Untergemeinschaften zur Beschlussfassung
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Untergemeinschaften zur Beschlussfassung
3. Berlin-Brandenburger Verwalterforum 6. November 2011 „Elzer’s Allerlei: Neues zu Untergemeinschaften und zum Bauträgerrecht Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer Berlin 2012 | Folie 1 Teil 1_Untergemeinschaften Berlin 2012 | Folie 2 „Frisches Futter“ BGH, Urteil vom 20.7.2012, V ZR 231/11 In einer Wohnungseigentumsanlage gibt es drei „Untergemeinschaften“. Am 29. April 2009 wird auf der Versammlung der Untergemeinschaft „A“ unter anderem die Jahresabrechnung dieser Untergemeinschaft für das Jahr 2008 beschlossen. Ist der Beschluss nichtig? Berlin 2012 | Folie 3 Fragen aus Verwaltersicht • • • • • • Was ist eine „Untergemeinschaft“? Muss ich als Verwalter für diese Tätigkeiten entfalten? Kann eine Untergemeinschaft einen „eigenen“ Verwalter haben? Was gilt für Ladung und Versammlung? Was gilt für Beschlusskompetenzen? Muss ich für die Untergemeinschaft separate Wirtschaftspläne und Abrechnungen erstellen? Berlin 2012 | Folie 4 BGH, Urteil vom 20.7.2012, V ZR 231/11 Randnummer 10 § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG ermöglicht es, Untergemeinschaften mit eigener Verwaltungszuständigkeit und selbständiger Beschlussfassungskompetenz ihrer Mitglieder zu errichten. Berlin 2012 | Folie 5 BGH, Urteil vom 20.7.2012, V ZR 231/11 Randnummer 10 Zulässig sind von § 21 Abs. 1 und Abs. 3, § 23 Abs. 1, § 28 Abs. 5 WEG abweichende Stimmrechtsregelungen für die Beschlüsse über Wirtschaftspläne und Jahresabschlüsse, nach der allein die Mitglieder der Untergemeinschaft anstelle aller Wohnungseigentümer über die auf das jeweilige Haus entfallenden Kostenpositionen zu entscheiden haben. Berlin 2012 | Folie 6 BGH, Urteil vom 20.7.2012, V ZR 231/11 Randnummer 10 Ist bestimmt, dass die Kosten und Lasten für die Untergemeinschaften nicht nur getrennt zu ermitteln und abzurechnen sind, sondern für jede Untergemeinschaft - soweit rechtlich zulässig selbständig verwaltet werden sollen, hat der Verwalter hausbezogene Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen aufzustellen und den Untergemeinschaften zur Beschlussfassung vorzulegen. Berlin 2012 | Folie 7 BGH, Urteil vom 20.7.2012, V ZR 231/11 Randnummer 11 Den Mitgliedern einer Untergemeinschaft steht keine Kompetenz zu, auch über die Kostenpositionen zu entscheiden, die das Grundstück, mehrere Gebäude oder gemeinschaftliche Anlagen betreffen. Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen enthalten indes notwendigerweise auch solche Kosten, weshalb - auch wenn es sich um eine Mehrhausanlage handelt - alle Wohnungseigentümer zur Beschlussfassung über diese berufen sind. Berlin 2012 | Folie 8 Folgerungen 1. 2. 3. 4. Wohnungseigentümer können durch Vereinbarung Untergemeinschaften erschaffen. Ihren „Umfang“ müssen die Wohnungseigentümer bestimmen. Es gibt nur einen Verwalter. Dieser muss auch für eine Untergemeinschaft Tätigkeiten entfalten. Was die Mitglieder einer Untergemeinschaft beschließen dürfen (Umfang der Beschlusskompetenz), muss die Vereinbarung anordnen. Die Wohnungseigentümer können anordnen, dass der Verwalter für Untergemeinschaften separate Wirtschaftspläne und Abrechnungen vorlegen muss. Berlin 2012 | Folie 9 Grundsätze zur Abrechnung in der Mehrhausanlage • In welcher Weise der Verwalter eine Mehrhausanlage besonders abzurechnen hat, muss in erster Linie die Gemeinschaftsordnung – also eine Vereinbarung bestimmen. • Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, gelten