FB 15: Rücktritt Übungsfall: Herbie groß in Fahrt Herbert Hip (H

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FB 15: Rücktritt Übungsfall: Herbie groß in Fahrt Herbert Hip (H
FB 15: Rücktritt
Übungsfall: Herbie groß in Fahrt
Herbert Hip (H) betreibt in Augsburg einen Gebrauchtwagenhandel. H konzentriert sich dabei auf
Modelle eines renommierten deutschen Herstellers. So nimmt H unter anderem von Donald Dau (D)
ein zehn Jahre altes Fahrzeug des Modells „Fliege“ (Marktwert € 2.800,-) entgegen. Er zahlt D dafür
sofort eine Summe von € 2.300,- als „garantierten Gewinn“ aus. H wolle für eine „Provision“ in Höhe
des übrigen erzielten Gewinns das Auto dann für D verkaufen.
Der in Augsburg studierende Gustav Glück (G) besucht nun das Geschäft des H. Er ist von dem
Wagen des D sofort begeistert und erklärt, dass er das Fahrzeug kaufen wolle. H ist sofort
einverstanden. Der schriftliche Kaufvertrag enthält dabei folgende Klauseln:
„Der Vertrag kommt zwischen D und G zustande. Der Kaufpreis ist direkt an H zu entrichten. D haftet
als Privatperson nicht für etwaige Mängel des Fahrzeugs. Abgesehen von den aufgelisteten Fehlern
sind keine Mängel bekannt.“
G bekommt den PKW gleich übergeben. Einen Tag später lässt G diesen anmelden. Aber schon drei
Wochen nach dem Kauf stellt G verärgert einen Defekt am Keilriemen fest, der auch nicht im
Kaufvertrag aufgelistet war. G ruft daraufhin zunächst bei H an und bittet um eine kostenlose
Reparatur des Keilriemens. H hält ihm entgegen, dass der Vertrag zwischen D und G zustande
gekommen sei. Daher bestünden von vornherein keine Gewährleistungsansprüche gegen ihn, H.
Außerdem könnten weder D noch er etwas für den fehlerhaften Keilriemen. Dieser sei auch bei einer
Routineuntersuchung des Wagens nicht feststellbar gewesen. Er, H, werde jedenfalls das Fahrzeug
keinesfalls kostenlos reparieren.
G bringt wütend nach diesem Gespräch den PKW noch am selben Tag zu H zurück, wobei er beim
Einparken auf dessen Betriebsgelände den Wagen am vorderen Scheinwerfer durch leichte
Unachtsamkeit beschädigt. Gegenüber H erklärt er, er wolle mit dem Vertrag nichts mehr zu tun haben
und verlange sein Geld zurück.
H verweist auf seine Argumente aus dem Telefonat. Im Übrigen sei der Wagen schon wegen der
Erstzulassung 20 % weniger wert. Außerdem sei am Scheinwerfer ein Schaden in Höhe von € 250,entstanden. G könne daher jedenfalls nicht den ganzen Kaufpreis zurückverlangen. Insoweit rechne er,
H, hilfsweise auf. Hinzugezogene Sachverständige können nicht mit Sicherheit klären, ob der
Keilriemen bereits bei Übergabe beschädigt war oder der Defekt erst im Besitz des G auftrat.
Wie ist die Rechtslage?
Fallbesprechung zum Grundkurs BGB II, SoSe 2012, FB 15 – Herbie groß in Fahrt – Gliederung
A. Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 2.800 €
wegen Rücktritts
I. G gegen H aus § 346 I BGB iVm §§ 323 I, 437 Nr. 2 Alt. 2 BGB
1. Erklärung gem. § 349 BGB (+)
2. gesetzl. Rücktrittsrecht nach §§ 323 I, 437 Nr. 2 Alt. 2 BGB
a)
wirksamer Kaufvertrag, § 433 I BGB (+)
b)
Anwendbarkeit der Sachmängelgewährleistung, § 434 I S. 1 BGB

c)
Gefahrübergang, geregelt in § 446 S. 1 BGB, hier mit Übergabe (+)
Sachmangel, § 434 BGB (§ 434 I S. 2 Nr. 2 BGB)
Mangel = negative Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der SollBeschaffenheit
d)

subjektiver Fehlerbegriff (heißt: Vorrang der Individualabrede)

hier Mangel nach § 434 I S. 2 Nr. 2 BGB
bei Gefahrenübergang

„bei Gefahrübergang“, § 434 I S. 1 BGB, vorliegend nicht
aufklärbar

Hier Anwendbarkeit des Art 476 BGB?

falls Verbrauchsgüterkauf vorliegt, § 474 I, 1 BGB
• K Verbraucher, § 13 BGB (+)
• V Unternehmerin, § 14 BGB (+)
Verbrauchsgüterkauf zwischen G und H (+)

nach h. Lit. greift § 476 BGB: Vermutung zugunsten des G (str.!)
(+)
© nic
Fallbersprechung zum Grundkurs BGB II, SoSe 2012, FB 15 – Herbie groß in Fahrt – Gliederung
(auf die Feinheiten und vor allem die abweichende BGH
Rechtsprechung zu dieser Norm wird hier nicht eingegangen>>für
Fortgeschrittene!)
e)
erfolglose Nachfristsetzung, § 323 I BGB?

