My Morbus Hodgkin Diary
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My Morbus Hodgkin Diary
Mein Morbus Hodgkin Mag. Carl Zimmermann 1 2 3 © by Carl Zimmermann, 2004 4 Vorwort I m Laufe des Jahres 2001 erkrankte ich an Lymphdrüsenkrebs (Morbus Hodgkin). Ich ignorierte die Symptome lange Zeit, und so gestaltete sich die nachfolgende Behandlung schwierig und aufwendig - Die Ärzte gaben mir eine Heilungschance von zwischen 25 und 50%. Auf den nachfolgenden Seiten finden sich Auszüge aus Briefen, die ich während meiner Behandlung an Verwandte beziehungsweise Bekannte geschrieben hatte. Alle Namen sind, soweit ich das für notwendig befunden habe, gekürzt beziehungsweise unkenntlich gemacht. 5 Eine kleine Vorgeschichte D as Jahr 2001 war für mich ein ziemlich aufregendes und ereignisreiches gewesen. Im Frühjahr 2001 hatte ich meine geniale und schöne Lady kennen und lieben gelernt – das war bisweilen Aufregung pur! Zusätzlich war ich mit Arbeit bis über beide Ohren eingedeckt. Ich hatte praktisch mein ganzes Leben trainiert, und trotz der vielen Arbeit wollte ich damit nicht aufhören. So schlief ich halt einfach etwas weniger, so ungefähr 2-3 Stunden pro Nacht von Sonntag bis Freitag. Mein Körper präsentierte mir dann auch die Rechnung dafür: Ende Oktober 2001 hatte ich dann einen merkwürdigen Ausschlag an den Außenseiten der Arme und Beine entwickelt. Die Hautärztin Marke „Fließbandbetrieb“ murmelte desinteressiert irgendwas von „Parapsoriasis“ und verschrieb mir eine Kortisonsalbe. Wenn ich das Kortisonzeugs raufschmierte, verging der Ausschlag; schmierte ich nicht, kam er wieder. In meinem Beruf war der Jahreswechsel die Zeit, wo am meisten Arbeit anfällt, und so ging es mit den 2-3 Stunden Schlaf pro Nacht munter weiter. Zum Ausgleich trank ich bis zu 6 Dosen „Red Bull“ täglich. Da muss man dann nicht mehr schlafen. Im Januar 2002 entwickelte ich einen hartnäckigen Husten. Der wurde mal besser, mal schlechter, aber ganz weg ging er nie. Dummes Schwein, das ich war, ignorierte ich den Husten geflissentlich - schließlich war ich eigentlich mein ganzes Leben lang mehr oder weniger gesund gewesen. Und da denkt man sich halt „das wird schon wieder“. Im Juli 2002, als der Husten immer noch anhielt, schleppte mich meine Lady dann 6 endlich zum Arzt. Der Arzt ließ sich von mir meine Zustände beschreiben, horchte mich ab und meinte, er könne nichts besonderes hören, aber zur Sicherheit soll ich noch zum Lungenröntgen. Ich begab mich also zum Radiologen. Es war nur eine Assistentin dort, ich machte ein wenig Smalltalk und bat sie, mir nach der Aufnahme nur ganz inoffiziell zu sagen, ob etwas besonderes vorliegt. Sie meinte, das sei kein Problem, aber sie sei natürlich keine Ärztin. Na klar, sagte ich, ich wolle ja auch nur einen „ungefähren“ Status. Als sie dann mit den Aufnahmen kamt, verhielt sie sich plötzlich sehr merkwürdig. Da (deutet auf den Raum zwischen den Lungen) sei etwas nicht in Ordnung, sagte sie zu mir, aber das müsse mir der Arzt im Detail sagen. Das klang definitiv nicht so gut... Am Nachmittag war ich dann wieder vor Ort; der Arzt drückte mir wortlos den Befund in die Hand. Da stand etwas von einem fraglichen Lymphom, möglicherweise „Sarkoidose“. Die darauf folgende Woche war dann ein Alptraum aus Untersuchungen und Enthüllungen. Ich hatte, wie ich erfuhr ein „Lymphom“, wahrscheinlich Morbus Hodgkin, und es wurde mir Chemotherapie in Aussicht gestellt. Eine Bronchoskopie müsse gemacht werden, damit man feststellen kann, was genau ich habe Die Bronchoskopie brachte dann allerdings kein optimal auswertbares Ergebnis. Einen Morbus Hodgkin hatte ich definitiv, aber den genauen Untertyp konnte man nicht feststellen - also musste mir noch ein Lymphknoten entnommen werden, um durch eine Biopsie Klarheit zu schaffen. 7 Anfang August 2002 wurde mir also ein Lymphknoten im Hals entfernt. Der Arzt teilte mir mit, das sei reine Routine; allerdings müsse ich für einige Tage einen „Drain“ in der Wunde tragen, damit die Lymphflüssigkeit abfließen kann. Naja! Pechvogel, der ich bin, war das Ding dann doch ziemlich groß – und so hatte der Chirurg beim Rausschneiden ein Lymphgefäß durchtrennt. Ich trug den verdammten Drain volle 16 Tage lang mit mir herum und ging noch mit Verband zur ersten Chemotherapie in die Tagesklinik des Hanuschspitals. 28.08.2002: Erster Chemozyklus, Tag 1 D en ersten Tag der Chemo habe ich gut überstanden. Dank der Anti-Emetika wird einem nicht übel! - so toll wirkt das Mittel aber auch nicht, das fühlt sich dann etwa so an, als würde bei einer schweren Migräne mit Superübelkeit endlich das Thomapyrin komplett greifen - dann ist einem nicht mehr übel, aber den Riesenhunger hat man dann auch nicht. Ich hab‘s mir ja genau erklären lassen, wenn ich das richtig verstanden habe, dann wird durch die toxische Wirkung von dem dritten Wirkstoff, den ich heute bekommen habe(Cyclophosphamid), im Gedärm und Magen Serotonin freigesetzt. Und das passiert auch, wenn man etwas vergiftetes oder verdorbenes gegessen hat, und so würde das Gehirn ohne Anti-Emetika die Parole „totale Übelkeit“ ausgeben. Genau aus demselben Grund soll ich keine Bananen, Nüsse, Schimmelkäse und Schokolade essen - die bewirken allesamt, dass sehr viel Serotonin ausgeschüttet wird, was bei einem gesunden Menschen stimmungsaufhellend wirkt, bei mir würde es (möglicherweise) Übelkeit hervorrufen. Ganz sicher ist 8 das aber nur beim Schimmelkäse (und den kann ich sowieso nicht leiden) - laut Dr. H. gibt‘s Patienten, die essen eine 300 Gramm Tafel Schokolade und spüren gar nix - muss ich halt vorsichtig austesten... Morgen und übermorgen dauert‘s (angeblich) nur eine Stunde, und ich kann direkt in die Tagesklinik reinmarschieren. Heute hat‘s ja deshalb so lange gedauert, weil zuerst ein Blutbild gemacht wurde (war übrigens ganz toll! - alles bestens), und dafür musste die Blutprobe ins Zentrallabor, und das dauerte dann eine Stunde. Danach gab’s eine Lagebesprechung mit Herrn Dr. S., der meinte „und Sie wollen WIRKLICH die Therapie ambulant machen??“ und ich meinte „Ja ich möchte das schon probieren“. Ich meinte, ich müsse ja nur 4 mal zwecks Infusionen kommen, und da meinte er „Ja genau, das Cortison können Sie auch daheim nehmen“. Ich meinte „(Schluck) Ich bekomme Cortison? Wieso denn das?“. Und er meinte: „Na ja, das Cortison hat ein so (hält die Hände einen Meter weit auseinander) breites Spektrum von Wirkung. Aber vor allem „zerlegt“ es Lymphome, die sich teilen - bei der Teilung zerfällt es in die einzelnen Eiweiß-Bausteine.“ Das war nach das 2. „Schockschwerenot-Erlebnis“! Gleich in der Früh hatte mir Dr. H. locker gesagt: „Ich habe noch einmal alle Befunde gecheckt, und es bleibt bei dem BEACOPP-Schema, aber nachdem einer Ihrer mediastinalen Lymphome 9.3 cm groß ist, und der Grenzwert für 4 Zyklen bei 6 cm liegt, müssen wir 8 Zyklen machen“. Da war dann schon alles sehr surreal im negativen Wort9 sinne, so als ob alles nur ein sehr böser Traum ist, aus dem man gerne aufwachen will... Jedenfalls mussten dann noch die Chemotherapeutika bei der Spitalsapotheke geordert werden, und das dauerte dann noch einmal eine Stunde. Und dann, weil es der allererste Termin war, hat die Ärztin die Infusionen auf extralangsam gestellt, und daher dauerte es dann halt pro Tropf 2 Stunden anstatt einer. Aber wie gesagt, es ist dann total gut gelaufen heute, ich habe eigentlich gar nichts gespürt - das heißt, müde war ich schon, aber ich glaub, das war, weil ich ziemlich schlecht geschlafen habe letzte Nacht. Und das ist glaub ich total wichtig, dass der allererste Termin gut läuft - weil der ist ziemlich „prägend“ - soll heißen, wenn‘s das erste Mal gut läuft, dann ist man irgendwie gut konditioniert. Es war übrigens ziemlich witzig, weil alle Schwestern meinten „Ah, Sie sind der Tapfere, der alles ambulant macht!“ 04.09.2003: Erster Chemozyklus, Tag 8 Z uerst sind wir gleich einmal ins Zentrallabor vom Hanusch-Spital, zur Blutabnahme, weil ja die Blutwerte gecheckt werden mussten. Im Zentrallabor warteten schon an die 50 Leute, was auf längere Wartedauer schließen lies... aber zum Glück werden da immer gleich 5 Leute auf einmal reingerufen, und so war ich nach einer halben Stunde bereits dran. Ich bat natürlich gleich um eine „Leitung“ (=Venflon), weil ich ja nachher zur Chemo musste. Die Ärztin/Schwester war nicht gerade die begnadetste Leitungslegerin! Meine 10 Venen sind ja bekanntlich genial, und werden allgemein mit Ausrufen der Begeisterung gemustert - aber die gute Frau fummelte ewig lang herum und veranstaltete ein rechtes Massaker...naja. Danach gingen wir rüber zur Hämatologie. Die Blutwerte waren nach etwa einer halben Stunde eingelangt. Der Arzt kommentierte sie so: „Die kritischen Werte (Leukozyten, Blutplättchen etc.) sind praktisch unverändert gegenüber letzter Woche.“ Das war dann doch recht erfreulich! Der gute Mann war frisch zurück vom Urlaub und zeigte sich genervt über das geballte Zettelwerk, den ein Krankenakt halt bedeutet. Ich klärte ihn kurz über meine Anamnese auf (in der Hämatologie wechseln sich einige Ärzte ab, und der hatte mich gestern das erste Mal gesehen. Er meinte, ob ich denn schon für die diversen, für meine Chemo wichtigen prophylaktischen Medikamente ein Rezept bekommen hätte. Wir meinten „Nein, noch gar nix.“ Da legte er los! Was ich nun prophylaktisch, bekomme ist: Antibiotikum „Lidaprim“, 2 mal pro Woche, kann ich absetzen, wenn ich’s nicht vertrage Antimycotikum (gegen Pilzbefall, den man bei hohen Cortisongaben leicht bekommt) „Diflucan“, 1 mal täglich Magenstützung „Zantac“, gegen drohende Magenentzündung vom Cortison, 1 mal täglich Ich fragte natürlich in einem fort „Warum das alles“. Er erklärte mir, dass man bei meiner Cortison-Dosierung Pilze und Bakterien sehr leicht bekommt, und nur sehr schwer wieder los wird! Die Prophylaxe ist ziemlich harmlos und verhindert solche Scherereien. Ich fragte dann auch noch wegen der Stammzellenmobilisierung, was denn passiert, wenn ich das nicht mache etc. 11 Er meinte, na ja, das wäre nicht die beste Idee – denn ich bekomme 8 Zyklen BEACOPP, was gewiss kein Zuckerschlecken ist, und wenn ich danach ein Rezitiv bekomme, dann ist das halt nicht sehr lustig, zuerst Chemo zur Stammzellenmobilisierung UND dann Mörderchemo für die Stammzellenimpfung (bei der muss das Knochenmark komplett gekillt werden). Außerdem meinte er, dass die Substanz, die ich bei der Stammzellenchemo bekomme, eh auch im BEACOPP-Zyklus enthalten ist, und mit ein bisschen Glück erspare ich mir dadurch einen BEACOPP-Zyklus. Das wär doch was... Die Chemo gestern war dann kürzer als erwartet! Weil das Vincristin war nur eine Riesenspritze, kein Tropf. Gegen den drohenden Fieberschub vom Bleomycin habe ich außerdem eine Riesenspritze Novalgin bekommen. Zusätzlich noch Navopan und Zantac - die Ärztin hat die ganzen Spritzen auf ihren Tablett fast nicht untergebracht. Von dem vielen Zeug habe ich dann Rest des Tages sehr bunten Nebel im Kopf gehabt – war recht witzig irgendwie! Ich denke beim Begriff „Konzentration“ immer daran, dass ich meinen „Bewusstseinsfokus“ ganz punktförmig (0,1 mm oder so) halte. Gestern war das halt eine „Wolke“ mit 30 cm Durchmesser... Wie immer haben die Infusionen unendlichen Harndrang verursacht – ein wahrer Alptraum. Obwohl das ganze nur eine Stunde dauerte, musste ich mich einmal abhängen lassen. Das ist auch eine recht witzige Prozedur – das geht so: 12 Tropf abdrehen Leitung abschrauben Leitung verstoppeln Venflon mit Kochsalz durchspülen Venflon verstoppeln Polster um den Venflon legen Netz um den gepolsterten Venflon Beim Wiederanschließen: Netz herunternehmen Polster weggeben Stoppel von der Leitung weggeben Stoppel vom Venflon weggeben Leitung an den Venflon anschrauben Tropf aufdrehen Da überlegt man es sich schon sehr gut, ob man aufs Klo geht! Ich nehme ja täglich ein oder zwei Navopan, das ist ein wirklich hervorragendes Antiemetikum. Früher gab es so was nicht, erst 1997 oder so ist das Zofran herausgekommen, das ist der Vorgänger zum Navopan. Ohne dieses Medikament wird die Chemo, wie man so hört, zum unvorstellbaren Alptraum – dadurch, dass die Gedärme angegriffen werden, wird Serotonin freigesetzt, und das signalisiert dem Hirn „Du hast was vergiftetes gegessen. Dir ist übel.“ Glaub mir eines: Übelkeit lässt einen ganz zahm werden. Übelkeit dämpft jede Agression zu Null. Hmmm, ich denke, hier tut sich eine neue Methode zur „Agressionsdepression“ für Triebtäter auf...wenn auch keine sehr humane....aber ich schweife ab! Übrigens, um eine Vorstellung zu bekommen, was das Zeugs so kostet, was ich mir einverleibe: Die 5er-Packung Navopan kostet € 150!!!! Das heisst, ich 13 müsste locker zwischen 13.000 und 26.000 Schilling pro Monat für das Antiemetikum allein ausgeben.... Das Natulan ist vergleichsweise billig, 50 Stück kosten 800 Schilling oder so. Ich nehme 21 Stück pro Zyklus. Ich habe immer davon geträumt habe, eines Tages einfach aufzustehen, zum Horizont zu sehen, ein Ziel anzupeilen und dann bis zum Ziel am Horizont zu gehen. Wenn ich dann das Ziel am Horizont erreicht habe, dann gehe ich schlafen, und am nächsten Tag sehe ich wieder zum Horizont, und gehe bis zum Horizont. Und ich hatte plötzlich ein Bild in mir, von einer Reise bis zum Horizont, aber zu einem inneren Horizont. Ich glaube, das mir eine solche Reise bevorsteht. Ich glaube, dass das Ziel dieser Reise ganz tief in meinem Inneren verborgen liegt. 06.09.2002: Tag 11 der ersten Chemotherapie M ir ist es ja gestern und vorgestern nicht so toll gegangen, hatte wie erwartet leichtes Fieber vom Bleomycin, das fühlt sich halt so an, als bekäme man eine Grippe. War aber halb so schlimm, so richtig schlecht ist es mir nicht gegangen, vor allem psychisch nicht. Wie immer - nächstes Mal lass ich mir jedenfalls die höhere Dosis Novalgin spritzen. Heute geht’s mir aber wieder gut, der Körper scheint das jetzt weggesteckt zu haben. Heute ist übrigens Tag 11 der Chemo, das heißt, dass ich gestern den Nadir der Blutwerte gehabt habe und es ab jetzt wieder bergauf gehen müsste. Ich hatte am 8. Tag ja einen Blutcheck, der wirklich gut ausgefallen ist, also so schlimm werden die Blutwerte auch am Nadir nicht gewesen sein. Habe ab heute das Navoban (das Antiemetikum) abge14 setzt – bis jetzt spüre ich keine Übelkeit! Gut so - hätte auch anders sein können, weil das Natulan an und für sich bis zu 14 Tage nachwirkt. 09.09.2002: „Kreuzschmerzen vom Knochenmark M ir geht’s im Prinzip nicht schlecht! Allerdings war gestern und heute etwas recht eigenartiges: ich hatte ziemlich arge, so in der Art „rheumatische“ Schmerzen in den Hüften und im Kreuz Ich rätselte also, was das sein könnte. Des Rätsels Lösung war, so dachte ich: ich hatte am Freitag abends die Kurzhanteln aus der alten Wohnung ins Auto und dann aus dem Auto in die neue Wohnung geschleppt, mit beschwingten Schritt – jede davon war 19 Kg schwer... In Kombination mit dem Cortison und der Tatsache, dass ich seit Monaten nicht mehr trainiert habe, hat das meine Hüftgelenke sehr beleidigt. Heute morgen bin ich dann mit unserem Hund Gassi gegangen, und beug mich blöd vor, worauf es einen Brenner in meiner Lendenwirbelsäule macht. Ich hab mit zunächst nichts dabei gedacht, und geh halt mit unserem Hund. Mein Kreuz schmerzte dabei aber ziemlich gemein – daher watschelte ich herum wie ein alter Mann! Als ich wieder zurückgekommen bin, sind die Schmerzen heftiger und heftiger geworden. Ich konnte bald nicht mehr sitzen, also dachte ich, na gut, leg ich mich halt hin. Allerdings hat’s im Liegen noch viel mehr weh getan, so richtig bis in den Kopfansatz hinauf gepocht. Also bin ich wieder aufgestanden, vorsichtig aufrecht stehen ging gerade noch, war aber auch schon mehr und mehr 15 unangenehm. Alles in allem nicht mehr wirklich lustig! Meine Lady hatte dann darauf insistiert, dass ich in der Tagesklinik anrufe. Ich erwischte Herrn Dr. L.; schilderte ihm die Problematik, und auch die Hantelschlepperei. Er meinte, na ja, dass wäre wohl eine Verrenkung oder so, und ich könne ruhig ein Voltaren Retard nehmen, das wäre kein Problem wegen Cortison und Chemo. Und wenn es nicht besser würde, dann solle ich halt kommen, dann gibt es Infusionen. Aufs Voltaren ist das dann aber wieder ganz OK geworden. Es ist ein Genuss, ohne Schmerzen sitzen zu können! Übrigens wird durch das Cortison die Haut extrem dünn. Ich habe vorgestern Klimmzüge an der Treppe gemacht, und so beim 4. Satz tut mir plötzlich der linke Ringfinger weh – ich schau hin und sehe, dass die Haut einfach eingerissen ist, wie nix - die Schwielen sind so weich wie Butter geworden... Als kleine Anmerkung im Nachhinein: die Schmerzen kamen vom Knochenmark, das bei der Chemotherapie zuerst suprimiert wird und dann irgendwann wieder „anspringt“. Dieses Anspringen verursacht meistens heftige Schmerzen, und zwar sind die umso stärker, je heftiger das Knochenmark wieder anspringt. 12.09.2002: Erster Zyklus fast überstanden I ch habe mittlerweile die „Erholungswoche“ des ersten BEACOPP-Zyklus erreicht. In den letzten Tagen ist mir das Cortison schon ein wenig viel geworden - ich habe nur mehr so 2 Stunden pro Nacht geschlafen und musste alle 2 Stunden aufs Klo. Heute hab ich’s den ersten Tag nicht mehr genommen, und wie vom Doktor angekündigt, fühle ich mich ziemlich 16 schlapp. Der Cortisonspiegel rauscht jetzt mit Lichtgeschwindigkeit zurück von himmelhoch auf Normalwert, und das vergrämt den Körper. Na schau’n wir mal. Von der Chemo und dem Antibiotikum habe ich auch Zustände im Gedärm! – aber dazu noch später. So vor 3 Tagen hat meine Kopfhaut so merkwürdig zu prickeln begonnen, und nun gehen mir die Haare büschelweise aus. Na ja, auch das war zu erwarten! Morgen gehe ich jedenfalls zum Friseur und lasse mir die Haare ganz kurz schneiden. Zuerst wollte ich mir das selber scheren, aber dagegen hat sich meine Lady verwehrt – sie meinte, der Friseur bekommt das besser hin. Heute war ich übrigens bei der von Lady‘s Mutter vermittelten Homöopathin, Frau Dr. R.. Das war ein ziemlich interessantes Gespräch – die Frau ist kompetent und vor allem auch ein freundlicher Mensch. Sie ist übrigens auch praktische Ärztin. Bis auf die Zustände im Gedärm geht’s mir eigentlich ziemlich OK. Gestern habe ich das neue Ergometer so richtig angetestet – ich bin zwar probeweise schon letzte Woche damit gefahren, aber da war ich vom Navoban so hin im Schädel, dass ich die Bedienungsanleitung nicht kapiert habe. Das war wirklich krass – da lese ich als Akademiker dieses Bücherl, und kapier überhaupt nix. Na jedenfalls, gestern habe ich mir 10 Minuten Zeit genommen, und das Bücherl noch einmal gecheckt. Dann habe ich ein Pulskonstante-Programm eingestellt, bei dem der das Ergometer meinen Puls checkt und den Widerstand automatisch so reguliert, dass mein Puls nicht höher als z.B. 150 geht. Das funktioniert wirklich genial! 17 Ich bin übrigens ziemlich schlecht in Form. Bei 150 Puls schaffe ich derzeit gerade einmal so 80 Watt – das ist etwa ein Drittel von meiner vollen Leistung. Das erklärt sich so: wenn ich gesund wäre und nicht trainiert hätte, dann müsste ich so etwa 120 Watt schaffen. Denn die aerobe Leistung eines Menschen sinkt etwa um 25% pro Woche oder so. Also jedenfalls sehr schnell. Wie immer. Die weiteren 40 Watt Differenz kommen (wahrscheinlich) von den schlechten Blutwerten, ich habe derzeit halt weniger rote Blutkörperchen, bin also anämisch. 15.09.2002: Die Haare beginnen auszufallen I ch habe den ersten BEACOPP-Zyklus fast durch. Gestern habe ich so richtig mit Genuss ein bisschen ein Krafttraining durchgezogen - und habe heute außer wie erwartet Muskelkater nichts negatives gespürt. Bin nach der Kreuzverreißung ja sehr, sehr vorsichtig geworden. Ich habe heute erstmals wieder richtig gut und tief geschlafen! - soll heißen, ich musste nicht alle 2 Stunden aufs Klo...am Nachmittag haben wir uns dann gleich noch einmal 3 Stunden hingelegt. Zwischendurch hatte ich vom Vincristin taube Fingerspitzen bekommen (leichte Nervenschäden halt, waren zu erwarten), auch die sind nun wieder fast OK. Leider sind mir die restlichen Haare nach der heutigen Haarwäsche ziemlich ausgegangen, jetzt haben wir die letzten Reste abgeschoren, das hätte nämlich sonst total merkwürdig ausgesehen. Den Friseur hätten wir uns sparen können. 18 23.09.2002: Gehirnhautentzündung während Chemo-Zyklus 2, erster Aufenthalt auf der Hämatologiestation I ch habe eine unerwartet ereignisreiche Woche hinter mir, soviel steht jedenfalls fest! Das ganze Intermezzo dürfte wohl darauf zurückzuführen gewesen sein, dass ich am Samstag zuerst mit Lady ziemlich lange in der menschenüberfüllten Mariahilferstraße unterwegs war (Glatzenkapperln kaufen), dann am Abend mit meiner Lady, meinem Bruder Stefan und dessen Freundin Pia noch zur Geburtstagsparty eines alten Bekannten meiner Lady gegangen bin. Und die war in einem Partykeller, wo man die Miasmen fast mit der Kamera hätte fotografieren können. Nein, im Ernst, der Partykeller war ziemlich genial, aber es waren halt sehr viele Leute dort, die Luft ist gestanden, und so wird mich halt irgendjemand dann ansteckt haben oder weiter angesteckt haben. Am Montag bin ich dann noch 70 Minuten auf dem Ergo gesessen. Am Dienstag bin ich dann zum zweiten Zyklus, fühlte mich bestens, Blutwerte waren auch bestens (besser als beim Start des ersten Zyklus)! Die Infusionen - die am ersten Tag schon eine fade Angelegenheit sind - steckte ich ebenfalls besser weg als beim ersten Zyklus. Die in der Tagesklinik haben das Zeug rasend schnell in meine schlauchdicken Venen reingelassen, weil wir unbedingt bis 15:00 fertig werden wollten – sonst hätte ich von der Tagesklinik in die Station raufmüssen, die letzte Infusion bekommen. Das wollte ich mir halt ersparen... So haben sie mir 2/3 vom Doxorubicin in einer Viertel19 stunde reingelassen. Ich hab’s nur zufällig gesehen, als ich zum Infusionsbesteck raufschaue, und da ist das Zeug nicht mehr getropft, sondern als kontinuierlicher Strahl geronnen(!). Beim Doxorubicin ist das aber im Prinzip wurscht (nicht bei jedem Chemo-Wirkstoff ist das so, bei manchen kann man da ärgste Zustände bekommen). Jedenfalls ging’s mir aber auch nach den 3 Infusionen blendend – „it was a cruise“, wie man so schön sagt. Meine Lady und ich sind dann noch einkaufen gegangen, und da war ich schon ein bisschen sehr müde. Dann haben wir uns hingelegt, und als ich aufwachte, fühlte ich mich schon sehr grippig – ich hatte einen totalen Schnupfen und fröstelte enorm. Wir riefen in der Hämatologischen Station im Spital an, und erwischten Dr. L. Er meinte, meine Lady solle mir nichts Fiebersenkendes oder Entzündungshemmendes geben, das würde nämlich eine eventuelle Infektion verschleiern – wir würden uns außerdem ohnehin am nächsten Morgen auf der Tagesklinik sehen, und da könne er uns mehr sagen, Ferndiagnosen seien nicht so seine Vorliebe. Ich bin dann wieder ins Bett, döste noch ein paar Stunden, und als ich wieder aufwachte, beutelte mich die Infektion ziemlich schlimm. Mir war irrsinnig kalt, ich hatte den totalen Brummschädel, bekam die Augen fast nicht mehr auf, und mein Gesicht war mumpsartig angeschwollen. Wir haben dann Fieber gemessen, und ich hatte 38.5° - das klingt nicht so viel, da muss ich aber dazusagen, dass ich ja 75 mg Aprednislon täglich zu mir nehme, und da sind 38.5° halt so wie 40° ohne Cortison. In der Früh hatte ich einige Probleme mit dem Aufstehen 20 – ich wollte nur eines, mich irgendwo hinlegen und schlafen, ganz egal wo! Ich hätte mich in den Straßengraben legen können und wäre auch sofort eingeschlafen... Meine Lady führte mich dann in die Tagesklinik, wo sich Dr. L. betroffen zeigte – er meinte, das wäre ja kein Schnupfen, wie er am Telefon verstanden hatte, sondern eine echte Infektion. Und das bedeutet Aufnahme (er zeigte mit dem Finger nach oben, sollte heißen, Aufnahme in die Hämatologie), Antibiotikum intravenös, Lungenröntgen und Stirnhöhlenröntgen. Mir ging’s inzwischen schon so schlecht, dass ich das ganze wie in Trance vernommen habe. Wir sind also einen Stock höher gegangen, ich fragte nur „Wo ist mein Bett, wo ist das Klo“. Meine Lady war aber ziemlich fertig und konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich verabschiedete mich von ihr und sank ins Bett. Dann wurde ich von 3 Ärzten interviewt, Fieber wurde gemessen (war auf 38.7° gestiegen), und die Ärzte zeigten sich über meinen schlechten Zustand recht beeindruckt! Sie erklärten mir, dass mein Chemo so schnell wie möglich fortgesetzt werden müsse, und daher würde ich nun mindestens 5 Tage Antibiotikum intravenös bekommen. Sobald das Fieber weg sei und die Entzündungsparameter wieder OK, würde die Chemo fortgesetzt, und ich würde das Antibiotikum halt nebenher bekommen (die Entzündungsparameter zeigten etwas recht faszinierendes: Am Dienstag, dem ersten Tag im zweiten Zyklus, waren sie auf einem Wert von 4. Am Mittwoch, als ich eingeliefert wurde, zeigten sie einen Wert von 46 oder so!) Ich wurde gefragt „Können sie zu Fuß zum Röntgen 21 gehen“ – „nein, ich glaub nicht“ meinte ich. Der Blutdruck zeigte 100:60, und so wurde ich mit dem Bett zum Lungenröntgen gebracht. Beim Lungenröntgen raffte ich kurz meine letzten Kräfte zusammen und fragte den Arzt, ob ich a) noch Wasser in der Lunge hätte und b) wie groß meine mediastinalen Tumore seinen. Antwort war: kein Wasser mehr in der Lunge, und der mediastinale Tumor war auf 8.5 cm (von ursprünglich 9.6 cm) zurückgegangen. Die Chemo wirkte also. Wenigstens etwas. Wieder zurück im Zimmer, wurde mir sofort eine Leitung (Venflon) gelegt, und die Vollpumpung mit Antibiotika begann: ein Kombipack aus einem generischen (Lanacine) und einem speziellen für die Nebenhöhlen. Zusätzlich bekam ich noch ein Virustatikum (Nycovir), weil ich so komische rote Flecken hatte, bei denen sich die Ärzte nicht sicher waren, ob das vom Fieber oder von einer Virusinfektion kommt. In den folgenden Tagen bis einschließlich Sonntag sollte das letzte, was ich vor dem Einschlafen sah, und das erste, was ich nach dem Aufwachen sah, ein Infusionsständer mit Antibiotikum sein...es gibt definitiv schönere Dinge! Jedenfalls ging das Fieber dann recht schnell zurück, die Entzündungsparameter waren auch bald wieder OK. So müde und elend wie am Mittwoch habe ich mich jedenfalls schon sehr, sehr lange nicht mehr gefühlt. Ich habe praktisch von Dienstag abends bis Donnerstag früh nur geschlafen bzw. gedöst. Am Donnerstag ging ich dann schon per pedes zum EKG (war tadellos). Und mir wurde mitgeteilt, dass am Freitag mit der Chemo fortgesetzt würde, wenn ich fieberfrei bliebe. Da ich auch wirklich fieberfrei blieb, ging’s am Freitag und Samstag dann wirklich weiter mit „Tag 2“ und „Tag 3“ 22 im zweiten BEACOPP Zyklus. Meine Lady hatte mir am Mittwoch Abends noch meine paar Habseligkeiten für Spitalsaufenthalt gepackt und ins Spital nachgebracht. Ich weiß nicht, was ich ohne meine Lady tun würde... Die Hämatologie (ich war im ersten von zwei Obergeschossen einquartiert) ist übrigens ziemlich gut konstruiert: da ist erstens eine Art großzügiger, zentraler, U-förmiger Gang, in den alle Zimmer münden. Und die Zimmer selbst sind so gebaut, dass es jeweils für zwei Zimmer einen Vorraum gibt, und nur der geht in den erwähnten zentralen Gang. Und da es für Vorraum und Zimmer jeweils eine Tür gibt, ist es dann in der Nacht ziemlich ruhig, also man hört fast nix vom Gang herein. Das ist nicht unwichtig! Auf keiner anderen Station werden glaube ich so viele Infusionen verabreicht, wie auf einer Hämatologie, und daher gibt es entsprechend viele Glasflascherln zu entsorgen, und das „lüngelt“ (scheppert) halt. Außerdem geht’s auf einer Häma rund um die Uhr „rund“! Da geht’s halt immer irgendjemandem so schlecht, dass er/ sie die Schwestern ruft. Und pro Zimmer stehen maximal drei Betten. Und in dem erwähnten Vorraum sind für jedes der beiden zugehörigen Zimmer ein Waschbecken und ein Klo, so dass sich also nur maximal drei Patienten oder Patientinnen ein Waschbecken oder ein Klo teilen. Und das Klo hat eine richtige Türe, so dass man bei gewahrter Privatsphäre in Ruhe schei...en kann - in der HNO, wo ich vorher war, gab’s nur ein Klo für alle Männer und ein Klo für alle Frauen, und die Kabinen drinnen hatten auch keine richtige Türe, sondern halt nur so eine Art versperrbaren Sichtschutz, wenn Du verstehst, was 23 ich meine. Und es gibt fast nix ärgeres, also wenn man nicht einmal ungestört schei..en kann – finde ich halt. Ein paar amüsante Anekdoten am Rande: das Essen hat mir schon sehr viel besser als auf der HNO geschmeckt. Das hat wohl 2 Gründe gehabt: erstens habe ich die Normalkost gewählt. Bei der vegetarischen gibt’s nämlich statt Schnitzel nur Gemüsegatsch. Zweitens bin ich mit Cortison vollgestopft. Da schmeckt alles gleich viel besser. Ich habe mir außerdem jeden Tag einen neuen Venflon setzen lassen. Mir ist es ziemlich ungut, mit so einem Ding in der Vene zu schlafen. Und am Samstag war dann eine junge Ärztin, die ich bereits aus der Tagesklinik kannte, und die ganz ausgezeichnet „Leitungen legt“. Sie hat ihren guten ruf auch bei dieser Gelegenheit gefestigt! Leider hat sie aber das Infusionsbesteck nicht gescheit an den Venflon angeschlossen (das Infusionsbesteck, das ist der Plastikschlauch mit Durchflussregler, über den der Inhalt der Infusion in den Venflon und somit in die Vene geleitet wird, und der wird über so einen einfachen Schraubverschluss am Venflon angeschraubt). Jedenfalls fühlt sich plötzlich mein linker Arm ziemlich kalt an. Ich schaue also, und sehe, dass a) der Inhalt der Infusion an meinem Arm herunterrinnt, während aus dem Venflon munter Blut herausrinnt. Ich rufe als die Schwestern, die in dezente Hektik ausbrachen, als sie die Schweinerei sahen... zum Glück war das nur ein Antibiotikum und keine Chemo – die Chemo hätte mir die Haut ziemlich verätzt. Anmerkung des Autors aus der Retrospektive: ich hatte damals wohl eine Gehirnhautentzündung erwischt. Ich habe ein wunderschönes Gedicht von Rainer Maria Rilke gefunden: 24 Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehen. Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn. Ich kreise um Gott, um den uralten Turm, und ich kreise jahrtausendelang; Und ich weiss noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm Oder ein grosser Gesang. Und noch eines, das die Ohnmacht eines Krebskranken ziemlich gut ausdrückt, von Rudolf Klehr: komm, schwarzer panther, lach noch mal gleich wird der tod dich holen noch bist du schön, trotz deiner qual du kannst sie all verhöhnen mit deinem lachen tief in mir will ich dann weiterkämpfen und wenns auch noch so sinnlos ist den haß kann es mir dämpfen die blinde wut, die in mir wohnt kann welten nicht versetzen doch rächen kann ich deinen tod die üble brut zerfetzen komm, schwarzer panther, lach noch mal dann geht die sonne unter ob sie noch einmal aufgehn wird ich glaube nicht an wunder 25 komm, schwarzer panther, lach noch mal vielleicht kann ich dann weinen um zu vergessen was mal war die scherben neu zu leimen nur noch dein lachen will ich sehn... 26 01.10.2002: Zweiter Zyklus, Tag 8 L etzte Woche Freitag hatte ich ja den Tag 8 des zweiten BEACOPP-Zyklus. Das bedeutete Vincristin und Bleomycin intravenös, und zuerst führte mich mein Weg einmal ins Zentrallabor zur Blutabnahme. Dort fiel auf, dass „nix weiterging“ – was insofern seltsam war, als es dort sonst ziemlich hurtig weitergeht – alle 5 Minuten wird ein Fünferschwung aufgerufen – normalerweise. Als ich endlich zur Blutabnahme gerufen wurde, sah ich ziemlich rasch, warum da nix ging. Drinnen werkelten 2 Schwestern (Ärztinnen?). Während die eine 4 Patienten bediente, schaffte die andere gerade einen. Natürlich kam ich auch zu der „langsamen“. Ich streckte ihr meinen entblößten rechten Arm hin, weil (wie ich aus Erfahrung weiß) die äußere Vene in meinem rechten Arm am besten zu stechen ist. Die gute Frau war aber anderer Meinung: sie klopfte auf meine Vene und meinte, die wäre hart und entzündet. Und daher würde sie in die bei mir derzeit weit kleinere, innere Vene stechen. Ich muss dazu sagen, dass ich mir zusätzlich auch das Kreuz wieder einmal sagenhaft verrissen hatte! Jedenfalls bin ich dann mit stechenden Schmerzen in der Lendenwirbelsäule dort im Sessel gesessen, und was die Frau dann aufgeführt hat, so was habe ich noch nicht erlebt! Sie sticht mir also einmal hinein – autsch (dünne Vene == „auweh“ beim Reinstechen). Dann fangt sie an, das Ding wieder rauszugeben, probiert’s wieder, mit einem anderen Winkel, wieder nix, wieder raus, wieder mit einem anderen Winkel rein, wieder nix, wieder raus usw. usf. Ich habe mich inzwi27 schen ziemlich gewunden, sie fragte mich „Tut das weh?“ – worauf ich meinte „Na, angenehm ist das nicht!“. Nach so 6-7 oder so vergeblichen Versuchen meinte ich dann „Vielleicht probieren wir den anderen Arm!!“. Dort war sie dann weise genug, gleich die größere äußere Vene zu probieren, und schaffte es auch wie durch ein Wunder auf Anhieb, die Leitung zu legen. Ein sagenhaftes Naturtalent! Dann ging ich mit meiner Lady zurück auf die Tagesklinik, also auf die Hämatologie, um die Ergebnisse des Blutbefundes abzuwarten. Jedoch der Blutbefund kam und kam nicht!! Schließlich wurde es dem Arzt zu blöd, und mir wurde auf der Tagesklinik noch einmal Blut abgenommen (die Leitung hatte ich ja eh noch drinnen). Witzigerweise kamen dann beide Ergebnisse gleichzeitig. Ergebnisse sind ziemlich OK. Rote plus weiße Blutkörperchen plus Blättchen alle im Normbereich, allerdings bin ich anämisch (zu wenig Hämoglobin, nämlich 12.6, Referenzbereich ist 14 – 18), aber nicht schlimm. Auch das Chemogramm war OK, der Arzt gab also grünes Licht für die Infusionen. Weil ich das letzte Mal einen ziemlichen Fieberschub bekommen hatte, ließ ich mir diesmal gleich die Elefantendosis Novalgin spritzen. Das ist recht witzig – weil da setzt sofort „bunter Nebel im Kopf“ ein, wenn das gespritzt wird. Zusätzlich bekam ich noch Zofran und Zantac UND das Vincristin als Spritze. Wie beim letzen Mal also 4 Riesenspritzen. Danach das Bleomycin als Infusion, wie eben beim letzten Mal. Wiederum muss ich übrigens feststellen, dass es mir besser gegangen ist als beim ersten Zyklus.... Am folgenden Tag, am Samstag, war ich dann aber, wie erwartet, ziemlich fertig und bin eigentlich den ganzen Tag 28 nur im Bett gelegen und habe geschlafen. Am Sonntag bin ich dann mit meiner Lady zuerst auf den Himmel (BellevueWiese) und dann auf die Marswiese gefahren. Gestern war ich dann schon wieder recht gut in Form, habe die Wohnung gesaugt und dann ein bisschen trainiert. Bei den Klimmzügen ist mir die von der Unfähigen malträtierte Vene rechts ein bisschen aufgeplatzt, und das gab einen riesigen Bluterguss! Kein Wunder, die hat mir wie gesagt mindestens 6 Löcher dort reingestochen.... 15.10.2002: Erster Teil der autologen Stammzellenmobilisierung D en ersten Teil der Stammzellengewinnung – die Stammzellenmobilisierung – habe ich nun hinter mir. Alles in allem jedenfalls eine interessante Erfahrung. Lady und ich sind am Freitag so gegen neun Uhr in der Station gewesen. Bis auf eine Mega-Blutabnahme und ein EKG wurde aber nix gemacht! Eigentlich schon eine Frechheit, dass mir der Tag wegen so einem Scheiß gestohlen worden ist. Naja, der Grund für die Aufnahme am Freitag ist ziemlich klar: die Ambulanzen haben halt nur am Freitag offen – und das EKG wollten sie halt offenbar unbedingt haben (das EKG war übrigens ganz in Ordnung). Blutanalyse wäre auch am Samstag möglich gewesen. Witzigerweise war ich in einem Klassezimmer untergebracht, sprich Zweibettzimmer, Fernseher im Zimmer, Kasten im Zimmer. Der Zimmergenosse war ein gewisser Andreas, schätzungsweise zwischen 20 und 25 Jahre alt, hat wie ich Morbus Hodgkin, allerdings wurde er im Mai mit Stadium IV B diagnostiziert. IV B bedeutet: Metastasen im ganzen 29 Körper. Bei ihm war Leber, Milz und Knochenmark befallen, zusätzlich Lymphdrüsen am ganzen Körper. Der Andreas ist aber ein echter Landbursche! Er hat mittlerweile den sechsten BEACOPP Zyklus hinter sich und verträgt das ganze ziemlich locker. Er meinte zur Stammzellenmobilisierung nur: „Naja, ein bisschen schlecht wird einem halt, aber nicht so schlimm. Der Cava-Katheder zwickt ein bisschen, aber auch nicht so schlimm“. Diese Aussage muss man aber stark relativieren! Weil verglichen mit diesem Naturburschen bin ich leider ein Waschlappen. Ich erhielt also am Freitag und Samstag zuerst literweise „Support-Infusionen“, um meinen Körper gegen das Gift zu präparieren. Freitag abends und Samstag vormittags, sowie Sonntag vormittags jeweils einen halben Liter zur „Alkalisierung“ sowie einen Liter Elektrolytlösung in Kochsalz. Insgesamt also, wenn ich richtig rechne, 4.5 Liter. Zusätzlich bekam ich eine Riesendosis Blasenschutz und Antiemetikum (nicht so erfolgreich, aber dazu später mehr). Dann ging die Infusion mit Endoxin (Cyclophosphamid) los. Ich erhielt die volle Dröhnung: 7600 Milligramm, was ungefähr soviel ist, wie ich in den gesamten 8 sonstigen BEACOPP-Zyklen an Cyclophosphamid erhalte. Ungefähr bei der Hälfte der Infusion begann ich mich wie besoffen zu fühlen. Ich hatte das Gefühl, wenn ich den Kopf drehte, dass sich der physische Kopf dreht, und der Ätherleib folgt erst mit einer ziemlichen Zeitverzögerung dem physischen Kopf nach. Zusätzlich begannen meine Augenlieder anzuschwellen. Ich musste also die Augen schließen. Und 30 wenn ich die Augen schloss, sah ich mit absoluter, hypnotischer Klarheit Bilder vor meinem inneren Auge. Leider war es so, dass ich diese Gebilde und Landschaften nicht statisch sah, sondern ungefähr so, als hätte ein wildgewordener Kameramann die Gelegenheit seines Lebens an sich gerissen, sich zu profilieren - sprich: Ich erlebte wilde Zooms und Schwenks in wunderschöne Parklandschaften und schwarzweiß gekachelte geometrische Gebilde. Das alles trug durchaus dazu bei, die bei mir aufkommende Übelkeit zu verstärken. Ich Volltrottel hatte zu Mittag und am Nachmittag, als meine Lady mich besuchte, noch reichlich gegessen. Zusätzlich begann mit dann noch der Schädel irrsinnig wehzutun. Ich bat die Ärzte nach der Infusion noch um eine Spritze mit Navoban. Das half aber leider überhaupt nix. Nachdem ich ziemlich fertig war, dachte ich, na gut, gehe ich halt schlafen, und wenn ich morgen aufwache, wird es schon besser sein. Aber so kam es leider nicht! Nachdem ich von den vielen Infusionen vollgepumpt mit Flüssigkeit war, musste ich dann irgendwann am Abend aufs Klo. Und als ich so am Häusl stand, und meinen nach Cyclophosphamid stinkenden Urin roch, musste ich mich ultimativ und literweise übergeben. Danach war es mir allerdings schon ziemlich viel besser! War richtiggehend eine Erleichterung, auch wenn es nicht so angenehm ist, wenn einem das Erbrochene bei der Nase herauskommt...und das Zeug schmeckt und stinkt einfach unendlich grauslich, so schlimm, dass man jedes Mal wieder überrascht ist! Erinnere mich, wenn ich jemals verantwortlich für Weltendesign sein sollte, dass ich eine Magensäure konzipiere, die Erbrochenes nach Rosenwasser schmecken lässt... 