auch in einer Mehrhausanlage keine Besonderheiten. • Die Wohnungseigentümer können solche auch nicht beschließen. Für eine Abweichung vom Gesetz besteht keine Beschlusskompetenz. Berlin 2012 | Folie 10 Vereinbarungen vorstellbar für • … den anzuwendenden Umlageschlüssel. • … die Buchführung des Verwalters, etwa Verbuchung von „mehreren“ Instandhaltungsrückstellungen. • … die Form der Abrechnung über den Wirtschaftsplan, vor allem ob es neben „der“ Abrechnung Abrechnungen für die Mehrhäuser geben soll. • … Beschlussfassung nach § 28 Abs. 5 WEG. Berlin 2012 | Folie 11 Grundsätze zu Abrechnung • Trotz Kostentrennung muss (immer auch) eine Abrechnung für die Gesamtanlage erstellt werden. Die Abrechnungen der Unterhäuser sind in der Summe nicht die von § 28 Abs. 3 WEG geforderte Abrechnung. Berlin 2012 | Folie 12 Abrechnung über Wirtschaftsplan in Mehrhausanlage immer: eine Gesamtabrechnung für Gesamtanlage, egal, was vereinbart ist daneben: Abrechnungen für jedes Haus, sofern vereinbart Inhalt: isolierbare Kosten Inhalt: wie übliche Abrechnung Berlin 2012 | Folie 13 Form der Abrechnung im Mehrhaus • Eine Abrechnung für ein Einzelhaus sollte als Inhalt haben (a.A. OLG Schleswig ZWE 2008, 42): Gesamtabrechnung der isolierbaren Lasten und Kosten; Einzelabrechnungen der isolierbaren Lasten und Kosten; Heizkostenabrechnung, soweit isolierbar (BayObLG WuM 1994, 105 ). • Einnahmen nur eines Mehrhauses sind – ist nichts anderes vereinbart – , nicht vorstellbar. Berlin 2012 | Folie 14 Grundsätze zur Abstimmung • Trotz Kostentrennung enthält jede Abrechnung Kosten, die alle Wohnungseigentümer gleichermaßen treffen, so etwa Reinigungskosten, Verwalterkosten, Entwässerungskosten und Bankgebühren. Hierüber können nur alle Wohnungseigentümer abstimmen. • Eine Abstimmung eines „Unterhauses“ ist nur für isolierbare Kosten vorstellbar. Berlin 2012 | Folie 15 Anordnung „wirtschaftlicher Trennung“ der Einheiten: Auswirkungen auf Stimmrecht „flankiert“ durch klare Anordnung getrennter Beschlussfassung Beschlussfassung aller: keine Anordnung getrennter Beschlussfassung Beschlussfassung durch neuere Ansicht: bislang ganz h.M. Teilversammlung nur für Beschlussfassung • kein Betroffenheitsstimmrecht für Abrechnung stets durch Kosten die alle Wohnungseigentümer treffen, etwa: • Verwalter, • Versicherung, • Straßenreinigung, • Lasten alle isolierbaren Kosten alle Wohnungseigentümer • OLG Zweibrücken ZMR 2005, 908 • BayObLG NZM 2001, 771 Berlin 2012 | Folie 16 Was gilt für die Versammlung 1. Sämtliche Wohnungseigentümer „laden“. 2. Teilnahmerecht sämtlicher Wohnungseigentümer. 3. Stimmrecht nach Maßgabe der Vereinbarung. Berlin 2012 | Folie 17 Teil 2_Neues zum Bauträgerrecht • werdender Wohnungseigentümer • Vergemeinschaftung • Abnahmeklauseln Berlin 2012 | Folie 18 BGH, Urteil vom 11.5.2012, V ZR 196/11 Eine Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt vom ehemaligen Alleineigentümer A für eine Einheit die Zahlung von Hausgeld. A hatte diese Einheit bereits 2004 verkauft. Für den Erwerber wird im Juli 2004 eine Vormerkung eingetragen. Wann der Erwerber den Besitz an der Einheit erlangte, ist unklar. Zu einer Eigentumsumschreibung kam es bislang nicht. September 2004 wird ein anderer, auch vom Alleineigentümer Erwerbender in das Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Berlin 2012 | Folie 19 Voraussetzungen werdender Wohnungseigentümer • wirksamer, auf die Übereignung von Wohnungseigentum gerichteter Erwerbsvertrag • Übereignungsanspruch ist durch eine Auflassungsvormerkung gesichert ist • Besitz an der Wohnung ist auf den Erwerber übergegangen Berlin 2012 | Folie 20 BGH, Urteil vom 11.5.2012, V ZR 196/11 Wer einen Bauträgervertrag vor Entstehen einer Gemeinschaft nach Bruchteilen abschließt, kann werdender Wohnungseigentümer sein. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn seine Vormerkung vor Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft eingetragen wurde, er den Besitz an seiner Wohnung erst nach Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft erlangt hat. Berlin 2012 | Folie 21 BGH, Urteil vom 11.5.2012, V ZR 196/11 Randnummer 12 Eine zeitliche Begrenzung für die Anwendung der Grundsätze der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft auf die Ersterwerber hat der Senat lediglich im Hinblick darauf erwogen, dass der teilende Eigentümer nach einer längeren Vorratshaltung einem Eigenerwerber gleichzustellen sein könnte. In Betracht käme dies, wenn der Erwerbsvertrag als erster Bestandteil einer gesicherten Erwerbsposition erst geraume Zeit nach Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft geschlossen wird. Berlin 2012 | Folie 22 Neues Bild: Erwerb vom Bauträger Erwerber Vormerkung Eintragung Ersterwerber Vertrag+Vormerkung+Besitz Eintragung Ersterwerber Ersterwerber Vertrag+Vormerkung Ersterwerber werdende Gemeinschaft Besitz Vertrag+Besitz+Vormerkung Gemeinschaft Berlin 2012 | Folie 23 Folgerungen, unter anderem • Ladung zu Versammlung • Rechte und Pflichten, etwa – Stimmrecht – Hausgeld – Einsichtsrechte Berlin 2012 | Folie 24 Verpatzte Vergemeinschaftung I Eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern macht 2010 Ansprüche aus einer Ersatzvornahme gegen den Bauträger geltend. Der Bauträger wendet u.a. ein, es fehle der Gemeinschaft an der Prozessführungsbefugnis. Etwaige Ansprüche seien im Übrigen auch verjährt. Die Gemeinschaft hält dem entgegen, die Mängelgewährleistungsansprüche seien vergemeinschaftet worden. Aus dem Protokoll über eine Eigentümerversammlung aus 2007 ergibt sich, dass der Bauträger mit Fristsetzung zur Sanierung aufgefordert werden soll, und dass bei ergebnislosem Fristablauf eine Ersatzvornahme erfolgen sollte. Berlin 2012 | Folie 25 OLG München Urteil vom 3.7.2012, 13 U 2506/11 Bau Will die Wohnungseigentümergemeinschaft an der Stelle des Erwerbers diesem zustehenden Mängelansprüche einklagen, so muss sie zunächst die Erwerberrechte durch Beschluss an sich ziehen und sodann - soweit sie den Verwalter mit deren gerichtlicher Durchsetzung betrauen will - den Verwalter mit einem weiteren Mehrheitsbeschluss ermächtigen. Berlin 2012 | Folie 26 Verpatzte Vergemeinschaftung II Sieben Wohnungseigentümer verlangen von einem Bauträger gem. § 637 Abs. 1, Abs. 3 BGB Nach- bzw. Vorschusskosten in Höhe von 52.979,83 EUR für die Beseitigung von Mängeln im Sondereigentum und im gemeinschaftlichen Eigentum. Während des Prozesses beschließen die Wohnungseigentümer im Mai 2007, „die Klage ... mit sofortiger Wirkung fallen zu lassen“. Daraufhin nehmen drei Kläger ihre Klage zurück. Die anderen vier halten an der Klage fest. Das Landgericht gibt der Klage statt. Hiergegen wendet sich der Bauträger. Er meint, die Kläger seien nicht prozessführungsbefugt. Berlin 2012 | Folie 27 OLG Bremen, Urteil vom 9.12.2011, 2 U 62/11 Im Beschluss, „die Klage WEG .... fallen zu lassen“, liegt nicht die Vergemeinschaftung gemeinschaftlicher Mängelansprüche. Berlin 2012 | Folie 28 Beschlussvorschlag 1. Die Ausführung der Mängelansprüche der Wohnungseigentümer als Erwerber gegen [Bauträger] am gemeinschaftlichen Eigentum werden mit Ausnahme des großen Schadenersatzes und des Rücktritts der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer [Name] übertragen. 