un Conseil de vallée par un
conseiller communal. Ce Conseil de vallée a décidé
d’organiser le service des avalanches comme suit:
Chaque commune possède deux observateurs qui
signalent immédiatement à l’observateur en chef tous
les incidents particuliers. Une décision est prise en
commun et transmise aux organisations suivantes:
– A la centrale d’intervention du Service des routes de
Sierre par téléphone et fax
– Au chef des voies ferroviaires de la ligne Cervin-Gothard
– Au service d’information du Mattertal
– Au conseil communal de la commune concernée.
– Aux remontées mécaniques pour les routes et les
sentiers de randonnées parallèles à la piste de ski
Les mesures à prendre sont décidées par les responsables des différentes organisations.
Pour l’évaluation, on dépose entre autres des valeurs
mesurées par les diverses stations automatiques:
– 4 stations IMIS: Triftchummen, Gornergrat,
Schwarzsee, Stelligletscher
– 2 stations météo: Petit Cervin et Zermatt
– les anémomètres sur la plupart des piliers des
remontés mécaniques exposés au vent
– la station météo de Testa-Grigia (Italie)
Ces mesures sont complétées par des observations
propres. L’observation commence dès les premières
chutes de neige. Chaque jour, une évaluation est faite.
Selon les conditions météorologiques, les couches
inférieures du manteau neigeux peuvent avoir une
influence tout au long de l’hiver.
– Dans notre région, nous commençons notre activité
selon le vent dès que la hauteur de neige fraîche
atteint environ 20 à 30 cm
– Météo actuelle et prévisions
– Consultation des stations Infobox
– Vent, direction et force
– Hauteur totale de neige dans la région concernée
– Hauteur totale de neige fraîche dans la région
concernée
– Bulletin d’avalanches national
– Bulletin d’avalanches régional
– Images satellite
– Images radar de la météo
– Configuration du terrain et couloirs d’avalanche et
leur zone d’alimentation.
– Evaluation personnelle
– Evaluation avec les responsables.
Toutes les décisions sont consignées dans un journal.
Les données Infobox, les images satellite et les prévisions météorologiques sont imprimées et classées.
88
Lors des réunions de catastrophe, les documents sont
emportés et archivés.
Les personnes suivantes sont responsables pour les
décisions de fermeture:
– le cantonnier pour les routes cantonales
– le chef des voies ferroviaires pour la ligne CervinGothard
– le Conseil communal compétent pour les routes communales, les chemins de randonnées, les accès aux
maisons, les évacuations
– le service d’information du Mattertal
Pour que la route Täsch–Zermatt puisse à nouveau être
ouverte plus rapidement, des avalanches sont déclenchées artificiellement à partir d’un hélicoptère. A Randa, un mât de déclenchement d’avalanches Wyssen a
été monté au cours de l’hiver 2004/05 afin de protéger
le village. Lors des opérations de minage, on procède
comme suit:
– Fermeture de la route Täsch–Zermatt, si elle n’est pas
encore fermée ou de la route et du chemin de fer
Herbriggen–Täsch pour une opération de minage à
Randa
– Information du cantonnier
– Fermeture de la ligne de chemin de fer CervinGothard entre Täsch et Zermatt
– Positionnement de deux fonctionnaires de police
communaux des deux côtés des couloirs d’avalanche
comme observateurs. A Randa, il s’agit de personnes
du service des pompiers
– Survol des zones menacées
– Minage à partir de l’hélicoptère
– Ouverture de la voie de chemin de fer
– Ouverture de la route selon la décision prise
– Rédaction du procès verbal de résultat.
Bruno Jelk est chef de sauvetage à Zermatt et chef des
observateurs du service des avalanches du Mattertal.
Riassunto: Mantenimento della transitabilità delle vie di comunicazione
– Servizio prevenzione valanghe della
valle del Cervino
Il servizio di prevenzione valanghe della valle del Cervino, che è un servizio alle dipendenze dell’ufficio per
catastrofi naturali del Cantone Vallese, è organizzato a
livello regionale. Ogni comune dispone inoltre di un’organizzazione interna che si occupa di catastrofi. Nella
valle del Cervino, tra i vari comuni esiste un consiglio di
valle. Ogni comune ha un proprio consigliere che lo
rappresenta. Questo consiglio ha deciso di organizzare
il servizio prevenzione valanghe nel seguente modo:
ogni comune dispone di due osservatori, che segnalano immediatamente all’osservatore capo qualsiasi
situazione particolare. Insieme viene presa una decisione e trasmessa con funzione consultiva alle seguenti
organizzazioni:
– Centrale operativa del servizio stradale Sierre via
telefono e fax
Lawinen und Recht
–
–
–
–
Responsabile della linea ferroviaria Cervino-Gottardo
Servizio informazioni della valle del Cervino
Consigli comunali competenti
Linee ferroviarie di montagna per strade e sentieri di
escursione che scorrono parallelamente alle piste di
sci
La decisione sulle misure da adottare viene presa dai
responsabili delle varie organizzazioni.
Per la valutazione sono tra l’altro disponibili i dati rilevati da diverse stazioni automatiche:
– 4 stazioni IMIS: Triftchummen, Gornergrat, Schwarzsee, Stelligletscher
– 2 stazioni meteo: Piccolo Cervino e Zermatt
– Anemometri installati sulla maggior parte dei pali
delle ferrovie di montagna esposte al vento
– Stazione meteo di Testa-Grigia (Italia)
– Informazione ai responsabili delle strade
– Blocco della linea ferroviaria Cervino-Gottardo tra
Täsch e Zermatt
– Posizionamento di due agenti della polizia comunale
ai due lati della traccia della valanga in qualità di
osservatori; a Randa personale dei Vigili del Fuoco
– Sorvolo delle zone minacciate dal pericolo
– Distacco artificiale della valanga dall’elicottero
– Riapertura della linea ferroviaria
– A seconda della decisione, riapertura della strada
– Verbalizzazione nel registro dei risultati
Bruno Jelk è capo del servizio di soccorso alpino a
Zermatt e osservatore capo presso il servizio prevenzione valanghe della valle del Cervino.
Questi rilevamenti vengono integrati con osservazioni
interne. L’attività di osservazione inizia già con la prima
nevicata. L’osservazione dovrebbe essere effettuata
ogni giorno. A seconda delle condizioni meteo, gli strati
inferiori di un manto nevoso possono influire sull’intero
inverno.
– A seconda dell’intensità dei venti, nella nostra zona
entriamo in azione a partire da circa 20–30 cm di
neve fresca
– Condizioni meteo momentanee e previsioni
– Interrogazione delle stazioni Infobox
– Venti, direzione e intensità
– Altezza totale del manto nevoso nella zona interessata
– Quantità totale di neve fresca nella zona interessata
– Bollettino della neve nazionale
– Bollettino della neve regionale
– Immagini da satellite
– Radar meteo
– Terreno delle tracce e del relativo bacino di alimentazione.
– Valutazioni personali
– Valutazione insieme ai responsabili.
Tutte le decisioni vengono verbalizzate all’interno di un
registro. I dati Infobox, le immagini da satellite e le
previsioni meteo vengono stampate e classificate. La
documentazione viene portata a eventuali riunioni e
presentata.
Per le misure di blocco sono responsabili le seguenti
persone:
– Responsabili delle strade cantonali
– Responsabile della linea ferroviaria Cervino-Gottardo
– Il consiglio comunale competente per strade comunali, sentieri di escursione, accesso alle abitazioni,
evacuazioni
– Servizio informazioni della valle del Cervino
Affinché la strada Täsch–Zermatt possa essere riaperta
il più presto possibile, le valanghe vengono distaccate
artificialmente dall’elicottero. A protezione del paese, a
Randa è presente dall’inverno 2004/05 un impianto di
detonazione «Wyssen Sprengmast». In caso di esplosioni si procede come segue:
– Blocco della strada Täsch–Zermatt, se non ancora
bloccata, o della strada e della linea ferroviaria
Herbriggen–Täsch per l’esplosione a Randa
89
Lawinen und Recht
Siedlungslawinenschutz am Beispiel Davos
Hanspeter Hefti
1
Einleitung
Die Landschaft Davos hat eine Lawinengeschichte,
die gleich alt ist wie die Besiedlung des Hochalpentales. Obwohl die Bewohner der Alpentäler
ihre Wohnstätten an ausgewählten Stellen erstellt
haben, sind laut der Lawinenchronik immer wieder
Häuser und Ställe von Lawinen mitgerissen worden. Mehrmals waren auch Todesopfer zu beklagen. Mit der rasanten Entwicklung des Kur- und
Sportortes wurde das Schadenpotenzial immer
grösser. Bereits 1920 wurde mit dem Bau der
ersten Lawinenverbauungen am Schiahorn begonnen. Die organisatorischen Massnahmen wurden schon im Winter 1957/58 mit der künstlichen
Lawinenauslösung, damals noch mit dem 8,3 cm
Minenwerfer, unterstützt. Für den heutigen Weltkurort Davos mit ca. 12 000 Einwohnern, ca. 1,3 Mio.
Logiernächten und zahlreichen Grossveranstaltungen im Winterhalbjahr ist die Planung und Durchführung von organisatorischen Massnahmen eine
besonders heikle Angelegenheit. Da jeder Werkeigentümer primär für seine Werke verantwortlich
ist (Tab. 1), hat der Gemeindelawinendienst keine
Gebietshoheit. Er übernimmt aber eine wichtige
Tab. 1: Verantwortliche Werkeigentümer:
Kantonsstrassen:
Kantonales Tiefbauamt, Bezirk 5
Bahnlinie RhB:
Rhätische Bahn, Bahnmeister 5
Langlaufloipen und
Winterwanderwege:
Davos Tourismus, Technische
Dienste
Schneesportanlagen
und Talabfahrten:
Bergbahnunternehmungen
Siedlungsgebiete
und lokale
Erschliessungen:
Landschaft Davos Gemeinde,
Lawinendienst
Koordinationsaufgabe. Die Arbeit des Gemeindelawinendienstes kann grob in die drei Bereiche
Vorbereitung, Massnahmenplanung und Information unterteilt werden.
2
Vorbereitung
Organisatorische Massnahmen können das öffentliche und private Leben der Bürger und Gäste sehr
stark beeinträchtigen. Die Aufgaben, Rechte und
Pflichten sind im Davoser Rechtsbuch (DRB)
geregelt (Tab. 2). In einem Pflichtenheft sind die
Aufgaben der einzelnen Ressortleiter geregelt. Die
Besoldung und die Versicherung aller Helfer müssen im Voraus geregelt sein. Bedeutende Vorbereitungsarbeiten sind die Personalplanung, die Ausund Fortbildung, das Erstellen von Adress- und
Telefonlisten (Mitarbeiter des Lawinendienstes,
Partnerorganisationen, Bewohner der Gefahrenzonen), das Bereitstellen von Plangrundlagen und
Sicherungskonzepten, Vorlagen für Sitzungsablauf, Bulletins und Massnahmenplanungen. Für
mehrere Gebiete liegen Gutachten des Eidg. Institutes für Schnee und Lawinenforschung SLF vor.
In diesen Expertenberichten wird detailliert auf die
Themen Schnee- und Lawinensituation, Analyse
der Lawinenzüge, Beurteilung der Lawinensituation sowie Vorschläge für Sicherungskonzepte
eingegangen.
Sicherungskonzepte, soweit sie Siedlungen, wichtige Erschliessungsanlagen und künstliche Lawinenauslösung betreffen, legen wir öffentlich auf.
Damit ist sowohl die Mitwirkung wie auch die
Information der betroffenen Bevölkerung sichergestellt. Obwohl die Erarbeitung von Grundlagen
sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, ist der Aufwand
für die Aktualisierung nicht zu unterschätzen. Wir
verwenden wenn möglich nur Daten, die andere
Verwaltungsabteilungen auch für ihre Zwecke
erarbeiten und laufend aktualisieren müssen.
Tab. 2: Rechtliche Grundlagen im Davoser Rechtsbuch (DRB) Gesetzessammlung der Landschaft Davos Gemeinde
DRB 39
Landschaftsgesetz vom 23. 3. 1999 über die Katastrophenorganisation und den Lawinendienst
DRB 39.01
Verordnung vom 23. 3. 1999 über die Katastrophenorganisation
DRB 39.03
Verordnung vom 16. 12. 1997 über den Lawinendienst
DRB 39.05
Entschädigungsreglement vom 7. April 1998 für die Angehörigen der Katastrophenorganisation
und des Lawinendienstes.
91
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Für die Bewirtschaftung der Gebäude-, Eigentümer- und Einwohnerdaten haben wir eine eigene
Access-Datenbank entwickelt, die wir ab Herbst
2005 einsetzen können. Mit dieser Datenbank
erfassen wir die Daten nur einmal und können sie
mit dem Abfragemodus für verschiedene Zwecke
nutzen. Die Datenbank wird laufend aktualisiert,
dadurch stehen uns immer aktuelle Unterlagen zur
Verfügung.
Heute sind in 24 Teilgebieten organisatorische
Massnahmen vorgesehen. Diese Gebiete weisen
unterschiedliche Prioritäten auf. Einige Teilgebiete
müssen bereits ab der Lawinengefahrenstufe
«gross» bearbeitet werden, für andere sind erst
Massnahmen notwendig, wenn die Gefahrenstufe
«sehr gross» über längere Zeit andauert. Die Teilgebiete unterscheiden sich auch bezüglich Grösse und Besiedlung. Das kleinste Teilgebiet umfasst
nur drei Wohnhäuser, die von einer Lawine geschützt werden müssen. Das grösste Teilgebiet ist
das Seitental «Dischma» mit ca. 100 Einwohnern
und acht Lawinenzügen mit sehr grossen Anrissgebieten.
In der Gemeinde Davos steht mit dem LIS (Landinformationssystem) eine sehr gute Infrastruktur
zur Verfügung. Im LIS werden alle raumwirksamen
Daten (Grundbuchvermessung, Gefahrenzonenpläne, Strassennummerierung, Werkleitung, usw.)
laufend nachgeführt und stehen jederzeit aktualisiert zur Verfügung. Bei der Personalplanung achten wir darauf, dass wir ganze Aufgabenbereiche
an schon bestehende Organisationen übertragen
können, wie Rettungsdienst des Schweizer AlpenClubs (SAC), Rettungsstation Davos, Zivilschutz
Organisation (Betreuung/Versorgung), Fraktionsfeuerwehren (Absperrung und Evakuationen). Die
Leitung des Lawinendienstes wird von einem Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung (Forstbetrieb)
wahrgenommen. Mit dieser Regelung kann der
Leiter jederzeit auf die Infrastruktur und das Personal der Verwaltung zurückgreifen. Nach unserer
Erfahrung funktionieren in Ausnahmesituationen
nur Organisationen, die sich im Alltag bewähren.
3
Massnahmenplanung
Der Lawinendienst kann selbständig Massnahmen planen und anordnen. Die politische Behörde
ist durch den Landammann, der von Amteswegen
dem Lawinendienst angehört, immer informiert.
Evakuationen muss die politische Behörde auf Antrag des Lawinendienstes anordnen. Übersteigen
die anfallenden Arbeiten die Kapazitäten des Lawinendienstes, übernimmt der Katastrophenstab
die Gesamtleitung.
Die Massnahmenplanung umfasst alle Arbeiten,
die zur Gefahrenbeurteilung sowie zur Planung
92
und Durchführung von organisatorischen Massnahmen notwendig sind. Wir können dabei auf
sehr viele Informationsmittel zurückgreifen (Lawinenfrühwarnung, nationale und regionale Lawinenbulletins, Wetterprognosen, Daten automatischer Schnee- und Windstationen). Diese Daten
ergänzen wir mit Informationen, die wir selber erarbeiten (Schneedeckenentwicklungen, Lawinenaktivitäten in der Landschaft Davos, Einschätzung
von lokalen Experten). Wichtige Experten sind die
Mitarbeiter des Pisten- und Rettungsdienstes der
Bergbahnen, da sie über sehr viele, aktuelle Informationen aus ihren Einsatzgebieten verfügen. Die
Analyse dieser Daten bilden die Grundlage für die
Planung und Durchführung der künstlichen Lawinenauslösung, von Informationen und Warnungen
der Bevölkerung, Strassensperrungen oder auch
Evakuationen. Die Aufhebung von Massnahmen
muss gleich gründlich geplant werden wie die
Anordnung von Massnahmen.
Als wichtigste Planungshilfe hat sich die Ausarbeitung von verschiedenen Varianten herausgestellt.
An der Sitzung am Vorabend ist häufig die Entwicklung des Wetters und der Lawinensituation
während der Nacht unsicher. Damit frühmorgens
möglichst schnell entschieden werden kann, werden am Abend zwei Varianten geplant, (z. B. Variante 1: Neuschneemenge bis 05.00 Uhr weniger
30 cm, Variante 2: Neuschneemenge bis 05.00
Uhr grösser 30 cm). Der verantwortliche Einsatzleiter kann am Morgen ohne Rückfrage eine Variante umsetzen. Schlechte Erfahrungen haben wir
gemacht, wenn wichtige Entscheide erst am
frühen Morgen gefällt werden. Einerseits ist es
schwierig, Informationen zu sammeln, andererseits wirken die Massnahmen meistens erst zu
spät.
4
Information
Massnahmen können nur effizient durchgeführt
werden, wenn die Bevölkerung schnell informiert
werden kann. Bulletins werden über das Internet,
den TV Info Kanal Klosters-Davos, über TelefonTonbandinformationen und einem Fax-Verteiler
verbreitet. Die Mitarbeiter der Gemeindepolizei
stehen während 24 Stunden für individuelle Auskünfte zur Verfügung. Seit Herbst 2003 können wir
mit SMS aktuelle Meldungen verbreiten oder neue
Bulletins ankündigen. Mit diesem System können
wir sehr viel Zeit gewinnen und erreichen die Leute
auch unterwegs. In den Bulletins werden alle Informationen, auch der übrigen Werkeigentümer,
zusammengefasst. Gute Erfahrungen machen wir
mit frühzeitiger Ankündigung von Massnahmen.
Dabei genügt schon eine Meldung am Vorabend
«bei anhaltenden Schneefällen müssen bereits am
Lawinen und Recht
frühen Morgen exponierte Strassen gesperrt werden». Massnahmen können dann wirkungsvoll
umgesetzt werden, wenn sie aus Sicht der Bevölkerung zum richtigen Zeitpunkt angeordnet
werden. Am Morgen vor Schulbeginn, am Abend
nach 19.00 Uhr oder noch besser am Abend mit
Wirkung für den kommenden Morgen.
5
Fazit
Die Arbeit der kommunalen Lawinendienste bleibt
trotz vieler Entscheidungsgrundlagen und guter
Ausbildung eine sehr anspruchsvolle Arbeit.
Knacknuss wird die Personalrekrutierung bleiben.
Immer weniger Leute sind bereit, für die Öffentlichkeit verantwortungsvolle und exponierte
Arbeiten zu übernehmen. Auch darf die Arbeit der
Lawinendienste nicht überschätzt werden. Die
wichtigsten Entscheide eines Lawinendienstes
entstehen aus Prognosen (Lawinenfrühwarnung,
Schnee- und Wetterprognose). Die Massnahmenplanung ist wieder eine Prognose, die noch mehr
Unsicherheiten enthält. Organisatorische Massnahmen sollten nach unserer Sicht eher zu früh
angeordnet werden, denn zu spät nützen sie
nichts. Den genauen Zeitpunkt eines Lawinenniederganges können wir mit allen Daten und
Entscheidungsgrundlagen die uns zur Verfügung
stehen, nicht ermitteln.
Unsere Lehren aus der Vergangenheit sind:
– Sich nicht überraschen lassen
– Klare Entscheide fällen
– Beziehungsnetz aufbauen und pflegen
– Bestehende Strukturen ausnützen
– Rasche, ehrliche Informationspolitik
Hanspeter Hefti ist Leiter Gemeindelawinendienst der
Landschaft Davos Gemeinde.
Résumé: Mesures organisationnelles
de protection contre les avalanches à
Davos
Pour ce qui concerne les avalanches, la région de
Davos a une histoire qui remonte au peuplement de la
vallée des hautes Alpes. Bien que les habitants des vallées alpines aient érigé leurs demeures à des endroits
bien choisis, la chronique mentionne constamment des
maisons et des étables entraînées par des avalanches.
A diverses reprises, on déplore des pertes humaines.
Avec le développement vertigineux de ce lieu de cure et
de sport, le potentiel de dommages n’a cessé d’augmenter. Dès 1920, on a commencé l’érection de la
première construction paravalanche au Schiahorn. Des
mesures organisationnelles ont été prises dès l’hiver
1957/58 par le déclenchement artificiel d’avalanches,
en utilisant à l’époque le lancemine de 8,3 cm. Dans le
centre de cure aujourd’hui d’envergure mondiale,
Davos, qui compte environ 12 000 habitants, enregistre
près de 2 millions de nuitées et organise de nombreuses manifestations de grande envergure au cours du
semestre hivernal, la planification et la mise en œuvre
de mesures organisationnelles est une affaire particulièrement délicate. Etant donné que chaque propriétaire
d’ouvrages est responsable de ses propres ouvrages,
le service communal des avalanches n’a pas de souveraineté territoriale. Il joue cependant un rôle important
de coordination.
Le cadre légal et les documents actuels d’intervention
sont les conditions nécessaires pour réussir la mise en
œuvre de mesures organisationnelles. Notre service
des avalanches a une structure propre, mais est entièrement intégré dans l’administration communale. Seules les données très spécifiques sont traitées pour le
service des avalanches (p. ex. des listes d’alerte, des
concepts de fermeture). Pour le reste, nous utilisons
des informations et des données gérées par d’autres
départements administratifs (p. ex. le plan de zone des
dangers, la carte routière, les informations sur les habitants et les propriétaires, etc.). Les mêmes principes
s’appliquent aux interventions du personnel. Dans les
situations exceptionnelles, des équipes entraînées
fonctionnent mieux que celles qui sont uniquement
constituées pour un événement spécifique.
Notre service des avalanches peut naturellement planifier et exécuter lui-même des décisions. Le chef du
département compétent assure le lien avec l’autorité
politique. Toutes les sources d’informations et toutes
les données disponibles sont utilisées pour l’évaluation.
Il est indispensable de collecter des informations et des
données spécifiques surtout pour l’évaluation des réalités locales. Lorsqu’il y a incertitude quant à l’évolution
de la situation de danger, nous élaborons souvent deux
variantes de mesures organisationnelles. Selon le développement de la situation, le chef d’intervention, quel
qu’il soit, pourra par la suite mettre en œuvre la variante
appropriée.
Les mesures organisationnelles sont acceptées par la
population si celle-ci est informée de manière actuelle
et correcte. En plus des moyens habituels d’information
tels qu’un répondeur téléphonique, un distributeur par
fax, une chaîne de télévision d’information et Internet,
nous diffusons également des messages par SMS. Par
ces messages succincts, nous pouvons transmettre de
manière particulièrement rapide des avis actuels ou annoncer de nouveaux bulletins.
Les principes qui régissent notre travail sont les suivants:
– Nous ne nous laissons pas prendre par surprise.
– Nous prenons des décisions claires et les communiquons immédiatement.
– Nous constituons et entretenons un réseau de relations.
– Nous utilisons les structures existantes.
– Nous élaborons des variantes et les mettons en
oeuvre au moment opportun.
Hanspeter Hefti est le responsable du service communal
des avalanches du district de Davos.
93
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Riassunto: Misure organizzative di
protezione contro le valanghe nella
regione di Davos
La storia delle valanghe della regione di Davos risale ai
periodi in cui è iniziata la colonizzazione delle alti valle
alpine. Sebbene gli abitanti di queste valli abbiamo
eretto i propri centri abitati in punti selezionati, secondo
la cronaca non sono mai mancate valanghe che hanno
trascinato con sé case e stalle. Spesso anche con vittime. Con il rapido sviluppo della regione come luogo di
cura e sportivo, il potenziale di pericolo è cresciuto
sempre di più. Già nel 1920 è iniziata la costruzione
della prima opera di difesa da valanghe sul Schiahorn.
Le misure organizzative furono accompagnate già nella
stagione invernale 1957/58 da operazioni di distacco
artificiale, allora ancora con il lanciamine da 8,3 cm. Per
l’odierno luogo di cura di rinomanza mondiale di Davos,
che conta 12 000 abitanti, circa 2 milioni di turisti e
numerose manifestazioni durante il semestre invernale,
la pianificazione e l’esecuzione di misure organizzative
è una questione particolarmente critica. Dal momento
che il proprietario di un’opera è anche il principale
responsabile dell’opera stessa, il servizio prevenzione
valanghe comunale non ha alcuna sovranità territoriale,
ma assume un’importante funzione di coordinamento.
Le basi legislative e i documenti d’intervento aggiornati
sono i presupposti per una perfetta esecuzione delle
misure organizzative. Il nostro servizio di prevenzione
valanghe ha una propria struttura, ma è completamente
integrato nell’amministrazione comunale. Solo una
piccola quantità di dati molto specifici viene elaborata
per il servizio di prevenzione valanghe (p. es. liste di
allarme, concetti di blocco), altrimenti utilizziamo le informazioni e i dati che vengono forniti ad altri settori
dell’amministrazione (p. es. piano delle zone pericolose,
piano stradale, dati degli abitanti e dei proprietari, ecc.).
Per l’impiego del personale valgono principi analoghi.
In casi eccezionali funziona meglio una squadra affiatata, rispetto a una squadra che opera solo in situazioni
particolari.
Il nostro servizio di prevenzione valanghe è in grado di
pianificare ed eseguire in proprio eventuali misure protettive. Il capo dipartimento responsabile garantisce il
link con le autorità politiche. Per la valutazione vengono
utilizzate tutte le fonti di informazioni e di dati. Indispensabile è il rilevamento dei propri dati e delle proprie
informazioni, soprattutto per la valutazione di situazioni
locali. In caso di evoluzione incerta della situazione di
pericolo, elaboriamo spesso due varianti della stessa
misura organizzativa. A seconda dell’evoluzione del pericolo, un singolo responsabile delle operazioni può
successivamente passare alla variante più idonea.
Le misure organizzative vengono accettate dalla popolazione, solo se questa viene informata in modo aggiornato e corretto. Oltre ai normali canali di informazione
come segreteria telefonica con messaggi registrati, distributore di fax, TV e Internet, i comunicati vengono
trasmessi anche via SMS. Grazie a questi brevi messaggi di testo siamo in grado di trasmettere in modo
molto rapido aggiornamenti o nuovi bollettini.
I principi su cui si basa la nostra attività:
94
– Non lasciarsi sorprendere
– Prendere decisioni chiare e comunicarle immediatamente
– Realizzare e mantenere una rete di connessioni
– Sfruttare le strutture esistenti
– Elaborare varianti e passare a quella giusta al
momento opportuno
Hanspeter Hefti è il direttore del servizio prevenzione
valanghe del comune di Davos.
Lawinen und Recht
Lawinenunfall = Gerichtsfall?
Stephan Harvey und Jürg Schweizer
1
Einleitung
Anzahl Lawinenopfer
Lawinenunfälle sind seltene Ereignisse. Noch
seltener sind daher Lawinenopfer. Trotzdem wird
die Zahl der bei Lawinenunfällen Verstorbenen
von den Medien akribisch genau gezählt. Das
Medienecho bei einem Lawinentoten, oder gar
mehreren am selben Wochenende, ist unvergleichlich grösser als bei anderen Unfalltoten wie
etwa im Strassenverkehr. Dies wird gemeinhin als
Folge der hohen Aversion erklärt. Noch weit grösser ist die Aufmerksamkeit, wenn es einmal zu
einem Gerichtsfall kommt.
Tatsache ist, dass in der Schweiz im langjährigen
Mittel rund 26 Lawinentote pro Jahr zu beklagen
sind (30jähriges Mittel: 1975 / 76 bis 2004 / 05).
Die allermeisten (rund 90 %) sind Schneesportler,
die «ihre» Lawine meist (in ca. 90 % der Fälle)
selbst ausgelöst haben. Im gesamten Alpenraum
sind es im langjährigen Mittel etwas mehr als 100
Todesopfer (IKAR Statistik).
Im folgenden beschränken wir uns auf die Situation in der Schweiz. Die durchschnittliche Zahl der
Lawinenopfer ist über all die Jahre hinweg erstaunlich konstant geblieben, auch wenn es von
Jahr zu Jahr grosse Schwankungen gibt (Abb. 1).
Obwohl die Zahl der Personen, die im ungesicherten Gelände unterwegs sind, wohl zugenommen
hat, ist die Zahl der Lawinenopfer also nicht angestiegen. Dies wird Verbesserungen in der Ausbildung, bei der Lawinenwarnung und bei der
Rettung zugeschrieben.
2
Tödliche Lawinenunfälle
1994 / 1995 bis 2003 / 2004
Um die Frage zu beantworten, wie viele Lawinenunfälle zu rechtlichen Folgen führen, betrachten
wir die tödlichen Lawinenunfälle in den Schweizer
Alpen von 1994 / 95 bis 2003 / 04, also zehn Jahre.
Bei insgesamt 158 Lawinenunfällen sind 216 Personen ums Leben gekommen. Damit ist die Zahl
der Todesopfer pro Jahr etwas geringer als im
30jährigen Mittel. (30jähriges Mittel: 1975 / 76 bis
2004 / 05).
Grundsätzlich handelt es sich beim Todesfall in
Folge eines Lawinenabganges um einen aussergewöhnlichen Todesfall, bei dem von Amtes wegen
untersucht werden muss, ob allenfalls ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegt.
60
Siedlungen
Verkehrswege
Freies
Gelände
40
Gleitendes
Mittel (5 J.)
Mittelwert: 26
20
0
1976
1981
1986
1991
Winter
1996
2001
2006
Abb. 1: Lawinenopfer in den Schweizer Alpen in den letzten 30 Jahren (1975/76 bis 2004/05). Der Mittelwert betrug
in dieser Periode 26 Todesopfer (gestrichelte Linie). Die durchgezogene Line zeigt den Trend anhand des 5jährigen
gleitenden Mittels. Lawinenopfer in Gebäuden (gelbe Balken) sind selten. Die blauen Balken zeigen die Lawinenopfer
auf offenen und gesicherten Verkehrswegen. In diese Kategorie gehören auch Todesopfer auf Schneesportabfahrten. Die allermeisten Personen werden Opfer einer Lawine im freien, ungesicherten Gelände, d. h. beim Freeriden,
Tourenfahren, Bergsteigen, Schneeschuhwandern usw.
95
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
158 tödliche Unfälle
47 Strafuntersuchungen
Strafuntersuchung
30%
Keine
rechtlichen
Folgen
70%
Mehrere
Gruppen
9%
Ungeführte
Gruppen
17%
Geführte
Gruppe
42%
Sicherungsdienste
32%
Abb. 2: Bei den 158 Lawinenunfällen, die sich in den Schweizer Alpen von 1995 / 96 bis 2004 / 05 ereigneten, kam es
in 47 Fällen – soweit uns bekannt – zu einer Strafuntersuchung (links). Die 47 Unfälle verteilen sich in Bezug auf die
Verantwortlichkeit wie folgt: 20 Geführte Gruppen (Bergführer, Tourenleiter usw.), 15 Sicherungsdienste (Bergbahnen,
Strassendienste, Gemeindelawinendienste), 8 ungeführte Gruppen und 4 Fälle mit mehreren Gruppen (rechts).
Bei 47 dieser 158 tödlichen Lawinenunfälle haben
wir Kenntnis davon, dass es zu einer Strafuntersuchung gekommen ist (Abb. 2). In den meisten
dieser Fälle trug ein Leiter, ein Bergführer oder ein
Sicherungsdienst die Verantwortung, oder es bestanden zumindest gewisse Hinweise, dass einer
der überlebenden, beteiligten Personen allenfalls
ein fahrlässiges Verhalten oder eine Unterlassung
vorzuwerfen sei.
Mit 47 untersuchten Fällen ist unsere statistische
Grundlage natürlich etwas dürftig. Vermutlich wurden noch mehr Fälle strafrechtlich untersucht. Wir
vermuten aber, dass wir davon Kenntnis hätten,
wenn das Verfahren zu einer Verurteilung geführt
hätte.
Bei den 47 untersuchten Fällen trug in 20 Fällen
ein Bergführer, Touren- oder Jugendleiter (J+S)
die Verantwortung. In 15 Fällen waren Sicherungsdienste verantwortlich. In den verbleibenden 12
Fällen handelte es sich um acht ungeführte, mehr
oder weniger organisierte Gruppen, und bei vier
Lawinenunfällen schliesslich waren die Opfer nicht
aus der selben Gruppe, die die Lawine ausgelöst
hatte (Abb. 2). Eine oder mehrere Personen hatten
also eine Lawine ausgelöst, die andere, unbeteiligte Personen erfasste und tödlich verschüttete.
Bei verschiedenen Fällen wurde anfänglich die
Verantwortung von mehreren Personen geprüft,
zum Beispiel, wenn eine geführte Gruppe im
pistennahen Variantenbereich von einem Unfall
betroffen war. Dann musste abgeklärt werden, ob
die Signalisation hinreichend war (Verantwortung
des Sicherungsdienstes), und auch, ob dem Skilehrer ein fehlerhaftes Verhalten vorzuwerfen sei.
In obigen vier Kategorien (geführte Gruppen,
Sicherungsdienste, ungeführte Gruppen, mehrere
Gruppen) sind also Mischfälle enthalten.
Rund drei Viertel der tödlichen Lawinenunfälle, die
untersucht wurden, ereigneten sich beim Tourenoder Variantenfahren. Die übrigen Fälle betrafen
96
mehrheitlich Benutzer von Verkehrswegen oder
Bewohner von Gebäuden.
In den meisten Fällen wurde von den Gerichtsorganen ein Sachverständigengutachten in Auftrag
gegeben. In allen Fällen, in denen Anklage erhoben wurde, lag dem Gericht ein Gutachten vor.
Im Folgenden beschreiben wir die rechtlichen
Konsequenzen getrennt für die vier Kategorien
(geführte Gruppen, Sicherungsdienste, ungeführte
Gruppen, mehrere Gruppen).
Geführte Gruppen
Bei den 20 Fällen mit geführten Gruppen kam in
sechs Fällen die verantwortliche Person selbst
ums Leben. Bei einem der 14 übrigen Fälle ist das
Resultat der Strafuntersuchung unbekannt, da der
Fall von den Walliser Untersuchungsbehörden an
Frankreich überwiesen wurde. Die Mehrheit (9)
der Strafuntersuchungen wurde eingestellt. In
zwei Fällen anerkannte der Führende seine Schuld,
so dass die Fälle im Rahmen eines vereinfachten
Verfahrens mit einem Strafmandat (ohne Anklageerhebung) abgeschlossen wurde (Surettalückli,
2001; Rinerhorn, 2003). Bei den restlichen zwei
Fällen erhob die Staatsanwaltschaft Anklage. In
einem Falle wurde der Angeklagte frei gesprochen
(Tête de la Payanne 1997), im anderen Falle sprach
das Gericht den Angeklagten der fährlässigen
Tötung für schuldig (Glacier des Berons 2000).
Interessant ist die Frage, ob rechtliche Folgen eher
bei erheblicher Gefahrenstufe zu gewärtigen sind.
Bei den 14 Unfällen mit geführten Gruppen war die
im Lawinenlagebericht prognostizierte Gefahrenstufe in fünf Fällen mässig und in neun Fällen
erheblich. Am Unfalltag kann lokal die Lawinengefahr auch anders gewesen sein. Die Abklärung,
wie weit die prognostizierte Gefahrenstufe der
effektiv herrschenden gerecht wurde, erfolgt im
Sachverständigen-Gutachten. Der Einfachheit
halber betrachten wir hier die prognostizierte
Lawinen und Recht
Gefahrenstufe. Alle fünf Untersuchungen von Unfällen, die sich bei prognostizierter Gefahrenstufe
«mässig» ereigneten, wurden eingestellt. Der Unfall, dessen Ausgang wir nicht kennen, geschah
bei «erheblicher» Gefahr. Von den restlichen acht
Fällen, die sich bei prognostizierter Gefahrenstufe
«erheblich» ereigneten, wurden vier eingestellt, in
zwei Fällen ein Strafmandat ausgesprochen und
in zwei Fällen Anklage erhoben. Einer der Verantwortlichen wurde freigesprochen, einer wurde
verurteilt. Insgesamt kam es demnach in drei der
neun Unfälle, die sich bei «erheblicher» Gefahrenstufe ereigneten, zu einer Verurteilung.
Sicherungsdienste
In 12 der 15 Fälle mit involvierten Sicherungsdiensten wurde die Strafuntersuchung eingestellt
(resp. in drei Fällen wurde sie – unseres Wissens
– gar nicht eröffnet). Ein Fall war derart klar, dass
der Verantwortliche seine Schuld anerkannte
(Strafmandat). Bei Pistensicherungsarbeiten wurde ein Pistenfahrzeug bei der Präparation von einer
künstlich ausgelösten Lawine erfasst, so dass der
Fahrzeugführer verstarb. Der Verantwortliche hatte es versäumt, den Fahrzeugführer zu warnen.
Von den zwei Fällen, bei denen es zur Anklage
kam, endete einer mit einem Freispruch (Lawine
auf Schneesportabfahrt, Plattjen, Saas Fee 2000)
und einer mit einer Verurteilung (Katastrophenlawine Evolène 1999). Im Fall Evolène wurde die
erstinstanzliche Verurteilung vom Walliser Kantonsgericht im Januar 2006 im wesentlichen bestätigt. Die Angeklagten zogen daraufhin den Fall
noch an das Schweizerische Bundesgericht weiter.
Der Kassationshof des Bundesgerichtes hat die
von den beiden Verurteilten eingereichten Beschwerden am 30. August 2006 abgewiesen.
Ungeführte Gruppen
Die Strafuntersuchungen, die bei Lawinenunfällen
mit ungeführten Gruppen eröffnet wurden, endeten alle mit einer rechtskräftigen Einstellungsverfügung. Die Beteiligten gaben in der Regel an,
dass sie alle Entscheidungen gemeinsam getroffen hätten und dass keine Person eine eigentliche
Führungsposition inne gehabt hätte.
Mehrere Gruppen (Verursacher /Opfer)
Bei den vier interessanten Fällen, bei denen zwei
unabhängige (in der Regel ungeführte) Gruppen
beteiligt waren, kam es in zwei Fällen zu einer Einstellung und in zwei Fällen zur Anklage mit nachfolgender Verurteilung. In diesen beiden Fällen
hatten Variantenfahrer ausserhalb gesicherter und
markierter Schneesportabfahrten eine Lawine
ausgelöst, die weiter unten Unbeteiligte erfasste
und zu je einem Todesopfer in der unteren Gruppe
führte. Das Strafmass betrug im ersten Falle
(Grand Saint-Bernard 1999) für die zwei angeklag-
ten Variantenfahrer 40 resp. 30 Tage Gefängnis
bedingt erlassen auf 2 Jahre. Im zweiten Falle
(Parsenn 2000) wurde der Variantenfahrer vom
Gericht zu eine Busse von 1000 Franken wegen
fahrlässiger Tötung verurteilt.
3
Weitere Fälle mit Strafuntersuchungen
Zuweilen kommt es auch zu Strafuntersuchungen
bei Lawinenunfällen, die keine Todesopfer, aber
Verletzte oder Sachschaden verursachen. Es sind
uns vier derartige Fälle bekannt, alle aus dem
Lawinenwinter 1998/99.
In drei Fällen entstand bei der präventiven künstlichen Auslösung von Lawinen unerwartet Sachschaden (Sörenberg, Leukerbad, Lukmanier).
Zwei der Fälle wurden eingestellt, der andere
endete drei Jahre später mit der Verurteilung der
beiden Verantwortlichen wegen fährlässiger
Gefährdung durch Sprengstoffe zu 14 Tagen Gefängnis bedingt beziehungsweise zu 500 Franken
Busse.
Im vierten uns bekannten Falle wurde ein Skilehrer
im Strafmandatsverfahren verurteilt (Motta Naluns,
Scuol). Er war mit einem deutlich weniger erfahrenen Bekannten bei «grosser» Lawinengefahr im
Variantengelände privat unterwegs. Der Bekannte
erlitt beim von den beiden verursachten Lawinenabgang schwere Körperverletzungen.
4
Zusammenfassung und Schluss
Anhand der Unfallstatistik haben wir die rechtlichen Konsequenzen von Lawinenunfällen abgeschätzt. Innerhalb von 10 Jahren (1994 / 95 bis
2003 / 04) kam es in den Schweizer Alpen zu 158
tödlichen Lawinenunfällen mit 216 Todesopfern. In
47 dieser Unfälle ist uns bekannt, dass es zu einer
Strafuntersuchung kam. Die grosse Mehrheit
dieser Fälle (85 %) endete ohne rechtliche Konsequenzen (Einstellung oder in zwei Fällen Freispruch) u.a. auch weil die Verantwortlichen beim
Unfall selbst ums Leben kamen. In sieben Fällen
kam es zu einer Verurteilung (darin eingeschlossen drei Fälle mit Strafmandat) (Abb. 3).
Sicherheitsverantwortliche von Schneesportgebieten und Verkehrswegen müssen, verglichen mit
der Anzahl der Todesopfer auf Verkehrswegen,
etwas überproportional vor dem Richter erscheinen gegenüber Bergführern oder Skilehrern.
Bei den geführten Gruppen wurde in allen fünf
Fällen, die sich bei prognostizierter Gefahrenstufe
«mässig» ereigneten, die Strafuntersuchung eingestellt. Hingegen endeten drei der neun Unfälle,
97
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
47 Strafuntersuchungen
Verantwortliche
verstorben
13 %
unbekannt
2%
7 Verurteilungen
(inkl. 3 Strafmandate)
15 %
33 Einstellungen
(inkl. 2 Freisprüche)
70%
die sich bei prognostizierter Gefahrenstufe «erheblich» ereigneten, mit der Verurteilung des verantwortlichen Führers oder Leiters. Auch ein Unfall
bei erheblicher Lawinengefahr hat also bei weitem
nicht immer rechtliche Konsequenzen.
Alles in allem enden Lawinenunfälle aber in den
wenigsten Fällen vor dem Richter. Im von uns
betrachtet Zeitraum von 10 Jahren kam es etwa in
jedem fünfundzwanzigsten tödlichen Lawinenunfall zu einer Verurteilung wegen fahrlässiger
Tötung. Angemessene Rechtssprechung und hohe
Professionalität der Sicherheitsverantwortlichen
führen wohl zu diesem Resultat. Eine zunehmende
«Kriminalisierung» des Freeriden oder Tourenfahrens vermögen wir auf Grund der Statistik nicht
zu erkennen.
Nicht zu vergessen ist, dass sich hinter dieser
generell eher günstigen Statistik tragische Einzelschicksale verbergen. Der Lawinenunfall ist weniger ein Gerichtsfall als ein moralisch schwerwiegender Fall.
Stephan Harvey studierte Geographie an der Universität Zürich und ist zudem pat. Bergführer. Seit 1998 ist er
wissenschaftlicher Mitarbeiter am SLF mit den Spezialgebieten Lawinenwarnung und Lawinenunfallprävention.
Er ist verantwortlich für die Schadenlawinendatenbank
am SLF.
Dr. Jürg Schweizer studierte Umweltphysik an der ETH
Zürich und promovierte in Glaziologie. Seit 1990 ist er
wissenschaftlicher Mitarbeiter am SLF mit Spezialgebiet Lawinenbildung. Er ist verantwortlich für die Lawinenausbildung von Lawinensachverständigen (IFKIS)
und hat in den letzten 10 Jahren über zwanzig Gerichtsgutachten zu Lawinenunfällen verfasst.
Résumé: Accident d’avalanche = affaire
en justice?
Les accidents d’avalanche sont des événements rares,
même si lorsqu’ils se produisent les médias font un décompte méticuleux des victimes. Lorsqu’une ou même
plusieurs personnes perdent la vie dans une avalanche
98
Abb. 3: Rechtliche Folgen in den 47
Fällen, in denen es unseres Wissens
zu einer Strafuntersuchung kam. In
sechs Fällen ist der Garant verstorben.
In einem Fall ist der Ausgang unbekannt. In 7 Fällen kam es zu Verurteilungen der Verantwortlichen. Alle
übrigen Fälle endeten ohne Folgen,
d. h. das Verfahren wurde eingestellt
oder in den Fällen, in denen es zur
Anklage kam, wurde der Angeklagte
freigesprochen.
au cours d’un weekend, l’écho qu’en font les médias
est incomparablement plus grand que pour d’autres
victimes (p. ex. de la circulation routière). On explique
ce fait comme une conséquence du niveau élevé de
rejet que suscite ce type d’accident. L’attention engendrée par une éventuelle affaire en justice dans ce
domaine est encore plus grande.