Reparatur verlangt, aber Fristsetzung (-)

hier: Nachfristsetzung aber entbehrlich gem. § 323 II Nr. 1 BGB, da
ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung
f)
keine Ausschlussgründe nach § 323 V, VI BGB (+)
g)
Unwirksamkeit des Rücktritts wegen Verjährung des Hauptanspruchs, § 218 I S. 1
i.V. m § 438 IV S. 1 BGB (-)
h)
Wirksamer Gewährleistungsausschluss (-),
da Vertragsklausel nichtig gem. § 475 I S. 1 BGB
Zw.erg.: Anspruch G gegen H auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 2.800 €
aus § 346 I BGB (+)
II. Anspruch (teilweise) erloschen nach § 389 BGB ?
1.
Aufrechnungslage, § 387 BGB
a)
Forderung des G (Hauptforderung = Forderung GEGEN die aufgerechnet
wird)
aa) Rückgewähr des Kaufpreises in Höhe von 2.800 € (vgl. o.)
bb) erfüllbare Hauptforderung gem. § 271 BGB (+)
b)
Forderungen des H (Gegenforderung = eigene Forderung des Aufrechnenden)
aa) Anspruch aus §§ 346 II S.1 Nr.3 Hs.1 BGB
Anspruch H gegen G auf Wertersatz in Höhe von 250 € wegen
des zerstörten Scheinwerfers?
© nic
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Fallbersprechung zum Grundkurs BGB II, SoSe 2012, FB 15 – Herbie groß in Fahrt – Gliederung
• Verschlechterung (+)
• Bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme (-)
• Ausschluss gem. § 346 III S. 1 Nr. 3 BGB?
(a) GESETZLICHES Rücktrittsrecht (+)
(b) Haftung des G gem. § 277 BGB, hier nur
leichte Unachtsamkeit
(c) aber Sorgfalt wie in eigenen Angelegenheiten
(-), da keine Angaben im SV
Zw.erg.: Anspruch H gegen G i. H von 250 € aus § 346 II S. 1
Nr. 3 Hs. 1 BGB (+)
bb) Anspruch aus § 280 I iVm § 346 IV BGB i. H von 250 €
Schadensersatz wegen des zerstörten Scheinwerfers?
(a) Anwendbarkeit des § 346 IV BGB
(1) Anwendung vor Rücktrittserklärung?
Str.: Haftung von der Übergabe der Sache an, ab
Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis des
Rücktrittsgrundes oder erst mit
Rücktrittserklärung (sehr str.!)
(2) aA: Rückgewährschuldverhältnis mit entspr.
Rückgewährpflicht entsteht erst durch Rücktritt
d.h. ab Rücktrittserklärung
Arg.:

Wortlaut des § 346 IV BGB

Pflicht nach § 346 I BGB erst mit erklärtem
Rücktritt

Wird die Ursache für die spätere
Pflichtverletzung vor Rücktrittserklärung
gesetzt ist Rückgewährgläubiger durch
© nic
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Fallbersprechung zum Grundkurs BGB II, SoSe 2012, FB 15 – Herbie groß in Fahrt – Gliederung
spätere Pflicht zum Wertersatz ausreichend
geschützt
(3) Wohl überwiegende Meinung: jedenfalls ab
Kenntnis des Rücktrittsgrundes
• wer weiß, dass er zurücktritt, muss (mehr!) auf
die Sache achten
• da Schaden höher ausfallen kann, ist Wertersatz
kein ausreichender Schutz
• Wertersatzpflicht kann ausgeschlossen sein (§
346 III S. 1 Nr. 1-3 BGB)
(4) hier: G hatte Kenntnis, § 346 IV BGB (+)
(b) Pflichtverletzung (+)
(c) Vertretenmüssen gem. § 280 I S. 2 BGB, hier § 276 I,
II BGB (+)
Zw.erg.: Anspruch H gegen G i.H.v. 250 € aus § 280 I BGB
iVm §§ 346 IV BGB (+)
cc) Anspruch auf Nutzungsersatz aus § 346 I, II S. 1 Nr. 1 BGB
hier: Gebrauchsvorteil i.S.v. § 100 BGB
Höhe: keine Angabe
[Gliederung:
1. Aufrechnungslage, § 387 BGB
a) Forderung des G (Hauptforderung)
b) Forderungen des H (Gegenforderung)
aa.: Scheinwerfer § 346 II;
bb.: Scheinwerfer § 346 IV)
]
c) Gegenseitigkeit (+)
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d) Gleichartigkeit (+)
2. Aufrechung nicht ausgeschlossen, §§ 390, 393, 394 BGB (+)
3. Aufrechnungserklärung, § 388 S. 1 BGB (+)
Zw.erg.: Anspruch des G i.H.v. (nur) 250 € erloschen
Ergebnis: Anspruch G gegen H auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von
2.550 € (+)
III. Anspruch aus § 812 I S. 2 Alt. 1 BGB
Rückabwicklungsverhältnis stellt Rechtsgrund dar, daher hier Anspruch (-), s.o.
B. Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung wegen Anfechtung i.H.v.
€ 2.800 aus § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB
Vor.: Vertrag durch Anfechtung gem. § 142 I BGB ex tunc nichtig
1. Anfechtungserklärung, § 143 I BGB (+)
2. Anfechtungsgrund, § 119 II BGB?
grds.: (+); aber damit würde Frist der Sachmängelgewährleistung nach § 438 IV S.
1 iVm § 218 BGB von § 121 II BGB unterlaufen