31 Zwei Stunden später musste ich nochmals aufs Häusl, und es war wieder dasselbe, obwohl es mir eigentlich nicht mehr so übel war: literweise Kotzen....aber dann war der Magen komplett leer und mir war wesentlich besser! Ich schlief dann relativ rasch ein. Meine Theorie dazu ist, dass mein Körper einfach keine Lust hatte, den Mageninhalt zu verdauen, weil er so mit Gift vollgepumpt war, dass sämtliche Alarmglocken läuteten. Und so meinte er: nichts wie weg mit dem Mageninhalt! Wenn es mir nämlich „Chemo-übel“ gewesen wäre, dann hätte erstens das Erbrechen gar nix gegen die Übelkeit geholfen, und zweitens hätte ich nicht aufgehört zu speiben, wenn der Magen leer ist! Dann speibt man nämlich, nachdem der Magen leer ist - wie man so hört - einfach Galle und Nüchternsekret. Das gibt’s jetzt aber an und für sich gar nicht mehr, weil man ja bei der Chemo immer ein Antiemetikum bekommt. Witzig war dann, dass ich irgendwie beim nächsten Mal pinkeln überlegte: „wie gehe ich das jetzt an, dass ich nicht wieder gleich dazu kotze...“. Ich habe dann keine Probleme mehr gehabt. Am nächsten Tag war es mir nur mehr „normal Chemoübel“. Ich aß den ganzen Tag nur ein bisserl Apfelkompott, mehr hätte ich nicht hinuntergebracht. Sonst ging’s mir aber nicht einmal so schlecht. Ziemlich müde war ich halt. Die Blutwerte waren auch OK. Wegen dem Cava-Katheder habe ich auch ziemlich viel mit den Ärzten diskutiert. Die Oberärztin Dr. R. meinte folgendes dazu: Meine Venen sind ausgezeichnet und von dieser Seite aus wäre es überhaupt kein Problem. ABER weil die Dialysemaschine 80-100 Milliliter 32 pro Minute pumpt, kann kein Venflon verwendet werden – das heißt, dass ich während der gesamten Blutfilterung zwei Nadeln, links und rechts, reinbekomme. Das heißt auch, dass ich zumindest einmal, wahrscheinlich 2 oder auch dreimal 6-8 Stunden völlig ruhig liegen muss. Und wenn ich niesen muss, und ich bewege reflexartig die Arme, dann sind meine Venen durchlöchert und ich habe sofort einen Riesenbluterguss, weil die Maschine eben so rasant arbeitet. Außerdem kann ich mich nicht kratzen, wenn es wo juckt (klingt blöd, aber während der PET-Aufnahme musste ich eine Stunde ruhig liegen – und da juckte es mich unendlich) und wenn ich pinkeln muss, dann darf eine Schwester Hand anlegen. Jedenfalls, wenn die Venen durchlöchert sind, dann bekomme ich sofort einen Cava-Katheder. Weil es gibt nur ein enges Zeitfenster, in dem die Stammzellen gewonnen werden können. Jedenfalls ist es alles in allem wesentlich weniger Stress, den Cava-Katheder zu verwenden. Gestern Abend wurde ich in die „hohe Kunst“ der subkutanen Injektion eingeweiht. Ich muss mir nämlich in den nächsten Tagen Neupogen (das ist ein Stammzellen-Wachstumsfaktor) in die Haut spritzen. Das war dann allerdings wirklich überhaupt nicht schlimm! Ich hatte von meiner Lady den guten Tipp bekommen, dass man die Stelle, wo man hineinsticht, zuerst mit einem Eisbeutel ein paar Minuten kühlen muss. Die Prozedur geht dann so: Man legt sich bequem hin. Man kühlt die Stelle mit Eis. Man sticht mit der Nadel hinein, und zwar nicht senkrecht, sondern ein bisschen horizontal 33 geneigt (damit man nicht zu tief hineinkommt) Man lässt langsam das Zeugs in der Spritze in den Bauch. Die Betonung liegt auf langsam – es brennt nämlich ziemlich entsetzlich, wenn man das Zeug schneller als langsam hineinlässt. In diesem Zusammenhang muss ich an so manchen Tierarzt denken, der unseren Katzen die Spritzen in Rekordzeit hineingejagt hat.... Es kostet zwar ein wenig Überwindung, die Nadel reinzustechen, aber man spürt nur ein kleines Picksen und das wars dann – in den tieferen Schichten spürt man gar nix - wenn man nicht gerade einen Nerv erwischt. Die Schwester war jedenfalls schwer begeistert, weil ich mir das Zeug so gut und vor allem selber reingejaukt habe... Ich fühle mich ja derzeit wie ein alter Mann! Als ich beim Chefarzt das Rezept für die Stammzellenspritzerln bewilligen ließ, musste ich danach zwei Stockwerke per pedes, sprich über die Treppe erklimmen. Ich keuchte wie ein herzkranker alter Mann, als ich oben ankam! Ich meinte zu einer Ärztin, die mich überholte: „Sie würden nicht glauben, dass ich einmal Marathon gelaufen bin“ – worauf sie lachte und meinte, das würde schon wieder werden. Heute geht’s mir soweit wieder gut. Mir ist nicht übel, solange ich genug Navoban einwerfe und regelmäßig etwas esse. Übrigens, die Neupogen-Spritzen kosten so ca. € 200,- pro Stück. Die Fünfer-Packung also lockere € 1.000,-! Über den ersten Teil der Stammzellengewinnung, die Hochdosis-Chemo, habe ich Dir ja schon geschrieben. Das Schädelweh war übrigens nicht von einer Migräne, sondern von der Hochdosis – ich habe mit einem anderen Patienten gesprochen, der hatte ebenfalls im Zuge der Verabreichung der Hochdosis grässliches Schädelweh bekommen. 29.10.2003: Die Stammzellengewinnung 34 A ls ich am Donnerstag in die Klinik kam, hieß es plangemäß: heute noch wird der Cava-Katheder gelegt. Am frühen Nachmittag war es dann soweit. Der Eingriff wurde nicht in der Hämatologie, sondern in der Unfall-Station durchgeführt. Ich wurde gleich mitsamt Bett hinübergebracht. Endlich beim OP-Raum angelangt, versicherten mir alle Anwesenden, das sei ein reiner Routineeingriff, der maximal 10 Minuten dauert. Unguterweise war der Fleischer selbst der einzige, der extrem unsympathisch war. Alle anderen waren wirklich freundlich und nett. Und die Prozedur geht dann so: Man legt sich auf den OP-Tisch, und der wird dann so geneigt, dass man ein bisschen kopfüber liegt. Dann wird einem ein Tuch über das Gesicht geneigt, damit man sich keine Keime in die Vene atmet. Begleitet wird das ganze von den beruhigenden Kommentaren des Fleischers, will sagen Chirurgen! In der Theorie sieht die Prozedur so aus: 1. 2. 3. 4. 5. Lokale Betäubung beim Schlüsselbein. Ein „Blindstich“ des Fleischers in die Schlüsselbeinvene Der Fleischer versucht, Blut zu aspirieren. Gelingt das, hat er die Vene gefunden. Da die Leute damit ziemlich viel Erfahrung haben, gelingt das meistens. Dann wird der Cava-Katheder eingeführt. Das Ding ist so ca. 25 cm lang und geht also vom Schlüsselbein bis fast zum Herz. Dann wird der Katheder noch an der Haut nahe der Einstichstelle mit je 4 Stichen oder so angenäht und somit verankert. Soweit die Theorie. Jetzt die Praxis! Ad 1: „So, das tut jetzt ein bisschen weh.“ - UUUUHHH!! Das ist die lokale Betäubung: eine Spritze direkt unter das Schlüsselbein - was ganz “nettes”. Auf einer Schmerzskala von eins bis zehn: 4 Punkte. “So, das war schon das ärgste.” (verdammter Lügner) Ad 2: “Jetzt versuche ich den Zugang zu legen” - JAUUUU!!! Eine Megaspritze mit 6 mm Durchmesser wird in die Schlüsselbeinvene getrieben. Auf der Skala: 4 Punkte. Die Lokale Betäubung ist FÜR GAR NIX!! 35 Ad 3, 4: “Ich bin drin, kann Blut aspirieren. Ich lege jetzt den Katheder.” WAAAAAAHHH! Ich spüre, wie er ein Ding in meine Vene schiebt, aber nach etwa 1.5 cm irgendwo ansteht, und probeweise einmal ordentlich andrückt. Mir bricht der Schweiß aus. Auf der Skala: 7 Punkte. Weiter mit 4: “Aha, ich komme nicht rein. Das ist allerdings für die Krankheit typisch, wahrscheinlich ist die Vene blockiert. Tut Ihnen das weh.” - (Carl) “Ja, das tut weh”. “Ich probiere noch einmal” - WAHHHH! Schiebt wiederum das Ding rein, kommt wieder irgendwo an. Wieder: 7 Punkte (Der Fleischer) “Ich probiere jetzt über die Halsvene.” - (Ich) “Das wird nicht funktionieren, ich habe 3 Tumore auf dieser Seite, da werden Sie nicht durchkommen” - (Der Fleischer) “Geben Sie ihm ein Dormicum!” UAAAAAH! Er jagt mir eine lokale Betäubung in die Halsvene. Gleichzeitig gibt mir gnädigerweise jemand ein Dormicum in den Venflon am Arm - das Dormicum greift fast sofort (ist ein sehr starkes Schlafmittel). Eine ordentliche Dosis Dormicum wirkt etwa so: Du siehst zwar noch etwas, und hörst auch was. Aber Du kannst das überhaupt nicht mehr interpretieren, bist ganz weit davon entfernt, das hat gar nix mehr mit Dir zu tun. Als würdest Du staunend dasitzen und auf einer riesigen Leinwand bunte, rasend schnelle, völlig sinnlose Bilder ansehen und sinnlose, merkwürdig hallende Zwölftonmusik anhören. Jedenfalls kam ich dann zu mir, die Schulter tat mir entsetzlich weh, und auch der Hals (wo er mir die lokale Betäubung reingejauckt hatte). Insgesamt hatte der Fleischer vier Mal probiert, den Katheder zu legen....Und zur Aufmunterung hieß es: am nächsten Tag munter aufs neue!! Die Ärzte auf der Hämatologie waren aber ziemlich angefressen, das ein Krebspatient bei der Cava-Verlegung vier Mal angestochen wird, und dürften der anderen Abteilung (Unfallchirurgie) Stunk gemacht haben. Am nächsten Tag wurde jedenfalls schriftlich verlangt, dass ich gleich ein Dormicum gespritzt bekomme. Und die Chirurgie war dann, frei nach der Druck-Gegendruck-Theorie, auch ziemlich angefressen, mit mir in der Mitte! - der Fleischer war wieder derselbe wie am 36 Vortag, und meinte fröhlich und ironisch „der junge Mann hat gestern ja sehr sensibel reagiert. Wie werden ihm heute gleich etwas geben“. Jedenfalls haben sie mir eine Dosis Dormicum gegeben, dass ich nicht nur von der Verlegung des Katheders nix gespürt habe, sondern auch 2 Stunden wie im Drogenrausch gelegen bin! Wie ich ins Zimmer zurückgekommen bin, habe eine halbe Stunde Kräfte gesammelt. Dann habe ich meinen Zimmernachbarn (Andreas) lallend gefragt, ob es diesmal geklappt habe. Er meinte ja. Ich lallte „Hals oder Schulta?“ Er meinte, es sei bei der Schulter montiert worden. Da war ich dann beruhigt... Ich kann jedenfalls nur jedem empfehlen, sich bei so einer Tortur ein Dormicum geben zu lassen. Und egal, was sie mir in Zukunft punktieren, heraussaugen, abkratzen, einspritzen, ausblasen: sollen sie nur! - wenn ich vorher ein Dormicum bekomme, ist mir das wurscht... Der zentrale Zugang war am Anfang recht unangenehm und ungewohnt. Aber man gewöhnt sich ziemlich rasch an alles! Am Freitag hatte ich das Ding bekommen, am Dienstag konnte ich, wenn ich mich nicht bewusst darauf konzentrierte, nichts mehr spüren. Naja, den rechten Arm konnte ich halt nicht gescheit anheben, und auch nicht auf der rechten Seite schlafen. Aber verglichen mit dem ersten Tag, wo ich schon die Krise bekommen hatte, wenn mich jemand schief angesehen hatte, war das überhaupt nichts. Am Montag war ich netterweise mit Fieber aufgewacht. Das bedeutet bei Aplasie automatisch: Antibiotikum intravenös! Da war meine Stimmung dann auf dem Tiefpunkt. Ich bekam Ciproxin und Tazoname intravenös, gottseidank nur zweimal täglich. Wäh37 rend der Aplasie bekommt man im Spital immer zwei Antibiotika, eines zur Terminierung von grampositiven Bakterien (z.B. Staphylokokken), eines zur Terminierung von gramnegativen Bakterien (z.B. Coli). Wie mir eine Ärztin erklärt hat, ist die eigentliche Kunst bei der Krebsbehandlung nicht so sehr die Verabreichung von Chemotherapeutika, sondern die begleitende Therapie. Wenn man einem Patienten eine Hochdosis verabreicht, dann ist sein Immunsystem kaputt. Und dann erwischt er immer etwas! – Sterilräume gibt’s nur für die Patienten, die gerade eine (im Prinzip) letale Dosis bekommen haben, weil ihnen Knochenmark transplantiert wird bzw. Stammzellen. Und heute gibt es sehr gute Antibiotika und eben Mittel wie Neupogen oder EPO – gentechnisch hergestellte „Knochenmarkbooster“ – damit kann man innerhalb von einem Tag die Leukos von 200 auf 2000 treiben. Ohne Neupogen hätte meine Aplasie drei Wochen gedauert.... „Aplasie“ heißt in diesem Zusammenhang jener Zeitraum, wo mein Knochenmark so stark suprimiert ist, dass die weißen Blutkörperchen auf unter 1000 gehen (normalerweise hat man so etwa 3.500 – 9.000). Die weißen Blutkörperchen waren als Ergebnis der Neupogen-Spritzen, mit denen gleich nach der Hochdosis (am Sonntag) begonnen wurde, auf 23.000 am Montag angestiegen. Am Mittwoch hatte ich 10.000. Am Donnerstag 3.000. Am Freitag 800. Am Samstag 300. Am Sonntag 200. Am Montag 2000. Am Dienstag morgen 9900. Am Dienstag nach der Blutwäsche 4.800. Am Mittwoch 4.800. Am Donnerstag 8.800. Wie immer...die Blutwäsche war dann am Dienstag. Ich 38 hatte mir einen Gameboy Advance und ein Buch mitgenommen, aber während der Wäsche ist einem nicht nach Spielen oder Lesen: Nachdem die Saug/Einfüll-Löcher vom Katheder ziemlich nahe am Herz liegen, fühlt sich das so an, als würde „etwas“ beim Herz sich eine gemütliche Dusche nehmen, mit kaltem Wasser und „Prickelbrausekopf“. Und das ist ein bisserl ein sehr ungutes Gefühl! auch wenn es nicht weh tut. Und außerdem hat man das Vergnügen, mit der eigenen Körperwärme die Dialysemaschine aufwärmen zu dürfen! die ist nämlich *kalt*, wenn man mit der Wäsche anfängt. Soll heißen: der Raum wird zwar tropisch aufgeheizt. Aber während die Ärzte schweißgebadet im T-Shirt herumsitzen, liegt man mit einer Gänsehaut unter 2 Decken. Mit ist ja eigentlich immer heiß – aber da war selbst mir kalt, und zwar nicht zu knapp. Und das ganze ist irrsinnig anstrengend - man hat so das Gefühl, das verdammte Ding saugt einem die Seele heraus, und es bleibt nur der Abfall übrig, während das ganze gute Zeugs in den Stammzellenbeuteln gesammelt wird. Die Maschine ist auch ein ziemlich beeindruckendes Ding. Die Filterung geht über insgesamt 10 Zyklen, plus Vorlaufund Nachlaufzyklus. Nach jedem Zyklus fängt das Ding an zu klicken und pochen! Das bedeutet aber nicht, dass es kaputt geht, sondern dass es intern irgendwie die Blutbeutel umstellt. So viele mechanische Teile, wie das Ding hat, und so ausfallssicher, wie es sein muss, ist es mit ziemlicher Sicherheit irrsinnig teuer. Es war ein Baxter. Ich habe im Internet gecheckt: das Ding nennt sich „Baxter Amicus Apherese Set für das Zweiarmverfahren zur Gewinnung von peripheren 39 Stammzellen“. Nach der Prozedur habe ich mich schon sehr merkwürdig gefühlt. Ich hatte plötzlich wieder Fieber, obwohl ich mich eigentlich nicht heiß oder fiebrig fühlte. Ich fühlte mich wie „leergesaugt“. Ich trank 1.5 Liter Fruchtsaft auf einen Sitz, dann war mir ein bisschen besser. Am Donnerstag wurde ich dann entlassen...es war ein wunderschöner, ja geradezu unwirklich schöner Herbsttag, aber ich fühlte mich wie ein alter Mann, so fertig war ich. 13.11.2002: Dritter Zyklus, Tag zwei H abe heute den zweiten Tag im dritten BEACOPP-Zyklus hinter mich gebracht. Gestern war demzufolge der erste Tag im dritten BEACOPP-Zyklus, und der erste Tag im Zyklus ist halt immer eine sehr langwierige Angelegenheit. Zuerst Zentrallabor, Blut abnehmen lassen, dann zur Tagesklinik, wo der Doktor einen nach Erhalt des Blutbildes in Empfang nimmt und die nächsten Schritte bespricht, danach werden die Chemotherapeutika bestellt, und dann erst geht es los. Gestern hat das wieder einmal bis 17:30 gedauert. Mittlerweile weiß ich schon, dass mir vom Cyclophosphamid ziemlich übel wird, trotz großzügiger Zofran-Gaben. Das war gestern auch nicht anders....und heute ist mir immer noch übel. Erfahrungsgemäß wird das bis morgen vergehen. Gestern hatten wir mit Doktor L. wegen der Bestrahlung gesprochen, die sich an und für sich an den letzten Zyklus anschließt. Meine Frage war, ob es denn Studien gibt, in denen die Hodgkin-Rezidivrate ohne Bestrahlung mit Hodgkin-Remission, aber Leukämie-Neuerkrankung bei durchgeführter 40 Bestrahlung verglichen wird....ich hoffe, du kannst mir folgen. Was Dr. L. mir erklärte, war folgendes: Eine LeukämieNeuerkrankung sei wesentlich besser zu therapieren als ein Hodgkin-Rezidiv. Denn ein Rezidiv müsse in jedem Fall sehr aggressiv behandelt werden. Daher sei, wenn es notwendig werden wird, eine Bestrahlung jedenfalls zu empfehlen. Es ist aber ohnehin nicht sicher, ob eine Bestrahlung überhaupt notwendig sein werde, meinte er: „Wenn es nichts mehr gibt, weil die Therapie gut anschlägt, dann muss auch nicht bestrahlt werden“. Andererseits kann es mir natürlich auch blühen, dass noch mehr Zyklen als die acht durchgezogen werden müssen, wenn die Tumoren sich zäh gegen den Tod wehren. Allerdings werden nicht mehr als 8 BEACOPP-Zyklen gegeben, danach würde dann auf ein anderes Schema umgestiegen werden. Nächste Woche Dienstag, also am 19.11.2002, wird jedenfalls ein Thorax-CT von mir gemacht, dann werden wir ja genau wissen, in welchem Zustand die Tumore sich befinden. Um wieder zur aktuellen Behandlung zurückzukommen: heute und morgen bekomme ich Etoposid, davon wird mir zwar nicht noch mehr übel, aber ich muss andauernd aufs Klo, es ist ein Alptraum. Ich hatte heute leider auch ziemlich rasch mein mitgebrachtes Buch ausgelesen, und so träumte ich zwischen den Toilette-Besuchen unruhig vor mich hin. 41 21.11.2002: Dritter Zyklus, Tag acht B ezüglich CT-Befund gibt’s noch nichts – werde erst voraussichtlich morgen etwas in Erfahrung bringen kön- nen. Mir geht’s gesundheitlich nicht einmal so schlecht, also zumindest die Blutwerte von heute (Tag acht im dritten BEACOPP) waren sehr gut, alles im grünen Bereich. Allerdings war es mir an den Tagen eins bis drei sensationell übel, da hat nicht einmal Zofran intravenös dagegen geholfen. Wird wohl so sein, dass mein Körper auf das Cyclophosphamid beleidigt reagiert, denn das habe ich zwischen zweitem und dritten BEACOPP ja bereits als Hochdosis bekommen...wie immer - da hilft dann merkwürdigerweise nur eines: viel fressen! – da geht’s einem gleich besser...merkwürdig aber wahr. Mittlerweile gehen mir auch die Augenbrauen und Augenlieder ziemlich aus - ich sehe aus wie Eggman... 21.11.2002: CT-Diagnose ist eingelangt I ch hab endlich die CT-Diagnose vom Hanusch Spital; also es sind keine neuen Herde dazugekommen, und im Mediastinum sind die kleineren Herde komplett verschwunden, aber die großen Bulks sind nur ein bisschen kleiner geworden. Dummerweise haben die Ärzte im Diagnostikzentrum in Graz, wo ich mein ursprüngliches CT gemacht habe, das Ding anders vermessen als die Ärzte im Hanusch: in Graz einfach nur „den größten Durchmesser“, im Hanusch „größte Länge x größte Breite x größte Tiefe“. Beim Grazer Befund heisst es dann „9,6 cm Durchmesser“, beim Hanusch-Befund „9 x 6 x 3 cm“. Ich werde daher 42 dann noch mit den CT-Bildern vom August zum HanuschRadiologen gehen und der Radiologe checkt das noch ganz genau. Fazit ist aber auch ohne Messungen im Millimeter-Bereich, dass es keine gewaltige Schrumpfung gegeben hat. Laut Doktor ist das aber OK und er hatte nicht wirklich etwas anderes erwartet: normalerweise wird nämlich das Kontroll-CT erst nach dem 4. Zyklus gemacht, ich hab‘s halt schon am Anfang vom 3. Zyklus vorgezogen, also noch sehr früh in der Therapie. Wie immer - wir werden ja sehen. 26.11.2002: Eskalierte BEACOPP-Zyklen werden mir angekündigt I ch habe mittlerweile im dritten BEACOPP die Cortisonphase hinter mich gebracht. Wurde auch Zeit – ich hatte bereits die ganze Zeit unstillbaren Hunger, und diesmal habe ich auch eine ziemlich schlimme Cortison-Akne entwickelt. Schlafen konnte ich auch nicht mehr gescheit und ich bin auch in der Nacht ungefähr alle 90 Minuten aufs Klo gerannt. Schon lästig... Am schlimmsten ist aber der irrsinnige Hunger. Man kann sich einfach nicht vorstellen, wie hungrig man wird, wenn man das Zeug einnimmt. Das ist so: ich esse so viel, dass ich glaube, ich muss gleich platzen. Und zwei Stunden später bin ich schon wieder hungrig. Der Magen hat das diesmal dank großzügiger „Zantac“-Gaben (Magenschutz) recht gut ausgehalten, aber es geht nicht immer so gut; beim letzten Mal (im zweiten Zyklus) hatte ich erhebliche Probleme mit dem Magen. Vorgestern ist offenbar mein Knochenmark wieder „an43 gesprungen“. Gestern hatte ich dann trotz Voltaren Retard irrsinnige Kreuz- und Hüftschmerzen; das Kreuz ist heute wieder ein bisschen besser, aber die Hüften spüre ich heute immer noch sehr schlimm – ohne Voltaren geht das nicht so gut. Naja, ist aber ein gutes Zeichen und daher sehe ich das ganze eher gelassen – bin sogar stolz auf meinen Körper. Gestern hat ja Herr Dr. L. angerufen, von wegen CT-Befund. Nach der ganzen Aufregung letzte Woche, wo es so aussah, als würde das BEACOPP-Protokoll nicht so wirklich ansprechen, hat sich das dann ein wenig relativiert: Der Radiologe meinte nach dem Vergleich der Bilder, dass die mediastinalen Bulks in allen Dimensionen doch deutlich kleiner geworden sind und außerdem das Gewebe wesentlich homogener gegenüber den ersten Bildern geworden sei – das ist offenbar gut. Und das bedeutet, dass der BEACOPP doch ganz OK anspricht. Das Kontroll-CT ist bei mir ja sehr früh gemacht worden – nämlich am Beginn vom dritten anstatt nach dem vierten Zyklus. Was mir aber nicht erspart bleiben wird, sind zwei eskalierte Zyklen. Dr. L. meinte, ich sei jung und derzeit in guter Form, und daher wäre es wohl jetzt der beste Zeitpunkt zu diesem Vorgehen. Außerdem gilt, dass ich umso weniger bestrahlt werden muss, je weniger von den Dingern nach der Chemo noch zurück bleibt. „Eskalierter BEACOPP“ bedeutet genau (habe ich gerade im Internet gecheckt): Cyclophosphamid 1250 mg/m² Körperoberfläche anstatt 650 mg/m² Doxorubicin 35 mg/m² anstatt 25 mg/m² Etoposid 200 mg/m² anstatt 100 mg/m² Die sonstigen Substanzen (Vincristin, Bleomycin, Natu44 lan, Cortison) bleiben in der Dosierung identisch zum BasisSchema. Ab Tag 8 obligatorisches Spritzen von Neupogen 480 µg (stimuliert die Leukos), und zwar solange, bis die Leukos für 3 Tage > 1000/µl ausmachen. Vor allem der letzte Punkt bedeutet wohl, dass ich mindestens 3 Tage ins Krankenhaus muss (Tag 8 – 10, also wenn alles nach Plan geht vom 11.12. – 13.12.), weil die checken wollen, ob das Knochenmark wieder angesprungen ist. Aber nicht einmal das ist sicher. Wenn nämlich meine Blutwerte am Tag 8 gut sind, dann müsste ich theoretisch nicht ins Krankenhaus, sondern halt nur nach 3 Tagen oder so noch einmal zum Bluttest, damit gecheckt wird, ob ich weiter Neupogen spritzen muss. Allerdings hat mir der Doktor versichert, dass mir nach seiner Erfahrung die Aplasie [Leukos unter 1.500/ µl) sicher ist und ich mit einem kurzen Aufenthalt rechen sollte. Nach den beiden eskalierten Zyklen gibt es dann wieder eine CT-Kontrolle. Auf meine Ansage „dann wird es mir wohl noch übler sein“ meinte er, dass müsse gar nicht so sein, das ganze würde sich eher auf das Knochenmark niederschlagen. Wegen der Übelkeit habe ich mir schon überlegt, wie ich das besser angehen kann. Das Essen auf der Tagesklinik ist so unendlich grauslich, dass es mich jetzt noch reckt, wenn ich nur daran denke. Ich werde mir einfach selber etwas kochen und mitnehmen (halt einen Erbsenreis mit Thunfisch oder ein Erdäpfelpüree mit gebratenem Gemüse oder so). Und da man ja nach kürzester Zeit am Tropf nur mehr den *entsetzlichen* Geschmack von den Chemo schmeckt, werde ich vor Ort 45 jede Menge saure Zuckerln lutschen – das überdeckt recht gut, habe ich bereits am Tag 8 in diesem Zyklus probiert, hat wunderbar funktioniert. Damit sollte ich dann zwei der Hauptprobleme für die Übelkeit halbwegs im Griff haben. Wir werden ja sehen.... Mittlerweile habe ich mich schon ein bisschen in Maya (das ist eine 3D-Software, mit der auch Kinofilme animiert werden) eingearbeitet. Ich füge ein Bild an, das eine blühende Blumenwiese zeigt. In Maya kann ich Blumen und Bäume einfach „malen“, und so ist diese wunderschöne Wiese in etwa einer Viertelstunde entstanden. Wenn ich das herkömmlich malen müsste, würde ich „ewig“ daran sitzen. Ebenso, wenn das mit den „üblichen“ Mitteln eines 3D-Programmes, also aus „Polygonen“, modellieren würde – weil dann müsste ich praktisch jedes einzelne Blütenblatt modellieren. 29.11.2002: Wie ist eigentlich so ein BEACOPP? B in zwar heute in der Früh noch mit Kopfschmerzen aufgewacht, aber das hat sich dann im Laufe des Vormittages wieder gegeben. Mittlerweile habe ich den „Ablauf“ des BEACOPP rekonstruiert. Der Ablauf geht so: Tag 1: (Tagesklinik; Infusion Etoposid; Cyclophosphamid; Doxorubicin) irrsinnige Übelkeit und grauslicher Geschmack im Mund vom Cyclophosphamid Tag 2: (Tagesklinik; Infusion Etoposid) immer noch Übelkeit und grauslicher Geschmack Tag 3: (Tagesklinik; Infusion Etoposid) immer noch Übelkeit, ebenso immer noch grauslicher Geschmack, wird aber langsam besser 46 Tag 4: leichte Übelkeit Tag 5: Übelkeit ist weg, Cortison beginnt zu wirken: Heißhunger und Schlaflosigkeit Tag 6: keine besonderen Vorkommnisse außer Heißhunger Tag 7: keine besonderen Vorkommnisse außer Heißhunger Tag 8: (Tagesklinik; Infusion Vincristin und Bleomycin) Fieber vom Vincristin Tag 9: Müdigkeit, Fieber vom Vincristin Tag 10: Müdigkeit, beginnende Kreuzschmerzen (Knochenmark springt wieder an) Tag 11: Schlaflosigkeit, extreme Kreuzschmerzen und Hüftschmerzen Tag 12. Schlaflosigkeit, extreme Kreuzschmerzen und Hüftschmerzen Tag 13: Schlaflosigkeit, Heißhunger Tag 14: Schlaflosigkeit, Heißhunger Tag 15: (erster Tag ohne Cortison) Abgeschlagenheit, beginnende neuralgische Schmerzen Tag 16: Abgeschlagenheit, starke neuralgische Schmerzen, kribbelnde Fingerspitzen, taube Stellen an den Oberschenkeln Tag 17: starke neuralgische Schmerzen, kribbelnde Fingerspitzen, taube Stellen an den Oberschenkeln; Haare beginnen auszufallen Tag 18: immer noch neuralgische Schmerzen, werden aber bereits besser, kribbelnde Fingerspitzen, taube Stellen an den Oberschenkeln; Haare fallen weiter aus Tag 19: alles wieder soweit OK, allerdings bleiben die tauben Stellen, Haare fallen weiter aus Tag 20: alles wieder soweit OK; Haare fallen weiter aus Tag 21: Beginn des nächsten Zyklus, irrsinnige Übelkeit etc etc Naja, so ist das halt! 47 05.12.2002: Vierter BEACOPP, Tag drei I ch habe mittlerweile den dritten Tag in meinem vierten BEACOPP Zyklus, der ja ein eskalierter Zyklus ist, hinter mir. Der erste Tag gestaltete sich recht interessant. Das Blutbild war extrem gut, wie die neue Ärztin in der Tagesklinik, Frau Dr. K., erfreut feststellte. Sie meinte, da würde man nicht merken, dass ich jemals eine Chemo bekommen habe. Gegen die von mir befürchtete Übelkeit durch den eskalierten BEACOPP gab sie mir 8 mg Corticoid, das ist ein Nebennieren-Steroid. Das wirkte auch ganz gut, dazu aber später mehr. Als der Zyklus mit Zofran und Uromitexan-Injektionen begann, merkte ich eines: mir wird vom Uromitexan (Blasenschutz) übel, der für den eskalierten BEACOPP mit 600 mg sehr hoch dosiert wird – so ein Scheiß! Dann begann aber das Zofran zu wirken, und mir ging es zunächst ganz gut. Während der ersten Infusion (Cyclophosphamid, mein persönlicher Alptraum) begannen zwar wieder recht wilde Bilder vor meinem inneren Auge vorbei zu ziehen. Es war freilich weniger schlimm als bei der Hochdosis. Ich bekam diesmal auch nur ein Dosis von 2150 mg, verglichen mit den 7600 mg der Hochdosis also nur etwa ein Drittel – allerdings eben doppelt soviel wie beim BEACOPP-Basis. Das nächste Mittel war dann das scheußlich-orange Doxorubicin, ebenfalls in eskalierter Dosis. Nach dem Doxorubicin war es dann schon 14:00 Uhr, und es war ganz klar, dass sich das letzte Mittel, das Etoposid, nicht mehr in der Tagesklinik ausgehen würde. 48 Daher wanderte ich hinauf auf die Station, und so etwa um 14:30 begann die letzte Infusion, das eskalierte Etoposid. Zu diesem Zeitpunkt ging es mir eigentlich ziemlich OK! Ich denke, dass bis zu diesem Zeitpunkt das Corticoid noch gut wirkte. Außerdem bekam ich ein zweites Zofran gespritzt und auch ein zweites Uromitexan. Ich plauderte dann noch mit der Oberschwester über Gott und die Welt. So gegen 16:30 ging es mit meiner Befindlichkeit dann allerdings rapide bergab. Mein Schädel begann entsetzlich weh zu tun, und mir wurde unendlich übel. So gegen 17:30 war dann die Infusion durch - die letzten 10 Minuten an der Infusion dachte ich nur mehr, das überlebe ich leider nicht. Der diensthabende Oberarzt, Dr. N., zeigte sich von meinem Zustand beeindruckt, und verabreichte mir ein drittes Zofran. Das wirkte auch ein bisschen – so dass ich nicht mehr dachte, ich muss sofort versterben, sondern schaffte es irgendwie, zu Lady und Margot hinunter zu wanken, die gerade mit Hilli vom Tierarzt gekommen waren. Die Autofahrt nach Hause war so ziemlich das schlimmste, was ich je erlebt habe. So gegen 18:30 Daheim angekommen, wankte ich ins Bett und meinte zu Lady, mir würde nur mehr eine sofortige Notschlachtung mit anschließender Verbringung auf eine Sondermülldeponie (gefährlicher biologischer Abfall!!) helfen. Ich döste dann mehr tot als lebendig ein paar Stunden vor mich hin. Ich hatte so etwas wie die schlimmste Migräne meines Lebens, noch viel viel schlimmer als bei der Hochdosis im Oktober, und mir war auch – ganz Migränegemäß – entsetzlichst übel, und mein Bauch war ganz angeschwollen. 49 Beim zweiten Mal pinkeln, so gegen 21:30 passierte es dann: ich Trottel hatte nach dem ersten Mal nicht ordentlich heruntergelassen, und so roch es im Klo (meiner subjektiven Empfindung nach) ganz extrem stark nach Cyclophosphamid. Mir kam sofort alles hoch, ich schaffte es gerade noch ins Bad nebenan, und ich kotzte meinen Mageninhalt aus. Glücklicherweise hatte ich nicht mehr soviel intus, und das letzte, was ich gegessen hatte war ein Apfelmus, und das letzte, was ich getrunken hatte, war ein sehr süßer Mangosaft, der war noch nahezu unverdaut. Dadurch war das Kotzen vom Geschmack her überhaupt kein Problem – beim letzten Mal hatte ich eine Käsesemmel mit viel sauren Essiggurken herausgekotzt, und das war ein im wahrsten Wortsinne sehr übler Geschmack gewesen. Nach dem Speiben war es mir dann sofort besser, und das Kopfweh war auch besser. Ich schlief dann recht bald ein, und am nächsten Morgen ging es mir wieder ziemlich gut, was meine Stimmung entschieden verbesserte. Am zweiten Tag stand dann Etoposid in eskalierter Dosis auf dem Programm. Da ich das Zeug in 1000 ml NaCl verabreicht bekomme, dauert die Infusion drei Stunden, sonst ging es mir aber am zweiten Tag ziemlich gut, mir war eigentlich überhaupt nicht übel. Beim Etoposid weiß ich außerdem mittlerweile, dass ich nur darauf achten muss, dass mein Magen ständig gefüllt ist, dann ist mir auch nicht übel. Oder anders ausgedrückt, beim Etoposid wird’s einem nur übel, wenn man einen leeren Magen hat, weil es offenbar die Magenschleimhaut angreift. Heute war dann der dritte Tag, und wieder bekam ich Etoposid in eskalierter Dosis. Heute war es mir nach der Fahrt 50 ins Krankenhaus leider wieder ziemlich flau im Magen, und daher ging ich zuerst einmal alle meine gesammelten CT- und Röntgenbilder im Zentralröntgen abholen, um ein wenig Zeit zu schinden. Bei der Gelegenheit traf ich den Radiologen, der die Bilder ausgewertet hatte. Der erklärte mir, dass er beim Vergleich der Bilder vom 19.11. gegenüber den Bildern aus dem August eine Volumsverringerung des mediastinalen Bulks von etwa 30 – 40% diagnostizieren könne. Das freute mich dann doch zu hören! Ich wanderte dann zurück vom Zentralröntgen zur Hämatologie. Mir war es noch immer ziemlich flau im Magen, und beschloss ich noch mehr Zeit zu schinden und schaute mir die neuen CT-Bilder an. Das war natürlich für nix, weil ich die Bilder nicht interpretieren konnte! Grund für mein verbissenes Zeitschinden war, dass ich 14 Tabletten (1 x Natulan, 3 x Aprednislon, 1 x Diflucan, 1 x Zantac, 1 x Zofran, 1 x Bioflorin, 2 x Cetebe, 1 x Geriatric Pharmaton, 2 x Zink Orotat, und 1 x Selamin-E) intus hatte, und wenn ich die herausgekotzt hätte, dann wäre das ziemlich beschissen gewesen! So gegen 09:30 dachte ich mir, na OK, jetzt sind zwei Stunden um, da wird das Zeugs wohl verdaut sein, und marschierte mit Todesverachtung in den Infusionsraum. Das klingt jetzt vielleicht blöd, aber wenn man Chemo bekommt, dann wird der Geruchssinn extrem gesteigert! - und wenn man da in den Infusionsraum reingeht, wo viele viele Chemo verabreicht werden, dann ist das sehr sehr riskant. Ich mache das mittlerweile so, dass ich während der Behandlung saure Zuckerln lutsche, und zwar „kettenlutsche“ – der süßsaure Geschmack überdeckt alles. Und das erste 51 Zuckerl stecke ich bereits in den Mund, bevor ich in den Infusionsraum reingehe. Das geht dann so halbwegs mit der Übelkeit. Und dann lege ich mich auf ein „mein“ Behandlungsbett. Das ist ein ziemlich bequemes Ding, da kann ich elektrisch die Lehne und die Beinauflage in der Neigung verstellen. Und dann dauert es meistens noch so ca. 15 – 30 Minuten, bis alle Leute, die bereits vor mir hereingekommen sind, mit Venflons versorgt sind – erst dann komme ich dran. Und in dieser Zeit muss ich es halt schaffen, die Flauheit oder Übelkeit so gut als möglich wegzuschieben. Da mir gestern nach der Infusion die Vene im linken Arm entsetzlich weh tat, musste ich heute zu allem Überfluss die rechte Vene stechen lassen. Das war einmal die bessere Vene, bis ich drei Tage lang Antibiotikum i.V. dort hineinbekam. Seitdem ist sie leider verhärtet, und eignet sich nicht mehr so gut zum Stechen. Die Ärztin hat aber doch eine Stelle gefunden und eigentlich sehr gut gestochen. Man freut sich ja schon über solche kleinen Dinge! Die Infusion ist dann recht gut gelaufen, außer, dass ich andauern aufs Klo rennen muss, was jedes Mal eine langwierige Prozedur ist, von wegen abhängen und wieder anhänge, das kennst Du ja schon. Zuerst wurde mir noch ein Blut abgenommen, weil die Ärztin wollte checken, wie weit meine Blutwerte sich schon verschlechtert haben. Erfreulicherweise war aber das heutige Blutbild immer noch total OK! Ich bekam heute noch einmal 4 mg Corticoid und zwei Zofran gegen die Übelkeit, das half dann ganz gut, und so kam ich relativ locker per Taxi nach hause. Nächsten Dienstag geht es dann weiter – da wird zuerst das Blut gecheckt, und 52 dann wird entschieden, ob ich ein paar Tage einrücken muss oder den Rest des Zyklus zu hause durchdrücken kann. Vom Cortison bin ich inzwischen irrsinnig aufgedunsen. Außerdem sind mir alle Haare ausgegangen. Meine Mutter bekam einen Weinkrampf, als sie mich so sah. 20.01.2003: Grüße aus meiner linken Lunge I ch hätte ja meinen nunmehr fünften BEACOPP ursprünglich am 07.01.2003 antreten sollen, hatte dann aber irgendwie eine Art Intuition, dass ich das ganze eine Woche verschiebe. Ab so ca. dem 05.01.2002 hatte ich merkwürdige Flankenschmerzen, die ich vorerst als Nierenentzündung interpretierte, dann als Nierensteine. In Wirklichkeit war das aber der Beckenrand, der schmerzte – weil ich nämlich eine linksseitige Lungenentzündung hatte und mein Knochenmark offenbar wie verrückt Leukozyten herstellte. Ganz in die Betrachtung dieser Flankenschmerzen vertieft, ignorierte ich einen intensiven stechenden Schmerz, den ich gut seit dem 08.01.2003 beim Atmen empfand. Ich meinte, da ich am 06.01.2003 ein Krafttraining durchgezogen hatte, dass ich mir halt den linken oberen Brustmuskel gezerrt hätte. In Wirklichkeit waren das aber die Schmerzen von der Lungenentzündung. Die waren – so im Nachhinein betrachtet - recht schlimm! Mir hat eigentlich „alles“ wehgetan, also eben das Lungenfell links oben, dann auch der Beckenrand, der ganze linke Arm, die Gelenke. Es war schon ein Scheiß. Ich hatte aber die ganze Zeit Untertemperatur, und so hätte ich nie auf eine Lungenentzündung getippt. Und so trat ich am Montag dem 13.01.2003 wie geplant 53 meinen fünften BEACOPP an. Ich wollte die ersten beiden Tage stationär durchziehen, weil es mir das letzte Mal auf der Tagesklinik ziemlich entsetzlich schlecht gegangen war. Wie der letzte Zyklus, so war auch dieser ein sogenannter „eskalierter“ Zyklus, bei dem die Substanzen Cyclophosphamid, Doxorubicin und Etoposid gegenüber dem BEACOPP „Basis“-Zyklus entsprechend gesteigert sind. Am Montag wurde dann gleich einmal ein Blutbild gemacht. Der Arzt, Dr. F., meinte, mein Blutbild gefalle ihm nicht sehr. Mein CRP sei mit 110 sehr, sehr hoch. Zusammen mit den stechenden Schmerzen beim Atmen, von denen ich ihm erzählt hatte, tippte er sofort auf Lungenentzündung. Beim Lungenröntgen bestätigte sich der Verdacht dann auch: ich hatte eine linksseitige Lungenentzündung, an den Beginn des eskalierten BEACOPP war unter diesen Umständen nicht zu denken. Anmerkung: das war aber keine Lungenentzündung, sondern ein Non-Hodgkin-Lymphom, das sich in meiner linken Lunge eingenistet hatte. Freilich war dadurch auch das Lungenfell beleidigt. Ich hatte ja während der gesamten „Laufzeit“ der Lungenentzündung niemals Fieber. Wie die Ärzte mir mitteilten, ist das wie folgt begründet: Obwohl ich zum Beispiel schon an die 10.000 Leukos habe (also ziemlich viele), sind das keine „Elitekrieger“-Leukos, sondern nur „Dummies“, also halt nicht richtig funktionsfähige Leukos. Denn richtige Leukos hätten hohes Fieber ausgelöst. Meine Leukos hängen halt nur herum, bildlich gesprochen. Daran wird sich leider nicht wirklich was ändern, solange die Chemos laufen. Und auch danach [und übrigens 54 auch schon vor Anbeginn der Chemo] war bzw. wird mein Immunsystem niemals so richtig „supertopp“ sein. Das ist halt das Schicksal eines Morbus Hodgkin Kranken. Wie immer! So wurde ich halt von Montag bis einschließlich Freitag morgen mit den beiden Breitbandantibiotika „Maxipime“ und „Tazoname“ intravenös vollgepumpt. Das Maxipime erhielt ich als Injektion. Das ist so eine uringelbe Flüssigkeit, die ungefähr so riecht wie mit Benzin vermischte Jauche. Wenn man das Zeug reinbekommt, dann hat man auch sofort einen entsprechenden Geschmack im Mund. Beim ersten Mal hat mir die Frau Dr. M. die Injektion in 2 Sekunden reingejagt, worauf ich mich beinahe angespieben habe, weil es mir sehr sehr übel wurde. Danach war ich vorgewarnt und ersuchte stets um langsame Verabreichung. Beim Kontrollröntgen am Donnerstag war dann von einer Lungenenzündung nichts mehr zu sehen, und so beschloß Herr Dr. Fiedler, am Freitag mit der Chemo zu beginnen. Ich hatte ausführlich meine Probleme beim letzten Mal geschildert, und so wurde ein umfangreicher „antiemetischer Schlachtplan“ entwickelt, damit es mir diesmal nicht so übel werden sollte. Ich bekam also am Freitag folgendes verabreicht: Cyclophosphamid 2300 mg 60 mg Doxorubicin 350 mg Etoposid Dazu während der gesamten „Laufzeit“ Hydrierung mit 1 Liter NaCl mit Paspertin Dazu vor Beginn der Chemo eine Kurzinfusion mit Fortecortin und eine mit Paspertin Dann nach der Chemo noch mal eine Kurzinfusion mit Fortecortin und eine mit Paspertin Dazu dann noch nach Bedarf Nux Vomica C5 Das Ganze klingt sehr aufwendig, bewirkte aber, dass ich den von mir gefürchteten ersten Tag ohne Kopfschmerzen 55 und ohne jede Übelkeit überstand. Auf der Tagesklinik wäre das ganze ein wenig sehr problematisch gewesen. Du musst Dir das so vorstellen: Am Freitag nahm ich insgesamt 6 Liter Flüssigkeit zu mir, was bewirkte, dass ich im Laufe der Chemo (die ca. 4 Stunden andauerte) ungefähr 20 Mal auf die kleine Seite musste. Auf der Station ist das nicht so ein Problem, weil da wandere ich einfach mit dem Infusionsständer aufs Klo. Auf der Tagesklinik hätte sie mich aber jedes Mal abhängen und wieder anhängen müssen, und ich glaube, da hätten sie mich gelyncht. Auch den zweiten und dritten Tag überstand ich ohne Übelkeit! Da muss ich den Ärzten, allen voran Dr. F., schon ein großes Lob aussprechen – die haben wirklich alles getan, um mir meine Übelkeit zu ersparen, und sich extrem kooperativ gezeigt. Am Freitag geht es dann mit dem Tag 8 der Chemo weiter, allerdings, wenn alles gut geht, nur auf der Tagesklinik. Soll heissen, wenn das Blutbild nicht zu schlecht ist. Wir werden ja sehen. Vor dem nächsten Zyklus wird es dann wieder ein Kontroll-CT geben, dann wird entschieden, ob der nächste Zyklus ein „Basis“-Zyklus oder ein eskalierter Zyklus sein wird. Aus der Retrospektive betrachtet, war das leider keine Lungenentzündung, und der „Beckenkammschmerz“ war auch kein Schmerz, der vom Knochenmark kam. Vielmehr wuchs mir da ziemlich flott ein neuer Tumor in der linken Lunge. Und ein bereits vorhandener Tumor im Becken wuchs ebenfalls flott weiter. 