Le fait est que la Suisse déplore en moyenne environ 25
victimes d’accidents d’avalanche par an. La plupart
d’entre elles (90 %) sont des adeptes des sports de
neige qui ont généralement déclenché eux-mêmes
«leur» avalanche. Dans l’ensemble de l’espace alpin, il y
a chaque année une centaine de victimes. Dans ce qui
suit, nous nous limitons à la situation en Suisse. Etonnamment, le nombre moyen de victimes d’avalanche
est resté constant au fil des années, même s’il y a
parfois une grande fluctuation d’une année à l’autre. S’il
n’y a pas eu d’augmentation, cela s’explique par les
améliorations enregistrées au niveau de la formation,
des prévisions d’avalanches et des opérations de sauvetage.
Les accidents mortels d’avalanche au cours de la pratique du hors-piste et des randonnées concernent, dans
environ 30 % des cas, des personnes en position de
garant. Au cours des 10 dernières années, il y a eu 20
accidents mortels d’avalanche impliquant des groupes
dirigés par des moniteurs de ski, des guides de randonnée ou des guides de montagne. Dans environ 30% de
ces cas, le garant lui-même a perdu la vie de sorte
qu’en règle générale toute procédure pénale devenait
nulle. Là où les services de sécurisation occupaient
une position de garant, il y a eu au cours des 10 dernières années 15 accidents mortels d’avalanche.
Nous ne savons pas dans combien de cas il y a eu une
action pénale – comme c’est souvent le cas en Suisse,
la situation varie d’un canton à l’autre. Nous nous efforçons d’en estimer le nombre. Sur la base de recherches
incomplètes, nous supposons que dans la plupart des
cas dans lesquels le garant n’est pas décédé il y a eu
une enquête pénale. Dans près de 80 % de ces cas,
une expertise a été effectuée. Dans environ 70 % des
cas dans lesquels il y a eu une enquête pénale, la procédure a été arrêtée, ce qui signifie qu’il n’y a pas eu
d’inculpation. Quelques rares cas étaient si évidents
que les personnes inculpées ont elles-mêmes reconnu
leur tort, de sorte que l’affaire a pu être réglée dans le
cadre d’une procédure simplifiée (ordonnance de
Lawinen und Recht
condamnation). Dans les quelque 20 % des cas restants, il y a eu inculpation. Devant le tribunal, près de la
moitié des affaires ont fait l’objet d’un acquittement, ce
qui signifie tout de même qu’environ 10 % des cas qui
nous sont connus ont donné lieu à une condamnation
(amende et /ou peine de prison de quelques mois avec
sursis). Compte tenu du nombre de cas non recensés,
ce pourcentage devrait cependant en réalité être plus
faible. Les responsables de la sécurité des domaines
de sport de neige ou des voies de communication sont
convoqués plus souvent devant le juge que les guides
de montagne ou les moniteurs de ski, si l’on se base sur
le nombre de victimes.
Globalement, les accidents d’avalanche n’aboutissent
que dans des cas extrêmement rares devant le juge. Ce
résultat s’explique par une jurisprudence raisonnable
et par un degré élevé de professionnalisme des
responsables de la sécurité. Il ne faut pas oublier cependant que derrière ces statistiques, d’une manière
générale plutôt favorables, se cachent des destinées
tragiques.
Stephan Harvey a étudié la géographie à l’Université de
Zurich et est en outre guide de montagne agréé. Depuis
1998, il est collaborateur scientifique à l’ENA dans les
spécialités prévisions d’avalanche et préventions des
accidents d’avalanche. Il est responsable de la base de
données sur les dégâts d’avalanches à l’ENA.
Dr Jürg Schweizer a étudié la physique de l’environnement à l’ETH Zurich et a présenté une thèse de doctorat
en glaciologie. Depuis 1990, il est collaborateur scientifique à l’ENA dans le domaine spécialisé de la formation
des avalanches. Il est responsable de la formation des
experts en avalanches (IFKIS) et a rédigé au cours des
10 dernières années des rapports d’expertise concernant plus d’une vingtaine d’accidents d’avalanche à l’attention des tribunaux.
Riassunto: Incidente da valanga =
caso giudiziario?
Gli incidenti da valanga sono fatti piuttosto rari, anche
se il numero delle vittime viene evidenziato dai media
con incredibile precisione. L’eco mediatica che suscita
una vittima da valanga, o addirittura più di una nello
stesso fine settimana, è nettamente maggiore di quella
che suscitano altre vittime, p. es. quelle della strada. Un
fenomeno che viene generalmente spiegato come conseguenza della grande avversione. L’attenzione aumenta poi ancora di più quando il caso entra in tribunale.
Ogni anno in Svizzera perdono la vita circa 25 persone
in incidenti da valanga (media stagionale). La maggior
parte di esse (90 %) sono appassionati di sport invernali, che spesso hanno provocato il distacco della
«loro» valanga. Lungo l’interno arco alpino perdono la
vita circa 100 persone ogni anno. Qui di seguito ci limiteremo alla situazione in Svizzera. Nel corso degli anni
la media delle vittime da valanga è rimasta incredibilmente costante, anche se di anno in anno si osservano
anche grosse oscillazioni. Il fatto che questa cifra non
sia aumentata lo dobbiamo ai miglioramenti conseguiti
nei settori della formazione, della prevenzione e del
soccorso.
Di tutti gli incidenti mortali da valanga che si sono verificati su discese ed escursioni fuoripista, il 20 % circa
ha coinvolto persone che si trovavano nella posizione di
garante. Nel corso degli ultimi 10 anni si sono verificati
20 incidenti mortali da valanga che hanno coinvolto
gruppi accompagnati da maestri di sci, guide escursionistiche o guide alpine. Nel 30 % circa di questi casi il
garante stesso ha perso la vita, con archiviazione di
qualsiasi inchiesta giudiziaria. Nei luoghi in cui i servizi
di protezione civile hanno assunto una posizione di
garante, si sono verificati nel corso degli ultimi 10 anni
15 incidenti mortali da valanga.
In quanti casi è poi seguita un’inchiesta giudiziaria non
siamo in grado di dirlo, anche se le nostre conoscenze
variano notevolmente da cantone a cantone, come succede spesso in Svizzera. Tentiamo di stimare questa
cifra. Sulla base delle nostre ricerche incomplete supponiamo che nella maggior parte dei casi in cui il garante non è deceduto è poi seguita un’inchiesta giudiziaria.
Nell’80 % circa di questi casi è stata redatta una perizia
legale. Nel 70 % circa dei casi ai quali è seguita un’inchiesta giudiziaria, il procedimento è stato archiviato
perché non è stata sporta alcuna denuncia. Alcuni
pochi casi sono stati talmente evidenti che l’imputato
ha ammesso la propria colpa e il processo si è concluso con rito abbreviato (decreto di condanna). Nel restante 20 % circa dei casi è stata sporta una denuncia.
Davanti al giudice, circa la metà dei casi si è conclusa
con un’assoluzione, mentre nel 10 % dei casi a noi noti
è stata emessa una sentenza (pene pecuniarie e/o di
reclusione di alcuni mesi con sospensione condizionale). A causa dei dati non rilevati dalle statistiche, questa
percentuale dovrebbe in realtà essere molto più bassa.
I responsabili della sicurezza dei comprensori sciistici e
delle vie di comunicazione, se si fa un confronto con il
numero delle vittime, devono comparire davanti al giudice in misura maggiore rispetto alle guide alpine o ai
maestri di sci.
In definitiva, solo pochissimi incidenti da valanga varcano le soglie del tribunale. Sicuramente grazie a una
giurisprudenza ragionevole e a un’alta professionalità
dei responsabili della sicurezza. Non occorre poi dimenticare che dietro a queste statistiche generalmente
piuttosto favorevoli si celano sempre tragici destini.
Stephan Harvey ha studiato geografia all’università di
Zurigo ed è anche guida alpina ufficiale. Dal 1998 è
collaboratore scientifico presso l’Istituto SNV nelle specialità prevenzione valanghe e prevenzione degli incidenti da valanga. È responsabile della banca dati delle
valanghe catastrofiche dell’Istituto SNV.
Il Dott. Jürg Schweizer ha studiato fisica ambientale
presso l’ETH di Zurigo e ha conseguito il dottorato in
glaciologia. Dal 1990 è collaboratore scientifico presso
l’Istituto SNV nella specialità formazione di valanghe.
Responsabile della formazione di esperti di valanghe
(IFKIS), negli ultimi 10 anni ha redatto oltre 20 perizie
legali in altrettanti incidenti da valanga.
99
Lawinen und Recht
Rechtliche Situation beim Lawinenunfall
Patrick Bergamin
1
Einleitung
Lawinenniedergänge können straf- und zivilrechtliche Folgen haben. Im Folgenden werden die
anwendbaren Strafnormen (fahrlässige Tötung,
fahrlässige Körperverletzung, Störung des öffentlichen Verkehrs) und Haftungsbestimmungen (unerlaubte Handlung, Haftung aus Vertrag) dargelegt
und die Voraussetzungen insbesondere auch für
Nichtjuristen erläutert. Ein besonderes Gewicht
soll dabei der Problematik der sogenannten Garantenstellung zukommen.
2
Straf- und Privatrecht
Grundsätzlich gilt es, zwischen Privat- und öffentlichem Recht zu unterscheiden. Das Privat- oder
Zivilrecht regelt das Verhältnis zwischen Privaten,
während das öffentliche Recht das Verhältnis zwischen Staat und Bürger bestimmt. Zum öffentlichen Recht gehört unter anderem das Strafrecht.
Ereignet sich infolge eines Fehlverhaltens einer
Person ein Lawinenunfall mit Personenschaden,
kommen in der Regel das Strafrecht und das Privatrecht zum tragen. Einerseits wird der Fehlbare
vom Staat wegen seines Fehlverhaltens bestraft
und dafür zu einer Freiheitsstrafe und / oder einer
Busse verurteilt. Zusätzlich werden der Verunfallte
oder dessen Angehörigen in der Regel gestützt
auf das Privatrecht gegen den Unfallverantwor tlichen vorgehen und von diesem für die entstandenen Nachteile (z. B. Verdienstausfall) Schadenersatz verlangen.
3
Strafrechtliche Folgen
Definitionsgemäss entspricht es bei einem Unfallereignis nicht der Absicht des Täters, jemanden
zu schädigen. Bei der Beurteilung eines solchen
Ereignisses stehen daher die fahrlässigen – also
nicht vorsätzlich verübten – Delikte im Vordergrund. Bei einem Lawinenunfall mit Personenschaden sind dies in erster Linie die fahrlässige
Tötung und die fahrlässige Körperverletzung. Geht
eine Lawine auf eine Piste oder Strasse nieder und
wird dadurch wissentlich Leib und Leben von
Menschen in Gefahr gebracht, fällt zudem eine
Verurteilung des Verantwortlichen wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs in Betracht.
Der fahrlässigen Tötung macht sich schuldig, wer
nicht wissentlich und willentlich, aber doch in Folge einer Sorgfaltspflichtverletzung den Tod eines
oder mehrerer Menschen verursacht. Wegen fahrlässiger Körperverletzung wird bestraft, wer einen
oder mehrere Menschen unter den gleichen Voraussetzungen wie bei der fahrlässigen Tötung am
Körper oder an der Gesundheit schädigt.
Eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung oder
fahrlässiger Körperverletzung setzt Folgendes
voraus:
1. Verursachung Tod oder Verletzung.
2. Pflichtwidriges Verhalten eines Überlebenden.
3. Relevanz des sorgfaltswidrigen Verhaltens für
den Tod bzw. die Körperverletzung.
Die anzuwendende Sorgfalt bemisst sich einerseits nach den Umständen und andererseits nach
den persönlichen Verhältnissen des Täters. Bei
der Bemessung wird im Allgemeinen von dem
ausgegangen, was ein gewissenhafter und besonnener Mensch in der gleichen Situation getan
oder unterlassen hätte. Dabei ist auf die spezifischen Kenntnisse des Täters Rücksicht zu nehmen.
Zur Feststellung des Sorgfaltsmassstabes sind
gegebenenfalls gesetzliche Vorschriften (z. B. im
Bereich des Strassenverkehrs) und von nichtstaatlichen und halböffentlichen Organisationen
erlassene Verhaltensregeln heranzuziehen. Dazu
gehören etwa die Richtlinien für Anlage, Betrieb
und Unterhalt von Schneesportabfahrten der
Schweizerischen Kommission für Unfallverhütung
auf Schneesportabfahrten (vgl. dazu BGE 118 IV
133).
Eine Sorgfaltspflichtverletzung kann sich nicht nur
in einem Tun, sondern auch in einem Unterlassen
manifestieren. Voraussetzung ist allerdings, dass
dem potentiellen Täter eine sogenannte Garantenstellung zukommt, das heisst, dass er rechtlich
verpflichtet ist, für den Schutz bestimmter Rechtsgüter zu sorgen. Eine solche Garantenpflicht kann
sich aus einer entsprechenden gesetzlichen oder
vertraglichen Bestimmung, aus vorangegangenem gefährdendem Tun (Ingerenz) und aus sogenannter freiwillig begründeter Gefahrengemeinschaft ergeben.
Eine vertragliche Garantenstellung besteht beispielsweise beim Bergführer oder Skilehrer ge-
101
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
genüber seinen Gästen. Ebenfalls aus Vertrag,
nämlich als Nebenpflicht aus dem Transportvertrag, wird die Garantenpflicht des Bergbahnunternehmens gegenüber den Benutzern der
Schneesportabfahrten abgeleitet. Eine Obhutspflicht aus Gefahrengemeinschaft entsteht, wenn
«mehrere Personen freiwillig eine Gefahrengemeinschaft eingehen im Vertrauen darauf, dass
sie sich bei Gefahr gegenseitig Hilfe leisten werden» (Trechsel / Noll, Schweizerisches Strafrecht,
AT I, 5. Aufl., S. 245). Daraus muss meines Erachtens geschlossen werden, dass auch zwischen
etwa gleich erfahrenen Alpinisten eine Garantenstellung besteht, sofern die Gefahrenabwehr
zentrales Element des Zusammenschlusses war
(vgl. dazu Benisowitsch, Die strafrechtliche Beurteilung von Bergunfällen, Diss., S. 121 ff.). Diesfalls dürften die Tourenteilnehmer verpflichtet sein,
ihre Begleiter auf Gefahren aufmerksam zu machen, welche diesen entgangen sein könnten (z. B.
Hinweis auf die Lawinengefahr in einem bestimmten Hang).
Ob sich nach einem Lawinenniedergang mit Personenschaden jemand strafrechtlich zu verantworten hat, hängt insbesondere davon ab, inwiefern der Lawinenniedergang vorhersehbar war und
die gegebenenfalls notwendigen Massnahmen getroffen wurden. War die naheliegende Möglichkeit
eines Lawinenniedergangs in der konkreten Situation nicht vorhersehbar, hatte der Verantwortliche
keinen Grund sich anders und damit im Nachhinein
schadensvermeidend zu verhalten.
Eine Verurteilung des Verantwortlichen fällt
schliesslich nur dann in Betracht, wenn der Erfolg
auf die Sorgfaltspflichtverletzung zurückzuführen
ist. Dabei genügt nach herrschender Praxis, dass
der Erfolg bei pflichtgemässem Handeln mit hoher
Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre.
Sämtliche erwähnten Straftatbestände sehen als
Strafe Gefängnis von 3 Tagen bis zu 3 Jahren oder
Busse vor.
4
Zivilrechtliche Folgen
Nach einem Lawinenunfall mit Personenschaden
werden der Verunfallte bzw. dessen Angehörige
vom Unfallverantwortlichen in der Regel Schadenersatz und Genugtuung verlangen. Diese Ansprüche können gestützt auf eine unerlaubte Handlung
oder – sofern der Geschädigte mit dem Verantwortlichen zum Unfallzeitpunkt in einem Vertragsverhältnis stand – auf einen Vertrag geltend gemacht werden. Bei beiden Haftungsgrundlagen
bestehen dieselben Ansprüche, wobei die Beweisführung im Rahmen der Vertragshaftung vorteilhafter ist.
102
Die Zivilforderungen können in einem separaten
Verfahren vor dem Zivilrichter geltend gemacht
werden. Es besteht aber auch die Möglichkeit,
diese Ansprüche im Strafverfahren anzumelden.
In diesem Fall hat der Strafrichter darüber zu
befinden.
Auch wenn das Gesetz dies nicht so vorsieht,
stützt sich der Richter in der Praxis im Privatrechtsprozess häufig auf den Strafprozess ab.
Eine Verurteilung vor dem Strafrichter führt in der
Regel auch zur Bejahung von zivilrechtlichen
Ansprüchen.
Die vom Unfallverantwortlichen geschuldeten
Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche sind
häufig von seiner Haftpflichtversicherung bzw.
vom Haftpflichtversicherer des Betriebes zu übernehmen.
Dr. iur. Patrik Bergamin ist seit 1994 Untersuchungsrichter bei der Staatsanwaltschaft Graubünden und leitet in dieser Funktion regelmässig Strafuntersuchungen
im Zusammenhang mit Lawinenunfällen und vertritt die
entsprechenden Anklagen vor Gericht.
Résumé: Situation juridique en cas
d’accident d’avalanche
L’exposé intitulé «Situation juridique en cas d’accident
d’avalanche» passe en revue les conséquences pénales et civiles que peut avoir un événement de ce genre.
Il expose en outre une norme pénale applicable (homicide par négligence, lésions corporelles par négligence,
entrave à la circulation publique) et des dispositions en
matière de responsabilité (acte illicite, responsabilité
émanant d’un contrat) et explique les conditions spécialement aussi pour les non-juristes. A cet égard, une
importance toute particulière doit être accordée à la
problématique de ce que l’on appelle la «position de
garant». Celle-ci est nécessaire pour qu’un délit en
question puisse résulter d’une omission ou d’un nonrespect du devoir juridique d’agir. Contrairement à l’avis
très répandu, le point de vue de l’orateur est qu’une
telle position peut également se présenter dans le cadre
d’une communauté de risque entre des membres d’un
groupe de randonneurs ayant plus ou moins la même
expérience. Enfin, l’exposé montre comment se déroule
concrètement une enquête pénale après un accident
d’avalanche dans le canton des Grisons.
Patrik Bergamin, Docteur en droit, est depuis 1994 juge
d’instruction auprès du Ministère public des Grisons.
Dans le cadre de cette fonction, il dirige régulièrement
des enquêtes pénales portant sur des accidents d’avalanche et représente les inculpations correspondantes
devant le tribunal.
Lawinen und Recht
Riassunto: Situazione giuridica in caso
di incidente da valanga
Nella relazione «Situazione giuridica in caso di incidente
da valanga» vengono illustrate le conseguenze penali e
civili che un simile fenomeno può causare. A tal fine
vengono elencate le norme penali (omicidio colposo,
lesioni colpose, intralcio del traffico pubblico) e le
norme di responsabilità (atto illecito, responsabilità da
inadempimento) applicabili e spiegati i presupposti,
soprattutto anche per i non addetti al lavori. Importanza
particolare viene anche data alla problematica della
cosiddetta posizione di garante. Questo è il presupposto affinché un reato possa essere commesso anche a
causa di omissione e / o mancata azione. Il relatore si
contrappone a un’opinione largamente diffusa, sostenendo che una simile posizione può verificarsi anche
nell’ambito di una comunione di rischi tra i membri di un
gruppo di scialpinisti con un livello di esperienza
pressoché simile. Infine viene illustrato lo svolgimento
pratico di un’indagine giudiziaria in seguito a un incidente da valanga nel Cantone dei Grigioni.
Il Dott. Avv. Patrik Bergamin ricopre dal 1994 la carica
di giudice istruttore presso la Procura dei Grigioni e in
questa sua funzione conduce regolarmente inchieste
giudiziarie in relazione a incidenti da valanga rappresentando l’accusa.
103
Lawinen und Recht
Missions et enjeux: le rôle de l’expert judiciaire en avalanches
Richard Lambert
Après un accident provoqué par une avalanche,
l’expert judiciaire est régulièrement consulté: il
devient l’interface privilégiée entre les magistrats
et la scène d’avalanche, sur le terrain. Tout au long
de son travail d’enquête et de recherche, ses
interlocuteurs seront de fait les juges qui les nomment, mais aussi les gendarmes, les secouristes,
et selon les cas, les familles des victimes, les
services de l’Etat, des élus, des responsables de
sécurité en stations de ski, des professionnels de
la montagne (guides, moniteurs de ski…) et leurs
avocats. Les conflits d’intérêt évidents imposeront
de sa part une grande impartialité.
Le rôle essentiel de l’expert judiciaire est celui
d’un technicien qui constate, tente d’expliquer, et
ainsi éclaire le juge, avec le plus d’objectivité
possible. Il est amené à se prononcer sur un large
domaine de «compétences»: analyse des conditions nivo-météorologiques et structure interne du
manteau nival, type d’avalanches et causes du
déclenchement, cartes de danger et plans de
zonage du risque, ouvrages paravalanches….
Cela sous-tend une assez longue expérience liée
à une pratique continue sur le terrain. L’expert va
souvent toucher des domaines sensibles, avec
des enjeux administratifs, financiers et politiques,
ce qui nécessite une parfaite indépendance, particulièrement vis-à-vis des organismes officiels en
charge des questions de risques naturels (En
France, l’Etat a obligation d’afficher le risque).
Concrètement, en cas d’accident, deux configurations se dégagent surtout:
1. pour un accident en hors-piste ou en randonnée par exemple (impliquant un guide / moniteur avec ses clients), on s’oriente de plus en
plus vers une expertise ordonnée très rapidement. C’est la «réquisition à personne qualifiée». Ce cas est le plus favorable pour le travail
de l’expert: la recherche de la vérité passe par
des constats effectués par lui-même, «à chaud»
sur le site. En effet, le changement rapide de la
situation nivo-météorologique (pluie, vent, nouvelle chute de neige...) peut entraîner la disparition très préjudiciable de toutes traces. Selon le
type d’accident, l’examen peut légèrement
varier; mais il porte essentiellement sur l’évaluation de l’itinéraire suivi par le professionnel
et son groupe, et sa pertinence en regard des
conditions de terrain, de neige et de météorologie (annoncée et effective), le repérage de la
zone de décrochement, l’analyse des possibles
faiblesses structurelles du manteau nival. Sauf
cas particulier, il s’agit d’expertises assez courtes et peu sujettes à caution.
2. si une avalanche majeure touche pistes balisées
ouvertes, voies de communications, habitations, en entraînant dégâts importants et victimes, il serait bien entendu souhaitable que l’expert soit, ici aussi, présent de suite pour relever
les principales informations techniques. Mais
c’est très rare: dans la pratique, il est désigné
des mois (voire des années) plus tard, quand
une information judiciaire est ouverte ou quand
l’affaire vient en appel, ou devant un tribunal
administratif. L’expert devra enquêter, reconstituer et se forger une opinion grâce à des traces
encore visibles (dommages à la végétation, impacts sur bâtiments…) et à partir de documents, souvent insuffisants. Par exemple, les
photographies dont il dispose (issues de procès-verbaux…) n’ont pas été réalisées selon
son mode opératoire personnel, et elles se
concentrent plus sur les victimes et les dégâts
les plus évidents. Il existe bien ici un risque de
déperdition d’informations essentielles à l’établissement de la vérité.
A l’expérience de 24 ans d’expertises sur des dossiers assez variés, force est de constater que les
questions les plus courantes des missions portant
sur:
– la prévisibilité ou l’imprévisibilité de l’avalanche
catastrophique.
Entre autres moyens de «preuves», la recherche d’antériorité du phénomène sera privilégiée
dans la démonstration, grâce à la présentation
et l’explication d’archives par exemple,
– la fiabilité des documents «risques» existants
au moment des faits.
L’expert doit, en conscience, se prononcer sur des
documents officiels établis par différents services
de l’Etat. En France: CLPA Cartes de Localisation
Probable des Avalanches devenues Cartes de
Localisation des Phénomènes d’Avalanches;
PZEA Plan des Zones Exposées aux Avalanches,
PERN Plan d’Exposition aux Risques Naturels;
PPR Plan de Prévention des Risques.
Le rapport d’expertise, réalisé à partir des faits, de
constats, d’analyses mais aussi selon l’expérience
personnelle et la conviction de l’expert (= «avis
d’expert») doit aider avec clarté à la décision judiciaire.
105
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
L’expert ne devra jamais porter d’appréciation d’ordre juridique, mais des points précis des missions
qui lui sont confiées l’enjoignent à «donner tout élément permettant d’apprécier une responsabilité».
Dans le cadre de sa mission, l’expert risque de
mettre en exergue des insuffisances voire des
lacunes dans les cartes et zonages d’avalanches,
ou encore des erreurs dans la gestion de crise.
Le rapport d’expertise peut avoir des conséquences lourdes sur les suites judiciaires:
– responsabilité d’encadrants d’une activité sportive, si le rapport établit qu’il y a eu imprudence
dans la conduite du groupe, par exemple
– responsabilité d’élus et/ou de services d’Etat
en charge de l’affichage du risque
– fiabilité, et implicitement crédibilité, des instruments d’aide à la décision, cartes d’avalanches
et surtout plans de zonage d’urbanisme, utilisés de fait par les Maires et leurs Commissions
de Sécurité.
Aussi, on reproche souvent à l’expert des conclusions partisanes puisque intervenant après l’accident, il lui est (trop) facile, estime-t-on, de prouver
la prévisibilité du phénomène.
En fait ses conclusions dérangent: on peut déplorer
que les critiques ouvertes, des pressions, des campagnes de dénigrement (pour décrédibiliser son
travail voire sa compétence) soient malheureusement plus fréquentes et plus incisives depuis que la
Fig. 1: Avalanche de Montroc-Chamonix (février 1999).
106
réputation de stations de sports d’hiver et /ou d’organismes publics sont plus clairement en jeu.
La judiciarisation de notre société risque d’accentuer encore ce phénomène.
Pourtant l’expert n’est pas qu’un homme de
constat et de critiques; il peut jouer un rôle à posteriori: par exemple, être invité à émettre un avis
sur les ouvrages paravalanches les plus appropriés pour un site touché par une catastrophe.
A plus grande échelle, le drame de Montroc-Chamonix (Fig. 1) en France, a entraîné une réflexion
nationale notamment sur la base des constatations expertales: dysfonctionnements dans la
chaîne de réalisation des documents «risques»,
non-prise en compte des évènements historiques
majeurs, inadaptation de l’aléa de référence retenu… Cette réflexion a débouché sur la révision
des procédures d’élaboration des cartes (CLPA)
et des zonages PPR avalanches. Je fus convié aux
différents groupes de travail correspondants dans
lesquels j’ai pu proposer de nouvelles méthodologies de cartographie / zonage.
Ainsi, s’il est écouté, l’expert est également une
force de proposition.
Richard Lambert est expert en nivologie près la Cour
d’Appel de Chambéry – Savoie-France. Expert «neiges
et avalanches», agréé par la Cour de Cassation (liste
nationale d’experts). Chercheur associé au laboratoire
EDYTEM-CNRS UMR 5204 – Université de Savoie
Lawinen und Recht
Zusammenfassung: Die Rolle des Gutachters bei Lawinenunfällen
Nach einem Lawinenunfall ist der Gutachter häufig die
wichtigste Schnittstelle zwischen den Untersuchungsrichtern und den Analysen vor Ort. Seine Gesprächspartner sind de facto die Richter, aber auch Polizei,
Rechtsanwälte, Sicherheitsfachleute, Angehörige der
Opfer, staatliche Dienststellen, Abgeordnete usw. Er
hat es mit sensiblen Bereichen zu tun, die politische
oder verwaltungstechnische Auswirkungen haben können. Es ist deshalb eine vollständige Unabhängigkeit
erforderlich. Seine Rolle ist im Wesentlichen die eines
Technikers, der feststellt, erklärt und somit den Richter
aufklärt. Er muss sich zu einem breiten Kompetenzbereich äussern (Schneedeckenaufbau, Gefahrenkarte,
Einteilung von Risikozonen, Lawinenschutzbauten usw.),
was eine langjährige Erfahrung voraussetzt.
Im Unglücksfall stellen sich konkret zwei Konfigurationen dar:
1) Bei einem Unfall ausserhalb der Piste (Bergführer
mit Kunden) wird zunehmend sehr rasch eine Expertise angeordnet: die «formelle Befragung einer qualifizier-ten Person». Die Wahrheitsfindung erfolgt hier
durch unverzügliche Befundaufnahme vor Ort (die
Änderung der nivo-meteorologischen Bedingungen
kann zum Verschwinden von Spuren führen): Evaluierung der Route und ihrer Zweckmässigkeit in Abhängigkeit von den Bedingungen, Ermittlung der Anrisszone, Untersuchung von strukturellen Schwächen der Schneedecke.
2) Wenn eine grössere Lawine auf markierte Pisten,
Strassen oder Siedlungen niedergeht, wird der
Sachverständige oft erst Monate später bestellt, beispielsweise wenn eine Voruntersuchung eingeleitet
wird. Die häufigsten Fragen beziehen sich auf:
– die Voraussehbarkeit, unter Berücksichtigung früherer Ereignisse
– die Zuverlässigkeit der vorhandenen Grundlagen
(z. B. Gefahrenkarte).
Der Expertenbericht kann schwerwiegende Konsequenzen für die juristischen Folgen haben, sowohl im
Hinblick auf die Haftung der Beteiligten (Führer und
Begleiter, aber auch Abgeordnete und staatliche
Dienststellen) als auch bezüglich der Verlässlichkeit der
Hilfsinstrumente zur Entscheidungsfindung (Lawinenge-fahrenkarte und Überbauungspläne), was ihn des
Öfteren ins Kreuzfeuer der Kritik geraten lässt.
Auch wenn man den Schlussfolgerungen des Rechtsexperten häufig vorwirft, sie seien imperativ und unrealistisch, muss er ein objektiver und professioneller
Techniker bleiben, um seiner Aufgabe als Helfer bei der
juristischen Entscheidungsfindung vollumfänglich gerecht zu werden.
Aber der Experte ist nicht nur ein Mann der Befundaufnahme und Kritiken, er kann auch im Nachhinein eine
Rolle spielen. So hat in Frankreich das Drama von Montroc-Chamonix insbesondere aufgrund der Feststellungen von Experten zu einer Überarbeitung der Verfahren
der Erstellung von Lawinenkarten und -zonen geführt,
zu der ich eingeladen wurde.
Der Experte ist auch eine treibende Kraft für Vorschläge und Veränderungen.
Richard Lambert ist Experte für Nivologie beim Appellationsgericht von Chambéry (F), zugelassener Schneeund Lawinenexperte beim Kassationsgericht (nationale
Expertenliste), Gastforscher am Laboratorium EDYTEM-CNRS UMR 5204 – Université de Savoie
Riassunto: Missioni e poste in gioco: il
perito giudiziario in materia di valanghe
In caso di incidente collegato ad una valanga, il perito
giudiziario è spesso l’interfaccia privilegiata tra i magistrati e l’analisi del territorio. I suoi interlocutori sono di
fatto i giudici, ma anche le forze dell’ordine, gli avvocati,
i professionisti della sicurezza, le famiglie delle vittime,
i funzionari dello stato e gli amministratori eletti. Poiché
tocca punti sensibili, con poste in gioco di carattere
amministrativo e politico, deve essere totalmente indipendente. Il suo ruolo essenziale è quello del tecnico
che deve constatare, spiegare, in breve chiarire i fatti al
giudice. Deve pronunciarsi su un ampio spettro di competenze, come la struttura del manto nevoso, le schede
e le aree di rischio, le opere di difesa contro le valanghe,
ecc., e tutto ciò richiede una lunga esperienza.
Concretamente, in caso di un incidente si sviluppano
soprattutto due scenari:
1) Per incidenti fuori pista (professionisti della montagna
con clienti) ci si orienta più per una perizia ordinata
molto rapidamente, la cosiddetta «réquisition à personne qualifiée» (ordinanza di requisizione). La ricerca
della verità avviene in questo caso tramite rilevamenti
«a caldo» sul sito dell’incidente, perché il cambio delle
condizioni della neve e di quelle meteo può comportare la scomparsa pregiudizievole di importanti
indizi: valutazione dell’itinerario e pertinenza in funzione delle condizioni, marcatura della zona di stacco,
esame delle debolezze strutturali del manto nevoso.
2) Se una valanga molto grave riguarda piste protette,
vie di comunicazione o centri abitati, spesso il perito
viene nominato dopo qualche mese, come nel caso
in cui, ad esempio, venga aperta un’inchiesta. Gli
aspetti trattati più comunemente sono:
– la prevedibilità o meno del fenomeno constatato,
con ricerca di eventuali antefatti,
– affidabilità dei documenti di rischio esistenti.
Il rapporto del perito può avere conseguenze pesanti
sul seguito giudiziario, sia per quanto concerne la responsabilità degli intervenuti (guide e accompagnatori,
ma anche amministratori e servizi statali), sia per quanto riguarda l’affidabilità degli strumenti di ausilio alla
decisione (CLPA e piani urbanistici), e questo lo espone
spesso a critiche.
Malgrado venga frequentemente rimproverato per conclusioni perentorie e non realiste, per svolgere pienamente il suo ruolo di ausilio nella decisione giudiziaria,
il perito giudiziario deve restare un tecnico obiettivo e
professionale.
Ma il perito non è soltanto tenuto a constatare e criticare,
può anche svolgere un ruolo a posteriori. In questo
senso, in Francia, la tragedia di Montroc-Chamonix ha
comportato, soprattutto sulla base delle constatazioni
107
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
peritali, una revisione delle procedure di elaborazione
delle carte e delle zone soggette al pericolo di valanghe, alla quale sono stato chiamato. Il perito ha quindi
anche una forza di proposta.
Richard Lambert è perito di nivologia iscritto all’albo nazionale dei periti presso la corte d’appello di Chambéry
(Savoia, Francia) e ricercatore associato al laboratorio
EDYTEM-CNRS UMR 5204 – Université de Savoie
108
Lawinen und Recht
Befundaufnahme beim Lawinenunfall: was soll, was muss
erhoben werden?
Rudi Mair
1
Einleitung
Ein fundierter, umfassender, sorgfältig und objektiv erhobener Befund ist die wesentliche, unerlässliche Grundlage für ein eventuell zu erstellendes
Sachverständigengutachten zum Thema «Lawinenunfall.»
Der Lawinenwarndienst Tirol nimmt seit 15 Jahren
die Befunde praktisch aller relevanten Lawinenunfälle in Tirol auf, unabhängig von einem richterlichen Auftrag. Die Befundaufnahme erfolgt dabei
zumeist in enger Zusammenarbeit mit der Alpinpolizei. Diese Befunde bilden die wesentliche
Grundlage für die Dokumentation der Lawinenunfälle im jährlich erscheinenden Bericht «Schnee
und Lawinen» und werden (bei entsprechendem
Auftrag) an die Gerichte weitergeleitet.
Auf Grund dieser routinemäßig ständig durchgeführten Erhebungen (bisher mehr als 500 Befundaufnahmen von Lawinenunfällen!) haben sich
dabei gewisse Standards herausgebildet, die im
Folgenden kurz skizziert werden.
2
Erhebungen
Bei Lawinenunfällen werden die folgenden allgemeinen Erhebungen durchgeführt:
– Genaue Beschreibung der Örtlichkeit mit digitalen Karten und Orthofotos (Abb. 1)
– Wetter- und Lawinenlageberichte in der Woche
vor dem Unfall
– Witterungsverlauf im bisherigen Winter (wichtig
für die sachkundige Interpretation der Schneedeckenuntersuchungen)
– Karten- und Führerliteratur (wie wird die Tour
dort beschrieben?)
– Sonstige Berichte zur gegenständlichen Tour
(in Alpinzeitschriften usw.)
Die Erhebungen vor Ort werden, wenn möglich,
am Unfalltag, spätestens aber am nächsten Tag
durchgeführt, da ansonsten wichtige Beobachtungen oft nicht mehr mit der nötigen Genauigkeit
erfolgen können bzw. zeitlich nicht mehr exakt zuordenbar sind oder wichtige Anzeichen durch das
Wetter «verwischt» werden (was ohnehin nie ganz
verhindert werden kann).
– Hubschrauberflug: optimal zur Bestimmung
der regionalen Lawinensituation und für Übersichtsbilder (Abb. 2)
– Aufstieg bzw. Abfahrt entlang der (vermutlich)
gewählten Route: vor allem zur Bestimmung
der örtlichen Lawinensituation (Windzeichen,
alte Lawinenabgänge usw.) und des an die
Lawine angrenzenden Geländes («Was kann
man sehen?»)
– genaue Vermessung der Lawine: Art der Lawine,
Länge, Breite, Form, Sturzbahn, Topographie,
Anrissmächtigkeiten, Höhenangaben, Neigungen (Durchschnitt, im Anrissgebiet, in der Sturzbahn, im Auslauf, steilste Stelle im Hang usw.)
(Abb. 3)
– Schneeprofile (wenn möglich, an mehreren
Stellen), kombiniert mit Stabilitätstests (wir verwenden derzeit bevorzugt den Kompressionstest) (Abb. 4)
Oberste Prämisse ist es in jedem Fall, den Befund
so objektiv und detailliert zu erstellen, dass dieser
auch von einen Gutachter, der nicht mit der Befunderstellung betraut war, als Grundlage seiner Arbeit herangezogen werden kann.
3
Schluss
Die Vorteile eines professionellen, durch den
Lawinenwarndienst erstellten Befundes liegen klar
auf der Hand: Der Lawinenwarndienst verfügt über
einen Erfahrungsschatz aus hunderten Befunden
während vieler Jahre. Man kann auf hohe Fachkompetenz vertrauen und darauf, dass sich der
Sachverständige laufend weiterbildet und neue
Techniken für seine Arbeit heranzieht. Ein nicht
unwesentlicher Vorteil des Lawinenwarndienstes
liegt auch darin, dass er über sämtliche relevanten
Daten (meteorologische und nivologische Daten,
Lawinenchroniken, Gefahrenzonenpläne, Meldungen über beobachtete Lawinenabgänge, Sprengerfolge usw.) verfügt und diese nicht erst mühsam
angefordert werden müssen. Darunter fallen
natürlich auch ausgezeichnetes aktuelles Fotomaterial und die Ergebnisse von Schneedeckenuntersuchungen und Stabilitätstests, da die Erhebung von Lawinenunfällen sowie die laufende Erkundung der allgemeinen Lawinensituation Standardmaßnahmen des Lawinenwarndienstes sind.
Allerdings habe ich in jüngster Zeit beobachtet,
dass nach Lawinenunfällen mehr Juristen als
Lawinenexperten vor Ort waren. Dazu wäre aber
jedenfalls kritisch anmerken, dass die Befundauf-
109
Abb. 1: Orthofoto Lawienenunfall Obergurgl.
110
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Flächenangaben (gerundet):
L1: 767.000 m2
L2: 109.000 m2
L3:
11.000 m2
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Lawinen und Recht
Abb. 2: Übersichtsbild
Lawinenunfall Obergurgl.
Abb. 3: Befundaufnahme
am Lawinenanriss.
111
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
nahme eines Lawinenunfalles grundsätzlich eine
naturwissenschaftliche und keine juristische Aufgabenstellung ist. Als Leitsatz diesbezüglich schlage ich den folgenden Satz von Platon vor: Jeder
möge die Kunst ausüben, die er auch versteht!
Abb. 4: Schneeprofil.
112
Dipl. Met. Rudi Mair ist Leiter des Lawinenwarndienstes
Tirol in Innsbruck und Gerichtssachverständiger für Meteorologie, Lawinenkunde, Lawinenunfälle und Lawinenschutz.
Lawinen und Recht
Résumé: Constat d’accident d’avalanche:
Que devrait-on, que doit-on relever?
Un constat fondé, complet, rédigé de manière soignée
et objective est la base essentielle indispensable
permettant de dresser éventuellement un rapport d’expertise en matière d’accident d’avalanche. Indépendamment de tout mandat juridique, le service des avalanches du Tyrol enregistre depuis 15 ans les constats
de pratiquement tous les accidents d’avalanche significatifs survenus au Tyrol. Dans la plupart des cas, le
constat est dressé en étroite collaboration avec la
police des Alpes. Ces constats forment la base essentielle de la documentation sur les accidents d’avalanches dans le rapport «Neige et avalanches» publié chaque année et sont (en cas de demande correspondante)
transmis aux tribunaux. Ces relevés effectués régulièrement ont permis de mettre au point diverses normes
décrites brièvement ci-après.
Relevés généraux:
– Descriptions précises du lieu au moyen de cartes
numériques et d’orthophotos
– Bulletins sur la situation météorologique et avalancheuse de la semaine précédant l’accident
– Evolution météorologique de la saison hivernale en
cours (important pour l’interprétation par les experts
des analyses du manteau neigeux)
– Documentation sous forme de cartes et de guides
(comment la randonnée y est-elle décrite?)
– Autres rapports sur la randonnée en question (dans
les magazines des Alpes, etc.)
Relevés sur le terrain:
Les relevés sur le terrain seront effectués si possible, le
jour de l’accident et au plus tard le lendemain, car par
la suite les observations importantes ne peuvent plus
se faire avec la précision nécessaire ou ne peuvent
plus être classées exactement, ou les indices importants peuvent avoir été «effacés par le temps» (ce que,
de toute façon, on ne peut pas empêcher totalement).
– Survol en hélicoptère: solution optimale pour déterminer la situation de l’avalanche dans un espace
étendu et pour prendre des photos donnant une vue
générale
– Ascension ou descente le long de l’itinéraire (vraisemblablement choisi): surtout pour déterminer la
situation avalancheuse locale (traces du vent, anciennes avalanches, etc.) et de la zone contiguë à
l’avalanche («que peut-on voir?»)
– Mesure précise de l’avalanche: type d’avalanche,
longueur, largeur, forme, trajectoire, topographie,
hauteur de décrochement, indications d’altitude,
déclivités (moyenne, dans la zone de décrochement,
dans la trajectoire, dans la zone de dépôt, dans la
partie la plus raide de la pente, etc.)
– Profils stratigraphiques (si possible à plusieurs endroits), combinés avec des tests de stabilité (nous
utilisons actuellement de préférence des tests de
compression)
La priorité absolue est dans tous les cas de rédiger le
constat de manière objective et détaillée pour que celui-ci puisse également être utilisé par un autre expert
(qui n’a été chargé de dresser le constat).
service des avalanches du Tyrol à Innsbruck et expert
devant les tribunaux en matière de météorologie, de
science des avalanches, d’accidents d’avalanche et de
protection contre les avalanches.
Riassunto: Accertamenti in seguito
a un incidente da valanga: cosa deve
essere accertato?
Un accertamento fondato, completo, accurato e obiettivo rappresenta una base importante ed essenziale per
la redazione di un’eventuale perizia sul tema «incidente
da valanga». Il servizio prevenzione valanghe del Tirolo
esegue praticamente da 15 anni gli accertamenti di tutti i più importanti incidenti da valanga che si verificano
in Tirolo, indipendentemente da un incarico giudiziario.
Nella maggior parte dei casi le operazioni di accertamento avvengono in stretta collaborazione con la polizia alpina. Questi accertamenti costituiscono un importante fondamento su cui basare la documentazione
degli incidenti da valanga che viene pubblicata ogni
anno nel rapporto «Neve e valanghe» e che viene trasmessa (su espressa richiesta) ai tribunali. Sulla base di
questi accertamenti eseguiti abitualmente, sono stati
sviluppati determinati standard che verranno delineati
brevemente qui di seguito.
Accertamenti generici
– Esatta descrizione della località con cartine digitali e
ortofoto
– Bollettini meteo e delle valanghe pubblicati nella settimana che ha preceduto l’incidente
– Andamento della condizioni meteorologiche dell’inverno in corso (importante per un’interpretazione
competente dei rilevamenti sul manto nevoso)
– Materiale cartografico e guide turistiche (come viene
descritta l’escursione su tali guide?)
– Altre relazioni sull’escursione in oggetto (nelle riviste
alpine, ecc.)
Accertamenti sul posto
Gli accertamenti sul posto vengono fatti, se possibile,
nello stesso giorno in cui si è verificato l’incidente, al
massimo tuttavia nel giorno successivo, altrimenti non
è più possibile effettuare o stabilire cronologicamente
con la necessaria precisione una serie di importanti
osservazioni. Inoltre, il tempo può cancellare importanti indizi (cosa che non sempre è possibile evitare)
– Sorvolo con l’elicottero: soluzione ottimale per determinare la situazione valanghiva complessiva e per
scattare fotografie panoramiche
– Salita e discesa lungo il (presunto) sentiero percorso:
soprattutto per determinare la situazione valanghiva
locale (tracce del vento, precedenti distacchi, ecc.) e
quella del terreno confinante con quello in cui si è
verificata la valanga («cosa è possibile vedere?»)