hM: Rücktritt nach Sachmängelgewährleistungsrecht ist ab Gefahrübergang
lex specialis zur Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums,

daher Anfechtung (-)
Ergebnis: Anspruch aus § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB (-)
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Arbeitsgemeinschaften zum Grundkurs BGB II, SoSe 2012, AFB 15 – Herbie groß in Fahrt - Lösung
S2 – FB 15: HERBIE GROß IN FAHRT
SCHR AT/BT: RÜCKTRITT, RÜCKABWICKLUNG, ABGRENZUNG SCHADENSERSATZ, WERTERSATZ, NUTZUNGSERSATZ
LÖSUNG:
A. Anspruch auf Rückzahlung wegen Rücktritts
jedes Agenturgeschäft ein verbotenes Umgehungsgeschäft.
I. G gegen H aus § 346 I BGB iVm §§ 323, 437 Nr. 2
Alt. 2 BGB
G könnte gegen H einen Anspruch auf Rückzahlung des
Kaufpreises in Höhe von € 2.800,- gem. § 346 I BGB
iVm §§ 323, 437 Nr. 2 Alt. 2 BGB haben.
Dies setzt einen wirksamen Rücktritt nach § 346 I BGB
voraus.
1. Vertrag
Dazu müsste zunächst ein wirksamer, gegenseitiger
Vertrag zwischen G und H vorliegen, wobei im vorliegenden Fall als gegenseitiger Vertrag ein Kaufvertrag (§
433 BGB) in Betracht kommt.
a) Ein Vertrag besteht aus zwei übereinstimmenden,
entsprechenden Willenserklärungen, typischerweise
Angebot und Annahme. Diese liegen laut Sachverhalt
unproblematisch vor. Damit besteht grundsätzlich
ein wirksamer Kaufvertrag.
b) Fraglich ist allerdings, ob der Vertrag zwischen
G und H oder G und D geschlossen wurde. Offiziell
tritt H nur als Stellvertreter des D auf, § 164 I
BGB. Damit besteht der Vertrag grundsätzlich
zwischen G und D. Ein Rücktritt wäre somit –
wenn nicht schon durch die AGB ausgeschlossen –
nur gegenüber D möglich. Hinsichtlich des Rückzahlungsanspruchs wäre auch nur D passiv legitimiert.
2. Möglicherweise handelt es sich aber bei der
Konstruktion der Stellvertretung um eine gem. §
475 I S. 2 BGB unzulässige Umgehung der Rechte
des G aus § 437 BGB durch H. Dann würde sowohl
die Rücktrittserklärung gegenüber H Wirkung entfalten als auch der Rückzahlungsanspruch unmittelbar gegen H bestehen.
a) Verbrauchsgüterkauf zwischen H und G
Hierzu muss zunächst ein Verbrauchsgüterkauf iSd
§ 474 I BGB zwischen G und H vorliegen, wäre
der Kaufvertrag tatsächlich zwischen H und G
zustande gekommen. Dazu müsste G Verbraucher
sein, § 13 BGB. Da G noch Student ist und im
Sachverhalt nähere Angaben zum Zweck des Autokaufs fehlen, ist von einer privaten Anschaffung
auszugehen. H handelt als Autohändler ohne Zweifel gewerblich und damit als Unternehmer, § 14
BGB. Ein Verbrauchsgüterkauf zwischen H und G
würde also ohne das Agenturgeschäft vorliegen.
b) Umgehungsgeschäft
Fraglich ist, ob das sog. Agenturgeschäft ein Umgehungsgeschäft darstellt. Grundsätzlich ist nicht
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Anmerkung: Auch in Finanzierungsleasingverträgen ist grundsätzlich kein verbotenes Umgehungsgeschäft zu sehen, da dem
Verbraucher als Leasingnehmer gegen den Leasinggeber hinreichend (nach der Rspr.) mietrechtliche Gewährleistungsansprüche
zur Verfügung stehen.
aa) Nach der aktuellen Entscheidung des BGH ist ein
Agenturgeschäft aber als verbotenes Umgehungsgeschäft
anzusehen, wenn es „missbräuchlich dazu eingesetzt
wird, ein in Wahrheit vorliegendes Eigengeschäft des
Unternehmers zu verschleiern“. 1 Dabei kommt es ganz
darauf an, wer das Risiko des Verkaufs trägt. Ist der
Privatmann durch entsprechende Vereinbarungen (indem
er z.B. einen festen Mindestverkaufspreis vom Unternehmer garantiert bekommt) bereits so abgesichert, dass
allein die Agentur das wirtschaftliche Risiko trägt, dann
ist von einem Umgehungsgeschäft auszugehen. 2
bb) Hier hat D bereits einen festen Betrag für den Wagen
erhalten. H soll den über diesen Betrag hinausgehenden
Erlös in vollem Umfang einbehalten dürfen. Damit hat D
bereits den wirtschaftlichen Erfolg eines Verkaufs realisiert. Aus dem von H zu tätigenden Geschäft erhält D
nichts mehr. Somit trägt allein H das wirtschaftliche