56 27.01.2003: Fünfter BEACOPP, Tag 8 A m Freitag, dem 24.01.2003 hatte ich den Tag 8 meines 5. BEACOPP bzw. meines 2. eskalierten BEACOPP absolviert. Das Blutbild war total OK am Freitag – ich hatte 4000 Leukos – und so konnte die Therapie ohne weitere Verzögerung fortgesetzt werden. Normalerweise bin ich dann am Tag 9 und 10 immer sehr müde. Na ja, das war ich auch diesmal, bin eigentlich den ganzen Samstag und Sonntag im Bett gelegen und habe gelesen und geschlafen. Am Sonntag haben sich dann schön langsam die üblichen neurotoxischen Folgen des Tag 8 eingestellt: die Zehen und Fingerspitzen verabschieden sich, und die Füße werden bleischwer. Aber das gibt sich normalerweise im Laufe von ca. 2 Wochen wieder- kenne ich alles schon. Heute war dann der Tag der Entscheidung: wie würde das Blutbild aussehen? Ich hatte diesmal noch nichts gespürt im Kreuz, was eigentlich kein sehr gutes Zeichen ist, und am Tag 8 hatte ich 4000 versus 4800 im letzten Zyklus gehabt. Ich folgerte daraus einen Leuko-Wert von etwa 100 für das heutige Blutbild. Aber weit gefehlt! Meine Leukos schlugen sich tapfer bei 900, besser als beim letzten Mal, wo ich 700 hatte. Nun kann ich sogar mit dem Einverständnis der Ärztin auf der Tagesklinik auf einen weiteren Blutbildcheck im Laufe dieser Woche verzichten. Sie meinte aber wohl, ich soll absolut Ruhe geben, und wenn ich irgendwas spüre, muss ich mich sofort melden. Weil de Fakto fahr ich natürlich derzeit wieder einmal ohne Immunsystem dahin. Nächsten Montag, den 03.02.2003, gibt’s dann ein Kon57 troll-CT. Da wird sich dann zeigen, wie meine mediastinalen Bulks auf die beiden eskalierten BEACOPPs angesprochen haben. Und je nach Resultat, das bis Freitag den 07.02.2003 verfügbar sein sollte, gibt’s dann ab Montag, dem 10.02.2003 entweder einen Basis-BEACOPP oder einen eskalierten BEACOPP. In der Zwischenzeit kann ich eh nur in der Wohnung herumsitzen und meine Renderbildung vertiefen. Ich habe gestern abends übrigens zufällig im ORF2 eine total geniale Sendung über klassische Zeichentrick-Animation gesehen. Das gab mir schon zu denken – weil wenn man sich mit so einer komplexen Applikation wie Maya herumplagt, dann übersieht man gerne, dass das Ding ja nur ein Tool sein soll – um künstlerische Visionen zu verwirklichen. Nicht aber ein Mittel zum Selbstzweck, um also Effekte um der Effekte Willen oder 3DKamerafahrten um der 3D-Kamerfahrt Willen zu heischen. 05.02.2003: Schluß mit lustig H abe heute mit Frau Dr. K. gesprochen, wegen der CTDiagnose. Leider sieht es so aus, dass der mediastinale Tumor verglichen mit dem letzten Mal, also 19.11.2002, ein wenig gewachsen ist, und das nach 2 eskalierten BEACOPP Zyklen.... eigentlich hätte er nun fast komplett weg sein müssen, aber tatsächlich ist er von 9 x 6 x 3 cm auf 9 x 6 x 4.5 cm gewachsen. Jetzt wird halt am 17.02.2003 (meinem Geburtstag, ironischerweise) ein PET gemacht, damit wird abgecheckt, wie viel von dem Gebilde Tumor ist und wie viel „anderes Gewebe“. Danach wird über die weitere Therapie entschieden. Zuvor 58 wird die Therapie ausgesetzt, was eh gut ist, weil ich ziemlich fertiggefahren bin und eine scheußliche Venenentzündung von den vielen Chemoinfusionen habe. Als mir die Frau Doktor die Hiobsbotschaft überbrachte, war das irgendwie „unwirklich“, wie in einem schlechten Film, und ich spürte plötzlich, dass jetzt Schluss mit lustig ist und dass die Chemotherapie eigentlich versagt hat. Während mir das durch den Kopf ging, plauderte die Frau Doktor munter von einem nötigen Umstieg auf ein anderes Schema. Ich meinte dann irgendwann: „Verstehe ich das richtig, Sie wollen einfach ein paar Zyklen eines anderen Schemas probieren, und danach wieder eine Untersuchung, und wenn es wieder nicht geholfen hat, dann wieder ein anderes Schema probieren?“ Sie meinte daraufhin, na ja, „Probieren“ dürfe man das nicht nennen! Weil da gäbe es schon wohldefinierte Ablaufschemata. Das half mir aber nicht wirklich in meiner Verzweiflung. Ich hatte in meinem Beruf oft genug etwas „verbockt“, um zu wissen, wenn etwas einfach schiefgegangen ist. Und ganz offensichtlich war bei meiner Behandlung etwas gewaltig schiefgegangen. Ich erinnerte mich, dass meine Eltern seit längster Zeit etwas von einer homöopathischen Klinik in der Schweiz dahergeredet hatten, die auf Krebsfälle spezialisiert sei. Ich rief meine Eltern an und hatte kurz darauf die Nummern der Klinik. Ich telefonierte mit Doktor Takács sowie mit dem Leiter der Klinik, Dr. Spinedi, und schaffte es, einen zweiwöchigen Aufenthalt für den Zeitraum vom 20.02.2003 59 bis zum 06.03.2003 zu organisieren (ich hasse es enorm, zu telefonieren. Und für diese Sache musste ich viel telefonieren. Naja, was tut man nicht alles für sein Überleben..) Nun musste ich noch in der Hanusch-Klinik anrufen – die wollten ja, dass die Chemo mit neuem Protokoll ASAP weitergeht. Ich sprach mit Frau Dr. K. und meinte, ich wäre nun seit gut neun Monaten ununterbrochen in Behandlung, und nun würde ich dringend 2 Wochen Auszeit benötigen. Sie zeigte sich verständnisvoll und wir vereinbarten, dass ich mich melden würde, sobald ich zurück sei. 19.02.2003: Auf geht s in die Schweiz M eine Fahrt in die Schweiz war eine komplizierte, auch wenn alle Beteiligten sich bemühten, es mir so einfach wie möglich zu machen. Mir geht’s derzeit leider sehr schlecht, ich habe starke Schmerzen in der linken Lunge, wohl wieder eine Lungenentzündung (Anmerkung: wie sich später herausstellte, war das keine Lungenentzündung, sondern der Tumor in der linken Lunge, der irgendwie das Lungenfell oder das Rippenfell reizte. Als Resultat hatte ich einen CRP von mehr als 100, und das über fast einen Monat). Die Schmerzen strahlen irgendwie in den linken Arm aus, so als hätte ich mir dort etwas gezerrt. Und ich kann fast nicht mehr schlafen, so müde bin ich. Das klingt merkwürdig, aber das gibt es wirklich! – ich kann fast nur mehr tagsüber schlafen, in der Nacht döse ich nur mehr vor mich hin. Meine Lady war so lieb, mich von Wien nach Graz zu führen. Dort übernahm mich mein Bruder, der extra für diesen „Ausflug“ einen neuen Opel Vectra ausgeliehen hatte (ein geniales Ding übrigens!). 60 Die Fahrt ging um 09:00 in Wien los. Um 11:30 waren wir in Graz, ich verabschiedete mich von meiner Lady, dann ging’s weiter Richtung Italien (wir wollten über Milano fahren). In Milano kamen wir so gegen 19:30 vorbei, da gab’s natürlich einen Riesenstau! So gegen 21:30 hatten wir dann den Lago Maggiore erreicht; wir wollten noch in Italien übernachten und dann am nächsten Morgen in die Schweiz zur Klinik weiterfahren. Leider hat um diese Jahreszeit dort fast kein Hotel geöffnet! Nach einigen Irrfahrten, darunter eine abenteuerliche Fahrt durch die „engste Gasse der Welt“ fanden wir dann aber mit weit mehr Glück als Verstand ein geradezu geniales Hotel! Das „Hotel Camino“ in Luino protzte mit geradezu dekadentem Luxus. Wir fragten vorsichtig nach dem Preis und rechneten mit dem schlimmsten, aber der Preis war dann wirklich OK. In Österreich hätte so ein Zimmer wahrscheinlich drei mal so viel gekostet. 20.02.2003: Ankunft in der Clinica Santa Croce N ach einer unruhigen Nacht (ich konnte wieder einmal fast nicht schlafen, obwohl ich sowieso und natürlich auch von der langen Fahrt todmüde war) und einem exzellenten Frühstück im Hotel Camino fuhren wir dann weiter in die Clinica St. Croce. Eine Krankenschwester führte mich dann in mein Zimmer. Ich sah mich ein wenig um: das war zwar auch bei weitem kein Hotelzimmer, aber verglichen mit einem Krankenhauszimmer, so wie ich es gewöhnt war, schon ziemlich OK 61 - mit eigenem Fernseher und Balkon mit genialster Aussicht. Für den heutigen Tag war die Anamnese geplant – die sollte wesentlich länger dauern als eine „schulmedizinische“ Anamnese. Ich war gespannt. Doktor Takács, mit dem ich telefoniert hatte, sollte auch mein behandelnder Arzt werden. Er nahm sich volle sieben Stunden Zeit für die Anamnese! Er verwendet eine digitalisierte Version der Symptomlehre von Kent, wenn ich das richtig verstanden habe. Es geht jetzt aber gar nicht darum, welcher Autor das ist, sonder vielmehr darum, dass alle Symptome dieses Buches in einer Datenbank erfasst sind. Und nach der Anamnese erstellt er dann eine Matrix, wo alle Mittel, die in Frage kommen, schön nach Häufigkeit der Symptome gewichtet werden. Ein geniales Prinzip – denn früher, erzählte er mir – mussten die Homöopathen stundenlang in den Kompendien herumsuchen, bis sie das richtige Mittel fanden. Aber mit der elektronischen Version geht das dann natürlich ganz schnell. Nach der Anamnese hatte er dann auch ein Mittel gefunden, was sowohl für meine vermeintliche Lungenentzündung als auch für den Krebs gut passen sollte: Phosphor in einer „Q“ Potenz. Wie er mir erklärte, wäre Phosphor eines der wichtigsten Krebsmittel in der Homöopathie, und würde auch sonst gut zu den von mir beschriebenen Symptomen passen. Ich hatte jahrelang im Halbschlaf schwebende amorphe Gestalten gesehen, so ähnlich wie weiße Nebelschwaden. Ich war dann immer fürchterlich erschrocken, schlug im Halbschlaf nach diesen Gestalten, weil ich das Gefühl hatte, sie wollten in mich eindringen und erwachte dabei und – wenn ich dann aufwachte, waren die Gestalten leider immer noch 62 da, verblassten aber innerhalb von ein paar Sekunden, wenn ich das Licht einschaltete. Diese Zustände vergingen bereits nach zweimaliger Einnahme von Phosphor. Ebenso nach zweimaliger Einnahme verging der merkwürdige „Nebel im Kopf“, der mich seit der Hochdosis-Chemotherapie zur Stammzellengewinnung geplagt hatte. Ich war zu diesem Zeitpunkt mit einem CRP von über 100 unterwegs, und das bewirkte, dass ich fast nicht mehr schlafen konnte und dass ich im linken Arm einen merkwürdigen Schmerz spürte, ähnlich einer Muskelzerrung. Diese Zustände, wie auch der „Master-Pain“, nämlich der Schmerz in meiner linken Lunge, besserten sich langsam, offenbar deshalb, weil sich die Entzündungswerte besserten mein CRP ging auf etwa 70 zurück. Mein behandelnder Arzt ließ täglich ein großes Labor machen, weil auch er einigen Respekt vor der vermeintlichen Lungenentzündung eines immunsupprimierten Patienten hatte. Nach etwa 4 Tagen spürte ich plötzlich Kreativität in mich einströmen. Mangels geeigneter Malutensilien beschränkte ich mich zuerst darauf, ein Konzept für ein neues Videospiel zu entwickeln. Mein Bruder blieb noch zwei Tage bei mir und fuhr dann wieder zurück nach Graz. 27.02.2003: Einkaufen gehen nach Ascona I ch wollte schon einige Tage lang unbedingt etwas malen, hatte aber keinerlei Mal-Utensilien bei mir. Daher ging ich dann am 27.02. hinunter nach Ascona, um Papier und Farben zu kaufen. Ich wollte natürlich alles zu Fuß gehen – ein recht ehrgeiziges Unternehmen, wenn man bedenkt, dass ich gerade zwei eskalierte Zyklen BEACOPP hinter mir hatte 63 ich war körperlich in einer Verfassung, dass ich nicht länger als 10 Minuten aufrecht stehen konnte, ohne in Schweiß auszubrechen. Schon schlimm für jemanden, der früher mit 15 Kilogramm Eisen im Rucksack („Zusatzballast“!) eine 700 m Höhenmeter über eine Route mit 36 Prozent Gefälle in 45 Minuten bewältigen konnte. Ich ließ mir jedenfalls den Weg hinunter beschreiben und auch einige Tipps geben, wo ich Malutensilien beziehen könnte. Dann stapfte ich tapfer los. Es ging gar nicht so schlecht! – ich fand ein Papierwarengeschäft, kaufte Papier, Pinsel und Wasserfarben (staunte dabei über die Schweizer Preise – das ganze kostete doppelt soviel, als ich mental kalkuliert hatte) und machte mich auf den Rückweg. Der gestaltete sich dann recht schwierig. Ich bin allerdings kein Neuling auf dem Gebiet des Körpertrainings und wusste schon, wie ich es angehen musste. Und so ging ich unendlich langsam, aber natürlich trotzdem mit jagendem Puls, Schritt für Schritt zurück hinauf zur Klinik – immerhin auch fast 300 Höhenmeter. Ich war richtig stolz auf mich, das geschafft zu haben, und fiel sofort ins Bett und schlief bis zum Abendessen. 28.02.2003: Die Freude am Malen N un hatte ich also alle Sachen zum Malen beisammen; fehlte nur noch ein Motiv! Ich fühlte aber sofort einige Motive in mir „aufsteigen“. Ich malte fröhlich drauf los und stellte wieder einmal fest, wie schön und vor allem wie „direkt“ es ist, per Hand und auf Papier zu malen. Ich hatte in den letzten Jahren ausschließlich per Grafiktablet und Mal-Software gemalt. Das geht natürlich 64 auch ganz gut, aber es ist, wie soll ich sagen, die Erfahrung des Malens „nicht wie echt“, auch wenn das so gemalte Bild dann „wie echt“ aussieht. Das kommt einerseits daher, dass der Digitizer-Stift auf dem Tablet ganz glatt dahingleitet – eben Plastik auf Plastik. Wenn ich mit einem Pinsel auf Papier male, dann fühle ich die Rauhigkeit des Papiers und den Widerstand des störrischen Pinsels – das geht mir beim digitalen Malen total ab. Und andererseits habe ich irgendwie kein Gefühl für die Komposition, wenn ich am Computer male - weil ich nicht das ganze Bild auf einmal sehen kann. Jetzt werden viele Leute vom Fach aufkreischen und sagen, Blödsinn, man kann ja immer dann, wenn’s nötig ist, in eine entsprechende Ansicht zoomen, und die Kompositionsskizze in einer „Hundertprozent-Ansicht“ machen. Ja klar kann man das. Aber ich will, wenn ich male, jederzeit das ganze Bild in voller Größe vor mir sehen. Da will ich nicht „herum-zoomen“ müssen. Und da ich ein Format von 50x70 (oder 70x50, je nachdem ob ich im Quer- oder Hochformat male) bevorzuge, würde das schlicht folgendes bedeuten: mein Monitor müsste ein Bild von 70x50 cm darstellen können, und zusätzlich noch den notwendigen Platz für alle Toolbars. Da landet man bei einer Monitorgröße von sagen wir mal 36 Zoll. Und der Monitor soll dann auch eine entsprechende Auflösung haben! Wir gehen davon aus, dass ein 23-Zoll TFT im 16:10 Format (so was gibt’s von Sony) eine Auflösung von 1920 x 1200 bietet. Bei 36 Zoll will man dann entsprechend mehr Auflösung. Seien wir nicht unmäßig und befinden wir, 65 dass 1920 x 1200 für den 23-Zöller ohnehin relativ hochaufgelöst ist und dass wir daher die Auflösung nicht einfach linear hochskalieren wollen. Daher landen wir bei einem 36-zölligen TFT bei einer Auflösung von 2560 x 1920Pixeln (sonst bei 3072 x 1920 Pixeln). Und ich will natürlich nicht per Grafiktablet malen, sondern direkt am Monitor! Daher landen wir bei einem 36-zölligen TFT mit eingebautem Digitizer und einer Auflösung von 2560 x 1920 Pixeln. Wie mir jeder Technikbegeisterte bestätigen wird, ein absolutes Edelteil! Leider auch unermesslich teuer, falls überhaupt erhältlich... Auf stinknormalem Papier und Pinsel habe ich dasselbe Format für viel weniger Geld! – und ich gehe sogar soweit zu sagen, es ist ein wesentlich schöneres Erlebnis als die „Techniklösung“. Auch wenn ich zuerst sehr oft unwillkürlich „Ah verdammt – Undo!!“ gedacht habe, wenn ich mich „vermalt“ habe (für alle Computer-Unerfahrenen: mit der Funktion „Undo“ kann man den letzten Befehl einfach rückgängig machen – wäre praktisch, ginge das auch „in echt“)... 12.03.2003: Wieder zurück aus der Schweiz D ie Lungen sind jetzt wieder ziemlich in Ordnung. Soll heißen, ich kann wieder ganz tief einatmen, ohne dass es entsetzlich sticht. Auch der pochende Schmerz ist fast zur Gänze weg. Es ist jetzt nur mehr so, dass es ein ganz kleines Bisschen spannt, wenn ich mich auf die Seite lege, so, als wäre die Lunge ein wenig steif und unelastisch. Ich habe jetzt folgendes neues Symptom: mein Kreuz tut 66 am Abend sehr weh, und zwar, hmmm, wie soll ich das beschreiben, also wenn man praktisch am Rückgrat zwischen den Schulterblättern so etwa 10 cm hinuntergeht und dann ein wenig rechts vom Rückgrat. Außerdem tut das Kreuz auch zwischen den Schulterblättern weh. Noch ein neues Symptom: wenn ich aufwache, sei es in der Früh, oder wenn ich mich am Tag hinlege, dann bin ich beim Aufwachen einen Moment lang wie „betrunken vor Müdigkeit“. Ich bin komplett verwirrt und mit ist direkt übel, so fertig bin ich. Dann beginnt nach ein paar Sekunden mein Herz zu jagen und es bricht mir der Schweiß aus und es geht wieder. Es klingt für mich danach, dass mein Blutdruck extrem absackt, wenn ich schlafe. Wie immer. Ich kann das nicht so gut beschreiben, aber normalerweise ist es eben so, dass ich „sofort wie auf Knopfdruck 100% da bin“, wenn ich aufwache. Das ist jetzt eben nicht mehr so. Ich kenne das eigentlich nur von der Chemo, wenn ich sehr müde war - ab Tag 15, wenn ich das Cortison abgesetzt habe. Vor der Chemo habe ich das nie gehabt. Außerdem habe ich jetzt wieder so rote Flecken im Gesicht. Die roten Flecken hatte ich eigentlich immer, seit ich so ca. 15 Jahre alt war. Mein Appetit ist jetzt auch wieder OK. 13.03.2203: Die Aussicht auf weitere Behandlungen D as Ergebnis der heutigen Besprechung mit Dr. H.: er ist der Meinung, dass eine Lungenentzündung im PET „sich nicht so präzise abgegrenzt darstellt“ wie eine Tumoraktivität. Für ihn ist daher das, was auf meinen PET-Bildern 67 sichtbar ist, eher als eine Restaktivität zu interpretieren. Sicher ist das aber nicht. Er möchte vorbehaltlich Einwendungen seiner Kollegen, mit denen er morgen meinen Fall diskutieren wird, folgende Therapie bei mir anwenden: Wenn leicht möglich, Entnahme einer Gewebeprobe aus dem mediastinalen Tumor. Grund: „möglicherweise hat sich der Tumor ja während der Therapie von einem Hodgkin- zu einem Non-Hodgkin-Lymphom umgewandelt“ Dann 2 Zyklen DHAP, das ist [hab ich im Internet gecheckt] ein Schema, das bei Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphomen gleichermaßen bei teilweisen Versagen der „Golden Standard“ Primärtherapie Anwendung findet. Einer der Hauptbestandteile dieses Schemas ist Cisplatin, also eine Platinverbindung. Zusätzlich soll eventuell ein spezieller Antikörper gegeben werden, der die Tumorzellen angreift. Das Schema wird deshalb gewechselt, weil nach den mittlerweile 5 Zyklen eben noch immer eine Restaktivität zu sehen ist. Danach PET + CT Wenn das Schema gut greift, dann nochmals 2 Zyklen DHAP, danach Bestrahlung. Wenn das Schema nicht so gut greift, dann soll nach den 2 Zyklen DHAP eine HochdosisChemo verabreicht werden, die das Knochenmark komplett abtötet, und danach eine Stammzellentransplantation durchgeführt werden. 68 29.03.2003: Schlaf ein, mein Kind, und sei nicht bang I ch muss oft daran denken, dass ich wegen dem Natulan (vom BEACOPP) mit 90% Wahrscheinlichkeit unfruchtbar geworden bin. Dabei war das nicht einmal das richtige Schema! Und so verkörpert das nachfolgende Gedicht von Konstantin Wecker irgendwie meine wehmütige Sehnsucht beim Gedanken an ein Kind, das ich wahrscheinlich nie haben werde... Schlaflied Schlaf ein, mein Kind, und sei nicht bang und träum von stolzen Pferden sie kennen schon den Übergang und jagen mit Dir den Himmel entlang die weißen Sternenherden. Schlaf ein, mein Kind, und fürchte nicht Gespenster und Dämonen sie haben selber kein Gesicht und scheuen Deines Herzens Licht sie müssen Dich verschonen. Schlaf ein, mein Kind, die Welt wird kahl sie trägt schon Wintersachen da hilft kein Mantel und kein Schal es rettet sie aus ihrer Qual nur noch ein liebes Lachen. 69 Schlaf ein, mein Kind, weih Deinen Mund nur jenen Melodien die einen schweben lassen und Dich selbst noch aus der Hölle Schlund bis in den Himmel ziehen. Schlaf ein, mein Kind, und sei nicht bang und träum von stolzen Pferden sie kennen schon den Übergang und jagen mit Dir den Himmel entlang die weißen Sternenherden. 70 Mir geht’s nicht so toll, ich habe vor allem ein ziemlich schlimmes Summen in den Ohren und bin schwindlig, was wahrscheinlich mit dem massiven Magenschutz Pantoloc zusammenhängt, den ich jetzt ja verabreicht bekomme – ich habe bei „meinen“ Chemotherapeutika Cisplatin und Ara-C nichts von solchen Nebenwirkungen gefunden. Mein CRP war gestern auf 16 zurückgegangen. Laut Dr. N. könnte das entweder von den Antibiotika Maxipine plus Tazoname oder aber auch von der Chemo sein. Seiner Meinung nach habe ich aber in der linken Lunge kein Infiltrat, sondern eben einen Hodgkin oder Non-Hodgkin Tumor. Die aus meiner Lunge entnommene Biopsie zeigte zwar keine Hodgkin oder Non-Hodgkin Zellen, aber laut Dr. Nösslinger ist es eben so, dass die „abnormen“ Zellen nur etwa 10 – 20% des Gewebes ausmachen, was eine Biopsie immer ein wenig zum Glücksspiel macht. Wie er mir heute morgen noch erklärt hat, würde der Pathologe gerne „multiple Proben“ aus meiner linken Lunge entnehmen – was Herrn Dr. N. aber zu der Ansage veranlasst hat „Guter Mann, der Herr Z. braucht seine Lunge zum Atmen!“. Jedenfalls bringt die DHAP-Chemo den vermeintlichen Tumor sowieso um, ganz egal, ob es ein Hodgkin oder ein Non-Hodgkin-Tumor ist. Überhaupt war Dr. Nösslinger heute dann bei der Entlassung doch ziemlich OK. Er meinte zu mir, dass ihm Patienten lieber sind, mit denen er diskutieren kann und die nicht alles einfach ohne zu hinterfragen akzeptieren – wie halt ich. Das hat mich dann doch gefreut.. weil ich war eigentlich der Meinung, ich würde ihm mit mei71 nem ständigen Nachfragen und herumdiskutieren ziemlich auf die Nerven gehen. Meiner Meinung nach für einen Tumor würde auch sprechen, dass ich bei der Verabreichung des monoklonalen Antikörpers Rituximab ebenfalls den vermeintlichen Tumor in der linken Lunge gespürt habe (zusätzlich zum Bulk im Mediastinum). Wäre es eine Entzündung, dann hätte ich da nichts spüren dürfen. Der Antikörper dockt nämlich nur an jene Zellen an, die an ihrer Oberfläche eine Proteinstruktur namens „CD20“ tragen. Das sind „normale“ B-Zellen, und eben auch „abnorme“ B-Zellen von bestimmten Arten von Hodgkin und NonHodgkin Lymphomen. Aber normales, wenn auch entzündetes Lungengewebe trägt eben keine CD20 Proteine. Wie immer! Am Freitag geht’s mit gepacktem Koffer zum Fingerstich ins Spital, und dann gibt es 3 Szenarien: Blut ist OK – dann kann ich bis Montag nach Hause, am Montag geht’s wieder zum Fingerstich Blut ist mäßig (Leukos bei 1.500) – dann kann ich eventuell nach Hause, muss aber Neupogen spritzen und am Montag zum Fingerstich Blut ist schlecht (Leukos unter 1.000) – dann muss ich gleich im Spital bleiben. 10.04.2003: Der Tinnitus beginnt D as Summen und Klingeln in meinen Ohren hat leider gar nicht nachgelassen. Ich höre fast keine Obertöne mehr, weil alles vom Summen übertönt wird, es hört sich so an, als hätte ich Watte in den Ohren. 72 Mittlerweile denke ich, dass dieser Tinnitus von den gut 20 Tagen Antibiotikum intravenös kommt. Manche Antibiotika wirken nämlich toxisch auf das Innenohr. Der Allopath würde mir zu Cortisoninfusionen raten, da halte ich allerdings nichts davon, Cortison habe ich nämlich bis zum Abwinken (40 mg Fortcortin täglich intravenös, entsprechend 240 mg Apprednislon) bekommen.... Wegen diesem Ohrgeräusch bin ich schon recht verzweifelt...aber sonst geht’s mir nicht einmal so schlecht! Dr. N. wollte „langsamen Cortison-Entzug“ und hatte für mich daher, für gestern und heute noch je 12 mg Cortison (Fortecortin) als Tablette vorgesehen. Das habe ich allerdings nicht geschluckt, denn da hätte ich dann wieder mit Magenschutz etc. anfahren müssen. Als Folge war ich nur ein wenig müde, sonst habe ich eigentlich nichts gespürt. Nach der langen Krankenhauskost giert mein Körper nach frischem Obst und Gemüse, und das führe ich mir jetzt auch reichlich zu. Ich bin hungrig, aber nicht so Cortisonsüchtig-heißhungrig wie während der BEACOPP-Zyklen, ich denke einfach, dass mein Körper sich nach Vitaminen sehnt. Mein Magen hat sich auch wieder erholt. Mir kommt vor, dass mein Körper 5 Tage Fortecortin besser verträgt als 14 Tage Apprednislon. Vielleicht nur Einbildung.... Ich bin morgen zum Fingerstich im Krankenhaus - mit ein wenig Glück muss ich nicht „einrücken“. Anmerkung aus der Retrospektive: der Tinnitus kommt vom Cisplatin. Dieses Zytotoxin schädigt unter anderem auch das Innenohr. Wie ich so im Internet gelesen habe, sind Schäden am Innenohr so ziemlich die Regel nach einer Chemotherapie, die diesen Wirkstoff beinhaltet. 73 16.04.2003: Erster DHAP fast überstanden W ar heute wieder beim Fingerstich. Die Blutwerte waren heute allerdings nicht so gut wie beim letzten Mal, sondern ziemlich schlecht: Leukos 1.800K Erys 4.18M Hgb 10.6 Plt 43K Daher muss ich am Freitag noch einmal zum Fingerstich. Der Nadir dürfte allerdings schon gestern oder vorgestern gewesen sein, es sollte also tendenziell bergauf gehen. Ich hatte vorgestern und gestern so merkwürdige, leichte Kopfschmerzen, aber ich gehe davon aus, dass die vom sehr geringen Hämoglobin bzw. von den sehr niedrigen Erys waren. Ich war auch sehr, sehr müde. Vorgestern hatte ich außerdem extreme „Zustände“ meiner Verdauung erlebt, soll heißen, ich musste ungefähr alle 2 Stunden, am Abend dann schon jede Stunde aufs Klo. Ich hatte aber keinen Durchfall, sondern (schätze ich mal) eine Art Enteritis. Wiederum vermute ich, dass dies von allzu üppigen Portionen griechischen Salates - einschließlich nicht pasteurisiertem Ziegenkäse – kommt, und nicht unbedingt nur von der Chemo. Meine Eingeweide sind soviel Rohkost nach den fast 3 Wochen Krankenhauskost nicht mehr gewohnt gewesen. Gestern habe ich dann fast nur Yoghurt gegessen, und dann hat sich alles sofort wieder normalisiert. Der Kopfschmerz, der war so auf der rechten Seite des Kopfes so in etwa über der rechten Augenbraue, und zwar zwischen Ansatz und Mitte der rechten Augenbraue. Es war kein stechender, sondern ein dumpfer Schmerz, aber nicht 74 sehr intensiv. Hatte ich aber in dieser Form erst einmal erlebt, und zwar damals bei der Stammzellengeschichte, wie meine Erys nach der vierstündigen Blutfilterung auf 2.8M gesunken waren. Heute geht es mir aber rein subjektiv wieder sehr gut (ich klopfe mal auf Holz), bin also weder müde noch habe ich Kopfschmerzen, und der entsetzliche Heißhunger, den ich Anfangs der Woche noch hatte, ist auch wieder vergangen. Bezüglich Höchstdosis plus Stammzellentransplantation habe ich unerfreuliche Neuigkeiten: geplant ist nämlich, diese Tortur bereits nach 2 Zyklen durchzuziehen, wenn der DHAP nicht zufrieden stellend „greift“. Sonst soll sie halt erst nach 4 Zyklen stattfinden. Ich habe auch im Internet gecheckt, ob es irgendwelche Statistiken gibt bezüglich Verlängerung „DFS“ (Disease Free Survival) oder ähnlichem: also es scheint schon so zu sein, dass sich die DFS signifikant verlängert. Allerdings habe ich nichts gefunden dahingehend, wie stark sich durch die Höchstdosis das Risiko eines Folgekrebses wie z.B. einer Leukämie erhöht – das wird in den Studien offenbar nicht untersucht. Dr. N. argumentiert da aber so, dass eine akute lymphatische Leukämie als Ersterkrankung in Folge einer Höchstdosischemo wesentlich besser zu therapieren sei als ein HodgkinRezidiv in Folge einer nicht durchgeführten Höchstdosischemo. Ich kann seiner Argumentation schon folgen, das ist halt der typische Ansatz der Schulmediziner. Ich tendiere aber eher zu der folgenden Argumentation: angenommen, die 4 Zyklen DHAP „greifen“ gut und vernichten den Tumor oder verkleinern ihn so stark, dass er weniger als 1 cm groß wird und im PET keine Aktivität mehr 75 zeigt. Dann hat die Schulmedizin ihre Schuldigkeit getan, also die Symptome des Krebses beseitigt. Die eigentliche Ursache der Symptome, bzw. die Ursache meiner Krebserkrankung, kann ein allopathischer Ansatz nie und nimmer auflösen. Daher ist eine darauf folgende, zusätzliche Höchstdosischemo nicht sinnvoll, weil sie nur meinen Körper beschädigt - denn zu beseitigende Symptome gibt es ja (hoffentlich) zu dem Zeitpunkt keine mehr. 76 22.04.2003: Wieder einmal Neupogen M eine Blutwerte waren am Mittwoch, 16.04.2003 ja nicht gerade berauschend, und daher musste ich am Freitag, 18.04.2003 noch einmal zum Fingerstich. Leider waren meine Werte noch einmal gesunken: WBC: 1.100K RBC/Hgb unverändert Plt: 26K (! – der Arzt wollte mir schon eine Infusion mit Thrombo-Konzentrat verpassen) Und so musste ich an diesem Tag mit dem Spritzen von Neupogen beginnen; weiters bestellte mich der behandelnde Arzt für den Ostersamstag zum erneuten Check. Unabhängig davon ist aber an diesem Tag mein Knochenmark wieder „angesprungen“ – so etwa eine Stunde, nachdem ich mir die Neupogenspritze in den Bauch gejagt hatte. Das Resultat waren dann wie erwartet extremste Rückenschmerzen. Ich hielt mich mit viel Parkemed halbwegs über Wasser. Am nächsten Tag waren dann die Blutwerte wie erwartet schon besser: WBC: 1.600K RBC/Hgb minimal gesunken Plt: 63K (also fast verdreifacht) Leider bestand der behandelnde Arzt darauf, dass ich noch einmal Neupogen spritzen sollte. Ich meinte dazu so etwas in der Art, kein Problem, wenn er mir ein gutes Schmerzmittel mitgibt - er empfahl und verschrieb mir dann Novalgin. Nachdem ich mir die zweite Neupogen-Injektion gesetzt hatte, entwickelten sich die Kreuzschmerzen erwartungsgemäß von unerträglich zu „bitte sofort notschlachten“. Mit einer Kombination aus 2 x 30 Tropfen Novalgin und 2 Parkemed ging es dann nach etwa einer Stunde wieder so halbwegs. 77 Am Ostersonntag hatte ich dann ganz merkwürdige Zustände. Mein Kreuz war zwar wieder OK, aber ich war so müde und fertig , dass ich kaum gerade stehen konnte. Ich bin am Nachmittag mit meiner Lady spazieren gegangen, aber ich konnte kaum einen Fuß vor den anderen setzen – selbst wenn wir völlig eben spazieren gingen – meine Beine fühlten sich an wie Butter. Wenn ich auch nur die geringfügigste Steigung (die ich sonst nicht einmal bemerken würde) hinaufgehen musste, stieg mein Puls auf lockere 180 Schläge pro Minute und ich befürchtete eine sofortige Explosion meines Kopfes. So muss man sich wohl als 90 Jahre alter, herzkranker Mann fühlen.... Alles in allem bin ich am Sonntag wohl 22 Stunden schlafend im Bett gelegen. Am Montag ging es mir dann wieder „normal“. Sol heißen, ich war wieder in der Lage, beim Spazierengehen ohne Probleme einen Fuß vor den anderen zu setzen. Nachdem meine Lady gestern Abend dann auch extrem müde und schwindlig war, vermute ich, dass wir uns im Spital irgendeinen Virus gefangen haben, mit dem mein geschwächtes Immunsystem am Sonntag fast nicht fertig wurde. Ich habe mich dann gestern so um 17:30 niedergelegt und bin heute morgen vom Wecker um 06:45 aufgeweckt worden, und fühlte mich trotz 11 Stunden Schlaf wie gerädert. Zum Thema „Novalgin“: Aus PHARMAINFORMATION, UNABHÄNGIGE INFORMATION FÜR ÄRZTE, Jahrgang 14, Nummer 3, Innsbruck, September 1999: „großes Risiko einer Agranulozytose (Verringerung von weißen Blutkörperchen) auch längerfristig nach Verarbreichung des Novalgins”; “Eine weitere Verwendung einer Substanz, die lebensgefährliche Risiken hat, wird nun auch 78 in Ländern, wo sie noch am Markt verblieben ist, immer schwerer zu vertreten sein” Das hätte Dr. P. eigentlich wissen müssen. In Zukunft gibt’s jedenfalls nur mehr Voltaren plus Parkemed, wenn mein Kreuz wieder anspringt... 79 25.04.2003: Der erste DHAP-Zyklus und Port-ACath-Implantation aus der Retrospektive H abe den ersten Zyklus nun hinter mir, bin seit 08.04. aus dem Spital, der nächste Zyklus sollte, wenn alles klappt, am 05.05. starten. Das DHAP-Protokoll, das ich da verpasst bekomme, ist leider ein Hammer. Als erstes versetzte mir der Arzt, dass bei dem Cisplatin, das ich über 24 Stunden als Dauerinfusion verpasst bekomme, über periphere Venen nix gehen würde, außerdem (mitleidig meine von der Chemo zerstörten Armvenen betrachtend) würde er bei meinen Armen eh nix mehr zum Stechen finden. Was er mir unbedingt empfehlen würde, sei ein Cava Katheder, denn wenn das Cisplatin „para“ gehen würde, dann, also er habe einen Patienten im zweiten Stock, dem habe man dann den Arm amputieren müssen...(ominöses Schweigen) Ächz! Das Ding ist wirklich das letzte, das hatte ich bereits im Oktober, bei der Stammzellengeschichte, verpasst bekommen. Da wird einem ein dicker Plastikschlauch direkt in die große Hohlvene unter dem Schlüsselbein gesteckt. Als Resultat kann man dann den betreffenden Arm nicht mehr gescheit bewegen, solange man den Cava Katheder drinnen hat. Das heisst, man rennt für gut zwei Wochen herum wie ein einarmiger. Als ich mich dann endlich dazu durchgerungen hatte, „ja“ zu meinem Unglück zu sagen, meinte dann die Ärztin im Nachtdienst „wieso Cava Katheder, das ist ja ein Unsinn, was sie brauchen, ist ein Port-a-cath!“ 80 Ich meinte, ja wieso, ich dachte Cava Katheder würde genügen? Die Ärztin (die übrigens wirklich lieb und geduldig war, und ausnahmsweise gut über meinen Fall informiert) meinte dann so auf die Art, woher denn meine Bedenken wegen Port-a-cath kämen - ich erklärte ihr, das käme mir noch eine Stufe ärger vor als der Cava-Katheder, der mir schon sehr arg vorkommt. Sie erklärte mir dann, das sei ein Irrtum von mir. Erstens würde man vom Port nach einigen Tagen überhaupt nichts mehr spüren. Zweitens würde ich den Port sowieso brauchen, denn bekanntlich sei ja meine linke Hohlvene verlegt, und man könne nicht wiederholt einen Cava an der selben Stelle stechen. Also ließ ich mich überzeugen und bekam am 27.03. den Port eingepflanzt. Ein Port-A-Cath ist ein kleines Edelstahlreservoir, an dem ein Katheder hängt, der in eine Vene eingeführt wird, und von dort in die große Hohlvene weitergeführt wird, und dann bis in die Vorkammer des Herzens reicht. Dazu wird vom Chirurgen eine Hauttasche auf dem Brustmuskel gemacht, da kommt das Edelstahldings rein. Das Edelstahldings wird dann an seinen 4 Ecken (das schaut von oben gesehen ungefähr so aus wie ein Quadrat mit abgerundeten Ecken) am Brustmuskel angenäht, und die Hauttasche wird wieder zugenäht. Der Chirurg testet das dann auch während der Operation gleich, indem er die Port-Nadel gleich reinsticht und halt Blut raussaugt und wieder reinspritzt. Die Nadel lässt er dann auch gleich drinnen, und das ist sehr wichtig! 81 Das ganze Areal ist nämlich zuerst irrsinnig schmerzempfindlich. 