– Rilevamento preciso della valanga: tipo di valanga,
lunghezza, larghezza, forma, traiettoria, topografia,
spessore della frattura, altitudine, inclinazioni (media:
nella zona di distacco, nella traiettoria, nella zona di
accumulo, punto più inclinato del pendio, ecc.)
Rudi Mair, météorologiste diplômé, est le directeur du
113
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
– Profili stratigrafici (se possibile, in più punti), in combinazione con test di stabilità (attualmente utilizziamo
di preferenza il test di compressione)
In ogni caso, la condizione fondamentale è quella di effettuare l’accertamento in modo obiettivo e dettagliato,
in modo che possa essere utilizzato anche da un perito
che non si è occupato dell’accertamento.
Il meteorologo Rudi Mair è direttore del servizio prevenzione valanghe del Tirolo a Innsbruck e perito legale nei
settori meteorologia, nivologia, incidenti da valanga e
opere di protezione contro le valanghe.
114
Lawinen und Recht
Le régime francais de la responsabilité pénale appliquée
aux accidents de montagne et d’avalanche
Anne Manoha
Les régions dans lesquelles nous vivons concentrent des risques qualifiés en France de «majeurs».
La montagne porteuse de nos rêves d’évasion et
de liberté est aussi une mangeuse d’hommes: les
lacs, les torrents et les rivières nous apportent
régulièrement leur lot de noyades, inondations,
dévastations et la neige peut se transformer en
linceul. Sans oublier le nombre considérable
d’ouvrages des hommes qui, comme les tunnels
ou les remontées mécaniques, peuvent se révéler
meurtriers.
Aujourd’hui, l’afflux des touristes sur nos pentes,
moins expérimentés, plus impatients, plus prétentieux, que les gens de montagne qui savent sans
le moindre sentiment de honte retarder, reporter
ou renoncer, le caractère occasionnel de la pratique de leur sport, la civilisation moderne qui veut
que tout soit à la portée de tous et pour un risque
zéro, a profondément modifié notre approche des
dangers de la montagne.
Les hommes n’ont pas plus qu’avant de prise sur
la cause naturelle de leurs malheurs alors que les
nouveaux modes d’occupation engendrent des
catastrophes de grande ampleur telles que l’inondation du Grand Bornand, l’avalanche de Montroc,
l’incendie du tunnel du Mont-Blanc pour ne parler
que de graves événements français.
La mise en cause retentissante de responsables
dénommés les «décideurs», quelquefois très en
amont de l’élément déclenchant: les maires, les
directeurs d’écoles, les préfets et dans notre domaine les directeurs de stations et de la sécurité
des pistes de ski a créé un sentiment de dérive
judiciaire bien exagéré quand on examine le nombre restreint de cas soumis aux tribunaux correctionnels et encore plus le nombre de condamnations.
C’est en considération de ces mouvements d’indignation que les députés français ont modifié par
une loi du 10 juillet 2000 les règles de la responsabilité involontaire pénale pour rendre plus difficile
leur mise en cause.
En vertu du principe constitutionnel d’égalité des
citoyens devant la loi, il a été impossible de dire
clairement et ouvertement qu’on souhaitait mettre
toute une catégorie de personnes, à l’abri quasi
certain de toute mise en cause.
C’est pourquoi, d’une part la loi du 10 juillet 2000
a été rédigée en termes suffisamment généraux
pour qu’elle s’applique à tous et d’autre part que
demeure la possibilité de démontrer une faute,
laissée à l’appréciation des juges.
Le domaine de la responsabilité involontaire en
montagne qui nous intéresse vis à vis des maires
et responsables des pistes, des guides et accompagnateurs de montagne, donne lieu à une jurisprudence fournie dans les cours d’appel de
CHAMBERY et de GRENOBLE sur le ressort desquelles se trouvent les domaines de ski et d’alpinisme français les plus vastes et plus fréquentés.
En préalable quelques notions juridiques
indispensables
Une règle générale du droit pénal français est que
«nul n’est responsable pénalement que de son
propre fait» et qu’«il n’y a point de crime ou de
délit sans intention de le commettre».
Cependant, un certain nombre de faits graves ou
aux graves conséquences ont toujours eu comme
corollaire d’engager la responsabilité pénale de
leur auteur et le code pénal distingue la responsabilité de faits volontairement causés de ceux involontairement causés.
La loi a toujours retenu la responsabilité pénale «en
cas de faute d’imprudence, de négligence ou de
manquement à une obligation de prudence ou de
sécurité prévue par la loi ou le règlement, s’il est
établi que l’auteur des faits n’a pas accompli les
diligences normales»: c’est la première proposition
de l’article 121–3 du nouveau code pénal, responsabilité involontaire désormais qualifiée de directe.
La loi du 10 juillet 2000 a introduit une nouvelle notion inscrite dans le même article: «les personnes
physiques qui n’ont pas causé directement le dommage mais qui ont créé ou contribué à créer la situation qui a permis la réalisation du dommage ou
qui n’ont pas pris les mesures permettant de l’éviter sont responsables pénalement s’il est établi
qu’elles ont soit violé de façon manifestement délibérée une obligation particulière de prudence ou
de sécurité prévue par la loi ou le règlement soit
commis une faute caractérisée et qui exposait
autrui à un risque d’une particulière gravité qu’elles
ne pouvaient ignorer»: c’est la définition d’une responsabilité pénale involontaire et indirecte.
L’interprétation de ce texte pose plusieurs questions:
– le lien de causalité entre la faute et le dommage
est-il direct ou indirect?
– la faute issue d’un lien indirect est-elle caractérisée?
– le risque était-il connu de l’auteur?
115
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
1
Responsabilité directe ou indirecte?
1.1
Le mécanisme de détermination de la
responsabilité pénale pour homicide ou
blessures involontaires:
Avant la loi du 10 juillet 2000, il était assez simple:
il fallait prouver que l’auteur présumé avait commis
une faute d’imprudence ou de négligence et que
cette faute avait un lien de cause à effet avec le
dommage subi.
Il est vrai que les juges conservaient une totale liberté pour qualifier le comportement de ceux qui
leur étaient déférés.
Soit il y a violation d’une loi ou d’un règlement et les
choses sont simples, soit il n’y a pas de loi ni de
règlement et c’est toute la question qui nous occupe
en matière d’accidents de montagne: il faut alors se
référer à la normalité «compte-tenu notamment de
la nature des missions ou des fonctions ou des
compétences» de l’auteur et encore «des moyens
dont il disposait».
La loi du 10 juillet 2000 a comme objectif d’encadrer
la liberté d’appréciation des juges, et de rendre plus
difficile la démonstration d’une faute à l’encontre
d’un auteur certes maillon de la chaîne qui a abouti
à l’accident, mais auteur non direct de celui-ci.
La loi donne au juge des éléments de critères et si on
lit rapidement l’article 121-3, tout paraît simple: «celui qui n’a pas causé directement le dommage mais
qui a créé ou contribué à créer la situation qui a permis la réalisation du dommage» est auteur indirect.
Des situations de fait viennent immédiatement à
l’esprit:
est directement responsable de blessures involontaires:
– le conducteur automobile qui franchit un panneau stop et provoque un accident.
– ou le guide qui se trompe d’itinéraire.
est indirectement responsable:
– le maire président de la commission de sécurité
qui vérifie la conformité des installations des
établissements scolaires, commission qui n’a
pas exigé la fixation des cages de football dans
la cour d’un collège: un collégien s’accroche
aux barres et la cage l’écrase en tombant.
– ce même maire sera aussi indirectement responsable s’il est alerté sur une situation de danger potentiel mais s’il n’intervient pas.
– Mais la question est la plupart du temps beaucoup moins simple et plus les cas soumis aux
tribunaux sont nombreux, plus les magistrats
doutent de la définition à retenir. Je vous invite à
faire l’exercice à propos de cas que vous
connaissez et à déterminer ce qui ressort de
l’une ou l’autre responsabilité en énonçant le ou
les critères qui vous font vous déterminer.
116
– In fine l’enjeu n’est pas mince car le régime de
consécration de la responsabilité pénale est
totalement différent que l’on détermine un lien
direct / indirect.
1.2
Les critères de différentiation:
– la faute directe est la cause déterminante du
dommage: le cas est simple quand on juge
l’auteur qui «soit a heurté ou frappé la victime
soit aura initié ou contrôlé le mouvement d’un
objet qui aura heurté ou frappé la victime». Elle
est moins évidente si on retient que la faute est
directe soit lorsqu’elle est la cause unique et
exclusive, soit la cause immédiate ou déterminante de l’atteinte à l’intégrité physique.
– la faute indirecte est encore plus difficile à définir ce que les débats parlementaires ne sont
pas parvenus à faire. On a essayé de trouver
des critères généraux: tel que l’a fait la cour
d’appel de PARIS (arrêt du 4 décembre 2000)qui
définit la faute indirecte comme «celle ayant
créé la situation à l’origine du dommage sans
que l’auteur ait lui-même porté physiquement
atteinte à la victime», définition quasiment reprise par la Cour de cassation.
Ou encore: les auteurs indirects seraient ceux
qui donnent les ordres et les auteurs directs
ceux qui les exécutent: ce critère a pour conséquence une injustice criante puisque les exécutants (les lampistes) sont ceux pour lesquels la
détermination de la faute sera la plus facile
alors que ceux qui sont à l’origine de la décision qui a occasionné le dommage, seront plus
facilement à l’abri de poursuites. Le cas d’espèce qu’on peut citer mais qui a donné lieu à
double condamnation est celui d’un accident
survenu dans une station de ski où une dameuse a écrasé un enfant sur une piste: le conducteur de la dameuse a été condamné comme
auteur direct mais le maire comme auteur
indirect, comme n’ayant pas réglementé la
circulation de ces engins sur les pistes CC Crim
9 octobre 2001.
– il y aurait encore auteur direct dans le cas d’une
action et auteur indirect dans le cas d’une omission: ce critère colle effectivement souvent à la
réalité, ce sera le cas du maire qui n’a pas donné suite à des mises en garde ( voir la même
espèce).
La difficulté à définir un critère général, conduit,
ainsi que le fait la cour de cassation, à statuer cas
par cas.
Lawinen und Recht
Exemples de situations où il a été difficile de
déterminer la nature du lien de causalité:
– quelle est l’origine du dommage: En règle générale, on retient que la cause directe du dommage est l’événement qui est à son origine: la
rupture d’une plaque de neige dans la cas de
l’avalanche de la Crête du LAUZET, d’une corniche pour l’avalanche de MONTROC, le lâcher
d’eau pour le drame du DRAC.
Dans ces cas, l’origine est un phénomène souvent naturel ou en tout cas dans lequel la responsabilité de quiconque n’est pas en cause,
alors qu’elle est recherchée ailleurs dans une
intervention humaine: sera mise en accusation
l’intervention du guide présent sur le terrain, du
maire pendant la gestion de la crise, de ceux
qui ont préparé la sortie où est survenu un
accident.
Mais si, dans ces cas, il n’y a pas de doute sur le
lien indirect entre l’événement et la faute recherchée, tel n’est pas toujours le cas:
– un guide organise une course avec de jeunes
stagiaires, il est seul en tête et pose les relais,
les cordées des jeunes déjà bien entraînés
montent à sa suite: un relais lâche et une cordée
bascule dans le vide: quelle est l’origine de l’accident? La rupture du relais? Cause naturelle: le
rocher sur lequel il était posé s’est arraché.
Ou la faute du guide qui a mal fixé ce relais ou
qui ne l’a pas doublé?
Pour le tribunal de Bonneville 29 avril 2003 et la
cour d’appel de Chambéry 9 février 2005, c’est
la rupture du relais qui est à l’origine directe de
l’accident, la faute du guide n’étant à envisager
que sous l’angle de la responsabilité indirecte.
Ca n’était pas l’avis du Procureur de la République qui estimait que le guide avait engagé
directement sa responsabilité.
Dans cette espèce d’ailleurs le guide a été
relaxé.
– deux élèves parapentistes évoluent sur un
même site, guidés du bas par leur moniteur
respectif, l’un d’eux heurte l’autre, chute et décède.
Pour le tribunal de Bonneville 21 juillet 2005
(jugement soumis à la cour d’appel), la faute des
moniteurs restés au sol est indirecte, pour le
Procureur de la République elle est directe: les
parapentistes accrochés à leur voile et guidés
par radio ne sont que «des marionnettes accrochées à un fil» et leur évolution dépend des instructions données à distance. Pour le tribunal
c’est précisément cette distance qui interdit au
moniteur toute action directe sur le comportement de son élève qui a une autonomie certaine
(ce serait différent en matière de conduite en
auto-école où le moniteur a une possibilité d’action directe par la double conduite).
– la difficulté a été particulièrement nette dans l’affaire de l’incendie du Tunnel du Mont-Blanc (jugement du tribunal de Bonneville du 27 juillet
2005 soumis à la cour d’appel) où il y avait une
pluralité d’auteurs et une combinaison des actions ou omissions ayant amené la catastrophe.
En effet, il a fallu distinguer au niveau des causes celles étrangères à l’exploitation du tunnel
(l’origine du feu du camion et l’attitude du
chauffeur), les causes liées à l’exploitation du
tunnel (la prévention et la prévision de l’incendie) et celles liées à la gestion du sinistre.
Pour certains prévenus la qualification de faute
indirecte était simple: ceux qui avaient des fonctions de direction générale ou de contrôle dans
des instances administratives ou pour le maire de
CHAMONIX.
Pour d’autres elle l’était moins et notamment il
était plus difficile de retenir une faute directe qui
engageait plus facilement la responsabilité pour
ceux qui avaient un rôle de direction ou de gestion
mais qui étaient présents sur les lieux le jour du
drame et n’auraient pas pris les bonnes décisions
ou encore pour ceux qui avaient un rôle actif à
jouer à partir de la mise en alerte du système de
sécurité, mais dont les manquements provenaient
aussi d’un manque de conscience professionnelle
(régulateur français).
Le Procureur de la République avait proposé de
choisir comme critère celui de la proximité ou de
l’éloignement temporel du sinistre: cette position
avait le mérite de la facilité mais ne collait pas parfaitement à la situation car comme je viens de le
dire, pour certains présents le jour même du sinistre, plusieurs fautes plus ou moins directes pouvaient être retenues.
Aussi le tribunal a-t-il dû se livrer à une analyse
plus fine et a donné une seule définition, celle de
la faute directe comme étant »toute action ou abstention postérieure à l’apparition des fumées dégagées par le véhicule à l’origine du sinistre, ayant
eu pour effet immédiat d’exposer aux fumées, les
personnes décédées ou de les empêcher de s’en
abstraire». Le critère est donc celui de l’action
ayant eu un effet immédiat.
On a ainsi retenu quelquefois des fautes directes
et indirectes contre la même personne.
La difficulté vient souvent de l’existence d’une pluralité d’auteurs: l’automobiliste qui brûle un feu,
renverse un cycliste lequel se fait écraser par un
véhicule qui circule normalement, ou d’une pluralité de causes: le nettoyage d’une canalisation
avec un produit qui occasionne le décès de l’occupant d’un appartement voisin CC crim 10 janvier 2001: condamnation du gérant de la société
qui exploitait le brevet du produit et n’avait pas signalé ses dangers.
117
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
On constate que les Parquets se placent souvent
d’emblée sur le terrain de la responsabilité indirecte tout comme la cour de cassation, mais la
détermination de la nature du lien de causalité
n’est pas anodine car elle oriente les juridictions
selon qu’on a ou non la volonté de voir prononcer
des condamnations.
A l’inverse, on peut dire aussi que prendre en
compte une responsabilité indirecte n’est pas seulement se soucier de faire échapper certains à une
condamnation mais aussi d’élargir le champ des
recherches de responsabilité et notamment de remonter la chaîne pour aboutir à renvoyer devant
les tribunaux des personnes qu’on aurait auparavant hésité à mettre en cause.
La loi consacre désormais le principe du lien de
causalité ténu pouvant donner lieu à répression.
Mais cette aggravation envisageable du champ
des poursuites est largement tempérée par l’exigence de la mise en évidence d’une faute caractérisée dont il nous revient, avec tout autant de
difficultés, de définir les contours.
2
La faute caracterisée
Là encore la loi est muette et ni les débats parlementaires, ni la circulaire d’application qui s’empêtrent dans des paraphrases et des concepts
loin de toute idée pratique, ne sont d’une grande
aide pour les juges.
Le terme utilisé de «caractérisée» nous paraît
particulièrement inadapté tant il est vrai que dès
lors que les juges retiennent une faute, ils doivent
justifier leur décision et donc décrire la faute et
dire en quoi elle est suffisamment grave pour
mériter une sanction pénale: ils caractérisent donc
la faute en tout état de cause.
Tout le monde s’accorde pour dire que l’esprit de la
loi du 10 juillet 2000 est de rendre plus difficile la
détermination d’une faute et donc de ne retenir
pour les auteurs indirects qu’une faute grave, d’une
particulière évidence, densité, faute constante
correspondant à un comportement blâmable,
inadmissible (CA POITIERS 2 février 2001).
A défaut de donner une définition de la faute
caractérisée, on a dit ce qu’elle n’était pas: ni une
faute simple, ni une faute fugace, ni une faute
fugitive (l’expression poussière de faute a été employée): il faut dire que bien que les parlementaires se soient indignés sur la possibilité de mettre
en accusation les auteurs de telles fautes, l’illustration n’a été faite par aucune décision ayant
abouti à une condamnation d’un auteur indirect
pour une poussière de faute.
Mais tout le monde s’accorde aussi pour dire qu’il
ne s’agit ni d’une faute inexcusable ni d’une faute
intentionnelle qui permettrait de mettre scanda-
118
leusement à l’abri de toute poursuite des personnes considérées comme ayant une part de responsabilité.
Alors qu’est-ce que la faute caractérisée? Pour la
cerner, il faut se référer à la jurisprudence car là
encore les tribunaux sont entièrement libres.
La cour d’appel de LYON dans l’affaire du DRAC
(CA LYON 28 juin 2001) avait retenu comme définition: un manquement caractérisé à des obligations professionnelles essentielles ou une accumulation d’imprudences ou de négligences témoignant d’une impéritie prolongée.
Le tribunal de BONNEVILLE toujours dans l’affaire
de l’incendie du Tunnel du Mont-Blanc a estimé
qu’une faute était caractérisée dans un contexte
général:
– soit d’accumulation de fautes d’imprudence ou
de négligence,
– soit d’indifférence ou de manquement de
rigueur grave face aux questions de sécurité
caractérisant une impéritie prolongée.
Mais la plupart du temps, les juges ne définissent
pas la faute caractérisée: ils affirment qu’elle l’est
ou ne l’est pas en fonction du contexte.
Nous pensons que malgré ce qu’on a pu dire, la loi
n’a pas changé l’appréciation des juges, les obligeant seulement à motiver de façon plus précise
leurs décisions.
Je vous propose donc d’examiner un certain nombre de décisions rendues dans le domaine des
accidents en milieu montagnard, avant et après la
loi pour donner une idée des tendances jurisprudentielles.
Nous examinerons le cas des professionnels, et
des maires, sachant que des particuliers peuvent
eux aussi être jugés dans ce cadre légal.
2.1
les professionnels
Il s’agit des guides et accompagnateurs mais aussi des responsables des services de l’entretien et
de la sécurité des pistes.
Dans ces espèces vous remarquerez que la faute
est adaptée au rôle de chacun compte-tenu de sa
compétence, de son expérience et des moyens
dont il dispose.
A ces professionnels on demande d’être attentif à
la préparation tout autant, qu’à la conduite d’une
sortie; et dans le cas des maires d’utiliser à bon
escient leur propre expérience de la montagne ou
celle de leurs conseillers.
a) les guides:
– dans l’affaire de l’avalanche de la Crête du LAUZET le guide a été reconnu pénalement responsable de la mort des enfants et professeurs
emportés par une avalanche lors d’une sortie
Lawinen und Recht
–
–
–
–
en raquettes, le tribunal a retenu la manoeuvre
imprudente de cette personne dont il a en préalable relevé «son grand professionnalisme» et
sa position de «leader incontesté de la sortie»,
passant à deux reprises sur une plaque à vent
dont il a ainsi provoqué la rupture.
deux arrêts de la cour d’appel de CHAMBERY
à propos d’accidents survenus dans l’ascension du Mont-Blanc rappellent les règles évidentes applicables à un responsable de cordée
en montagne:
celui en date du 19 décembre 2001 déclare responsable le guide qui laisse deux jeunes gens
de 16 et 17 ans seuls sur une pente de neige
dure alors qu’il ne peut le faire que «pour porter
assistance ou chercher du secours auquel cas il
doit organiser la sécurité des personnes dont il
la charge par tous les moyens à sa disposition»
celui en date du 16 janvier 2002 particulièrement
sévère pour le guide qui «commet une faute
exceptionnellement lourde», en acceptant qu’un
membre de sa cordée inexpérimenté, revienne
seul au refuge en raison de son état de fatigue,
dans la nuit et malgré une température particulièrement basse, en empruntant à la descente
un itinéraire rendu difficile par une neige dure et
glacée qui exigeait la mise en oeuvre d’une technique de cramponnage affirmée.
La CA CHAMBERY 11 juin 1997 relaxe un guide
faisant pratiquer le ski hors piste à ses clients
dans un secteur avalancheux alors que les
conditions météorologiques n’étaient pas favorables et sans prendre les précautions utiles à
une intervention en cas d’accident (qui s’est
réalisé puisqu’un skieur a été emporté par une
avalanche).
La cour relève que si le bulletin météorologique
mentionnait un risque 3 le but de ces bulletins
n’est pas d’interdire la pratique en montagne mais
de fournir des éléments d’appréciation des conditions de cette pratique, que l’itinéraire emprunté
par le guide était conforme aux risques de la pente, ce que n’était pas celui emprunté par la victime
et que l’absence d’ARVA n’a rien changé puisque
la victime a été immédiatement localisée.
Seule l’absence de pelle pouvait être retenue
contre le guide mais n’a pas paru suffisante à la
cour pour retenir une faute pénale.
Le comportement de la victime est souvent pris en
compte pour aboutir à la relaxe:
– dans un arrêt antérieur à la loi du 10 juillet 2000
la cour d’appel de CHAMBERY a relaxé un
moniteur de ski qui faisait faire du ski hors piste
à sa cliente à Val d’Isère, laquelle était tombée
dans une tine naturelle et était décédée asphyxiée par la neige: elle a considéré qu’il n’y
avait pas en l’espèce de risque ni météorologique d’avalanche, ni topographique et que la
skieuse était performante et douée d’«une intelligence lui permettant d’apprécier son environnement et de mesurer les risques» et que seule
la faute technique qu’elle avait commise était la
cause de l’accident. CA CHAMBERY 29 octobre 1997.
– la cour d’appel de GRENOBLE dans un arrêt du
28 mai 1998 dans une espèce où lors d’une sortie en surf encadrée par trois guides dans le
secteur des vallons de la Meije, un jeune surfeur
était tombé et au lieu d’attendre le groupe sur la
piste ou à l’arrivée de la remontée mécanique,
était parti seul, franchissant la corde matérialisant le domaine skiable sécurisé et s’était perdu
pour finalement sauter une barre rocheuse et
décéder: les poursuites n’étaient pas engagées
sur le fondement de la responsabilité involontaire mais sur celui de la non assistance à personne en danger mais les mêmes attendus qui
ont abouti à la relaxe des guides auraient pu
être utilisés: le secteur emprunté était sécurisé
et fréquenté, le groupe était resté sur la piste où
le surfeur avait chuté et était censé se trouver,
«personne n’aurait pu raisonnablement imaginer le comportement de la victime».
b) les responsables de l’entretien des pistes:
– la Cour d’appel de CHAMBERY le 18 mars 1998
a condamné les exploitants du domaine skiable situé en haute montagne mais sécurisé, sur
le Glacier des Géants, à propos d’un accident
survenu à une skieuse qui empruntant une piste balisée, était tombée, avait dépassé la limite
de la piste et était tombée dans une crevasse
pour avoir commis une faute d’imprudence et
de négligence «en ne disposant pas des protections empêchant la chute dans une crevasse
où la piste skiable, de moyenne difficulté, pouvait néanmoins conduire tout naturellement et
du seul fait de sa pente un skieur ayant chuté».
– la cour d’appel de GRENOBLE a condamné par
arrêt du 25 février 1998 la personne morale qui
exploitait le domaine skiable de la station de
l’Alpe d’Huez et deux de ses préposés à propos de quatre avalanches intervenues simultanément le 1 janvier 1996 sur la piste noire de
Sarenne qui avaient emporté plusieurs skieurs.
Il était reproché de ne pas avoir malgré des conditions météorologiques favorisant la formation de
plaques à vent et malgré les résultats négatifs des
exercices de purge à l’explosif la veille, tenté un
nouveau déclenchement préventif de la plaque
avant l’ouverture de la piste, ce que la cour d’appel a qualifié d’erreur d’appréciation.
Cette faute a été retenue à l’encontre de la personne morale mais aussi de ses préposés le directeur des pistes et le chef du secteur de Sarenne
119
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
«pour avoir pris d’un commun accord la décision
fautive d’ouvrir la piste». Nous verrons que dans
une autre espèce la même erreur d’appréciation
n’a pas été retenue comme constituant une faute.
– Dans ce domaine, le comportement de la victime est aussi un élément d’appréciation: la Cour
d’appel de CHAMBERY dans un arrêt du 12
janvier 1998 a relaxé le chef des pistes de VALMEINIER suite à un accident survenu sur une
piste de ski fermée mais cependant empruntée
par des skieurs sans qu’on ait pu déterminer si
la victime avait forcé le barrage par croisillons
de la piste.
Les juges ont estimé que cette circonstance importait peu dès lors que la victime aurait pu et dû
voir que le terrain de la piste n’était pas skiable.
2.2
Les maires
En FRANCE, les maires sont responsables en vertu de leurs pouvoirs de police non délégables pour
les accidents dont ils auraient dû prévoir la survenance ou prévenir les conséquences.
Le maire dispose de pouvoirs de police accompagnés de moyens très étendus. Ainsi que le rappelle la cour d’appel de GRENOBLE, il ne lui est
pas demandé d’effectuer lui-même les tâches qui
lui reviennent mais de prescrire aux personnes qui
y sont assujetties, d’accomplir les mesures
concrètes correspondantes
– dans une affaire où un skieur avait trouvé la
mort à la suite d’une sortie de piste et d’une
chute d’une barre rocheuse le maire est
condamné aux motifs qu’il a pris un arrêté
d’ouverture de la station sans vérifier sur le terrain le respect des règles de balisage des pistes et de signalisation des endroits dangereux
(Cass crim 9 octobre 2001).
Même solution dans l’affaire de la dameuse où
il lui a été reproché de ne pas avoir réglementé
l’accès aux pistes.
– dans l’affaire de Montroc, le maire président du
comité consultatif sécurité et avalanche a porté
la responsabilité des fautes commises par les
membres de ce comité auquel il ne pouvait
aucunement déléguer ses pouvoirs de police:
ainsi ont été relevés comme concourant à la
faute caractérisée: l’absence d’examen des
cartes d’avalanches sur lesquelles figurait le
tracé de l’avalanche, une défaillance dans l’organisation des mesures de prévention du risque: absence de planification des mesures
d’évacuation, absence d’étude du terrain, absence d’alerte notamment des touristes ignorant le risque alors que les moyens existaient.
Mais il a aussi été reproché au maire sa propre
faute celle «de ne pas avoir pris les mesures
adaptées à la gravité de la situation».
120
En ce qui concerne les aménagements des sites:
dans une affaire où un adolescent était décédé
dans l’ascension d’une cascade de glace, le
maire a été condamné pour un défaut d’équipement du site. CA CHAMBERY 5 janvier 2000.
Mais la responsabilité de la commune peut être
engagée en parallèle en tant qu’exploitant du
domaine skiable ou de montagne.
– la cour de cassation a cassé un arrêt de la cour
d’appel de CHAMBERY à propos d’un accident
avalancheux survenu le 23 février 1996 sur une
piste de ski de fond à Val d’Isère où des skieurs
avaient été ensevelis.
Etait posée à la fois la question de la responsabilité du maire disposant des pouvoirs de police
et qui n’avait pas ordonné la fermeture de la
piste et celle de la responsabilité de la commune en tant qu’exploitant du domaine skiable
pour la même omission: la cour de cassation
estime que la première n’est pas exclusive de la
seconde et que la commune peut voir sa
responsabilité engagée en ce cas.
Dans les faits, la faute caractérisée est celle qui
intervient en cas d’absence de mesures de sécurité, défaut de formation, défaut d’information, défaut de surveillance, défaut d’organisation et de
coordination et dans la plupart des cas on relève
simultanément plusieurs de ces carences.
Dernier paramètre de la responsabilité indirecte:
la personne mise en cause doit avoir exposé la
victime à un risque d’une particulière gravité qu’elle
ne pouvait ignorer.
3
La connaissance du risque
L’examen de cette question sera plus rapide car
en règle générale, les sports de montagne comportent par eux-mêmes des risques que les professionnels ne peuvent ignorer.
Cependant, notamment en matière d’avalanche,
pouvait-on raisonnablement prévoir le risque?
Les juges raisonnent plutôt dans le sens d’une
absence de possibilité d’ignorer le risque: en règle
générale il est relevé que le mis en cause ne peut
soutenir qu’il n’était pas mis au courant de la
situation alors que c’était à lui de s’assurer de sa
réalité.
Prenons l’exemple de l’avalanche de MONTROC:
contrairement à ce que j’ai pu voir écrire après le
jugement, les juges n’ont jamais reproché au maire de ne pas avoir deviné que l’avalanche allait
tomber.
Ce qui a été retenu c’est le fait que bien que l’avalanche ait été raisonnablement prévisible on n’ait
pas tenu compte de ce risque.
La connaissance du danger est appréciée par
Lawinen und Recht
rapport à la réalité: ce sont d’abord les experts qui
interviennent et qui par une démonstration scientifique, déterminent ce caractère de prévisibilité
raisonnable c’est à dire que chacun pouvait
connaître.
Ensuite les juges prennent en considération les
outils que les différents intervenants ont à leur
disposition: on a déjà vu que les tribunaux retiennent qu’il faut tenir compte des bulletins météo qui
permettent d’adapter un itinéraire ou de rendre
plus vigilant.
Dans l’affaire de MONTROC, le caractère alarmiste répété et grandissant de bulletins météo depuis
plusieurs jours a été utilisé comme rendant le
risque d’avalanche, sa gravité et son imminence
certains.
Mais si le risque est certain et connu, encore fautil qu’on le localise: pour une randonnée ou une
course, on reprochera au guide ou au moniteur de
ne pas avoir eu le bon geste compte-tenu de ce
risque avéré: c’est ce qui a été retenu dans l’affaire
de la Crête du LAUZET alors que le guide avait
repéré la plaque à vent.
Dans l’affaire de MONTROC on a évoqué la consultation des cartes CLPA : il a été retenu contre la
commission de sécurité de ne pas avoir du tout
consulté ces cartes alors que le site de MONTROC
y apparaissait à l’endroit précis où l’avalanche
s’est produite, et que le nombre considérable de
couloirs d’avalanche recensés sur CHAMONIX
(110), commandait que dans la situation extrêmement grave dans laquelle on se trouvait, on examine chaque zone dangereuse pour y prendre les
mesures adaptées, même sans se livrer à des
conjectures sur le point de départ des avalanches
antérieures et qu’on ne se réfère pas simplement à
son savoir et à son expérience d’ailleurs inexistants en l’espèce sur le site.
Ces éléments outre de nombreux autres (mémoire
collective, production antérieure du phénomène
etc...) sont pris en compte pour apprécier s’ils ont
été utilisés et à bon escient dans le cadre des diligences normales et sérieuses de tout professionnel ou responsable de la sécurité du public. Ce
sont des aides à la décision de ces professionnels
comme des magistrats.
Si on lit le jugement de MONTROC on voit que
l’avalanche était prévisible à cet endroit et que les
nombreuses autres fautes commises ont interdit
de le prendre en considération, tout comme on
aurait dû le faire d’ailleurs, pour d’autres lieux qui
n’ont finalement pas été touchés.
Autres exemples: exemple contraire: celui de l’affaire de l’avalanche de Belle Plagne jugée par la
cour d’appel de CHAMBERY le 13 janvier 1999.
Une avalanche avait emporté un chalet habité et la
question était celle de sa construction dans la trajectoire d’une avalanche répertoriée et survenue
précédemment sur le même immeuble alors en
construction. La cour a suivi le rapport de contre
expertise qui concluait que compte-tenu du système de protection existant et des connaissances
en vigueur à l’époque où l’immeuble avait été
construit, l’avalanche n’était prévisible «ni de ce
type ni de cette ampleur». A mon avis les experts
suivis par la cour d’appel ont pris le problème à
l’envers: certes si’il est quelquefois facile après la
survenance du dommage de dire qu’il était prévisible, il est tout autant inexact de retenir qu’on ne
pouvait prévoir l’ampleur des dégâts matériels et
humains (dixit l’arrêt): ce n’est pas la survenance
d’un événement identique qu’il est demandé de
prévoir mais compte-tenu de la connaissance
qu’on a d’un événement antérieur, sachant que
dans le domaine de l’avalanche, il se reproduira,
d’éviter qu’un tel événement n’occasionne des
dommages dont on ignore évidemment l’ampleur
qu’ils peuvent prendre.
L’avalanche de Val Thorens en novembre 1992 qui
emporte des skieurs sur une piste a donné lieu à
un arrêt de non lieu de la chambre d’accusation de
CHAMBERY confirmé par arrêt de la cour de cassation 29 mars 2000. Il était reproché au maire, aux
responsables de la station et du service des pistes
de ne pas avoir équipé le couloir d’avalanche de
Gaz-Ex bien qu’un couloir voisin l’ait été et qu’une
avalanche était répertoriée sur ce couloir: contrairement à un arrêt précédemment cité (avalanche
de l’Alpe d’Huez), il a été dit que le non départ
d’avalanches par purge le matin avait rassuré les
services des pistes sur l’état du manteau neigeux;
l’expert judiciaire avait invoqué la subtilité des cartes d’avalanche et la difficulté de leur interprétation
et dit qu’il aurait fallu un examen approfondi par un
expert pour envisager le risque à cet endroit. En
définitive il a été retenu des erreurs d’appréciation
qui n’ont pas été qualifiées de fautes susceptibles
d’entraîner la responsabilité pénale.
Même appréciation dans un arrêt de la cour de
cassation 23 Mai 2001 confirmant le non lieu de la
chambre d’accusation de GRENOBLE: deux
skieurs sur la station des Orres, morts dans une
avalanche sur une piste de liaison dont la fermeture n’était pas signalisée: il était reproché aux
artificiers de la station une erreur d’appréciation
du risque persistant malgré des tirs effectués.
L’accumulation de neige à l’origine de l’avalanche
n’était pas décelable depuis l’arrête où se trouvaient les artificiers: «cette erreur que n’importe
qui aurait pu commettre ne permet pas d’engager
la responsabilité pénale».
Dans des affaires concernant des surfeurs hors
piste qui déclenchent des avalanches: la cour d’appel de CHAMBERY dans un arrêt du 8 janvier 2005
dans une espèce où un pisteur venu au secours de
surfeurs a été blessé dans une avalanche, a retenu
la responsabilité de celui qui avait enfreint les règles
de sécurité en s’engageant délibérément dans un
121
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
secteur pentu, non balisé, dont l’accès était interdit
en raison des conditions météorologiques, ce qu’il
ne pouvait ignorer comptetenu de sa connaissance
des lieux et de son expérience de la montagne.
4
En conclusion
Votée sous la pression des élus, la loi du 10 juillet
2000 a le mérite de rappeler comme le fait le sénateur FAUCHON, que le principe même de la culpabilité non intentionnelle en heurte un autre, celui de
la délinquance.
Elle avait pour but avoué de mettre à l’abri des
poursuites judiciaires toute une catégorie de personnes mais l’analyse personnelle que j’en fais est
qu’elle permet au contraire de rechercher la responsabilité de personnes très en amont du fait
dommageable et que sa rédaction ne permettant
pas de donner de définition générale des concepts
qu’elle énonce, elle crée plus d’insécurité juridique
alors que, vous professionnels, êtes en demande
d’indications précises en ce qui concerne l’exercice de vos activités.
Certes les juges sont appelés à mieux maîtriser les
données de la culpabilité pour faute non intentionnelle et à se rapprocher des valeurs de la société
qu’elles soient revendiquées par les professionnels
de la sécurité qui, convenonsen, ont tendance à
céder à une psychose non fondée mais aussi par
les victimes qui bien souvent ne trouvent que dans
le procès pénal la réponse à leur volonté de savoir
«pourquoi» avant de savoir «qui» .
Le problème est que la justice qui évolue entre des
intérêts contraires doit trouver l’équilibre, ce qu’à
mon avis manifeste déjà l’étude de la jurisprudence antérieure et postérieure à la loi du 10 juillet
2000 telle que je vous l’ai présentée.
Anne Manoha est actuellement vice-présidente du
tribunal de grande instance de Bonneville chargée de la
chambre correctionnelle, elle a notamment jugé en mai
2003 l’affaire de l’avalanche dite de Montroc et plus
récemment celle de l’incendie du Tunnel du Mont-Blanc.
Elle participe régulièrement aux travaux juridiques du
CERNA dont les articles sont publiés dans la Gazette
du Palais (notamment numéro spécial montagne de
février 2004). Elle a débuté sa carrière à Grenoble puis
en 1992, a été nommée vice-présidente du tribunal de
grande instance d’Albertville jusqu’en 1997 où elle a
rejoint la cour d’appel de Chambéry comme conseillère
siégeant notamment à la chambre correctionnelle
jusqu’en 2002.
122
Zusammenfassung: Die französische
Rechtslage bei Berg- und Lawinenunfällen
Um den Opfern von Tötungen oder Körperverletzungen
und ihren Angehörigen zu helfen ihr Unglück zu akzeptieren, hält es die moderne Welt für notwendig, den
dafür Verantwortlichen zu benennen. Selbst dann, wenn
das Geschehen unbeabsichtigt war oder wenn die
primäre Ursache nicht menschlich bedingt ist.
Das Phänomen der systematischen Einklagung bei den
Strafgerichten muss sicher als übertrieben eingestuft
werden. Trotzdem empfinden die Entscheidungsträger,
die sehr weit von der unmittelbaren Ursache des Schadens entfernt sein können, die Drohung einer Anklageerhebung gegen sie und noch mehr ihre Verurteilung
als unerträglich.
Um dieser vermeintlichen Fehlentwicklung Einhalt zu
gebieten, wurden die französischen Grundsätze der
strafrechtlichen Haftung in Fällen von fahrlässiger
Körperverletzung und Tötung durch das Gesetz vom
10. Juli 2000 grundlegend verändert. Dieses Gesetz
unterscheidet zwischen direkter und indirekter Haftung
und erschwert das Anführen letzterer.
Im Bereich von Bergunfällen und Lawinenschäden, die
selbstverständlich eine natürliche Ursache haben und
zumeist völlig ohne menschliche Einwirkung erfolgen,
ist diese neue Gesetzgebung von ganz besonderer Bedeutung. Obwohl sie noch recht neu ist, hat sie bereits
zu einigen Gerichtsentscheiden geführt, insbesondere
im Zuständigkeitsbereich des Appellationsgerichts von
Chambéry, das neben dem von Grenoble die meisten
dieser Fälle verhandelt, von denen einige ein erhebliches Medienecho fanden.
In diesem Zusammenhang werden in kurzer und einfacher Form die neuen juristischen Grundsätze vorgestellt. Ergänzend werden die Schwierigkeiten angeführt,
die sich bei der Auslegung und Anwendung des Gesetzes ergeben, welche die Gerichte veranlassen, die neuen Begriffe von direktem und indirektem Verschulden
zu definieren und das indirekte Verschulden zu qualifizieren.
Anhand von Beispielen aus der Rechtsprechung und
einer kurzen Darstellung der Elemente, die von den Gerichten bei der Urteilsfindung berücksichtigt werden,
wird der Frage nach der Zweckmässigkeit eines solchen Gesetzes und nach der vom Gesetz geweckten
Illusion der Strafbefreiung nachgegangen.
Anne Manoha ist zurzeit Vizepräsidentin des Tribunal de
Grande Instance von Bonneville und zuständig für die
Strafkammer. Sie hat im Mai 2003 das Urteil im Fall des
Lawinenunfalls von Montroc und in jüngster Zeit im Fall
des Brandes im Mont-Blanc-Tunnel gesprochen. Sie
beteiligt sich regelmässig an den juristischen Arbeiten
der CERNA, deren Artikel in der Gazette du Palais publiziert werden (namentlich die Sondernummer über die
Berge vom Februar 2004). Sie begann ihre berufliche
Laufbahn in Grenoble und wurde im Jahr 1992 zur
Vizepräsidentin des Tribunal de Grande Instance von
Albertville ernannt. 1997 wechselte sie zum Appellationsgericht von Chambéry, wo sie bis 2002 als «Conseillère à la Cour», insbesondere der Strafkammer, tätig
war.
Lawinen und Recht
Riassunto: Il regime di responsabilità
penale francese applicato agli incidenti
di montagna e di valanga
Al fine di aiutare le vittime di omicidi e lesioni o le loro
famiglie ad accettare la disgrazia, la società moderna
ritiene che sia indispensabile designare comunque il
responsabile, anche nel caso in cui i fatti siano stati involontari o la loro origine primaria non sia imputabile
all’uomo.
Anche se è stato ingigantito il fenomeno di chiamata in
causa sistematica innanzi al giudice, coloro che vengono chiamati «decisori» e che possono quindi essere
lontano dalla causa diretta del danno, hanno ritenuto
insostenibile la minaccia di messa sotto accusa e ancora di più quella di una condanna.
Per ovviare a questa cosiddetta deriva, i principi
francesi di responsabilità penale nel caso di lesioni e
omicidio colposo sono stati profondamente modificati
dalla legge del 10 luglio 2000, la quale distingue i casi
secondo la responsabilità diretta o indiretta, rendendo
quest’ultima più difficile da applicare.
Nell’ambito degli incidenti di montagna e dei danni provocati da valanghe, la cui causa è ovviamente naturale
e spesso totalmente estranea all’uomo, questa nuova
legislazione si applica molto opportunamente e di recente ha già dato luogo ad alcune decisioni, in particolare presso la corte d’appello di Chambéry che, insieme
a quella di Grenoble, si occupa della maggior parte di
questi casi, alcuni dei quali hanno avuto una forte eco.
Nella relazione verrà fatto un esposto rapido e semplice
dei nuovi principi giuridici e dei cambiamenti che questi
apportano, completato dall’esame delle difficoltà che
comporta l’interpretazione e l’applicazione della legge,
che portano i tribunali a definire le nuove nozioni di colpa diretta e indiretta e a qualificare la colpa indiretta.
Tramite esempi di giurisprudenza e un accenno sugli
elementi presi in considerazione dai tribunali per decidere, verrà quindi sollevato l’aspetto dell’apporto di una
tale legge e dell’illusione di esonero della responsabilità
che ha comportato.
Anne Manoha è attualmente vicepresidente del tribunale di Grand Istanza di Bonneville. In carica alla camera
correzionale, ha emesso la sentenza nel mese di maggio 2003 sul caso della valanga detta di Montroc, e più
di recente sul caso dell’incendio del Tunnel del Monte
Bianco. Partecipa regolarmente ai lavori giudiziari del
CERNA i cui articoli vengono pubblicati nella Gazette
du Palais (in particolare il numero speciale sulla montagna del febbraio 2004). Ha iniziato la carriera a Grenoble, poi nel 1992 è stata nominata vicepresidente del
tribunale di Albertville, fino al 1997, anno in cui ha raggiunto la corte d’appello di Chambéry come consigliere
alla camera correzionale, fino al 2002.
123
Lawinen und Recht
Die rechtliche Situation beim Lawinenunfall
Die deutsche Rechtslage
Klaus Weber
A
Die rechtlichen Folgen eines
Lawinenunfalls
Bei der Frage, welche Folgen auf den Verursacher
oder Mitverursacher eines Lawinenunfalls zukommen können, ist die zivilrechtliche und die strafrechtliche Seite zu unterscheiden. Im Zivilprozess
geht es um Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Im Ermittlungs- und Strafverfahren geht es um die
strafrechtliche Verantwortung; hier muss entschieden werden, ob gegen den in Betracht kommenden
Schadensverursacher (Täter) durch den Staat eine
Strafe oder sonstige Sanktion verhängt wird.