Risiko des Weiterverkaufs. Die Konstruktion der Stellvertretung diente folglich nur dazu, die Haftung gegenüber G ausschließen zu können, weil für D als Verbraucher die Vorschriften des § 475 I S. 1 BGB einen Haftungssauschluss nicht verhindern können. Also liegt ein
unzulässiges Umgehungsgeschäft vor.
cc) Strittig ist auch die sich daran anknüpfende Rechtsfolge. Einer Ansicht 3 zufolge sollen sich die Ansprüche
direkt gegen den Verbraucher richten. § 475 I S. 2 BGB
sei ungeeignet, einen vertrag zwischen dem Unternehmer
(hier H) und dem Verbraucher (hier G) zu fingieren.
Vielmehr hafte der als „Strohmann“ vorgeschobene
Verbraucher (hier D) dann wie ein Unternehmer nach §§
474 ff BGB. Gegen den Unternehmer stünden allenfalls
Ansprüche aus §§ 311 III, 241 II BGB zu.
Dieser Ansicht kann so nicht gefolgt werden. Dies würde
dazu führen, dass der Verbraucher (als Autoverkäufer) in
eine Haftung gerät, die gerade für ihn von Gesetzes wegen nicht gelten soll. Darüber hinaus wird der Verbraucher im Regelfall gar nicht erkennen, dass er durch diese
Art der Vertragsgestaltung als Strohmann vom Unternehmer benutzt wird. Insofern wäre es unbillig, ihn dann
für seinen Regress erst auf den Unternehmer zu verweisen. Darüber hinaus soll § 475 I S. 2 BGB die Umgehung
des § 475 I S. 1 BGB durch den Unternehmer verhindern, mithin ihn wieder in die Haftung nehmen. 4
1
BGH, ZIP 2005, 442 ff.
Staudinger/Matusche-Beckmann, § 475 Rn. 47.
3
Katzenmeier, NJW 2004, 2632 (2633).
4
BGH NJW 2007, 759 (760 f.).
2
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Der BGH geht daher zu Recht davon aus, dass diese
Ansprüche sich nicht gegen den vorgeschobenen Verbraucher richten. 5
G stehen somit alle Sachmängelgewährleistungsrechte
nach § 437 BGB aus dem Kaufvertrag gegen H gem. §
475 I S. 2 BGB zu.
Somit liegt ein wirksamer Kaufvertrag vor, der gem. §
475 I S. 2 BGB zumindest hinsichtlich der Sachmängelgewährleistungsrechte wie ein Vertrag zwischen G und H
behandelt wird.
Anmerkung: Bereits hier stellt sich die unter B. erörterte Frage
einer Anfechtung durch G gem. §§ 142 I, 119 II BGB. Die
Erklärung des G, er wolle mit dem Vertrag nichts mehr zu tun
haben, lässt sich ohne weiteres auch als Anfechtung auffassen.
Eine Anfechtung des Käufers wegen eines Irrtums über das
Vorhandensein von Sachmängeln ist allerdings ausgeschlossen
(s.u.). Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird diese Frage
ausnahmsweise erst unten unter B. erörtert.
3. Rücktrittserklärung, § 349 BGB
Ferner müsste eine wirksame Rücktrittserklärung gegeben sein. In der Erklärung des G, er wolle mit dem Vertrag nichts mehr zu tun haben, ist eine Rücktrittserklärung zu sehen. Genauso wenig wie bei der Anfechtung
muss G auch hier das Wort Rücktritt gebrauchen.
4. Rücktrittsrecht nach §§ 437 Nr. 2 Alt. 3, 323 BGB
Schließlich müsste G ein Rücktrittsrecht zustehen. In
Betracht käme hier ein gesetzliches Rücktrittsrecht nach
§§ 437 Nr. 2 Alt. 2, 323 BGB.
Dieses setzt die Anwendbarkeit von kaufrechtlichem
Sachmängelgewährleistungsrecht voraus.
a) Kaufvertrag, § 433 I BGB
Dazu müsste ein Kaufvertrag vorliegen. Das ist unproblematisch der Fall.
b) Anwendbarkeit (Gefahrübergang)
Ferner müsste die Gefahr der Sache auf G übergegangen
sein, § 434 I S. 1 BGB. Wann Gefahrübergang beim
Kauf vorliegt, ist in § 446 S. 1 BGB geregelt. Dieser setzt
Übergabe der Sache voraus. Da G hier das Kfz bereits
erhalten hat, ist dies gegeben.
Anmerkung: Ob das Sachmängelgewährleistungsrecht auch vor
Gefahrübergang anwendbar ist, war früher umstritten. Dieser
Streit hat mit der Entscheidung des Gesetzgebers für die Erfüllungstheorie an Bedeutung verloren, denn nunmehr hat der
Verkäufer durch das Erfordernis der Nachfristsetzung in § 281 I
BGB in den meisten Fällen ein „Recht auf zweite Andienung“,
während er auf jeden Fall mangelfrei erfüllen muss. 6
Bestandteil des Kfz. Ein Defekt stellt folglich einen
Mangel dar.
Somit liegt ein Sachmangel iSd § 434 I S. 2 Nr. 2 BGB
vor.
d) Zeitpunkt
Dieser Mangel müsste bei Gefahrübergang vorliegen.