2 Tage nach der Operation durfte ich auf Wochenendausgang, und da hat eine Schwester mir den Verband erneuert und die Naht vorsichtig abgetupft. Das war recht unangenehm. Hätte sie die Nadel ausgetauscht, dann wäre ich beim Reinstechen der neuen Nadel wohl mit einem dreifachen Salto bis an den Plafond gesprungen! Das alles klingt vielleicht nicht so gut, aber es war wirklich überhaupt nicht schlimm. Lediglich die übliche Prozedur bei der Implantation, nämlich nur örtliche Betäubung, war mir dann doch etwas zu wenig! Ich hörte mir die Prozedurbeschreibung an, fragte, wie lange das dauert (30 Minuten), und meinte dann, „sorry, nur mit Vollnarkose, sorry, keine Diskussion“. Der Port erwies sich dann als geniales Komfortplus! Also erstens spürt man das Ding nach ein paar Tagen fast nicht mehr, nach ein paar Wochen überhaupt nicht mehr, zweitens hat man auch während der Infusion (die bei mir dann mit allen Vor- und Nachinfusionen gut 36 Stunden dauerte) beide Hände frei. Ohne den Port wäre ich bei dem Schema verloren gewesen. Und außerdem können so meine peripheren Venen wieder abheilen - der Port kann „beliebig lange“ im Körper verbleiben, also während der gesamten übrigen Therapie. Einziger Nachteil ist: wenn ich wirklich in den tiefsten Schlund der Hölle muss, soll heißen, wenn ich wirklich die Höchstdosischemo bekommen sollte, dann müsste mir ZUSÄTZLICH zum Port noch ein Cava-Katheder gelegt werden. Zurück zur Chemo, also zum DHAP-Schema: vor allem das Cisplatin erwies sich als irrsinnig schleimhautschädigend: 82 trotz Magenschutz hat es mir den Magen komplett verkorkst (soll heißen, die Schleimhaut war eine Woche lange kaputt, dazu auch gleich die Darmflora plus Darmschleimhaut), und ich war und bin bis heute unendlich müde. Vielleicht war ein bisschen daran schuld, dass mich die Ärzte zuerst 19 Tage lang mit Breitbandantibiotikum intravenös vollgepumpt hatten, wegen einer fraglichen Lungenentzündung links, die sich dann aber doch möglicherweise eher als Metastase vom Tumor im Mediastinum entpuppt hat. Jedenfalls wollten die Entzündungsparameter nicht und nicht runtergehen; dann wurde nach 14 Tagen das Antibiotikum „Tavanic“ (an und für sich ein „Hammer“-Antibiotikum gegen Lungenentzündung) auf mein Insistieren hin („da geht nichts weiter“) gegen Cefepime und Tazoname gewechselt. Die beiden hatte ich schon im Januar, bei ähnlicher Symptomatik (fragliche Lungenentzündung) bekommen und die hatte damals fabelhaft geholfen. Und die beiden haben auch diesmal gut geholfen, soll heißen, der CRP (Entzündungsparameter) sank innerhalb von 3 Tagen von 60 auf 13. Dennoch befindet der Arzt, das sei keine Lungenentzündung. Naja, wer weiß das schon. Biopsie ist natürlich gemacht worden, in einer Prozedur, die mich stark an schwarzmagische Praktiken erinnerte: 1. Man lege sich auf den Rücken 2. CT des zu quälenden Bereichs wird gemacht 3. Der Arzt kommt mit einer riesigen, dicken, langen Hohlnadel 4. Diese Nadel sticht er einem in die Brust, durch Haut, Rippenfell, Lungenfell, bis tief in die Lunge selbst. In meinem Fall, bis “genau dorthin, wo es am meisten wehtut”, halt dort, wo der Entzündungsherd ist. 5. Dann wird, wobei die Nadel natürlich in der Lunge verbleibt, ein zweites CT gemacht - so wird gecheckt, ob der Arzt (bzw. “der Chirurg aus der Hölle”, (c) Clive Barker) die Nadel auch richtig gesetzt hat. 83 6. Dann wird die Hohlnadel vorne mittels eines scharfen Endverschlusses geschlossen, und EIN ZYLINDER WIRD AUS DEM PATIENTEN HERAUSGEHOLT. Als ich von dieser Prozedur hörte, lächelte ich milde und meinte „sorry, nicht ohne Dormicum (starkes Schlafmittel), sorry keine Diskussion“ Das wurde mir auch verabreicht, und ich bekam nix von der Foltersession mit, erwachte erst nachher mit unangenehmen Schmerzen in der Brust wieder. Die Biopsie zeigte keine Krebszellen, aber das würde gar nix bedeuten, meinte der Arzt. Eigentlich würde der Pathologe gerne „multiple Biopsien“ machen lassen, denn bei meiner Krebsform seien nur etwa 20% der Zellen entartet, aber mein Onkologe meinte dann zu ihm „der Herr Zimmermann (ich) braucht seine Lungen zum Atmen“ und lehnte das Ansinnen ab. Wie immer. Das nächste Mal bekomme ich dann halt gleich den stärksten Magenschutz, den es überhaupt gibt (Pantoloc intravenös), dazu ein Magen-Gel alle paar Stunden (Riopan). Wir werden ja sehen, ob das besser hilft (sollte so sein). Mein Knochenmark hat sich nicht ganz so schlecht gehalten; der behandelnde Arzt prophezeite mir, dass ich wohl 2 Wochen im Spital bleiben müsse, aber dem war nicht so: Die weißen Blutkörperchen und Plättchen sind wohl ziemlich tief runtergerauscht, und ich musste daher dann auch zweimal einen Faktor spritzen, der das Wachstum der weißen Blutkörperchen stimuliert, aber ins Krankenhaus musste ich bis dato nicht... 30.04.2003: Die Freude am Malen H abe mein erstes Acrylfarbenbild gemalt. Wenn ich das Bild dem „digitalen Original“ (eigenartiges Wort, aber 84 das Motiv habe ich vor einigen Jahren digital gemalt) gegenüberstelle, dann ist es für mich selbst interessant, wie die beiden Bilder sich gegenüberstehen. Am Computer konnte ich mühelos feinste Texturen ausgestalten, die das digitale Original „interessant“ machen. Am analogen „Remake“ konnte bzw. wollte ich das nicht, weil es hier einen nahezu unendlichen Aufwand bedeutet hätte, was am Computer ganz schnell geht; dennoch kann das neue Bild gut mit dem Original mithalten, finde ich. Aber vor allem war es einfach eine Freude, einfach mit Pinsel und Farbe zu malen – kein noch so gutes Malprogramm kann das ersetzen, das weiß ich nun mit Sicherheit. Einziger Wermutstropfen: die Pigmente der Acrylfarben! Kadmiumgelb und Kadmiumrot.... alternativ gäbe es Chromgelb – aber da weiß man halt nicht, WELCHES Chrom verwendet wird. Sechswertiges Chrom ist nämlich mindestens genauso schädlich wie Kadmium. Andererseits habe ich mich informiert, und es SOLLTE so sein, dass diese Farben nicht gesundheitsschädlich sein. Erstens einmal sind die Hersteller in den USA (ich habe Farben von einem US-amerikanischen Hersteller) geradezu paranoid, was Prozesse angeht, und müssen ihre Produkte mit einem sogenannten „Health Label“ versehen. Und auf den Tuben prangt „Health Label: no Health Labelling required“. Wenn die Tuben giftig wären, und jemand würde krank, dann könnte der Hersteller sich ganz schnell am nächsten Baum aufhängen, weil das würde dann 600 Millionen USD an Schmerzensgeld kosten (oder so ähnlich halt). Außerdem verwenden die Acrylfarben als Lösungsmittel 85 Wasser, also es ist nicht so, dass da Cadmium ausdünstet, sondern es verdunstet nur das Wasser, und es verbleibt auf der Leinwand ein elastischer Farbfilm (das ist es ja, was man an den Acrylfarben schätzt). Und in diesem Film müsste dann auch das Kadmium sein. Und essen werde ich die Farben auch nicht, und ich achte darauf, nach dem Malen die Hände sorgfältig zu waschen (obwohl das eigentlich eher eine Fleißaufgabe ist, siehe gleich). Nach meinen Recherchen im Internet wird Cadmium vor allem über die Atmung und die Nahrung, nicht aber über die Haut aufgenommen. Es sollte also OK sein, mit Cadmiumgelb zu malen. Aber es ist dennoch ärgerlich, dass keine alternativen Pigmente verfügbar sind...und vor allem ist man (oder besser gesagt ich) halt sensibilisiert, wenn man eh schon Krebs hat. Man müsste natürlich auch wissen, in welchen Mengen da Cadmium drinnen ist. Das ist nämlich auch ganz wesentlich für die Toxizität. Naja....die Schlange im Paradies halt. 12.05.2003: Cortison-Troubles D iesmal leide ich sehr unter Cortison-(Fortecortin-)entzug. Ich bin von meinen 5 BEACOPP-Zyklen einiges an cortisonbedingten Beschwerden gewöhnt, aber was sich diesmal abspielt, übertrifft alles bei weitem. Das scheint sich zu steigern; beim letzten Zyklus war das nicht so schlimm, zumindest kann ich mich nicht daran erinnern. Erstens einmal bin ich so süchtig nach Nahrung wie ein Drogenabhängiger. Der Hunger ist einfach unvorstellbar. Ich glaube, ich könnte essen, bis ich mich übergebe, und danach 86 gleich wieder weiter essen. Wobei es mich allerdings nur nach pikanten, stark gewürzten Speisen gelüstet – überhaupt nicht nach Süßem. Das einzige Süße, was ich essen könnte, wäre vielleicht ein Eis, also etwas ganz kaltes, während ich bei den pikanten Speisen momentan auch sehr gerne heiß esse (aber auch kalt, das ist mir momentan egal). Mein Magen hält das natürlich nur sehr schlecht aus – nur mit viel Magengel (Riopan) - mein Magen ist momentan komplett übersäuert und ich habe sehr starkes Sodbrennen, oft trotz des Magengels Zweitens kann ich momentan überhaupt nicht schlafen. Ich liege in der Nacht schweißgebadet wach im Bett und mein ganzer Körper juckt wie verrückt. Wenn ich kurz einschlafe, dann wache ich unter schrecklichsten Alpträumen und Beklemmungen sofort wieder auf – als würden tausend Insekten in mich hineinkriechen. Alles in allem schlafe ich dann in der Früh, im Morgengrauen vielleicht eine Stunde lang. Mein Nacken ist auch wie ein Stiernacken angeschwollen – auch eine nicht so nette Nebenwirkung des Cortisons. Ebenso kommt bereits wieder eine extreme Cortisonakne heraus, und zwar wieder stärker als beim letzten Mal. Die Cortisonakne hatte ich allerdings bereits ab dem 2. BEACOPP Zyklus entwickelt, die wird einfach bei jedem „Cortisongenuß“ noch stärker. Ich mag allerdings auch nicht das tun, was mir die Allopathen empfehlen, nämlich erstens noch ein paar Tage lang das Fortecortin in schwächerer Dosis nehmen, um den Entzug zu lindern. Das würde den Hunger dann wohl noch schlim87 mer machen, und starke Schlafmittel nehmen. Das will ich halt nicht. Ich hoffe, es wird auch so gehen... Schön langsam wachsen mir auch wieder die Haare nach. 13.05.2003: Die Freude am Malen wiederentdeckt I nzwischen habe ich mehr durch Zufall entdeckt, was Acrylfarben sind - ich war immer der Meinung, „das ist eh dasselbe, wie Ölfarben, nur halt mit anderen Pigmenten“. Aber weit gefehlt - das sind Farben, die von der Konsistenz her wie Ölfarben sind, aber so schnell trocknen wie Aquarellfarben. Einfach genial!! Ich könnte mir ja in den A.... beißen, dass ich das nicht schon vor 15 Jahren oder so gewusst habe. Ich hatte damals als Jugendlicher mit allen möglichen Farben herumprobiert, darunter mit Ölfarben, Pastellkreiden und Lackmalstiften. Die Ölfarben waren mir als ungeduldigem Maler ein viel zu „langsames“ Medium - da muss man jede Schicht eine Woche trocknen lassen, und ein „normales“ Ölbild hat sicher 10 Schichten. Die Pastellkreiden waren mir zu „verletzlich“ - ein Wischer mit der Hand, und das Bild ist kaputt. Die Lackmalstifte waren dann sozusagen der widerwillige Kompromiss - mit denen habe ich dann jahrelang gemalt, war aber nicht glücklich damit. Aber die Acrylfarben, das ist schon genial. Ich füge Dir mein erstes Bild an, das ich mit den Farben gemalt habe mehr ist sich vor der Chemo nicht mehr ausgegangen, und momentan bin ich noch zu fertig, um zu malen. Aber das wird schon wieder. Überhaupt war es für mich künstlerisch eine sehr interessante „Reise“ in den letzten 8 Monaten oder so. Ich bin 88 nämlich völlig davon abgekommen, „digitales Malen“ zu bevorzugen. In Wirklichkeit, davon bin ich überzeugt, würde jeder Künstler nur höchst widerwillig digital malen! Eigentlich nur dann, wenn er z.B. in einer Werbeagentur oder so „ganz schnell“ etwas malen muss oder irgendwie in Zeitnot ist oder aber einen Mangel an Können kaschieren will - klar, digitale Malerei kann man beliebig nachbessern. Aber das Gefühl, analog zu malen, und die Farbe zu sehen und zu riechen und einfach zu spüren, wie der Pinsel über das Papier geht und sich das halt alles total „authentisch“ anfühlt, und wie man ganz schnell etwas verhauen kann, wenn man sich nicht konzentriert, das lässt sich nicht simulieren.... Auch von meiner jahrzehntelangen „unerfüllten Liebe“, der Computeranimation, bin ich momentan komplett abgekommen. Die ganze Technik, die da momentan eingesetzt wird, ist so ziemlich das unimaginativste und fadeste, was ich jemals erlebt habe. Erstens einmal ist das ganze Modellieren in den derzeitigen Userinterfaces komplett verkorkst!! Die Programme behandeln nämlich Körper, die man modellieren will, wie Oberflächen. Wenn aber ein Künstler einen Körper modelliert, dann modelliert er eben einen Körper und keine Oberfläche. Soll heißen, ich erwarte mir da eigentlich einen virtuellen Tonklumpen - den bekomme ich aber nicht!! Wenn ich mit Ton modelliere, dann erwarte ich mir gewisses Verhalten des Mediums „Ton“ - drücke ich irgendwo hinein, dann lässt sich das nicht beliebig reindrücken, weil das Medium dann an anderen Stellen wieder ein wenig herausquillt; will ich das vermeiden, dann muss ich ganze Stücke 89 wegnehmen (was man meistens ohnehin macht, um die groben Umrisse der Figur zu erhalten). Beim 3D-Modelling geht das überhaupt nicht, es ist einfach ein Alptraum und komplett NICHT so, wie man es als Künstler erwartet. In den großen Filmstudios modellieren daher die Künstler ihre Modelle in Ton. Danach werden diese Modelle dann zur weiteren Bearbeitung mit einem 3D Scanner eingescannt. Und erst die Animation selbst...ich erwarte mir als Künstler halt ein Interface, das es mir im „pseudo-3D-Raum“ ermöglicht, eine Figur mindestens so leicht und intuitiv posieren zu lassen, als würde ich das per Hand malen. Eigentlich, würde man meinen, eine billige Anforderung. Aber weit gefehlt!! Um eine Figur zu animieren, braucht der Anwender folgendes: 1. Geduld 2. Geduld 3. Geduld 4. Sich Anpassen an die Gegebenheiten der Software 5. Ein virtuelles Skelett in der virtuellen Figur, an dem man pro Glied ungefähr 16 “IKHandles” definiert (IK-Handles sind so Art “Puppenseile”, mit denen man die Glieder des Skelettes bewegt; “IK” steht für “Inverse Kinematics” und das bedeutet eigentlich, dass man ein Glied in der “umgekehrten Reihenfolge” bewegt, also ausgehend vom kleinen Finger wird praktisch die ganze Hand und der ganze Arm nachgezogen) 6. dutzende kleine Details nachlegen, die die Bewegung erst realistisch machen - das bedeutet praktisch, die Motion-Curves jedes Gliedes manuell verändern zu müssen. Und das sind so ganz normale quadratische B-Splines (über den “deCasteljau Algorithmus” definiert als lineare Interpolation zwischen 3 Kontrollpunkten, wobei es für jeden Kontrollpunkt ein Tangentenpaar gibt). Daher geht man her und beginnt, an den Tangenten herumzufummeln, zum Beispiel die Tangenten zu “brechen”, um eine “harte” Bewegung herzustellen, oder die Tangenten zu “glätten”, um eine “weiche” Bewegung herzustellen. Das ganze ist ein unendlicher aufwendiger Alptraum. Die reinste Hölle für einen kreativen Menschen. Die großen Filmstudios „fangen“ die Bewegungen per „Motion Capturing“ ein: da werden einem Schauspieler Bewegungssensoren um90 geschnallt, die die Bewegungen des Schauspielers aufnehmen. Und diese Bewegungsdaten werden dann in der 3D-Software weiterverwendet. Jedenfalls war mein Fazit: um Himmelswillen, das ist nichts für mich, und nichts für kreative Menschen! 91 19.05.2003: Cisplatin ist neurotoxisch, jawohl! L eider geht es mir momentan nicht sehr gut, was aber wie ich glaube überhaupt nichts mit der Chemo zu tun hat. Ich hatte am Samstag die völlig verblödete Idee, nicht nur ein Grillhuhn + Kartoffelsalat aus dem Geschäft zu essen, sondern auch gut 1 Liter Eis – aus dem Eissalon. Warum ich das gemacht habe, weiß ich auch nicht so recht. Dummheit kombiniert mit dem Heißhunger vom Cortison kommt wohl am ehesten hin. Ich war immerhin schlau genug, etwa eine Stunde nach dem Eisgenuss 20 Kohletabletten einzuwerfen, und dann am Sonntag noch einmal 10. Jedenfalls hatte ich dann am Samstag abend 37.5° C Temperatur, was für mich ziemlich viel ist, denn ich habe normalerweise nur so 36.2 – 36.5° C. Zusätzlich bekam ich entsetzlichste Kopfschmerzen, so richtig hämmernd dröhnend pochend. Nicht einseitig wie eine Migräne, sondern so um die Nasenwurzel herum bis an den äußeren Rand der Augenbrauen und nach oben bis fast zum Haaransatz. Ich redete mit Lisa und meinte, wenn ich über 38°C bekommen sollte, dann werde ich halt ins Spital gehen. Am nächsten Tag in der Früh hatte ich aber wieder 36.2°C. Allerdings immer noch entsetzlichste Kopfschmerzen. Die hielten den ganzen Tag an. Am nächsten Tag, also am Montag, meinte ich zu Lisa, dass ich schon heute (und nicht wie geplant am Dienstag) zum Blutcheck gehen würde – vielleicht war ja mein Blutbild schon so schlecht, dass die Zustände davon kamen.... Nach dem Frühstück fühlte ich mich witzigerweise we92 sentlich besser, sogar das Kopfweh hatte aufgehört (allerdings hatte ich um 4 Uhr früh ein Parkemed eingenommen). Die Blutwerte waren dann erstaunlicherweise ziemlich gut: Leukos 3800 RBC 4.05 E6 ler: Allerdings waren die Plättchen und Hämoglobin im Kel- Plt 42 E3 Hgb 10.4 Die Kopfschmerzen kamen dann zurück und ich habe sie auch jetzt noch (wenn auch weniger stark).. Meine Hypothese ist es, dass ich mir am Samstag eine leichte Lebensmittelvergiftung zugezogen habe. Zur Auswahl standen für mich nach den Symptomen: • Salmonellen • Typhus • „normale“ Lebensmittelvergiftung Bei Salmonellen hat man aber als Symptome Durchfall und Erbrechen. Ich musste mich zwar am Montag einmal übergeben, aber nur deshalb, weil ich auf leeren Magen ein Parkemed eingenommen hatte, und mein Magen ohnehin schon sehr gereizt war, weil ich innerhalb von einem Tag von „ganz viel essen“ auf „ überhaupt nichts mehr essen“ umgeschaltet habe.... Bei Typhus hätte ich hohes Fieber bekommen müssen, oder zumindest Fieber, das kontinuierlich ansteigt, außerdem hat das eine längere Inkubationszeit. Also bleibt ohnehin nur die „ganz normale“ Lebensmitt93 lervergiftung. Und ich denke, die viele Tierkohle, die ich ziemlich unmittelbar nach dem Essen eingenommen habe, hat dazu beigetragen, Schlimmeres zu verhindern. Ich bin in den letzten 3 Tagen praktisch nur wie betäubt im Bett gelegen, und habe ob meiner Kopfschmerzen nicht auf andere Symptome geachtet. Momentan kann ich mich mit Parkemed gut über Wasser halten. Heute morgen ist außerdem auch mein Knochenmark wieder angesprungen, und DEN Schmerz halte ich ohne Parkemed nicht aus – da könnte ich nicht mehr sitzen und liegen. Anmerkung des Verfassers: tatsächlich hatte ich mir keinesfalls eine Lebensmittelvergiftung zugezogen! Ich erlebte einfach ziemlich drastisch die Neurotoxizität von hochdosiertem Cisplatin... 22.05.2003: Das erste Kopfschmerzdelirium aus der Retrospektive H atte drei Tage lang schlimmste Kopfschmerzen. Zusätzlich war ich so müde wie ein nur halb auferweckter Leichnam. Was für ein Alptraum! Begonnen hatte das ganze bereits am Samstag. Da hatte ich mir von meiner Lady ein Grillhendl und ein Eis erbeten. Mir war am Samstag schon irgendwie nicht besonders gut, und als ich am Sonntag mit irrsinnigen Kopfschmerzen erwachte, dachte ich an eine Lebensmittelvergiftung, und zwar vom Hendl oder vom Eis oder von beidem. Anmerkung des Verfassers: wie sich dann aber im nächsten Zyklus herausstellen sollte, war das irgendeine Halbzeit94 wirkung der Chemotherapie. Denn beim nächsten Zyklus traten die Kopfschmerzen fast wieder auf. Da dauerten sie dann allerdings noch einen Tag länger. Ich habe in letzter Zeit auch bemerkt, dass ich beim Reden große Probleme habe, die „Wörter zu finden“. Ich rede und dann muss ich plötzlich sagen „wie heißt das gleich, weißt Du was ich meine“. Und ich mache ganz eigenartige Rechtschreibfehler. Das klingt jetzt blöd, aber ich mache sonst einfach keine Rechtschreibfehler (na ja, in einem eMail sowieso nicht, weil da läuft die Autokorrektur mit). Meine Deutschprofessorin war seinerzeit immer recht begeistert... Jedenfalls merkte ich dann irgendwann vor ein paar Tagen, dass ich z.B. „ziehlen“ statt „zielen“ geschrieben habe. Das wäre mir wie gesagt früher nie passiert. Naja, es ist wahrscheinlich nicht so wichtig... Und leider ist mir derzeit oder eigentlich seit dem 2. DHAP Zyklus fast immer übel. Mir ist nur dann nicht übel, wenn ich gerade etwas esse. Sonst aber ist mir IMMER mehr oder weniger übel. Das ist nicht so gut. Wenn das also von Zyklus zu Zyklus schlimmer wird, dann weiß ich nicht, wie ich den vierten Zyklus überleben soll... Ansonsten geht’s mir aber gar nicht so schlecht, ich denke, ich werde heute etwas malen. Das „Bonmot des Tages“ habe ich gerade im Online-Standard gelesen: Also das Thema des Artikels war, dass die Österreicher mehr arbeiten könnten, wenn sie wollten. Aber dafür müsste dann der Arbeitgeber schon auch mehr bezahlen. Und mehr Geld ist bei der momentanen wirtschaftlichen Situation einfach nicht drin, und daher – siehe oben. 95 Und ein pragmatisierter (=unkündbarer) Beamter hat dazu folgenden Kommentar abgegeben: Zu wos soll ich im Dienst wos hackln? (=Wozu soll ich im Dienst arbeiten?). Bin Beamter (pragmatisiert) und sitz halt meine Zeit im Büro ab. Damits nicht zu fad wird hab ich Sat-Schüssel, Videorecorder und X-Box. ein paar Spielchen sind auch am PC, Internetzugang ist beantragt und wurde in Ausicht gestellt. Bezahlt bekomm ich nicht viel, aber zum Leben reichts. Vater Staat tut so, als ob er mich bezahlen würde, und ich tu so, als ob ich arbeiten würde. Und jeder ist’s zufrieden Naja, nicht ganz meine Einstellung bzw. ich wäre damit nicht zufrieden, aber witzig ist es trotzdem irgendwie. 28.05.2003: Wie wird man Frühpensionist? I ch war heute wieder einmal bei der Gebietskrankenkasse, wegen Krankengeld. Entgegen meiner Hoffnung, die Beamte am Schalter würde mir sagen, „passt alles, wir überweisen Ihnen Ihr Geld“, musste ich natürlich zum Amtsarzt. Die Amtsärztin ist gottseidank ganz OK, also zumindest stehe ich ihr zu Gesicht. Sie machte mir also keine Schwierigkeiten wegen dem Krankengeld. Das ist übrigens trotz meiner klitzekleinen Erkrankung nicht so selbstverständlich, wie man annehmen würde: Die Dame vor mir begab sich zur selben Amtsärztin, und aus irgendeinem Grund hatte die Amtsärztin vergessen, den Warteraumlautsprecher zu deaktivieren – und so konnten alle im Warteraum folgendes schöne Gespräch mitverfolgen: Amtsärztin (AA): Frau XY, Sie schon wieder, was kann ich für Sie tun? Frau XY (FXY): Naja, also ich bin psychisch krank, und daher kann ich nicht arbeiten, und außerdem .. AA (schneidet ihr das Wort ab): Sie sind seit Oktober 2002 im Krankenstand!! FXY: Neinnein, ich bin seit November im Krankenstand, und hier sind auch alle Atteste... 96 AA. (unterbricht) Wissen Sie, was ich glaube? Ich glaube, Sie wollen die Krankenkasse ausnutzen bis zum geht nicht mehr! FXY: ich habe jetzt zusätzlich zu meiner psychischen Erkrankung auch noch Krebs, und bin völlig fertig, und daher empfehlen mir die Ärzte Psychotherapie.. AA: also wissen Sie was (merkt plötzlich, dass das Mikro mitrennt und schaltet es ab) Naja, da wird’s einem schon ganz anders, wenn man als nächster dran ist... Aber ich muss dazu sagen, dass ich die Ärztin eigentlich ziemlich nett finde. Und sie mich offenbar auch. Wie immer! Zu mir war sie immer sehr nett. Jedenfalls fragte ich sie dann, was ich im Herbst machen soll, weil ich ja ab Herbst kein Krankengeld mehr bekomme. Da sagte sie mir locker: „Da müssen Sie um Pension ansuchen“ – Ich meinte darauf „Wie bitte, ich bin doch erst 32?? Und außerdem hoffe ich doch, dass ich wieder gesund werde...“ Sie meinte „Ja schon, aber für das AMS sind Sie in dem Zustand nicht vermittelbar. Sie bekommen die Pension eh nur für ein oder zwei Jahre befristet. Aber wenn Sie das nicht tun, bekommen Sie gar nichts mehr und müssen sich auch selbst krankenversichern.“ Naja, werde ich halt ab Herbst Frühpensionist... die Welt und vor allem der österreichische Staat sind schon merkwürdig. Viel erfreulicher: ich pflege momentan die Retro-Welle und habe mein N64 Pokemon Stadium I + II plus „TransferPak“ (das ist eben ein Gameboy-Cartridge-Adapter) bekommen – genial!! Bei Pokemon Stadium ist ja tonnenweise Sprachausgabe dabei, die hunderten Viecherln sind liebvoll animiert und das Kampfsystem ist auch genial: 97 Da gibt’s also verschiedene Grundtypen wie Feuer, Wasser, Erde, Pflanze, Luft, Battle, Psychic, Electric, Und Wasser ist zum Beispiel stark gegen Feuer und Erde, aber schwach gegen Electric. Und Feuer ist stark gegen Electric und Pflanze. Und Erde gegen Feuer. Und so weiter. Und man sucht sich für den Kampf ein Team aus 6 Pokemon aus. Und da sollte man halt alle Typen schön vertreten haben, damit man eine Chance hat. Man kann dann entweder gegen die CPU oder gegen einen zweiten Spieler antreten. Der Sprecher steigert sich bei beiden Modulen ziemlich rein, hat auch ziemlich viele Phrasen drauf. Das ist mit der Sprachkomprimierungstechnik von Factor 5 realisiert und ich find’s eigentlich sehr gut gemacht. Mit dem Transfer Pak kann man auch die Pokemons vom Gameboy zum Kämpfen ins Stadium rübersaugen. Wenn man sich also am Gameboy eine besonders kampfesfähige Brut zusammengesammelt hat, dann kann man im Stadium damit ordentlich rocken. Ich find’s momentan besser als alle neuen Spiele. Irgendwie war das N64 mit seiner Modultechnik schon Kult. Leider hatte es dann doch eine sehr schwache Hardware - also ich finde, bei doppeltem Polycount und doppelter Framerate (=60Hz) wäre es dann sozusagen ultimativ gewesen, vor allem für damals. Aber na ja, dann hätte es auch die vierfache Fillrate gebraucht, und vierfachen Polycount. Nämlich anstatt 4K Poly @ 30 Hz (=120K Poly pro Sekunde, das hatte es tatsächlich drauf) vielmehr 8K Poly @ 60 Hz und somit 480K Poly pro Sekunde. Und dann wäre die Hardware zu teuer geworden, und wahrscheinlich wäre es auch nicht mehr ohne Lüfter gegangen. Wer weiß das schon! 98 06.06.2003: Meine Story ist fertig H abe meine Kurzgeschichte, an der ich schon ewig herumschreibe, endlich komplett fertig gestellt. Da waren noch ziemlich viele Flüchtigkeitsfehler drinnen. Jetzt ist sie aber ziemlich gut geworden. Und ein schönes Titelbild und „Endbild“ habe ich auch noch kreiert. Jetzt ist hat das Ganze sozusagen ein „Gesicht“. 15.06.2003: Zwischenstand nach 2 Zyklen DHAP L etzte Woche war ich bei einem CT-Check und bei einem PET-Check. Das war jetzt also die große Stunde der Wahrheit; jetzt würde sich zeigen, ob meine Tumoren chemo-sensitiv sind oder nicht. Das PET war am Freitag noch nicht ausgewertet, aber das CT schon: ich rief Freitag zu Mittag dort an, und das war von meiner Aufregung her so ziemlich das schlimmste, was ich in meinem ganzen Leben erlebt habe. Da soll mir noch einer erzählen, er/sie regt sich auf, wenn er auf die Resultate einer Prüfung an der Universität wartet...alles lächerlich. Oberärztin Frau Dr. R., die ich in der Tagesklinik ans Telefon bekam, teilte mir mit, dass der mediastinale Tumor „von 9 x 6 x 4.5 auf 7 x 4 x 2.5 cm“ geschrumpft sein. Es sollen jetzt noch „ein bis 3 Zyklen DHAP“ gemacht werden. Der nächste beginnt am Mittwoch, den 18.06.2003. Ich bin leider momentan ein wenig krank – habe ein bisschen Durchfall gehabt, der hat aber wieder aufgehört, und leichte Schmerzen in den Eingeweiden, so ein „Reißen“, wie man bei uns sagt. Und meine Mandelüberresten sind geschwollen und ich habe daher leichte Halsschmerzen, und 99 mein Beckenrand schmerzt auch ein wenig – scheint, dass mein Immunsystem sich redlich abmüht. Aber es geht mir verglichen mit gestern schon ein wenig besser. Derzeit ist es so, dass mein Magen leicht und dumpf schmerzt, unmittelbar nachdem ich einen Bissen gegessen oder einen Schluck getrunken habe. Aber die Gedärme sind wieder OK. 16.06.2003: Zwischenstand nach 2 Zyklen DHAP, die Zweite I ch habe jetzt die Ergebnisse der Untersuchungen von letzter Woche. Also es sieht so aus: Das PET zeigt „mehrere, nicht voneinander abgrenzbare hypermetabole Herde im Bereich des Mediastinums und des linken Hilus“. Das heißt: die Tumore im Mediastinum und in der linken Lunge sind noch da und arbeiten noch... Im Bereich des Beckens habe ich wieder den Herd, der schon bei den ersten beiden PET-Untersuchungen sichtbar war. Meiner Meinung nach ist das allerdings ein Herd, der durch erhöhte Knochenmarksaktivität bedingt ist - ich habe nämlich wieder was abgewehrt (hatte ein wenig Durchfall und allgemeines Unwohlsein. Heute gings mir aber schon wieder soweit OK, so dass ich mir sogar ein wenig Krafttraining zutraute) Dazu gibt es einen neuen Herd „im Bereich des lumbosakralen Überganges“, also beim Steißbein. Naja, vielleicht durchs Ergometerfahren, mein Steißbein ist dadurch schon etwas beleidigt. Das PET ist also ein rechtes Desaster. Das CT zeigt aber „eine deutliche Größenabnahme des Tumors im Mediastinum und im linken Hilus“. Der Tumor im Mediastinum war 9 x 6 x 4.5 cm groß. Jetzt ist er nur mehr 100 7 x 4 x 2.5 cm groß. Das ist eine ziemlich starke Abnahme und insofern sind die Ärzte und (seufz) auch irgendwie ich mit dem Ergebnis der Untersuchung, das ja wiederum Resultat der neuen Chemo ist, zufrieden. Jetzt gibt’s noch ein bis 3 Zyklen DHAP. Der nächste soll am Mittwoch, dem 18.06.2003 beginnen, also bereits diesen Mittwoch. Außerdem habe ich fast 3 kg zugenommen in den letzen 3 Wochen. Meine Hosen, die ich einige Wochen nicht getragen habe, sind am Bauch eng wie nie zuvor. Ich wiege jetzt gut 78 kg. Das waren noch Zeiten, als ich 63 kg wog und 18 km laufen konnte wie nichts – nach einem harten Krafttraining! Und das waren noch Zeiten, als ich schlank und durchtrainiert war...Ich kann’s fast nicht glauben, dass mein Körper, so schlaff und verfettet und geschunden, wie er jetzt ist, wahrscheinlich vom „Tumorstatus“ wesentlich gesünder ist als der muskulöse, trainierte Körper, den ich damals noch hatte. 23.06.2003: Nach dem dritten DHAP-Zyklus H abe den dritten Rituximab / DHAP Zyklus unglaublich gut weggesteckt, besser als den zweiten und besser als den ersten. Eigentlich sollte ich nach drei DHAP-Zyklen, die als extrem aggressiv gelten, mittlerweile „halbtot“ sein. Dem ist aber nicht so - mir war und ist es zwar ein wenig übel, und auch mein Magen war und ist ein wenig beleidigt, und auch der Tinnitus hat bereits wieder angefangen, aber alle Symptome sind alles in allem weniger stark als beim letzten Mal. Der Tinnitus kommt übrigens mit aller Wahrscheinlichkeit vom Cisplatin, wie Fr. Dr. K. meint – ich hatte sie dies101 mal direkt auf die Problematik angesprochen. Auch psychisch geht es mir eigentlich sehr gut – bin optimistisch und fröhlich. Vor allem bin ich aber nicht so schrecklich „innerlich leergefegt“ wie nach dem zweiten Zyklus. Soll heißen, ich fühle mich zwar nicht gerade zum Bäume ausreißen – denn ich bin natürlich sehr müde - aber wesentlich besser als beim zweiten und vor allem beim ersten Zyklus. Beim heutigen Blutcheck hatte ich übrigens satte 7.700 Leukos, ein kleines Wunder sozusagen. Jetzt geht es so weiter, dass ich am Freitag, dem 27.06.2003 zum Blutcheck muss, von wegen Neupogen spritzen oder nicht. Der weitere Therapieverlauf ist so geplant: am 16.07.2003 folgt der vierte Rituximab / DHAP-Zyklus. Etwa einen Monat danach, also Mitte August 2003, folgt wieder ein Kontroll-CT und PET. Danach gibt es, in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Untersuchungen, zwei Möglichkeiten, wie die allopathische Therapie weitergehen soll: a.) Wenn sich zeigt, dass der Tumor weiterhin so exzellent auf die Chemo anspricht, dann will Dr. N. sofort die Stammzellentherapie machen (das klingt unlogisch für mich, aber was weiß ich – so hat er es mir gesagt). Danach Bestrahlung. Dauer der Behandlung bis ca. Jahresende. b.) Wenn der Tumor nicht mehr so gut anspricht, dann wird noch ein fünfter Zyklus Rituximab/DHAP angeschlossen. Und in dem Fall würde er erst nach dem fünften DHAP Zyklus die Stammzellentherapie anschließen. Danach Bestrahlung. Auch hier Dauer der Behandlung bis ca. Jahresende. Der CRP war, wie ich am Montag dann noch erfahren hatte, von den ursprünglich 30 auf 4 nach der Chemo gesunken. 102 Was mir auch auffällt ist, dass ich kurz vor der Chemo immer meine Lunge und auch meinen linken Beckenkamm spüre; das hört dann bei der Chemo sofort auf. Es ist jetzt natürlich schwer zu sagen, von was der CRP so rasant absinkt. Denkbar wäre natürlich, dass ich da einen „B-Zellen-Struktur“-Tumor (Hodgkin oder Non-Hodgkin) in mir habe (nämlich im Mediastinum, in der Lunge und im Knochenmark, dazu gleich mehr), und dass es vor allem der monoklonale Antikörper ist, der dann immer rasant die Tumor-B-Zellen umbringt. Kann man aber laut Dr. N. mangels aussagekräftiger Biopsie einfach nicht sagen. Ich fürchte fast, ich muss mich mit dem Gedanken anfreunden, dass ich nicht nur in der linken Lunge, sondern auch im linken Beckenkamm einen aktiven Herd habe, der so aggressiv ist, dass er zwischen den Chemos wieder aufflammt. Am PET war der Herd wie gesagt ja seit „jeher“ sichtbar, nur dachte ich, dass ich da irgendwie eine Infektion spüre und „mein Knochenmark arbeitet“. Das ist aber wohl leider nicht so..... 03.07.2003: Kleine Schockerlebnisse I ch hatte gerade den Schock meines Lebens: die Hämatologie ruft mich an und teilt mir mit, dass ich keinen Versicherungsschutz mehr habe, seit 10. Mai 2003. Schockschwerenot!!! Ich habe dann bei der Krankenkasse angerufen – es stellte sich zum Glück heraus, dass ein Versehen des Spitals vorlag. Ich habe bis 04. September Versicherungsschutz. Naja!!! Da wird’s einem ganz anders - ich war ja wieder einmal 5 Tage stationär aufgenommen - zu EUR 800,- der Tag OHNE Un103 tersuchungen und OHNE die Chemo. 04.07.2003: Wieder Kopfschmerzdelirium I ch habe jetzt seit drei Tagen wieder genau dieselben Symptome wie beim letzten Zyklus: hämmernde Kopfschmerzen, die vor allem dann schlimmer werden, wenn ich mich rasch aufsetze – allerdings weniger schlimm als beim letzten Mal. Somit ist die „Lebensmittelvergiftungstheorie“ gefallen: als ich das letzte Mal diese Symptome hatte, dachte ich, ich hätte mir vom übermäßigen Eisgenuß eine Lebensmittelvergiftung geholt... 11.07.2003: Melancholie S eit vorgestern spüre ich leider wieder meine Metastasen in der linken Lunge, allerdings doch deutlich weniger stark als beim bzw. nach dem letzten Zyklus. Körperlich geht es mir sonst ziemlich gut. Ich bin gestern wieder zur Bellevue-Wiese ( hinaufspaziert, und war wieder erstaunt, wie brav mein geschundener Körper auf Trainingsreize reagiert: als ich nach der 4-tägigen Kopfschmerzattacke (am Dienstag) dort hinaufspazierte, ging ich sozusagen am Zahnfleisch. Gestern (also am Donnerstag) aber war es völlig mühelos, dort hinaufzugehen. In letzter Zeit bin ich aber psychisch recht schlecht drauf, bin irgendwie sehr traurig. Ich finde einfach alles im allgemeinen und Milliarden Dinge im Speziellen traurig. Ich bin immer mehr überrascht, wenn jemand behauptet, es ist eh’ alles so toll und gut. Ich meine dann, so jemand sollte folgendes versuchen: 104 Einmal ein Krankenhaus im Irak, oder ein Krankenhaus im Sudan besuchen. Oder auch den aktuellen Stand der Kindesmisshandlungen in einem beliebigen Land checken. Oder mit einem Tier sprechen, das quer durch Europa zum Schlachten transportiert wird. Oder mit einer BSE-Kuh, die mit Schafschlachtabfällen anstatt mit Gras gefüttert wurde und dadurch BSE bekommen hat und jetzt getötet und verbrannt, dann verscharrt werden soll. Oder mit einem KZ-Häftling, der sein eigenes Grab schaufeln muss, bevor er vergast wird. Oder mit einem MS-Kranken, dessen Immunsystem seine eigenen Nervenscheiden zerstört Oder einem Golfkriegveteranen aus dem ersten Golfkrieg, der von der Uranmunition Krebs bekommen hat. Oder mit einer Katzenmutter, deren Kinder von einem „gütigen“ Mönch ertränkt werden. Oder mit einem Hund, den sein Besitzer bei 36° Celsius im Auto vergessen hat. Oder mit einem Hund, der gerade eine Magendrehung durchleidet und sich vor Schmerzen am Boden windet. Oder mit einer Katze, die mit einer Pfote in eine Bärenfalle geraten ist, und sich diese Pfote nach einigen Tagen selbst abbeißt, um nicht zu sterben. Oder mit einem krebskranken Kind, das sich die Seele aus dem Leib kotzt, weil ihm von der Chemo so totenübel ist. Oder mit einem Kind ihn Australien, das nur mit langärmligen T-Shirt und Hose und Sonnenhut auf den Strand kann, weil man dort von der Sonne Hautkrebs bekommt. Oder mit einem Delfin, der in einem Treibnetz aus unzerreißbarem Kunststoff gefangen ist und elend ertrinkt. Oder mit den „Hexen“, die im Auftrag der Kirche gefoltert und getötet wurden. Oder er soll eine Zeitreise nach Stalingrad machen und mit den verhungernden und erfrierenden Soldaten sprechen. Oder eine Zeitreise nach Hiroshima oder nach Nagasaki, und dort mit dem hellen menschenförmigen Abbild an einer rußgeschwärzten Wand sprechen, das einzige, was von einem Menschen übrig geblieben ist, der nahe am Explosionsort war. Wir leben ja in einer Welt, die sich allgemein gesagt durch eine Knappheit an Ressourcen im weitesten Sinn auszeichnet. Nun, ich behaupte, das einzige, was unbegrenzt und kostenlos in dieser Welt zur Verfügung steht, ist Leiden und Schmerz. Anmerkung aus dem Nachhinein (19.07.2004) zu diesen bitteren Zeilen: mittlerweile glaube ich, dass jedes Leiden einen tieferen Sinn hat und vor allem keineswegs zufällig passiert. So großkotzig das auch klingen mag... 105 03.08.2003: Zahnschmerzen S eit Sonntag tut mir mein linker unterer Weisheitszahn oder eigentlich das ganze Gebiet rundherum grauenhaft weh! Ich sehe mich schon beim Zahnarzt, der mir das Ding herausoperiert. Dazu muss man sagen, dass ich sehr gute Zähne habe und in meinem ganzen Leben vielleicht 2 mal beim Zahnarzt war, und auch bei diesen beiden Malen bekam ich nur kleine Plastikplomben verpasst, und das fast ohne Bohren. Dafür sind beim 4. DHAP-Zyklus aber die Kopfschmerzen weggeblieben. Das ist auch etwas wert! 06.08.2003: Der Weisheitszahn ist wieder OK D er Zahn hat sich wieder völlig beruhigt. Freu!! - außerdem ist es schön, aufzuwachen und keine Schmerzen zu haben. 20.08.2003: Nach dem Kontroll-CT und ‒PET H abe jetzt einmal beide Untersuchungen hinter mir. Leider wird die Auswertung einige Tage dauern, weil viele Ärzte derzeit auf Urlaub sind. Mir geht das ganze Gesumse schon ziemlich auf den Geist. Ganz egal was anliegt, es gibt immer ein Problem: am Montag beim CT ist der Zufuhrschlauch für das Kontrastmittel geplatzt (das CT-Gerät pumpt einem nämlich selbstständig das Kontrastmittel in die Vene; bzw. in meinem Fall in den Port-A-Cath). Es hat einen komischen Klescher gemacht, so als würde ein Luftballon platzen, und dann sprühte mich das Scheißding schon mit dem klebrigen Zeugs 106 voll. Wenn das trocknet, ist es stärker als jedes Gel; ich hatte in den Haaren so richtige Stacheln wie ein Igel. Und heute beim PET wollten sie mir natürlich das radioaktive Zeug nicht in den Port spritzen. Also begann die Suche nach einer peripheren Vene, die noch was taugt. Leider sind meine peripheren Venen so gut wie nicht mehr vorhanden! Also schnürte mir die gute Frau den Arm ab, befahl mir eine Faust zu machen und dann begann sie, wie eine Fixerin an meinen verschollenen Venen herum zu klopfen. Das tut ziemlich scheußlich weh. Ich meinte dann „Auh, das tut weh, was machen Sie denn da??