Von einem Ermittlungsverfahren sprechen wir bis
zur abschliessenden Entscheidung des Staatsanwalts. Diese kann in der Einstellung des Verfahrens mangels Tatverdachts (§ 170 II StPO) oder
wegen geringer Schuld (§ 153 StPO) oder in der
Erhebung der öffentlichen Klage (Anklage [§ 170 I
StPO] oder Antrag auf Erlass eines Strafbefehls
[§ 407 StPO]) bestehen. Schliesslich ist noch eine
Einstellung gegen eine Geldbusse oder andere
Auflage möglich, wenn diese geeignet sind, das
öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu
beseitigen und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht (§ 153a StPO). Das sich an die Anklage anschliessende gerichtliche Verfahren ist das
Strafverfahren.
Die zivilrechtlichen Voraussetzungen für eine
Schadensersatzhaftung und die strafrechtlichen
Kriterien für eine strafrechtliche Verantwortung
des Schädigers sind auf weite Strecken gleich. Es
gibt allerdings auch wichtige Unterschiede, die im
Einzelfall entscheidend sein können. So kann eine
zivilrechtliche Haftung in Betracht kommen, auch
wenn der Unfallverursacher im Strafverfahren freigesprochen wurde1.
B
– bis zu den Berg- und Skireisen kommerzieller
Veranstalter, die auch weitere Leistungen, insbesondere Übernachtung, Verpflegung und
Transport, anbieten.
C
Die Privattour ist der Bereich der bergsteigerischen Selbstverantwortung, aber auch der bergsteigerischen Gefahrengemeinschaft. Auf Grund
dieser Gefahrengemeinschaft sind die Tourteilnehmer verpflichtet, einander nach Kräften beizustehen. Dies gilt etwa für die Alarmierung nach
einem Lawinenunglück, aber auch für die Kameradensuche. In diesem Umfang besteht auch eine
Garantenstellung2 kraft Gefahrengemeinschaft.
Sind die Tourteilnehmer noch in anderer Weise
verbunden, etwa als Eheleute oder sonstige Angehörige, so ergibt sich dieselbe Garantenstellung
bereits aus dieser natürlichen Verbundenheit.
Zu einer Führungsverantwortung führen diese Garantenstellungen noch nicht. So ist etwa der Ehemann nicht zwangsläufig für den Ablauf der Tour
verantwortlich. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn ein Gruppenmitglied ein ihm entgegengebrachtes besonderes Vertrauen in Anspruch
nimmt. Dann und nur dann kann eine sogenannte
faktische Führerschaft entstehen, die dann auch
Führungsverantwortung zur Folge hat. Es gilt dann
dasselbe wie bei der Haftung des Tourenführers.
Für die zivilrechtliche und die strafrechtliche Haftung bestehen hinsichtlich der Garantenstellung
keine Unterschiede.
1
Die tatsächlichen Grundlagen
Bei den tatsächlichen Grundlagen der Haftung bei
einem Lawinenunfall reicht das Spektrum
– von der Privattour, wie sie von Familien oder
Freunden unternommen wird,
– über die Sektionstour, wie sie für die alpinen
Vereine typisch ist, mit den Untergruppen der
Gemeinschaftstour und der Führungstour,
– die klassische Führungstour des patentierten
Berg- und Skiführers als Einzelunternehmer,
– sonstige geführte Touren, z. B. Skilager, Armee,
Die Privattour
2
So hat das Oberlandesgericht München in dem unten
näher besprochenen Urteil vom 21. 01. 2002 (abgedr. in
Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport – [NJW-RR] 2002, 694) den DAV-Summit-Club
wegen des Lawinenunfalls bei der Jamtalhütte (Silvretta) vom 29.12.1999 mit neun Toten zu Schadensersatz
und Schmerzensgeld verurteilt, obwohl das Landesgericht Innsbruck durch Urteil vom 14. 11. 2000 (abgekürzt abgedr. in Sport und Recht [SpuRt] 2002, 106)
die beteiligten Bergführer freigesprochen hatte; der
Freispruch ist auf Grund des Schengener Durchführungsübereinkommens auch für die deutschen Strafgerichte bindend. Das Urteil des OLG München wäre
nicht anders ergangen, wenn der Freispruch von einem
deutschen Gericht erfolgt wäre.
Die Bedeutung der Garantenstellung wird meist überschätzt. Sie spielt nur dann eine Rolle, wenn das schadenstiftende Verhalten in einem Unterlassen besteht.
125
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
D
Die Sektionstour
Bei der Sektionstour ist zwischen der Haftung des
Tourenführers (Tourenleiters, Fachübungsleiters)
und der Haftung der Sektion zu unterscheiden.
I
Haftung des Tourenführers
Sektionstouren werden von den Sektionen der
alpinen Vereine veranstaltet und in der Regel von
erfahrenen Bergsteigern geleitet, die für bestimmte Bereiche zu Fachübungsleitern ausgebildet
wurden3. Die Tourenführer sind ehrenamtlich tätig.
Während bei der Gemeinschaftstour die bergsteigerische Eigenverantwortlichkeit im Vordergrund
steht, trägt der Leiter einer Führungstour echte
Führungsverantwortung. Die Führung wird nicht
bezahlt. Etwaige Teilnehmerbeiträge dienen nicht
der Gewinnerzielung, sondern sollen die mit der
Führung verbundenen Aufwendungen und die
anteiligen Gemeinkosten der Sektion decken.
Ohne dieses ehrenamtliche Engagement könnten
die alpinen Vereine ihre Aufgabe nicht erfüllen.
Übertriebene Haftungsanforderungen sind ein
Grund dafür, dass die Bereitschaft für das Ehrenamt schwindet.
1. Zivilrechtliche Haftung
Z wischen dem Tourenführer und den Tourteilnehmern besteht kein Vertrag. Der Tourenführer haftet
daher nur nach den Vorschriften über die unerlaubte Handlung (§§ 823ff BGB). Nach § 823 I
BGB ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer
vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper,
die Gesundheit oder das Eigentum eines anderen
verletzt.
a) Garantenstellung. Im Hinblick auf die Führungsverantwortung des Tourenführers ist seine Garantenstellung nicht zweifelhaft. Er haftet
daher auch, wenn er den Schaden durch ein
Unterlassen verursacht hat.
b) Kausalität. Das Grunderfordernis der Schadensersatzpflicht ist die Kausalität. Ein Verhalten ist kausal (ursächlich), wenn es nicht hinweggedacht oder – bei Unterlassungen – nicht
hinzugedacht werden kann, ohne dass der
Erfolg4 entfällt (conditio sine qua non). Im deutschen Zivilrecht (anders im Strafrecht) gilt, dass
die Bedingung adäquat kausal sein muss, so
dass aussergewöhnliche Kausalverläufe dem
Schädiger nicht angelastet werden. Einen aussergewöhnlichen Kausalverlauf nimmt die deutsche Rechtsprechung allerdings nur selten an.
So wäre der Absturz des Rettungshubschraubers beim Einsatz noch adäquat kausal5.
Das Verhalten des Schädigers muss nicht die
alleinige Ursache für den Unfall sein. Mitursäch-
126
lichkeit genügt. Die Kausalität ist auch dann
gegeben, wenn der Schaden nur auf Grund des
Zusammenwirkens mehrerer Ursachen eingetreten ist, von denen jede für sich ihn nicht herbeigeführt hätte (kumulative Kausalität). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so ergeben
sich nicht selten Nachweisprobleme, an denen
die Haftung scheitern kann6.
c) Rechtmässiges Alternativverhalten. Für
Schäden, die auch dann eingetreten wären,
wenn der Schädiger sich ordnungsgemäss verhalten hätte (rechtmässiges Alternativverhalten), hat er nicht einzustehen. Dies gilt etwa in
den Fällen der fehlenden oder mangelhaften
Aufklärung der Tourteilnehmer durch den Tourenführer, wenn diese das Risiko auch dann auf
sich genommen hätten, wenn sie ordentlich
aufgeklärt worden wären. An den Nachweis
werden hier strenge Anforderungen gestellt.
d) (Fehl)Verhalten Dritter. (Fehl)Verhalten Dritter
unterbricht den Zurechnungszusammenhang
grundsätzlich nicht. Dies kommt etwa in Betracht, wenn ein Gruppenmitglied in einen gefährlichen Hang einfährt, ohne die Weisung des
Tourenführers abzuwarten7. Erst recht wird der
Zurechnungszusammenhang nicht dadurch
unterbrochen, dass Dritte zu Rettungsmassnahmen greifen und dabei zu Schaden kommen.
e) Fahrlässigkeit. Weitere Voraussetzung der
Schadensersatzhaftung nach § 823 I BGB ist
das Verschulden, wobei hier praktisch nur
Fahrlässigkeit in Betracht kommt. Anders als
im Strafrecht ist die Fahrlässigkeit im deutschen Zivilrecht gesetzlich definiert (§ 276 II
BGB). Danach handelt fahrlässig, wer die im
Verkehr erforderliche Sorgfalt ausser Acht lässt
(objektiver Sorgfaltsmassstab) und deshalb
nicht voraussieht, dass ein schädlicher Erfolg
eintritt (unbewusste Fahrlässigkeit), oder darauf
vertraut, dass er nicht eintreten wird (bewusste
3
4
5
6
7
Notwendig ist dies nicht (OLG Stuttgart NJW 1996,
1352 [Rheinwaldhorn I]).
Unter Erfolg ist das eingetretene Ereignis (Tod, Verletzung, Zerstörung von Eigentum uä) zu verstehen.
In Bayern, Salzburg und Tirol kam es seit 1960 bei
Rettungseinsätzen zu elf Hubschrauberabstürzen mit
21 Toten.
So hatte sich bei dem Lawinenunglück im Loferer Seilergraben (Berchtesgadener Alpen) vom 30. 03. 1985
(mit zwei Toten) nicht klären lassen, ob das Schneebrett von einer geschlossen in den Steilhang einfahrenden Gruppe oder von einem aufsteigenden Tourengeher oder von beidem zusammen verursacht
wurde.
So beim Lawinenunfall am Wilden Hinterbergl (Stubaier Alpen) vom 15.03.1988 mit einem Toten (Urteil
des Obersten Gerichtshofs Wien [OGH] vom
25. 03. 1993–8Ob505/93).
Lawinen und Recht
Fahrlässigkeit). Beide Fahrlässigkeitsarten werden rechtlich gleich behandelt.
aa) Objektive Sorgfaltspflichtverletzung.
Ob der massgebliche Sorgfaltsmassstab
verletzt wurde, ist nach den allgemeinen
Sorgfaltsanforderungen zu bestimmen, die
an einen einsichtigen und besonnenen
Menschen in der konkreten Lage des
Schädigers, namentlich in dem jeweiligen
Verkehrskreis zu stellen sind. Als wesentliche Quelle für die Konkretisierung dieser
sehr allgemeinen Aussage kommen
– zunächst Rechtsvorschriften,
– sodann die Regeln des betreffenden
Verkehrskreises (Verkehrsnormen), hier
die Eigenregeln des Sports (allgemeine
Bergsteigerregeln), und
– schliesslich die Anforderungen, die an
einen umsichtigen und verständigen, in
vernünftigen Grenzen vorsichtigen Menschen aus dem Verkehrskreis des Täters
in der konkreten Lage gestellt werden
können8 (in Österreich mit einer ähnlichen Definition differenzierte Massfigur
genannt).
deswegen durchgesetzt. In der Praxis werden
sie wie Rechtsnormen gehandhabt.
Vor allem der Lawinenunfall bei der Jamtalhütte
am 29. 12. 199913 hat zu der Frage geführt, ob
sich auch die Neue (strategische) Lawinenkunde14 zu einer Verkehrsnorm entwickelt hat.
Während die ersten drei Voraussetzungen wohl
als erfüllt angesehen werden können, kann von
einer unbestrittenen und ständigen Verwendung in der Praxis nicht gesprochen werden.
Die Neue Lawinenkunde ist jedenfalls im Ostalpenraum nicht allseits akzeptiert15. Sie ist auch
von einer breiten Verwendung in der Praxis der
Tourengeher noch weit entfernt16. Hierfür dürften zwei Umstände massgeblich sein: einmal
drängt sich der Sicherheitsgewinn für den Tourengeher nicht so auf wie bei anderen Regeln,
8
9
10
11
(a) Verkehrsnormen. Rechtsvorschriften9, die
das Verhalten beim (Ski-)Bergsteigen regeln,
gibt es nicht, so dass bei einem Unfall zunächst
zu klären ist, ob eine Verkehrsnorm (hier in
Form einer allgemeinen Bergsteigerregel) eingreift10. Verkehrsnormen sind das Ergebnis einer auf Erfahrung und Überlegung beruhenden
Voraussicht möglicher Gefahren in dem jeweiligen Verkehrskreis und machen die Grenzen
des erlaubten Risikos deutlich. Ein Verstoss ist
ein Indiz dafür, dass die objektive Sorgfaltspflicht verletzt wurde.
Mit der Übernahme der Eigenregeln des Sports
in das Recht werden auch die Schwierigkeiten
in das Recht transformiert, die mit diesen Regeln in der Praxis verbunden sind. Ein Hauptproblem sind die Änderungen, die sie im Lauf
der Zeit erfahren. Ob und von wann ab eine
neue Erfahrung oder Erkenntnis zu einer allgemeinen Bergsteigerregel geworden ist, ist
daher eine zentrale Frage. Als Kriterien hierfür
– neben dem selbstverständlichen Sicherheitsgewinn – werden angesehen
– die Veröffentlichung in der alpinen Literatur,
– die Empfehlungen der alpinen Verbände,
– die Aufnahme in die Aus- und Weiterbildung,
– die unbestrittene und ständige Verwendung
in der Praxis über einen längeren Zeitraum11.
Manche Eigenregeln des Sports liegen schriftlich vor. Von der Rechtsprechung12 anerkannt
sind die Regeln des Internationalen Skiverbandes (FIS). Sie dienen vornehmlich dem Schutz
unbeteiligter Dritter und haben sich wohl auch
12
13
14
15
16
Bundesgerichtshof [BGH] NJW 2004, 1449 [DIN-Normen].
Wie etwa die Straßenverkehrsordnung für den Strassenverkehr.
Entscheidungen des BGH in Zivilsachen [BGHZ] Bd.
58, S. 40.
Weber Juristische Rundschau (JR) 2005, 485 [486];
ebenso für das österreichische Recht Ermacora in
Berg und Steigen 3/00 S. 13; s auch Wallner in «Klettern – Abenteuer und Breitensport» (Hrsg. OeAV/DAV)
2000, S. 31; Gidl in Winteralpinismus – Rechtsfragen»
(Hrsg. OeAV/DAV) 2001, S. 55
BGHZ 58, 40.
Oben Fn 1.
Sie wurde von Werner Munter entwickelt und im Ostalpenraum erstmals einem größeren Kreis durch sein im
Jahre 1997 erschienenes Buch «3 x 3 Lawinen» bekannt. Der DAV hat sie bereits im Jahre 1998 in seinen
Alpin-Lehrplan aufgenommen. Mittlerweile haben sich
drei weitere Methoden entwickelt, die sämtlich auf
Munter aufbauen und auf den gemeinsamen Nenner
«Verzicht auf Steilheit in Abhängigkeit vom Lawinenlagebericht» gebracht werden können («SnowCard und
Faktorencheck» von Martin Engler und Jan Mersch;
«Stop or Go» von Michael Larcher; «Reduktion des
Lawinenrisikos» von Stephen Harvey). Auf derselben
Linie liegen die «Verbindlichen Standards im Winter«
oder «Limits», die der DAV-Summit-Club seinen Bergführern nach dem Jamtalunfall vorgeschrieben hat und
die von einer Expertenrunde in der Zeit vom 22. bis
24.09.2000 auf der Jamtalhütte entwickelt wurden.
Aus Expertensicht dagegen etwa Gabl in Winteralpinismus – Rechtsfragen [Fn 11] S. 45 bis 52.
Dies zeigt das eigentlich traurige Ergebnis einer Untersuchung der Alpingendarmerie Tirol, wonach in
den Jahren 1999 bis 2002 in Tirol 44 % bis 68 % der
Skifahrerlawinen unter Umständen abgegangen sind,
die nach der Reduktionsmethode von Werner Munter
einen Verzicht auf die Tour oder das Befahren des
Hangs nahegelegt hätten. Bei einer Studie der Sicherheitsforschung des DAV betreffend die Winter
2003/2005 hat sich ergeben, dass 56 % der Tourengeher keine der Methoden der Neuen Lawinenkunde
anwenden.
127
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
etwa der Ausrüstung mit VS-Geräten und Lawinenschaufeln. Auch erfordert ihre Umsetzung
in die Praxis eine Übung in der Einschätzung
von Geländefaktoren und der Beurteilung von
etwaigen Gefahrenstellen, die bei Personen,
die nicht ständig im Gebirge unterwegs sind,
nicht vorausgesetzt werden kann. Dies gilt auch
für die ehrenamtlichen Tourenführer der alpinen
Vereine.
(b) Differenzierte Massfigur. Fehlt es an einer
allgemein anerkannten (Ski-)Bergsteigerregel,
so muss auf die differenzierte Massfigur zurückgegriffen werden; es ist also zu prüfen, wie
sich ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch aus
dem Verkehrskreis des Täters in der konkreten
Lage verhalten hätte, um andere vor Schäden
zu bewahren. Dabei bestimmt sich das Mass
der Sorgfaltsanforderungen, die an einen ehrenamtlichen Tourenführer zu stellen sind, nach
den Gefahren und Schwierigkeiten der konkreten Tour, nach dem Gewicht seiner Führungsrolle, sowie seinem Ausbildungs- und Leistungsstand und dem der Tourteilnehmer. Entscheidend ist danach nicht der Standard eines
staatlich geprüften Bergführers, sondern die
geringeren Anforderungen, die billigerweise an
einen ehrenamtlichen und weniger intensiv
ausgebildeten Tourenführer gestellt werden
können.
Inhaltlich wäre es ein Zirkelschluss, von der
Massfigur ohne weiteres gerade das Verhalten
zu verlangen, das sich noch nicht zu einer Verkehrsnorm verdichtet hat. Auf der anderen Seite wäre es weltfremd, die Faszination nicht zu
erkennen, die die «Neue Lawinenkunde» für Gerichte und Staatsanwaltschaften haben kann17.
Mit den präzise erscheinenden Kriterien des
Lawinenlageberichts, der Hangneigung und der
Hangexposition spiegelt sie eine Sicherheit der
Beurteilung vor, der der Jurist nur schwer
widerstehen kann. Es ist Aufgabe aller Verfahrensbeteiligten, angesichts dieser trügerischen
Sicherheit sich der praktischen Schwierigkeiten
bei der Einschätzung der Gefahrenstellen und
der Unwägbarkeiten des winterlichen Hochgebirges stets bewusst zu bleiben.
17
So hat die Staatsanwaltschaft Traunstein wegen des
Lawinenunglücks am Sulzkogel (Stubaier Alpen) vom
22. 02. 2005 mit drei Toten Anklage gegen drei Tourenführer einer Sektion des DAV erhoben, wobei sie sich
wesentlich auf die Neue Lawinenkunde stützt (Gefahrenstufe 3, Hangneigung 38 °, Exposition Süd-Ost).
Das zuständige Amtsgericht Laufen hat noch nicht
entschieden.
128
bb) Objektive Voraussehbarkeit. Ein weiteres
Merkmal der Fahrlässigkeit ist die objektive
Voraussehbarkeit des Erfolgs. Als nicht vorhersehbar ist ein Kausalverlauf anzusehen,
der so unwahrscheinlich ist, dass man sein
Verhalten darauf vernünftigerweise nicht
einzurichten braucht. Abzustellen ist auf den
Zeitpunkt der letzten Handlungsmöglichkeit. Dabei dürfen die Sorgfaltsanforderungen nicht auf Grund einer rückschauenden,
vom Erfolg abgeleiteten Betrachtungsweise
überspannt werden; daraus, dass der Unfall
ex post sachverständig erklärbar ist, darf
nicht geschlossen werden, dass er auch ex
ante vorhersehbar war.
cc) Vermeidbarkeit. Die Fahrlässigkeit setzt
ferner voraus, dass die Verwirklichung des
Haftungstatbestands
vermeidbar
war.
Konnte sie von niemandem vermieden werden (objektive Unvermeidbarkeit), so fehlt
die Fahrlässigkeit, wenn nicht die Situation,
aus der die Unvermeidbarkeit entstanden
ist, durch vorbereitende Massnahmen, auch
unter Zeit- oder Geldverlust, hätte verhindert werden können. Subjektive Unvermeidbarkeit liegt nur vor, wenn die Tatbestandsverwirklichung unter Berücksichtigung des
objektiven Sorgfaltsmassstabs nicht vermeidbar war. Ein Verhalten, das jegliche Gefahr vermeidet, wird nicht verlangt; notwendig ist ein sachgerechter Umgang mit ihr.
dd) Basisrisiko (alpines Restrisiko). Jede
Skitour enthält ein Risiko, das auch durch
eine sachgerechte, umsichtige Führung
nicht vollständig beherrscht werden kann
und deswegen von dem Teilnehmer der
Tour selbst getragen werden muss. Das Basisrisiko ist keine eigene haftungsbegrenzende Kategorie, sondern bezeichnet nur
den Bereich, der vom Verschulden nicht erfasst wird. Seine Funktion besteht vor allem
darin, vor einer Überspannung der Sorgfaltspflichten zu warnen. Eine andere Frage
ist, dass auch hinsichtlich des Basisrisikos
Aufklärungspflichten bestehen können.
f) Beweisrecht. Nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen hat der Geschädigte die Tatbestandsmässigkeit einschliesslich Schadenseintritt und Kausalität, Rechtswidrigkeit und Verschulden nachzuweisen, während der Schädiger Rechtfertigungsgründe und Mitverschulden
des Geschädigten zu beweisen hat. Kann der
Geschädigte aber den Nachweis erbringen,
dass der Tourenführer gegen eine Verkehrsnorm verstossen hat, so hat er zugleich den
Beweis des ersten Anscheins dafür erbracht,
dass der Schaden durch den Regelverstoss
verursacht und die im Verkehr erforderliche
Sorgfalt nicht beachtet wurde.
Lawinen und Recht
2. Strafrechtliche Haftung
Nach § 222 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu
fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer durch
Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht. Bei der fahrlässigen Körperverletzung beträgt die Höchststrafe drei Jahre Freiheitsstrafe
(§ 229 StGB). Dabei gelten für die strafrechtliche
Verantwortung die folgenden Besonderheiten:
a) Kausalität. Anders als das Zivilrecht begnügt
sich das deutsche Strafrecht mit der conditiosine-qua-non-Formel. Jede Bedingung ist daher gleichwertig (äquivalent). Auf die Adäquanz
kommt es nicht an.
b) Subjektiver Massstab bei der Fahrlässigkeit.
Engere Grenzen als das Zivilrecht zieht das
Strafrecht dagegen bei der Fahrlässigkeit. Hier
muss zu der objektiven Sorgfaltspflichtsverletzung die subjektive und zur objektiven Voraussehbarkeit die subjektive hinzutreten. Es kommt
daher darauf an, ob der Täter auch nach seinen
individuellen Eigenschaften und Fähigkeiten in
der Lage war, der objektiven Sorgfaltspflicht zu
genügen und den Erfolg als möglich vorherzusehen. Von praktischer Bedeutung ist hier vor
allem die Frage des Übernahmeverschuldens.
c) Eigenverantwortliche Selbstgefährdung.
Während das Handeln auf eigene Gefahr im
Zivilrecht lediglich als Mitverschulden berücksichtigt wird, kann das Prinzip der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung im Strafrecht zu
einem Ausschluss der Tatbestandsmässigkeit
führen. Es gilt allerdings nicht grenzenlos. Zwar
wird es durch eine Garantenstellung nicht generell ausgeschlossen. Es greift jedoch dann nicht
ein, wenn der Täter kraft überlegenen Sachwissens das Risiko besser erfasst als der Verletzte.
Kraft ihrer Ausbildung und Erfahrung wird dies
bei Tourenführern in der Regel angenommen
werden können. Die eigenverantwortliche
Selbstgefährdung kommt aber dann wieder
zum Tragen, wenn der Tourenführer seine Gruppe umfassend über das Risiko aufgeklärt hat.
d) Verfahren. Der Tod durch einen Lawinenunfall
ist ein unnatürlicher Tod, so dass Staatsanwaltschaft und Polizei stets von Amts wegen ermitteln müssen (§ 159 StPO). Bei einer blossen
Verletzung hängt die Aufnahme der Ermittlungen davon ab, ob der Anfangsverdacht einer
Straftat besteht (§ 152 II StPO).
II
Die Haftung der Sektion
Mit der Teilnahme an einer Sektionstour schliesst
der Sektionsangehörige mit der Sektion keinen
gesonderten Vertrag, sondern nimmt seine Mitgliedschaftsrechte wahr18. Die Sektion ist daher
verpflichtet, ihm diese Teilnahme zu ermöglichen,
soweit er die Voraussetzungen hierfür erfüllt. Dar-
über hinaus obliegen ihr Schutz- und Obhutsplichten (§ 241 Abs. 2 BGB). Nach dem derzeitigen
Stand der Rechtsprechung19 sind diese auf die
Auswahl eines geeigneten Führers beschränkt.
Eine Weiterentwicklung dahin, dass diese Pflichten auch während der Durchführung der Tour bestehen, so dass die Sektion auch dann für Fehler
des Tourenführers einzustehen hat (§ 278 BGB),
liegt nahe. Hat der Tourenführer nicht grob fahrlässig gehandelt, so hat ihn die Sektion jedenfalls
teilweise von Schadensersatzansprüchen des
Tourteilnehmers freizustellen20.
E
Die klassische Führungstour des
patentierten Bergführers
Zwischen dem Bergführer und seinem Kunden
besteht ein Dienstvertrag (§ 615 BGB). Vernachlässigt der Bergführer die im Verkehr erforderliche
Sorgfalt, so verletzt er den Dienstvertrag und hat
daher kraft Vertrags dafür einzustehen. Daneben
besteht die Haftung aus unerlaubter Handlung
(Anspruchskonkurrenz).
I
Garantenstellung
Eine Garantenstellung besteht kraft Vertrags und
kraft Übernahme der Führungsverantwortung. Der
Bergführer hat daher auch für Unterlassen einzustehen.
II
Kausalität, rechtmässiges Alternativverhalten, Fehlverhalten Dritter
Es gilt dasselbe wie beim Tourenführer.
III
Fahrlässigkeit
Anders als dies von dem privaten Tourengeher
oder dem ehrenamtlichen Tourenführer erwartet
werden kann, sind Bergführer in der Lage, Geländefaktoren und Gefahrenstellen zuverlässig einzuschätzen. Es liegt daher nahe, dass von einer Entwicklung der Neuen Lawinenkunde zu einer Verkehrsnorm zunächst der Verkehrskreis der Bergführer berührt sein wird. Als differenzierte
Massfigur hat der Bergführer für die höheren Anforderungen einzustehen, die an einen staatlich
geprüften Bergführer zu stellen sind.
18
19
20
Weber JR 2005, 485 [487].
OLG Stuttgart NJW 1996, 1352 [Rheinwaldhorn I].
OLG Stuttgart SpuRt 2004, 31 [Rheinwaldhorn II];
BGH NJW 2005, 981.
129
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
F
Die sonstige Führungstour
Ob hier die Grundsätze heranzuziehen sind, die
für den Tourenführer oder für den Bergführer gelten, entscheidet sich nach den Umständen des
Einzelfalls.
G
Die Haftung kommerzieller Veranstalter
Von erheblicher praktischer Bedeutung für die
Praxis ist das Urteil des OLG München vom
24. 01. 200221 zu dem Lawinenunfall bei der Jamtalhütte vom 29. 12. 199922. Abweichend von der
ersten Instanz hat das OLG München den Veranstalter zur Leistung von Schadensersatz und
Schmerzensgeld verpflichtet.
Bei der rechtlichen Bewertung des Urteils müssen
zwei grosse Bereiche getrennt werden:
I
Schadensersatz auf Grund Reiserechts
Da der DAV-Summit-Club mehrere Leistungen
(neben der Führung Unterkunft, Verpflegung,
Transport) angeboten hatte, konnte das Gericht
Reiserecht anwenden. Dieses Rechtsgebiet, das
weitestgehend durch EU-Gemeinschaftsrecht
(Reiserichtlinie23 ) geprägt ist, zeichnet sich durch
eine ausserordentliche Fürsorge für den Reisenden aus. Sie wird erreicht durch eine weitestgehende Haftung für die Angaben im Prospekt und
durch eine Beweislastumkehr für das Verschulden. Aus der Angabe im Katalog «sichere und
sanfte Anstiege» hat das OLG München geschlossen, dass der Veranstalter sich zur Schaffung
«grösstmöglicher Sicherheit» verpflichtet habe.
Den Entlastungsbeweis, dass er, bzw. die Bergführer vor Ort als seine Erfüllungsgehilfen (§ 278
BGB), nicht schuldhaft gegen diese Verpflichtung
verstossen habe, habe er nicht erbracht. In diesem Zusammenhang erhebt das Gericht gegen
die Bergführer vier Vorwürfe, die für geführte Skitouren allgemeine Bedeutung gewinnen können:
1. Die fehlende Abfrage des Lawinenlageberichts
Das Gericht wirft den Bergführern vor, sie hätten
den Lawinenlagebericht nicht abgefragt. Zu diesem Vorwurf hätte sich das OLG München auf die
Rechtsprechung in Österreich und der Schweiz
stützen können24. Allerdings muss die Gefahrenstufe in dem Lawinenlagebericht in jedem Fall mit
den lokalen Informationen überprüft und wenn
nötig angepasst werden (was im Strafverfahren
vor dem LG Innsbruck geschehen ist). Generell
130
kann davon ausgegangen werden, dass ein Bergführer, der sich mehrere Tage in einem bestimmten Gebiet aufgehalten hat, die lokale Lawinensituation genauer beurteilen kann. Zu beachten ist
auch, dass der (regional gültige) Lawinenlagebericht kein konkretes Urteil über Zustand und
Begehbarkeit eines bestimmten Einzelhangs abgeben kann.
2. Die fehlende Anordnung von Entlastungsabständen
Auch zur Einhaltung von Entlastungsabständen
hätte sich das OLG München auf die Rechtsprechung in Österreich und der Schweiz berufen können25. Für die konkrete Situation hat das LG Innsbruck im Strafverfahren26 allerdings festgestellt,
dass das Nichteinhalten solcher Abstände dem
herrschenden Ausbildungsstand der Bergführer
entsprochen hat, wenn auch Entlastungsabstände nach der Neuen Lawinenkunde unabhängig
von der Gefährlichkeit des Hangs angezeigt
gewesen wären.
3. Erreichen der Hütte ohne Querung des
Unglückshangs
Zum dritten Vorwurf hat das LG Innsbruck im
Strafverfahren festgestellt, «dass besonders ungünstige Umstände, die von den Beschuldigten
auch nicht vorhersehbar waren», zu dem Unfall
geführt haben. Das OLG München hat, soweit
ersichtlich, eigene Feststellungen nicht getroffen,
so dass von den Feststellungen des LG Innsbruck
auch im Zivilverfahren auszugehen war. Es kommt
daher zunächst darauf an, ob unter den festgestellten Umständen ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger
Bergführer den Hang begangen hätte anstatt den
Umweg zu nehmen. Mit dem LG Innsbruck wird
dies wohl noch angenommen werden können.
21
22
23
24
25
26
Oben Fn 1.
Bei diesem Unfall waren bei einer auch für Anfänger
ausgeschriebenen Tourenwoche des DAV-SummitClub neun Personen umgekommen. Bei der Rückkehr
von der Tour zur Hütte hatten die Tourteilnehmer im
Aufstieg einen Hang gequert, der sich im oberen Teil
bis 41 ° aufsteilte, in der Aufstiegsspur aber nur 20 °
bis 25 ° aufwies. Die Tourteilnehmer (38 Personen)
waren am Morgen bereits über diesen Hang abgefahren oder mit Schneeschuhen hinuntergegangen. Die
Spuren waren bei der Rückkehr noch sichtbar. Die
Hütte hätte auch ohne Querung des Hangs mit einem
leichten Umweg erreicht werden können.
Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. 06. 1990
über Pauschalreisen [ABl. Nr. L 158 S. 59].
OGH Österreichische Richterzeitung 1971, 172 [Zischgeles, Stubaier Alpen]; U v 25. 03. 1993 [oben Fn 7];
BGE 118 IV 130, 133 [Mot San Lorenzo].
OGH [oben Fn 24]; BG [oben Fn 24].
Oben Fn 1.
Lawinen und Recht
War allerdings – namentlich auf Grund des Katalogs – ein schärferer Massstab massgeblich, so
könnte dies dafür sprechen, dass der Umweg genommen werden musste.
4. Vermeidung des Unfalls bei Befolgung der
jetzt angeordneten Standards
Im vierten Punkt verlangt das OLG, dass die Bergführer Standards befolgen, die im Unfallzeitpunkt
noch nicht bestanden27. Eine nähere Erklärung
hierfür fehlt, so dass auf die allgemeine Begründung zurückgegriffen werden muss, wonach es
für die vertragliche Haftung genügt, wenn ein
pflichtwidriges Verhalten in Betracht kommt und
der Nachweis eines pflichtgemässen Verhaltens
nicht geführt ist. Mangels einer Verkehrsnorm
wäre an sich hierzu auf die differenzierte Massfigur abzustellen und zu prüfen, ob diese die Standards hätte anwenden müssen. Ein strengerer
Massstab gilt, wenn man dem OLG darin folgt,
dass die «grösstmögliche Sorgfalt» geschuldet
war.
II
Haftung aus unerlaubter Handlung
(Organisationsverschulden, § 823 Abs. 1
BGB)
Sofern eine unmittelbare Haftung des Geschäftsherrn (Veranstalters) in Frage kommt, kann es für
den Geschädigten durchaus zweckmässig sein,
neben den Ansprüchen aus (Reise-)Vertrag auf
die Ansprüche aus unerlaubter Handlung (§ 823
BGB) zurückzugreifen. Dies gilt vor allem dann,
wenn beim Tod eines Unterhaltsverpflichteten ein
Anspruch wegen entgangenen Unterhalts (§ 844
BGB) in Betracht kommt. Das Reiserecht gewährt
einen solchen Anspruch nämlich nicht.
1. Deliktische Verkehrspflichten im Reiserecht
Auf Grund der vom Veranstalter beruflich gegenüber dem Kunden übernommenen Pflichtenstellung trifft ihn neben seinen vertraglichen Pflichten
auch die deliktische Pflicht, den Kunden vor Gefahren zu schützen, die auf der Reise entstehen können. Grund ist die Eröffnung einer Gefahrenquelle
und zugleich das Vertrauen des Kunden darauf,
dass der Veranstalter auf Grund seiner Organisation und Überwachung die Gefahren beherrscht.
2. Die Verkehrspflichten des alpinen Verastalters bei nicht professionellen Teilnehmern
Diese deliktischen Verkehrspflichten hat das OLG
München bei dem Jamtalunfall vom 28.12.1999
herangezogen, wobei es sich nicht auf den Einzelfall beschränkt, sondern sehr weitgehende Thesen aufgestellt hat:
a) These 1 – Sicherheitskonzept. Mit der Forderung, dass jedenfalls ein Spezialreiseveranstal-
ter von Hochgebirgstouren mit weitgehend
ungeübten Teilnehmern ein Sicherheitskonzept
entwickeln muss, wendet sich das OLG gegen
die bisherige Meinung, dass die notwendigen
Entscheidungen verbindlich nur vor Ort von
den Bergführern getroffen werden können.
Dass diesen statt dessen Sicherheitsanweisungen erteilt werden sollen, liegt auf der Linie
der Rechtsprechung in Österreich und der
Schweiz28.
Bei seiner Forderung beschränkt sich das OLG
auf die Grundentscheidungen. Mehr kann von
dem Veranstalter angesichts der Vielgestaltigkeit der vor Ort anzutreffenden und sich ständig ändernden Verhältnisse auch nicht geleistet
werden. Insbesondere ist es ausgeschlossen,
für jede Tour entsprechende Handlungsanweisungen zu erarbeiten.
b) These 2 – Inhalt des Sicherheitskonzepts. Im
Einklang mit den modernen Führungsmethoden steht die Forderung des Gerichts, die Teilnehmer der Tour umfassend zu informieren. Als
entlastend für die Bergführer vor Ort kann sich
auch die Anweisung auswirken, trotz des
Drucks, etwas bieten zu müssen, im Zweifelsfall Touren bei ungünstiger Wetterlage, Lawinengefahr und an Hängen mit hoher Neigung
zu unterlassen.
Soweit das Gericht aber fordert, auch Auffassungen seien vorsorglich zu beachten, die in
Fachkreisen ernsthaft diskutiert werden, aber
(noch) keine Verkehrsnormen sind, schiesst es
über das Ziel hinaus. Es ist sicher richtig, dass
solche Auffassungen in die Sicherheitsüberlegungen mit einbezogen werden müssen. Zu
weit geht es aber, wenn auch die vorsorgliche
Beachtung gefordert wird. Auffassungen, die in
der Fachwelt ernsthaft diskutiert werden, sind
möglicherweise zwar auf dem Weg zu einer
Verkehrsnorm, haben die allgemeine Anerkennung aber gerade noch nicht erfahren, wobei
hierfür gute Gründe, etwa ein mangelnder
Sicherheitsgewinn, sprechen können. Da eine
Verkehrsnorm noch nicht vorliegt, kommt es
daher darauf an, was ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger
Mensch aus dem Verkehrskreis des Täters für
notwendig und ausreichend gehalten hätte, um
andere vor Schäden zu bewahren (differenzier-
27
28
Die sogenannten Limits waren erst im September
2000 entwickelt worden (oben Fn 14).
OGH Beschluss vom 23.01.2003 – 6Ob304/02 [Rudolfshütte]; dazu Ermacora Berg und Steigen 2/03 S.
16; Urteil des Einzelrichters des Gerichtskreises XI Interlaken-Oberhasli vom 11.12.2001 [Saxetbach], dazu
Blättler Kriminalistik 2001, 441; Schürch Kriminalistik
2002, 697.
131
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
te Massfigur) 29. Dieser mag im Einzelfall die
neue Auffassung berücksichtigen, im Hinblick
auf ihre mangelnde Erprobung und Verfestigung wäre es aber falsch, ihn stets dazu zu
zwingen.
Eine Verpflichtung zur Beachtung noch nicht
gefestigter Auffassungen kann auch deswegen
nicht in Betracht kommen, weil sogar die Beachtung verfestigter Verkehrsnormen für die
Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt lediglich indiziell ist30, so dass der geforderte Zwang auch deswegen nicht angezeigt sein
kann.
c) These 3 – Notwendigkeit des geforderten
Sicherheitskonzepts bereits am 28. 12. 1999.
Die These, dass das von dem Gericht geforderte Sicherheitskonzept bereits im Unfallzeitpunkt
hätte vorliegen müssen, beruht im wesentlichen darauf, dass das Gericht einen auf Munter
zurückzuführenden «Paradigmenwechsel in
der Lawinenkunde» konstatiert. Sachverständigenbeweis dazu wurde nicht erhoben. Auch
heute lässt sich noch nicht feststellen, dass die
Anforderungen, die die Rechtsordnung generell im Interesse des Rechtsgüterschutzes an
das Verhalten des Menschen in der konkreten
Situation stellen muss (äussere Sorgfalt), (nur)
nach den Methoden der Neuen Lawinenkunde
zu bestimmen sind31.
d) These 4 – Das Fehlen eines Sicherheitskonzepts am 28. 12. 1999 als Verschulden. Umso
fragwürdiger erscheint die Annahme einer
Verletzung der inneren Sorgfalt, mit der die
Anstrengungen bezeichnet werden, die der
Einzelne unternehmen muss, um die an ihn gestellten Anforderungen zu erkennen. Die Nichteinhaltung der äusseren Sorgfalt indiziert zwar
in der Regel die Verletzung der inneren Sorgfalt; dies gilt aber dann nicht, wenn die betreffende Verhaltensanforderung im Unfallzeitpunkt
nicht bekannt oder nicht allgemein anerkannter
Stand des Wissens war32.
e) These 5 – Spätere Entwicklung und Umsetzung eines Sicherheitskonzepts. Dass der
Veranstalter nach dem Unfall ein Sicherheitskonzept entwickelt und umgesetzt hat33, zeigt
nach Auffassung des Gerichts, dass diese
Massnahmen bereits früher möglich und zumutbar gewesen wären. Dies dürfte nicht falsch
sein, entscheidend ist jedoch, ob die Notwen-
29
S oben Abschn. D I 1d aa (b), E III.
30
S oben Abschn. D I 1d aa (a).
31
S dazu oben Abschnitt D I 1 d aa.
OLG Hamm NJW-RR 2004, 598.
Oben Fn 14.
32
33
132
digkeit solcher Massnahmen voraussehbar
war. Die Voraussehbarkeit ist ein wesentliches
Element der Fahrlässigkeit. Massgeblich ist dabei der Zeitpunkt des Schadensereignisses.
Daraus, dass der Schuldner aus einem schädigenden Ereignis die Konsequenzen zieht und
sich um Abhilfe bemüht, kann noch nicht geschlossen werden, dass das Ereignis vor dem
Unfall vorhersehbar war. Auch rechtspolitisch
ist die These fragwürdig, weil die Bemühungen
des Schuldners um mehr Sicherheit ihm letztlich zum Nachteil gereichen.
H
Statt einer Schlussbemerkung
«Eine lebensnahe Rechtspraxis muss berücksichtigen, dass Bergsteigen und Skifahren im freien
Gelände von der Gesellschaft gebilligte, besonders gefahrengeneigte Tätigkeiten sind, wo nicht
jeder Unfall seinen Täter hat.»
Klaus Weber, Präsident des Landgerichts Traunstein
aD, zuvor Leitender Oberstaatsanwalt, Mitglied des
Fachbeirats Recht des Deutschen Alpenvereins.
Résumé: Situation juridique en cas
d’accident d’avalanche en Allemagne
En Allemagne, le droit pénal et le droit civil ont évolué
différemment: alors que les tribunaux civils ont tendance à étendre la responsabilité, les instances du ministère public et les tribunaux pénaux inclinent davantage
vers la responsabilité propre du skieur ou de l’alpiniste.
Les questions centrales en matière de droit civil sont
les problématiques de causalité, de contexte d’imputabilité et de négligence:
a) Un comportement est causal lorsqu’il ne peut être
ignoré ou – en cas d’omissions – il ne peut être ajouté sans suppression de la conséquence (condition
sine qua non). La condition doit présenter un lien de
causalité adéquate de sorte que des effets de causalité exceptionnelle ne puissent être imputés aux
responsables du dommage; la jurisprudence ne reprend cependant ceci que rarement. Il y a également
causalité lorsque plusieurs causes ont interagi alors
que chacune d’entre elles prise isolément n’aurait
pas provoqué le dommage (causalité cumulative).
b) Le contexte d’imputation manque pour les cas dans
lesquels le dommage serait également intervenu si
le responsable du dommage s’était comporté correctement; ces dommages ne sont pas couverts par
la protection visée par la norme. D’autre part, en
principe, le comportement (déficient) de tiers
n’interrompt pas le contexte d’imputation.
c) La négligence est définie par la loi dans le droit civil
allemand (§ 276 al. 2 du code civil). Agit négligemment quiconque ne fait pas preuve de la diligence
requise (critère objectif). Une source essentielle permettant d’apporter la preuve d’une violation objec-
Lawinen und Recht
tive du devoir de diligence sont les règles propres du
sport (règles de l’alpinisme). Pour savoir si et à partir
de quand une nouvelle expérience ou découverte
qui promet une sécurité accrue est devenue une règle de l’alpinisme (à ski), on se base sur les publications dans la littérature alpine, les recommandations
des associations alpines, l’utilisation pendant de
nombreuses années dans le cadre de la formation et
de la formation continue, ainsi que l’application incontestée et constante dans la pratique sur une période prolongée. Si une telle règle ne peut être
constatée, on examinera comment une personne réfléchie et raisonnablement prudente parmi les relations de la personne responsable du dommage
(alpiniste) se serait comportée dans une situation
concrète pour préserver les autres de tout dommage
(en Autriche: «personne de référence différenciée»).
d) Une responsabilité nettement plus précise s’applique aux organisateurs commerciaux de randonnées
à ski qui offrent non seulement des services de formation et de guide, mais également d’autres prestations telles que le transport ou le logement. Pour
eux, s’applique le droit du voyage (§§ 651a ss. CC)
qui s’appuie sur la directive UE sur les voyages (directive 90/314/CEE du Conseil) et qui prévoit entre
autres une sorte de garantie des indications du prospectus (p. ex. «des ascensions sûres et douces»).