Das ist hier problematisch, weil der Sachverständige
nicht mehr genau feststellen konnte, ob der Keilriemen
bereits zum Zeitpunkt der Übergabe des PKW an G
defekt gewesen war oder dieser sich erst durch Gebrauch
verschlechterte. Fraglich ist, ob hier die Vermutung des §
476 BGB zu Gunsten des G eingreift. Die Voraussetzungen des § 474 I BGB liegen vor (s.o.). Nach einer Ansicht sollen gerade bei Gebrauchtwagen und insbesondere
hinsichtlich der Verschleißteile die Vermutung nach §
476 Hs. 2 BGB nach der Art der Sache ausgeschlossen
sein. 7 Damit würde jedoch die Zielsetzung des § 476
BGB unterlaufen, wenn gerade in den an sich unaufklärbaren Fällen, wenn zumindest auch eine andere Schadensursache als gewöhnlicher Verschleiß in Betracht kommt,
dem Käufer die insofern fast unmögliche Beweiserberingung auferlegt würde. 8 Gem. § 476 BGB geht folglich
die Unaufklärbarkeit der Frage, wann ein Sachmangel
vorliegt, zu Lasten des Unternehmers, wenn der Mangel
außer Verschleiß noch eine andere Ursache haben kann.
Anderenfalls würde die Norm leerlaufen.
Mithin liegt ein Sachmangel bei Gefahrübergang vor.
e) erfolgloser Ablauf der Nachfrist
Weiters müsste G eine Nachfrist zur Nacherfüllung (§
437 Nr. 1 BGB) gem. § 323 I BGB gesetzt haben. G hat
H zur Reparatur aufgefordert, allerdings ohne eine konkrete Frist zu setzen. Mithin fehlt es an einer angemessenen Nachfrist. Diese könnte allerdings gem. § 323 II Nr.
1 BGB entbehrlich sein. Da H bereits von Anfang an eine
Reparatur des Fahrzeugs ausschließt und darüber hinaus
G an D verweist, liegt eine ernsthafte und endgültige
Erfüllungsverweigerung vor. Somit war eine Nachfristsetzung durch G gem. § 323 I BGB entbehrlich. Die nach
§ 323 V S. 2 BGB erforderliche Erheblichkeit des Mangels (bzw. der Pflichtverletzung) liegt vor.
5. Wirksamkeit
Da der Kauf erst einen Monat zurückliegt, ist der Rücktritt auch nicht nach § 218 I S. 1 iVm § 438 IV S. 1 BGB
unwirksam. Der Gewährleistungsausschluss ist gem. §
475 I S. 1 BGB unwirksam.
Zwischenergebnis: Somit hat G grundsätzlich einen
Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von
€ 2.800,- aus § 346 I BGB.
c) Sachmangel, § 434 BGB (§ 434 I S. 2 Nr. 2 BGB)
Es müsste auch ein Sachmangel iSd § 434 I BGB vorliegen. Sachmangel ist jede für den Käufer nachteilige
Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der SollBeschaffenheit. Das Gesetz geht dabei in erster Linie
vom sog. subjektiven Fehlerbegriff aus. Danach sind
zunächst die Vereinbarungen der Parteien entscheidend.
Da hier keine besondere Beschaffenheit vereinbart wurde, käme hier ein Mangel nach § 434 I S. 2 Nr. 2 BGB in
Betracht. Ein solcher könnte hier in dem defekten Keilriemen zu sehen sein. der Keilriemen ist ein wichtiger
II. Erloschen nach § 389 BGB
5
7
6
BGH NJW 2007, 759.
Lorenz/Riehm, Rn. 497.
Seite 2 von 5
Der Anspruch des G könnte aber zum Teil gem. § 389
BGB durch Aufrechnung ex tunc erloschen sein.
Voraussetzungen der Aufrechnung:
1. Aufrechungslage, § 387 BGB
a) erfüllbare Hauptforderung
b) fällige und einredefreie (§ 390) Gegenforderung
c) Gegenseitigkeit
d) Gleichartigkeit
2. Aufrechnungserklärung, § 388 S. 1 BGB
8
Staudinger/Matusche-Beckmann, § 476 Rn. 30 f.
Reinking, DAR 2001, 14; BGH BB 2007, 1809 (1810) Rn. 16.
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3. Kein Ausschluss der Aufrechnung gem. §§ 393, 394 BGB
oder durch Aufrechnungsverbot
Zwischenergebnis: Folglich hat H einen Anspruch auf
Wertersatz in Höhe von € 250,- wegen des zerstörten
Scheinwerfers aus § 346 II S.1 Nr.3 Hs.1 BGB.
1. Aufrechnungslage, § 387 BGB
Dies setzt das Bestehen der Aufrechungslage gem. § 387
BGB voraus.
a) Forderung des G (Hauptforderung)
aa) Dazu müsste zunächst eine Forderung des G, die sog.
Hauptforderung, bestehen. Da G einen Anspruch auf
Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von € 2.800,- hat
(vgl. o.), liegt eine Hauptforderung vor.
bb) Diese müsste auch erfüllbar sein gem. § 271 BGB.
Da keine Leistungszeit bestimmt ist, ist gem. § 271 I
BGB davon auszugehen, dass H die Leistung sofort