2. 1 Der Verwalter wird ermächtigt, im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer [Name] die erforderlichen und zweckdienlichen Handlungen vorzunehmen sowie die notwendigen und zweckdienlichen Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen.2 Die Ermächtigung umfasst die gerichtliche und außergerichtliche Geltendmachung der Ansprüche.3 Der Verwalter ist befugt, mit Rechtsanwalt [Name] zur außer- und prozessualen Durchsetzung der Ansprüche der Wohnungseigentümer als Erwerber im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer [Name] einen Vertrag zu schließen. 29 | Bauträgerrecht Aufrechnung? Ein Bauträger verklagt den Erwerber eines Wohnungseigentums auf restlichen Kaufpreis von 39.304 EUR. Der Erwerber rechnet wegen einer mangelhaften Dachkonstruktion mit einem Vorschussanspruch in Höhe von 50.000 EUR auf. Der Erwerber sieht sich hierzu als berechtigt an, weil die Wohnungseigentümer die Durchsetzung der Gewährleistungsansprüche mit Beschluss der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zugewiesen hatte, die ihrerseits die Ansprüche an ihn abgetreten hatte. Der Bauträger meint, es fehle an einer Aufrechnungslage, weshalb seine Kaufpreisforderung nicht erloschen sei. Berlin 2012 | Folie 30 OLG Stuttgart, Urteil vom 3.7.2012, 10 U 33/12 Zwischen dem Kaufpreisanspruch gegen einen Erwerber von Wohneigentum und einem Anspruch auf Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung am gemeinschaftlichen Eigentum besteht keine Aufrechnungslage. Die unwirksame Aufrechnungserklärung mit einem Anspruch auf Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung am gemeinschaftlichen Eigentum gegen die Kaufpreisforderung ist als Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nach § 320 BGB zu behandeln. Berlin 2012 | Folie 31 OLG Karlsruhe Urteil vom 27.9.2011, 8 U 106/10 In einem vorformulierten Bauträgervertrag ist vorgesehen, dass das gemeinschaftliche Eigentum durch einen von dem Bauträger zu benennenden Sachverständigen abgenommen wird und der Erwerber diesem Sachverständigen eine unwiderrufliche Vollmacht erteilt. Entsprechend dieser Regelung wird die Abnahme durch einen Sachverständigen durchgeführt. Gut fünf Jahre nach Fertigstellung und Abnahme der letzten verkauften Wohnung zeigen sich erste Mängel. Der Bauträger beruft sich auf Verjährung. Berlin 2012 | Folie 32 OLG Karlsruhe Urteil vom 27.9.2011, 8 U 106/10 Eine Regelung in einem vorformulierten Bauträgervertrag, wonach das Gemeinschaftseigentum durch einen von dem Bauträger zu benennenden Sachverständigen abgenommen wird und der Erwerber diesem Sachverständigen eine unwiderrufliche Vollmacht, das Gemeinschaftseigentum abzunehmen, erteilt, ist wegen unangemessener Benachteiligung des Erwerbers unwirksam. LG München I BauR 2009, 1444 Berlin 2012 | Folie 33 LG Hamburg Urteil vom 11.3.2010, 328 O 179/09 Die vorformulierte Klausel in einem Bauträgervertrag über neu errichtete Eigentumswohnungen: „Das gemeinschaftliche Eigentum wird für die Vertragsparteien vom Verwalter der Wohnanlage abgenommen, frühestens aber, wenn mehr als 50% aller Wohnungen verkauft sind“ ist gemäß § 307 BGB unwirksam. Berlin 2012 | Folie 34 Folgerungen für Verwalter, unter anderem • Abnahme – Finger weg davon! • „Mängelmanagement“ – TOP auf Versammlung – Vorschlag Sichtung durch Sachverständigen – Prozessvorbereitung Berlin 2012 | Folie 35 Danke für Ihre Aufmerksamkeit! Potsdam 2011 | Folie 36