Dans le droit pénal, il y a des particularités en matière
de causalité (le principe d’équivalence s’applique), de
négligence (le critère de diligence s’applique), de responsabilité individuelle pour sa propre mise en danger
(ne s’applique pas lorsque l’auteur du dommage possède des connaissances techniques supérieures).
Klaus Weber, président du Tribunal de grande instance
de Traunstein à la Danube (retraité), ancien procureur
général en chef, membre du groupe de réflexion Droit
du Club alpin allemand (DAV).
Riassunto: La situazione giuridica in caso
di incidente da valanga in Germania
In Germania il procedimento civile differisce da quello
penale: mentre i tribunali civili tendono a estendere la
responsabilità, le procure e i tribunali penali sono invece più propensi a riconoscere la responsabilità individuale dello scialpinista (arrampicatore).
Le questioni centrali intorno alle quali ruota il procedimento civile sono la causalità, il nesso di imputabilità e
la negligenza.
a) Un comportamento si intende causale se non può
essere immaginato o, in caso di omissioni, non può
essere figurato senza che venga meno la sua efficacia (conditio sine qua non). Poiché la condizione
deve essere adeguatamente causale, determinate
causalità straordinarie non vengono imputate
all’autore del danno; tuttavia la giurisprudenza accetta questa condizione solo raramente. Una causalità sussiste anche quando concorrono più cause,
ognuna delle quali non avrebbe da sola provocato il
danno (causalità cumulativa).
b) Il nesso di imputabilità manca nei casi in cui il danno
si sarebbe verificato anche se il suo autore si fosse
comportato correttamente; questi danni non vengono rilevati dal carattere protettivo della norma.
Dall’altro lato, il comportamento (sbagliato) di terzi
non interrompe fondamentalmente il nesso di imputabilità.
c) La negligenza è contemplata dal diritto civile tedesco
(art. 276, comma 2, Codice Civile BGB). Agisce con
negligenza colui che viola il necessario dovere di
diligenza (parametro obiettivo di diligenza). Un’importante fonte per la dimostrazione di un’obiettiva
violazione del dovere di diligenza sono le regole dello sport (regole dello scialpinista e dell’arrampicatore). Se e da quando una nuova esperienza / conoscenza che promette una maggiore sicurezza si è
trasformata in regola dello scialpinista o dell’arrampicatore, dipende dalla sua pubblicazione nella letteratura alpina, dalle raccomandazioni dei club alpini, dal suo utilizzo pluriennale durante la formazione
e il perfezionamento e dalla sua applicazione pratica
costante e incontrastata per un lungo periodo di
tempo. Se una simile regola non può essere determinata, è necessario verificare come si sarebbe comportata nel caso concreto una persona prudente e
giudiziosa, con un’accortezza entro limiti ragionevoli, proveniente dalla cerchia dell’autore del danno
(scialpinista / arrampicatore), per proteggere gli altri
da eventuali danni (in Austria: «figura di riferimento
differenziata»).
d) Una responsabilità nettamente maggiore vale per le
agenzie commerciali che organizzano escursioni di
scialpinismo e che non offrono solo formazione / guida, ma anche altri servizi come trasporto o pernottamento. Per queste ultime vale la legge turistica (artt.
651a e segg. del Codice Civile), che si basa sulla
direttiva turistica dell’UE (direttiva 90 / 314 / CEE del
Consiglio) e che tra le altre cose prevede una sorta di
garanzia per le informazioni contenute nel prospetto
(p. es. «Salite sicure e leggere»).
Nel diritto penale esistono particolarità dal punto di vista della causalità (vale il principio di equivalenza), della
negligenza (vale un parametro di diligenza individuale)
e del mettere in pericolo la propria persona sotto la propria responsabilità (non vale in caso di conoscenza
superiore dei fatti da parte dell’autore dei danni).
Klaus Weber: presidente del tribunale di Traunstein aD,
ex procuratore generale, membro del consiglio legale
del club alpino tedesco.
133
Lawinen und Recht
Rechtspraxis bei Lawinenunfällen in Österreich
Andreas Ermacora
1
Strafrechtliche Verantwortung
der ehrenamtlichen und hauptberuflichen Führer im Zusammenhang mit Lawinenunfällen
Damit sich die Justiz selbst ein Bild von den Örtlichkeiten nach einem Lawinenunfall machen kann,
ist es in Tirol nahezu die Regel, dass der zuständige Staatsanwalt zusammen mit der Alpinpolizei an
Ort und Stelle die Erhebungen leitet. Unterstützt
wird er dabei zumeist von dem bereits beauftragten lawinenkundlichen Sachverständigen. Bei Lawinenunfällen ist es aus mehreren Gründen unbedingt notwendig, in zeitlicher Nähe zum Ereignis
Feststellungen zu treffen. Zum einen können Feststellungen später nicht mehr getroffen werden, da
sich die Verhältnisse im Winter aufgrund von Witterungseinflüssen rasch ändern können. Zum anderen kann der Richter alles, was nicht erhoben wurde, nicht feststellen. Zweifel gehen nicht zu lasten
des Angeklagten. Es gilt der Grundsatz «in dubio
pro reo». Wichtig ist, dass im Strafverfahren eine
strikte «ex ante Betrachtung» zu erfolgen hat. Der
Richter hat sich quasi in die Person des verantwortlichen Führers hineinzuversetzen und alle Erkenntnisse, die dem Führer vor dem Unfall nicht
zur Verfügung standen, nicht zu verwerten.
Wenn es, wie im Alpinrecht die Regel, keine gesetzlichen Grundlagen gibt, richtet sich die Frage
nach einem Sorgfaltsverstoss nach den sogenannten allgemeinen anerkannten Verhaltensregeln. Wann kann man von solchen allgemein anerkannten Verhaltensregeln sprechen?
– Sie müssen mit einem Sicherheitsgewinn verbunden sein.
– Sie müssen von den anerkannten Fachkreisen
(wie z. B. Bergführerverband, Alpinvereine, Alpinpolizei, Bundesheer usw.) gelehrt und in der
Ausbildung regelmässig angewandt werden.
– Sie müssen eine breite Zustimmung in den
Fachkreisen und von den Anwendern finden.
– Sie müssen in der Praxis über einen längeren
Zeitraum (mehrere Jahre) angewandt werden.
– Sie müssen schriftlich fixiert sein.
Wenn es solche allgemein anerkannten Verhaltensregeln nicht gibt, richtet sich der Sorgfaltsmassstab an dem gedachten Verhalten der differenzierten Massfigur. Die differenzierte Massfigur
ist ein mit den rechtlich geschützten Werten, an-
gemessen verbundenen, besonnener und einsichtiger Mensch aus dem Verkehrskreis des Täters.
Das Gericht muss also mit Hilfe des Sachverständigen feststellen, wie sich die Massfigur in der
konkreten Situation verhalten hätte. Wenn sodann
das Verhalten des angeklagten Bergführers weniger sorgfältig war, kann Fahrlässigkeit die Folge
sein.
Jamtalunfall vom 28. 12. 1999 (39 HV 85/00 LG
Innsbruck)
Bei der vom Tiroler Lawinenwarndienst herausgegebenen Warnstufe 4 («grosse» Lawinengefahr)
führten drei staatlich geprüfte Bergführer im Rahmen einer Millenniumsveranstaltung eine Skitour
mit zum Teil unerfahrenen Personen auf den Russkopf im Bereich der Jamtalhütte durch. Beim
Rückweg zur Hütte musste die rund 40köpfige
Gruppe neuerlich einen Hang queren, der am Vormittag bereits erfolgreich begangen wurde. Die
Spur war noch teilweise sichtbar. Die Hütte war in
unmittelbarer Nähe. Der Hang wies im Bereich der
Spur eine Neigung von rund 23 ° auf, im oberen
Bereich steilte er jedoch auf ca. 40 ° auf. Die Führer ordneten keine Entlastungs- oder Sicherheitsabstände an. Die Teilnehmer gingen sodann ungeordnet zur Hütte und wurden von einem Schneebrett, welches völlig lautlos niederging, erfasst. 15
Personen wurden total verschüttet, 9 Personen
starben. Die Umgehung des Hanges hätte einen
Zeitmehraufwand von rund 5 Minuten erfordert.
In dem beim Landesgericht Innsbruck geführten
Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung unter
besonders gefährlichen Verhältnissen ging es
neben der entscheidungswesentlichen Frage der
Vorhersehbarkeit um die Frage, ob die «Muntermethode» (Munter: 3 x 3 Lawinen, 1997) bereits als
allgemein anerkannte Verhaltensregel anzusehen
war oder nicht. Wenn die Bergführer damals nach
dieser Methode vorgegangen wären, wäre der
Verzicht auf die Begehung dieses Hanges als Entscheidungsstrategie vorgesehen gewesen.
Das Landesgericht Innsbruck stellte nach einem
überaus ausführlichen Beweisverfahren fest, dass
die sogenannte strategische Lawinenkunde noch
relativ jung und umstritten war, sodass noch nicht
von anerkannten, auf breiter Basis akzeptierten
Methoden gesprochen werden kann. Die Bergführer haben daher zu Recht die klassische Beurteilungsmethode angewandt. Ausgehend vom Sachverständigengutachten sprach das Gericht die
135
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Bergführer frei, da ihnen ein Sorgfaltsverstoss
nicht nachweisbar war. Der Abgang der Lawine
war nicht vorhersehbar. Auch die differenzierte
Massfigur hätte ausgehend von der strikten ex
ante Betrachtung den Hang gequert.
Wie ein Gericht diesen Fall heute entschieden hätte, vermag ich nicht zu beurteilen. Gerade der
österreichische Bergführerverband wendet sich
strikt gegen die Meinung, dass die strategische
Lawinenkunde bereist als allgemein anerkannte
Verhaltensregeln anzusehen ist. Für diese Argumentation spricht sicherlich die Vielzahl von Methoden und deren unterschiedliche Anwendung in
den einzelnen Kreisen (Alpinvereine, Bergführerverband, Alpinpolizei, Bundesheer). Ausserdem
liegt eine einheitliche schriftliche Fixierung nicht
vor. Der österreichische Bergführerverband hat
klar zum Ausdruck gebracht, dass die strategischen Methoden neben der klassischen Beurteilung nur als methodisch, didaktisches Kontrollinstrument dienen kann, dessen Anwendung nicht
zwingend ist (Koordinationssitzung des Ausbildungsteams zum Österreichischen Berg- und Skiführer). Im Übrigen weisen die Methoden prinzipielle Unzulänglichkeiten auf. Die gröbste liegt wohl
in der Gefahrenstufeneinschätzung, die die Grundlage für alle Methoden ist. Selbst die Lawinenwarner sprechen davon, dass nur rund 70 % der Lawinenlageberichte als korrekt bezeichnet werden
können. (Schweizer in «Sicherheit im Bergland»,
2003, Seite 170 ff) . Im Übrigen hat jeder Bergführer das Recht und die Pflicht, die amtliche Gefahrenstufe, die lediglich den Stellenwert einer Prognose hat, auf ihrer Richtigkeit im konkreten Gelände zu überprüfen. Die amtliche Gefahrenstufe
gibt keine Garantie für ihre Richtigkeit für den zu
beurteilenden Hang bzw. die zu beurteilende
Situation. Zudem steckt in der Gefahrenstufe nur
ein Teil der relevanten Information für die Gefahrenbeurteilung.
Es bleibt also die weitere Entwicklung abzuwarten, ob die strategische Lawinenkunde allgemein
anerkannte Verhaltensregel wird oder nicht.
2
Strafrechtliche Verantwortung der
örtlichen Lawinenkommissionen
Während es also bei geführten Touren zumindest
Ansätze der strategischen Lawinenkunde gibt,
sieht die Situation bei der lawinenkundlichen Betrachtung durch die Lawinenkommissionen anders aus.
Grundlage für die Lawinenkommissionen in Tirol
ist das Gesetz über die Lawinenkommission aus
dem Jahr 1991.
In Gemeinden, in denen Gebiete der Gefahr von
Lawinenkatastrophen ausgesetzt sind, ist vom
136
Bürgermeister eine Lawinenkommission einzurichten. Der Bürgermeister darf nur solche Personen bestellen, die im besonderem Masse geeignet
sind, drohende Lawinengefahr zu erkennen und
zu beurteilen. Die Erfüllung der Aufgaben muss
den Mitglieder im Hinblick auf ihre berufliche Tätigkeit und das Ausmass ihrer Anwesenheit in der
Gemeinde zumutbar sein. Somit kommt dem Bürgermeister bei der Auswahl der Mitglieder eine
ganz entscheidenden Rolle zu. Dies vor allem unter dem Gesichtspunkt des Auswahlverschuldens.
Sollte der Bürgermeister Personen bestellen, die
keine Erfahrung, Ausbildung oder sonstige einschlägige Qualifikation in der Beurteilung der
Lawinengefahr haben und sollte dieses Defizit
letztlich mitausschlaggebend für die Fehlbeurteilung sein, so könnten durchaus auch strafrechtliche Untersuchungen gegen den Bürgermeister
die Folge sein.
Das Land Tirol hat für eine ausreichende Schulung
der ehrenamtlichen Kommissionsmitglieder zu
sorgen. Ausserdem werden die Lawinenkommissionen vom Tiroler Lawinenwarndienst mit allen
möglichen Informationen versorgt, um entsprechende Grundlagen für ihre Entscheidung zu haben. Dennoch ereignen sich selten aber doch Unfälle, die zu einer strafrechtlichen Überprüfung
führen, so z. B. der Lawinenunfall vom 23. 2. 2001
in Obergurgl.
Lawinenunfall vom 23. 2. 2001 in Obergurgl
(28 HV 67/02 z LG Innsbruck, 6 Bs 353/03 OLG
Innsbruck)
Bei einer vom LWD ausgegebenen Gefahrenstufe
4 («grosse» Lawinengefahr) ging eine grossflächige Lawine auf die Gurgler Landesstrasse zwischen
Zwieselstein und Obergurgl ab. Eine vierköpfige
Familie aus Deutschland fand dabei den Tod. Sie
wurde mit ihrem PKW auf der nicht gesperrten
Strasse verschüttet. Ein Strafverfahren wegen
Verdachtes der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen wurde eingeleitet.
Auf der Anklagebank sassen 5 Mitglieder der örtlichen Lawinenkommission. Das Gericht hatte zu
überprüfen, ob die Angeklagten alle ihnen zur
Verfügung gestandenen Informationen eingeholt
hatten. Das sind u. a.
– Der Katastrophenschutzplan
– Der Lawinenkataster
– Die Lawinenchronik
– Der regionale Wetterbericht
– Der aktuelle Lawinenbericht
– Die aktuellen Wetterdaten
– Die aktuellen Schneehöhenberichte
– Information über den Aufbau der Schneedecke
in den Anrissgebieten
– Örtliche Beobachtungen
– Grenzwertstatistiken
Lawinen und Recht
Sollte sich im Gerichtsverfahren herausstellen,
dass die Mitglieder der örtlichen Lawinenkommission eine dieser Grundlagen nicht eingeholt haben
und sollte ihr das Unterlassen dieser Informationsbeschaffung subjektiv und objektiv vorwerfbar
sein, so könnte sich daraus ein strafrechtlich relevanter Vorwurf ergeben.
Nachdem es – wie oben ausgeführt – keine strategische Lawinenkunde für Lawinenkommissionen
gibt und das zitierte Gesetz nur Formvorschriften,
aber keine Verhaltensgrundsätze, wie und auf welchen Grundlagen die Entscheidungen zu treffen
sind, enthält, muss das Gericht wiederum das
konkrete Verhalten der betroffenen Kommission
mit dem hypothetischen Verhalten der Massfigur
vergleichen.
So auch im Fall Obergurgl. Die Mitglieder der Lawinenkommission Obergurgl sind bei ihrer Einschätzung der Situation von der allgemeinen Stufe
4 abgegangen und haben die Beurteilung mit gerade noch Stufe 3 der fünfteiligen Skala vorgenommen. Dazu stellte das Oberlandesgericht
Innsbruck fest: «auch die differenzierte Massfigur,
die als Personifizierung der Rechtsordnung in der
konkreten Situation fungiert, konnte am Morgen
des Unfalltages durchaus nachvollziehbar zum exante Urteil gelangen, dass im Unfallgebiet mit teilweiser Verschüttung der Gurgler Landesstrasse
noch nicht jenes Ausmass erreicht hat, dass die
Sperre der Strasse erfordert.» Die Kommissionsmitglieder wurden daher rechtskräftig freigesprochen.
Der Fall Obergurgl zeigte, dass sich die ehrenamtlichen Lawinenkommissionsmitglieder auf einem
schmalen Grat bewegen. Trotz bester Auswahl,
Ausbildung, Schulung sowie gewissenhafter
Sammlung und Auswertung der Kenndaten können Unfälle mit Personenschäden nicht ausgeschlossen werden. Dieses Restrisiko wird immer
dort bestehen bleiben, wo Menschen entscheiden
müssen. Aufgabe der Justiz ist es sodann, diese
Entscheidungen in rechtlicher Hinsicht zu überprüfen. Dass diese Aufgabe nicht leicht ist, versteht
sich aufgrund der komplexen Marterie «Lawinenkunde» von selbst.
Deshalb kommt dem gerichtlichen Sachverständigen eine entscheidende Rolle zu.
3
Literatur
Bergmann R. und Bergmann H. 2003, Lawinenfachausbildung der österreichischen Berg- und Schiführerausbildung, Bergundsteigen 04 / 03
Munter W. 1997, 3 x 3 Lawinen
Pfeiffer C. und Rothart V 2002, Die Reduktionsmethode
zur Beurteilung der Lawinengefahr für Schitourengeher
aus statistischer Sicht, Sicherheit im Bergland, Jahrbuch 2002, KURASI Innsbruck
Murschetz V. und Tangl. A 2002, Der Jamtal Fall aus strafrechtlicher Sicht, Sicherheit im Bergland, Jahrbuch
2002, KURASI Innsbruck
Gabl K. und Lackinger B. 2000, Lawinenhandbuch
Ermacora A. 2004 «Das alpine Haftungsnetz», Seminarbericht Galtür, Hrsg OEAV
Ermacora A. 2005 «Der alpine Lebensraum im Spannungsfeld zwischen Nachhaltigkeit und Naturgefahren», Hrsg
Wildbach- und Lawinenverbauung
Dr. Andreas Ermacora ist Rechtsanwalt in Innsbruck,
Vizepräsident des OEAV und als Verteidiger in zahlreichen Alpinunfällen ständig mit der Materie «Lawinenunfall-strafrechtliche Verantwortung» beschäftigt.
Résumé: La situation juridique en
Autriche
Au cours des années passées, de nombreux accidents
d’avalanche ayant fait l’objet d’une enquête judiciaire
ou d’une procédure en justice se sont produits dans le
Tyrol. Le thème central était la responsabilité pénale
des guides (guides de montagne / moniteurs de ski, guides bénévoles) ou des membres de la Commission des
avalanches locale.
Sur la base de quatre accidents d’avalanche, l’orateur
expose l’évolution de la jurisprudence en matière de responsabilité lors de randonnées à ski au cours des années écoulées. Alors que jusqu’il y a six ans, l’élément
déterminant était surtout l’évaluation de la situation sur
place en combinaison avec les conditions effectives,
avec l’expérience des guides et avec l’évaluation par
l’expert dans la question du non-respect du principe de
diligence, les tribunaux s’en tiennent aujourd’hui de plus
en plus aux méthodes connues de minimisation des risques, comme par exemple la méthode Munter (3 × 3) ou
la méthode Larcher / OEAV (Stop or Go)
En l’absence de dispositions légales applicables comme c’est par exemple le cas dans le droit alpin, la question de la responsabilité est également examinée en
fonction de ce que l’on appelle les «règles générales
reconnues de comportement». L’exposé de l’orateur
examine plus en profondeur la question de savoir si les
méthodes citées ci-avant de minimisation des risques
comptent déjà parmi les règles générales reconnues de
comportement.
Dans le cas des accidents qui relèvent de la responsabilité de la Commission des avalanches, l’orateur met en
évidence la difficulté d’évaluation de la situation pour les
personnes responsables; il souligne également à quel
point l’évaluation juridique est difficile pour la justice,
surtout dans le cadre d’une stricte analyse «ex ante».
Dans les deux groupes de cas, l’élément commun est
cependant que l’expert désigné par le tribunal joue un
rôle décisif.
Andreas Ermacora, Docteur en droit, avocat à Innsbruck, vice-président de l’OEAV, a été défenseur dans
de nombreux accidents survenus dans les Alpes s’occupant constamment de la question de la «responsabilité pénale en matière d’accident d’avalanche».
137
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Riassunto: La situazione giuridica in
Austria
Negli anni passati si sono verificati in Tirolo numerosi
incidenti da valanga, che sono stati oggetto di inchieste
o processi giudiziari. Il tema centrale era la responsabilità penale delle guide (alpine/escursionistiche / volontarie) o dei membri della locale commissione valanghe.
Sulla scorta di quattro incidenti da valanga, il relatore
illustra come è cambiata nel corso degli ultimi anni la
giurisprudenza sulla responsabilità durante le escursioni di scialpinismo. Mentre sino a sei anni fa erano
determinanti per la questione della violazione del dovere di diligenza soprattutto la valutazione sul posto della
situazione, legata alle condizioni effettive, all’esperienza della guida e alla valutazione dei periti, oggi i tribunali si appoggiano progressivamente ai noti metodi di minimizzazione del rischio, come quello di Munter (3 × 3) o
di Larcher / OEAV (stop or go)
Se p. es. nel diritto alpino non esistono norme giuridiche determinanti, la questione della responsabilità si
orienta anche verso le cosiddette «regole comportamentali generalmente riconosciute». Nella relazione si
analizza poi criticamente se questi metodi di minimizzazione del rischio sopra citati si siano già trasformati in
regole comportamentali generalmente riconosciute.
Per quanto riguarda gli incidenti che ricadono sotto la
responsabilità della commissione valanghe, la relazione spiega le difficoltà che esistono nel valutare la situazione da parte dei responsabili, ma anche le difficoltà
che incontra la giustizia nella valutazione giuridica, soprattutto dal punto di vista «ex ante».
Per entrambi i gruppi assume un ruolo decisivo il perito
nominato dal tribunale.
Il Dott. Andreas Ermacora, avvocato di Innsbruck è
vicepresidente dell’OEAV e nella sua qualità di difensore in numerosi incidenti alpini si occupa costantemente
di incidenti da valanga e responsabilità penale.
138
Lawinen und Recht
Lawinenunfall – Die Rechtslage in der Schweiz
Heinz Walter Mathys
I
Strenger Sorgfaltsmassstab –
hohes Verantwortungsbewusstsein
Im Januar 1994 fand das erste Forum «Lawinen
und Rechtsfragen» statt. RA Dr. Hans-Kaspar
Stiffler, Bundesrichter Dr. Guisep Nay und ihr Referent berichteten über Rechtsfragen. Im Juni
1996 organisierte das SLF in Sion mit ausländischer Beteiligung das Kolloquium «Avalanches et
aspects juridiques». Referenten aus Italien und
Frankreich orientierten über die Rechtslage in den
benachbarten südlichen und westlichen Alpenländern. Bereits anfangs Dezember 1992 hatte ihr
Referent an einer von François Perraudin in Martigny organisierten Weiterbildungsveranstaltung
der Walliser Bergführer zum Thema «La responsabilité civile et pénale du guide de montagne»
schwergewichtig über die Verantwortung bei Lawinenunfällen berichtet.
Heute ist gemäss Programm «vor allem anhand
von Fallbeispielen der letzten 10 Jahre» Stand und
Entwicklung der Rechtspraxis in der Schweiz darzulegen.
Vorweg ist festzustellen, dass Lawinen, wie H.-K.
Stiffler1 am Lawinenforum 1994 zutreffend ausgeführt hat, weitgehend kalkulierbare Naturereignisse geworden sind.
Bevor auf Einzelfälle in den verschiedenen Verantwortungsbereichen des Gemeinwesens (Bund,
Kantone und Gemeinden) und Privater (Bergtransportunternehmungen, Bergführer, Tourenleiter,
Schneesportlehrer und Schneesportleiter, faktische Führer) eingetreten wird, stelle ich aufgrund
meiner Erfahrungen als regelmässiger Referent
und Instruktor, Präsident der SKUS, Mitglied der
Kommission Rechtsfragen auf Schneesportabfahrten von Seilbahnen Schweiz (KRS-SBS) und
Experte im Schneesportrecht mit grosser Genugtuung fest, dass das Verantwortungsbewusstsein
der zahlreichen, speziell aus- und ständig weitergebildeten Sicherheitsverantwortlichen in den
letzten 15 Jahren – teilweise unter dem Eindruck
der ergangenen Straf- und Zivilurteile – stark gestiegen ist.
Herr Bundesrichter, heute Bundesgerichtspräsident Nay hat 1994 in seinen Schlussbemerkungen
zum Lawinenunfall aus der Sicht des Strafrichters
auf die Funktion des Strafrechts als Schutzrecht
zugunsten potentieller Lawinenopfer hingewiesen.
Meine zwischenzeitlich gemachten Erfahrungen
im Umgang mit den Sicherungsverantwortlichen
verschiedener Ebenen belegen, dass der von den
Gerichten angewandte strenge, aber gebotene
Sorgfaltsmassstab das Risiko von Lawinenunfällen tatsächlich vermindert hat. Die tatsächlich
verbesserte Sicherheit liegt im wohlverstandenen
Interesse aller Verantwortlichen.
Höchstmögliche Sicherheit, Risikomanagement
im Rahmen des «erlaubten», «nicht verbotenen»
oder «sozialadäquaten», aber doch «massvollen»
«Risikos» ist Berufung, vocation!
Berufung nicht einzig für Bergführer als Angehörige eines bewilligungspflichtigen Berufes und
Sicherheits- und Rettungschefs, mit oder ohne
eidgenössischen Fachausweis im Pisten- und
Rettungsdienst, Lagerleiter2, Kursleiter3, Klassenlehrer4, Touren- und andere Leiter5, sondern auch
für die Sicherungsverantwortlichen des Gemeinwesens, Mitglieder der kantonalen und kommunalen Sicherheitskommissionen, Sicherheitschefs,
Strassenmeister und Kantoniere.
Wie die vorgenannten Sicherheitsgaranten sind
sich auch die Richter, Anwälte und Staatsanwälte
bewusst, dass die Entscheidfindung bei voraussehbarer Lawinengefahr und deren möglichen
Folgen eine Gratwanderung sein kann. Le risque
zéro n’existe pas!
Bei der Rechtsprechung geht es indessen nicht
um Wahrscheinlichkeiten bzw. Restrisiken6 ohne
Verantwortlichkeiten, sondern um die Frage der
Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit der Lawinen als Naturereignisse und der persönlichen Verantwortung von speziell aus- und weitergebildeten7 Sicherheitsgaranten. Bei Lawinenunfällen
1
2
3
4
5
6
7
SLF (Hrsg.) 1996: Lawinen und Rechtsfragen. Schneeund Lawinenforum 1, S. 52
BGE 98 IV 168 i.S. Z., Urteil vom 04. 09. 1972, Osterskilager, Unfall vom 28. 03. 1970.
P 1536/1986 und Str. 590/1986 i.S. S. vom 10. 02. 1987,
Sustengebiet, Vorderer Tierberg, 26.06.83.
P 1546/1986 und Str. 589/1986 i.S. T. vom 10. 02. 1987,
Sustengebiet, Vorderer Tierberg, 26.06.83
Kreisamt Davos, Strafmandat vom 11. 07. 2005 i.S. B,
J+S-Leiter, Rinerhorn, 29. 12. 2003
uBGE 4C.255/2003 (Urteil vom 28. 11. 2003) zeigt,
dass der Begriff der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht unbekannt ist (E. 4.2, Restrisiko bei Vasektomie).
Siehe SLF (Hrsg.) 2002: Interkantonales Frühwarnund Kriseninformationssystem IFKIS. Schlussbericht.
Davos, SLF. Die Publikation orientiert eingehend über
Pflichtenhefte, Aus- und Weiterbildung, Kursangebote, Regionale Bulletins und Informationssystem.
139
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
muss ihr Handeln, ihr aktives Tun oder Unterlassen, von Gesetzes wegen8 polizeilich abgeklärt,
richterlich untersucht und allenfalls gerichtlich
beurteilt werden.
Untersuchungsbehörden und Gerichte nehmen
eine Beurteilung «ex ante» (aus damaliger Sicht)
vor. Von Besserwisserei «ex post» (aus heutiger
Sicht), wie etwa von den Praktikern und deren
Standesorganisationen kritisiert wird, kann mit
Fug und Recht keine Rede sein.
Weil das Leben an sich gefährlich und Leben ohne
Risiko nicht lebenswert ist, kann in Risiken eingewilligt werden. Wer sich in vollem Bewusstsein
und freier Entscheidung in eine Gefahr begibt
bzw. sich in voller Kenntnis des Risikos bzw. des
Restrisikos an einem erkennbar gefährlichen Unternehmen beteiligt, kann als Opfer von Dritten
keine besondere Vorsichtsmassnahmen verlangen.
Die vielfach gestellte Frage lautet, ob sich die
Rechtsprechung bei Lawinenunfällen in den letzten Jahren geändert hat, insbesondere ob sie
strenger geworden ist. Die Antwort lautet: Der von
den Gerichten angewandte Sorgfaltsmassstab ist
streng geblieben, aber nicht strenger geworden.
Die viel bemühte «Amerikanisierung» der Verantwortung hat keinesfalls stattgefunden.
Es liegt auf der Hand, dass bei Lawinenunfällen
die Interessen des Sicherungsverantwortlichen
mit denjenigen des Opfers konkurrenzieren. Die
Opfer geniessen den Schutz des Opferhilfegesetzes9 und können sich bereits im Strafverfahren als
Privatkläger beteiligen, die Bestrafung des Schuldigen verlangen und Zivilklage aus strafbarer
Handlung einreichen10. Im Urteil hat der Richter
beide Interessen zu berücksichtigen.
Urteile werden von den Betroffenen und deren
Umfeld diskutiert und kritisiert.
Mit derartiger Kritik wurde ich bereits anlässlich
meines Referates vom 2. Dezember 1992 in Martigny konfrontiert. In einem Rundschreiben vom
19. November 1992 an das Bundesgericht, die
Kantons- bzw. Obergerichte sowie die Staatsanwaltschaften der Bergkantone und der Presseagenturen bezeichnete der Schweizerische Bergführerverband das am 16. Januar 1992 im Fall Mot
San Lorenzo ergangene Urteil11 als Fehlurteil.
Weil das Urteil im Ergebnis unzweifelhaft richtig
ist, konnte ich mich dieser Bewertung nicht anschliessen. Richtig ist der Schuldspruch des
Bergführers und Skilehrers wegen fahrlässiger
Tötung, weil die Touristen nicht auf kleinem Raum,
wenn möglich nicht im Nordwesthang mit einer
Neigung von 38 ° des Mot San Lorenzo und nur
mit genügendem Abstand voneinander (Entlastungsabstände) hätten aufsteigen sollen. Zwar
empfiehlt nicht das Lawinenbulletin selber dieses
Verhalten bei Gefahrenstufe 2, also mässiger örtlicher Schneebrettgefahr, wohl aber die Interpre-
140
tationshilfe II dazu, die jedem Bergführer bekannt
sein muss. Ob sich das Unglück nicht ereignet
hätte, wenn diese Anweisungen eingehalten worden wären, lässt sich nicht sagen, doch hätte das
Unglück dann höchstwahrscheinlich weniger
Opfer gefordert. Eine weitere offenkundige Sorgfaltspflichtverletzung bestand darin, dass der
Bergführer die Gruppe in einer leichten Mulde
warten liess, wo die Gefahr einer tödlichen Verschüttung infolge des Staus der Schneemassen
am grössten ist. Es liegt auf der Hand, dass eine
technische Expertise am Ausgang des Verfahrens
nichts geändert hätte. Das Bundesgericht nahm
eine Beurteilung «ex ante» vor. Im Strafrecht sind
alle Ursachen, im Fall Mot San Lorenzo fehlende
Entlastungsabstände und Warteraum in Mulde,
welche zu einem verpönten Erfolg – in concreto
sechs tote Skitouristen aus Holland – geführt haben, gleichwertig; es gilt das Aequivalenzprinzip.
Weil das Aequivalenzprinzip gilt, gibt es im Strafrecht, das sei in Erinnerung gerufen, auch keine
Schuldkompensation!
Allein im Jahre 2005 ergingen drei bundesgerichtliche Urteile, welche Lawinenunfälle und deren
Beurteilung betreffen.
II
Neueste Rechtsprechung
1
Lawinenniedergang auf öffentlicher
Strasse Täsch – Zermatt; Werkeigentümerhaftung, Kausalzusammenhang
Vom Sachverhalt und Strafurteil des Bundesgerichts12 des ersten Falles war bereits am Forum
1994 die Rede. Beim Lawinenniedergang vom 2.
März 1985 gegen 9 Uhr vom Täschwang auf der
rechten Mattertalseite fanden elf Insassen eines
Taxikleinbus und eines Personenwagens den
Tod.
Im Entscheid vom 30. November 1990 kam der
Kassationshof zum Schluss, auch wenn die für
das Schliessen der öffentlichen Strasse TäschZermatt Verantwortlichen ihren Sorgfaltspflichten
genügt und das Lawinenbulletin abgehört sowie
die weiteren möglichen Informationen über die
8
9
10
11
12
Fahrlässige Tötung, fahrlässige schwere Körperverletzung und Störung des öffentlichen Verkehrs sind
Offizialdelikte.
OHG vom 4. 10. 1991, SR 312.5
In dem in Anm. 3 und 4 erwähnten Fall Vorderer Tierberg (Eisprüfung) hatten sich die beiden schwer verletzten Kursteilnehmer als Privatkläger konstituiert.
BGE 118 IV 130, besprochen von Schultz, ZBJV 129
(1993) 614.
BGE 116 IV 182
Lawinen und Recht
Lawinengefahr eingeholt hätten, wäre für sie eine
Lawinengefahr, welche zu einer Strassensperrung
hätte führen müssen, doch nicht erkennbar gewesen. Weil die dem kantonalen Abteilungsdienstchef und dem Strassenmeister zur Verfügung
stehenden Mittel nicht geeignet waren, die Lawinengefahr am Unglücksmorgen zu erkennen, kam
es zu einem Freispruch. Die Verantwortlichen hatten bei der vorgesetzten Behörde einen Lawinenbeobachtungsdienst gefordert. Dieser wurde
ihnen versagt.
Nachdem eine frühere Vorlage abgelehnt worden
war, bewilligten die Stimmbürger von Zermatt am
20. April 1986 den Bau einer Lawinenschutzgalerie, deren Kosten auf 11 Millionen Franken veranschlagt wurden.
Am 22. Februar 1999 wurde der Staat Wallis aus
Werkeigentümerhaftung gemäss Art. 58 OR auf
Zahlung von rund 120 000 Franken samt Zins eingeklagt. Nach einem Zwischenentscheid betreffs
Verjährung vom 23. Mai 2001 wies das Kantonsgericht Wallis die Klage am 12. Oktober 2004 ab.
Am 18. Mai 2005 trat das Bundesgericht auf eine
staatsrechtliche Beschwerde nicht ein und wies
die Berufung ab13.
Zur Frage, ob das Werk im kritischen Zeitpunkt mit
einem unfallkausalen Mangel behaftet war, führt
die I. Zivilabteilung in E. 2.2 aus:
«Diese Frage ist nach objektiven Gesichtspunkten
zu beantworten unter Berücksichtigung der
Zweckbestimmung des Werks (.....) sowie dessen,
was sich nach der Lebenserfahrung am fraglichen
Ort zutragen kann (.....). Sind zur Gewährleistung
der erforderlichen Sicherheit bei der Erstellung
oder beim Unterhalt des Werks besondere Massnahmen angezeigt, kommt dem Kriterium der Zumutbarkeit besondere Bedeutung zu. Der Eigentümer muss jene Vorkehren treffen, die vernünftigerweise von ihm erwartet werden dürfen, wobei
der Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Unfall ereignen könnte, und dessen Schwere einerseits sowie
den technischen Möglichkeiten und den Kosten
der in Frage stehenden Massnahmen andererseits
Rechnung zu tragen ist (.....). Vermag der Eigentümer aus finanziellen, technischen oder praktischen
Gründen als Mindeststandard ein an der unteren
Grenze liegendes Schutzbedürfnis der Benutzer
nicht zu befriedigen, muss das Werk aus dem Verkehr gezogen werden (.....).»
In E. 2.3 stellt das Bundesgericht vorweg fest,
dass diese Grundsätze auch für öffentliche
Strassen gelten, das Strassennetz aber nicht in
gleichem Mass unterhalten werden kann wie zum
Beispiel ein einzelnes Gebäude. Es führt aus:
«Vom Strasseneigentümer, bei dem es sich meistens um das Gemeinwesen handelt, kann nicht
erwartet werden, jede Strasse so auszugestalten,
dass sie den grösstmöglichen Grad an Verkehrssicherheit bietet. Es genügt, dass die Strasse bei
Anwendung gewöhnlicher Sorgfalt ohne Gefahr
benützt werden kann (.....). Dadurch wird das vom
Strasseneigentümer zu vertretende Sorgfaltsmass
herabgesetzt (.....). Im Rahmen des bestimmungsgemässen Gebrauchs ist die gesetzliche Klassierung der Strasse und das zu erwartende Verkehrsaufkommen zu beachten (.....), wobei das Bundesgericht der finanziellen Belastbarkeit des Gemeinwesens besonderes Gewicht beimisst (.....).»
Abschliessend betont das Gericht, dass die Umstände des Einzelfalles massgebend sind.
Bei der Strasse Täsch–Zermatt handelt es sich
gemäss grossrätlichem Dekret um eine als kantonale Bergstrasse eingereihte Bergnebenstrasse,
welche seit 1983 nur für Fahrzeughalter mit Sonderbewilligung offen ist. Auch das Bundesgericht
hielt dafür, dass der Kanton mit Blick auf die Kosten mangels Zumutbarkeit nicht verpflichtet gewesen sei, an der Unfallstelle eine Schutzgalerie
zu erstellen.
Dem Urteil ist zu entnehmen, dass der Kanton
Wallis von 1950 bis in die heutige Zeit für 420 Millionen Franken Schutzbauten erstellt hat und gegenwärtig rund 125 Projekte mit einem Volumen
von rund 100 Millionen Franken in Bearbeitung
sind. Der von 1987 bis 1993 erstellte TäschwangTunnel kam auf rund 4,9 Millionen Franken zu stehen.
Weil der Staat Wallis die Infrastruktur zur Erlangung der notwendigen Kenntnisse über die Witterungsverhältnisse, namentlich beim SLF, nicht bereitgestellt habe, bejahte auch das Bundesgericht
in E. 4.2 den Werkmangel im Sinne von Art. 58
Abs. 1 OR in der Form des mangelnden Strassenunterhalts, verneinte aber den Kausalzusammenhang zwischen dem Mangel und der Entstehung des Schadens. Der Kausalzusammenhang
ist zu verneinen,
«wenn der Eigentümer bei korrektem Unterhalt
des Werks den Eintritt des Schadens nicht hätte
verhindern können (.....).»
Weil das Kantonsgericht verbindlich festgestellt
hatte, dass der Lawinenniedergang auch dann
nicht voraussehbar gewesen wäre, wenn der Kanton die geeigneten Strukturen bereitgestellt hätte,
um die Lawinengefahr rechtzeitig zu erkennen,
war der Schadenseintritt auch für das Bundesgericht nicht auf den mangelhaften Unterhalt der
Strasse zurückzuführen,
«sondern auf höhere Gewalt im Sinne eines unvorhersehbaren und unvermeidbaren Ereignisses,
13
4C.45/2005 (I. Zivilabteilung); zur Werkeigentümerhaftung s. auch 4C.157/2004, Sturz eines 3 1/2 Jahre
alten Mädchens in Webereikanal entlang einer Zufahrtsstrasse, Urteil vom 08.09.2004.
141
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
das mit unabwendbarer Gewalt von aussen einbricht (.....)»,
wobei das Bundesgericht allerdings hervorhob,
«dass im vorliegenden Falle der höheren Gewalt
dogmatisch nicht die Bedeutung zukommt, einen
an sich gegebenen Kausalzusammenhang zu unterbrechen. Vielmehr bildet das Ereignis, das zu
unvorhersehbarer Zeit mit einer Naturgewalt herein gebrochen ist, die ausschliessliche Ursache
des Schadens, denn der Schaden wäre unter den
gegebenen Umständen auch ohne den Werkmangel eingetreten.»
Im Zusammenhang mit der Voraussehbarkeit verwies das Bundesgericht unter Hinweis auf die
Haftung für Tiere gemäss Art. 56 Abs. 1 OR14 und
die analoge Haftungsbefreiung des Geschäftsherrn15 auf den allgemein geltenden Grundsatz,
dass keine Haftung entsteht,
«wenn der präsumtiv Haftpflichtige beweist, dass
ein rechtmässiges Alternativverhalten denselben
Schaden bewirkt hätte wie das tatsächlich erfolgte rechtswidrige Verhalten».
2
Lawinenunfall Meierhofertälli;
eigenverantwortliche Selbstgefährdung,
Würdigung von Expertisen, Sorgfaltswidrigkeit und Vorhersehbarkeit
Am 3. Mai 2005 beurteilte der Kassationshof16 des
Bundesgerichts eine staatsrechtliche Beschwerde
und Nichtigkeitsbeschwerde gegen ein Urteil des
Ausschusses des Kantonsgerichts von Graubünden vom 30. Juni 2004.
Beurteilt wurde ein Lawinenunfall im Parsenngebiet (Meierhofertälli) vom 21. Februar 2000, bei
welchem drei Schneesportler den Tod fanden.
Der Beschwerdeführer war mit seinem Bruder und
zwei Freunden im Skigebiet auf Skiern bzw. auf
Snowboards unterwegs. Nach einigen Abfahrten
auf markierten Pisten und zwei Abfahrten im freien
Gelände legten sie für die dritte Abfahrt auf dem
Mittelgrat etwa 300 Meter zurück. Als erste fuhren
die beiden Freunde in den unverspurten Hang.
Nach einem Abschnitt hielten sie an. Nachdem
der Beschwerdeführer zwei Schwünge ausgeführt
hatte, geriet der Hang auf einer Breite von ca. 60 m
in Bewegung. Der Beschwerdeführer wurde ca.
50 m mitgerissen, bis er ausserhalb der Lawine
unverletzt zum Stillstand kam. Die beiden Freunde, wurden verschüttet und konnten Stunden später nur noch tot geborgen werden. Die Lawine,
welche sich auf eine Länge von ca. 500 m und
eine Breite von etwa 1200 m erstreckte, erfasste
drei sich ebenfalls ausserhalb der Pisten befindliche Skifahrer und Snöber. Einer dieser Skifahrer
fand ebenfalls den Tod. Wegen fahrlässiger Tötung
142
wurde der Beschwerdeführer zu einer Busse von
1000.– Franken verurteilt.
Die wegen willkürlicher Beweiswürdigung erhobene Rüge, es treffe nicht zu, dass der Beschwerdeführer und seine Kollegen Absperrungen passieren mussten, um zum Ausgangspunkt für die Variantenabfahrt zu gelangen und zudem wäre beim
Aufstieg nicht einmal eine Warntafel gestanden,
wies das Bundesgericht, soweit darauf einzutreten war, mit der Begründung ab, dass angesichts
der Tatsache, dass am besagten Tag die Lawinengefahr aufgrund der Warnhinweise an den Stationen offenkundig war, der angeführte Umstand
nichts Wesentliches am Beweisergebnis zu ändern vermöchte. Als unbestritten zu gelten hatte
ebenfalls, dass es sich bei den Verhältnissen am
besagten Tag um einen lawinengefährdeten Hang
gehandelt hat.