bewirken darf. Somit ist die Hauptforderung erfüllbar.
b) Forderung des H (Gegenforderung)
Ferner müsste eine aufrechenbare Gegenforderung des
H bestehen. Dies setzt voraus, dass die Forderung des H
fällig und einredefrei ist.
aa) Anspruch aus §§ 346 II S.1 Nr.3 Hs.1 BGB
Als Gegenforderung des H kommt hier ein Anspruch auf
Wertersatz gem. § 346 II S. 1 Nr. 3 Hs. 1 BGB in
Betracht. Dies setzt voraus, dass sich der empfangene
Gegenstand verschlechtert hat.
H könnte einen Anspruch auf Wertersatz in Höhe von €
250,- wegen des zerstörten Scheinwerfers haben. Eine
Verschlechterung liegt hier unproblematisch vor. Diese
ist auch nicht auf die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme zurückzuführen.
Die Pflicht des G zum Wertersatz könnte aber aufgrund
der Haftungsmilderung nach § 346 III S. 1 Nr. 3 BGB
ausgeschlossen sein. Anwendbar ist diese allerdings nur,
wenn es sich um die Ausübung eines gesetzlichen Rücktrittsrechts handelt. Da G nach §§ 437 Nr. 2, 323 i BGB
zurückgetreten ist, ist das der Fall.
Dann müsste G grundsätzlich nur die Sorgfalt wie in
eigenen Angelegenheiten, die sog. diligentia quam in
suis, beobachtet haben. Insoweit ist die Verschlechterung
durch fahrlässiges Handeln einer zufälligen Verschlechterung gleichgestellt und verpflichtet nicht zum Wertersatz.
Allerdings kann sich G nur bis zur Grenze des § 277
BGB auf die Wahrung der eigenüblichen Sorgfalt berufen, er darf also nicht grob fahrlässig gehandelt haben.
Da G hier nur aus leichter Unachtsamkeit den Scheinwerfer beschädigt hat, ist die Grenze des § 277 BGB nicht
überschritten. Fraglich ist, ob G die Sorgfalt wie in eigenen Angelegenheiten beobachtet hat. Mangels genauerer
Angaben im Sachverhalt, ist davon auszugehen, dass G in
seinen eigenen Angelegenheiten keinen weniger strengen
Sorgfaltsmaßstab als allgemein geltend anlegt und sein
Verhalten damit an § 276 I, II BGB zu messen ist. Die
sich daraus ergebenden Verhaltensgebote hat G beim
Einparken auf dem Gelände des H missachtet.
Auf die sehr umstrittene Frage, in welchem Umfang der
Rücktrittsberechtigte sich nach Kenntnis vom Rücktrittsgrund noch auf § 346 III S. 1 Nr. 3 BGB berufen kann 9,
9
Zum Meinungsstand vgl. Staud/Kaiser (2004) § 346 Rn. 187ff.;
Lorenz, NJW 2005, 1889, 1893; Looschelders, SchuldR AT, Rn.
Seite 3 von 5
kommt es somit nicht an.
Anmerkung: Bei einem Neuwagen käme auch die Verschlechterung des Kfz durch die Erstzulassung in Betracht, denn diese
führt zu einem um 20 % geringerem Marktwert im Vergleich
zum Neupreis. Dieser Wertersatz ist jedoch gem. § 346 II S. 1
Nr. 3 Hs. 2 BGB wegen bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme in solchen Fällen grundsätzlich ausgeschlossen.
bb) Anspruch aus § 280 I iVm § 346 IV BGB (Schadensersatz)
H könnte auch einen Anspruch auf Schadensersatz aus §
280 I BGB iVm § 346 IV BGB in Höhe von € 250,wegen des zerstörten Scheinwerfers haben.
(1) Zu prüfen ist zunächst, ob der Anwendungsbereich
der in § 346 IV BGB vorgesehenen Schadensersatzhaftung eröffnet ist. Wie sich aus der Bezugnahme auf die
Verletzung einer Pflicht aus § 346 I BGB ergibt, regelt §
346 IV BGB in erster Linie, dass bei Leistungsstörungen im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses
die Schadensersatzansprüche des allgemeinen Leistungsstörungsrechts Anwendung finden.
Dies gilt unstreitig für Leistungsstörungen, die nach
Entstehen der Rückgewährpflichten, d.h. nach Ausübung
des Rücktrittsrechts eintreten. Fraglich ist allerdings, ob
in einer fahrlässig verursachten Verschlechterung vor
Ausübung des Rücktrittsrechts die Verletzung einer
Pflicht im Sinne von § 346 I BGB gesehen werden
kann.
Einer Ansicht nach ist dies insofern zu bejahen, als der
Rücktrittsberechtigte aus § 346 I BGB verpflichtet sei,
den Leistungsgegenstand in dem Zustand zurückzugewähren, in dem er sich bei ordnungsgemäßer Nutzung
befindet 10. Dazu sei er aber nicht in der Lage, wenn der
Leistungsgegenstand sich vor Rückgewähr verschlechtert