“ Worauf Sie meinte, Sie müsse mir auf diese Weise eine Vene „herausklopfen“. Na suuupaa... Jedenfalls fand sie dann nur mehr im Handrücken eine Vene und DORT ZWÄNGTE SIE MIR AUCH DIE NADDEL REIN. Na, es gibt angenehmere Dinge! Nach der Einspritzung des radioaktiven Brennstoffes musste ich wie immer 90 Minuten warten, so auf die Art „im Dunklen leuchtend vor Radioaktivität“. Dann wurden 2 Aufnahmen gemacht, wobei jede gut 50 Minuten dauerte; die ganze Prozedur war dann erst kurz vor 12 Uhr beendet. Ich schaute danach noch auf der Tagesklinik vorbei, weil ich hoffte, dass das CT vielleicht schon ausgewertet ist. Aber das CT war dann natürlich noch nicht befundet. Naaaja! 23.08.2003: Training tut gut A lso meinem Herzkreislaufsystem scheint’s wieder besser zu gehen. Ich spaziere täglich brav die Himmelsstrasse hinauf, um an der frischen Luft ein wenig Sonnenlicht und Kraft zu tanken. Wo ich noch vor wenigen Tagen locker 185 107 Puls bei Spaziergehertempo benötigte, kann ich jetzt schon bei höherer Gehgeschwindigkeit mit gut 20 Pulsschlägen weniger pro Minute hinaufgehen. Mein Herz-/Kreislaufsystem und überhaupt mein Körper lechzt nach Bewegung, so ist zumindest mein subjektiver Eindruck, und es tut mir einfach total gut, mich zu bewegen und wieder zu trainieren. Mein Tinnitus ist zwar nicht besser, aber ich kann schön langsam wieder höhere Frequenzen hören. Noch vor 2 Wochen konnte ich zum Beispiel kein „s“ hören (bzw. generell keine „Zischlaute“, weil diese eben „höherfrequent“ sind), jetzt höre ich das schon wieder ein bisschen. Allerdings bin ich immer noch sehr schwerhörig. Meine Lady meint, sie schreit mit mir wie mit einem alten Mann, und dennoch verstehe ich vieles, was sie sagt, nicht auf Anhieb.... Ich habe mehrmals am Tag so merkwürdige Schweißausbrüche, meistens nach dem Essen, aber nicht unbedingt nur nach dem Essen (ich glaube, dass das entweder mit meiner Leber oder mit meiner Verdauung zusammenhängt). Da rinnt mir dann plötzlich der Schweiß wie Wasser herunter. Auf meiner Kopfhaut (und auch ein wenig beim Bart) habe ich derzeit leider wieder einmal einen unendlichen Schuppenausschlag. Allerdings muss ich sagen, dass ich mich eigentlich subjektiv gesehen ziemlich gut fühle. Das ist in Anbetracht der 10 Zyklen, die ich bereits hinter mir habe, gar keine schlechte Leistung. 108 26.08.2003: Schwitzen und sonstige Troubles I ch schwitze derzeit unendlich stark, ganze Bäche von Schweiß, du zwar am gesamten Körper, besonders stark im Gesicht, Kopf und am Oberkörper, aber auch ein wenig (aber nicht ganz so stark) auf den Extremitäten. Und zwar ist das ein Schweiß, der dünnflüssig und ziemlich farblos und geruchlos ist – eben wie Wasser. Mir ist aufgefallen, dass ich zum Beispiel VIEL WENIGER STARK bei voller Anstrengung schwitze, wenn ich z.B. bei Sommerhitze schnell bergauf gehe, als bei einer leichten Anstrengung, wenn ich zum Beispiel ein Buch suche oder einfach herumsitze, weil ich in einem Wartezimmer warten muss. Oder wenn ich spazieren gehe, auch mit schnellem Tempo, schwitze ich fast nicht. Bleibe ich aber stehen, dann rinnt mir der Schweiß sofort in Bächen herunter - bis ich wieder weitergehe. Dann hört das Schwitzen sofort auf. Ich habe dabei nicht das Gefühl, dass ich schwitze, weil mir heiß ist. Ich habe naturgemäß ein viel größeres Hitzegefühl, wenn ich bei großer Hitze schnell bergauf gehe. Aber da schwitze ich wie gesagt viel viel weniger. Es kommt mir, wenn ich so stark schwitze, einfach so vor, als würde etwas aus mir herausrinnen, was einfach im Inneren des Körpers zu viel ist. Das ganze fühlt sich im Prinzip auch nicht unangenehm oder so an (wenn es auch ziemlich peinlich ist, vor anderen Leuten so zu „rinnen“). Im Gegenteil, es ist sogar eigentlich ein ziemlich angenehmes Gefühl, wenn ich es mir so recht überlege. Als würde der Körper Ballast ablassen - wie gesagt verliere ich da dann bis zu drei Liter 109 Flüssigkeit in einer Stunde. Meine Kopfhaut ist über und über mit dieser Art Schuppenflechte übersäht. Du mein ganzer Körper juckt, vor allem aber die Extremitäten und zwar vor allem in der Nacht, und da am stärksten kurz vor dem Einschlafen – das macht das Einschlafen oft sehr schwierig. Ich habe heute dann in der Früh bemerkt, dass ich mir in der Nacht, ohne es zu merken, meinen rechten Unterschenkel blutig gekratzt hatte. Momentan (aber eigentlich immer schon, seit ich ein Kleinkind war) habe ich wieder „ungewisse“ Zukunftsängste. Ich glaube einfach, dass das derzeitige Wirtschaftssystem einem Kollaps entgegenstrebt und zusammenkrachen wird. Nur sind die meisten Leute einfach Wohlstand gewöhnt. Und wenn der ihnen genommen wird, dann wird es Bürgerkrieg und „spontane Aufknüpfungen von Wohlhabenden auf dem nächsten Laternenpfahl“ geben. Glaub ich. Ich lebe halt immer in der Sorge, gleich um die nächste Ecke lauert die Katastrophe. Früher zitterte ich vor dem Atomkrieg, der – wie ich glaubte - in nächster Zukunft kommen würde. Heute sind’s Dinge wie „was mache ich, wenn ich kein Geld mehr habe, wo ich doch keinen Job habe“ etc. Ich wünschte, ich könnte solche Dinge einfach mit mehr Gelassenheit sehen. Meine Port-A-Cath-Narbe ist außerdem dick und rot und „erhaben“ und entzündet. Und sie juckt ziemlich stark, ich muss sehr aufpassen, dass ich da nicht anfange, daran herumzukratzen. Überhaupt ist es so, dass bei mir Narben vor allem am Oberkörper irgendwie überhaupt nicht schön abheilen. Sondern eben total erhaben, so als würde man eine Schweißnaht mit viel zu viel „Bindematerial“ machen. 110 27.08.2003: Schluß mit dem Gift! H abe nun im Internet wegen Mini Dexa BEAM nachgecheckt und doch noch etwas gefunden. Der Mini BEAM ist ein 21- oder 28-Tage Zyklus. Es wird 60% der Dosierung des BEAM verabreicht. Tag 1 – 10 wird Dexamethason oral verabreicht Tag 2 Carmustin Tag 3 Melphalan Tag 4-7 Cytarabin und Etoposid Ich habe die Substanzen auf Toxizität und Emese gecheckt, und die sind alle ein rechter Hammer – vor allem das Carmustin, das schwere Lungen- (Verhärtung des Bindegewebes der Lunge, nicht bakterielle Lungenentzündungen) und Leberschäden bewirken kann. Alle Substanzen sind sowieso extrem belastend für das Knochenmark und wirken schädigend auf die Fortpflanzungsfähigkeit. Also selbst wenn ich nach dem Natulan des BEACOPP wie durch ein Wunder noch Kinder bekommen könnte, wäre es nach einem Mini-BEAM plus BEAM dann wohl endgültig Schluss. Was ich noch gefunden habe, und zwar in Erfahrungsberichten von Patienten, ist dass Cisplatin nicht „Hörprobleme auslösen KANN“ sondern dass es ganz normal IST, dass man nach Verabreichung von Cisplatin schwerhörig wird und Tinnitus bekommt. Ich hatte da noch Glück, denn Cisplatin kann das Zentralnervensystem so stark schädigen, dass schwerste Verwirrungszustände resultieren. Ebenso kann es zu spontanen Bronchospasmen (Verkrampfung der Bronchien) kommen, also zu Erstickungsanfällen. Das ist mir ja zum Glück erspart 111 geblieben. Jedenfalls bin ich unendlich verzweifelt und vor allem MAG ICH MICH NICHT WEITER VERGIFTEN LASSEN!!! Die Tumormasse ist jetzt auf 1/38 der ursprünglichen Masse zurückgegangen. 10 Zyklen sind genug. Irgendwann ist es soweit, dass ein weiteres schweres Bombardement nur mehr Kollateralschaden anrichtet. Ich glaube einfach, wenn es sein soll, dann wird’s ohne Chemo - nur mit Homöopathie - auch gehen. Wenn’s nicht sein soll, dann will ich wenigstens ohne weitere chemotherapeutische Quälereien den Rest meines Lebens verbringen. Ich telefoniere mit meinem Schweizer Homöopathen und teile ihm mit, dass ich die Chemotherapie voraussichtlich nicht fortsetzen will – und dass ich daher mit ihm vor Ort Locarno das weitere Vorgehen besprechen will. Nach einigen Abstimmungsschwierigkeiten einigen wir uns auf ein Treffen am 09.09.2003. 112 28.08.2003: Diskussion mit dem Lymphomspezialisten H abe heute mit Dr. H. gesprochen bezüglich weiterem Vorgehen. Er war – das muss ich gleich vorwegschicken – sehr freundlich und hat unsere Fragen (meine Lady war auch mit) geduldig beantwortet. Es ist vor allem kein Problem, weitere Kontrolluntersuchungen im Hanusch-Spital durchzuführen, auch wenn ich weitere Chemotherapien ablehne. Das war dann doch sehr beruhigend für mich, quasi eine Sorge weniger. Wie er die Problematik sieht, ist mein Tumor nicht besonders chemo-sensitiv, weshalb auch nach 10 Zyklen Chemotherapie immer noch der mediastinale Tumor sowie das Infiltrat in der linken Lunge vorhanden sind und auch aktiv sind. Er würde daher vorschlagen, zuerst mit einem Mini-DexaBEAM zu „testen“, ob die Tumore auf dieses Chemo-Schema ansprechen. Ist das der Fall, würde er einen Zyklus nach dem BEAM-Protokoll vorschlagen – was dann danach die autologe Stammzellentransplantation bedingt, weil das Knochenmark dadurch komplett ex geht. Danach Bestrahlung. Also keine wesentlichen Neuigkeiten, was den geplanten Ablauf betrifft; lediglich das mit dem Mini-Dexa-Beam quasi ein „Testlauf“ für das maximale Bombardement stattfindet, war für mich eine neue Erkenntnis. Ich erkundigte mich nach einer Möglichkeit, nur mit dem MabThera-Antikörper zu therapieren; was er im Prinzip für eine logische Forderung hielt; nur leider zeigt mein Tumor 113 nicht besonders viele Zellen, die das Oberflächenmerkmal „CD-20“ tragen, weshalb dieses Vorgehen nicht sehr sinnvoll wäre – denn der Antikörper bindet sich nur an Zellen, die eben dieses Oberflächenmerkmal tragen. Die Resultate der Untersuchungen von letzter Woche haben wir natürlich auch besprochen. Das PET zeigt 2 Herde, einem im Thorax, einem im Becken, wobei man aber im CT keinerlei Struktur erkennen kann. Deshalb soll, wenn ich aus der Schweiz zurück bin, noch ein MR dieses Bereichs gemacht werden, damit man eben ausschließen kann, dass es sich um eine Veränderung im Zuge der Grundkrankheit handelt. Ich schicke Ihnen das PET-Bild und die beiden Befunde mit. Ich erkundigte mich auch noch bezüglich Toxizität von Mini-Dexa-BEAM und Dexa-BEAM verglichen mit DHAP. DHAP ist ja schon keine Nudelsuppe, sondern der Hammer, was Toxizität anbelangt. Er meinte, es wäre nicht ganz leicht, das zu quantifizieren, aber er würde mal meinen, der MiniDexa-BEAM übertrifft das DHAP-Schema um etwa 50% an Toxizität. Nachdem der Mini-Dexa-BEAM 60% der Dosierung des Dexa-BEAMs enthält, würde der Dexa-BEAM dann rein rechnerisch 250% der Toxizität des DHAP haben... Der Tenor war eigentlich schon der, dass eben das Ding in mir nicht besonders chemo-sensitiv ist - dass man chemotherapeutisch praktisch außer dem Hoch- und Höchstdosisschema nichts mehr machen kann, was den Tumor härter treffen würde als den ganzen Rest – meinen Körper. 30.08.2003: Angst und Depressionen H atte gestern am Nachmittag einige sehr schlechte Momente. Ich bin von unserer Wohnung zum Büro meiner 114 Lady hinuntergegangen, weil wir dort einkaufen wollten. Das ist ein Spaziergang von etwas einer halben Stunde. Und da ging es mir durch den Kopf, dass mir Dr. Hopfinger gesagt hatte, mein Tumor ist nicht besonders chemo-sensitiv und die Mini-BEAM/BEAM Therapie ist das einzige, was allopathisch noch eine Remission bewirken könnte. Und ich bin sowieso kein Mensch, der gerne lebt oder sich mit aller Gewalt an das Leben klammert oder um sein Leben kämpft. Aber dennoch war ich bei dem Gedanken, dass mein Leben möglicherweise zeitlich sehr limitiert ist, ziemlich traurig und melancholisch. Wie soll ich das schildern? Irgendwie kommt mir das so vor, um einen Vergleich heranzuziehen: wenn man jemanden eine Sache schmackhaft machen will, von jemanden weiß, er/sie steht dieser Sache sowieso ziemlich ablehnend gegenüber, dann versucht man, ihm/ihr das *besonders* schmackhaft zu machen, und bemüht sich *besonders* dabei. Und da geht dann meistens dabei auch *besonders* viel schief! Und so kommt es mir mit meinem Verhältnis zum Leben vor. Ich kann es sowieso nicht besonders leiden. Und im Bemühen, es mir schmackhaft zu machen, erzeugt „Das Leben“ mir dann halt besonders schlimme Erlebnisse. Ich hatte dann plötzlich das Bild von einer zerbrochenen Brücke im Kopf. Und dazu verfasste ich dann auch gleich den passenden Text und malte am Abend das passende Bild. Der Text geht so: Die Brücke, von der Du dachtest, 115 sie würde Dich in weite Ferne führen, sie scheint zerbrochen, ganz in Deiner Nähe schon. Es geht halt darum, dass man sich vorstellt, man wird so und so alt - auch wenn man sich vom Leben nichts erwartet - und dann plötzlich sieht es so aus, als würde man überhaupt nicht so alt, wie man sich vorgestellt hat. Die passende Form für das Bild hatte ich schnell gefunden. Ich gestaltete es im Hochformat, und stellte die Unterbrechung der Brücke genau in den „Klimax“ der Brücke. Die Unterbrechung wird dramatisch beleuchtet, von einem Lichtstrahl, der von oben kommt – halt um die schicksalshaftigkeit der Unterbrechung zu betonen. Und es ist wie gesagt nicht so, dass ich jetzt verzweifelt bin. Es ist nur der ganze Vorgang, dass man sinnlos leidet, der mich traurig macht; quasi: Wenn man stirbt, dann war ohnehin alles umsonst, nur ein Spiel in Zeit und Raum. Und der, der es spielte, konnte sich sowieso nie für das Spiel begeistern... 116 05.09.2003: Realsatire pur oder der Gang zum AMS I ch war heute wieder einmal auf einem wunderbaren Canossagang beim AMS. Wenigstens war es heute nicht so heiß wie beim letzten Mal. Da hatte es nämlich draußen 38°C und drinnen 52°C, weil die nämlich alle Fenster versperrt hatten und offenbar auch die Heizung auf vollen Touren lief (OK, das war ein Scherz). Jedenfalls empfing mich eine freundliche, schlanke Dame (ich sag nur „Jazz Gitti auf Amphetaminen“) mit den launischen Worten „Wos sans denn heute do, Sie ham a amtliche Vorladung für den neunten!“ Ich darauf: „Ja schon, aber ich habe am 29.08. mit ihrer Kollegin telefoniert, weil ich ab Sonntag schon in der Schweiz im Sanatorium bin, und die meinte, es wäre kein Problem, schon heute zu kommen.“ Sie: „Des is scho a Problem, weil wir sind heute nur zu dritt und da kommen wir mit der Arbeit nicht nach“. Meine Laune ging daraufhin schlagartig auf Grundeis und ich verbiss mir mit großer Mühe die Bemerkung, dass sie das vielleicht lieber ihrer Kollegin sagen sollte als mir. Sie darauf hin: „Ich brauche Reisepass, Pensionsantrag, Sozialversicherungskarte, Krankengeld-Abrechnung, Spermaprobe, Ahnenurkunde, und Sie müssen eine gelbe Armbinde mit schwarzem Winkel tragen, solange Sie von uns Geld beziehen“ (naja OK, die letzen Punkte sind frei erfunden, aber sozusagen „im Geiste der Unterhaltung“). Ich lege ihr alles hin. Sie fängt an, in meinem Antrag herumzustreichen. „Das passt nicht, das passt nicht und dass passt nicht. Unterschreiben Sie. 117 Ich unterschreibe jeweils. Sie nimmt den Antrag zurück. „Das passt auch nicht. Unterschreiben Sie“. Ich unterschreibe und verbeiße mir mit großer Mühe die Frage, ob ich vielleicht sonst noch wo unterschreiben soll. Sie: „Von wann bis wann sind Sie in der Schweiz?“ Ich: „Ich fahre am 07.09. weg und bin am Freitag zurück“ Sie: „Am Montag dem 15. melden“ Ich: „Ja wie? Soll ich da anrufen?“ Sie: „Was meinen Sie anrufen? Sie müssen persönlich erscheinen!“ Ich (kann es mir nicht mehr verkneifen): „Bekomme ich dann nicht so einen Zettel für eine amtliche Vorladung“ Sie: „Naaa!“ dann „Sie san fertig für heute!“ Ich: „Wissen Sie was? Stecken Sie sich ihr Geld – soviel Platz hat - in ihren fetten Arsch und den Rest noch sonst wohin.“ ...naja, leider bin ich nicht wirklich so mutig und aufrecht. In Wirklichkeit sagte ich brav „Wiedersehen“ Was soll ich sagen? - Menschen wie diese arme, von bösen Tachinierern gequälte Beamtin sind die, die *wirklich* leiden müssen in Österreich! Denkt die sich halt, sag ich mal. Und ich denke mir: *einmal* reich sein. Es wäre ein *unendlicher* Genuss, so einem widerwärtigen Arschloch einmal so richtig die Meinung sagen zu können... Oder aber: einfach ihren Monitor schnappen und durch das Fenster werfen, sodass er auf den Gürtel klescht. 2 Stockwerke tiefer. Ich weiß schon, sie wäre dann immer noch ein Arschloch! 118 Wahrscheinlich wäre sie dann als Resultat sogar noch widerlicher. Aber darauf kommt’s ja nicht an beim Tagträumen! 08.09.2003: Wieder einmal in der Schweiz I ch habe beschlossen, wieder in die Schweiz zu fahren und mit meinem Homöopathen „von Angesicht zu Angesicht“ zu sprechen. Die Fahrt dorthin ist eine längliche, und daher muss ich sie in Etappen bewältigen. Diesmal waren meine Eltern so lieb, mich zu führen. Wir erledigten die Hinfahrt über Italien am 08.09.2003. Es war mörderisch viel Verkehr, und da wir außerdem erst gegen 11:30 in der Steiermark weggekommen waren, sind wir erst gegen 20:30 im „Caminotel“ in Luino angekommen. 09.09.2003: Besprechung mit meinem Homöopathen A m Dienstag traf ich mich mit meinem Homöopathen, um die Lage zu besprechen. Ich schilderte ihm mein Verzweiflung darüber, dass noch weitere Chemotherapien einschließlich Hochdosis und anschließender Bestrahlung geplant seien. Und ich legte ihm meinen Entschluss dar, es nur mit homöopathischer Kur versuchen zu wollen. Er meinte dazu, er würde mich durchaus verstehen, ich solle aber unbedingt mit dem Onkologen seines Vertrauens, Dr. R., sprechen. 119 11.09.2003: Treffen mit Dr. R. und ein kleiner Vorgeschmack auf die Osterweiterung A m Donnerstag Vormittag trafen wir uns dann mit Dr. R. Ich hatte alle meine Befunde und CT-Bilder mitgebracht. Dr. R. studierte die Bilder eingehend und ließ sich von mir den Krankheitsverlauf schildern. Mir fiel auf, dass er mich dabei eindringlich musterte. Wahrscheinlich schätzte er meine Nervenstärke und „Härte im Nehmen ab“, denn als ich ihn dann um seine Meinung bat, sagte er: „Ich muss Ihnen folgendes sagen: die Tumore sind offenbar sehr alt und schlecht durchblutet. Ich kann nicht einmal sagen, ob eine Hochdosischemotherapie plus Bestrahlung etwas nützen wird. Wenn Sie jetzt sofort die Therapie fortsetzen, haben Sie eine Chance von vielleicht 25%. Wenn Sie mit der Therapie aussetzen, dann sinkt diese Chance, wie stark, kann niemand sagen.“ Meine Eltern sackten in sich zusammen, ich selber fühlte den typische Anflug von Surrealismus, der mich immer überkommt, wenn mir Hiobsbotschaften verkündet werden. Ich war aber gerade durch diese seine schlechte Prognose mehr denn je dazu entschlossen, keine weitere Chemotherapie mehr zu machen. Die ganze Quälerei, und dann nur eine Chance von 25% ? – Nein Danke, da verzicht ich lieber drauf. Direkt nach diesem Gespräch ging es dann wieder zurück in die Clinica Santa Croce zur Lagebesprechung mit dem ärztlichen Leiter der Clinica und meinem Homöopathen und eigentlich dem gesamten Ärzteteam. Ich wiederholte noch einmal meinen Wunsch, es nur mit homöopathischer Kur versuchen zu wollen. Sie sicherten mir 120 dabei jede ihnen mögliche Unterstützung zu. Nach dieser Besprechung ging es dann zurück nach Österreich. Dabei kam es zu einer denkwürdigen Begegnung mit lieben Menschen aus östlichen Ländern. Das war so. So gegen 20:30 kehrten wir in Italien bei einer Raststätte ein. Danach touchierte ein Auto unseren linken Hinterreifen, wobei aber scheinbar nichts passierte (der Wagen blieb auch nicht stehen, man hätte also nicht wirklich mit dem Lenker verhandeln können). Nachdem wir wieder auf die Autobahn aufgefahren waren, hörten wir nach ein paar Sekunden ein merkwürdiges Geräusch. Ich tippte auf einen Kieselstein in der Bremsscheibe, aber Vater war anderer Meinung und blieb stehen. Zum Glück! – denn der linke Hinterreifen war platt. So ein Scheiß, jetzt hieß es, in der Dunkelheit auf dem Pannenstreifen der Autobahn Reifen wechseln. Plötzlich war dann ein anderes Auto mit slowenischem Kennzeichen da, der Fahrer redete auf Mutter ein, „wie er denn am besten nach Slowenien komme“, während Vater und ich uns um den Reifenwechsel kümmerten. Genauso plötzlich war der andere Wagen dann wieder verschwunden, wir hatten den Reifen fertig gewechselt und fuhren weiter. Ziemlich rasch merkten wir allerdings, dass uns jemand während des Reifenwechsels (der Vater und mich beschäftigt hatte) und vor allem, während der Unbekannte auch Mutter abgelenkt hatte, um sämtliche Wertgegenstände erleichtert hatte – Digitalkamera, PDA, Mutters Handtasche, Handy, Reisepässe, Kreditkarten – alles weg. Ich hatte irrsinniges Glück gehabt, weil mein Rucksack mit allen meinen Wertge121 genständen vorne unten am Boden beim Beifahrersitz gelegen war, und die vordere Tür geschlossen war. Ein wunderschöner Vorgeschmack auf die Osterweiterung, kann ich da nur sagen. Ja, ich weiß, ich bin ein Zyniker und in die EU werden dann natürlich nur ehrliche und integre Leute kommen. Ist ja klar! 24.09.2003: Das Techno-MR B in wieder einmal zurück von den Untersuchungen. Blutbefunde sind OK, und die Befunde vom CT und MR kommen wahrscheinlich bis Freitag. Das MR war übrigens eine recht scheußlich-unangenehme Angelegenheit. Naja, also ich wusste, dass es im Prinzip darum geht, dass ein starkes Magnetfeld erzeugt wird, und wenn dieses Magnetfeld dann zusammenbricht, dann können die freiwerdenden Strahlungsblitze gemessen werden. Naja OK, soviel zur Theorie. Die kann man schnell wieder vergessen. Tatsächlich beschießen sie einen da mit starken Radiowellen, um das Magnetfeld aufzubauen. Und das Magnetfeld wird auch nicht einmal aufgebaut, sondern tausende Male. Und der Radiowellenbeschuss erfolgt mit verschiedenen „Puls-Frequenzen“, so von „schnelle-Techno-Musik-Rhythmus“ über „Transformator-Brummen“ bis hin zum „Schlagbohrer-volle-Kanne-aufdrehen-Kreischen“. Die verschiedenen Pulsfrequenzen haben nur eines gemeinsam: sie sind laut. Nicht etwa laut, sondern L!A!U!T! Und zwar trotz Ohropax und Kopfhörer. Und bevor der Lärm beginnt, hört man so ein merkwürdiges stählernes Klopfen, da wird offenbar irgendwie der Radiowellengenerator aufgeladen. Und wenn der Lärm dann 122 losgeht, dann vibriert man so richtig schön im Rhythmus mit – weil wie gesagt, das ist 120 Dezibel-Lärm, mit so richtig starkem Subwoofer ausgegeben – nämlich dem gesamten MR-Gerät-Chassis plus dem eigenen Körper... Und natürlich musste ich mit dem Kopf voran in das Ding hinein – und zwar bis zum Anschlag; ich lag also in einem Art runden Metallsarg. In Verbindung mit dem Lärm und der Vibration ist das dann schon eine enervierende Angelegenheit. Wie immer! Jedenfalls weiß ich jetzt, woher die „Väter der Techno-Musik“ ihre Inspiration hatten: vom rhytmischen Lärm eines MR-Geräts! Der Port-A-Cath (plus Port-Nadel) war übrigens kein Problem; der scheint aus einem nicht-magnetischem Stahl zu bestehen. Dennoch schärften sie mir vor der Untersuchung ein, sofort den Not-Aus-Knopf zu betätigen, wenn der Port „heiß“ werden sollte. Aber da war gar nichts. Naja, bis Freitag sollten die Befunde da sein, wie gesagt. Und der Arzt heute meinte, wenn der CT-Befund halbwegs OK ist, dann würde er mir davon abraten, in 6 Wochen schon wieder ein CT machen zu lassen – das sein nämlich eine ganz gehörige Strahlenbelastung. Was ich heute noch erfahren habe ist, dass man den PortA-Cath nur alle 8 Wochen durchspülen muss – also steht einem achtwöchigen Aufenthalt auf Fuerteventura auch mit Port-A-Cath nichts im Wege. Das ist ja schon etwas... 123 30.09.2003: So sieht s aus N ach den 4 Zyklen DHAP hoffte ich darauf, dass der Krebs endlich erledigt sein würde. Dem war aber nicht so - beim CT Ende August zeigte sich, dass der Tumor im Mediastinum zwar kleiner geworden ist, ebenso der in der linken Lunge. Allerdings zeigte das PET, dass der Tumor in der Lunge immer noch aktiv war; und es zeigte auch Herde im Becken. In den Wochen zwischen dem erneuten Check war ich wieder in der Schweiz, um mit meinem Homöopathen zu sprechen und vereinbarte mit ihm, zumindest für die nächsten 12 Wochen (für die Dauer von 2 Kontrollzyklen) nur homöopathische Kur zu machen - falls nichts unvorhergesehenes passiert. Der nächste Check war dann vergangene Woche. Das CT zeigte eine „fragliche minimale Größenzunahme“ des Tumors in der linken Lunge, sowie eine unveränderte Größe des Tumors im Mediastinum. Die fraglichen „Strukturen im Becken“, wegen der vergangene Woche auch ein MR gemacht wurde, waren allerdings ebenfalls etwas größer. Naja, und natürlich zeigte dann das MR Strukturen, die sich am ehesten als Muskel/Fett-Infiltrate „im Zuge der Grundkrankheit“ deuten lassen. Das heißt auf gut Deutsch, ich habe auch dort Lymphome und bin somit „offiziell“ in das Stadium 3/B meiner Krankheit eingetreten. Das heißt, eigentlich war ich wohl schon seit letzten Herbst in diesem Stadium, weil „merkwürdige Strukturen“ und „aktive Herde“ gab‘s schon bei den ersten Checks letzten 124 Juli. Aber ich wurde damals als 2/B eingestuft. Naja, ist wohl auch ziemlich egal, denn an der Behandlungsmethode hätte es nichts geändert. Die Untersuchungsergebnisse von letzter Woche waren jedenfalls, auch wenn‘s vielleicht anders klingt, gar nicht so schlecht. Denn ich habe mittlerweile mehr als 2 Monate lang keine Chemo mehr gemacht. Und letzten Winter sind während einer eskalierten Chemo innerhalb weniger Tage ein neuer Tumor in der Lunge entstanden und der Tumor im Mediastinum gewachsen. Der nächste Check wird dann Anfang November sein. Da muss ich mich dann, je nach Untersuchungsergebnis, entscheiden, wie ich weitermachen will: sind die Tumore deutlich größer geworden, dann werde ich wohl oder übel mit der Chemo weitermachen müssen. Sind die Tumore gleich groß oder nur minimal größer, dann werde ich keine Chemo machen. Wenn die mir mein Mediastinum und mein Becken hart bestrahlen, dann schädigt das (ich zähl einmal auf, was mir spontan einfällt) Herz, Lungen, Thymusdrüse, Milz, Blase, Hoden, Darm, After (Schließmuskel). Und ohne Bestrahlung verringert sich die Chance auf eine Heilung ganz enorm. Vielleicht auf fast Null. Aber die Hochdosischemo würde auf jeden Fall enorm das Risiko erhöhen, an einem Folgekrebs (=Krebs als Folge der Behandlung) zu erkranken. Favorit ist hier vor allem Leukämie. Abgesehen von den diversen Hiobsbotschaften geht’s mir aber gar nicht so schlecht. Und die Hiobsbotschaften vernehme ich mittlerweile mit einiger Gelassenheit. Nicht weil ich so „verdammt cool“ bin, sondern weil mir ja eigentlich eh‘ 125 nichts anderes überbleibt... 06.10.2003: Wassereffekte in Maya Complete M omentan animiere ich gerade eine Power-Boat-Fahrt mit Partikelkollisionen, wenn das Boot aufs Wasser aufklescht. Ich hab das zuerst so gemacht: einfach eine NURBS-Ebene, und auf deren Basis einen Soft-Body, der gleichzeitig Emitter für Partikel ist. Und für die Partikelkollisionen habe ich einfach gesagt, „immer wenn die Unterseite vom Boot auf das Wasser aufklescht, dann sollen Partikel emittiert werden“. Das ist wieder einmal ein voller Sch**ß! - weil Maya macht nämlich nur an den Control-Vertices der Ebene bzw des Softbodies „Knoten“ für Partikel-Emission. Jetzt hätte ich entweder entlang des Pfades, den das Boot fährt, die Anzahl der Isoparms lokal erhöhen können - das ist aber keine schöne Lösung. Oder ich hätte eine „kleine Ebene“ erstellen können, und die unter das Boot legen, und mit dem Boot immer schön mitfahren lassen (das geht ganz einfach, dazu muss ich die Ebene nur in die „Boot-Gruppe“ reinziehen, praktisch wie ein File in einen Ordner). So hab ich‘s dann auch gemacht. Naja, das ist aber noch nicht alles. Dann muss man nämlich die Partikel auswählen, und die Kollisionsgeometrie (=das Boot), und zu Maya sagen „lass die Partikel nicht einfach durch die Geometrie durch, sondern lass sie mit der Geometrie kollidieren“. Und dann geschieht leider auch noch nichts! - DANN 126 muss ich die Animation „keyen“ (also über Keyframes erstellen) und anhand der Animation dann noch sogenannte Kollisionsevents erstellen. Erst dann werden bei jeder Kollision Partikel erstellt. Weil ich will ja so eine Art Gischt, die eben nur dann „aufgischtet“, wenn das Boot aufs Wasser klescht. Zuerst hat das Zeug noch wie verrückt herumgespritzt! - ich musste mich da erst noch ein bisschen herumspielen, bis das was wird:-) Also zum Beispiel die Lebensdauer der Partikel von „unendlich“ auf „bestimmte Zeitdauer“ setzen. Sonst kann man sich ja vorstellen, was passiert: nach 10 Sekunden schweben sämtliche Partikel, die jemals erstellt worden sind, im Bild herum. Und das sieht merkwürdig aus. Und außerdem rechnet meine Krücke dann noch länger als sonst:-) Leider habe ich ja nur die „Complete“ Version von Maya, und nicht die „Unlimited“ Version. Mit der „Unlimited“ Version hat man nämlich Features wie das „Fluid“-Modul und den „Ocean-Shader“ zur Verfügung. Da kann man dann aus dem Vollen schöpfen, was Wasser und Wassereffekte angeht! - zum Beispiel wurde das Wasser in „Der Sturm“ mit dem Maya Fluid-Modul realisiert. Ich muss mit meiner Version halt ein wenig tricksen. Aber mit viel Motion Blur wird‘s glaub ich nicht so stark auffallen - ich lasse nämlich die Kamera mit dem Boot mitrasen! 127 20.10.2003: Tron-Shader I ch laboriere leider momentan ziemlich stark an einer Grippe, die habe ich wahrscheinlich von meiner Lady erwischt. Außerdem rendere ich immer noch an meiner Powerboat-Sequenz herum. Mittlerweile verwende ich ein Emitter-Objekt, um die Partikel-Emission besser steuern zu können. Um den Ozean besser aussehen zu lassen, habe ich zusätzlich eine Displacement Map verwendet, und die Textur zusätzlich „total stark funkeln“ lassen, indem ich die spekulare Reflexion ganz hoch gestellt habe. Zusätzlich habe ich noch eine Wolkentapete auf eine riesige, gekrümmte Ebene in Art einer Kinoleinwand geklebt. Das merkt man im fertigen Clip eigentlich nicht, finde ich und jedenfalls sieht’s schon ganz OK aus (siehe Attachment). Ich hatte auch mehr zufällig noch in der Maya Online Hilfe einen Eintrag über Ramp-Shader gefunden, in dem stand, wie man Objekte mit Konturen renderen kann. Das musste ich natürlich sofort probieren. Konturen per Ramp-Shader funktionieren leider nur bei „runden“ Objekten! Also zum Beispiel einen eckigen „Recognizer“ könnte man auf diese Art nicht bauen – da hätte man dann anstatt den gewünschten eingefärbten Konturen einen ganz merkwürdigen Effekt, wo dann die Konturenfarbe auf der einen Seite „klebt“. Das hat damit zu tun, wie Texturen in U- und V-Richtung auf den Körper „geklebt“ werden. Ich habe auch noch ein Bild im sogenannten „Tron-Modus“ gerendert. „Tron-Modus“ ist ein Modus, wo praktisch über eine XYGrafik plus Objektkonturen noch „Solid-Color-Shading“ 128 drübergelegt wird. Ich hatte die wunderschönen Farbübergänge des Kultfilms „Tron“ immer bewundert und habe es jetzt geschafft, das in Maya nachzubauen: mit einem komplizierten Ramp-Shader, bei dem ich ein spekuläres Highlight verwende, das nicht einfach weiß ist, sondern einen schönen Farbverlauf aufweist, und zusätzlich auch auf maximale Größe gestellt ist. Das Geheimnis der schönen Farbübergänge bei Tron ist nämlich, dass die Objekte nur im Bereich der spekulären Highlights eine Farbe aufweisen – sonst sind sie komplett schwarz (mit Konturen und Kanten, also eben „XYGrafik mit Hidden Line Removal“). 129 24.10.2003: Alias Day in Wien I ch war gestern mit meiner Lady beim „Alias-Day“ und habe mir dort unter anderem die Version 5 von Maya angeschaut. Das Ding hat ein paar geniale Features, das genialste in meinen Augen ist aber die Hardware-Rendering Option. Mit bestimmten Grafikkarten kann man da nahezu in Echtzeit rendern! Also eine ziemlich komplexe Szene mit komplizierten Shadern und Beleuchtung hat das Ding in 4 Sekunden gerendet. Mit schneller Hardware, aber ohne Hardware-Rendering würde man halt ein, zwei Minuten zum Rendern benötigen. – genau das, was ich brauche! Ich habe ja lange überlegt von wegen neue Kiste anschaffen – aber momentan ist gerade „Hardware-Transition-Time“ und ich will noch mindestens ein Jahr zuwarten mit dem Kauf. Na jedenfalls dachte ich mir bei der Vorführung so auf die Art „Die Grafikdarstellung sieht wirklich gut aus, was hat denn der für eine geniale Kantenglättung, und sauschnell scheint die Kiste auch zu sein“. Ich habe dann nach der Vorführung den Typen gefragt, was er da für eine geniale HW hat. Der lachte nur und sagte so auf die Art, das sei eine stinknormale Kiste (2GHz P4), aber eben mit einer sehr guten Grafikkarte. Und da hatte ich die Erleuchtung!! – ich brauche keine neue Kiste, weil eine entsprechende Grafikkarte rendert hundertmal schneller als die schnellste CPU. Und das würde bedeuten, dass ich mir auch bei einer komplett neuen Kiste zusätzlich eine Profi-Grafikkarte kaufen müsste, und dann 130 würde ich ohnehin mit der Grafikkarte rendern, weil rein von der CPU-Speed würde das Rendern auch auf der neuen Kiste höchstens um einen Faktor 2 schneller werden. Aber mit Maya Hardware Rendering und einer Grafikkarte, die das Hardware Rendering unterstützt, geht das Rendering auch auf meiner Lahmarsch-Kiste sauschnell. Und auch das „normale Arbeiten“ geht dann superflüssig und wunderschön, weil die CPU im Prinzip nichts mehr zu tun hat und alles die GPU der Grafikkarte macht. Und so habe ich die Nerven weggeschmissen und mir die PNY Quadro4 750 XGL geordert, zusammen mit Maya 5.0 Complete (wo ich ja noch eine Upgrade-Option habe). Und zum „Drüberstreuen“ noch Adobe Aftereffects, dass ist ein geniales Tool von Adobe, mit dem man die in Maya generierten Bilder noch nachbearbeiten kann – im Prinzip so was wie Photoshop für Bewegtbilder. Das ganze war zwar kein billiges Vergnügen, aber das ist mir wurscht. Nein, im Ernst, ich kann’s mir gerade noch so leisten, bzw. eigentlich kann ich es mir natürlich nicht leisten, aber entweder ich denke positiv und sage mir, „ich werde wieder gesund und werde wieder einen Job haben und daher kann ich mir das leisten und es ist sinnvoll ausgegebenes Geld, weil ich irgendwie in diesem Tätigkeitsfeld arbeiten werde“ – oder ich denke negativ und sage mir „ich bin krank und habe keinen Job und daher kann ich es mir nicht leisten“. Aber letzteres ist, glaub ich, die falsche Einstellung. Weil wenn ich nicht wieder gesund werde, dann ist es auch wurscht, wie viel Geld noch auf meinem Konto ist, wenn ich abkratze. Außerdem hätte ich es auch übertreiben können und 131 mir die Unlimited Version von Maya 5 ordern können – um schlappe EUR 8.400,-!! Aber das wäre dann auch wieder übertrieben gewesen. Obwohl natürlich die Fluid-FX schon genial sind – der Typ gestern hat eine Szene gezeigt, wo ein Haifisch um ein Schlauchboot herumschwimmt, und die Finne macht geniale Wellen und überhaupt sind die Wellen absolut genial und das Schlauchboot tümpelt total realistisch auf dem Wasser herum. 132 01.11.2003: Computer-Troubles V orgestern hat der Rechner meiner Lady damit begonnen, sich alle paar Minuten von selbst herunterzufahren. Naja, ich wusste ja schon von meinem Bruder, was das ist, nicht wahr? – MSBlast! Nicht doch! – bei der Kiste meiner Lady war das nicht so einfach, da waren nämlich mehrere Viren und Würmer drauf (JS_Trafficbar.a, WORM_AGOBOT, MS_BLAST, A0024254.dll und noch ein Schatzerl namens „swen“). Und einer der Würmer machte auch das RegEdit-Programm sofort zu, wenn man es startete. Und ein anderer deaktivierte den Firewall. Und wieder ein anderer sendete über einen eigenen Mail-Client massiv emails. Und wieder ein anderer hätte jedes Anti-Viren Programm sofort abgewürgt. Meine Lady ist ja sehr stolz darauf, seit jeher schon auf Virenschutz und ähnliche Kinkerlitzchen komplett zu verzichten. Früher ist das vielleicht kein Problem gewesen, aber nun ist es halt so, dass es mit dem aktuellen (nicht-gepatchten) M$-Betriebssystem nur eine Frage von Minuten ist, bis man sich einen Trojaner oder Virus einfängt. Naja. Jetzt ging ich das so an: als erstes startete ich das Ding im abgesicherten Modus, so wollte ich verhindern, dass sich das Ding von selbst wieder herunterfährt. Das ließ sich aber auch im abgesicherten Modus nicht verhindern! – da half nur, so schnell als möglich, sobald das Herunterfahren startete, in der CMD-Box den Befehl „Shutdown –a“ einzugeben. Und dann lud ich das SP1 herunter – 129 MB. Das installierte ich, danach noch ungefähr 47 Patches. Beim nächsten 133 Start lief der Firewall wieder normal, und das „sich selbst Herunterfahren“ hatte auch aufgehört. Als ich dann allerdings noch einen Virusscan installierte, ging plötzlich keine Internetverbindung mehr, und auch die anderen Kisten in der Workgroup konnte ich nicht mehr sehen. Zusätzlich begann der Computer, alle paar Minuten mit Bluescreen abzustürzen! – ich hab dann im Internet gecheckt, und fand heraus, dass so was passieren kann, wenn ein bestimmter Cache überläuft, dessen Größe in der Registry auf 4000 Byte begrenzt ist. Und dieser Cache läuft bei Netzwerkproblemen innerhalb von ein paar Sekunden zu. Also hab ich den Cache einmal auf 65536 Byte hochgesetzt. Da hörte dann das Abstürzen einmal vorerst auf. Aber Internet und Netzwerk ging immer noch nicht! – also hab ich einmal im abgesicherten Modus mit Netzwerkunterstützung gecheckt – huch, da ging alles. Ich habe dann das Klumpert sein lassen, dachte aber bei mir, dass das Problem am Firewall des Virenscanners liegt. Der verscheißt irgendwie die TCP/IP-Settings. Ohne Virenscanner geht’s echt nicht, aber ich kann ja nicht gut von meiner Lady verlangen, dass sie ihre Kiste immer im abgesicherten Modus hochfährt – außerdem gibt’s dann ja auch keinen Virusscanner, weil da werden ja nur die allernotwendigsten Treiber geladen. Es war dann übrigens wirklich der Firewall des Virenscanners. Sobald ich den deaktiviert hatte, ging wieder alles. Jedenfalls hab ich gestern echt den ganzen Tag damit verschissen. Naja. Ich glaub ich warte nur mehr, bis Maya auf Linux kommt. Wird nur mehr 1-2 Jahre dauern. Dann wird 134 Windows dorthin entsorgt, wo es hingehört: in den Sondermüll. Naja, wenn ich solang noch lebe halt... 04.11.2003: Der Tumor wächst H abe stundenlang an der neuen „Etléa approaches Earth“ Szene herumgemurkst - ich habe mir überlegt, wie Etléa eigentlich entstanden ist - „every story has a beginning“ wie es so schön heisst! Zuerst überlegte ich mir, dass der Konus irgendwie aus einem Berghang herausgemeisselt worden ist. Aber dann dachte ich mir, na ja, das passt irgendwie nicht so recht. Und dann hatte ich die Idee: Etléa ist selbstverständlich aus dem Weltraum angekommen! Erstens passt das sowieso und zweitens kann ich da eine geniale „Approach-Sequenz“ machen. Na jedenfalls habe ich dann ewig an den Test-Images herumgerendert. Die Sequenz soll dann so gehen, dass ich die Kamera am Mond vorbeizoomen lasse, und man soll dann schon die Erde im Hintergrund sehen. Dann soll der Etléa-Konus vorbeirauschen, während die Kamera auf die Erde zurast, aber das Vorbeirauschen soll langsam gehen, so dass man spürt, dass das ein riesiges Ding ist. Und dann soll das Ding einen Schutzschild einschalte, um eine atmosphärische Bremsung vornehmen zu können. Dabei soll es natürlich am Terminator vorbeirauschen und die Bremsung findet dann klarerweise – von wegen gesteigerter Dramatik - über der nächtlichen Hemisphäre statt! Alle Textures hab ich von einer recht genialen Site: http:// www.oera.net/ - das war schon eine große Erleichterung, weil 135 sonst hätte ich alles selber malen oder zusammensuchen müssen. Na mal sehen, wie das wird:-) Bin übrigens heute beim CT gewesen. Der diensthabende Arzt erklärte sich bereit, die Bilder gleich anzusehen. Naja. Das Ding in meiner Lunge ist von 3 cm Größe auf 6x3.5 cm angewachsen. Das sind schon surreale Momente, wenn man so was hört... ich weiß auch nicht, wie das jetzt weitergehen soll. Wahrscheinlich werde ich um weitere Chemotherapie nicht herumkommen. Denn wenn das Ding so schnell weiter wächst, dann füllt es zu Weihnachten schon meine gesamte linke Lunge aus. 136 11.12.2003: Computer-Tschantschelwerk I ch bin ziemlich weitergekommen mit dem Etléa Animationen, indem ich die Kiste Tag und Nacht rechnen habe lassen und ich hoffe, dass ich heute noch das Compositing der Szenen mit Adobe After Effects fertig bekomme. Es fehlt dann zwar noch die „Earth Approach“ Szene, aber was soll’s! Ich bin besonders auf die neueste Szene stolz: da sieht man Etléa im weichen, goldenen Abendlicht, und dutzende Zeppeline fliegen im Airspace um Etléa herum. Ich hab ewig herumgefummelt, bis erstens die Wolken nach Wolken ausgesehen haben und bis zweitens die Lichtstimmung gepasst hat und bis drittens die Wolken keine merkwürdigen schwarzen Trauerränder mehr hatten. Da stimmt irgendetwas mit dem ParticleCloud Shader nicht, könnte sein, dass das ein Bug ist: immer dann, wenn man entweder eine Skysphere (eine riesige Kugel mit einer Himmelstextur) oder einen Environment Fog oder beides in einer Szene hat, und dann Partikel-Wolken rendert, dann haben die Wolken so einen merkwürdigen schwarzen Rand. Das sieht dann so aus, dass man im Prinzip eine Wolke mit Wolkenumriss hat, aber man hat auch einen schwarzen Rand rundherum, der den Rest bis zur Kugelform (also der Ausgangsform des Partikels) „ergänzt“. Sieht Scheiße aus. Das Merwürdigste ist aber, dass man den Rand wegbekommt, wenn man lange genug bei den Shader-Settings der Partikelwolke herumfummelt. Irgendwann verschwindet der Rand dann einfach. Kommt allerdings manchmal auch „einfach wieder zurück“. Hmmmmm... 