Zur Rüge, die beiden getöteten Kollegen seien
dasselbe Risiko eingegangen wie der Beschwerdeführer und zur Frage der sog. eigenverantwortlichen Selbstgefährdung, führt das Bundesgericht in E. 2.4 aus:
«Es ist zwar einzuräumen, dass die beiden getöteten Kollegen dasselbe Risiko eingegangen sind
wie der Beschwerdeführer. Dieser Umstand lässt
es indessen nicht als willkürlich erscheinen, dass
die überlebende Person unter den gegebenen
Voraussetzungen zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen wird. Das Vorliegen einer – den Tatbestand ausschliessenden – sogenanten eigenverantwortlichen Selbstgefährdung stellt im Übrigen
eine Frage des Bundesrechts dar und wurde vom
Beschwerdeführer im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde zu Recht nicht geltend gemacht. Eine
solche würde nämlich voraussetzen, dass die Getöteten bis zum tödlichen Ereignis Herrschaft über
den Geschehensablauf gehabt hätten (.....), was
hier nicht der Fall war. Abgesehen davon wurde
vorliegend auch ein Skifahrer getötet, der sich in
weniger exponiertes Gelände begeben hatte.»
In E. 4 äusserte sich das Bundesgericht zur Würdigung von Expertisen. Es führt aus:
«Das Sachgericht würdigt ein Gutachten grundsätzlich frei, auch wenn es mangels eigener Fachkenntnisse einen Sachverständigen beizieht (.....).
Doch darf es in Fachfragen nicht ohne triftige
Gründe seine Meinung anstelle derjenigen des Experten setzen; weicht es von der Expertenmeinung ab, muss es dies begründen. Verlangt das
Gesetz den Beizug eines Gutachters, darf der
Richter von dessen Folgerungen abweichen, wenn
gewichtige, zuverlässig begründete Tatsachen
14
15
16
BGE 131 III 115, 119
BGE 97 II 221 E. 1
6P.163/2004 und 6S.432/2004
Lawinen und Recht
oder Indizien deren Ueberzeugungskraft ernsthaft
erschüttern. Das Abstellen auf eine nicht schlüssige Expertise kann gegen das Willkürverbot (.....)
verstossen (.....).
Der Richter kann namentlich dann von den
Schlussfolgerungen eines Gutachters abweichen,
wenn sich dieser schon in seinem Gutachten widersprüchlich äussert oder bei einer nachfolgenden Einvernahme in wichtigen Punkten von der im
Gutachten vertretenen Auffassung abweicht. Er ist
in seinem Entscheid auch dort weit gehend frei,
wo ein Gutachten ausdrücklich auf bestimmte Akten oder Zeugenaussagen gestützt wird, deren
Beweiswert oder Gehalt der Richter anders bewertet (.....).»
Im zu beurteilenden Fall waren zwei Experten, ein
amtlicher und ein privater, tätig. Den Parteien und
den Richtern lagen vor das amtliche Gutachten
vom August 2001 mit zwei Ergänzungen von Mai
und November 2002 sowie das vom Beschwerdeführer eingereichte Privatgutachten von anfangs
Januar 2004.
Der amtliche Gutachter war aufgrund der gesamten Aktenlage und den Beobachtungen zum
Schluss gekommen, dass höchstwahrscheinlich
der Beschwerdeführer die Unfallawine ausgelöst
hat. Der Privatgutachter kam demgegenüber zum
Ergebnis, es könne nicht ausgeschlossen werden,
dass eine andere sich am Hang aufhaltende Person den Lawinenniedergang verursacht haben
könnte. Als Ursache seien auch seismische Wellen durch Flugobjekte oder Erschütterungen durch
Pistenfahrzeuge in Betracht zu ziehen.
Zum Expertenstreit führt das Bundesgericht in E.
8 aus:
«Das Gutachten hat die damalige Situation am
Hang differenziert analysiert und in nachvollziehbarer Weise dargestellt, dass der Beschwerdeführer höchstwahrscheinlich den Lawinenniedergang
ausgelöst hat. Das Kantonsgericht hat das Gutachten kritisch gewürdigt und dabei die unterschiedlichen Bewertungen des Privatgutachtens unvoreingenommen einbezogen. Der Beschwerdeführer
versucht, andere Ursachen für den Lawinenniedergang als wahrscheinlich darzustellen. Gewichtige
Tatsachen oder Indizien, welche die Ueberzeugungskraft des Gutachtens ernsthaft erschüttern,
bringt er nicht vor. Die staatsrechtliche Beschwerde ist auch in diesem Punkt abzuweisen.»
Bei der Prüfung der Nichtigkeitsbeschwerde führt
das Bundesgericht zu Sorgfaltswidrigkeit und
Vorhersehbarkeit in E. 11 aus:
«Sorgfaltswidrig ist die Handlungsweise, wenn der
Täter zum Zeitpunkt der Tat aufgrund der Umstände sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die
damit bewirkte Gefährdung der Rechtsgüter des
Opfers hätte erkennen können und müssen und
wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat (Art. 18 Abs. 3 Satz 2 StGB).
Wo besondere Normen ein bestimmtes Verhalten
gebieten, bestimmt sich das Mass der zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften (BGE 122 IV 17 E. 2b/aa mit Hinweisen).
Fehlen solche, kann auf analoge Regeln privater
oder halbprivater Vereinigungen abgestellt werden, sofern diese allgemein anerkannt sind. Das
schliesst nicht aus, dass der Vorwurf der Fahrlässigkeit auch auf allgemeine Rechtsgrundsätze wie
etwa den allgemeinen Gefahrensatz gestützt werden kann (BGE 127 IV 62 E. 2d).
Erkennbar bzw. voraussehbar ist die Gefahr des
Erfolgseintritts für den Täter, wenn sein Verhalten
geeignet ist, nach dem gewöhnlichen Lauf der
Dinge und den Erfahrungen des Lebens einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen oder
jedenfalls zu begünstigen. Dabei müssen die zum
Erfolg führenden Geschehensabläufe für den konkreten Täter mindestens in ihren wesentlichen Zügen voraussehbar sein. Die Vorhersehbarkeit der
zu beurteilenden Ursache für den Erfolg ist nur zu
verneinen, wenn ganz aussergewöhnliche Umstände, wie das Mitverschulden eines Dritten oder
Material- oder Konstruktionsfehler, als Mitursache
hinzutreten, mit denen schlechthin nicht gerechnet werden musste und die derart schwer wiegen,
dass sie als wahrscheinlichste und unmittelbarste
Ursache des Erfolgs erscheinen und so alle anderen mitverursachenden Faktoren – namentlich das
Verhalten des Angeschuldigten – in den Hintergrund drängen (BGE 127 IV 34 E. 2a; 122 IV 17 E.
2c; 121 IV 10 E. 3, 286 E. 3 je mit Hinweisen).»
In E. 12 begründet der Kassationshof unter Bezugnahme auf:
– das Lawinenbulletin des SLF vom 20. Februar
2000, 17 Uhr,
– die europäische Lawinengefahrenskala,
– die fehlende Erfahrung in der Beurteilung der
Lawinengefahr und
– die Missachtung der von den sicherungspflichtigen Bahnbetreibern angebrachten Warnungen,
warum der Schuldspruch wegen fahrlässiger
Tötung rechtmässig ist. Das Gericht hält fest:
«Indem der Beschwerdeführer das Lawinenbulletin
bzw. die Warnhinweise ignorierte und in diesen
Hang hineinfuhr, missachtete er die gestützt auf die
massgebenden Verhaltensregeln der Lawinenkunde gebotene Sorgfalt. Wie das Kantonsgericht zutreffend und ausführlich darlegt, wäre für den Beschwerdeführer bei pflichtgemässer Vorsicht die
mögliche Folge seines Tuns voraussehbar gewesen.
Es kann darauf verwiesen werden. Dadurch hätte
sich der Lawinenniedergang mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ereignet und der
Tod der Skitouristen wäre vermieden worden.»
143
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
3
Befangenheit eines gerichtlichen Sachverständigen
Am 23. März 2005 hatte sich die I. öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren17 eines Opfers
im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG mit der Frage der
Befangenheit eines gerichtlichen Sachverständigen auseinanderzusetzen.
Der Beschwerdeführer, welcher beim Befahren
eines Skiweges über eine stark (45 Grad) abfallende Böschung hinab stürzte und sich beim Zusammenprall mit einem ungepolsterten Baum schwere
Verletzungen zuzog, machte geltend, der Gutachter habe ausführliche rechtliche Schlussfolgerungen gezogen, sei von einem falschen Sachverhalt
ausgegangen und überdies sei sein Verhältnis zu
einer Versicherungsgesellschaft zu klären.
Die Rügen waren unbegründet. Das Bundesgericht führt in E. 2.3 aus:
«Der Beschwerdeführer hat sich zunächst ausdrücklich mit dem Vorschlag der Beschwerdegegner einverstanden erklärt, E. mit der Erstellung
eines «Verkehrssicherungsgutachtens» zu beauftragen. Dieser wurde von ihm als «einer der
massgeblichen Spezialisten auf dem Gebiet des
Skirechts» bezeichnet, auf dessen Publikationen
er sich bei seiner Strafanzeige auch selber stützte.
Es war somit allen Beteiligten und insbesondere
auch dem Beschwerdeführer bekannt, dass es
sich beim Gutachter nicht um einen Fachmann für
Bau und Betrieb von Skipisten, sondern um einen
Juristen handelt. Der dem Gutachter erteilte Auftrag, abzuklären, ob die Beschwerdegegner ihrer
Verkehrssicherungspflicht nachgekommen seien,
liess sich denn auch ohne rechtliche Erwägungen
letztlich nicht erfüllen. Dazu musste der Gutachter
zwangsläufig die Rechtsfrage klären, was genau
der Inhalt dieser Pflicht war, ob und wenn ja zu
welchen (weiteren) Massnahmen die Beschwerdegegner nach den einschlägigen Normen und
der Gerichtspraxis verpflichtet gewesen wären,
um den Skiweg, auf welchem der Unfall passierte,
besser zu sichern. Angesichts des zwiespältigen
oder jedenfalls unpräzisen Auftrags ist es nicht
grundsätzlich zu beanstanden, dass sich der Gutachter (auch) zu Rechtsfragen äussert. Auch wenn
er, wie das Obergericht festhält, den Gutachterauftrag «etwas unglücklich» interpretierte, so dass
der Eindruck habe entstehen können, es sei an
ihm gewesen aufzuzeigen, ob die Angeschuldigten eine Sorgfaltspflichtverletzung begangen hätten oder nicht, lässt ihn dies unter diesen Umständen noch nicht als befangen erscheinen.»
4
Im Jahre 1998 wurden die Bergbahnverantwortlichen durch Urteile des Kreisgerichts Visp vom 6.
Mai und des Bundesgerichts18 vom 1. Dezember
aufgeschreckt.
Am 18. April 1994 wurde im Skigebiet Unterrothorn
bei Zermatt ein Skifahrer von einer Lawine mitgerissen und tödlich verletzt. Der Direktor der
Rothornbahn, welcher im Zeitpunkt des Lawinenunfalls wegen eines Spitalaufenthalts abwesend
war, wurde hierfür in seiner Funktion als Hauptverantwortlicher für den Pistendienst erst- und
zweitinstanzlich wegen fahrlässiger Tötung und
fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs
schuldig erklärt und zu einer Busse von 1000.–
Franken verurteilt. Der Kassationshof des Bundesgerichts bestätigte das Urteil der Vorinstanzen
und wies die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ab. Der Pistenchef, welcher am Morgen
des Unfalltags seine Arbeit nach einer Woche
Ferienabwesenheit wieder aufgenommen hatte,
war vom Kreisgericht freigesprochen worden. Die
wesentliche Begründung lautete, eine Unternehmung wie die Rothornbahn sei verpflichtet, für ihre
Pisten alle Sicherheitsvorkehren zu treffen, um
Unfälle wie den vorliegenden zu verhindern. Dazu
gehöre insbesondere auch die Pflicht, ein ausreichendes Sicherheitsdispositiv aufzustellen (E.
2a). Das Bundesgericht führt aus:
«Zu einem ausreichenden Sicherheitsdispositiv
gehört die Bestimmung der Person, die für die Sicherheit der Piste zuständig und verantwortlich
ist. Eine solche Person ist insbesondere auch für
den Fall zu bezeichnen, dass die primär Verantwortlichen (z. B. der Direktor und sein Stellvertreter) abwesend sind. Es ist mangelhaft, sich darauf
zu verlassen, dass in einem solchen Fall andere
erfahrene Mitarbeiter von sich aus die Verantwortung übernehmen und das Notwendige vorkehren.
Damit die verantwortliche Person die genannten
Fragen prüfen und Entscheidungen treffen kann,
muss sie über die notwendigen Informationen verfügen. Zu einem ausreichenden Sicherheitsdispositiv gehört, dass diese Informationen laufend aufgezeichnet, gesammelt, soweit nötig ausgewertet
und weitergegeben werden. Es ist unhaltbar, wenn
ein für die Sicherheit Verantwortlicher nach einer
mehrtägigen Abwesenheit nicht über alle zur Einschätzung der Gefahrensituation notwendigen
Umstände informiert wird. Selbstverständlich
muss schliesslich klar geregelt sein, dass Skipi-
17
18
144
Lawinenniedergang auf Piste;
mangelhaftes Sicherheitsdispositiv,
Verantwortung des Bahndirektors
1P.600/2004
BGE 125 IV 9
Lawinen und Recht
sten nur geöffnet werden dürfen, wenn ihre
Sicherheit hinreichend abgeklärt werden kann und
auch abgeklärt worden ist. Im Zweifelsfall muss
eine lawinengefährdete Piste geschlossen bleiben.
Die Vorinstanz kam zu Recht zum Schluss, der
Beschwerdeführer habe unterlassen, durch die
Ausarbeitung eines hinreichenden Sicherheitsdispositivs sicherzustellen, dass am Unglückstag die
richtigen Massnahmen zur Verhinderung des
Unfalls getroffen wurden.»
Der Beschwerdeführer bestritt den Kausalzusammenhang, erfolglos. Der Kassationshof führt in E.
2b aus:
«Was der Beschwerdeführer vorbringt, dringt nicht
durch. Entgegen seiner Ansicht besteht zwischen
dem mangelhaften Sicherheitsdispositiv und dem
eingetretenen Unglück ein Kausalzusammenhang.
Nach der Feststellung der Vorinstanz hätte der
Pistenchef am 18. April die Piste nicht geöffnet,
wenn ihm die während seiner Abwesenheit angefallenen Informationen mitgeteilt worden wären.
Durch ein genügendes Sicherheitsdispositiv mit
organisierter Weitergabe aller relevanten Informationen wäre der Unfall also vermieden worden.
Eine lückenlose Verantwortlichkeitsregelung und
eine umfassende Sammlung und Weitergabe von
relevanten Informationen sind auch generell geeignet, dass lawinengefährdete Pisten gesperrt
und Unfälle verhindert werden. Dies entspricht der
allgemeinen Erfahrung und steht ausser Zweifel.»
5
Unternehmensstrafrecht, Organisationsverschulden
Im Zusammenhang mit diesem Entscheid erlaubt
sich ihr Referent den Hinweis, dass am 1. Oktober
2003 mit den Art. 100 quater und 100 quinquies
StGB das Unternehmensstrafrecht in Kraft getreten ist. Es geht um das sog. Organisationsverschulden, das Sicherheitsdispositiv. Soweit die
uns interessierende Verkehrssicherungspflicht
betreffend, statuiert Art. 100 quater Abs. 1 eine
sog. subsidiäre Unternehmensverantwortlichkeit.
Primärer Gedanke des Abs. 1 ist, dass die subsidiäre Verantwortlichkeit eintritt, wenn die Straftat
eines Einzelnen feststeht, aber nicht klar ist,
welche konkrete Person schuldig ist. Die subsidiär-kollektive Verantwortung ist kein Ersatz für
feststehende Individualschuld.
Im Fall Rothorn traf den Bahndirektor aufgrund
seines konkreten Verhaltens tatsächlich ein individuelles Verschulden. Als Direktor eines Unternehmens oblag ihm die Garantenpflicht zur Verhinderung betriebsspezifischer Gefahren (in concreto in
Form der Verkehrssicherungspflicht), welche die
Errichtung eines ausreichenden Sicherheitsdispositivs gebot. Der Direktor hatte die Verantwortlichkeitsregelung in personeller Hinsicht festzulegen,
auch und gerade für den Fall von Stellvertretungen und Abwesenheiten.
Angemerkt sei, dass das Bundesgericht auch in
anderen Fällen fahrlässiger Tötung eindeutige Organisations- und Koordinationsfehler ortete. Erinnert wird an einen Fall der Zusammenarbeit zwischen Bergführerbüro und Bergführer19 sowie das
Verfahren gegen den verantwortlichen Dienstchef
der Winteranlagen der Rigibahnen AG20.
III
Lawinenunglück von Evolène21
Am 21. Februar 1999, gegen 20:10 Uhr, ereignete
sich in Evolène ein Lawinenunglück. Zwölf Personen fanden den Tod.
Im April 2002 wurde gegen den Sicherheitschef
der Gemeinde (chef de la sécurité) eine Voruntersuchung wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet.
Später wurde auch der Gemeindepräsident (Président) in die Voruntersuchung einbezogen.
Mit Urteil des Bezirksgerichts Hérens und Conthey
vom 21. Februar 2005 wurde der Sicherheitschef
(X.) der fahrlässigen Tötung von neun Personen
und fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs, der Gemeindepräsident (Y.) der fahrlässigen Tötung von fünf Personen schuldig erklärt.
Sie wurden zu zwei bzw. drei Monaten Gefängnis
bedingt verurteilt. Die Zivilklagen wurden vorbehalten. Die Verurteilten appellierten und beantragten Freisprechung.
Die Appellationsverhandlung fand am 22. November 2005 vor dem Strafgerichtshof I des Kantons
Wallis22 statt. Die Staatsanwaltschaft und die drei
Privatkläger beantragten Abweisung der Appellationen und Bestätigung des erstinstanzlichen
Urteils.
Mit Urteil vom 11. Januar 200623 bestätigte der
Strafgerichtshof die Schuldsprüche. Wie in erster
Instanz wurde der Sicherheitschef zu zwei Monaten Gefängnis bedingt verurteilt. Die Gefängnisstrafe des Gemeindepräsidenten wurde auf einen
Monat herabgesetzt.
19
20
21
22
23
Pra 2001 N. 54 S. 313 (Urteil vom 27. 9. 2000)
6S.379/2002 (Urteil vom 27. 11. 2002)
Weil die Strafsache noch mit dem ordentlichen
Rechtsmittel Appellation vor dem Kantonsgericht
Wallis hängig war, hat der Referent am Seminar den
Fall ausdrücklich nicht behandelt.
P1 05 30 (Cour pénale I)
Die Angeschuldigten haben eidgenössische, somit
unvollkommene, Rechtsmittel angekündigt.
145
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Die Dörfer Evolène und Les Haudères liegen auf
einer Höhe von 1350 bzw. 1400 Metern. Oberhalb
der Dörfer, auf Höhen zwischen 1600 und 1750
Metern, befinden sich, nach Süden ausgerichtet,
die Weiler Villa, La Sage, La Forclaz und Ferpècle.
Alphütten und Weiden [mayens et alpages] befinden sich bis auf eine Höhe von 2700 Metern.
Wegen der Grösse der möglichen Schneeansammlungen und der Steilheit der Hänge ist die
Lawinengefahr in der ganzen Exposition Süd
gross. Allein im 20. Jahrhundert verzeichnete die
Gemeinde Evolène rund zehn grosse Lawinenniedergänge, welche in der Erinnerung der Bürger
haften.
Im März 1973 legte Experte S. eine Lawinengefahrenkarte für das Gemeindegebiet von
Evoléne vor. Die Karte wurde von Gemeinderat
und Gemeindeversammlung genehmigt und in
das Reglement über die Baupolizei aufgenommen,
welches im Juni 1976 vom Staatsrat homologiert
wurde. Im April 1977 wurde die Lawinengefahrenkarte ergänzt und die Zonen (rot, blau, gelb und
weiss) mit Empfehlungen versehen. Im Jahre 1992
wurde Experte B. mit der Ueberarbeitung des
Zonenplanes beauftragt. B. legte seinen Bericht
im März 1994 vor.
Das Chalet T., in welchem fünf Personen den
Tod fanden, befand sich in der blauen Zone. Die
rote Zone, wo gemäss Empfehlung des Experten
S. keine Bauten errichtet werden dürfen, verläuft
einige zehn Meter oberhalb der Baute. Die Baubewilligung, welche am 1. Juni 1979 von der Kant.
Baukommission erteilt wurde, enthielt keine Auflagen betreffs Lawinensicherheit, was der Gemeindepräsident wusste. Durch den 1994 erstatteten Bericht des Experten B. erfuhren die Zonen
im Bereich des Chalet T. keine Änderungen.
Die Kantonsstrasse Evolène – Les Haudères,
auf welcher vier Personen den Lawinentod fanden, führt an mindestens vier Stellen durch die
rote Zone.
Das Kantonsgericht schloss sich hinsichtlich der
Zonenpläne der Auffassung der gerichtlichen
Sachverständigen C. und H. an und führt im Urteil
(E. 2.6) aus:
«Ils ont conclu que ces plans de zones étaient pertinents et représentatifs du risque local et que depuis le premier plan de zones des années 1970, la
commune avait en main un outil suffisant pour
prendre en considération le risque avalanche du
torrent du Bréquet en particulier».
Im Februar 1999 versah der Sicherheitschef, welcher zufolge seiner Alpinerfahrung allgemeines
Vertrauen und Ansehen geniesst, sein Amt seit
über zwanzig Jahren. Am 11. Juni 1992 hatte er
mit den Kantonsvertretern einen
146
«contrat d’observation et de mesures de prévention dans le cadre de la sécurité hivernale du
réseau routier cantonal»
unterzeichnet. Hierzu führt der Strafgerichtshof aus:
«Ce document définit avec soin les tâches qui lui
étaient dévolues, parmi lesquelles l’établissement
de l’inventaire des secteurs dangereux, décrit le
matériel et les moyens de transport mis à sa disposition et fixe les règles de financement de ses interventions».
Mit der Gemeinde hatte der Sicherheitschef keinen
Vertrag unterzeichnet und auch kein Pflichtenheft erhalten. Er bezeichnete sich auf Gemeindeebene als
«le seul responsable de la prévention des avalanches et disposer d’une compétence exclusive pour
prendre toutes les mesures nécessaires en la matière».
Der Strafgerichtshof schloss sich der Beurteilung
der gerichtlichen Experten an, wonach die Gemeinde Evolène am 21. Februar 1999 wohl über
einen Lawinendienst verfügte,
«mais pas sous la forme d’une organisation planifiée».
Der Gemeindepräsident wird im Organigramm
des Gemeindelawinendienstes an erster Stelle
aufgeführt als «Président». Der Sicherheitschef, als
«chef» bezeichnet, folgt an zweiter Stelle. Es folgen
weitere Verantwortliche für einzelne Verkehrswege,
die Abfahrts- und Langlaufpisten und Stellvertreter.
Der Strafgerichtshof stellt in E. 3.2 fest:
«Ce service était donc bien un service communal,
placé comme tel sous l’autorité et la responsabilité
du président de la commune ….. C’est d’ailleurs la
commune qui avait la haute main sur la sécurité
avalanches en prenant les mesures telles que la
désignation du chef de ce service.»
Gleich den übrigen Gemeinderäten hatte der Präsident volles Vertrauen in den kommunalen und
regionalen Sicherheitschef
«qui prenait dans les faits les mesures de protection telles que fermeture des routes ou évacuation
des habitations».
Der Präsident hatte zwar keine Kenntnis von den
eidgenössischen Vorgaben zum Lawinenschutz24,
kümmerte sich aber um die kommunalen Lawinenzonenpläne. Weil der Präsident im Jahre 1992 anlässlich der Auftragserteilung an den Experten B.
24
Richtlinien des SLF, 1984 erlassen auf die durch die in
Art. 67 WaV aufgehobene Forstpolizeiverordnung vom
01. 10. 1965. Siehe Raumplanungsgesetz vom
22. 06. 1979 (RAP, SR 700) und Waldverordnung vom
30. 11. 1992 (WaV, SR 921.01).
Lawinen und Recht
bereits dem Gemeinderat angehörte, folgerte der
Strafgerichtshof:
«Il connaissait dès lors les diverses zones répertoriées sur le plan, et savait, en particulier que les
zones rouge, bleue et jaune, étaient, à des degrés
divers, des zones de danger».
Am Sonntagmorgen, 21. Februar, stellte der
Sicherheitschef entgegen den Bulletins des SLF
Nr. 98 und Nr. 99 des Vortages25 maximale Lawinengefahr, Stufe 5 (très fort) fest. Nach Auffassung der gerichtlichen Experten war die Einstufung richtig. Gefahrenstufe 5 (sehr gross) bedeutete für den Sicherheitschef, dass die Strassen
grundsätzlich zu sperren und die in der roten Zone
befindlichen bewohnten Gebäude zu evakuieren
waren. Zwei Strassen wurden gesperrt. Die Sperrung der Strasse Evolène – Les Haudères, welche
mehrmals durch die rote Zone führt, unterblieb,
weil der Sicherheitschef der Auffassung war, dass
die Schneemassen unmöglich die Strasse erreichen würden.
Der Gemeindepräsident erkannte am Samstagabend den Ernst der Lage. Telefonisch lud er seinen Sicherheitschef sowie einen Berater, den
Bauverantwortlichen der Gemeinde, zu einem
Treffen im Anschluss an die Messe ein. Die drei
Männer zeigten sich ebenso besorgt wie die Dorfbevölkerung. Sie hatten Kenntnis von den Naturkatastrophen im benachbarten Ausland, insbesondere in Chamonix (Mont-Roc) mit 11 Toten,
sowie von der Lawine, welche am 7. Februar in La
Fouly sieben Chalets zerstört hatte und waren sich
der ausserordentlichen Gefahrenlage bewusst.
Bevor der Sicherheitschef gegen 16 Uhr Evolène
verliess, vergewisserte er sich, dass ein in der
roten Zone befindliches Chalet unbewohnt war.
Der Strafgerichtshof führt in E. 8.2 aus, dass der
Sicherheitschef in einer ersten Phase, in welcher
er die Gefahrenstufe 5 erkannte, seinen ihm obliegenden Sorgfaltspflichten vollumfänglich nachgekommen ist. Ihm wird vorgeworfen, sich mit der
Sperrung zweier Strassen sowie der Evakuation
eines in der roten Zone befindlichen Chalets begnügt zu haben. Aufgrund der von ihm erkannten
ausserordentlichen Gefahrenlage hätte der erfahrene Sicherheitschef auch ausserordentliche
Sicherungsmassnahmen, Sperrung der Strasse
Evolène – Les Haudères und Evakuation der blauen Zone, anordnen bzw. dem zuständigen Strassenmeister und dem Gemeindepräsidenten vorschlagen müssen.
25
Die Bulletins vom Samstag, 9 bzw. 18.30 Uhr, meldeten Gefahrenstufe 4 (gross).
Nach kantonalem Recht garantiert der Gemeindepräsident Sicherheit vor Naturgefahren, als
«Président» des Gemeindelawinendienstes insbesondere vor Lawinengefahr. Im Katastrophenfall
ist er verpflichtet, sämtliche Notmassnahmen zu
ergreifen. Der Strafgerichtshof hält in E. 8.3 vorweg fest, dass der Gemeindepräsident zufolge
seiner doppelten Garantenstellung die Verantwortung für Lawinen keinesfalls seinem Sicherheitschef überlassen durfte. Ueberdies hatte der
Präsident die Lawinensituation derart ausserordentlich eingestuft, dass er seinen Sicherheitschef
zu einem Zusammentreffen im Anschluss an die
Messe aufbot.
«En sa qualité de président et de responsable de
la sécurité avalanches, il devait prendre en compte
le premier outil communal déterminant dans l’évaluation des mesures à prendre, à savoir la carte
des dangers d’avalanches. Celle-ci, comme il l’a
déclaré, lui était connue et il lui accordait, à juste
titre, une grande importance. Comme pour X., la
carte lui aurait révélé ou rappelé que la route communale de la Tour, comme le chalet T., étaient situés en zone de danger. Un examen de la carte
des dangers pouvait aussi l’amener à mettre en
évidence l’approche contradictoire de X. consistant à vouloir protéger les habitations en zone rouge et à ne prendre aucune mesure pour les voies
de communication théoriquement exposées au
même danger puisque sises dans la même zone.
Comme X., il devait admettre qu’en situation de
grand danger, comme il l’avait pressenti, toutes
les zones qualifiées de dangereuses par les experts et figurant comme telles dans les documents
officiels qu’il connaissait, pouvaient être exposées, en particulier les zones bleues. Rien dans les
déclarations des participants à l’entrevue du 21
février 1999 ne laisse supposer que le risque aurait
été apprécié systématiquement pour chacune des
zones communales de danger potentiel. Or il
appartenait au responsable de ce service, de surcroît président de commune, de soulever la question des zones de danger communales si le spécialiste ne le faisait pas lui-même. Comme pour X.,
les circonstances exceptionnelles du 21 février
1999, parfaitement reconnues telles, exigeaient
du responsable de la sécurité avalanches des mesures exceptionnelles. Y. savait en particulier que
l’avalanche du Bréquet était déjà descendue plus
bas que la falaise qui surplombe la zone où se situe la chalet T. Cette connaissance, conjuguée à la
prise en compte des zones de danger communales, devait l’amener à protéger sans hésiter celleci. Comme il l’a déclaré à la police (….), la seule
zone vraiment considérée à fort risque était celle
de la route Arolla – Les Haudères. Ainsi, alors qu’il
avait reconnu une situation de danger exceptionnelle et savait ou pouvait savoir que toutes les mesures de prévention devaient être ordonnées, il
147
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
s’est satisfait de mesures qui n’assuraient que la
protection des zones à fort risque, ignorant celles
où le risque paraissait moins aigu, mais où il ne
pouvait en aucun cas être exclu dans les conditions ce jour-là. Limitant son approche à la
connaissance empirique des zones à risque de la
commune, il a méconnu la réalité du risque avalanche telle qu’elle ressortait de la carte du danger
d’avalanches. En n’ordonnant pas l’évacuation des
habitations en zone bleue, dont celle du chalet T.,
Y. a clairement contrevenu à son devoir de diligence, ses capacités personnelles lui ayant permis de
juger la situation exceptionnelle au niveau du
risque et lui permettant d’envisager les conséquences d’un tel risque pour tous les secteurs
officiellement définis comme dangereux de sa
commune.»
Der Strafgerichtshof bejahte die pflichtwidrige
Unvorsichtigkeit des Gemeindepräsidenten mit
folgender Begründung:
«Par son âge, son expérience de la montagne, sa
connaissance du milieu, des cartes d’avalanches
et du territoire de la commune Evolène, il pouvait
se rendre compte qu’il existait un risque non négligeable qu’une avalanche atteigne les zones de
danger rouge et bleue de sa commune et emporte
des habitations dont il savait qu’elles ne bénéficiaient pas de protection particulière. Eu égard
aux circonstances météorologiques exceptionnelles existant le jour en question, il n’aurait pas dû lui
échapper qu’une évacuation des habitations et
des personnes exposées du territoire de sa commune et que l’absence des mesures de sécurité
imposées par les circonstances était de nature à
leur causer des dommages.»
Der Strafgerichtshof beurteilte das Verschulden
des Gemeindepräsidenten als geringer als dasjenige des Sicherheitschefs,
«au premier chef compétent pour tirer les conséquences imposées par le danger qu’il avait
identifié et dont la négligence a provoqué le décès
de neuf personnes».
Bei der Strafzumessung trug der Strafgerichtshof
der siebenjährigen Verfahrensdauer sowie dem
ausserordentlichen Medieninteresse Rechnung.
Nachtrag des Referenten:
Mit Urteilen von 30. August 2006 hat der Kassationshof des Bundesgerichts die von den beiden
Verurteilten eingereichten Beschwerden abgewiesen (6P.39/2006, 6S.75/2006, 6P.40/2006 und
6S.76/2006).
148
Fürsprecher Heinz Walter Mathys wurde 1978 zum bernischen Staatsanwalt gewählt. Er befasst sich hauptamtlich mit Wirtschafts- und organisierter Kriminalität.
Seit November 1989 präsidiert er die Schweizerische
Kommission für Unfallverhütung auf Schneesportabfahrten SKUS (www.skus.ch) und deren Stiftung. Der
(heutigen) Kommission Rechtsfragen auf Schneesportabfahrten KRS-SBS gehört er seit 1974 an. 1976 verfasste er die erste Auflage der SBS-Richtlinien für
Schneesportabfahrten. Er wirkt im In- und Ausland als
Referent und Experte im Schneesport- und Bergrecht.
Résumé: Accidents d’avalanches – La
situation juridique en Suisse
Le nombre d’accidents d’avalanche jugés en justice est
extrêmement faible. Les procédures pénales et civiles
avec toutes les garanties procédurales d’un Etat de
droit se distinguent par leur longue durée. Il faut régulièrement des années avant d’arriver jusqu’à l’entrée en
force de chose jugée. Au centre des débats se trouvent
surtout les expertises qui sont souvent vivement
contestées. Tous les moyens de recours sont épuisés.
Les témoignages de solidarité sont des signes de la dimension émotionnelle de la problématique.
Le fait que les verdicts de culpabilité et les condamnations pour accidents d’avalanche soient extrêmement
rares est un signe du niveau scientifique élevé de la recherche en matière d’avalanche, de la qualité de la formation de base et de la formation continue des responsables de la sécurité à tous les niveaux, de la qualité du
travail de prévention ainsi que du grand sens des responsabilités qui caractérisent les garants de la sécurité
publics et privés en général et les collaborateurs de
l’ENA en particulier. Les travaux fondamentaux de
l’ENA, les bulletins d’avalanches national et régional
ainsi que l’aide à l’interprétation (7 éditions, 2004) sont
d’office pris en compte lors de l’évaluation de devoir de
diligence dont doivent faire preuve les garants de la sécurité.
La mort par avalanche est une mort exceptionnelle. Selon la réglementation bernoise, la police est tenue de
signaler immédiatement les cas de décès exceptionnels aux autorités d’instruction. La conservation de la
preuve et l’exposé des faits ne tolèrent aucun retard.
Les autorités de poursuites pénales ont l’obligation légale de clarifier si la mort est imputable à un acte punissable. Les investigations peuvent arriver à la conclusion
que la prévisibilité du départ d’avalanche ne peut pas
être prouvée ou pas avec une certitude juridique suffisante ou que l’auteur ne peut pas être identifié ou
confondu. Dispositif de sécurité, prévisibilité objective
et subjective, risque admis, possibilité d’évitement,
acceptabilité et culpabilité sont les critères qui déterminent la responsabilité pénale et civile.
Des lésions corporelles graves et l’homicide par négligence font l’objet de poursuites. Contrairement au code
pénal italien, le code pénal suisse ne prévoit pas de
délai de mise en danger abstraite du déclenchement
d’une avalanche par négligence. Quiconque déclenche
une avalanche et, par conséquent, met en danger les
Lawinen und Recht
usagers des pistes est punissable pour entrave à la
circulation publique. Or, les pistes sont des lieux de
circulation publique.
Les conclusions des autorités de poursuites pénales
constituent régulièrement la base du dédommagement
et de la décision de réparation du dommage moral ainsi
que des sanctions disciplinaires à l’encontre des personnes qui exercent une profession soumise à autorisation.
Avocat, Heinz Walter Mathys a été élu procureur de
Berne en 1978. Il s’occupe essentiellement de la criminalité économique et de la criminalité organisée. Depuis
1989, il préside la Commission suisse pour la prévention des accidents sur les descentes pour sport de
neige SKUS (www.skus.ch) ainsi que sa fondation. Il
appartient depuis 1974 à la Commission (actuelle) des
questions juridiques relatives aux descentes pour sport
de neige. En 1976, il a rédigé la première édition de la
directive RMS pour descente de sport de neige. Il intervient en Suisse et à l’étranger comme orateur et expert
en droit des sports de neige et droit de la montagne.
Riassunto: Incidenti da valanga:
la situazione giuridica in Svizzera
Il numero degli incidenti da valanga che si sono conclusi con una sentenza giudiziaria è estremamente esiguo.
Con tutte le garanzie tipiche di uno stato di diritto, i procedimenti civili e penali e penali sono contraddistinti da
una lunga durata. Sino al passaggio della cosa in giudicato, trascorrono di norma diversi anni. Hanno luogo
discussioni, anche veementi, sulle perizie. I mezzi giuridici vengono sfruttati completamente. Testimonianze di
solidarietà sono il segno del livello emozionale che caratterizza il contesto.
Il fatto che i verdetti di colpevolezza e le sentenze sugli
incidenti da valanga sono estremamente rari, è sicuramente merito dell’alto livello scientifico che hanno raggiunto gli studi sulle valanghe, della qualità della formazione e del perfezionamento dei responsabili della sicurezza a tutti i livelli, della qualità dell’attività di prevenzione e dello spiccato senso di responsabilità che
caratterizza i garanti statali e privati della sicurezza in
generale e il personale dell’Istituto SNV in particolare. I
prodotti fondamentali dell’Istituto SNV, ovvero il bollettino delle valanghe nazionale e quello regionale, come
pure il supporto interpretativo (7.a edizione, 2004), vengono utilizzati per valutare la diligenza che deve osservare il garante per la sicurezza.
La morte causata da una valanga è una morte fuori dall’ordinario. Secondo i regolamenti della città di Berna,
la polizia ha l’obbligo di segnalare immediatamente
all’autorità inquirente tutti i decessi straordinari. L’assunzione delle prove e il chiarimento di come si sono
svolti i fatti non permettono alcun ritardo. L’autorità penale è soggetta all’obbligo di chiarire se il decesso è
riconducibile a un reato. Dalle indagini può risultare che
la prevedibilità della valanga non può essere dimostrata
o non con sufficiente sicurezza giuridica o che l’autore
non può essere accertato o che non è possibile dimostrarne la colpevolezza.
Dispositivo di sicurezza, prevedibilità oggettiva e soggettiva, rischio ammesso, evitabilità, ragionevolezza e
assunzione della colpevolezza sono i criteri che decidono tra responsabilità civile e penale.
I reati di omicidio colposo e di gravi lesioni colpose
vengono perseguiti d’ufficio. Contrariamente al codice
penale italiano, quello svizzero non contempla un reato
astratto di pericolo nel distacco colposo di una valanga. Chi invece provoca il distacco di una valanga
minacciando così gli utenti delle piste da sci, è perseguibile per intralcio del traffico pubblico. Le piste da sci
sono infatti vie di comunicazione pubbliche.
Le conoscenze dell’autorità penale costituiscono regolarmente la base per la compensazione del danno, l’assegnazione del risarcimento morale e per sanzioni
disciplinari nei confronti di persone che esercitano una
professione soggetta a licenza.
L’avvocato Heinz Walter Mathys è stato nominato procuratore di Berna nel 1978. Si occupa principalmente di
criminalità economica e organizzata. Dal novembre
1989 presiede la commissione svizzera per la prevenzione degli infortuni su discese da sport sulla neve
SKUS (www.skus.ch) e la sua fondazione. Fa parte
della commissione (odierna) questioni giuridiche su discese da sport sulla neve KRS-SBS dal 1974. Nel 1976
ha redatto la prima edizione delle direttive SBS per
discese da sport sulla neve. Svolge la sua attività di referente ed esperto su questioni di sport sulla neve e di
diritto alpino sia a livello nazionale che internazionale.
149
Lawinen und Recht
Sorgfaltspflichten von Sicherheitsverantwortlichen
Workshop 1: Variantenfahren
Leitung: Bejamin Zweifel, Erich Degiacomi
Teilnehmende: ca. 15 Personen (u. a. Pisten- und
Rettungschefs, Bergführer, Skilehrer, Vertreter von
Bergbahnen usw.) mehrheitlich aus den Ländern
Deutschland, Österreich und der Schweiz.
1
ze Aufstiege (in der Regel zu Fuss) können vorkommen.
– Tourengelände: Das Tourengelände wird mit
Aufstiegshilfen (Skis mit Fellen, Schneeschuhe,
Kurzskis usw.) in längeren Aufstiegen erreicht.
Ausgangspunkt kann aber auch ein Skigebiet
sein.
Einleitung
2.1
Die Teilnehmer beim Workshop «Sorgfaltspflichten von Sicherheitsverantwortlichen im Bereich
des Variantenfahrens» kamen von unterschiedlichen Interessensgruppen. Vertreter von Rettungsdiensten in Skigebieten, Hersteller von Rettungsgeräten, Vertreter von Bergführern und Skilehrern,
Juristen und Variantenfahrer diskutierten untereinander. Dementsprechend war das Finden von gemeinsamen Meinungen mit Schwierigkeiten verbunden. Der gemeinsame Dialog in diesem Themenfeld wurde in diesem Rahmen als sehr wichtig
erachtet. Man sprach sich allgemein dafür aus,
diesen Dialog auch in Zukunft weiter zu führen,
auch wenn aus diesem Workshop (noch) keine
konkrete Resultate hervorgingen.
Man tat sich schwer, Standards zu definieren. Dabei spielte auch eine gewisse Angst mit. Die Voten
waren kontrovers. Standards seien aber vor allem
für die Ausbildung wichtig und sollten – per Definition – einen Sicherheitsgewinn bringen (vgl. Beiträge von K. Weber und A. Ermacora).
Die nachfolgende Zusammenfassung spiegelt die
Diskussionen der Teilnehmenden und erhebt keinen Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit.
2
Resultate Workshop
Zum besseren Verständnis seien einleitend einige
wichtige Begriffe erläutert: In der Schweiz wird
gemäss SKUS-Richtlinien grundsätzlich unterteilt
in Schneesportabfahrten und freies Gelände.
Grenze ist dabei heute meist der markierte Pistenrand. Im freien Gelände werden viele Begriffe verwendet, die nicht klar definiert sind:
– Variantengelände: Unterscheidung nach vielbefahrenem Variantengelände (entspricht in
etwa dem Begriff der wilden Piste oder dem
pistennahen Gelände) und wenig befahrenem
Variantengelände. Das Variantengelände wird
mit Transporthilfen (Bergbahnen) erreicht. Kur-
Umgang mit Absperrungen
a) Welche Art von Absperrungen am Pistenrand
gibt es und welche Funktionen erfüllen sie?
Es existieren viele unterschiedliche Absperrungen: Tafeln, Absperrbänder, Drehkreuze, Schneewall. Der Begriff Absperrung ist an dieser Stelle
eher irreführend. Es handelt sich häufig um Abschrankungen oder Markierungen des Pistenrandes. Nur eine markierte Piste oder Abfahrtsroute
kann abgesperrt werden, nicht das freie Gelände.
Einzig im Bereich von Bergstationen können Einfahrten ins freie Gelände (v. a bei wilden Pisten)
zusätzlich zur dort stets und dauernd anzubringenden Warntafel temporär bei «erheblicher» Lawinengefahr abgesperrt werden – sofern der Aufwand zumutbar ist.
Ein Teilnehmer war der Ansicht, dass die verschiedenen Markierungen von den Skigebietsbetreibern nicht einheitlich verwendet würden. In der
Schweiz sollte allerdings die einheitliche Handhabung durch die SKUS-Richtlinien gewährleistet
sein. Art und Anwendung der Sperrungen (zeitlich
und räumlich) muss sinnvoll sein. Die Kommunikation über die Bedeutung der verschiedenen Markierungen an die Benutzer sollte durch die SKUS
und FIS-Regeln gewährleistet sein. Man ist sich
aber einig, dass in der Kommunikation an die Benutzer Verbesserungspotential liegt.
Im freien Gelände ist die Eigenverantwortung jedes Variantenfahrers oberstes Gebot.
b) Sind Absperrungen für den Variantenfahrer verbindlich? Kann er bei einer Missachtung rechtlich haftbar gemacht werden? Wie kann der
Variantenskifahrer «legal» ins freie Gelände gelangen?
Absperrungen von Pisten sind grundsätzlich für
alle verbindlich. Die Markierung des Pistenrandes
ist eine «Information» für den Variantenfahrer. Es
kann niemandem verboten werden, sich ins freie
Gelände zu begeben. Wenn eine Schneesport-
151
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
abfahrt durch Lawinen gefährdet ist, die durch
Variantenfahrer ausgelöst werden könnten, ist die
Schneesportabfahrt zu sperren, resp. die entsprechenden Hänge sind zu sichern. Die Pisten- und
Rettungsdienste können sich nicht darauf verlassen, dass sich die Variantenfahrer an die Markierungen halten.
der Richter in seiner Beurteilung sich nie alleine
auf die Reduktionsmethode abstützen würde.
Die Strategischen Entscheidungshilfen werden
aber als Hilfsmittel in der Ausbildung anerkannt
und geschätzt.
2.4
2.2
Bedeutung der Lawinengefahrenstufe
im Variantengelände
c) Ist die Lawinengefahr im Tourengelände anders
als im Variantengelände? Welche Gefahrenstufe wird im Lawinenbulletin wiedergegeben?