oder untergeht. Allerdings komme ein Verschulden nur in
Betracht, wenn der Rücktrittberechtigte bereits Kenntnis
vom Rücktrittsgrund hatte 11. (Außerdem soll nach
dieser Ansicht die Haftungsprivilegierung nach § 346 III
S. 1 Nr. 3 BGB auch auf den Schadensersatzanspruch
anzuwenden sein.) Folgt man dem, so wären etwaige
Schadensersatzansprüche auf §§ 280 I, III, 283 BGB
(bei Untergang oder unbehebbarer Verschlechterung)
oder §§ 280 I, III, 281 BGB (bei behebbarer Verschlechterung) zu stützen.
Nach einer verbreiteten Gegenmeinung lässt sich eine
fahrlässig verursachte Verschlechterung nach Kenntnis
des Rücktrittsrechts, aber vor dessen Ausübung jedoch
nicht als Verletzung der Rückgewährpflicht aus § 346 I
BGB einordnen 12. Vielmehr kommen nach § 346 IV
BGB die §§ 280 bis 283 BGB nur für Verschlechterungen oder Zerstörung nach Ausübung des Rücktrittsrechts
849; die mittlerweile wohl herrschende Meinung geht davon aus,
dass der Rücktrittberechtigte ab Kenntnis vom Rücktrittsgrund
für jede Fahrlässigkeit auf Wertersatz oder jedenfalls Schadensersatz haftet, die Gefahr von Untergang oder Verschlechterung
durch Zufall aber nach wie vor vom Rücktrittsgegner zu tragen
ist, aAns Palandt/Grüneberg § 346 Rn. 13ff.
10
Palandt/Grüneberg § 346 Rn. 15.
11
Palandt/Grüneberg § 346 Rn. 18.
12
Köhler/Lorenz, PdW SchuldR AT, S. 255; Staud/Kaiser
(2004) § 346 Rn. 194f.
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Arbeitsgemeinschaften zum Grundkurs BGB II, SoSe 2012, AFB 15 – Herbie groß in Fahrt - Lösung
in Betracht. Schadensersatzansprüche aus § 280 I BGB
können sich aber auch dieser Ansicht zufolge deswegen
ergeben, weil den Rücktrittsberechtigten nach Kenntnis
vom Rücktrittgrund aus § 241 II BGB eine Pflicht zum
sorgfältigen Umgang mit dem möglicherweise zurückzugewährenden Gegenstand treffe 13.
Diese Pflicht (also eine Verhaltenspflicht und nicht die
Rückgewährpflicht aus § 346 I BGB als Leistungspflicht)
verletze der Rücktrittberechtigte, wenn er durch Fahrlässigkeit die Verschlechterung oder den Untergang des
Leistungsgegenstandes verursache.
Entscheidend für die Beantwortung dieser Streitfrage ist,
wie man die Rückgewährpflicht aus § 346 I BGB definiert. Sieht man darin die Pflicht zur Rückgewähr des
empfangenen Gegenstandes in einem ordnungsgemäßen
Zustand, so rechtfertigt dies auch die Annahme einer
leistungsbezogenen Pflichtverletzung. Fasst man dagegen
§ 346 I BGB so auf, dass der Anspruch sich auf Rückgewähr des Leistungsgegenstandes richtet, soweit er bei
Ausübung des Rücktrittsrechts noch in Natur zurückgewährt werden kann, so kann in einer vorher fahrlässig
verursachten Verschlechterung nur die Verletzung einer
Verhaltenspflicht im Sinne von § 241 II BG liegen. Letzteres erscheint der Systematik des Gesetzes besser zu
entsprechen, da die in § 346 II BGB zum Ausdruck
kommende Gleichwertigkeit von Wertersatz und Rückgewähr in Natur dafür spricht, dass § 346 I BGB nur die
Pflicht zur Rückgewähr des Leistungsgegenstandes in
dem Zustand anordnet, in dem er sich bei Ausübung des
Rücktrittsrechts befindet.
(2) Da G Kenntnis von seinem Rücktrittsgrund hatte,
sogar aus diesem Grund zu H gefahren war, oblag ihm zu
diesem Zeitpunkt aus § 241 II BGB die Pflicht zum
sorgfältigen Umgang mit dem Pkw. Diese Pflicht hat G
verletzt, indem er beim Einparken auf dem Gelände des
H nicht die gebotene Sorgfalt walten ließ.
d) Gleichartigkeit
Die Forderungen müssten schließlich auch gleichartig
sein. Da hier sich jeweils Geldschulden gegenüberstehen,
ist dieses Merkmal erfüllt.
Damit ist die Aufrechungslage gegeben.
2. Aufrechung nicht ausgeschlossen nach §§ 390, 393,
394 BGB
Ferner dürfte die Aufrechnung nicht ausgeschlossen sein.
Hier sind jedoch keine Ausschlussgründe ersichtlich.
3. Aufrechnungserklärung, § 388 S. 1 BGB
Schließlich müsste H die Aufrechung gegenüber G erklärt haben. Dies ist der Fall.
Somit ist der Anspruch des G gem. § 389 BGB in Höhe
von € 250,- erloschen.
Ergebnis: Folglich hat G gegen H einen Anspruch auf