137 Wie immer. Falls ich die Animationen fertig bekomme, werde ich das auf CD brennen. Es wird zwar nur ca. 50 Sekunden Etléa Animation und noch ca. eine Minute „andere Animationen“ sein, aber es ist einmal ein Anfang. Mittlerweile sind ein Paar „Weihnachts-SelbstschenkGoodies“ angekommen. „1080° White Avalanche“ für den GameCube hab ich jetzt einmal angespielt, und muss sagen, das es ganz OK ist. Grafik ist durchschnittlich, aber die Strecken sind ganz liebevoll gestaltet. Das Ding hat allerdings eine sehr merkwürdige „total variable Frame Rate“ – soll heißen, die Frame Rate schwankt ununterbrochen, wohl auch, weil ein paar nette grafische Effekte eingebaut wurden wie zum Beispiel PseudoMotion-Blur oder Schneeflocken, die auf der virtuellen Kameralinse landen und dann schmelzen. Naja. So gut wie der Vorgänger ist es aber schon, eigentlich sogar besser, weil es mehr Strecken gibt und diese Strecken wiederum jeweils aus vielen „Sub-Strecken“ aufgebaut sind. Ich spiele auch immer noch „Mario & Luigi Superstar Saga“ auf dem GBA. Das werde ich mir auch ins Spital mitnehmen. Das Spiel ist genial, kann ich uneingeschränkt empfehlen! Weiters eingelangt ist Fire Emblem für den GBA. Soll auch genial sein, ich hab’s aber noch nicht angespielt. Das werde ich auch ins Spital mitnehmen. Außerdem sind inzwischen die DVDs „Bruce Allmighty“ und „Terminator 3“ eingelangt. „Terminator 3“ hab ich ziemlich exzellent gefunden – schon ein düsterer, spannender Schinken:-) „Bruce Allmighty“ ist Lachen ohne Ende! – vor allem 138 in der englischen Sprachschicht. Wie Bruce den verhassten Rivalen vor laufender Kamera blamiert (der Typ ist Nachrichtensprecher), das ist fabelhaft komisch. Noch eine witzige Szene: wie Bruce nach seiner „Gottwerdung“ auf die LatinoGang trifft, die ihn tags zuvor verprügelt hat. Bruce legt also auf die Art los „Ich werde euch verzeihen, wenn ihr eure Sünden bereut und euch entschuldigt!“ – darauf lacht der Anführer der Gang dreckig und meint „Ich werde mich an dem Tag entschuldigen, an dem ein Affe aus meinem Arsch herauskommt“. Naja, einmal darf man raten, was dann geschieht!;-) Fast noch witziger ist aber eine alte DVD die ich mir jetzt wieder einmal angesehen habe: „The Emperor’s New Groove“ (Dt. „Ein Königreich für ein Lama“). Ist zwar ein DisneySchinken, aber wohl der frechste, beste und witzigste, den es gibt (sogar noch frecher als „Lilo & Stitch“). Der innerliche Dialog des superdämlichen „Kronk“ (Komplize der bösen Königsberaterin „Isma“, die den widerlich arroganten Jung-Yuppie König „Kusco“ eliminieren will) mit seinem „Schulter-Engel“ ist so witzig, dass ich am Boden gelegen bin. Must Dir aber selber ansehen, das kann man nicht gut erzählen. Am besten in der englischen Sprachschicht. Inzwischen hab ich auch den NTSC-Gameboy-Player (die PAL-Version ist ja natürlich nicht gelaufen auf meinem NTSC-GameCube). Ich hab das Ding natürlich sofort ausprobiert und bin recht begeistert!. Man kann zum Beispiel zwischen verschiedenen Blur-Versionen (Hard, Normal, Soft) wählen, um das GBA-Bild interpoliert darzustellen. Steuern kann man mit dem GameCube-Joypad. Ist halt ungefähr so 139 wie das Super-NES. Frisst übrigens sowohl PAL wie auch NTSC Gameboy Advance Module, und natürlich auch PAL wie NTSC Gameboy Module. Da kommt schon Freude auf. Ein nützliches Ding. 23.12.2003: Nach dem zweiten mini-BEAM W ar heute beim Blutcheck nach meinem zweiten miniBEAM und die Blutwerte waren glücklicherweise ziemlich OK (3.300 Leukos und 147K Plättchen). Ein kleines Wunder und ein schönes Weihnachtsgeschenk für mich. Naja, mal sehen, wie sich das weiter entwickelt, am Montag in einer Woche, also am 29.12.2003, muss ich noch einmal zum Blutcheck. Ich habe inzwischen einige Zeit mit Compositing in Adobe After Effects verbracht. Und ich glaube, dass dieser Aspekt der DCC (Digital Content Creation) jener ist, der in den Echtzeitgeräten noch am meisten fehlt. Hier geht’s vor allem um den Einsatz von raffinierten Filtern am fertig gerenderten Bildmaterial, um bestimmte Effekte zu erzielen. Ein typischer Effekt ist jener, wo man das Ausgangsmaterial einmal unverändert hernimmt, und in einer zweiten Spur einen Gauss’schen Weichzeichner drüberlässt und dann die total weichgezeichnete, aber von den Bilddaten ansonsten identische Spur per „Aufhellen“ mit der ursprünglichen Spur kombiniert. Das gibt dann einen weichen, warmen, einfach genialen „Schimmer“ um die Konturen aller Objekte. Ich glaube, dieses Verfahren ist so gut wie Standard bei allen CGI-Daten. In einem guten Compositing Programm ist aber (natür140 lich) noch viel viel mehr möglich. Was ich probiert habe, ist ein „Staub und Kratzer“-Filter, angewandt an einer dritten, vom Bildmaterial her identischen Spur (zusätzlich zur „Gauss’schen Schimmer“-Spur). Die so gefilterte Spur habe ich dann per „ineinander kopieren“ mit den anderen Ebenen kombiniert. Das Ergebnis sieht irgendwie „handgemalt“ aus – weich und organisch. Ein anderer Effekt, den ich auch ziemlich gut finde, ist der „Störungen HLS“-Filter. Damit kann man ein Bild erzeugen, dass aussieht wie mit billigstem, körnigsten Analogfilm aufgenommen. Alle diese Effekte lassen sich natürlich auch animieren – soll heissen, die Körnigkeit des „Störungen HLS“ Effekts lässt sich im Zeitablauf steuern, oder die Stärke des Gauss’schen Weichzeichners. So was müsste es halt in Echtzeit im Konsumerbereich geben! – und ich glaube, das wird es geben. Aber noch nicht bei der nächsten, sondern erst bei der übernächsten Generation von Videospielkonsolen. Sagen wir mal, so um 2008 herum. Im PC-Bereich wird’s in einem Zeitraum von sagen wir mal 5 Jahren wohl darauf hinauslaufen, dass die Animationsprogramme wie Maya ihre Grafik per Hardware-Rendering in Echtzeit, also mit 24 Frames pro Sekunde rendern – in einer Auflösung von 1280 x 720p (eben HDTV) in höchster Qualität mit allen Effekten. Im Compositing-Bereich wird man dann per EchtzeitCompositing das Bildmaterial bearbeiten und auch gleich per Echtzeit-Encoding in einen H.264/AVC-Strom umwandeln. 141 Ich glaube, dass es auch dann eine Trennung zwischen Rendering und Compositing geben wird. Ich glaube sogar, dass man eine Reihe von Effekten (wie zum Beispiel bestimmte Glüheffekte) aus dem Rendering komplett herausnehmen wird, um sie in das Compositing zu übertragen. Macht auch mehr Sinn. Aber gleichzeitig wird es auch eine bessere, wahrscheinlich nahtlose Integration zwischen Rendering und Compositing geben. Man wird also, glaub ich halt, eben nicht nur auf das ganze Bild, sondern auf bestimmte Teilbereiche des Bildes bestimmte Effekte anwenden können. 142 05.01.2004: Die Mondlandung nur ein Hoax? G estern war im Spiegel-TV so eine pseudo-wissenschaftliche Dokumentation, in der die sogenannte „MoonHoax“ („to hoax somebody“ = „jemanden einen Bären aufbinden“) Thematik behandelt wurde. War insofern interessant, als man sich beim Betrachten dieser Sendung zuerst denkt „ja Wahnsinn, das ist ja wirklich alles nur ein Fake gewesen!“, weil die „Beweise“ ziemlich überzeugend wirken. Ich habe dann sofort die Kiste angeworfen und im Internet gestöbert. Aber „Spiegel-TV“ hat sich, wie es scheint, geradezu unendlich blamiert! Dazu die folgende Abhandlung: Ich zähle zuerst die Argumente der „Moon-Hoax“ Vertreter auf, warum die Mondlandung „niemals stattgefunden haben könnte“, und dann die nüchterne Erklärung. Jedenfalls muss ich sagen, das war gestern die eindrucksvollste „Audiatur et altera pars“ Demonstration, die ich jemals erlebt habe! Die tödliche Strahlung des Van-Allen Gürtels „müsste die Astronauten in sabbernde, haarlose, todkranke Geschöpfe verwandelt haben.“ Und gegen diese tödliche Strahlung würde nur ein „mindestens 2 Meter dicker Bleischild“ helfen – und die Raumkapsel war „nur durch eine dünne Aluminiumfolie geschützt“. In Wirklichkeit hatte die NASA die Strahlungsproblematik jahrelang mit höchster Priorität behandelt. Und die Lösung war, die Kapsel auf einem ganz bestimmten Kurs und mit sehr hoher Geschwindigkeit (25 km/s) durch den tödlichen Strahlungsgürtel zu schicken. Dadurch waren die Astronauten nur etwa eine Stunde in dem Strahlungsgürtel und bekamen daher nur etwa eine Dosis 2 REM ab. Die 1 143 Messeinheit „REM“ sagt aber eigentlich nichts über die absorbierte Strahlungsdosis; die hängt wiederum von der Strahlungsquelle ab und wird in „rad“ oder „Gray“ gemessen. 1 rad = 1 REM x „Quality Factor“, wobei dieser „Quality-Factor“ für die meisten Strahlungsquellen gleich eins ist, als 1 rad gleich einem REM ist. Eine Ganzkörperbestrahlung von 2.5 - 3.0 Gy (Gray) innerhalb von 30 Tagen bewirkt in fünfzig Prozent der Fälle den Tod der bestrahlten Person. Nur zum traurigen Vergleich: ich soll nach der Chemo mit 20-40 Gray bestrahlt werden. Allerdings nur in einem eng begrenzten Gebiet und über einen mehr als doppelt so langen Zeitraum. Aber es klingt trotzdem wie ein Alptraum für mich... „Auf dem Mond gibt es nur eine einzige Lichtquelle, und das ist die Sonne. Daher müssten alle Schatten komplett dunkelschwarz sein, sodass irgendein Objekt, dass sich in einem Schatten befindet, auf keinen Fall erkennbar sein dürfte“. Und weiter „Auf den Mondfotos sieht man aber zum Beispiel Neil Armstrong, wie er aus dem Lunar Lander klettert, und sich dabei komplett im Schatten befindet – der Schatten wird aber von einem ‚Fülllicht’ aufgehellt, sodass man Armstrong und auch die ‚United States Of America’ Plakette auf dem Lander gut erkennen kann“. Und die „Moon Hoax“ Vertreter sagen dann weiter genüsslich „ja so ein Zufall, dass man auf allen Fotos die „United States of America“ Plakette auch in den Schatten immer gut erkennen kann“. Und „das Fülllicht, das ist mit einem Spot (einer zusätzlichen Lichtquelle) gemacht worden, weil sonst wäre der Schatte ganz schwarz. Probieren Sie das mit einem Ray-Tracing Programm, Sie werden sehen, dass dies so ist.“. Das ist aber alles Schwachsinn! – und Ray-Tracing ist schon lange nicht mehr Cutting-Edge144 2 Technologie – heute verwendet man „Radiosity“ Rendering, ein Verfahren, bei dem ein Photonen-Fluß simuliert wird, also quasi virtuelles Licht in die virtuelle Szene einfällt, von allen Objekten entsprechend reflektiert wird und dadurch verblüffend echt wirkende Licht- und Schattenverhältnisse ergibt. Und mit einem Radiosity-Rendering würde der Schatten auch ganz gleich aussehen, wie auf dem Foto, weil das Foto nämlich garantiert echt ist! Denn die Mondoberfläche ist hellgrau, und reflektiert das Sonnenlicht, und das reflektierte Sonnenlicht hellt den Schatten auf. Und die „United States of America“ Plakette sieht man deshalb so gut, weil es sich halt um schwarze Schrift auf weißem Grund handelt, und Die Farbe „Weiß“ reflektiert halt am besten das Licht. Die speziell für die Mondlandung angefertigte Hasselblad-Kamera verwendet eine sogenannte „Reseau-Platte“, eine Glasplatte, auf der ein regelmäßiges Muster von Kreuzen aufgedampft ist, damit man Fotos leicht zu Panoramafotos zusammensetzen kann. Die „Moon-Hoax“-Leute sagen nun: „bei manchen Fotos sieht man, dass die Objekte auf dem Foto die Kreuze verdecken! – das kann nicht sein!“. Jetzt würde man sagen „Schwachsinn, wenn das gefakt worden ist, warum hat man die Kreuze nicht einfach auch bei der FakeKamera verwendet“. Die Antwort der „Moon-Hoax“-Leute ist: „ja das ist so, da gab es einfach Leute, die waren sogenannte „Whistle Blowers“, die haben absichtlich solche Dinge in den Bildern eingebaut, weil sie zornig über die unmoralische Sache waren, die sie durchziehen mussten – und so hatten sie eine Hoffnung, dass irgendwann einmal jemand den Fake entdeckt“. Der Grund, warum die Kreuze durch manche Objekte verdeckt zu sein scheinen, ist aber ganz einfach: das 145 3 ist ein „normaler“ Film, der aus einem Negativ entwickelt wird. Und die Kreuze sind auf dem Objektiv und wirklich extrem dünn. Und daher ist es so, dass es auf dem entwickelten Film dann so aussieht, dass helle, vor allem weiße Flächen das Kreuz einfach überstrahlen. Und es ist tatsächlich so, dass dieses „Verschwinden“ der Kreuze nur bei weißen Objekten passiert. Übrigens war der verwendete Film ein unglaubliches Ding – ein von Kodak speziell entwickelter 70mm Film, und angeblich so gut, dass die kommerziellen chemischen Filme erst dreissig Jahre später dieselbe Qualität erreicht haben – also kurz bevor sie endgültig vom Markt verschwunden sind. „Auf den Fotos, die auf dem Mond gemacht worden sind, sieht man nie die Sterne!“ – Nun ja, die Mondoberfläche ist hellgrau, wird von der Sonne angeleuchtet und daher haben die Astronauten mit 1/250 Sekunde belichtet – da kann man auf dem Foto keine Sterne sehen. „Die Fotos, die die Astronauten gemacht haben, sind viel zu perfekt! – das hätten die in Wirklichkeit nie geschafft!“. Die Antwort ist simpel: die Astronauten haben gut 17.000 Fotos gemacht und von der NASA veröffentlicht wurden halt nur die 10%, die wirklich gut waren. Und die Astronauten haben außerdem jahrelang vorher mit der speziellen Hasselblad Kamera trainiert. „Wenn man die Filmaufnahmen von der Mondoberfläche mit doppelter Geschwindigkeit abspielt, dann sieht das plötzlich so aus, als wären die Aufnahmen auf der Erde gemacht worden.“ – Ja klar, und wenn man sie mit vierfacher Geschwindigkeit abspielt, dann sehen sie plötzlich so aus, als wären sie auf dem Jupiter gemacht worden... 4 5 6 146 7 „Die Bildqualität der Live-Übertragung, die ist so schlecht, das hat die NASA absichtlich gemacht, damit man den Hoax nicht erkennt“. Tatsächlich war es so, dass die NASA zwar die beste Technologie hatte, aber damals war eine tragbare Videokamera, auch wenn sie mit unlimitiertem Budget für die NASA entwickelt wurde, einfach ein vergleichsweise primitives Ding. Die damals verwendete Kamera konnte 320 Linien auflösen, und das bei 10 Bildern (progressive Scan) pro Sekunde. Das war damals sicher ein geniales Meisterwerk! – aber es lief dann darauf hinaus, dass die Fernseh-Sender die Bilder von der Mondoberfläche von den Monitoren der NASA abfilmen musste, weil es einfach (aus technischen Gründen) keine andere Möglichkeit gab, „live“ an das Bildmaterial heranzukommen. „Man sieht auf verschiedenen Bildern dieselben Hintergründe, obwohl sie von ganz verschiedenen Orten aus aufgenommen wurden“. Auf dem Mond trügen Entfernungen, und so kann es sein, dass ein Gebilde, das wie ein Hügel in ein paar hundert Meter Entfernung aussieht, in Wirklichkeit ein fünf Kilometer hoher Berg in 40 km Entfernung ist. Diese Fotos zeigen also keine Kulissen, sondern beweisen (durch Triangulierung), dass es sich eben um echte Mondlandschaften handelt. „Die Astronauten wären bei den Temperaturen von 250°C im Sonnenlicht auf der Mondoberfläche gegrillt worden.“ Tatsächlich herrscht dort ja ein Vakuum, und die einzige Wärme entsteht daher durch die Einstrahlung selbst. Daher waren die Raumanzüge weiß – sie reflektierten dadurch die meiste Wärme zurück. Die „Moon-Hoax“-Leute argumentieren weiter: „eine Wasserkühlung kann im Vakuum 147 8 9 nicht funktionieren! Denn wie soll das heiße Wasser im Vakuum gekühlt werden?“. Naja, das funktionierte so: das erhitzte Wasser wird durch Kühlschläuche gepumpt. Auf diese Kühlschläuche wird extern, also im Vakuum, Wasser gesprüht und friert dort natürlich sofort. Das erhitze Kühlwasser im Schlauch schmilzt dieses gefrorene Wasser außen auf dem Kühlschlauch. Da im Vakuum der Siedepunkt von Wasser extrem niedrig ist, beginnt das externe Wasser sofort zu kochen und verdampft, dabei sinkt der Wasserdruck und die Temperatur extrem ab, und dabei wird die Hitze des erhitzten Kühlwassers „mitgenommen“. Auf dieselbe Weise funktionieren Aerosol-Sprays: der Druckunterschied zwischen dem (durch den hohen Druck verflüssigten) Inhaltsstoff in der Spraydose und dem beim Sprühen verdampften Inhaltsstoff bewirkt eine starke Abkühlung. „Der Film in den Hasselblad Kameras wäre geschmolzen, weil es auf dem Mond 250°C hat“. Tatsächlich (siehe letzter Punkt) herrscht auf der Mondoberfläche ein Vakuum. Die Kameragehäuse waren silbrig lackiert, strahlten also einen Großteil der Hitze zurück. Und außerdem waren die Filme keine „normalen“ Supermarkt-Filme, sondern ziemlich geniale, von Kodak ganz speziell angefertigte Teile, die erst so bei 200°C weich geworden wären. „Die United States Of America“ Flagge weht im Wind, dabei weiß doch jeder, dass es auf dem Mond keine Luft und daher keinen Wind gibt”. Die Erklärung ist ganz einfach: die Flagge hatte oben eine horizontale Stange eingebaut, sonst wäre sie im Vakuum schlaff heruntergehangen, und das hätte dann doch nicht so gut ausgesehen. Und der Boden war unter der dünnen Staubschicht ziemlich hart, und 148 10 11 daher mussten die Astronauten das Ding hin und herdrehen, während sie sich bemühten, es im Boden fest zu verankern. Und deshalb sieht es dann so aus, als würde eine Brise die Flagge bewegen. Naja, was soll ich sagen. Ich glaub nicht, dass die NASA mit der damals zur Verfügung stehenden Technologie so perfekt hätte fälschen können. Das wäre selbst heute nicht möglich. Und außerdem haben damals fast eine Million Menschen für die NASA gearbeitet. Es wäre unmöglich gewesen, so vielen Menschen einen Maulkorb zu verpassen. Irgendeiner hätte *immer* geredet. Weil irgendjemand braucht *immer* noch mehr Geld. Soviel Gehalt kann man gar nicht zahlen: die geforderte Geldsumme wäre immer G=(Gehalt + X). Wobei „X“ abhängt von den teuren (weil perversen, oder weil seltenen oder weil personalintensiven) Neigungen oder von den anhängigen Unterhaltszahlungen oder den anhängigen Spielschulden im Kasino ...etc etc. Mehr Details findet man hier: http://www.redzero.demon.co.uk/moonhoax/ 07.01.2004: Maya und Metroid Prime I ch bereite gerade eine neue Maya Szene vor: da sollen zwei Jets zuerst in Formation fliegen, und dann soll plötzlich einer abdrehen und bis zum Meer hinunterfliegen, wo ihm ein Powerboot entgegenkommt. Problem dabei ist wie in der Realität: der Jet fliegt verdammt schnell in die eine Richtung, und das Powerboot ist auch nicht gerade langsam und fährt in genau die andere Richtung. Resultat ist, dass ich beide Objekte auch mit viel Tricksen 149 nur so etwa 4 Frames gemeinsam auf einem Bild habe... na ja, werde ich halt in Zeitlupe (By Frame = 0.05, das würde 20facher Zeitlupe entsprechen) rendern. In letzter Zeit habe ich einige Zeit mit dem GameCube Spiel „Metroid Prime“ verbracht. Das Spiel ist wirklich genial. Ein würdiger 3D Nachfolger von „Super Metroid“. „Super Metroid“ habe ich so in Erinnerung, dass es sich durch extrem liebevolles Level-Design auszeichnete. Es gab vor allem immer wieder etwas neues zu entdecken, auch in vermeintlich „bekannten“ Räumen, weil man immer wieder neue Extras für den Anzug und neue Waffen verpasst bekam. Mit dem „Röntgenblick“ entdeckte man dann immer noch einen verborgenen Gang. Der Soundtrack war auch genial - da gab es doch so einen Pseudo-Chor in den Magma-Levels, wenn ich mich recht erinnere. Und es gab geniale, supergroße und superschwer plattzumachende Endgegner. Ich muss das Spiel direkt mal wieder anspielen... Wie immer! - alle diese Eigenschaften wurden jedenfalls wie durch ein Wunder in eine 3D-Version hinübergerettet! „Metroid Prime“ ist natürlich schon ein wenig anders aufgebaut als sein klassischer Vorgänger - das ergibt sich zwangsläufig aus der 3D-Perspektive. Auf den ersten Blick erinnert das Spiel an einen FPS (First Person Shooter). Aber das trügt, das Spiel ist nämlich eher so was wie ein „First Person Adventure“ - und das ist auch die „offizielle“ Genrebezeichnung von Nintendo für „Metroid Prime“. Durch dumbes Ballern kommt man in diesem Spiel nicht sehr weit - man muss ziemlich viel Suchen und „Scannen“. Ohne Scannen geht gar nichts. 150 Die Levels sind mit großer Liebe zum Detail und auch mit großer Liebe „zur Spaß an der Freude“ gestaltet worden. Soll heißen, sie sind nicht nur von der Gestaltung wundervoll gelungen, sondern auch sehr stimmig und atmosphärisch gemacht. Die Levels sind auch ziemlich riesig und anfangs sehr verwirrend - aber nach einiger zeit bzw. mit einiger Übung findet man sich dann gut zurecht. Der Soundtrack ist ebenfalls eine würdige Erweiterung des „Super Metroid“ Soundtracks - ich finde ihn ziemlich genial. Die Steuerung ist auch recht gelungen gestaltet worden und nützt das GameCube Gamepad gut aus. Sieht zuerst nach Standard-Steuerung aus, so in der Art „mit analogem Stick gehen, mit ‚A‘-Button feuern, mit ‚B‘-Button Springen. Aber es sind dann auch einige ungewöhnliche Erweiterungen gegenüber einer „normalen“ FPS-Steuerung eingeführt worden: mit dem linken Schulter-Button kann man eine „AutoLock-on“ Funktion aktivieren - Zielen erübrigt sich dadurch. Glaub mir, das ist ganz gut so, es geht in diesem Spiel nicht um zielgenaues Ballern, sondern um Denken, Kombinieren und vor allem Entdecken. Wie immer - mit dem rechten Schulter-Button kann man in Verbindung mit dem analogen Stick „herumschauen“. Das lässt sich dann natürlich auch mit der „Auto-Lock-on“ Funktion kombinieren. Ich spiel‘s jedenfalls mit wachsender Begeisterung und kann das Teil wirklich nur empfehlen. Habe selten so ein gelungenes Spiel gespielt! 151 14.01.2004: Der aktuelle Status I ch war gestern wieder beim Kontroll-CT, wobei sich folgendes zeigte: der Tumor im linken Oberlappen ist zwar nicht kleiner geworden, zeigt sich aber eine wesentliche Verringerung der Dichte – was laut Dr. Hopfinger bedeutet, dass der Tumor „durch die Chemotherapie stark getroffen wurde“. Der Tumor im Mediastinum ist in der Größe und Dichte ungefähr gleich geblieben (ich bin der Meinung, dass der ohnehin seit einiger Zeit „tot“ ist. Der haselnussgroße Tumor anterior im linken Oberlappensegment hat sowohl an Größe als auch an Dichte abgenommen. Laut Herrn Dr. Hopfinger bedeutet dies alles, dass das mini-BEAM Protokoll weiterhin gute Wirksamkeit zeigt. Ich werde also nächste Woche einen weiteren mini-BEAM verpasst bekommen. Am Dienstag wurde auch ein kompletter Blutcheck gemacht. Der zeigte wunderbarerweise, dass meine Harnsäurewerte sowie meine Cholsterinwerte alle wieder im Normbereich sind. Wie so was möglich ist, weiß ich nicht. Ich füge Ihnen jedenfalls ein Digitalfoto des Befundes an. Seit vorgestern nehme ich wieder Phosphor ein, habe aber keinerlei Änderungen gespürt, weder physisch noch psychisch – dazu muss ich sagen, dass die schwere Depression und sonstige Zustände, die ich nach dem Absetzen von Phosphor gespürt hatte, nach einem Tag oder so vergangen waren. Was ich sagen will, ist: es ist mir im Prinzip nicht schlecht gegangen, als ich das Phosphor abgesetzt hatte (mit Ausnahme 152 des zweiten „mittellosen“ Tages), und es geht mir jetzt auch nicht schlecht, wo ich es wieder einnehme. Ich habe momentan so eine Art leichten grippalen Infekt, mit starkem Schnupfen und ein wenig erhöhter Temperatur; ich hoffe nur, dass der sich bis nächsten Montag wieder halbwegs gibt, sodass ich pünktlich die Chemo antreten kann. Der grippale Infekt ist aber „meine Standardkrankheit“: zuerst einen Tag Halsweh, danach etwa 4 Tage starken Schnupfen – insofern also kein großer Grund zur Beunruhigung. Das habe ich schon, seit ich 16 Jahre alt bin, immer wieder (vor allem im Winter). Herr Dr. Hopfinger hat sich am Dienstag auch die Schwellung beim Steißbein angesehen und Entwarnung gegeben: das sei nur eine leichte Entzündung, nichts weiteres, aber ich solle das halt weiterhin beobachten. Die Schwellung bzw. die Schmerzen sind seit letztem Donnerstag, seit sie am schlimmsten waren, kontinuierlich besser geworden – und ich habe auch keinen Unterschied gespürt, als ich das Phosphor wieder einnahm. Der Plan für die Zeit bis zum Sterilzimmer sieht also so aus: Vom 19.01.2004 bis etwa 24.01.2004 mini-BEAM Zyklus 3 Danach einige Blutchecks. Etwa in der Woche vom 23.02.2004 bis 27.02.2004 kompletter Check (Kieferröntgen, Lungenröntgen, Atemfunktion, Blut etc etc) Ab 01.03.2004 Sterilzimmer. 153 29.01.2004: Visionen aus der Hölle I ch war heute wieder einmal beim Blutcheck – und die Blutwerte waren unglaublicherweise tadellos gut. Ich hatte nach meinem dreizehnten Zyklus bzw. nach meinem dritten miniBEAM am Tag 10 (dem rechnerischen Nadir der Blutwerte) nicht weniger als 4.200 Leukos und 117K Thrombos. Das ist unglaublich – diesmal hatte selbst ich damit gerechnet, dass ich mindestens ein Thrombo-Konzentrat benötigen würde sowie Neupogen spritzen werde. Als „Watsch’n“ skizzierte mir dann allerdings Dr. Filiz „Bilder aus der Hölle“ – indem er meine Fragen zum Sterilzimmer bzw. zum BEAM-Protokoll beantwortete. Dr. Filiz ist im Hanusch Spital der für das Sterilzimmer zuständige Arzt. Ich meinte zu ihm so auf die Art „na ja, ich habe gerade meinen dreizehnten Zyklus überstanden und habe am Tag 10 noch 4.200 Leukos, dann wird das im Sterilzimmer doch auch gehen?“. Darauf schaute er mich so an als ob er überlegen würde, ob ich jetzt einen Scherz machen würde, und sagte dann locker „Die Chemo, die wir Ihnen geben, wäre ohne Stammzellentransplantation tödlich“. Und dann legte er erst richtig los! keine Kontaktlinsen im Sterilzimmer. So ein Scheiß. Jetzt kann ich in Graz noch eine neue Brille machen lassen... wochenlanger Durchfall dadurch, dass sich die Darmschleimhaut entzündet und die Darmflora abgetötet wird schmerzhafteste Entzündungen der Mundschleimhaut (die teilweise mit Schmerzmitteln bis hin zu Morphium behandelt werden) möglicherweise Entzündung der Bindehaut (des Auges oder der Augen). Garantiert freiwilliges wochenlanges Fasten, weil man mit der entzündeten Mundschleimhaut nichts essen kann. Extremste Übelkeit durch das BEAM-Protokoll. 154 täglich sechs mal Mundspülung mit verschiedenen Antibiotika und Antimykotika Dauerinfusion mit Aminosäuren, Vitaminen, Flüssigkeit und bei Bedarf intravenöser Ernährung Aplasie ab Tag 0 (die haben so ein merkwürdiges Zeitschema für das Sterilzimmer, das beginnt mit „Minus 8“, und „Null“ ist der Tag der Stammzellentransplantation) bis etwa Tag 10/12. Wie er so erzählte, spürte ich direkt, wie ich mich aus meinem Körper herauslöste und quasi „meinen guten Freund Carl“ beim Gespräch mit dem Arzt aus der Hölle zusehe. In so einem Moment merke ich, wie ich einfach „zumache“ und irgendwie denke „was ist das für ein schlechter Film, da muss man ja fast schon wieder lachen drüber, wie sich der Drehbuchautor ausspinnt“. Ich fragte dann noch, ob ich meine Acrylfarben mitnehmen könne. Er lächelte milde und meinte, mitnehmen könne ich die schon, und vielleicht könne ich auch in den ersten paar Tagen malen. Aber danach wäre mir garantiert nicht nach Malen (sondern nur nach Notschlachtung). 155 01.02.2004: Kleine Einführung in die nordische Mythologie I m Gameboy Advance Spiel „Fire Emblem“, bin ich jetzt im letzten Level, und da gibt’s einige „ultimate Weapons“ zu gewinnen. Eine davon ist ein Zauberspruch namens „Fimbulvetr“, ein Name, der mir ad hoc nichts gesagt hat. Der begleitende Effekt bei diesem Spell ist so eine Art „Eis-Tornado“, gefolgt von einem riesigen Eisblock, in den der/die Angegriffene eingehüllt wird. Ich hab dann im Internet geschaut, und so nach und nach im Laufe des heutigen Nachmittags die gesamte nordische Mythologie aufgearbeitet; der beste Link dazu ist ebendieser: http://www.sungaya.de/schwarz/germanen/germanen.htm „Fimbulvetr“ (auch „Fimbulwinter“ genannt) ist der dreijährige Winter, der dem „Ragnarok“ (dem Ende der Welt) vorausgeht. Nach den drei Wintern wird sich die Midgardschlange ins Meer wälzen, dadurch wird das Totenschiff „Naglfar“ flott, und mit dem Totenschiff kommen die Feuergiganten unter der Führung des Feuerriesen „Sutr“ aus dem feurigen „Muspelheim“. „Naglfar“, das Totenschiff, ist erbaut aus den Nägeln der Verstorbenen, und es ist das größte aller Schiffe. Um die Ankunft von „Naglfar“ zu verzögern, war es früher Brauch, den Toten die Nägel zu schneiden! Das beste aller Schiffe ist „Skidbladnir“. Es ist kleiner als „Naglfar“, aber groß genug, dass alle „Asen“ vollbewaffnet in ihm Platz finden. Der Gott „Loki“ hat es den „Asen“ beschafft, und das kam so: 156 Die Göttin „Sif“ war die Gattin des „Thor“. „Sif“ war besonders berühmt für ihr goldenes Haar, das Zwerge gefertigt hatten. Der Gott „Loki“ rühmt sich eines Ehebruchs mit ihr. Einmal hatte „Loki“ der „Si“ hinterlistig das Haar geschoren. „Thor“ zürnte und zwang „Loki“, der „Sif“ von den Zwergen neues Haar machen zu lassen, das wie echtes wachsen müsse. „Loki“ begab sich darum zu den Söhnen des „Dvergr Ivaldi“ nach Schwarzalfenheim und erhielt für die „Sif“ goldenes Haar, dazu das Schiff „Skidbladnir“ und den Spieß „Gungnir“. Die „Asen“ sind das bestimmende Göttergeschlecht: „Odin“ ist der älteste und vornehmste der Asen, „Thor“, „Baldur“, „Niördr“, dessen Sohn „Freyr“, „Tyr“, „Bragi“, „Heimdall“, „Hoedur“, „Widar“, „Wali“, „Uller“, „Forseti“ und „Loki“ sind ebenfalls „Asen“. Asinnen sind „Frigg“, „Saga“, „Eir“, „Gefion“, „Fulla“, „Freyja“, „Siöfn“, „Lofn“, „Wara“, „Syn“, „Hlin“, „Snotra“ und „Gna“, außerdem „Sol“ und „Bil“. Die „Asen“ sind, wie die Menschen, der Zeit unterworfen. Sie altern und müssen daher von den Äpfeln der „Idun“ essen, um ihre Jugend zu erhalten. Ihr Wohnsitz ist die Himmelsburg „Asgard“. In der germanischen Mythologie ist „Idun“ die Göttin der Jugend und der Fruchtbarkeit. „Idun“ gehört zu den „Asen“ und ist eine Tochter des Zwerges „Ivaldi“, dabei jüngste von dessen älteren Kindern. Sie ist die Gattin des Dichtergottes „Bragi“. Sie besitzt und hütet in einem ganz im Westen gelegenem Apfelland mit Jungbrunnen die goldenen Äpfel, von denen 157 die „Asen“ regelmäßig essen müssen, um bis zur Zeit von „Ragnarök“ ewige Jugend zu behalten. Einmal hatte der Riese „Thjazi“ die „Idun“ entführt. Ohne ihre Äpfel begannen die Götter zu altern, bis endlich „Loki“ die Entführte befreite. Ihre Herrschaft über die Welt errangen die „Asen“ im ersten Krieg, dem Götterkampf zwischen „Asen“ und „Vanen“. Nach dem Friedensschluß übergeben sie den „vanen“ als Geiseln „Hoenir“ und „Mimir“, umgekehrt gelangen der Meergott „Njörd“ und seine Kinder „Freyr“ und „Freya“ zu ihnen nach „Asgard“. Die „Vanen“ gelten als ältere, später von den kriegerischen „Asen“ verdrängte skandinavische Gottheiten, friedliebende Naturgeister denen die Pflege von Feldern und Äckern oblag. Wohnort der „Vanen“ ist „Vanaheimr“. Der Gott „Heimdall“, eine Art Wächtergott, der auf dem Himmelsberg „Himinbjorg“ wohnt, bläst in sein Horn „Gjallar“, wenn er das Totenschiff „Naglfar“ erblickt. Zum Gott „Heimdall“ habe ich was interessantes gefunden: Heimdall ist Sohn von gleich neun Müttern, den „Aegirstöchtern“ und von „Odin“, dem höchsten Gott der Asen. Er hat als „Rig“ 3 Söhne gezeugt, und zwar „Thrall“, „Carl“ und „Earl“: die repräsentieren die 3 Klassen der Menschheit: „Thrall“ steht für „Sklave“, „Carl“ steht für „Freeman“, „Earl“ steht für „Nobleman“. „Ragnarök“ bedeutet das Ende der bisherigen Welt. Dem allgemeinen Untergang fallen nahezu sämtliche Götter, Riesen und Menschen zum Opfer, ehe eine erneuerte Welt des Friedens beginnt. 158 Nach dem gewaltsamen Tode „Balders“ kündigt sich Ragnarök durch Vorzeichen an: Der gewaltige Winter „Fimbulvetr“ läßt die Welt gefrieren, ihm folgt der durch „Surtr“ ausgelöste Weltenbrand, die Erde versinkt in einer durch die „Midgardschlange“ ausgelösten Überschwemmung, die Sonne verfinstert sich. Der eigentlich Kampf sieht dann so aus: Die Feuerriesen werden den Stamm der „Yggdrasil“ entzünden, „Heimdall“ bläst auf dem Horn „Gjallar“ Alarm, „Odin“ berät sich mit dem Kopf des „Mimir“. „Mimir“ ist ein nordgermanisches Weisheits- und Orakelwesen und weiser Riese. „Mimir“ hütet an der zweiten der drei Wurzeln von „Yggdrasil“ die Quelle „Mimisbrunnr“. Jeden Morgen trinkt „Mimir“ aus seinem Brunnen, der Quelle von Weisheit und Verstand ist, Met, wobei das „Gjallarhorn“ Trinkgefäß ist. Daher ist er das weiseste aller Lebewesen. Um selbst einen Trunk aus diesem Brunnen zu erhalten, hatte ihm der „Ase“ „Odin“ eines seiner Augen verpfändet. Nach Beendigung des Asen-Vanen-Krieges begab sich „Mimir“ gemeinsam mit „Hoenir“ zu den „Vanen“. Die aber schlugen „Mimir“ das Haupt ab und sandten es zurück an die „Asen“. „Odin“ schützte das abgtrennte Haupt mit Kräutern vor Verwesung und erhielt ihm durch Zauber die Sprache. „Hoenir“ ist in nordischer Mythologie ein Meer- und Wassergott, Wolkengottheit, Frühlings- und Jahresgott und Herr der Schwäne und einer der „Asen“. Der langbeinig gedachte „Hoenir“ (er wird auch „Vili“ genannt) erschuf zusammen mit seinen Brüdern „Odin“ und dem Feuer- und Fruchtbarkeitsgott „Lodur“ (Ve) das erste Menschenpaar „Askr“ und „Embla“. 159 Er gab diesen den klaren Verstand, in manchen Mythen auch die Stimme. Zusammen mit „Odin“ und „Loki“ unternahm „Hoenir“ einst eine Ausfahrt, die Welt kennenzulernen. Bei dieser Fahrt tötete „Loki“ einen Otter, was zum Grund für den verfluchten „Nibelungenhort“ wurde. Der „Niflungenhort“ ist der sagenhafte Goldschatz der Nibelungen, der mit einem Fluch beladen ist. Diesen Hort besaß einst der Zwerg „Andwari“. Als der Gott „Loki“ einen Otter getötet hatte, der sich als Sohn des „Hreidmar“ entpuppte, mussten sie diesem Wehrgeld zahlen. „Hreidmar“ ist ein Riese der nordischen Mythen. Er ist der Vater dreier Söhne namens „Otter“, „Fafnir“ und „Regin“ sowie zweier Töchter namens „Lyngheid“ und „Lofnheid“. Weiter mit dem „Nibelungenhort“: Die „Asen“ fingen den „Andwari“, der als Hecht in einem Gumpen lebte, und „Loki“ nötigte ihm seinen Schatz ab. „Andwari“ hätte den Schatz wiederherstellen können, wenn ihm nicht „Loki“ nicht auch noch den Ring „Andwaranaut“ abgenommen hätte, wofür „Andwari“ den Schatz verfluchte. Diesen Fluch traf sogleich den Riesen „Hreidmar“. Der wollte seinen Söhnen „Fafner“ und „Regin“ keinen Anteil vom erhaltenen Wehrgeld zahlen, weshalb „Fafner“ ihn tötete und auch dem „Regin“ mit Mord drohte. „Fafner“ verwandelte sich in einen Lindwurm und ließ sich auf der „Gnitaheide“ mit diesem Drachenhort nieder. Den Schatz nahm ihm aber der „Sigurd“ ab. Den hatte der 160 „Regin“ aufgezogen und veranlaßt, sich den Hort zu erwerben. Nach „Sigurds“ Tod gelangte der Schatz von den „Niflungen“ zu „Gunnar“ und „Högni“. „Gunnar“ ist der Sohn der „Grimhild“ und des „Giuku“, seine Geschwister sind „Gudrun“ und „Högni“, ein Stiefbruder ist „Gutthorm“. Ihn liebte „Oddrun“, die Schwester des „Atli“, doch wurde seine Frau „Brynhild“. Die gewann er durch List mit Hilfe des „Sigurd“, der diesen Dienst später mit seinem Leben büßen mußte. Als daraufhin auch „Brynhild“ den Tod wählte, wurde „Glaumwör“ zweite Frau des Gunnar. Weiter mit „Ragnarok“: Im Meer tobt die „Midgarschlange“, durch die Überschwemmungen kann das Schiff „Naglfar“ in See stechen, unter Führung des „Loki“ segeln „Muspels“ Söhne von Osten her, dazu die wilden Riesen, aus dem Süden kommt der Feuerriese „Sutr“. „Yggdrasil“ ist in der germanischen Mythologie der Weltenbaum, der alle neun Welten berührt und im Zentrum von „Midgard“ steht. Diese Esche ist der größte und beste aller Bäume, sie verknüpft Himmel, Erde und Hölle „Hel“. Ihre Krone überragt den Himmel „Asgard“, ihre Äste und Zweige treiben durch die ganze Welt bis „Utgard“ und ihre drei Wurzeln dringen zu den „Hrimthursen“, nach „Niflheim“ und zu den „Asen“. Am „Yggdrasil“ hing „Odin“ neun Nächte lang und erwarb durch dieses Selbstopfer die Runen. „Yggr“ ist einer der vielen Namen des „Odin“. 