Man ist sich einig, dass die Lawinengefahr im viel
befahrenen Variantengelände häufig geringer ist
als im Tourengelände. Das Lawinenbulletin beschreibt die Gefahr grundsätzlich für das freie Gelände, das mehrheitlich Tourengelände ist.
d) Dürfen lokal Anpassungen an die Gefahrenstufe vorgenommen werden?
Bei guter Begründung dürfen bzw. müssen Anpassungen an die Gefahrenstufe vorgenommen
werden. Vor allem von Bergführern und Pistenchefs wird erwartet, dass sie die im Lawinenbulletin prognostizierte Gefahrenstufe vor Ort überprüfen und gegebenenfalls anpassen (nach oben und
nach unten).
e) Welchen Stellenwert hat die im Lawinenbulletin
prognostizierte Gefahrenstufe bei einem Gerichtsfall?
Bei fundierter Begründung werden Anpassungen
der Gefahrenstufe rechtlich klar anerkannt. Von
Bergführern wird eine selbständige Einschätzung
und damit die Überprüfung der Gefahrenstufe vor
Ort erwartet.
Bemerkung: In der Schweiz gibt es in drei Kantonen (Graubünden, Waadt, Wallis) je ein Gesetz,
worin u. a. geregelt ist, wer (Schneesportlehrer,
Bergführer) welche Tätigkeiten (z. B. welche Variantenabfahrten) ausüben darf.
2.3
Strategische Entscheidungshilfen für
die Einschätzung der Lawinengefahr –
Bedeutung im Variantenbereich.
Die Strategischen Entscheidungshilfen werden
von den Diskussionsteilnehmern nicht als Standard angesehen. Es wird bemerkt, dass die Reduktionsmethoden auch nur eine der besten von
allen ungenügenden Methoden sei und daher
auch unzureichend für die rechtliche Beurteilung
sei. Die Juristen bestätigen an dieser Stelle, dass
152
Verantwortung und Haftung im Grenzbereich zwischen gesicherten Gebieten
und freiem Gelände
f) Mögliche Szenarien:
I. Variantenfahrer lösen Lawine aus, die in gesicherte Gebiete (Pisten, Strassen, im Extremfall Siedlungen) vorstossen. Wer ist verantwortlich?
Grundsätzlich ist der Sicherungsdienst, dafür verantwortlich, dass im zu sichernden
Gebiet keine Gefährdung durch Lawinen (natürlich oder künstlich ausgelöst) entsteht.
II. Sicherungsdienste gefährden bei künstlicher
Lawinenauslösung Variantenfahrer.
Die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten dieses Falles wird von den Teilnehmenden als
sehr gering angesehen und nicht weiter diskutiert (siehe dazu Diskussion im Workshop 4).
g) Wie ist die Rechtslage in Schutzzonen (Wild
und Wald)?
In der Schweiz, insbesondere im Kanton Graubünden, können die Gemeinden Wildschutzzonen
ausscheiden. Diese gelten vom 20. Dezember bis
zum 15. April. Jegliches Betreten dieser Zonen ist
verboten und kann durch die Gemeinden gebüsst
werden. In Ausnahmefällen dürfen Forstwege, die
durch die Wildschutzzonen führen, betreten werden, sofern sie als Skirouten (z. B. in SAC-Führern)
ausgewiesen sind.
In Österreich gilt ein generelles Waldfahrverbot für
Ski- und Variantenfahrer im Abstand von 500 m
oder 30 Minuten zu Fuss von der Piste. Ausgenommen sind vom Schneesportgebiet ausgewiesene Abfahrtspisten/-routen. Tourenfahrer sind
vom Gesetz nicht betroffen.
h) Was sind die Konsequenzen für den Variantenfahrer bei unkorrektem Verhalten? Wer darf
diese ausführen?
I. Entzug Skipass
In der Schweiz kann den Benützern von
Transportanlagen und Abfahrten, welche sich
den Anordnungen der Sicherheitsverantwortlichen widersetzen und Signale missachten,
grundsätzlich der Fahrausweis entzogen
werden.
II. Busse, Strafe
Bei Missachtung von Wildschutzzonen (siehe
oben) können durch die Gemeinden Bussen
Lawinen und Recht
ausgesprochen werden. Unter Umständen
können Benützer, welche durch rücksichtslose und unbeherrschte Fahrweise eine oder
mehrere andere Personen erheblich gefährden, bei der Polizei oder beim Untersuchungsrichter wegen Störung des öffentlichen Verkehrs angezeigt werden.
2.5
Sorgfaltspflichten kommerzieller Veranstalter
i) Welche Ausbildung müssen Führer/Leiter von
organisierten Variantenabfahrten haben?
Bergsteiger- und Schneesportschulen, Skischulen oder alpine Vereine sollten interne Richtlinien
haben, welche Ausbildung Ihre Leiter haben müssen. Dies kann Teil eines umfassenderen Sicherungskonzeptes sein.
Einige Teilnehmende erachteten es als problematisch, dass zunehmend internationale Reiseveranstalter auf dem Markt sind, die z. T. andere Qualitätsansprüche im Bezug auf die Ausbildung der
Leitenden haben. Ebenfalls problematisch kann
der Beizug von Hilfskräften (z. B. Hilfsschneesportlehrern) in Spitzenzeiten sein. Hier sollten die
Anbieter konsequent ihre eigenen Richtlinien einhalten.
j) Was muss bei Ausschreibungen und Programmen (Haftungshinweis usw.) beachtet werden?
Wichtig ist die Prospektwahrheit. Informationen
über die Gruppengrössen und über das Restrisiko
werden als hilfreich angesehen.
k) Wie kann und muss das Programm den Verhältnissen angepasst sein?
Anpassungen an die Verhältnisse sind wichtig und
müssen vorgenommen werden. Sie sind in der
Regel sowieso im Sinn des Veranstalters und der
Kunden.
In diesem Zusammenhang wird auch das Skigebiet als Anbieter gesehen. Dabei besteht eine gewisse Unsicherheit, was die Werbung und Vermarktung der Skigebiete betrifft. Folgende Punkte
wurden dabei erwähnt:
– Im Pistenplan sollten keine markierten «Freeride»-Gebiete eingezeichnet sein, da dies zu
Problemen führen kann.
– Werbung mit «Freeride»-Bildern für das Schneesportgebiet ist heute normal und wird daher
nicht als problematisch angesehen (von juristischer Seite bestätigt).
– Wird ganz spezifisch für das «Freeriden» geworben, sollte dies auch in einem sicheren
Rahmen möglich sein (Angebote von ausgebildeten Führern).
2.6
Sorgfaltspflichten der Bergführer /
Schneesportlehrer / Leiter
l) Was sind heutzutage die Standards bei der
Lawinennotfall-Ausrüstung?
Die Diskussion zeigte, dass »Standards», welche
in der Ausbildung und in Richtlinien von Verbänden verwendet werden, in der Praxis nicht immer
Anwendung finden. Damit ist auch klar, dass derartige Empfehlungen (noch) keine Standards im
juristischen Sinne sind. Obwohl bei von
Schneesportschulen organisierten Abfahrten die
Ausrüstung mit LVS und Schaufel klar als Standard betrachtet wird, beobachtet man, dass in der
Praxis die Ausrüstung manchmal unvollständig
vorhanden ist. Dies dürfte sich im Falle eines Unfalles für den Veranstalter negativ auswirken.
Die mangelnde Ausrüstung scheint u. a. folgende
Ursachen zu haben:
– Gruppen verlassen die Piste nur für kurze Zeit.
Dabei wird nicht extra die Lawinennotfall-Ausrüstung besorgt.
– Die Gäste sind nicht bereit, zusätzliche Kosten
für die Lawinennotfall-Ausrüstung in Kauf zu
nehmen.
Die Teilnehmenden waren sich aber einig, dass
bei von Bergführern geleiteten Gruppen die Ausrüstung mit LVS, Schaufel und Sonde als Standard
anzusehen ist. Bei anderen geführten Gruppen
wird zumindest die Ausrüstung mit LVS und
Schaufel als Standard betrachtet.
Die Teilnehmenden diskutierten intensiv über die
Bedeutung des ABS (Lawinen Airbag-System).
Man war sich einig, dass der ABS in Bezug auf
Sicherheitsgewinn dem LVS und der Schaufel
gleichzusetzen ist. Einzelne Teilnehmende waren
der Ansicht, dass der ABS sich gerade im Variantenbereich an der Schwelle zum Standard befinde. In vielen Bergsteiger- und Schneesportschulen würde der ABS-Rucksack standardmässig
von allen Kunden getragen. Teilweise seien Gruppen auch nur mit ABS-Rucksack und Schaufel
(d h. ohne LVS) ausgerüstet. Die Praxis zeigt, dass
der ABS im Variantenbereich zunehmend Verbreitung findet, aber noch nicht den Verbreitungsstand von LVS und Schaufel erreicht hat. Er kann
deshalb auch aus juristischer Sicht kaum als Standard angesehen werden.
Über Funk und Mobiltelefone wurde in diesem
Zusammenhang nicht diskutiert (vgl. Workshop 2:
Skitourenfahren).
m) Was sind die Standards bezüglich Information
über Wetter- und Lawinensituation?
Die Konsultation des Lawinenbulletins wird von
den Teilnehmenden als Standard angesehen. Der
Wetterbericht wird ebenfalls als Standard gewer-
153
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
tet, wobei teilweise die Wetterangaben aus dem
Lawinenlagebericht als genügend betrachtet werden. Die lokale Einschätzung vor Ort wird ebenfalls als Standard angesehen und soll laufend
überprüft werden.
n) Was wird vom Leiter einer Gruppe erwartet,
bevor er sich ins lawinengefährdete Gelände
begibt?
Zu diesem Thema wurden folgende Punkte als
wichtig erachtet: Materialkontrolle, LVS-Check,
klare Spielregeln für die Abfahrt und generelle
Verhaltensregeln. Eher in die Kategorie «Nice to
have» fiel der Punkt «Übung im Umgang mit der
Lawinennotfall-Ausrüstung». Hier fehle gerade
beim Variantenfahren meistens die Zeit.
o) Was sind denkbare Führungsmängel und wie
können sie vermieden werden?
Dieses Thema wurde nur noch sehr kurz diskutiert. Als Führungsmängel werden unter anderem
die folgenden Punkte angesehen: Standards nicht
erfüllt oder durchgesetzt, keine klare Kommunikation/Regeln, fehlende Konsequenz, fehlende Disziplin, schlechte Vorbildfunktion.
3
Schlussfolgerungen
Die Diskussion in diesem Rahmen zum Thema
«Sorgfaltspflichten von Sicherheitsverantwortlichen im Bereich des Variantenfahrens» ist noch
jung und sollte unbedingt weiter geführt werden.
Eine erste Sensibilisierung und Annäherung der
verschiedenen Gruppen konnte in diesem Rahmen bereits erzielt werden. Die «Ergebnisse» aus
dem Workshop dürfen aber keinesfalls als der
Weisheit letzter Schluss aufgenommen, sondern
als Diskussionsgrundlage für die Zukunft verstanden werden. Ebenfalls sollte die Diskussion um
den Begriff «Standards» in der Zukunft weiter
geführt werden. Vielleicht wäre der Begriff «Verkehrsnorm» oder «allgemein anerkannte Verhaltensregel» in diesem Zusammenhang sinnvoller
und klarer als «Standards» (vgl. Beiträge von K.
Weber und A. Ermacora zu diesem Thema).
154
Lawinen und Recht
Sorgfaltspflichten von Sicherheitsverantwortlichen
Workshop 2: Touren
Leitung: Stephan Harvey, Patrik Bergamin, Monique Aebi
Teilnehmende: ca. 25 Personen (Ausbildner,
Bergretter, Warndienste, Juristen, Bergführer) aus
den Ländern D, A, I, CAN und CH.
1
Einleitung und Ziele
Ein wichtiger Aspekt dieses Workshops war der
Austausch zwischen Praktikern und Juristen.
Nach drei kurzen Impulsreferaten zu den Themen
a) Risikomanagement auf Skitouren heute
b) Fallbeispiel eines Unfalls mit Tourenverantwortlichem
c) Entscheidungsgrundlagen der Justiz
wurde in drei Gruppen über die Sorgfaltspflichten
von Tourenverantwortlichen diskutiert.
In einem weiteren Block wurde über den Stellenwert von strategischen Methoden und über den
Begriff Standard diskutiert.
Auch von Seiten der Teilnehmenden wurden Fragen gesammelt, welche im Laufe des Workshops
grösstenteils beantwortet werden konnten.
Ziele des Workshops:
1. Sorgfaltspflichtenkatalog für Tourenverantwortliche. Einigung, was Standard ist.
2. Zu folgenden Fragen mehr Klarheit schaffen:
– Was heisst voraussehbar, vermeidbar bzw.
zumutbar?
– Worauf stützt sich die Justiz? (Lawinenbulletin, Standards, Gutachten, ...)
– Kann eine gute Dokumentation auch ungünstige Folgen haben?
2
Fragestellungen
Ein Grundsatz im Strafrecht lautet: Keine Strafe
ohne Verschulden. Verschulden kann entweder a)
Vorsatz oder b) Fahrlässigkeit sein. Bei Lawinenunfällen auf Touren tritt praktisch nur die Fahrlässigkeit als mögliches Verschulden auf.
Definition Fahrlässigkeit für den Bergsportbereich:
«Fahrlässig handelt, wer seine Sorgfaltspflichten
verletzt und damit einen Unfall verursacht, den er
hätte voraussehen und vermeiden können.»
Daraus ergeben sich folgende Fragen:
1. Welches sind die Sorgfaltspflichten von Tourenverantwortlichen auf Skitouren, damit die
Sicherheit der Gäste optimal gewährleistet ist?
Was ist Standard?
Dabei ist besonders zu erwähnen, dass keine
hundertprozentige Sicherheit, sondern nur eine
optimale Sicherheit gewährleistet werden kann.
2. Was heissen die Begriffe «vorhersehbar», «vermeidbar», «zumutbar»?
Fragen der Teilnehmenden:
– Stellenwert der Strategischen Methoden in der
Beurteilung der Lawinengefahr – Akzeptanz?
Ausbildung? Anwendung? Relevanz bei Gerichtsfällen?
– Wie kann die Akzeptanz für risikominimierende
Massnahmen gesteigert werden?
– Bedeutung des Lawinenbulletins bei der Urteilsfindung?
– Zusammenhang zwischen Bulletinstufe und
Hangneigung bei Lawinenunfällen?
– Welche Rolle hat die Eigenverantwortung?
– Wer hat welche Rolle auf Gemeinschaftstouren
(nicht geführte Touren)?
– Welche Rolle hat der Arbeitgeber (z. B. Nationalpark), welche Verantwortung?
– Konsequenzen von defekter oder nicht vorhandener Notfallausrüstung?
– Brauchen sich Tourenverantwortliche vor der
Justiz zu fürchten?
3
Diskussionen und Resultate
Sorgfaltspflichten
Man war sich in den drei Diskussionsgruppen einig, dass die Beurteilung der Lawinensituation mit
dem «3 × 3»-Raster zur Sorgfaltspflicht jedes Tourenverantwortlichen gehört. Das heisst die drei
Faktoren Verhältnisse, Gelände und Mensch werden in verschiedenen Phasen einer Tour miteinander kombiniert: Bei der Planung, unterwegs im
Gelände und schliesslich nochmals beim Entscheid im Einzelhang. Was aber genau bei jeder
Phase gemacht werden muss, wurde angeregt
diskutiert. Es ergaben sich folgende Resultate:
155
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Planung
– Informationen einholen
a) Lawinenbulletin oder gleichwertige Information (Gefahrenpotential): Es kann aber nicht
generell Pflicht sein, das Lawinenbulletin zu
konsultieren. Der Tourenverantwortliche
muss jedoch vor der Tour eine Vorstellung
haben, mit welcher Gefahrenstufe und Lawinensituation er rechnen muss. Ist der Tourenverantwortliche täglich unterwegs und
schätzt die Situation vor Ort eigenständig
ein, so dürfte das Konsultieren des Lawinenbulletins kaum einen Informationsgewinn
bringen. Damit kann das Nicht-Konsultieren
kaum als Sorgfaltspflichtverletzung angesehen werden.
b) Wetter: Wo verfügbar, Wetterinformation
einholen.
– Schlüsselstellen erfassen: Der Tourenverantwortliche muss sich vor der Tour Gedanken machen, wo allfällige Schlüsselstellen (besonders
in Bezug auf Lawinengefahr, Absturzgefahr,
Schwierigkeit, Zeitfresser) auftreten könnten.
– Gruppe: Die Gruppe ist bekannt und nicht zu
gross. Auf die Grösse von Gruppen wollte man
sich nicht festlegen. Die Teilnehmenden sind
über die gestellten Anforderungen und über die
mitzuführende Ausrüstung zu informieren.
– Ausrüstung: LVS ist Mindestanforderung. Auch
Schaufeln und Sonden müssen dabei sein.
Über die Anzahl Schaufeln bzw. Sonden pro
Gruppe herrschte jedoch Uneinigkeit. Die
Mehrheit war der Meinung, dass alle Teilnehmenden eine Schaufel dabei haben müssen,
während bei den Sonden rund die Hälfte der
Anwesenden dieser Meinung waren. Weiter
sollte der Tourenverantwortliche über ein Erste
Hilfe-Set und einen Notfunk oder ein Handy
verfügen.
Zentrale Frage: Der Tourenverantwortliche muss
sich die Frage stellen, ob die geplante Tour mit der
ihm anvertrauten Gruppe zu den erwarteten Wetter- bzw. Lawinenverhältnissen passt.
Unterwegs
Die Anwesenden waren sich einig, dass ein Tourenverantwortlicher unterwegs im Gelände folgende Sorgfaltspflichten zu erfüllen hat:
– LVS-Check durchführen
– Überprüfung und laufende Neubeurteilung der
Verhältnisse. Tour der Neubeurteilung anpassen (evtl. Alternativen).
– Überprüfung des Zeitplans und allfällige Anpassung der Tour.
– Anordnen von den Verhältnissen, dem Gelände
und der Gruppe angepassten Verhaltensmassnahmen.
156
Diese können jedoch nicht nach starren Mustern
angeordnet werden (z. B. Entlastungsabstände im
Aufstieg bei «erheblicher» Gefahrenstufe in allen
Hängen, die steiler als 30 ° geneigt sind), sondern
sie müssen jeder Situation von Fall zu Fall angepasst werden. Verhaltens- oder Vorsichtsmassnahmen (z. B. Abstände oder Einzelfahren) sind in
der Praxis einfache Massnahmen, das Lawinenrisiko zu reduzieren. Sie sind keine Massnahmen,
die man für die Justiz trifft, um vor Gericht besser
dazustehen. Andererseits wurde bemerkt, dass
es für die Justiz relativ einfach zu überprüfen sei,
ob Massnahmen angeordnet wurden. Entsprechend bestehe die Gefahr, dass derartige Massnahmen überbewertet würden.
Strategische Methoden oder Entscheidungshilfen
Strategische Methoden werden im deutschsprachigen Sprachraum heute in wohl allen Lawinenausbildungen vermittelt. Man kann von einem
Ausbildungsstandard sprechen. Die strategischen
Methoden werden aber nach wie vor unterschiedlich ausgebildet und angewendet. Sie sind als
Baustein einer Risikobeurteilung zu verstehen.
Das Kernproblem solcher Strategien ist die praktische Anwendung. Da alle Eingaben unscharf und
ungenau sind, dürfen die Resultate auch nur als
Grössenordnungen verstanden werden. Es besteht die Gefahr, dass die vermeintlich einfachen
Zahlen und Fakten von Juristen überwertet werden könnten, da sie als fassbare, wohldefinierte
Grössen erscheinen (vgl. Beitrag von K. Weber).
Die strategischen Methoden wurden trotz den offensichtlichen Unterschieden in der Anwendung
von den meisten Praktikern als Standard angesehen. Die Juristen sahen dies anders. Aufgrund der
unterschiedlichen Anwendung in der Ausbildung
und der wohl mangelnden Verbreitung in der Praxis sind diese Methoden aus juristischer Sicht kein
Standards (vgl. Beiträge von K. Weber und A. Ermacora). Unter dem Begriff «Standard» verstehen
Praktiker und Juristen also nicht das selbe. Es
stellte sich heraus, dass von der Praxis bereits bejahte Standards (wie z. B. Reduktionsmethoden
oder bestimmte Verhaltensmassnahmen) aus juristischer Sicht (noch) nicht als solche gelten. Die
Hürden sind also hoch, dass etwas zu einer allgemein gültigen Verhaltensregel wird. Man könnte
auch sagen, Standards definieren die Grenze zwischen vernünftigem und unvernünftigem Handeln.
Sie müssen situativ angepasst werden.
Die Anwesenden waren sich einig, dass das, was
zur Sorgfaltspflicht eines Tourenverantwortlichen
gehört, Standard ist.
Lawinen und Recht
In Italien werden strategische Methoden nicht angewendet. Die Unfallzahlen sind eher rückläufig.
Aus der Praxis kam der Vorschlag von «unteren
Limits» für die rechtliche Beurteilung von Lawinenunfällen. Ein Verfahren sollte grundsätzlich eingestellt werden, wenn sich die Handlungen des Tourenverantwortlichen gemäss den strategischen
Methoden im Bereich des akzeptierten Risikos
befinden. Dieser Vorschlag wurde von den Juristen als kaum gangbar angesehen.
Auch «untere Limits» beruhten auf strategische
Methoden, die keinesfalls als alleinige Beweisgrundlage dienen dürften, zumal sie in der Praxis
nicht einheitlich angewendet werden und auch nur
als Grössenordnungen zu verstehen sind. Sie äusserten auch Bedenken, dass, wenn Regeln / Limits
der strategischen Methoden nur in eine Richtung
(positiv) ausschlaggebend seien, sich diese auch
in die andere (negative) Richtung auswirken könnten. Die Juristen meinten, dass jeder Fall detailliert
untersucht werden muss, um auch sonstige grobe
Fehler auszuschliessen. In der Regel dürfte es aber
kaum zu einer Verurteilung kommen, wenn der
Tourenverantwortliche im Bereich des akzeptierten Risikos (gemäss den strategischen Methoden)
handelte und dies auch schlüssig nachweisen
kann, resp. der Gutachter zu diesem Schluss
kommt.
Sachverständiger / Gutachter
Der Sorgfaltsmassstab bei Lawinenunfällen ist für
Juristen das vernünftige und besonnene Verhalten
des Tourenverantwortlichen. Sie stellen sich die
Frage, ob das Verhalten des Tourenverantwortlichen der gängigen Praxis entsprach. Um diese
Frage zu beantworten, muss die Justiz in aller
Regel einen Sachverständigen oder Gutachter
beiziehen. Der Gutachter ist eine mit der Praxis
vertraute Person, die die Justiz berät. Er muss mit
den gleichen Ausgangsinformation, über die der
Tourenverantwortliche verfügte, auf Fragen der
Justiz eingehen. Der Gutachter sagt dem Jurist,
was die gängige Praxis ist. Die rechtliche Beurteilung erfolgt jedoch, gestützt auf die Aussagen des
Gutachters, durch die Justiz.
Antworten auf die restliche Fragen der Teilnehmenden
– Zusammenhang zwischen Bulletinstufe und
Hangneigung bei Lawinenunfällen:
Auswertungen haben ergeben, dass von
Schneesportlern ausgelöste Lawinen ähnliche
Eigenschaften aufweisen unabhängig von der
Gefahrenstufe. Skifahrerlawinen sind also ähn-
–
–
–
–
lich breit, ähnlich lang, haben ähnliche Anrissmächtigkeit und sind in ähnlich steilen Hangpartien angebrochen.
Dass Skifahrerlawinen unabhängig von der Gefahrenstufe in ähnlich steilen Hangpartien anbrechen, könnte zur Schlussfolgerung verleiten,
dass die strategischen Risikoreduktionsmethoden nichts bringen. Es ist aber zu berücksichtigen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Lawinenauslösung mit zunehmender Gefahrenstufe
zunimmt. Das heisst, dass die Wahrscheinlichkeit in einem 35 ° steilen Hang eine Lawine auszulösen, bei «mässiger» Gefahrenstufe kleiner
ist als bei «erheblicher» Gefahrenstufe. Deshalb
ist in einem 35 ° geneigten Hang das Risiko bei
«mässiger» Gefahrenstufe kleiner. Die Verteilung der Unfälle auf die Hangneigungen ist zwar
gleich, aber die Wahrscheinlichkeit eines Unfalles nimmt mit zunehmender Gefahrenstufe zu.
Die strategischen Methoden haben aufgrund
der unterschiedlichen Wahrscheinlichkeit einer
Lawinenauslösung trotzdem ihre Berechtigung.
Welche Rolle hat die Eigenverantwortung?
Diese Thematik wurde wenig diskutiert. Die Eigenverantwortung muss von jedem Teilnehmer
einer Gruppe wahrgenommen werden. Auf Gemeinschafts- oder Privattouren, bei denen
niemand eine Führungsverantwortung hat, ist
die Eigenverantwortung eher von zentraler Bedeutung.
Wer hat welche Rolle auf Gemeinschaftstouren? Auch bei Gemeinschaftstouren können
Garantenstellungen entstehen, da die Teilnehmenden aufgrund der Gefahrengemeinschaft,
z. B. zu gegenseitiger Hilfeleistung im Falle eines Unfalles verpflichtet sind. Diese wirkt sich
jedoch kaum auf Gerichtsfälle aus. In solchen
Situationen ist die Eigenverantwortung aller
Beteiligten wichtig.
Welche Rolle hat der Arbeitgeber (z. B. Nationalpark), welche Verantwortung? Diese Thematik wurde nicht diskutiert.
Konsequenzen von defekter od. nicht vorhandener Notfallausrüstung? Bei defekter oder
nicht vorhandener Notfallausrüstung hat sich
die Ausgangslage verändert. Der Tourenverantwortliche muss in solchen Situationen die
bestmögliche Lösung finden, z. B. Geräte auftreiben, wenn man im Tal ist, andere Route mit
weniger Risiko wählen, usw.
Falls der sehr unwahrscheinliche Fall auftreten
sollte, dass genau die Person ohne Notfallausrüstung zu Schaden kommt, muss der Gutachter und die Justiz die unglücklichen Umstände
mit in die Beurteilung einbeziehen. Wesentlich
ist aber in erster Linie, ob die mangelnde Ausrüstung für den eingetretenen Schaden tatsächlich kausal war.
157
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
4
Schlussfolgerungen
Die Diskussionen unter den Praktikern aus verschiedenen Ländern und Tätigkeitsbereichen über
Sorgfaltspflichten und strategische Methoden war
für alle Beteiligten sehr wertvoll. Die Juristen lernten u. a. die unterschiedlichen Sichtweisen der
Praktiker kennen. Allerdings waren die Praktiker
der Meinung, dass sie ungefähr die gleichen Sichtweisen hätten.
Praktiker sind sich gewohnt, «unscharf» und in
Bandbreiten zu denken. Juristen müssen zu einem
messerscharfen Entscheid (schuldig / nicht schuldig) kommen, obwohl es keine genauen Fakten
gibt und das Recht kein exaktes Regelwerk ist. Da
es im Lawinenbereich kaum Gesetzesnormen
gibt, ist auch die juristische Beurteilung letztlich
ein Gewichten und Abwägen von verschiedenen
Faktoren. Damit gibt es also eine klare Parallele
zur Beurteilung der Lawinengefahr. Trotz aller
Unschärfe in der Beurteilung muss der Praktiker
letztlich auch einen scharfen Entscheid fällen: «To
go or not to go»!
Zu beachten ist, dass es zwischen den Alpenländern D, A, und CH Unterschiede gibt. Vor allem in
Deutschland sind die Verkehrsnormen sehr wichtig. Standards sind in der in Deutschland üblichen
engen Auslegung der Verkehrsnorm strikt und immer gültig. Eine situative Anpassung gibt es nicht.
Die Norm wird einmal definiert und gilt dann ungeachtet der Verhältnisse. In der Schweiz kennt man
diese enge Auslegung nicht, und es wird eher von
Fall zu Fall entschieden.
Die alleinige Beurteilung von Lawinenunfällen mit
strategischen Methoden in eine für den Tourenverantwortlichen positive Richtung ist aus juristischer Sicht heikel. Strategische Methoden sind
nicht alleiniger Massstab bei der Beurteilung der
Sorgfaltspflichtverletzung. Sie können aber in die
juristische Beurteilung einfliessen, und zwar einerseits wenn der Tourenverantwortliche sich auf die
Methoden beruft, und andererseits wenn der Gutachter oder Sachverständige die strategische Methoden in seine Überlegungen einbezieht, resp.
der Richter den Gutachter explizit danach fragt.
Das Lawinenbulletin wird von der Justiz als eine
wesentliche Entscheidungsgrundlage für den
Tourenverantwortlichen angesehen. Es ist jedoch
nicht zwingend, dass der Tourenverantwortliche
das Lawinenbulletin vor jeder Tour konsultiert.
Zwingend ist hingegen, dass er sich vor der Tour
fundiert informiert und sich vor und während der
Tour fundiert über den Gefahrengrad und die
Lawinensituation Gedanken macht.
Die anwesenden Praktiker waren sich einig, dass
Tourenverantwortliche sich vor der Justiz nicht zu
fürchten brauchen. Sorgfaltspflichten halten sie
primär zum Wohle ihrer Gäste ein – nicht für die
Justiz.
158
Für einen Tourenverantwortlichen ist die Beurteilung der Lawinengefahr und die Entscheidfindung
komplex und schlecht fassbar. Die juristische Beurteilung eines Tourenverantwortlichen hat dieser
Komplexität Rechnung zu tragen und ist damit
wohl mindestens so komplex und anspruchsvoll.
Sie kann nicht mit einfachen Regeln erfolgen. Daraus ergibt sich die zentrale und verantwortungsvolle Rolle des Gutachters oder Sachverständigen.
5
Offene Fragen
Die Rolle von Arbeitgebern oder Veranstaltern bei
gerichtlichen Untersuchungen von Lawinenunfällen wurde nicht diskutiert.
Die Frage der Standards konnte nicht abschliessend beantwortet werden. Der Gutachter muss
die Situation unter Berücksichtigung von Ausbildungsstandards von Fall zu Fall abwägen.
Lawinen und Recht
Sorgfaltspflichten von Sicherheitsverantwortlichen
Workshop 3: Schneesportgebiete, -betriebe
Leitung: Hans-Jürg Etter, Hans-Kasper Stiffler,
Hansueli Rhyner
Teilnehmende: 27 Personen (Pisten-, Sicherungs- und Rettungschefs von Schneesportgebieten, Juristinnen und Juristen) aus den Ländern
Schweiz und Italien
1
Einleitung
Basis-Frage:
Welche Vorkehrungen sind zu treffen, damit eine
Unternehmung und ihre Pisten- und Rettungschefs die Sorgfaltspflicht gegenüber ihren Gästen
im Bereich Lawinensicherheit optimal einhalten
und vom rechtlichen Standpunkt betrachtet «zumutbar» erfüllen?
Themen:
– Inhalt Sicherheitskonzept und Journal
– Künstliche Lawinenauslösung, Einsatz sichtunabhängiger Methoden
– Kopplung von Massnahmen an die Lawinenbulletinstufe
Aktuelle rechtliche Grundlagen:
– Richtlinien für Anlage, Betrieb und Unterhalt von
Schneesportabfahrten, SKUS (Ausgabe 2002)
– Richtlinien SBS, «Die Verkehrssicherungspflicht
für Schneesportabfahrten», (Ausgabe 2002)
– Schweizerisches Skirecht, Hans-Kaspar Stiffler
(3. Auflage, 2002)
Weitere Grundlagen:
– Künstliche Lawinenauslösung, Praxishilfe, SLFMitteilung Nr. 53 (2001)
– Rechts- und Versicherungsfragen bei künstlicher Lawinenauslösung, BUWAL (2004)
2
Inhalt Sicherheitskonzept und
Journal
Alle Teilnehmenden waren sich einig, dass es ein
schriftlich festgelegtes Lawinensicherheitskonzept braucht. Das Konzept muss jedem Gebiet
und Betrieb angepasst entwickelt werden.
Gewünscht werden Grundraster (Muster) vom SLF
in Zusammenarbeit mit ausgewählten Skigebieten.
Raster für
– Sicherheitskonzepte
– Tagesjournal
Vom juristischen Standpunkt aus gibt es keine
Zweifel, dass ein Sicherheitskonzept zwingend
vorhanden sein muss.
Möglicher Inhalt eines Lawinensicherheitskonzeptes (für eine Anlage oder Gesamtkonzept für ein
Schneesportgebiet):
1. Allgemeine Grundlagen
– Vorhandene Unterlagen (z. B. Gutachten,
Lawinenkataster/-kartierung)
– Abgrenzung des Gebietes, Gültigkeitsbereich
des Konzeptes: Anlage(n) und Schneesportabfahrten, inkl. Schlittelwege, Wanderwege
und Loipen.
– Lawinenzüge: Aufzeichnung Anrissgebiete,
Auslaufstrecken (inkl. mögliche Sekundärlawinen) und Schadenpotenzial (Objekte); evtl.
Gebiete mit Gefahr von kleinen Schneerutschen; mögliche Gebiete mit Gleitschneerutschen/-lawinen
– Karten 1:10 000 ideal, wenn möglich in digitaler Form.
2. Aktuelle Wetter-, Schnee- und Lawinendaten
zur Verfügung stehende Quellen: z. B. Daten
eines Messfeldes, von IMIS-Stationen, Lawinenbulletin, Wetterbericht, Daten von eigenen
(automatischen) Messstationen, NXD-Lawinen1,
sofern vorhanden.
3. Verwendung temporärer Lawinenschutzmassnahmen, Varianten bei der Massnahmenplanung
– Sperrungen: z. B. Absperrorte, evtl. Kriterien;
u.U. Massnahmen bei aussergewöhnlicher
Lawinengefahr
– Künstliche Lawinenauslösung: Anrissgebiete und Sprengmethode; evtl. Absperrorte
(mögliche Sekundärlawinen), Sprengpunkte
und Einsatzkriterien (Neuschneezuwachs,
Wind), pro Lawinenzug beobachtete maximale Anrisshöhen
4. Abläufe, gemäss detaillierter Checkliste
Unter anderem Ablauf Sprengeinsätze sowie
Absprachen / Information unmittelbar vor der
Aktion (z. B. andere Bahnen, Pistenmaschinenfahrer, Skilift und Restaurantangestellte, Ferienhausbesitzern usw.)
1
Es handelt sich um ein vom Eidg. Institut für Schneeund Lawinenforschung SLF entwickeltes Computerprogramm zur lokalen Lawinenprognose, das «nächste
Nachbartage» sucht, vgl. www.slf.ch/nxd/welcome-de.
html
159
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
5.
6.
7.
8.
Nach Sicherungsmassnahmen Vorgehen zur
Aufhebung von Sperrungen, Betriebeinschränkungen oder evtl. Beibehaltung der Ausserbetriebnahme, weitere Bemerkungen
Journalführung, was muss wo und in welcher
Form festgehalten werden:
z. B. Schneedaten, Massnahmenentscheide,
Sprengprotokoll, Sprengstoffprotokoll, Lawinenniedergänge / -kataster, Zeitfenster der Massnahmen.
Das Tagesjournal sollte separat geführt werden.
Aus juristischer Sicht ist die Protokollführung
wesentlich, damit jedermann weiss, was zu tun
ist und wer was gemacht hat.
Organisation: z. B. Organigramm, Pflichtenhefte/Verantwortlichkeiten, Interne Bestimmungen, Informationen, Alarmschema und Abläufe
für Lawinenunfälle.
Informationen intern und extern, Die Information
der Sperrdaten müssen mehrsprachig sein!
Anhang: Karte mit Bahnen, Pisten, Lawinenanrissgebieten, evtl. Sprengpunkten und Absperrorten.
Weiteres ?
Mögliche Angaben für eine Journalführung:
– Tagesjournal (Beurteilung der Situation; siehe
nachfolgendes Beispiel eines möglichen Tagesjournalblatt)
– Sprengprotokoll für die künstliche Lawinenauslösung:
– Anrissgebiete, Sprengpunkte und Anzahl
Sprengungen; Methode, Ladungsgrösse
– Angaben positive oder negative Sprengung
– Angaben zu Lawinen (z. B. Anrissgebiet, Ablagerungsort)
– Beurteilung Wirksamkeit der Sicherungsaktion
– Kartierung der Sprengpunkte, der Massnahmen und der Ergebnisse
Sprengstoffkontroll-Protokoll (sollte separat
geführt werden)
– Eingang
– Verbrauch
– wann
– wieviel
– wo
– Lawinenniedergänge / -kataster:
– Bei kleineren Lawinen soll zumindest Anrissgebiet, Datum (Zeit), Ablagerungsort, evtl. Anrissmächtigkeit und Lawinenbreite erfasst werden.
– Grössere Abgänge und z. B. Abgänge an unerwarteten Orten sollen detailliert erfasst (Gebiet,
Datum, Zeit, Anrissmächtigkeit, Anrissbreite
usw.) und kartiert werden. Fotodokumentation
von grossen, ungewöhnlichen Abgängen.
160
Tagesjournal / Checkliste für die
Umsetzung der SicherungsAufträge aufgrund Sicherheitskonzept und Pflichtenheft
(z. B. für Sicherungschef)
1. Wetter-, Schnee- und Lawinendaten
– Wetter / Wetterbericht
– Schneedaten /
Schneeprognose
– Lawinenaktivität
– evtl. Lawinendatenbank
– Lawinenbulletin
Ergänzungen aus den Gruppen:
– Informationen von
Pistenfahrzeugführer
– Kontrollgänge (Zeit, Infos
über die Verhältnisse, usw.)
2. Schneedecke
– Aufbau
– Temperatur in der
Schneedecke
Aktuell
Entwicklung
X
X
X
X
(X)
X
X
X
X
X
X
X
X
3. Aktivitäten Vortage
– bereits gesicherte Lawinenzüge
– abgegangene Lawinen
4. Analyse, Massnahmenentscheid und
Vorgehen
– Aufgrund der Punkte 1. und 2. (siehe oben).
– Grundlagen aus dem Sicherheitskonzept
– Erfahrungswerte / kritische Werte (z. B. Neuschneesumme)
– sowie Punkt 3.
Folgerung:
– primär zu sichernde(s) Gebiet(e) / Absperrmassnahmen und Orientierungen
– sekundär zu sichernde Gebiete / Absperrmassnahmen und Orientierungen
– zu sperrende Gebiete
5. Erfolg der Massnahmen und weiteres
Vorgehen
Entscheide protokollieren / begründen
6. Bemerkungen
(Besondere Erfahrungswerte, Verbesserungen
u.a.)
Lawinen und Recht
3
Künstliche Lawinenauslösung,
Einsatz sichtunabhängiger
Methoden
Welche Vorkehrungen zur Sicherheit von privaten
Personen sind zu treffen, wenn mit sichtunabhängigen Methoden Gebiete zu sichern sind (z. B. beim
Einsatz von GazEx, Inauen-Schätti und Wyssen
Sprengmasten, Avalancheur, Minenwerfer)?
Vorbemerkung aus juristischer Sicht: Die SKUSRichtlinien, die vom Bundesgericht als Massstab
für die Sorgfaltspflicht anerkannt sind, legen fest:
Ausserhalb der Bahnbetriebszeiten sind Abfahrten
geschlossen. Die Unternehmungen müssen sie
unterhalten und vor allem die Pisten maschinell
herrichten können. Das wird heute weitgehend mit
Hilfe von Pistenmaschinen mit Seilwinden gemacht.
Zudem sind gelegentlich Lawinensprengungen
erforderlich. Ausserhalb der Bahnbetriebszeiten
muss daher mit dem Einsatz von Pistenmaschinen
mit Seilwinde und mit nächtlichen Lawinensprengungen gerechnet werden. Lebensgefahr!
Die Massnahmen müssen verhältnismässig und
zumutbar sein. So wird z. B. in der «Praxishilfe» zu
«Rechts- und Versicherungsfragen bei künstlicher
Lawinenauslösung», herausgegeben vom BUWAL
(2004), Seite 12, ausgeführt: «Bei schlechter Sicht
(Schneefall, Nebel, Nacht) hat die Vergewisserung, dass sich keine Personen im gefährdeten
Gebiet aufhalten, in zumutbaren Rahmen zu erfolgen.»
Ziel
Erarbeiten eines Kataloges von Sicherheitsmassnahmen vor und während «Einsätzen von sichtunabhängigen Methoden».
In diesem Zusammenhang stellen sich die folgenden Fragen:
– Welche Massnahmen sind administrativ notwendig? Braucht es Sprengpublikationen in einer für das Gebiet zuständigen Amtszeitung?
Aus juristischer Sicht ist die Veröffentlichung im
Amtsblatt anfangs Saison nicht negativ, aber
nicht zwingend.
– Braucht es Sprengpublikationen im Gelände
ähnlich Schiesspublikationen (Minenwerfer,
Rak Rohr)? Falls ja, wo?
Aus juristischer Sicht braucht es keine Sprengpublikation analog zur Schiesspublikation.
Dennoch ist es wichtig, auf der Infotafel und
den Pistenplänen (Prospekte) auf Sprengungen
und auch auf den Einsatz von Pistenbearbeitungsmaschinen mit Seilwinden hinzuweisen.
Es ist wichtig diese Informationen auch in Restaurants, Ferienhäusern, SAC-Hütten, usw.
bekannt zu machen.
– Müssen alle Bewohner mit Bewegungslinien im
gefährdeten Gelände einmal pro Winter oder
bei jedem Sprengen vorgängig informiert werden?
Aus juristischer Sicht ist es zwingend, die Bewohner einmal pro Winter zu informieren und je
nach Situation auch jeweils vor der Sprengung.
– Welche zumutbaren Massnahmen sind vor und
während der Aktion im Gelände notwendig?
Braucht es Absperrposten auf eingeschneiten
Wegen im gefährdeten Gebiet, die üblicherweise nur vereinzelt durch Schneeschuhläufer oder
Tourenfahrern begangen werden?
Aus juristische Sicht braucht es je nach Situation beim Einsatz von sichtunabhängigen
Sprenganlagen Absperrposten.
In Italien ist die Situation so, dass ein Sicherheitsplan vorgeschrieben ist. Der Sicherheitsplan wird von der Region gebilligt. Jedes Skigebiet hat einen eigenen Plan mit Kontrollen.
Für Abfahrten gilt:
– Anlagen werden angehalten
– Überwachungsmannschaft fährt die Pisten ab
– Freigabe zur Sprengung
– Wachposten mit Schneefahrzeugen, auch
bei schlechter Sicht.
Die Teilnehmenden erachten es zudem als sinnvoll:
– Schilder an den Zugangspunkten anzubringen
– an einzelnen Stellen Sirenen zu installieren und
vor Sprengungen in Betrieb zu nehmen
– in den Hütten die Sprengungen bekannt zu machen
Alle Angaben, Richtlinien, etc. sollten im Sicherheitskonzept der Bahnen festgehalten werden.
Weitere Ideen:
– Hinweis auf die SKUS Regel: «Ausser Betriebszeiten sind die Pisten geschlossen» «Lebensgefahr» auf Panorama-Orientierungstafeln, auf
Flyers evtl. mit Fotos unterstützt, sowie Informationen in den offiziellen Prospekten, zusätzlich mit Telefonnummer für genauere Informationen. (Ähnlich telefonischer Information beim
Canyoning im Tessin.)
Aus juristischer Sicht ist der Verweis in den
Prospekten auf die SKUS Regelung zu begrüssen. Zudem sind Richtlinien ähnlich wie beim
Canyoning mit Telefonauskunft als sehr vernünftig zu beurteilen.
– Wichtig wären auch Informationen für aufsteigende Touristen (kommen nicht an der Talstation vorbei, kennen die Pisteninformationstafeln
eventuell nicht).
Aus juristischer Sicht empfiehlt es sich, ausserhalb der Orientierungstafeln keine Tafeln aufzustellen, da sie im konkreten Falle ohnehin mei-
161
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
stens am falschen Ort sind. Berggasthäuser
sollten aber separat orientiert werden mit der
Warnung auf Windeneinsatz.
– Website und SMS an ausgewählten Personenkreis werden als umstritten betrachtet.
4
Kopplung von Massnahmen an
Lawinenbulletinstufe
Es geht um die Frage der Lawinenwarnleuchte in
den Schneesportgebieten für die Warnung vor Lawinengefahr abseits von Schneesportabfahrten
bei Lawinenbulletin-Stufe 3 («Erheblich»).