Zahlung von € 2.550,-.
III. Anspruch aus § 812 BGB
Fraglich ist, ob G auch einen Anspruch auf Rückzahlung
des Kaufpreises in Höhe von 2.800,- aus Bereicherungsrecht gem. § 812 I S. 2 Alt. 1 BGB hat. Da mit dem
Rücktritt der rechtliche Grund der Leistung, der Vertrag,
ex nunc wegfällt, wäre grundsätzlich § 812 I S. 2 Alt. 1
BGB anwendbar. Das Rücktrittsrecht stellt insoweit aber
zur Rückabwicklung des Vertrages eine speziellere und
damit vorrangige Regelung (leges speciales) dar und
verdrängt bereicherungsrechtliche Ansprüche.
Ergebnis: G hat keinen Anspruch aus § 812 I S. 2 Alt. 1
BGB auf Rückzahlung des Kaufpreises.
B. Anspruch auf Rückzahlung wegen Anfechtung
(3) G müsste diese Pflichtverletzung gem. § 280 I S. 2
BGB auch zu vertreten haben. Gem. § 276 I S. 1 BGB
hat G Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Auf die
Frage, ob die Haftungsmilderung nach § 346 III S. 1 Nr.
3 BGB auch auf Schadensersatzansprüche Anwendung
findet 14, kommt es im vorliegenden Fall nicht an, da der
Tatbestand schon nicht erfüllt ist (s.o.). Da G hier unachtsam handelte, liegt Fahrlässigkeit iSd § 276 II BGB vor.
(4) Aus der Pflichtverletzung ergab sich für H auch
kausal ein Schaden in Höhe von 250 €.
Zwischenergebnis: Somit hat H einen Anspruch gegen G
in Höhe von € 250,- auch aus §§ 280 I, 241 II BGB.
c) Gegenseitigkeit
Diese Forderungen müssten sich auch gegenüber stehen.
Da H seine Forderungen gegen G hat und dieser seine
gegen H, ist ein Gegenseitigkeitsverhältnis gegeben.
13
h.M, vgl. Köhler/Lorenz, PdW SchuldR AT, S. 255;
Staud/Kaiser (2004) § 346 Rn. 194f; Müko/Gaier (2007) § 346
Rn. 61.
14
Befürwortend Palandt/Grüneberg § 346 Rn. 18; Henne/Zeller,
JuS 2006, 891, 893 mwN; ablehnend Köhler/Lorenz, PdW
SchuldR AT, S. 255.
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Schließlich könnte G einen Anspruch auf Rückzahlung
des Kaufpreises in Höhe von € 2.800,- aus Bereicherungsrecht gem. § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB haben.
Dies wäre der Fall, wenn der Vertrag durch Anfechtung
gem. § 142 I BGB ex tunc nichtig wäre.
1. Anfechtungserklärung
Dazu müsste zunächst eine Anfechtungserklärung des G
vorliegen, § 143 I BGB. In der Erklärung des G, er wolle
mit dem Vertrag nichts mehr zu tun haben, kann auch
eine Anfechtungserklärung gesehen werden.
2. Anfechtungsgrund
G müsste einen Anfechtungsgrund haben. In Betracht
käme hier ein Eigenschaftsirrtum nach § 119 II BGB. G
dachte, er kaufe ein mangelfreies Auto. Da dieses aber
einen Mangel hat, der auch einen im Rechtsverkehr erheblichen wertbildenden Faktor darstellt, ist grundsätzlich ein solcher Irrtum gegeben. Fraglich ist jedoch, ob
dem nicht die Anwendbarkeit des Sachmängelgewährleistungsrechts entgegensteht. Problematisch ist vor allen
Dingen, dass die Anfechtung auch noch nach acht Jahren
erklärt werden kann, wenn dann erst der Mangel entdeckt
wird, § 121 II BGB. Hingegen wäre dann schon nach
Sachmängelgewährleistung, § 438 IV S. 1 iVm § 218
BGB, der Rücktritt unwirksam. Diese relativ schnelle
Rechtssicherheit, die dem Verkäufer wegen der hohen
Anzahl an von ihm abgeschlossenen Geschäften gewährt
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wird, soll nicht durch ein weitaus länger mögliches Anfechtungsrecht unterlaufen werden. Insofern wird von der
ganz hM der Rücktritt nach Sachmängelgewährleistungsrecht ab Gefahrübergang als lex specialis zur Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums angesehen.
Damit ist eine Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums
ausgeschlossen.
Anmerkung: Selbstverständlich bleibt die Anfechtung wegen §
119 I BGB und § 123 BGB erhalten. Insoweit konkurriert das
Anfechtungsrecht nicht mit der Sachmängelgewährleistung. Vor
Gefahrübergang kann der Gläubiger auch anfechten.
Ergebnis: G hat keinen Anspruch auf Rückzahlung des
Kaufpreises in Höhe von € 2.800,- aus Bereicherungsrecht gem. § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB.
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