161 In der germanischen Mythologie ist „Hel“ zum einen das Totenreich unter den Wurzeln Yggdrasills, zum anderen Name der Todesgöttin selbst. Die Todesgöttin „Hel“ ist eine Tochter der Riesin „Angrboda“ und des „Loki“. Ihre Geschwister sind die „Midgardschlange“ und der „Fenriswolf“. „Hel“ wird geschildert als halb schwarze, halb weiße Göttin, welche die Seelen der auf dem Lande und an Krankheit verstorbenen im Empfang nimmt und unerbittlich festhält. Auf ihrem dreibeinigen, grauen Totenpferd „Helhesten“ soll „Hel“ die Toten holen und nach „Nifelheim“ bringen. „Hel“ liegt in der Unterwelt „Niflheim“. Das Überschreiten des Gatters der Brücke „Gjallarbru“, die über den Fluß „Gjöll“ führt, bedeutet ewigen Abschied. Ein Hund hält hier Wache, sein Name ist „Garm“. Weiter mit „Ragnarok“: Es kommt zum Kampf. „Odin“ fällt gegen den „Fenriswolf“, den der Rächergott „Widar“ (nach „Thor“ der stärkste „Ase“) tötet, der Vanengott „Freyr“ kommt durch den Feuerriesen „Sutr“ um. „Thor“ erschlägt mit seinem Hammer „Mjolnir“ die „Midgardschlange“, stirbt aber an ihrem Gift. Der Kriegsgott „Tyr“ und der riesige Totenhund „Garm“ der Todesgötting „Hel“ bringen einander um, „Heimdall“ stirbt durch „Loki“. Schließlich verfinstert sich die Sonne, das Land versinkt vollends im Meer, Feuer steht am Himmel. Aber „Ragnarök“ bedeutet nicht das völlige Ende. Denn aus dem Meer wird eine neue Welt auftauchen, die verbliebenen „Asen“ sammeln sich auf dem „Idafeld“ und finden im 162 Grase die Goldenen Bälle. Nun hebt ein neuerliches Goldenes Zeitalter an, Äcker tragen von selbst, der Lichtgott „Baldur“ kehrt zurück und ist mit „Hödur“ versöhnt. „Hödur“ ist ein blinder Gott, der die Menschen nicht nach äußer Erscheinung beurteilt, sondern nach ihren inneren Werten. „Hödur“ ist Sohn „Odins“ und der „Frigg“. Seine Brüder sind „Baldur“ und „Hermodhr“. Versehentlich tötete „Hödur“ seinen Bruder „Baldur“ mit einem Mistelzweig, wie es die „Wölwa“ (Seherinnen) vorhergesagt hattne. Dazu hatte ihn „Loki“ angestiftet. Eigentlich hätte „Baldur“ gegen alle Gefahren gefeiht sein sollen. Das erprobten die „Asen“ und schossen, im Kreis um den „Baldur“ herum stehend, auf ihren Liebling, der unverletzt blieb. Einzig die Mistel (Mistiltein), die östlich von Walhall wuchs, konnte ihn noch gefährden. „Loki“ beschaffte sich einen solchen Mistelzweig und gab ihn dem blinden „Hoedur“, der damit zum Entsetzen der umstehenden „Asen“ den „Baldur“ durchbohrte. Mit dieser Tat nimmt übrigens das „Ragnarök“ seinen Lauf. Die Tat rächt sein Halbbruder „Vali“, kaum, daß er geboren ist, doch nach „Ragnarök“ werden sich „Hödur“ und „Baldur“ wieder versöhnen. Als einziges Menschenpaar überleben „Lif“ und „Lifthrasir“ in „Hoddmimirs Holz” und begründen ein neues Menschengeschlech. Auch die Sonne wird neu scheinen, denn ehe die Göttin „Sol“ vom Wolf „Fenrir“ gefressen wird, kann sie noch eine Tochter gebären. Auch „Widar“ und „Wali“ werden überleben, ebenso „Modi“ und „Magni“, die von ihrem Vater „Thor“ dessen 163 Hammer „Mjolnir“ erben werden. Auch von den finsteren Mächten gibt es einen Überlebenden, den Totendrachen „Nidhöggr“. „Nidhöggr“ ist in nordgermanischer Mythologie eine Schlange bzw. ein Drache, die in „Niflheim“ am Brunnen „Hvergelmir“ haust und dort an der Wurzel des Weltenbaums „Yggdrasil“ nagt. „Nidhöggr“ trinkt das Blut der Toten und frißt die Leichen, die im hier gelegenen Totenreich der „Hel“ reichlich anfallen. 19.02.2004: Wie wird das werden im Sterilzimmer? I ch nehm‘ meinen Notebook mit ins Sterilzimmer, und eigentlich sollte ich dort auch einen Zugang ins Internet haben. Geht über A1 - meinen Handy-Provider. Ich werde auch jede Menge DVDs, meine Digitalkamera, und einen Gameboy mitreinnehmen. Auch wenn ich möglicherweise ohnehin zu kaputt sein werde, irgendwas zu machen. Momentan denke ich auch eher, ich werde die Acrylfarben nicht mitreinnehmen. Realistischerweise werde ich in den ersten 3 Wochen nämlich nicht malen können. „Steril“ heisst soviel wie „keimfrei“. Alle Sachen, die ins Sterilzimmer reinkommen, müssen durch eine UV/OzonSchleuse - richtig durch und durch „steril“ werden sie dadurch aber auch nicht, allerdings wird die „Außenhaut“ ziemlich keimfrei gemacht. Bei Menschen lässt sich dieses Verfahren nicht so gut anwenden, daher beschränkt sich die Sterilisierung meiner Wenigkeit darauf, dass ich mir die Kopfhaare abscheren muss und mich beim Einschleusen dreimal von Kopf bis Fuß mit 164 Betaisotona (Jod) abwaschen muss. Das Zeug ist bakterizid, fungizid, sporozid und noch ein paar „-zid“ mehr. Jeder, der rein will oder muss (zum Beispiel Ärzte oder die eigens für mich abgestellte Krankenschwester), muss einen „Raumanzug“ anziehen. Wie lange ich da drin sein werde, kann man nicht mit Sicherheit sagen. „Normalerweise“ geht das ganze ungefähr so ab: erster Tag Cava Katheder Implantierung und Einschleusen, zweiter bis siebenter Tag Hochdosis-Chemo, achter Tag Pause, neunter Tag Stammzellentransplantation, zehnter bis etwa zwanzigster Tag „Hoffen auf Regeneration“ (das ist die schlimmste Phase, weil da ist das Knochenmark völlig kaputt, da würde man in der „normalen Außenwelt“ mangels Immunsystem sterben, und da beginnt dann auch der restliche Körper zu streiken), einundzwanzigster bis achtundzwanzigster Tag komplette Regeneration. In Summe also 4 Wochen. Den erwähnten Komplett-Check hab ich heute schon erledigt. Bin soweit „gesund“, hab keine Fibrosen davongetragen, Blutbild ist halbwegs OK, Lungenfunktion ist OK, Zähne sind auch OK (also keine „Überraschungen“ während des Aufenthaltes im Sterilzimmer zu befürchten). Ich hoffe, ich übersteh das ganze so halbwegs! - Die Ärzte schilderten mir unterschiedliche Versionen des Sterilzimmeraufenthaltes: der eine skizzierte „Visionen aus der Hölle“ mit Dauerdurchfall und so schmerzhaft entzündeter Mundschleimhaut, dass man „freiwillig wochenlang fastet“ und Morphium zur Schmerzbekämpfung notwendig wird, mit schrecklicher Übelkeit von der Hochdosischemo, mit Entzündungen der Bindehaut der Augen etc etc. Der andere wiederum meinte, so schlimm sei es eigentlich 165 gar nicht, und vor allem sei ja nicht gesagt, dass ich wirklich alle diese Dinge bekäme - nur vorbereitet seien sie dort eben dafür. Eine Ärztin meinte, danach wäre ich 2-3 Jahre lang kaputt, eine andere meinte, 6 Wochen später müsse ich schon für die Bestrahlung fit sein...obwohl sie da wohl eher die Blutwerte meinte, die sollten natürlich nach 6 Wochen wieder OK sein. Da drinnen verpassen sie mir ohnehin „Blutkonserven bis zum Abwinken“, dazu noch diverse Wachstumsfaktoren für weiße und rote Blutkörperchen. - ich hab mich auf „6 Monate danach kaputt“ eingestellt. Länger geb ich meinem Körper nicht. Wie immer! Die Wahrheit wird wohl irgendwo in der Mitte liegen, nehm ich an...mal schau’n. Ich habe jedenfalls durch meine Krankheit irrsinnig viel Hilfsbereitschaft und Hilfe von meinen wenigen Freunden und Verwandten, aber auch von „wildfremden“ Menschen der GKK, der PVA, des AMS und nicht zuletzt des Hanuschspitals bekommen. (OK, ich hab‘s ihnen vielleicht auch ein wenig leichter gemacht als der typische Krebspatient, denn ich bin eine ziemliche Frohnatur und immer ziemlich lustig und freundlich gewesen, wo andere die schwere Depression heraushängen lassen und sich unendlich absacken lassen und ihren unendlichen Frust am Personal abreagieren. Ich nehm einfach einmal an, dass mein (positives) Verhalten es den Ärzten oder dem Pflegepersonal einfacher macht. OK - man kann sich andererseits seinen Charakter nicht aussuchen. Ich bin halt einfach davon überzeugt, dass es in einer solchen Situation nichts hilft, sich absacken zu lassen und verzweifelt zu sein - sondern dass es besser ist, das ganze mit Humor und 166 Optimusmus zu nehmen ) Jedenfalls war das schon eine sehr beeindruckende, positive, schöne Erfahrung. So viel Hilfe und Hilfsbereitschaft mir gegenüber hätt ich nie für möglich gehalten, aber es geschehen halt noch Wunder... 28.02.2004: Der Body-Building Doping Sumpf I ch hab gerade wieder einmal einen alten Spiegel aus dem 96er Jahr gelesen, den ich mir damals gekauft hatte, weil da ein Artikel über den Tod von Andreas Münzer gebracht wurde. Der Münzer war ein recht bekannter Bodybuilder, berühmt für seine „Definition“ - der Typ sah ungefähr so aus, als hätte man über seine Monstermuskeln nur eine dünne Schicht Cellophan drübergezogen. Alles selbstfreilich völlig natürlich gezüchtete Muskeln! - Münzer aß nur Putenschnitzel mit Reis, nahm keinerlei unerlaubte Substanzen zu sich. Oder? Nicht ganz - Münzer zog sich Anabolika, menschliches Wachstumshormon, Aufputschmittel und sonst noch ein paar nette Sachen (wie zum Beispiel Lasix) im Wert von monatlich EUR 5.000,- rein. Nach ein paar Jahren Dosissteigerung kam es dann 1996 zu multiplen Organversagen und Münzer verreckte elendiglich - Leber nahezu aufgelöst, Nierenversagen, unstillbare Blutungen. Damals hatte ich noch kein Internet, aber heute googelte ich nach der Lektüre einmal quer durch die einschlägigen Foren. Also in Deutschland kann man in solchen Foren nicht einmal Beiträge lesen, wenn man nicht Mitglied ist. Und da167 mit man Mitglied werden kann, müssen wahrscheinlich zwei Überbreite für einen schriftlich bürgen. Schätz ich mal. Aber die Amis sind da nicht so heikel. Und so las ich erstaunt, was die Herren so diskutieren. „Gear“ nennen sie das Zeugs, was sie schlucken und spritzen. Und es geht in den Diskussionen weniger um die Übungen, mit denen sie sich im Studio abquälen, sondern welches Gear sie sich am besten reinziehen sollen, damit sie möglichst breit und/oder „definiert“ („cut“) werden. „Deca“ (Nandrolon), „Wins“ (Stanazolol), „HGH“ (menschliches Wachstumshormon), Clomid, Clenbuterol und so weiter und so fort, 300mg hiervon oral, 400 mg als Injektion davon. Was mich verblüfft ist die Tatsache, dass sie das völlig freiwillig tun! - ich meine, ich MUSS meine Riesenmengen Kortison und Gift schlucken, aber die nehmen ähnlich giftiges und/oder schädliches Zeugs zum Vergnügen. Obwohl ich ja vermute, dass sie in Wirklichkeit schwer süchtig nach dem Zeug sind, also in Wirklichkeit das auch nicht mehr „freiwillig“ einnehmen, sondern eben aufgrund von Suchtverhalten. Schon eigenartig, die Welt und die Menschen. Ich bin mir sicher, würde man einen Überbreiten auf seinen Giftkonsum ansprechen, würde er meinen, er hat das schon im Griff und das Zeug, was er nimmt, hat eh „extrem wenig schädliche Nebenwirkungen“. Hmmmm... vielleicht. Aber warum nimmt er es dann überhaupt? Vermutlich aus dem selben Grund, warum Menschen rauchen und saufen, denk ich mir. Der Kick und die Freude, überbreit zu sein, überwiegen „Nebenwirkungen, die vielleicht einmal in ein paar Jahren auftreten könnten“, bei weitem. Ich glaub sogar, dass auch diese Annahme nicht ganz korrekt ist. 168 Vielmehr glaub ich, es ist ihnen einfach scheißegal, ob irgendwas passieren könnte. Sind sie zu dumm, oder zu fantasielos, um sich mögliche Folgen ausmalen zu können? - wer kann das schon sagen... Und ich schreibe das Ganze eigentlich nur, weil ich nicht einschlafen konnte und mich deshalb noch einmal vor die Kiste gesetzt habe. 01.03.2004: „Lasst alle Hoffnung fahren, die ihr eintretet N un ist es also soweit – ich bin unmittelbar vor dem Gang in die Hölle, daher auch das Zitat aus Dante’s „Göttlicher Komödie“. Heute haben sie mir einen „JugularKatheder“ verpasst, der geht nicht in die Hohlvene unter dem Schlüsselbein, sondern in die Halsvene. Ist mir ehrlich gesagt ohnehin lieber als ein Cava-Katheder. So kann ich wenigstens die Arme bewegen, ohne dass es wehtut (was beim Cava-Katheder eben nicht geht). Ich habe mit meinem Homöopathen auch genau besprochen, welche Mittel ich einnehmen werde – werde mit 2 Flascherln ins Sterilzimmer gehen, das sollte für 4 Wochen reichen. 02.03.2004: Einschleusen ins Sterilzimmer B in heute eingeschleust worden, was ein recht witziger Vorgang war, weil ich mich nämlich am ganzen Körper dreimal mit Betaisodona waschen musste. Definitiv mein ganzes Leben war mein Körper noch nie so gut gereinigt! Danach ging es noch „ohne irgendwas“, und vor allem auch ohne Brille, ins Sterilzimmer. Das war ein bisschen un169 gut, weil ohne Brille seh ich so gut wie nichts, und Kontaktlinsen durfte ich da drinnen ja keine tragen. Also flehte ich die Schwester vor allem um meine Brille an – und die kam dann auch als erstes durch die Schleuse. Alle Gegenstände, die ins Sterilzimmer kommen, werden nämlich durch UV-Schleusen eingeschleust. – Was ich mir für mein Techno-Tschantschelwerk und auch für meine Homöopathie natürlich verbat! – die Schwester war aber voller Verständnis und beschränkte sich darauf, meine DVDs und meine Homöopathie-Flascherln nur mit Alkohol abzuwischen, und das UV-Licht für diese Gegenstände zu deaktivieren. Das Sterilzimmer ist: klein, laut (von der Umluftanlage) und mit diversen medizinisch-technischen Gerätschaften vollgestopft. Und es hat eine wunderschöne Aussicht auf die Baumgartner Höhen. Ich denke, da lässt es sich schon aushalten. 04.03.2004: Im Sterilzimmer Es geht mir soweit recht gut, das BEAM-Protokoll fühlt sich zumindest bis heute (das ist also der dritte Tag und somit die Hälfte der Therapie) nicht anders an als der mini-BEAM - trotz der fünf- bis sechsfachen Giftmenge. Da ich verglichen mit dem mini-BEAM wesentlich mehr Kortison bekomme (20mg Dexamethason am Tag eins und Tag sechs der Chemo, an den Tagen zwei bis fünf je 8 mg Dexamethason) habe ich einen riesigen Hunger. - konnte heute das Mittagessen kaum erwarten! Durch die Therapie muss ich auch andauernd „auf die kleine Seite“. Ich schätze, dass meine Nieren derzeit nicht weniger als 5 Liter Urin pro Tag produzieren... 170 Zahnfleisch und Gedärm sind noch OK, mal sehen, wie lange das noch „hält“. Blut ist soweit auch OK, die aktuellen Werte sehen so aus: Erys: HGB: HKT: PLT: Leukos: Harnsäure: Cholesterin: Triglyceride: CRP: 3.2M 9.2 29 229 5.0K 4.6 184 127 19 (gestern 36! - das war eigentlich immer bei der Chemo so, dass der CRP zurückgeht). Bin ein bisschen müde, und schlafe immer, während ich die Chemo bekomme. Nachdem ich aktuell drei Chemoinfusionen täglich bekomme, schlafe ich also mindestens während dieser 3 Stunden. Übelkeit hält sich dank großzügiger Navoban- und Paspartin-Gaben wie gesagt in sehr erträglichen Grenzen. 171 07.03.2004: Letzter Tag der Hochdosis-Chemotherapie H abe heute den letzten Tag der Hochdosischemo, erhalte heute noch Melphalan, ich glaube 270mg. Habe die Therapie bis jetzt gut toleriert, hat sich nicht anders angefühlt als der mini-BEAM. Gestern abend beim Gespräch mit der Nachtschwester habe ich schon ziemlich stark den typischen „Kortisonrausch“ bemerkt, den man (ich?) halt nach 5 Tagen Dexamethason-Infusionen hat. Bei mir äußert sich das glücklicherweise nicht durch Gereiztheit, sondern viel mehr dadurch, dass ich komplett „aufgekratzt“ bin und während ungefähr fünf Minuten Gesprächs locker meine ganze Lebensgeschichte heraussprudle. Sehr peinlich, das ganze! - naja, ich hab dann bei meiner üblichen nächtlichen Navobanspritze zu der Nachtschwester gemeint, das kommt halt leider vom Kortison, und ich glaube eigentlich, dass sie nicht böse war. Ich konnte dann sogar ein wenig schlafen, obwohl ich befürchtet hatte, das werde gar nicht mehr gehen. Heute bekomme ich noch einmal 8 mg Dexamethason, was die Dosis insgesamt auf 60 mg erhöht, entsprechend also etwa 360 mg Apprednislon. Ich weiß nicht, ob die Ärzte das Kortioson ab morgen komplett absetzen werden oder aber es ausschleichen lassen werden. Mal sehen. Jedenfalls werde ich wohl am Mittwoch und Donnerstag einen ziemlichen Entzug haben. Morgen ist ein Tag „Pause“, am Dienstag bekomme ich meine Stammzellen zurück. Mein Blut hält sich (zumindest bis gestern, von heute hab ich noch keine Werte) recht gut, ich hatte gestern noch 3600 Leukos. Der CRP ist von anfäng172 lich 36 auf 9 gesunken. Psychisch und physisch geht‘s mir momentan also recht OK, sogar ziemlich gut. Mal sehen, wie das werden wird in den nächsten Tagen. 173 09.03.2004: Die Stammzell-Reinfusion H abe seit gestern abend ziemliche Probleme mit dem Gedärm - es hat so ein breiiger Durchfall eingesetzt, und zusätzlich „reisst es auch durch“ - habe ziemliches „Grimmen“ in den Gedärmen. Nach einer Gabe Immodium Akut hörte der Durchfall allerdings auf, und nach einer Gabe Buscopan war dann auch das „Grimmen“ fast weg. Der Tenor der Ärzte war: solange Immodium und Buscopan noch hilft, wäre es halb so schlimm. Sie meinten, für den Fall der Fälle gäb‘s da noch ganz andere Kaliber. Die Blutwerte haben sich bis gestern noch gut gehalten - gestern hatte ich noch 3.200 Leukos, aber heute sind sie auf 1.500 gesunken. Leberwerte sind leicht erhöht, Nierenwerte im Normbereich. Heute mittag ist es soweit: da bekomme ich meine Stammzellen zurück! - dazu als Begleitmedikation 8 mg Dexamethason, eine Kalkinfusion und ein Antihistaminikum (dasselbe, das ich schon beim Mabthera-DHAP immer bekommen hatte). Bin recht müde und kaputt, und hab einen grauslichen Geschmack im Mund, aber das ist wahrscheinlich auch durch den Kortisonentzug bedingt - das wurde nämlich abrupt abgesetzt und nicht ausgeschlichen. 10.03.2004: Der Tag nach der Reinfusion H abe gestern meine Stammzellen zurückbekommen, was eine recht unspektakuläre Angelegenheit war, die nicht einmal eine halbe Stunde gedauert hat. Die Stammzellflüs174 sigkeit sah aus wie Tomatensugo und ich hatte auch nach kürzester Zeit einen intensiven, grauenvollen Geschmack wie von billigem Tomatensugo im Mund - vom DMSO (Dimethyll-Sulfoxit), dem Konservierungsmittel. Das DMSO ist notwendig, weil ja die Stammzellen in flüssigem Stickstoff gelagert werden, so bei etwa minus 190° Celsius. Und ohne DMSO würde es da beim Einfrieren bzw. beim Auftauen die Zellwände sprengen. Ich habe jetzt gerade im Internet gecheckt und gelesen, dass DMSO außerdem ein ausgezeichneter Radikalenfänger ist (http://www.dmso.org/articles/information/jacob.htm (...)There are more than one hundred articles in the world‘s literature relating to DMSO and arthritis. These include both clinical results and mechanism of action. Among the well-documented pharmacologic properties of DMSO include analgesia, anti-inflammation, softening of scar tissue, hydroxyl radical scavenging, vasodilation, and stimulation of healing.(...), http://www.dmso.org/articles/information/ muir.htm) Psychisch geht’s mir ganz gut, physisch beginnen jetzt halt die Nachwirkungen der Hochdosischemo, die aber zu erwarten waren: mein Magen ist beleidigt, mein Gedärm auch (ist aber weit besser als vorgestern, weil ich regelmäßig Immodium Akut und Buscoban einnehme). Mein rotes Blut ist mittlerweile so schlecht, dass ich heute und morgen eine Blutkonserve bekommen werde. Die Leukos waren gestern bei 1700, sind heute scheinbar angestiegen auf 2400, das kommt aber nur von den im Blut herumwuselnden Stammzellen morgen wird bereits Aplasie zu erwarten sein, mit Werten unter 1000 für die Leukos. 175 12.03.2004: Aplasie B in mittlerweile voll in der Aplasiephase mit nur mehr 100 Leukos. Bekomme seit gestern 3 mal täglich 2 verschiedene Antibiotika (Neosyn und Claforan) intravenös prophylaktisch. Der CRP ist wieder auf 18 angestiegen. Mein Gedärm ist ziemlich bedient, ich habe trotz täglich 6 Tabletten Immodium und 2 Buscoban breiigen Durchfall. Sollte es noch schlimmer werden, wollen sie mir Tinctura Opii (Opiumtropfen) geben, das ist die ultimative Stopfung. Mein Magen ist noch von der Chemo und der Aplasie bzw bereits wieder von den Antibiotika beleidigt und so hab ich halt ständig ein flaues Gefühl und bin appetitlos. Das heisst, ich würde schon gerne einen knackigen grünen Salat, mit schwarzen Oliven und Schafkäse, und mit frischen Paradeisern und Paprika, abgemacht mit echtem Olivenöl essen, aber sowas bekomme ich erstens im Spital überhaupt nicht und zweitens geht das in der Aplasiephase nicht... Die nächsten Tage versprechen jedenfalls etwas mühsam zu werden. Aber in einer Woche sollte das schlimmste vorbei sein. 15.03.2004: Immer noch Aplasie I ch habe mittlerweile den vierten Tag Aplasie (Leukos nach wie vor auf 100). Der CRP steigt momentan trotz 4 mal Antibiotikum täglich an (von vorgestern 29 auf gestern 31 auf derzeit aktuell 41), weshalb Dr. Filitz spätestens, wenn sich beim CRP morgen nichts tut bzw. wenn ich auffiebere, auf Vancomycin umstellen will. Die Plättchen sind trotz einer Plättcheninfusion vorges176 tern auf 19000 gesunken, weshalb ich heute noch eine Plättcheninfusion bekommen werde. Das rote Blut ist halbwegs OK, weil ich vor ein paar Tagen 2 Infusionen bekommen habe. Sonst geht‘s mir aber überraschend gut: das Zahnfleisch hält, und auch die vorhergesagten flüssigen Durchfälle sind ausgeblieben - es blieb bei breiigem Stuhl drei- bis viermal täglich. Das geht mit täglich 6 Immodium und 2 Buscoban, also mit verhältnismäßig geringem medikamentösen Aufwand. Laut meiner Sterilzimmerschwester ist vor allem der Stuhlgang ziemlich sensationell. Sie meinte, sie könne sich in den letzten 10 Jahren an niemanden erinnern, der nicht flüssigsten Durchfall gehabt hätte. Bis zur erfolgreichen Regeneration des Knochenmarks wird es aber noch bis mindestens Freitag dauern, meinen die Ärzte übereinstimmend. 177 17.03.2004: Knochenmark Reboot G estern Nachmittag ist mein Knochenmark mit aller Kraft angesprungen, die Schmerzen waren zum an die Decke gehen und ich konnte in der Nacht trotz einer Infusion Perfalgan kaum ein Auge zutun. Heute hatte ich dann 300 Leukos, die Leukos haben sich also innerhalb von 24 Stunden verdreifacht. Das unglaubliche ist, dass heute erst der Tag acht nach der Reinfusion ist - meine Krankenschwester meinte, sie hätte noch niemals erlebt, dass vor dem Tag neun das Knochenmark anspringt. Normalerweise geht das erst zwischen Tag zehn und vierzehn, und zwar auch dann, wenn man eben im Reagenzglas unter Laborbedingungen die Stammzellen anwachsen lässt. Nun ja. Ich bin halt kein Reagenzglas, sondern ein lebender Organismus. Und es wird Frühling, und ich habe unendlich starke Hoffnung, dass dies meine letzte Chemo war, und die homöopathische Zusatztherapie hat wohl auch gestimmt, und vielleicht ist auch einfach die Schicksalsschuld, die mir wohl den Krebs beschert hat, inzwischen abgebüßt. Ich meine, das war halt ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren, das diese unglaublich schnelle Regeneration bewirkt hat. Es geht mir momentan psychisch wie physisch ziemlich gut. Die Schleimhäute (Magen und Darm) scheinen sich bereit wieder zu erholen. Entzündung der Mundschleimhaut hatte ich bis jetzt keine. Richtigen Durchfall hatte ich bis jetzt auch keinen - nur breiigen Stuhlgang. Opium Tropfen waren bis jetzt keine nötig. Dr. F. hat auch nicht auf das Vancomycin gewechselt, Neasyn und Claforan reichten scheinbar aus. 178 Kleiner Themenwechsel, anlässlich des aktuellen Tierschutzgesetzes, wo derzeit noch keine Einigkeit zwischen den politischen Parteien herrscht. Es geht um das Verbot von Schächtungen, das gesetzlich verankert werden soll, wobei dieses Verbot die verfassungsrechtlich verankerte Religionsfreiheit beschränken würde, wobei aber diese Grundrechtseinschränkung ganz bewußt in Kauf genommen werden soll. Da habe ich einen ziemlich guten Wortwechsel im Online Forum einer Tageszeitung gelesen. Der ging so: Schreiber A: „Naja, Tiere sind wohl wichtiger als Menschen“ Schreiber B darauf: „Tiere sind sicher wichtiger als Religionen“. Da kann ich nur sagen „Bravo“ und „volle Zustimmung“. Tiere sind unsere Brüder und Schwestern. Und wer immer im Namen einer Religion Tieren auch nur in irgendeiner Form Leid beschert, ist ja wohl das größte Ar*****ch, wo gibt. 179 18.03.2004: Bald geht s wieder nach Hause! V orgestern ist ja mein Knochenmark mit aller Gewalt wieder angesprungen, was bei mir immer ziemlich schmerzhaft ist. Auch den gesamten gestrigen Tag über waren die Schmerzen ziemlich schlimm. Alle waren nun heute auf das Ergebnis des Blutchecks gespannt. Ich schätzte einen Leuko-Wert von zwischen 900 und 1500, die Ärzte waren skeptisch. Tatsächlich hatte ich dann nicht weniger als 3100 Leukos, ein geradezu sensationeller Wert. Als Resultat kann ich vielleicht schon am Sonntag wieder nach Hause gehen! Freude! Laut Dr. F. ist dieses Anspringen des Knochenmarks „optimaler als im Lehrbuch“. So etwas hat es offenbar noch nie gegeben, seit es Sterilzimmer im Hanuschspital gibt - also seit 1986. Nur mehr ein paar Tage also, dann kann ich hinaus in den Frühling - es ist nämlich gerade wunderschön warm (22°C) und schön bei uns in Wien. 180 19.03.2004: Nintendo DS M it ein bisschen Glück ist das heute der letzte Tag im Sterilzimmer - morgen Samstag kann ich wieder nach hause gehen!! Freu mich schon wieder auf normales Essen. Ja eigentlich freu ich mich vor allem auf gesundes Essen - das erste, was ich essen will, ist so ein richtig frischer, herrlicher Salat, mit Kräuselendivien, frischen Rispentomaten, schwarzen Oliven, und frischgepressten Knoblauchzehen, abgemacht mit bestem steirischen Kernöl. Und als nächstes werde ich dann einen herrlichen Fruchtsalat essen, mit Bananen, Äpfeln, Orangen, Erdbeeren und Yoghurt. Und dann wird mich wahrscheinlich der Durchfall überkommen und ich werde den Rest des Tages auf dem Klo verbringen:-) Was ganz anderes: ich habe mir überlegt, was Nintendo mit dem DS eigentlich will. Das Ding ist übrigens recht genial, hat eine 3D-Leistung wie das N64 - Nintendo hat als Demonstration für die 3rd-Party Entwickler Super Mario 64 für das DS umgesetzt (!). Folgende Specs wurden geleakt (ob absichtlich oder unabsichtlich, weiß man nicht, aber ich tippe auf ein absichtliches Leaking): CPU: Main processor: ARM946E-S (67MHz) Cache: 8KB data 4KB TCM : 32KB data 16KB Sub processor: ARM7TDMI (33MHz) Memory: Main memory 4MB ARM9/ARM7 32KB (2 times 16KB) 181 ARM7 Work RAM 64KB VRAM 656KB LCD: Display two screens of 256x192 pixels (RGB) Colors maximum of 262,144 colors (R:G:B:6:6:6) 2D graphics Engine: BG 4 layers maximum OBJ 128 objects maximum 3D graphics Engine: Coordinate conversion maximum of 4M / second Polygon drawing capability maximum of 120K polygon s Pixel drawing capability maximum of 30M pixels/second Sound: 16 channels (ADPCM/PCM) Microphone input Wireless communication: IEEE802.11 protocol Input device: Touch screen / panel ‘cross’, A, B, R, L, Start, Select (X and Y are under examination) Electric power control: Sleep mode (with WakeUp by radio signal possible). Electric power control of the 2D engine, rendering engine, (unknown) engine and LCD possible. Was man sonst noch hört, ist dass das Ding zwei DPads haben soll. Naja, zurück zur eigentlichen Geschichte, „was wollen die bei Nintendo?“. Ich überlegte also hin und her. Was mich störte war, dass Nintendo jetzt plötzlich drei Handheld-Platformen aufziehen will - das macht doch überhaupt keinen Sinn. Aber dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: das Nintendo DS verhält sich zum Gameboy Advance, wie sich der Gameboy Color zum Ur-Gameboy verhält. Eben eine evolutionäre Erweiterung. Denn es werden garantiert 182 alle GBA Module auf dem DS laufen. Und beim Erscheinen des DS Ende 2004 wird dann der GBA massiv preisreduziert (von derzeit EUR 120,- auf EUR 70,- oder so). Der DS wird beim Erscheinen garantiert um die EUR 130,- kosten - soviel wie der GBA SP beim Erscheinen. Und der Gameboy Advance 2 wird garantiert nicht vor 2008 oder 2009 herauskommen! - Das bedeutet, dass natürlich theoretisch schon drei Platformen existieren werden aber praktisch eben nur zwei. Und selbst diese zwei werden nur in dem Sinn parallele Platformen sein, wie der GBA und der Gameboy Color parallele Platformen waren. Aber wir werden ja sehen. 20.03.2004: Bin wieder zu hause M eine Leukos waren gestern schon von 3100 auf 12500 angestiegen, und heute waren sie noch einmal auf 19.000 angestiegen. Ich konnte also wirklich nach hause gehen. Meine Lady holte mich ab und ich spazierte einfach da raus! Das war schon ein unglaubliches Gefühl – wieder einmal „echte“ Gerüche zu riechen, und nicht nur die gefilterte Luft im Sterilzimmer. Und wieder einmal „echtes Essen“ zu essen, und nicht nur ständig den zerkochten Gatsch im Spital. 05.04.2004: Nach dem Sterilzimmer I ch werde die Sachen jetzt so aufschreiben, wie sie mir einfallen - gleich als erstes muss ich feststellen, dass seit dem Sterilzimmer mein Gedächtnis noch einmal wesentlich schlechter geworden ist. Ein Schweizer Käse ist da nichts dagegen. Als nächstes: ich habe eine riesige taube Stelle außen am 183 linken Oberschenkel. Diese Stelle kenne ich schon (mindestens) von den drei Zyklen vor dem Sterilzimmer, aber jetzt ist sie halt wirklich riesig geworden (würde sagen, ein Oval mit 8 Zentimetern in der einen Achse und gut 16 Zentimetern in der anderen). Diese Stelle scheint sich über Nacht zu regenerieren, aber am Abend ist sie dann schon wieder ganz taub und in der Nacht beginnt sie dann (vielleicht während der Regeneration) zu prickeln, so wie ein eingeschlafener Fuß. Ich habe extrem wenig Appetit plus entsetzlichste Zustände im Gedärm. Offenbar haben die großzügigen Immodium- und Buscopan-Gaben noch ein paar Tage nachgewirkt, wodurch ich der Meinung war, naja, das Gedärm wird schon wieder. Weit gefehlt! Mein Gedärm war am Ende und solche Zustände (ärgste Krämpfe, alle 30 Minuten aufs Klo rennen) wünsche ich wirklich niemandem. Mein Darm hat sich durch die beschriebenen Zustände komplett entleert, wodurch ich sofort von 84 auf 78 kg Körpergewicht herunter gekommen bin, Tendenz weiter sinkend. Leider ist es aber dadurch auch so, dass mein Körper jetzt offenbar das mit giftigstem Gift durchsetzte Fett abbaut, weshalb ich grauenhaft stinke. Ich kann mich nicht erinnern, dass mein Schweiß jemals in meinem Leben so gestunken hat... Die Darmflora scheint jetzt aber nach einer Woche Bioflorin wieder OK zu sein. Das ist schon sehr angenehm. Für Leidensgenossen möchte ich anmerken, dass ich der Überzeugung bin, dass nach den reichlichen Antibiotikagaben im Sterilzimmer eine normale Yoghurt-Kur zum Wiederaufbauen der Darmflora bei weitem nicht ausreicht. Da braucht man schon so etwas wie Bioflorin oder Antibiophilus. 184 14.04.2004: „Ultimate Disaster Simulator W enn man sich schon immer gefragt hat, was der Einschlag eines Asteroiden „ganz in der Nähe“ eigentlich bewirken würde, nun dann, es naht Hilfe! Das Programm „Earth Impact Effects Program“ gibt es hier: http://www.lpl.ari- zona.edu/impacteffects/ Die Applikation schätzt in Abhängigkeit von Größe, Dichte, Aufprallswinkel und Entfernung vom Aufschlagsort die Erdbebenstärke, Schockwelle und thermischen Effekte ab. Naja. Ich hab natürlich sofort schauen müssen, was der Einschlag eines Asteroiden aus porösem Stein, mit 30 km Durchmesser in 1000 km Entfernung (auf Land, nicht in den Ozean), mit einer Einschlaggeschwindigkeit von 25 km/s und einem Einschlagwinkel von 45° so alles bewirkt: 1. Es entsteht ein Krater mit 250 km Durchmesser. 2. Es wird eine Energiemenge entsprechend 1.58 Gigatonnen TNT freigesetzt. Ein solcher Aufprall passiert statistisch gesehen alle 1.3 Milliarden Jahre. 3. Es entsteht ein Feuerball, der 67 mal größer als die Sonne erscheint, mit einem sichtbaren Radius von fast 300 km. 4. Noch in 1000 km Enfernung wird eine thermische Energie von 233 Mega-Joule pro m² frei, was bedeutet, dass Kleidung sich entzündet, Grass und Papier sich entzündet und beim Menschen Verbrennungen dritten Grades an einem Großteil des Körpers entstehen. 5. Nach 200 Sekunden trifft die seismische Schockwelle ein, entsprechend einem Erdbeben der Stärke 10.8 - viel stärker als jedes Erdbeben, das jemals von Menschen aufgezeichnet wurde. 6. Nach 494 Sekunden trifft der Auswurf ein, der durch den Aufprall entsteht: Trümmer mit einer durchschnittlichen Größe von 3.3 m. 7. Nach 3333.3 Sekunden trifft die Schockwelle ein, mit einer Windgeschwindigkeit von 489 m/s oder mehr als 1600 km/h und einer Lautstärke von 115 dB. Also mit anderen Worten: „Ultimate Disaster“. 185 21.04.2004: Check nach Sterilzimmer H abe soeben die Befunde der Untersuchungen von letzter und vorletzter Woche erhalten. Das PET zeigt keine hypermetabolen Herde mehr an - alle Tumore sind tot. Wahnsinn! Ich konnte es nicht fassen, als die Frau Primaria der Nuklearmedizin mir das mitteilte. Das CT zeigt einen Rückgang in der Größe der Tumore im Mediastinum und in der linken Lunge: beide zusammen sind nun etwa 4 x 4.5 cm groß. Das MR zeigt einen Rückgang in der Größe des Tumors beim M. piriformis: er ist nunmehr etwa 3 cm groß, aber „von streifiger Konsistenz“. Das bedeutet aber de fakto, dass eine Bestrahlungstherapie folgen wird, und zwar sollen sowohl die Restinfiltrate im Brustbereich als auch das Restinfiltrat im Becken bestrahlt werden, und zwar so bald als möglich. Das wird in 15 Sitzungen erfolgen (soweit mein derzeitiger Wissenstand), und zwar über 3 Wochen, jeweils von Montag bis Freitag. Warum wird bestrahlt, wo doch alle Restinflitrate tot sind? - weil Studien gezeigt haben, dass solche Restinfiltrate, wenn sie eine gewisse Größe übersteigen (2.5 cm Durchmesser) gerne mal wieder aufflammen, wenn sie nicht bestrahlt werden bzw. dass die Wahrscheinlichkeit eines Wiederaufflammens sich signifikant verringert, wenn bestrahlt wird. 186 03.05.2004: Vorbesprechung zur Bestrahlung I ch war heute im AKH zur Vorbesprechung für die Strahlentherapie. Die beiden Doktoren sind fast vom Sessel gefallen, als sie mich sahen, weil sie es nicht fassen konnten, dass ich nach so viel Chemotherapie nicht im Rollstuhl hereingefahren kam: „SIE haben 14 Zyklen gemacht? Wie geht es Ihnen nach den 14 Zyklen? Haben Sie denn keine Schmerzen, keine Übelkeit, keine Müdigkeit??“. Ich meinte darauf halt, wie es eben ist: ich hätte keine Schmerzen, müsste auch keinerlei Medikamente nehmen, müsste aber 16 Stunden täglich schlafen - in den 8 „wachen“ Stunden wäre ich dann aber nicht müde. Also derart, wie die beiden sich gebärdet haben, wird mir dann auch klar, dass mein Körper (mit welcher Unterstützung auch immer) in den vergangenen 20 Monaten unglaubliches geleistet hat. So als hätte ich beim Erbauen dieses Körpers (angeblich baut man vor der Inkarnation an seinem nächsten Körper mit) zu den Herren der Form gesagt: „OK, schön muss er nicht werden, aber er muss eine exzellente Chemikalienresistenz haben, das ist sehr wichtig!“ Bevor ich es vergesse: im AKH (seines Zeichens das größte Spital Österreichs) gibt es einen eigenen „onkologischen Homöopathen“. 187 06.05.2004: Entwarnung für den Flankenschmerz W ar gestern wegen den lang andauernden dumpfen Schmerzen in der rechten Flanke im Krankenhaus. Dr. Hopfinger meinte, da wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit nichts Ernstes, denn er könne nichts ertasten, schickte mich dann aber noch zum Ultraschall. Die junge freundliche Frau Dr. hatte bei mir vor einigen Wochen schon ein Ultraschall gemacht, der ohne Befund war und auch gestern konnte sie mir versichern, dass da nichts zu sehen sei - wahrscheinlich sei das einfach eine Muskelverspannung. Gestern war ich über eine Stunde lang mit unserem Hund Hillary spazieren und zwar über eine Strecke, die einige ziemliche Steigungen beinhaltet - wobei mir aufgefallen ist, dass sich meine Kondition in den 6 Wochen seit dem Sterilzimmer weit mehr verbessert hat als voriges Jahr in den drei Monaten „Behandlungspause“ im Herbst. Na OK, ich bin auch auf etwa 76 kg herunten jetzt - letztes Jahr wog ich satte 84 Kg. 13.05.2004: Gedanken zur E3 D as war meiner Meinung nach die beste E3 seit jener legendären E3 im Jahr 2000, wo sie den GameCube mit einem so genialen Promo-Video vorgestellt hatten, dass man eine Gänsehaut beim Anschauen bekam! Ich habe durch eine glückliche Fügung noch 140 kbit/s Bandbreite vom GameSpot-Server abzwacken können und den Live-Feed der Nintendo Pressekonferenz angesehen. Unsere Luschen-Sender berichteten übrigens zu der Zeit von umfallenden Reissäcken in China. Mit Unterhaltungselektronik werden ja auch nur etwa 100 188 Milliarden Dollar pro Jahr umgesetzt. Und Die E3 ist ja nur die bedeutendste Unterhaltungselektronikmesse der Welt. Die muss man doch nicht kennen! Und da braucht man doch nicht live berichten! Jedenfalls wurde endlich das Nintendo DS enthüllt. Ich war ziemlich gespannt auf das Design, weil ich mir ziemlich den Kopf zerbrochen hatte, wie das wohl aussehen könnte und sogar selber einen Prototypen gestaltet hatte. Der war gar nicht so weit daneben übrigens! Das Ding sieht so aus wie eines von diesen Game&Watch Dingern aus den frühen 80er Jahren. Steuerkreuz, 4 Buttons in der klassischen SNES-Anordnung, 2 Schulter-Buttons, ebenfalls wie beim SNES. Dazu halt 2 Displays im 16:9 Format, mit 256x192 Pixeln Auflösung. Das vor etwa 8 Wochen geleakte Datenblatt dürfte übrigens 100% autentisch gewesen sein. Ich wunderte mich damals beim Durchstudieren der ziemlich mickrigen Specs (66 MHz CPU, 33 MHz Coprozessor), wie sie damit Super Mario 64 hinebkommen haben. Die Antwort ist leider: erstens haben sie jedes Filtern weggelassen. Das heißt, das Anti-Aliasing, das man beim N64 (zum Beispiel bei Super Mario 64 oder bei Pilotwings 64) zu sehen bekam, wird einfach weggelassen. Zusätzlich lässt man auch die bilineare Interpolation der Texturen weg. Huch! - die Rückkehr der Pixeltapeten! Da wurde zum Beispiel ein neues Metroid im Stile von „Metroid Prime“ gezeigt, also eine 3D Version mit dem vorläufigen Namen „Metroid Prime Hunters“. Auf dem oberen Bildschirm wird die Umgebungskarte gezeigt, auf dem unteren die 3D Szene aus der Sicht des Spielers oder besser gesagt 189 aus der Sicht von Samus Aran. Kombiniert wird die Dual-Screen Darstellung mit einer sehr merkwürdigen Steuerung. Denn man steuert Samus zwar mit dem Joypad nach vorne/hinten und links/rechts, aber nur in einem Art „StrafeMode“, denn die Rotation wird per Touchscreen gesteuert. Naja, ein bißchen wie ein FPS auf dem PC. Target-Locking geht wie gewohnt mit der linken Schulter-Taste. Soweit sehe ich das ganze ja noch ein, das macht ja Sinn. Auch wenn ich ziemlich stark vermute, dass man nach einer halben Stunde, in der man das Ding mit einer Hand hält und dabei mit dem D-Pad steuert, und zusätzlich mit der rechten Hand auf das Touch-Display drückt, einen Krampf in der linken Hand bekommen wird. Mark my words! - wie es so schön heisst! Und jetzt kommt‘s! Man feuert nämlich nicht per Trigger, sondern man feuert, indem man auf den Touchscreen tappt. Bei Metroid muss man viel ballern. Ich sag nur, so schnell wie einige Spastiker dabei den Touchscreen kaputten werden, so schnell wird man gar nicht schauen können. Abgesehen davon, dass das einfach eine bescheuerte Idee ist. Naja. Noch was nettes: man rollt sich zum Morph-Ball zusammen, indem man auf die linke Ecke des Bildschirms tippt. Ich hör schon die Spieler fluchen „verdammt ich wollt mich gar nicht zusammenrollen jetzt hat mich der erwischt und meine letzte Energie ist weg! Wutschrei!!!!