Rettungschef U. Frutiger erläutert, dass – wenn
gemäss Lawinenbulletin «erhebliche» Lawinengefahr prognostiziert wird – in seinem Gebiet die
Lawinenwarnleuchte dann nicht eingeschaltet wird,
wenn viele Schneedeckentests in kleinen Hängen
darauf hinweisen, dass die Lawinengefahr effektiv
nicht «erheblich», sondern geringer ist. Das heisst,
dass die Lawinenwarnleuchte nur eingeschaltet
wird, wenn effektiv gemäss seiner lokalen Einschätzung Gefahrenstufe 3 herrscht.
Aus juristischer Sicht ist zu bemerken:
Wenn das Lawinenbulletin Stufe 3 meldet sind:
– die Lawinenwarnleuchte in Betrieb zu nehmen,
um vor Lawinengefahr abseits der Schneesportabfahrten zu warnen
– Informationen am Freeride Checkpoint wichtig
– ungesicherte (lawinengefährdete) Abfahrten zu
sperren.
Wenn im Gebiet die Situation heikler ist (Wind,
schattig, usw.), sind die Massnahmen früher zu
treffen. Andererseits, wenn die Situation im Gebiet
weniger heikel ist (Stufe 2), sind die Massnahmen
nicht zu treffen.
Beim Bundesgericht gilt jedoch in erster Linie das
Lawinenbulletin. Eigene abweichende Beurteilung
benötigt gute Begründung und Dokumentation.
In diesem Zusammenhang ist auf die Richtlinie
von Seilbahnen Schweiz zu verweisen (Die Verkehrssicherungspflicht für Schneesportabfahrten,
Ausgabe 2002, Seiten 26–27, Abs. 129):
«Zur Warnung von Schneesportlern, die
abseits der markierten Abfahrten das freie
Gelände befahren, ist, wenigstens an jeder
Zubringerstation, die Warntafel 8 auszuhängen
und allenfalls zusätzlich die Lawinenwarnleuchte in Betrieb zu setzen. ...
Als erheblich gilt jede Lawinengefahr ab
Gefahrenstufe 3 gemäss Einteilung des
Eidgenössischen Instituts für Schnee- und
Lawinenforschung SLF; vgl. dazu die Interpre-
162
tationshilfe zum Lawinenbulletin.
Oberstes Gebot ist die Aktualität der Warnung. Damit die Lawinenwarntafel und die
Lawinenwarnleuchte ihre Wirkung nicht
verlieren, sind sie nach Abklingen der Gefahr
unverzüglich einzuziehen oder ausser Betrieb
zu setzen.»
Damit ergeben sich die folgenden Fragen:
– Besteht eine direkte Kopplung der Massnahme
an die im fraglichen Gebiet beschriebene Lawinenbulletinstufe oder besteht «nur» eine direkte
Kopplung mit der Gefahrenstufe 3 gemäss Interpretationshilfe, beurteilt jedoch durch den
örtlichen Sicherungs- und Rettungsdienst?
Aus juristischer Sicht ist klar, dass eine Kopplung an die Gefahrenstufe 3 besteht, ob im
Lawinenbulletin beschrieben oder nicht.
– Welche Daten sollten minimal (zumutbar) vorliegen, damit lokal eine abweichende Beurteilung vorgenommen werden kann?
Aus juristische Sicht ist klar, dass die abweichende Einschätzung schriftlich begründet
werden muss.
– Gilt die Beurteilung primär für das unter Umständen stark befahrene Variantengebiet oder
für das angrenzende Tourengebiet?
Aus juristischer Sicht gilt die Beurteilung für
das «Varianten / Freeride Gebiet» resp. das
«einsehbare Gelände».
Weitere Bemerkungen zum Thema
In der Gruppendiskussion stellte sich heraus, dass
in einer Gruppe in 6 von 7 Gebieten der örtliche
Sicherungsdienst selbst beurteilt. Das offizielle
Lawinenbulletin ist dort für den Betrieb der Leuchte nicht massgebend. Die Beurteilung erfolgt aufgrund von:
- Neuschneemenge
- Wind
- Temperatur
- Stabilitätstest
Eine Gruppe von Teilnehmenden war der Ansicht,
dass die Seilbahnunternehmung nur zuständig sei
für Personen im gesicherten Gebiet und nicht für
Personen im «freien Gelände». Daher seien die
Warnleuchten am besten abzumontieren und der
Absatz in den Richtlinien sei zu streichen.
Aus juristischer Sicht ist zu entgegnen, dass die
Unternehmungen für die markierten Schneesportabfahrten verkehrssicherungspflichtig sind. Wer
sich ausserhalb der markierten Abfahrten im sog.
freien Gelände bewegt, tut das ausschliesslich auf
eigenes Risiko. Da die Unternehmungen aber genau wissen, dass immer wieder Skifahrer und
Snowboarder sich mit Variantenabfahrten und
Freeriding vergnügen, ist es zweckmässig, für diese Benützer in Form der Freeride Checkpoints
Lawinen und Recht
eine Orientierungshilfe zu schaffen, vor allem auch
wegen der Lawinenwarnleuchte, die ab Gefahrenstufe 3 in Betrieb zu setzen ist.
Ein Gruppe von Teilnehmenden stellte fest, dass
die Lawinenwarnleuchte:
– präventiv wirken muss, die Warnung aktuell
sein soll, die Eigenverantwortung aber nicht
beeinflussen soll
– für den Variantenbereich auch als Input gelten
kann
– aufgrund der eigenen Beurteilung eingeschaltet werden soll (Teamentscheid, Dokumentation und Protokollierung)
In Italien sind die Voraussetzungen etwas anders:
– Keine Pflicht für Leuchten
– Gesetz macht einen grossen Unterschied zwischen freiem Gelände und den gesicherten Gebieten
– im freien Gelände volle Eigenverantwortung
(LVS obligatorisch)
– Hilfsmittel (Formeln) für die Skifahrer können
auch von den Juristen verwendet werden.
– Forderung: Klare Bezeichnung bezüglich: Was
sind Vorschriften, was sind Entscheidungshilfen?
– in Italien herrscht an 80 % der Tage Stufe 3
– wenn, dann würde das offizielle Bulletin benutzt
– Gebiete machen eigene Bulletins, diese werden
aber nicht veröffentlicht
– Einschätzung auf Grund von:
– klassischen täglichen Messdaten
– Beobachtungen
– Ergebnis von Sprengungen.
5
Schluss-Statement
Sicherheitsverantwortliche und Rettungschefs
wissen viel über Schnee und Lawinen. Sie beschäftigen sich im Winterhalbjahr täglich damit.
Sie kennen selbstverständlich auch ihr «Heimgelände» bestens. Weil grosses Wissen vorhanden
ist, wissen sie auch, dass sie nicht alles wissen.
Sicherheitsverantwortliche sind sich vollauf bewusst, dass schriftliche Aufzeichnungen notwendig sind und wünschen zur Entscheidfindung
möglichst griffige Unterlagen bzw. Checklisten.
Sicherheitsverantwortliche wünschen keine Rechenformeln, auch wenn sie auf dem Papier spannend aussehen. Auch wenn sie zur Entscheidfindung – bei Zutreffen – manchmal wünschbar
wären. Sie wissen, dass die Natur keine exakten
Ergebnisse zulässt und immer ein Graubereich bestehen bleibt. Rechenformeln können sogar kontraproduktiv sein, wenn dadurch das eigene Denken ungünstig (evtl. sogar falsch) beeinflusst wird.
Sicherheitsverantwortliche wollen dem Gast dienen und dem Gesetz die bestmögliche Beachtung
schenken.
163
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Sorgfaltspflichten von Sicherheitsverantwortlichen
Workshop 4: Verkehrswege
Leitung: Jakob Rhyner, Fritz Anthamatten, Michael
Bründl
Teilnehmende: ca. 25 Personen, hauptsächlich
Mitglieder von Lawinendiensten der ganzen
Schweiz und aus Österreich (Salzburg, Obergurgl)
1
Einleitung
Basis-Fragen des Workshops:
A. Welche Vorkehrungen sind zu treffen, damit Lawinendienste die Sicherheit auf Verkehrswegen
optimal gewährleisten können?
B. Welche Anforderungen an die Sorgfaltspflicht
sind für Lawinendienste zumutbar?
Themen:
1. Beurteilung der aktuellen Lawinengefahr, Entscheidfindung und Festlegen von Massnahmen, Journalführung und Dokumentation
– Grundlagen und Vorgehen
– Inhalt von Journalen
– Massnahmen und Bulletinstufen / interne
Gefahrenstufen
2. Durchführung von temporären Massnahmen
– Grundlagen
– Durchführung
– Kontrolle des gefährdeten Gebietes vor
Sprengeinätzen (schlechte Sicht)
3. Organisation eines Lawinendienstes
– Inhalt eines Pflichtenheftes
– Zusammensetzung eines Lawinendienstes
und Ausbildung der Mitglieder
– Verantwortlichkeiten
Aktuelle rechtliche Grundlagen:
– Rechts- und Versicherungsfragen bei künstlicher Lawinenauslösung BUWAL, 2004
– Richtlinien zur Berücksichtigung der Lawinengefahr bei raumwirksamen Tätigkeiten, Bundesamt für Forstwesen/SLF 1984
– IFKIS-Schlussbericht 2002: http://www.slf.ch/
lwr/risikomanagement/ifkis_schlussbericht.pdf
Vorbemerkung
Vor allem die Diskussionen zum Themenkreis Entscheidungsdokumentation verliefen sehr engagiert. Es bestand allgemeine Einigkeit darin, dass
eine gute Organisation des Lawinendienstes und
164
eine lückenlose Dokumentation der Entscheidungsabläufe bei Gerichtsverhandlungen von
grosser Wichtigkeit sind. Bezüglich der Art der
Dokumentation bestanden beträchtliche Meinungsunterschiede. An das SLF richtete sich der
Wunsch, einen Vorschlag für einen «Minimalstandard» zu Dokumentation der Entscheidungsabläufe auszuarbeiten.
Von einem Juristen in der Runde wurde darauf
hingewiesen, dass Entscheidungsdokumentation
nicht auf ein mögliches Gerichtsverfahren ausgelegt werden sollen, sondern auf die nachfolgende
Analyse und die Konservierung der Erfahrung.
Wenn sie dafür genügen, genügen sie auch vor
Gericht.
Einführungsreferat Gondalawine
Jachen Kienz vom Tiefbauamt Graubünden, Bezirk 4, beschrieb einführend die Entscheidungsabläufe im Vorfeld des Unfalles mit der Gondalawine
im Unterengadin am 7. Februar 1999. Diese ging
auf die nach erfolgloser Sprengung wieder geöffnete Hauptstrasse zwischen Lavin und Giarsun
nieder und verschüttete zwei Fahrzeuge. Eine Person kam ums Leben.
Kienz zeigte auf, wie die Überlegungen und Entscheide für künstliche Auslösungen und Sperrung/Öffnung dokumentiert wurden. Für die Dokumentation wurden keine vorgefertigten Formulare oder Schemata angewandt, es wurden aber
detailliert die benutzten Daten und andere Informationen sowie die daraus resultierenden Überlegungen aufgezeichnet. Die Strafuntersuchung
wurde eingestellt.
2
Beurteilung der aktuelle Lawinengefahr, Entscheidfindung und
Festlegen von Massnahmen,
Journalführung und Dokumentation
2.1 Grundlagen und Vorgehen
a) Welche allgemeine Grundlagen und Dokumente
sind üblich? Wie werden sie eingesetzt?
Lawinenkataster und Gefahrenkarten bilden für
die Organisation und Vorbereitung eine wichtige
Rolle, sind jedoch für die Entscheidfindung in konkreten Gefahrenlagen auf Verkehrswegen oft von
beschränktem Wert.
Lawinen und Recht
Diese Unterlagen wurden meistens in der Folge
von 1999 à jour gebracht. Die permanente
Aktualisierung stellt jedoch oft ein Problem dar.
b) Welche Daten, Messungen und Beobachtungen
sind zu konsultieren resp. selber zu erheben, um
die aktuelle lokale Lawinengefahr beurteilen zu
können?
Eine wichtige Grundlage ist das Lawinenbulletin
des SLF. Die Angaben im Lawinenbulletin müssen
auf die regionale / lokale Situation abgestimmt
werden. Die Gefahrenstufe kann gegebenenfalls
angepasst werden. Ein Reihe von Diskussionsteilnehmer hält in diesem Fall die Begründung der
Abweichung schriftlich fest. Dies ist als Teil der
Dokumentation wichtig, v. a. wenn die SLF-Prognose nach unten korrigiert wird. Einige Teilnehmer nehmen in solchen Fällen Rücksprache mit
dem SLF-Warndienst.
Die weiteren wichtigen Grundlagen für die Entscheidfindung sind: IMIS- und ENET-Stationen in
der Region, Wetterprognosen (v.a. Neuschneeprognose), eigenen Beobachtungen und Schneeprofile, beobachtete Lawinenabgänge, vor allem
aber die lokale Erfahrung und Gebietskenntnis.
Bei Nutzung der automatischen Stationen sind die
Kenntnis lokaler Besonderheiten der Stationen
bzw. Stationsstandorte und die Verfolgung der Situation während des ganzen Winters wichtig.
Verschiedene Lawinendienste benutzen die elektronische Entscheidungshilfe NXD, welche die aktuelle
Lage mit vergangenen «ähnlichen» Situationen
bzw. der damaligen Lawinenaktivität vergleicht.
Ihre Benutzung erfordert aber zahlreiche archivierte Ereignisse als Grundlage, was v. a. in Gebieten mit seltenen Ereignissen mehrere Winter
Vorlaufzeit bis zur Benützung bedeuten kann.
c) Welche Schritte sind bei der Entscheidfindung
und Situationsanalyse üblich? Welche Einträge
muss ein Journal enthalten, damit eine Entscheidfindung resp. Situationsanalyse nachvollziehbar
ist?
In diesem Punkt gingen die Auffassungen wahrscheinlich am weitesten auseinander. Einigkeit
bestand darin, dass die Führung eines Journals
grundlegend wichtig ist. Allgemein war auch die
Forderung nach einem Minimalstandard für die
Entscheidfindung (bzw. ihre Dokumentation),
welcher je nach lokalen oder regionalen Gegebenheiten angepasst und erweitert werden kann. Verschiene Lawinendienste haben dafür bereits ihre
eigenen Vorlagen entwickelt und getestet.
Wichtig ist der Vergleich der Entwicklung, v. a. der
Neuschneemengen, mit langjährigen Erfahrungswerten. Entscheidungsszenarien sollten im Voraus
festgelegt werden.
Während einige Teilnehmer dafür plädierten, Standard-Vorschriften auf eine absolutes Minimum zu
beschränken («jede konkrete Gefahrenlage ist
anders»), waren andere für die Festlegung von
detaillierten Listen mit Schwellwerten für die Auslösung eines Entscheids.
Das Land Salzburg hat ein einheitliches Protokollheft.
Allgemein wurde das SLF gebeten, einen Vorschlag für einen Minimalstandard für Entscheidfindung und Journalführung auszuarbeiten
d) Hängt die Sorgfaltspflicht vom Grad der Gefährdung ab?
Sorgfaltspflicht ist überall die gleiche, aber bei
selten gefährdeten Verkehrswegen sind Erfahrungen und Ereignisdaten seltener, was die Prognosequalität reduziert. Dies hat evtl. eine frühere
Schliessung zur Folge.
e) Hängt die Sorgfaltspflicht von der Art des Verkehrsweges ab?
Sorgfaltspflicht ist überall die Gleiche. Auf lokalen
Verkehrswegen können aber bei Bedarf Sonderbewilligungen für das Befahren durch bekannte
Verkehrsteilnehmer eher ausgesprochen werden.
2.2
Sollen Massnahmen an Bulletinstufen
gekoppelt werden – Bedeutung des
Lawinenbulletins für einen Gemeindelawinendienst?
Mit wenigen Ausnahmen werden Massnahmen
nicht an die Gefahrenstufen gekoppelt. Das Erreichen einer bestimmten Gefahrenstufe bildet aber
oft das Kriterium für das Inkrafttreten eines Dispositivs, z. B. durch ein Treffen der Verantwortlichen.
Grundsätzlich treten Sicherheitsdispositive bzw.
Massnahmen für Verkehrswege bei tieferen Gefahrenstufen in Kraft als für Siedlungsgebiete:
Häufig ist die Schwellenstufe ein «oberes Erheblich», bei dem durch Spontanabgänge exponierte
Streckenabschnitte betroffen sein können. Einzelne besonders heikle Abschnitte müssen aufgrund
der Erfahrungen auch bei noch tieferen Gefahrenstufen überwacht werden («Gewisse Strassen
muss man immer im Auge behalten»).
165
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
3
Durchführung von temporären
Massnahmen
4
Organisation eines Lawinendienstes
3.1
Welche Grundlagen sind erforderlich?
4.1
Was muss ein Pflichtenheft eines
Lawinendienstes beinhalten?
Vorgängige Information der Betroffenen am Ende
oder entlang eines gesperrten Verkehrsweges.
Die folgenden Punkte sollten in einem Pflichtenheft geregelt und beschrieben sein:
1. Zweck
3.2
Wie haben Sperrungen zu erfolgen?
Mit der Tafel «Allgemeins Fahrverbot» mit Hinweis
«Lawinengefahr», normalerweise zusätzlich mit
einer geschlossenen Barriere.
3.3
Wie ist gefährdetes Gebiet vor dem
Durchführen von Sprengungen zu
kontrollieren? Was ist vor einer zu
unternehmen, um sicherzustellen, dass
eine Sprengung den gewünschten
Erfolg hatte, bzw. dass das Einzuggebiet stabil oder entlastet ist?
Diese Fragenkreis wurde im Workshop «Verkehrswege» nicht diskutiert. Vgl. Ergebnisse der Workshops 3 «Schneesportgebiete» und 5 «Gemeindelawinendienste»
3.4
Welche Möglichkeiten für eine teilweisen Öffnung für dringende Transporte
gibt es und was sind die Kriterien dafür?
Diese Fragenkreis wurde im Workshop «Verkehrswege» nicht diskutiert.
3.5
Was muss unternommen werden, um die
Koordination zwischen verschiedenen
Entscheidungsträgern sicherzustellen?
Die Koordination zwischen verschiedenen Sicherheitsdiensten einer Region (Kanton/Land, Gemeinde, Bahn, Tourismus, usw.) bzw. auf unterschiedlichen Abschnitten eines Verkehrsweges
wird auf unterschiedliche Weise gelöst. In einigen
Regionen ist das vom SLF entwickelte internetbasierte Massnahmen-Informationssystem IFKISMIS im Einsatz. Auf dieser «Informationsdrehscheibe» ist der Stand der Massnahmenplanung
jederzeit aktuell verfügbar, und die Teilnehmer
werden über neue Massnahmen unverzüglich aktiv informiert. IFKIS-MIS ist bisher kein Standard.
Es wird aufgrund einer Bedarfsmeldung einer Region vom SLF installiert und betreut.
166
2. Beschrieb des Gebietes
– Perimeter allgemein
– Lawinenzüge im besonderen
– Siedlungen, Verkehrwege, Pisten, Loipen
usw. im Gebiet
3. Aufgaben
– Datenerhebung, Verfolgen der Lawinensituation
– Übermittlung von Daten und Beobachtungen
– Führen eines Ereigniskatasters
– Aufrechterhalten der ständigen Einsatzbereitschaft
– Verwaltung und Instandhaltung von Material
– Regelmässige Zusammenkünfte
– Empfehlen oder Durchführen von entsprechenden Sicherungsmassnahmen
– Information von Behörden, Bevölkerung und
Medien
– Zusammenarbeit mit Such- und Rettungsdiensten
– Regelmässige Aus- und Weiterbildung
– Dokumentation
4. Organisation
– Zusammensetzung und Organigramm des
Lawinendienstes sowie Wahl der Mitglieder
und deren Amtsperiode
– Aufteilung in verschiedene Ressorts, wie z. B.
Leitung, Beobachtung, Warnung, Alarmierung, Übermittlung, Information Öffentlichkeit
und Medien, Lawinensicherung, Wehrdienst,
Evakuierung / Betreuung, Sanität, Rettung
– Definition von Schnittstellen zu anderen Organisationen
5. Verantwortung und Kompetenzen
– Verantwortung und Kompetenzen der Mitglieder
– Verantwortung und Kompetenzen der Leitenden
6. Haftung – Versicherungsschutz
– Unfallversicherung und Haftung
7. Kosten und Finanzierung
– Kosten für Material und Personalressourcen
und deren Finanzierung
8. Gültigkeit
– In-Kraft-Treten
– Gültigkeitsdauer
Lawinen und Recht
Die Teilnehmer waren sich zum grossen Teil einig,
dass diese Liste einen vernünftigen allgemeingültigen Minimalstandard darstellt, dass aber aufgrund der unterschiedlichen regionalen und lokalen Situationen (geographisch und organisatorisch) darüber hinaus nicht weiter vereinheitlicht
werden sollte.
4.2
Aus wie vielen und welchen Personen
soll ein Lawinendienst zusammengesetzt
sein? Was für Anforderungen sind an
deren Ausbildung und Fachwissen zu
stellen?
Die Zusammensetzung richtet sich nach dem Umfang der abzudeckenden Aufgaben. Vor allem bei
Mangel an geeigneten Personen ist eine regionale
Zusammenarbeit anzustreben. Diese konnte in einigen Gebieten, z. B. im Goms, verwirklicht werden.
Die Grundausbildung wird durch die IFKIS Kurse
(A für Mitarbeitende, B für leitende Mitarbeitende
von Lawinendienste) sichergestellt, welche ca.
alle zwei bis vier Jahre besucht werden sollen.
Ausserdem sind andere einschlägige Ausbildungen, z. B. Bergführer- oder militärische Ausbildungen von grossem Nutzen.
4.3
Ist ein Qualitätskontrollverfahren (z. B.
Prüfung und Abnahme einer Organisation
durch Kanton) nötig?
Ein Qualitätskontrollverfahren (z. B. durch den
Kanton) wird vielerorts begrüsst, da dies die Sicherheitsverantwortlichen in ihrer Aufgabe stärken
würde. Die Meinungen darüber, wie weitgehend
die Standards festgelegt werden müssen, gehen
jedoch beträchtlich auseinander. Die Ausarbeitung eines Minimalstandards durch das SLF wurde begrüsst. Entsprechende Formulare könnten in
einer späteren Phase in einer elektronischen Form
ins IFKIS integriert werden, nachdem sie sich in
einem Pilotbetrieb bewährt haben.
167
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Sorgfaltspflichten von Sicherheitsverantwortlichen
Workshop 5: Gemeindelawinendienste
Leitung: Stefan Margreth, Lukas Stoffel, Heinz
Walter Mathys
Teilnehmende: ca. 25 Personen, mehrheitlich Mitglieder von Sicherheitsdiensten aus der Schweiz
(insb. Graubünden, Glarus, Wallis), einzelne Kantonsvertreter und Teilnehmende aus Italien und
Frankreich, zwei Juristen.
1
Beurteilung der aktuellen
Lawinengefahr, Entscheidfindung
für Massnahmen, Journalführung
1.1
Grundlagen und Vorgehen
a) Welche allgemeinen Grundlagen und Dokumente sind üblich? Wie werden sie eingesetzt?
Im Siedlungsgebiet werden Lawinenzonenpläne in
Einsatzpläne (Absperrungen, Evakuationen) umgesetzt. Als wichtig wurde angesehen, dass kleine
Hänge im Siedlungsgebiet, die evtl. im Zonenplan
fehlen, nicht vergessen werden. Solche lokalen
Gefahrenstellen können beispielsweise für Loipen
oder Winterwanderwege eine Gefährdung darstellen.
Zusätzlich werden Listen mit Lawinenzügen, die
bis ins Tal reichen, geführt. In Frankreich wie auch
im Aostatal (Italien) wird diese Liste durch «Gebietsverantwortliche», d. h. Angestellte des Distrikts, geführt. Hilfreich ist die Führung eines Lawinenkatasters (Inventar). In der Schweiz wird dies
i. d. R. durch die Revierförster in Zusammenarbeit
mit den Naturgefahrenverantwortlichen, in Frankreich durch die Gebietsverantwortlichen, erledigt.
b) Welche Daten, Messungen und Beobachtungen
sind zu konsultieren resp. selber zu erheben, um
die aktuelle lokale Lawinengefahr beurteilen zu
können?
Die folgenden Datengrundlagen stehen im allgemeinen zur Verfügung:
– Lawinenbulletin SLF
– Wetterbericht
– Neuschneeprognose
– aktuelles Wetter vor Ort
– lokale Schnee- und Wetterdaten (eigene Messungen, IMIS-Stationen, Schneepegel)
– Lawinenaktivität
– Schneeprofile
168
Generell wurde festgehalten, dass die Qualität der
Grundlagen wichtiger ist als Quantität. Heute stehen sehr viele Informationen zur Verfügung. Für
eine rasche Entscheidfindung sind zusammengefasste Daten notwendig. Von etlichen Diensten
werden z. B. Mehrtages-Neuschneesummen erhoben. Weil bei einem Niederschlagereignis auch die
Vorgeschichte von Bedeutung ist, muss unbedingt
der gesamte Winterverlauf verfolgt werden. Die Information aus Schneeprofilen ist insbesondere vor
angekündigten Schneefällen hilfreich. Es kann sich
um Profile der Region (z. B. Höhenprofile von SLFGeländebeobachtern) oder um eigene Profilaufnahmen handeln. Eigene Aufnahmen weisen den
Vorteil auf, dass gleichzeitig eine Beobachtung des
Geländes möglich ist. Auch die Schneedeckenstabilitätskarte liefert gewisse Hinweise. Begehungen
und lokale Informationen sind für die Beurteilung
der Lawinengefahr sehr wichtig. Ausgesuchte
Pistenfahrzeugfahrer, die nachts unterwegs sind,
können wichtige Informationen liefern.
c) Welche Schritte sind bei der Entscheidfindung
und Situationsanalyse üblich?
Pro Lawinenzug, respektive Abschnitt Verkehrsweg, sind die folgenden Punkte wichtig:
– Vergleich der aktuellen Neuschneemengen mit
Erfahrungswerten / kritischen Werten (z. B. Neuschneesumme): Wichtig ist die Entwicklung
eines Szenarien-Denkens. Bewährt hat sich,
sich bereits vor dem Niederschlagsereignis Gedanken zu machen, welche Massnahmen bei
einer bestimmten Niederschlagsmenge vorzukehren sind. Beim Eintreffen des Ereignisses
kann gemäss den vorbereiteten Szenarien (z. B.
bei 50 cm Neuschnee werden die Gebiete A und
B gesperrt) gehandelt werden und man verliert
keine Zeit mit Diskussionen.
– Zustand Anrissgebiet und Lawinenbahn
(Schneehöhe, Schneedeckenzustand, Schneeverfrachtung, Vorlawinen, Rauhigkeit): Meist
wird der Zustand für einen Sektor/Region beurteilt; im Siedlungsgebiet kann jedoch die Beurteilung eines einzelnen Lawinenzuges wichtig
sein.
– Die Wirksamkeit baulicher Schutzmassnahmen
kann anlässlich von Begehungen/Überfliegungen beurteilt werden.
– Die Lawinenaktivität und die Grösse von beobachteten Lawinen können gute Hinweise geben, wobei die Vorgeschichte der Lawinenzüge
zu beachten ist.
Lawinen und Recht
– Entscheidend ist die persönliche Beurteilung
der lokalen Lawinengefahr! Äusserst wichtig ist
eine frühzeitige Beurteilung der Gefahr (nach
Frühwarnung und mit Hilfe von Lawinenbulletin
und Neuschneeprognose). Das Lawinenbulletin ist eine Entscheidungshilfe, darf aber für
eine lokale Beurteilung nicht überbewertet werden.
– Beschluss, resp. Empfehlung für Massnahmen.
Gewünscht wurde die Definition von Minimalstandards für das Vorgehen bei der Entscheidfindung.
d) Hängt die Sorgfaltspflicht vom Grad der Gefährdung ab?
Wenn Lawinen selten auftreten, kann man sich auf
eine geringere Erfahrung abstützen. Folglich werden geringere Anforderungen an den Sicherheitsverantwortlichen gestellt. Die Arbeit hat aber im
Rahmen des Zumutbaren zu erfolgen. Kleine Gemeinden können beispielsweise eine Beratung
durch einen externen Sicherungsdienst beantragen. Einzelne Sicherungsdienste beraten eine gesamte Region.
In Frankreich und im Aostatal gibt es Gesetze für
Präventionsmassnahmen («Kommunale Rettungspläne»). So sind z. B. Absperrpläne zu erstellen
und es müssen Telefonlisten geführt werden.
1.2
Welche Einträge muss ein Journal enthalten, damit eine Entscheidfindung resp.
Situationsanalyse nachvollziehbar ist?
In einigen Sicherheitsdiensten wird bei der Entscheidfindung mit Erhebungsblättern gearbeitet.
Folgende Punkte können enthalten sein:
– Wetter- und Schneedaten: Wetter, Neuschnee,
Wind (Richtung und Stärke), Temperatur, Gesamtschneehöhe, Zustand Altschneedecke,
Lawinenbulletin und Wetterprognose
– Beobachtete Lawinenaktivität, Abgänge im Gebiet
– Beurteilung lokale Lawinengefährdung (Prognose für den Tag)
– Beschluss, resp. Empfehlung für Massnahmen.
Sprengprotokolle können die folgenden Angaben
enthalten: Anrissgebiete, Sprengpunkte und Anzahl der Sprengungen; Methode, Ladungsgrösse,
Sprengung positiv oder negativ, ausgelöste Lawinen (z.B. Auslaufgebiet), Beurteilung Wirksamkeit
der Sicherungsaktion.
Auch die Führung eines Lawinenkatasters ist
wichtig (Anrissgebiet, Datum, Ablagerungsort,
evtl. Anrissmächtigkeit und Lawinenbreite, Kartierung, Fotos).
Die Diskussion zeigte, dass alle Unterlagen abgelegt werden sollen, welche zur Entscheidfindung
und Situationsanalyse beigezogen wurden. Um
das Ablegen dieser Daten möglichst einfach gestalten zu können, würde eine Software-Lösung
sehr begrüsst. Bewährt hat sich, dass persönliche
Gedanken und Unsicherheiten bei der Entscheidfindung festgehalten werden. Solche Aufzeichnungen können im Nachhinein wertvoll sein, um
z. B. die Verifikation eines Entscheides durchführen zu können oder allgemein für eine Qualitätskontrolle.
Wann sollen Journaleinträge gemacht werden?
Wetterbericht und Lawinenbulletin werden im allgemeinen täglich, resp. regelmässig konsultiert,
auch wenn keine Massnahmen getroffen werden.
Eine Dokumentation der Situation (z. B. nach Herausgabe einer Frühwarnung) wird von den meisten
Sicherheitsdiensten nur vorgenommen, wenn
Massnahmen getroffen werden. Einige Sicherheitsdienste führen tägliche Beobachtungen und
Aufzeichnungen durch.
1.3
Sollen Massnahmen an Bulletinstufen
gekoppelt werden – Bedeutung des
Lawinenbulletins für einen Gemeindelawinendienst?
– Bei den Gemeindelawinendiensten werden
Massnahmen nicht direkt an Bulletinstufen gekoppelt. Eine Kopplung erfolgt eher an eine
Frühwarnung.
– Massgebend ist immer die lokale Beurteilung:
Wird lokal Gefahrenstufe 5 (Lawinenbulletin 4)
festgestellt, müssen die der Stufe 5 entsprechenden Massnahmen getroffen werden.
– Die Kommunikation von internen Gefahrenstufen ist schwierig und kann zu Missverständnissen führen. Die Kommunikation erfolgt deshalb
nur selektiv. Man will keine unnötige Panikmacherei. Man kommuniziert mehr Verhaltens-/
Massnahmenstufen, z. B. «Stufe Gelb».
– Bewährt hat sich, dass mögliche Sperrungen
einer Strasse z. B. 24h im voraus mitgeteilt werden. In diesem Zusammenhang wurde die Bedeutung der Medien angesprochen. Wichtig ist
aktives Kommunizieren durch einen hierfür Verantwortlichen (agieren statt reagieren).
169
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
2
Durchführung von temporären
Massnahmen
2.3
2.1
Welche Grundlagen sind für den Einsatz
temporärer Massnahmen erforderlich?
– Schriftliche Erklärung einholen, dass die Information erfolgt ist und sich die Personen der
Gefahr bewusst sind.
– Bei grosser Gefahr kann eine Zwangsevakuierung angeordnet werden. Massgebend sind die
kantonalen Polizeigesetze (Kanton Bern: Zuständigkeit des Regierungsstatthalters, z. B.
Bern, Brienz). In der Hochwassersituation 2005
hat der Regierungsstatthalter der Stadt Bern
die Zwangsevakuierung des überschwemmten
Mattequartiers verfügt.
– Frankreich: Evakuationen werden als sehr unpraktikabel erachtet und deshalb sehr selten
angeordnet.
Gemäss den «Richtlinien zur Berücksichtigung
der Lawinengefahr bei raumwirksamen Tätigkeiten» sind für rote und blaue Zonen Alarmorganisation und Evakuationsplan vorzubereiten. Was beinhaltet das?
– Listen mit betroffenen Personen
– Vorgängige Information der Betroffenen (Infoblatt in den Häusern, mit Telefonnummer Ansprechperson in der Gemeindeverwaltung; evtl.
SMS-Benachrichtigung)
– Festlegen des Alarmierens im konkreten Fall:
Telefonliste durchgehen
– Bereitstellen des notwendigen Absperrmaterials.
Hilfreich sind:
– Pläne mit vorbereiteten Zonen, die zu sperren
bzw. zu evakuieren sind.
– Festlegung der Absperrorte
– Von juristischer Seite wurde vorgeschlagen,
dass die aktuell getroffenen Massnahmen am
offiziellen Anschlagsbrett der Gemeinde angeschlagen werden sollen.
Weiter wurde der Fall diskutiert, dass sich zwei
Personen nicht evakuieren lassen und es nachfolgend zum Lawinenunglück kommt. Welches sind
die juristischen Konsequenzen? Keine.
Allfällige Rettungsmassnahmen können erst nach
Beurteilung der aktuellen Gefährdung durchgeführt werden. Bei jedem Einsatz steht die Sicherheit der Retter im Vordergrund. Bergung ist keine
Rettung.
2.4
2.2
Wie haben Sperrungen zu erfolgen?
Sperrung einer Gemeindestrasse –
eines öffentlichen Fussweges?
Mögliche Arten von Sperrungen:
– Tafeln: Fahrverbot, Fussgängerverbot, Lawinengefahr (im Strassenverkehrsgesetz geregelt)
– geschlossene Barriere: bei hoher Gefahr notwendig (Bemerkung Jurist)
– Absperrort mit Personen (Absperr-Posten)
– Schneewall: mit Tafel Begehungsverbot möglich
– keine Schneeräumung (Nachteil: bei einem
Notfall sind keine Fahrten über die nicht geräumten Strassen möglich).
Im weiteren wurde festgestellt:
– Markierte Winterwanderwege sind aufgrund
der Verkehrssicherungspflicht gleich zu behandeln wie markierte Schneesportabfahrten (Pisten, Abfahrtsrouten, Schneesportwege). Bei
einer Gefährdung sind Sperrungen anzuordnen.
– Sommerwanderwege (im Winter nicht geräumt,
wenig begangen): keine Absperrungen – nicht
zumutbar.
170
Was ist bezüglich Evakuierungen zu
unternehmen, insbesondere wenn sich
die Betroffenen weigern?
Welche Möglichkeiten für eine teilweise
Öffnung für dringende Transporte (z.B.
zwischen Ortsteilen) gibt es und was
sind die Kriterien dafür?
– Es wurde festgestellt, dass das eigentliche
Sperren kein Problem darstellt, sondern die
vielen Sonderwünsche für Ausnahmen (z.B.
medizinische Probleme, Fütterung von Tieren).
Es kann sein, dass sich ein Lawinendienst bis
90% der Zeit mit solchen Sonderproblemen zu
befassen hat.
– Grundsätzlich gelten Sperrungen für alle. Ausnahmen sind stets heikle Entscheidungen. Bei
medizinischen Notfällen muss eine Abwägung
zwischen dem medizinischen Risiko und dem
Lawinenrisiko gemacht werden, was nicht einfach ist.
– Oft müssen Tiere in abgelegenen Ställen mit
lawinengefährdeten Zugängen gefüttert werden. Als wichtig wurde erachtet, dass die Person über die aktuelle Lawinengefahr aufgeklärt
wird.
Lawinen und Recht
3
Organisation eines Lawinendienstes
3.1
Was muss ein Pflichtenheft eines Lawinendienstes enthalten?
Die folgenden Punkte sollten in einem Pflichtenheft geregelt und beschrieben sein (siehe auch
Workshop 4 «Verkehrswege»):
1. Zweck
2. Beschrieb des Gebietes: eine Abgrenzung des
beurteilten Gebietes ist sehr wichtig (Siedlung,
Strasse, Loipen usw.)
3. Aufgaben
4. Organisation
5. Verantwortung und Kompetenzen: klare Trennung der Kompetenzen. Es wurde eher als vorteilhaft angesehen, wenn ein Sicherheitsdienst
vom Gemeindeführungsstab getrennt ist.
6. Haftung – Versicherungsschutz: Beim Sicherheitsdienst muss die Haftung mit einer Versicherung abgedeckt sein. Wichtig ist, dass die
einzelnen Mitglieder eines Sicherheitsdienstes
über eine persönliche Rechtsschutzversicherung verfügen, wenn z. B. das Mitglied gegen
den Dienst vorgehen muss.
7. Kosten und Finanzierung
8. Gültigkeit.
Die Vereinheitlichung von Pflichtenheften ist unmöglich, weil die einzelnen Sicherheitsdienste in
sehr unterschiedlichen Organisationen eingebettet sind. Man war sich einig, dass die obgenannten Punkte geregelt sein müssen. Bei Gemeindelawinendiensten können diese Punkte auch auf
Stufe Gesetz oder Verordnung und nicht in eigentlichen Pflichtenheften geregelt sein. Teilweise gibt
es kantonale Vorgaben für Pflichtenhefte. Ein
Pflichtenheft kann einfacher abgeändert oder angepasst werden als ein Gesetz oder eine Verordnung.
3.2
Zusammensetzung eines Lawinendienstes?
– Je nach Lawinengefahr kann sich ein Dienst
unterschiedlich zusammensetzen. In einer Gemeinde setzt sich der Lawinendienst im Normalfall aus 6 Personen zusammen. Bei einer
ausserordentlichen Gefahr wird der Gemeindeführungsstab zusätzlich zum Lawinendienst
aufgeboten. Wichtig ist, dass die Kompetenzen
klar geregelt sind.
– Als wichtig wurde angesehen, dass Entscheide
im Normalfall kooperativ getroffen werden.
3.3
Was für Anforderungen sind an Ausbildung und Fachwissen zu stellen?
Eine besondere Ausbildung ist unbedingt notwendig. Falls eine Person über keine spezifische Ausbildung verfügt, sind spezielle Ausbildungskurse,
z. B. die IFKIS A+B Kurse des SLF, zu besuchen.
3.4
Ist ein Qualitätskontrollverfahren
(z.B. Prüfung und Abnahme einer
Organisation durch Kanton) nötig?
Grundsätzlich liegt die Verantwortung bei der Gemeinde. Das wurde als richtig angesehen, denn im
Ernstfall muss die Gemeinde alleine entscheiden.
Eine fachliche Unterstützung in schwierigen
Grundsatzentscheiden durch den Kanton ist erwünscht und wird teilweise bereits praktiziert. Bei
den Kantonen sind die personellen und finanziellen Mittel für eine enge Betreuung kaum vorhanden. Im übrigen gibt es weitere verantwortliche
Organisationen wie Zivilschutz und Feuerwehr,
welche ebenfalls integriert werden müssten. Die
Diskussion ergab, dass die Gemeinden an einer
Überprüfung / Check ihrer Organisation interessiert sind, um z. B. Lücken in ihrem Sicherheitsdispositiv schliessen zu können.
4
Zusammenfassung und Handlungsbedarf
Im Workshop wurde viel diskutiert. Es fand ein
guter Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Sicherheitsdiensten und den verschiedenen Ländern statt. Dies beweist, dass die
Sicherheitsverantwortlichen an einem solchen Informationsaustausch sehr interessiert sind. Es bestand Bedarf für weitere Diskussionen.
Generell gibt es bei den Sicherheitsdiensten unterschiedliche Organisationsformen und Entscheidungsabläufe. Das wurde als richtig angesehen,
da die Rahmenbedingungen (Aufgaben, Gebietsgrösse, Art des Dienstes) höchst verschieden
sind.
Gewünscht wurde, dass Checklisten und Minimalstandards für die Entscheidfindung und Massnahmenplanung definiert werden (vgl. SKUSRichtlinien).
Weiter wurde der Wunsch geäussert, eine EDVLösung für die Datenarchivierung und das evtl.
Festhalten von Entscheiden zu erarbeiten.
Viele Sicherheitsdienste sind an einer Überprüfung/Check ihrer Organisation interessiert, um
Lücken im Dispositiv schliessen zu können. Weiter
wurde festgestellt, dass diese Tagung dazu beigetragen hat.
171
Proceedings Internationales Seminar, Davos 2005
Referenten und Autoren
Ammann Walter
Dr. sc. tech. ETH, Institutsleiter SLF, Davos,
Schweiz
Anthamatten Fritz
Dr. iur., Rechtsanwalt, Brig, Schweiz
Bergamin Patrik
Dr. iur., Untersuchungsrichter, Staatsanwaltschaft
Graubünden, Davos, Schweiz
Degiacomi Erich
lic. iur., Untersuchungsrichter, Staatsanwaltschaft
Graubünden, Samedan, Schweiz
Ermacora Andreas
Dr., Rechtsanwalt, Innsbruck, Österreich
Etter Hans-Jürg
Mitarbeiter Lawinenwarndienst SLF, Davos,
Schweiz
Harvey Stephan
dipl. Natw., Bergführer, Mitarbeiter Lawinenwarndienst SLF, Davos, Schweiz
Mathys Heinz Walter
Fürsprecher, Staatsanwalt, Bern, Schweiz
Michel Hans Peter
Landammann, Landschaft Gemeinde Davos,
Davos, Schweiz
Munter Werner
Bergführer, Mitarbeiter SLF, Davos. Schweiz
Nay Giusep
Dr. iur, Bundesgerichtspräsident, Schweizerisches Bundesgericht, Lausanne, Schweiz
Nigg Paul
Bergführer, Luzern, Schweiz
Rhyner Jakob
Dr., Leiter Abteilung Lawinenwarnung und
Risikomanagement SLF, Davos, Schweiz
Riedl Harald
Bergführer, Amt der Tiroler Landesregierung,
Zivil- und Katastrophenschutz, Lawinenkommissionen, Innsbruck, Österreich
Hefti Hanspeter
Chef Lawinendienst, Davos, Schweiz
Schweizer Jürg
Dr. sc. nat ETH, leit. wiss. Mitarbeiter SLF, Davos,
Schweiz
Jelk Bruno
Bergführer, Lawinendienst Mattertal, Zermatt,
Schweiz
Stiffler Hans-Kaspar
Dr. iur., Rechtsanwalt, Erlenbach, Schweiz
Lambert Richard
expert judiciaire agréé par la Cour de Cassation,
Université de Savoie, Thônes, France
Larcher Michael
Mag., Bergführer, Ausbildungsreferent OeAV,
Innsbruck, Österreich
Mair Rudi
Mag., Lawinenwarndienst Tirol, Innsbruck,
Österreich
Maissen Theo
Präsident Schweizerische Arbeitsgemeinschaft
für die Berggebiete (SAB), Bern, Schweiz
Manoha Anne-France
Vice-Présidente, Tribunal de grande instance de
Bonneville, France
Margreth Stefan
dipl. Ing. ETH, Leiter Team Lawinenschutz SLF,
Davos Schweiz
172
Stoffel Lukas
dipl. Ing. ETH, wiss. Mitarbeiter SLF, Davos,
Schweiz
Stucki Thomas
dipl. Natw., Leiter Lawinenwarndienst SLF,
Davos, Schweiz
Tarfusser Cuno
dott., Leiter Staatsanwaltschaft, Bozen, Italien
Trachsel Hansjörg
dipl. Bauing. HTL, Regierungsrat Kanton
Graubünden, Celerina, Schweiz
Tuaillon Jean-Louis
chef de sécurité, Tignes, France
Weber Klaus
Alt-Gerichtspräsident, Siegsdorf, Deutschland
Zweifel Benjamin
Mitarbeiter Lawinenwarndienst SLF, Davos,