“. Und die Grafik sieht aus den oben genannten Gründen ziemlich schlimm aus, find ich halt. Wie ein N64 Spiel, nur ohne Antialiasing, ohne bilinear gefilterte Texturen, und mit 190 der halben Auflösung. Trotzdem rennt das ganze nur mit etwa 30 fps, ruckelt also. Ein rechtes Desaster meiner Meinung nach! (siehe auch die zwei Screenshots). Das Ding hat dann aber doch ein paar nette Features. Zum Beispiel unterstützt es WLAN und zusätzlich für spontane Gruppenspielereien ein proprietäres Nintendo Wireless Format. Man kann dann zum Beispiel auf den Touchscreen eine Grafik kritzeln und die an die anderen in der Gruppe weiterschicken, die dann daran weiterkritzeln können. Ebenso ist superleichtes Instant-Messaging möglich - einfach mit dem Stylus oder Finger auf dem Touchscreen schreiben oder die Botschaft auf einer virtuellen Tastatur tippen. Das hört sich nach einer genialen Schummelhilfe für Schüler an. Mal sehen, wie schnell der DS in Schulen verboten wird! Alles in allem finde ich es dann doch ziemlich unverständlich, warum sie dem Ding nicht ein bisschen mehr Power mitgegeben haben, damit die Grafik wenigstens N64 Niveau erreicht. Das hätte die Batterielaufzeit auch nicht so sehr verkürzt, denke ich mal. Die liegt übrigens bei ungefähr 10 Stunden, was aber je nach Anwendung sehr stark schwanken kann. Mein Fazit: sicherlich ein innovatives Gerät. Aber dennoch zu wenig Power, um gegen die PSP dagegen halten zu können. Ich hätte dem Ding ein großes Display mit einer Auflösung von 480x208 Pixeln im 2,35:1 Format (CinemascopeFormat) mitgegeben, und das als Touchpad ausgelegt, und dann hätten sie das ja immer noch virtuell teilen können. 191 Dafür hätten sie rein rechnerisch auch nicht mehr ChipPower benötigt (256x192 x 2 Screens bedeutet fast exakt dieselbe Auflösung wie 480x208 Pixel). Freilich hätte ich dann auch mehr CPU-Power mitgegeben, sodass man zumindest die doppelte Polygon-Power des N64 (also 8K Polys) bei konstanten sagen wir mal 40 fps (was für ein LCD reicht) und ordentlichem Anti-Aliasing und ordentlicher Textur-Filterung schafft. Das würde dann wahrscheinlich bedeuten, doppelte bis dreifache N64-Power. Das ist aber immer noch ziemlich wenig Leistung, vor allem im Vergleich zur PSP, und sollte immer noch eine gute Batterielebensdauer ermöglichen. Das Design ist nur OK, es fehlt aber an Pfiff und Klasse. Sieht bieder und langweilig aus, finde ich. Was sie aber völlig richtig erkannt haben und konsequent durchgezogen haben, ist das Clamshell-Design, also dass man das Ding aufklappen kann. Recht so! - mein original GBA hatte nach wenigen Wochen einen Mega-Kratzer im Display. Sony hat das leider nicht kapiert, dazu gleich mehr. Der einzige Gänsehaut-Garant kam dann kurz vor Schluß der Nintendo-Konferenz: ein Teaser-Trailer für das neue, realistische Zelda. Ich sag nur „Wahnsinn!“ und „Link meets Lord Of The Rings“. Muss man gesehen haben. Das Ding kommt leider erst 2005, aber das wird dann wohl der krönende Abschlußtitel für den GameCube. Oder so ähnlich. Sony hat ebenfalls ein neues Gerät vorgestellt, es ist eben die Sony PlayStation Portable, oder kurz PSP. Hier haben wir das genaue Gegenteil des DS: die PSP strotzt nur so vor Technikpower. 192 Spiele (und Filme) kommen auf einem neuen Medium, genannt „UMD“ oder Universal Media Disk. Das Ding bietet 1.8 Gbyte Speicherplatz, und zusätzlich einige nette Features wie Unique Disk ID und damit kombiniert eine 128-bittigen AES Encryption Key sowie eine Unique-ID für jede PSP, als Kopierschutz für die Medien. Selbstverständlich schenkt uns Sony ein Region-Code System für Spiele und Filme, obwohl niemand darum gebeten hat. Das bedeutet dann also, das die Bewohner von dritte Welt Ländern (und das ist für Sony jedes Land außerhalb von Japan und USA), wie bereits von älteren System-Generationen gewohnt, das Vergnügen haben werden, erstens einmal weniger Spiele- und Filmauswahl zu haben, zweitens länger darauf warten zu müssen und drittens auch mehr dafür zahlen zu müssen. Die PSP bietet auch, was das Nintendo DS nicht bietet: einen analogen Stick, der allerdings bei der PSP weniger wie der vom PS2-Pad gewohnte Stick aussieht, sondern eher wie dieser merkwürdige Knubbel, den man von IBM-Notebooks gewohnt ist (dazu muss man aber sagen, dass alle Anwender, die ich kenne, auf dieses Ding schwören). Hardware-technisch protzt das Ding mit einer proprietären RISC CPU, die mit satten 333 MHz getaktet ist. Damit soll dann die 3D Leistung etwa auf PS2 Niveau liegen, wobei sich das Ding aber angeblich deutlich einfacher programmieren lässt als die PS2. Dazu gibt‘s noch standardmäßig 802.11b WLAN, USB2 und Memory-Stick Port (Magic Gate). Dafür ist auch nach etwa 2,5 Stunden Schluß mit lustig, denn dann ist nämlich der Akku leer - zumindest beim Be193 trachten von Movies von der UMD. Wenn jetzt einige Traumtänzer meinen, dass beim Spielen das Ding länger läuft, kann ich nur herzlich lachen. Ja klar, beim Spielen eines 3D-Spiels läuft ja bekanntlich kein rechenaufwendiger Algorithmus, und es wird auch niemals von der UMD nachgeladen. Sony wird sich aber sicherlich erblöden zu demonstrieren, dass mit „Tetris PSP“ die PSP volle 7 Stunden lang durchhält. Das einzige, was Sony – neben den oben angesprochenen Akku-Problemen - falsch gemacht hat, und damit werden sie meiner Meinung nach noch viel Freude haben, ist das Design der PSP. Dabei ist das Design superedel, und grenzgenial, keine Frage, das muss der Neid ihnen lassen! - aber es ist eben kein Clamshell-Design. Bei dem riesigen, exponierten Bildschirm werden sie buchstäblich Millionen von Reklamationen wegen Kratzern haben. Außerdem hätten sie das Ding kompakter bauen können, wenn sie es als Clamshell konzipiert hätten. So ist das Ding nämlich 170mm x 74mm x 23mm groß und wiegt 260 g, also mehr als ein viertel kg. Naja, man wird ja sehen. Wenn Nintendo nicht völlig versagt und das DS schön billig herausbringt, sagen wir für maximal USD 129,-, dann wird sich das Ding seinen Markt schaffen. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass die PSP anfangs unter USD 299,- zu haben sein wird. Was ganz anderes: Ich habe in den vergangenen Tagen wieder einmal ange194 fangen, in Maya eine Figur zu modellieren, diesmal mit dem erklärten Ziel, sie dann auch zu animieren. Ich habe den „Cyeman“ (der Name steht für Cyan, Yellow, Mangenta, also die Primärfarben beim Druck, wobei der Held auch farblich dementsprechend gestaltet ist) aus NURBSSpheres zusammengebaut, die Spheres dann per „Intersection“ aufs Beschneiden vorbereitet und dann getrimmt. Danach habe ich das ganze noch in Subdivision Surfaces umgewandelt, weil mit NURBS ging das Animieren bereits in der Vorbereitung so ultralahm, dass ich beim Warten das Gefühl hatte, jemand würde Nervengeige mit mir spielen. Ich weiß jetzt übrigens auch, warum man Figuren immer in Da-Vinci-Pose (seitlich ausgestreckte Arme, weit gespreitzte Beine) hinstellen muss, wenn man das Skelet mit dem „Hautsack“ (also in meinem Beispiel mit meiner Subdiv-Geometrie) verbindet. Stehen nämlich die Beine sittlich korrekt nahe beieinander und hat die Figur die Arme schön nahe am Körper, dann kann Maya sich nicht entscheiden, ob die Haut am rechten Unterschenkel jetzt zum linken oder zum rechten Knie gehört. Ähnliches gilt für die Arme, dort zum Beispiel für die Haut der Unterarme. Bewegt man dann zum Beispiel den Controller für den linken Fuß nach außen, sodass der ganze linke Bein sich nach außen bewegt, na dann geht nicht nur das linke Bein nach außen, sondern auch die gesamte linke Seite des rechten Unterschenkels wird mit nach links gezogen. Da helfen dann keine Flexoren oder sonstiges. Ich musste die Haut wieder herunterziehen (Detach Skin), das Modell neu posieren (eben in der Da-Vinci-Pose) und 195 dann neu verbinden. Und siehe da - da funktionierte es dann klaglos. 15.05.2004: Animationsstudien und zweiter E32004-Rückblick H abe mittlerweile meine Walking Man Animation „MK1“ fertiggestellt. Der Typ geht leider so dahin wie Frankenstein‘s Monster mit spastischer Lähmung. Oder, wie meine Lady meinte, wie Frankenstein‘s Monster „voll fett“ (besoffen). Auf den Standbildern sieht‘s nicht einmal so schlecht aus, aber die Animation saugt A***h, wie es so schön heisst. Zum Beispiel habe ich erst beim Betrachten der Animation dann bemerkt, dass der Typ seine Schritte nicht links und rechts mit gleicher Schrittlänge macht, sondern den linken Fuß nachschleift. Und weil ich beim Verbinden der Haut mit dem Skelett die Arme nicht in Da-Vinci-Pose schön horizontal ausgebreitet hatte, funktioniert der „Rotate Plane Inverse-KinematicHandle“, der den Arm schon in einer Ebene halten soll, wenn er rotiert wird, manchmal nicht: da zuckt dann der Arm beim Schwingen seitlich am Körper plötzlich spastisch oder verdreht sich für ein oder zwei Frames komplett um die eigene Achse, dass es einem beim Zusehen ganz schlecht wird. Ich werde jetzt dann noch einmal die Haut neu mit dem Skelett verbinden. Und zwar diesmal sicherlich schön brav in Da-Vinci-Pose! Noch ein paar Gedanken zu meinen sarkastischen Anmerkungen zu Nintendo‘s DS: also ich habe geschrieben, ich hätte dem Ding ein einziges 196 Display im Cinemascope-Format verpasst. Das hätte dann, sagen wir mal, gut und gerne die Bildschirmdiagonale der Sony PSP gehabt (4.3 Zoll hat die). Dazu muss ich aber anmerken, dass so ein Ding wahrscheinlich recht teuer wäre, wesentlich teurer jedenfalls als die beiden 3“-Einzeldisplays zusammen. Zu der Alptraum-Grafik des DS muss man sagen, dass die meisten Konsumenten Schweinsaugen haben und ultimative Ignoranten sind. Insofern muss man Sony fast bemitleiden, weil ich mir vorstellen kann, dass der typische Konsument keinen Unterschied zwischen der Grafik auf dem DS und auf der PSP bemerken wird. Eine bittere Situation für Sony! - Laut Aussagen der Entwickler soll zum die PSP Version von Grand Tourismo 4 absolut mit der Heimversion auf der PlayStation 2 mithalten können: „Its product quality is not at all inferior to its PS2 counterpart.“ Der Durchschnittsspieler wird das aber nicht wirklich zu würdigen wissen, sag ich mal. Der will nur zwei Dinge wissen: erstens, kann man Raubkopien auf der PSP spielen? Und zweitens, kommt FIFA 2008 auf der PSP? Letzteres kann man getrost bejahen, aber ersteres wird‘s nicht so schnell spielen, Sony hat nämlich ziemlich viel Hirnschmalz darauf verwendet, Raubkopierertum zu unterbinden. Einen UMD Rohling kann man nicht gut im Mediamarkt oder Saturn kaufen, wie DVD-Rohlinge. Wie gesagt, nachdem der Durchschnittsprolet den Grafikunterschied nicht sieht, keine Raubkopien auf dem Ding 197 spielen kann, und der Verkaufspreis wohl anfänglich bei gut EUR 399,- (USD 299,- in den USA, die EUR 100,- Preisdifferenz sind Sony‘s Proforma-Raubkopierkompensation für PAL-Länder) liegen wird, könnte das spannend werden Geiz ist schließlich geil. 17.05.2004: Simulation für Bestrahlung W ar heute im AKH, zuerst zur sogenannten „Simulation“, danach noch beim CT. Die Wartezeiten im AKH scheinen diejenigen des Hanuschspitals noch bei weitem zu übertreffen. Vor allem werden nach einem nicht wirklich durchschaubaren System Patienten vorgezogen. Naja, ich darf vermuten, dass es dann in Wirklichkeit doch ein sehr einfaches System ist: Kassenpatienten werden vorgenommen. Bei der Simulation wurde ich jedenfalls mit den „Rechtecksfadenkreuzen der Hölle“ bemalt: ein riesiges (20x10cm) Rechteck im Bereich Mediastinum, ein kleineres (10x10) im Schambeinbereich. Die Rechtecke repräsentieren die beiden Felder. Siehe auch das angefügt Bild. Wenn ich das richtig verstanden habe, werden aber nicht die gesamten Markierungen bestrahlt (weil im Falle des oberen Feldes würde das ja bedeuten, dass praktisch bis zum Kinn hinauf bestrahlt wird, und das wird definitiv nicht gemacht) , sondern es geht nur um den Mittelpunkt der beiden Felder: dorthin wird justiert und an dieser Markierung orientiert sich dann der Computer des Bestrahlungsgerätes. Das „Nette“ an der Sache ist, dass die Feldmarkierungen innerhalb der nächsten 4 Wochen nicht runtergehen dürfen, sonst muss die gesamte Simulation plus ritueller Bemalung 198 erneut erfolgen. Die Markierungen wurden zwar mit Permanent Marker aufgemalt, aber auf fettiger Haut hält der also wirklich überhaupt nicht, ich muss heute schon nachmalen gehen (darf ich bzw. dazu bin ich ausdrücklich aufgefordert worden). 199 19.05.2004: Überraschungsangriff bei der ersten Bestrahlung H eute war mein erster Bestrahlungstermin, und der begann gleich mit einem Überraschungsangriff: ich legte mich auf den Bestrahlungstisch und die MTAs begannen, das „größte Feld der Welt“ auf meine Brust zu malen. Ich war natürlich einigermaßen erschrocken und wollte wissen, was da los ist und warum das Feld so groß ist und dass jetzt doch meine Schilddrüse voll im Feld liegt und dass ich sofort mit einem Arzt sprechen muss. Im Klartext bedeutete das, was mir da widerfahren war nämlich, dass nicht wie besprochen ein Involved Field bestrahlt wurde, sondern ein Extended Field. Und dass man mir das eigentlich überhaupt nicht verbal mitgeteilt hatte, sondern mich einfach vor vollendete Tatsachen gestellt hatte. Der junge Arzt, der mir dann einige Minuten später zu Hilfe eilte, meinte aber nur, dass das so gemacht werden müsse, weil „das so gehört“. Weil ich ein feiges und rückgratloses Schwein bin, lies ich mich dazu überreden, die erste Bestrahlung mit dem großen Feld zu machen, um dann für die Bestrahlung am Freitag mit der Primaria der Abteilung meinen Wunsch zu besprechen, nur die betroffenen Bereiche zu bestrahlen. Mein Onkologe Dr. H. meinte nur, er sei Onkologe und kein Radiologe, erklärte sich aber bereit, die Primaria telefonisch zu kontaktieren. Die Primaria war aber wegen des morgigen Feiertages auf Kurzurlaub und telefonisch nicht mehr zu erreichen. Wie durch ein Wunder schaffte es meine Lady aber, Herrn 200 Professor S. Telefonisch zu kontaktieren und für Freitag noch vor der Bestrahlung einen Termin zu vereinbaren. 21.05.2004: Sirren und Klingen H abe mit Herrn Prof. S. meinen Wunsch besprochen, dass die Schilddrüse nicht bestrahlt wird. Ich hatte erwartet, dass der Herr Professor sagen wird „Wissen Sie was? Wo kämen wir denn da hin, wenn da jeder kommen würde“ oder „Dann gehen Sie halt irgendwo anders hin, wo man das so macht, wie Sie glauben“. Aber weit gefehlt! Was er sagte, war: „Herr Magister, wir leben in einem freien Land und Sie sind ein freier Mensch. Ich wüßte übrigens selber nicht, wie ich mich entscheiden würde. Wenn Sie das so wünschen, dann werden wir das halt abdecken. Sie sind sich bewußt, was das für ein Risiko ist.“ Da soll noch irgendjemand etwas gegen unsere Ärzte sagen! Jedenfalls musste ich dann noch so einen Wisch unterschreiben, auf dem vermerkt war, dass ich über die aus der Nichtbestrahlung der Halsregion entstehenden Risiken aufgeklärt worden sei und im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte befindlich seiend wünschen würde, dass ich dennoch dort nicht bestrahlt werde. Das war klar, sonst könnte ein böswilliger Zeitgenosse im Fall des Falles ein paar Jahre später dann das Spital wegen eines Kunstfehlers verklagen oder so ähnlich, wenn er nämlich schizophren ist und die Persönlichkeit „A“nton damals ausgemacht hat, er will keine Bestrahlung und ein paar Jahre später übernimmt dann Persönlichkeit „B“ertl und der wäre dann doch gerne bestrahlt worden. 201 Oder so ähnlich. Nach der Bestrahlung ist mir ein wenig flau im Magen. Irgendwie ähnlich wie nach einer Chemo, aber dann doch ganz anders. Weniger umfassende Übelkeit als bei der Chemo. Noch etwas: letzten Samstag (15.05.2004) hatte ich dann doch die Erkältung von meiner Lady erwischt (sie kämpfte schon seit Tage mit Brummschädel, Halsweh, Schnupfen). Ich war auf eine längere Erkrankung eingestellt, weil ich sah, wie schlecht es meiner Lady ging und wie lange sie gebraucht hatte, um das ganze zu überwinden. Überraschenderweise hatte ich dann nur zwei Tage lang Halsweh, es bildete sich bei mir aber nicht einmal ein Schnupfen aus. Ich habe irgendwie den Eindruck, dass seit der Stammzellenreinfusion mein Immunsystem ungefähr dreimal so stark wie jemals zuvor in meinem Leben ist. Ich muss anmerken, dass ich außer hochdosiertem Vitamin C und Zink Orotat keinerlei allopathische Medizin eingenommen hatte. Jetzt ist (möglicherweise durch die brutale Niederschlagung der Viruserkrankung durch mein Immunsystem) aber folgende merkwürdige Effekt entstanden (ich versuche mein bestes, das zu beschreiben, weiß aber nicht, ob‘s mir gelingt): Ich hab ja so einen ziemlich starken Tinnitus. Und seit etwa Dienstag (18.05.2004) ist es so, dass sich das Tinnitusgeräusch in Abhängigkeit von Augenbewegungen verändert. Schaue ich zum Beispiel nach oben oder schräg oben, dann wird das gleichmäßige Sirren plötzlich von einem pulsierenden Sirren abgelöst, und zwar „pocht“ es dann so etwa 3 mal (nicht im Rhythmus mit dem Puls sondern viel schneller, das dauert insgesamt nur etwa eine halbe Sekunde), und dann ist wieder das gleichmäßige Sirren da. 202 Ich vermute, dass es irgendetwas mit der muskulären Spannung der Augenmuskulatur zu tun hat, die ich nun „hören“ kann. Nun ist es aber so, dass man beim Einschlafen bei geschlossenen Augen viel hin- und herschaut. Und dadurch entsteht dann natürlich andauernd dieses pulsierende Sirren. Das macht mich schon ganz wahnsinnig, und ich kann sehr lange nicht einschlafen. Dazu muss man anmerken, dass ich dieses „pulsierende Sirren“ auch schon früher gehabt habe, aber nur, wenn ich extrem unausgeschlafen oder rekonvaleszent oder beides war. Aber das dauerte dann maximal einen Tag oder so an. Und diesmal dauert es schon seit einigen Tagen an. Der Tinnitus selbst ist momentan auch sehr stark. Das ist natürlich aber nur eine subjektive Einschätzung; das könnte daran liegen, dass ich momentan nicht so gut schlafe. 203 28.05.2004: Gedächtnisprobleme H abe mit dem heutigen Datum 7 von 15 Bestrahlungen hinter mir. In dieser Woche waren es sogar 5 Termine hintereinander, letzte Woche waren es nur zwei und in den nächsten beiden Wochen werden es aufgrund von Feiertagen nur jeweils 4 Termine sein. Ich spüre eigentlich keine Übelkeit nach der Bestrahlung, mein Hals (Luft- und Speiseröhre liegen beide voll im Feld) ist noch ziemlich OK, ich spüre nur ein leichtes „Kratzen“. Unmittelbar nach der Bestrahlung, also in den ersten fünf Minuten danach, fühle ich mich ein wenig „betäubt“ und „fertig“. So als würde plötzlich eine starke Müdigkeit über einen kommen. Das vergeht dann aber relativ schnell wieder. Die Haut in den Feldern sieht derzeit noch tadellos aus - ist überhaupt nicht gerötet oder ausgetrocknet. Übrigens sollte nach Auskunft der Ärztin keine Gefahr von „Brüchigkeit“ des Gewebes bestehen - ich hatte einige Sorgen, dass da die Gefahr eines Leistenbruches vergrößert wird. Die Ärztin meinte jedenfalls, wenn ich mir einen Leistenbruch zuziehe, dann kommt der nicht von der Bestrahlung. Ich habe momentan extremste Gedächtnisprobleme. So etwas habe ich noch nie erlebt, und dass, obwohl ich von der Chemotherapie da schon einiges gewöhnt bin. Mir ist es zum Beispiel passiert, dass ich mich mit einem Buch ins Taxi zu einer fünfminütigen Fahrt setze, und dann ohne Buch aussteige und das erst ein paar Stunden später merke, dass ich eigentlich ein Buch mitgenommen habe. Auf ähnlich merkwürdige Weise ist auch mein Ambu204 lanzausweis verschwunden; hier kann ich nicht einmal sagen, wann und wo er abhanden gekommen ist. Nur, dass ich ihn in der Früh nach der Behandlung von Tag „a“ noch hatte, am nächsten Tag „b“ vor der Behandlung war er dann verschwunden. Ich habe keinerlei Erinnerung daran, wie er weggekommen ist. Gestohlen ist er wohl nicht worden (ist ein wertloses Stück Papier). Oder ich vergesse Namen von Bekannten, die ich schon einige Jahre lang kenne. Mir fällt dann deren Name einfach nicht mehr ein. 02.06.2004: Kalte Strahlen H abe mit dem heutigen Datum neun von fünfzehn Bestrahlungen hinter mir. Das Gewebe in den Feldern scheint bis jetzt gut zu halten. Letzte Woche Mittwoch sowie auch heute wurde mir Blut abgenommen; die Werte von letzter Woche waren tadellos, und zwar nicht nur die „normalen“ Blutwerte, sondern auch das Chemogramm (Blutfette, Harnsäure, Cholesterinspiegel) und der CRP (war bei 0,15). Die Werte von heute habe ich noch nicht erhalten. Leider geht es meinem Magen gar nicht gut, obwohl der eigentlich überhaupt nicht in den bestrahlten Feldern liegt. Er fühlt sich wund und beleidigt an, so wie während der Chemotherapien, und das seit etwa Samstag. Ich muss auch oft aufstoßen. Zusätzlich hatte ich am Samstag Durchfall, was aber dann nach Einnahme von Bioflorin wieder aufgehört hat. Übrigens glaube ich, dass der Durchfall einfach daher kam, dass ich auf leeren Magen einen halben Liter gespritzten Apfelsaft getrunken hatte. Mein leerer Magen schätzt so etwas 205 überhaupt nicht. Ein ähnliches Erlebnis hatte ich vor einem Monat oder so, da hatte ich auf leeren Magen ein Red Bull getrunken und kurz darauf hatte ich flüssigen Durchfall, der sich dann aber sofort wieder gab. Generell scheint sich meine Darmflora momentan nur mit Bioflorin-Gaben zu halten. Bioflorin-Tabletten enthalten zwar nur Darmbakterien-Keime, aber das macht mir doch irgendwie Sorgen. Bin derzeit auch immer sehr müde; muss allerdings um 06:00 Uhr aufstehen, weil die Bestrahlung jetzt immer ganz in der Früh ist. Ich gehe also um etwa 23:00 Uhr schlafen, schlafe bis 06:00 Uhr, komme dann gegen 08:30 wieder zurück nach hause und schlafe dann nochmals etwa 4 Stunden (von 09:00 bis 13:00 Uhr), und dann am Nachmittag/abend noch einmal eine oder eineinhalb Stunden (18:00-19:30). Was mir noch auffällt ist, dass mir seit Beginn der Bestrahlung immer sehr kalt ist. Das geht so weit, dass ich derzeit mit meiner Winterjacke in der Früh zur Bestrahlung gehe, obwohl es draußen etwa 15°C hat (also auch nicht wirklich warm, aber sicher nicht winterliche Temperaturen). Und ich habe ganz weiße schlecht durchblutete Hände mit violett-weißen Fingernägeln, wenn es mir so kalt ist. Ich lege mich dann halt ins Bett und ziehe mir die Decke über den Kopf und dann erwärmt sich nur ganz, ganz langsam mein Körper. 06.06.2004: Leukos sinken ab M eine Leukos sind während der Bestrahlung zuerst auf 2900 (vorletzte Woche), dann auf 2200 (letzte Woche) gesunken. Und das, obwohl die Bestrahlung mit den bei mir eingestellten Feldern eigentlich in dieser Hinsicht kein Pro206 blem sein sollte. Andererseits befindet sich mein Beckenkammknochen im unteren Feld - von daher könnte schon eine Belastung kommen. Allerdings ist das Feld nicht sehr groß, und der Arzt zeigte sich daher verwundert über das Absinken, meinte aber, das sei kein Problem, nächste Woche würde noch einmal gecheckt, und dann ist die Behandlung ohnehin schon vorbei. Mein Gedärm ist derzeit auch in einem schlechten Zustand; ich leider wieder einmal unter einem Art Reizdarm, muss sehr oft auf die Toilette, und es gurgelt und gluckert nach den Mahlzeiten peinlich laut in mir. An und für sich geht es mir nicht schlecht, ich bin (fast) jeden Tag recht locker gut 60 Minuten spazierengegangen, was ich neben der Chemotherapie sicher nicht geschafft hätte. Auch die Haut und das sonstige Gewebe in den Feldern hält sich nahezu optimal. Ich schlafe auch gut und habe keine Dunkelangst oder Schlaflosigkeit oder so etwas. Bin etwas appetitlos und derzeit auf etwa 72 kg herunten, sodass mir schon langsam wieder meine alten Hosen zu passen beginnen. Schön langsam beginne ich wieder auszusehen wie ein Mensch und nicht wie ein chemikalienverseuchter Mutant. 09.06.2004: Fast schon alles vorbei B in heute zum vierzehnten und damit vorletzten Mal bestrahlt worden. Im Bereich des oberen Feldes, beim Mediastinum, ist die Haut ganz leicht gerötet, im unteren Feld ist nichts zu sehen. Die beiden MTAs meinten, dass meine Haut sich sehr gut halten würde, sie hätten schon erlebt, dass als Folge der Bestrahlung sich die Haut schwer entzündet und 207 offen sei. Im „Inneren“, also im Bereich Luft- und Speiseröhre, spüre ich (klopfen wir auf Holz) überhaupt nichts; das gilt auch für das Feld im Becken: hier spüre ich eigentlich bei Blase und Darm nichts (abgesehen von meinem Reizdarm, bei dem ich aber nicht sagen kann, ob ich ihn nicht ohne Bestrahlung auch hätte). Blutcheck ist heute dann doch keiner gemacht worden, weil am Freitag das Abschlussgespräch stattfindet - da wird dann einerseits Blut abgenommen und andererseits werden die Termine für die Nachfolgeuntersuchungen festgelegt. Ich werde (wenn das möglich ist) am Freitag auch einen Schilddrüsenhormonstatus machen lassen, weil die Schilddrüse ja doch einiges an Streustrahlung abbekommen hat (sollte mit der ersten Bestrahlung, wo ich mich „überrumpeln“ lassen hatte, insgesamt etwa 5 Gy ausmachen). Wenn ich heute den Blutcheck machen hätte lassen, hätte ich ziemlich lange warten müssen und der Befund wäre trotzdem mit einiger Wahrscheinlichkeit am Freitag nicht fertiggewesen, weil ja morgen ein Feiertag ist. So werde ich halt am Montag bzw. Dienstag mich telefonisch informieren. Rein gefühlsmäßig sollten die Blutwerte allerdings nicht so schlecht sein. Ich habe ein wenig Angst davor, nach Abschluss der allopathischen Therapie in ein schwarzes Loch zu fallen. Es hat so unendlich lange gedauert und ich habe so unendlich lange auf diesen Augenblick gewartet, wo endlich die Therapie vorbei ist - und jetzt ist der Moment da und nun weiß ich auch nicht so recht, was nun kommen soll. Schon merkwürdig... 208 11.06.2004: Strahlentherapie ist vorbei H abe heute endlich meine Bestrahlung vorbei. Heute gab es zu allem Überdruß ein technisches Problem beim Linearbeschleuniger A, sodass ich Stunde um Stunde wartete, bis das Gerät einsatzbereit war. Ich war gegen 07:45 ins AKH gekommen, aber das Gerät war dann erst um 10:15 repariert. Keiner der MTAs wußte genaueres, so dass ich dann fragte „Arbeiten die Techniker an den Computern oder schrauben sie an der Hardware?“ - weil wenn es ein Hardware-Problem gegeben hätte, dann wäre das wohl ziemlich aussichtslos gewesen. Aber es war nur ein Problem mit der Software. Am 15.07.2004 soll ich zur Kontrolluntersuchung ins AKH kommen, dafür aber alle Befunde mitbringen. Die Untersuchungen werden aber nicht im AKH gemacht. Merkwürdig, aber was solll‘s. Ich werde die Untersuchungen halt im Hanusch Spital machen lassen. 209 13.06.2004: Grand Tour und Voyager I n den Siebziger Jahren war von Seiten der NASA eine „Grand Tour“ durch das Sonnensystem geplant; es sollten nicht nur zwei Voyager losgeschickt werden, sondern eine ganze Armada, und es wäre auch der Pluto angeflogen worden. Das hätte aber etwa dreimal so viel Geld gekostet, wie letztlich bewilligt worden war - nämlich etwa 1000 Millionen Dollar anstatt der genehmigten 360 Millionen Dollar. Der Krieg im Irak kostet zwischen 100 und 200 Milliarden Dollar, grob geschätzt. Wirklich genau kann das niemand sagen. Ich habe inzwischen noch einige Details zur „Grand Tour“ gefunden. Damals war gerade die Viking Mission zum Kostengrab geworden, mit Kosten von mehr als einer Milliarde Dollar - angeblich überlegte man 1969, die Marsmission einfach zu terminieren. Geplant war die Grand Tour wie folgt: zwei Missionen Jupiter-Saturn-Pluto, und zwei Missionen Jupiter-UranusNeptun. Die Kosten wurden von der NASA auf USD 750M bis USD 900M geschätzt; dazu noch USD 106M für die Trägerraketen. Ein Großteil der geschätzten Kosten wurde durch die Entwicklung eines „Self test and repair Computer“ (STAR) verursacht, der eben über mehr als 10 Jahre im All operieren konnte. Ein anderer bedeutender Kostenfaktor war die Entwicklung der sogenannten „Thermoelectric Outer Planets Spacecraft“ (TOPS). Man wollte eine lange Lebensdauer der TOPS erreichen, auch wenn das ein erhöhtes Gewicht und höhere 210 Kosten bedeutete. Die Gegner der Grand Tour fürchteten, dass durch die enormen geplanten Kosten andere Projekte mit hoher Priorität gekappt würden - zum Beispiel ein geplantes 45 Zoll Space Telescope (das zukünftige Hubble Space Telescope). Zu den Gegnern gehörte Herbert Friedmann, dessen kritischer Bericht vom neunten März 1971 dem HST eine höhere Priorität als die Gran Tour Missionen einräumte, weil es eine höhere wissenschaftliche Ausbeute versprach. Die TOPS und STAR Entwicklungsprogramme stellten auch zumindest potentiell eine beträchtliche Einkommensquelle in Form von Lohnarbeit für Jet Propulsion Laboratory (JPL) Mitarbeiter, Zulieferer und Sublieferanten dar - ein schönes Zubrot in der Post-Apollo Ära. Im US Kongress wurde von ebendiesen Zulieferern inzwischen eifrige Lobbyarbeit für das Space Telescope betrieben, und schließlich wurde das Space Telescope auch vom Kongress bewilligt. Ohne dieses Lobbying wäre das HST wahrscheinlich nicht bewilligt worden, wird heute vermutet. Die Entwicklung der Nuklearrakete NERVA, gesponsort mit USD 1400M von Senator Anderson, verkomplizierte die Angelegenheit dann noch zusätzlich. Anderson war Chairman des „Senate Aeronautical and Space Science Committee“ und des „Atomic Energy Committee“. Anderson hielt NERVA für den idealen Antrieb für die Erforschung der äußeren Planeten. Und er war besorgt darüber, dass die NASA und das Office of Management and Budget (OMB) Geld vom NERVA-Projekt zum Grand Tour Projekt abziehen könnte. Und so stimmte sein Gremium mit fünf gegen zwei Stimmen dafür, das Gran Tour Budget zu reduzieren, während 211 ein Änderungsantrag gestellt wurde, das NERVA Budget zu erhöhen. In der Zwischenzeit versuchte die NASA, die Grand Tour in das 1972er Budget zu übernehmen. Der Friedmann-Bericht vom März 1971 veranlasste das OMB jedoch dazu, die NASA dazu anzuhalten, einfachere und kostengünstigere Alternativen zu TOPS zu suchen. Zusätzlich versuchte das OMB, den Start der Grand Tour auf 1973 zu verschieben. Der Druck des OMB und des Kongresses, das NASA Budget zu kürzen und das TOPS Projekt zu streichen, kombiniert mit der kontroversen Diskussion, die der Friedmann-Bericht ins Leben gerufen hatte, brachte das NASA-Management in eine Zwickmühle. Um die Unterstützung für das Grand Tour Programm zu verstärken und um generelle Fragen über die Erforschung von Planeten zu beantworten, wendete sich die NASA Administration im Rahmen einer Space Science Board Summer Study im August 1971 erneut an die wissenschaftliche Gemeinschaft. Diese Summer Study kam zu dem Schluß, dass sowohl die Grand Tour (unter Verwendung von vier TOPS Sonden) als auch die intensive Studie von sowohl Jupiter als auch Saturn unterstützt werden sollten - die Wissenschaftler unterstützten Grand Tour mit 12 zu 1 Stimmen. Allerdings drängten die Wissenschaftler auch dazu, das Grand Tour Projekt zugunsten einer kostengünstigeren Mariner Mission zum Jupiter und Saturn zurückzustellen, sollten die Budgetmittel der NASA ein bestimmtes Level unterschreiten. Während die NASA ihr Budget für 1973 vorbereitete, verbreiteten sich Gerüchte, dass die Budgetzwickmühle die Planetenerforschungsprogramme stark beeinflussen würde. 212 Zusätzlich begann das Grand Tour Projekt mit dem neuesten NASA Programm zu kollidieren: dem Space Shuttle. Das NASA Budget-Ansuchen für 1973, das im Oktober 1971 der OMB vorgelegt wurde, inkludierte sowohl die Grand Tour als auch den Space Shuttle. Im Dezember 1971 kam dem NASA Administrator James Fletcher von Seiten des White House zu Ohren, dass Präsident Nixon bereit war, das Shuttle Programm zu genehmigen, dass er aber der NASA nicht gleichzeitig den Shuttle und das komplette TOPS Grand Tour Programm genehmigen würde. Und so musste sich Fletcher entscheiden: was war wichtiger, Shuttle oder Grand Tour? Fletcher entschied sich für das Space Shuttle Programm und stimmte zu, die TOPS Version des Grand Tour Programms aus dem NASA Budget-Ansuchen für 1973 zu streichen, um sie mit 2 billigeren Mariner Raumschiffen zu ersetzen. Diese „Mariner Jupiter-Saturn“ Raumschiffe sollten 1977 gestartet werden. Nixon kündigte in seiner Budget Ansprache vom fünften Januar 1972 die Entwicklung des Space Shuttle an, sowie die Streichung des TOPS Grand Tour Programmes und dessen Ersatzprogramm, die Mariner Jupiter-Saturn Mission. Was verursachte also den Tod der Grand Tour? Der Grund für sein Ableben war nicht so sehr in den hohen Kosten des Programmes zu sehen, als vielmehr in seiner Konkurrenz zu anderen neuen hochpreisigen Programmen wie dem Shuttle, dem HST, und dem Viking Programm, im Kontext eines schrumpfenden NASA Budgets. Die Grand Tour wurde letztlich auch das Opfer der NASA-Präferenz für bemannte Missionen gegenüber Robotermissionen. Das Space Shuttle Programm wurde auch als 213 essentiell angesehen, um die bemannte US Raumfahrt nach dem Ende das Apollo Programmes fortsetzen zu können. Aber war die Grand Tour wirklich tot? Noch bevor die Streichung der Grand Tour Mission publik gemacht wurde, begannen schon die Planungen für die Mariner Jupiter-Saturn Mission, die kostenreduzierte Zweiplaneten-Alternative zur Grand Tour Mission. Die NASA Administratoren wandten sich erneut an die wissenschaftliche Gemeinschaft in Form des Space Science Board. Das Board traf sich im Februar 1972 und befürwortete die Mariner Jupiter-Saturn Mission einstimmig. Der Kongress stimmte daraufhin dem TOPS Grand Tour Ersatzprogramm zu und bewilligte die Mittel für die Mariner Jupiter-Saturn Mission für das Fiskaljahr 1973. Die Kosten der Mariner Jupiter-Saturn Mission, USD 360M, verglichen mit USD 1000M für die TOPS Grand Tour passten in ein geschrumpftes NASA Budget, mit dem zusätzlich auch der Space Shuttle entwickelt werden musste. Um Kosten zu sparen, entschied sich die NASA, das Design und den Bau der Mariner Jupiter-Saturn Raumschiffe durch das JPL durchführen zu lassen, und nicht durch Boeing, General Electric, Hughes, Martin Marietta und North American Rockwell, wie für die Grand Tour geplant war. Diese Entscheidung für das JPL wurde im NASA Hauptquartier als Entscheidung von höchster Wichtigkeit für die Zukunft des NASA Planetenerforschungsprogrammes und auch für die Zukunft des JPL angesehen - das JPL brauchte den Kontrakt einfach, um nicht massiv Leute entlassen zu müssen. Und das NASA Hauptquartier brauchte den Kontrakt, um ihr Planetenerforschungsprogramm gesund und le214 bensfähig erhalten zu können. Trotz der vergleichsweise bescheidenen Ziele der Mariner Jupiter-Saturn Mission konnte man immer noch das Startfenster der Grand Tour nutzen, jene seltene Planetenkonstellation, die es erst ermöglichen würde, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun in einer Mission anzusteuern. Und die Ingenieure bei JPL hatten die volle Absicht, ein Raumschiff zu bauen, das bis zum Uranus und Neptune überdauern würde. Wie Bradford Smith, der Leiter des Imaging Teams, erklärt: „Wir verstanden damals sehr wohl das enorme Potential dieser Mission - dass es gut sein könnte, dass sie eine der wirklich herausragenden, wenn nicht die herausragendste Mission im gesamten Programm der Planetenerforschung werden könnte“. S. Ichtiaque Rasool, der Deputy Director des Planetenerforschungsprogrammes, meint dazu: „Die Lektion, die wir aus der Streichung des Grand Tour Programmes gelernt haben, war, dass man niemals versuchen sollte, so ein großes, langfristiges Projekt in einem Stück zu finanzieren. So haben wir es eben Stück für Stück gebaut. Und interessanterweise kommen solche Projekte dann immer groß raus. Wenn man weniger Geld zur Verfügung hat, kann man es manchmal sogar besser machen.“ So wurden also überall, wo es möglich war, Mariner Designs verwendet, und mit Subsystemen aus dem Viking Orbiter ergänzt, um die erforderliche Leistung und Ausfallssicherheit zu erreichen. Die NASA hielt außerdem die Atomic Energy Commission dazu an, die Plutionium Batterien so zu erweitern, dass sie mehr als 10 Jahre lang vorhalten würden - mehr als genug Zeit für die Mariner Jupiter-Saturn Raum215 schiffe für ein Uranus- und Neptun-Encounter. Trotz der Betonung der bestehenden Technologie wurde auch Geld für die Entwicklung neuer Technologien aufgewendet, wenn auch in vergleichsweise bescheidenem Maße: der Kongress und der OMB bewilligten zusätzliche USD 7M für wissenschaftliche und technologische Erweiterungen. Ein Teil dieses Budgets wurde zur Entwicklung eines programmierbaren Onboard-Computers verwendet. Dieser reprogrammierbare Computer erwies sich später als geradezu unerläßlich, um Voyager II bei den Uranus- und Neptun-Encounters voll funktionstüchtig zu erhalten. Ohne Verwendung von modernsten Datenkomprimierungsroutinen, verbunden mit modernsten Error correction Coding (Reed-Solomon Error Correction), die auf den alternden Onboard-Computer upgeloadet wurden, hätte es verglichen mit den Jupiter- und Saturn-Encountern einen gigantischen Leistungsabfall beim Uranus- und beim Neptun-Encounter gegeben (der Leistungsabfall entsteht einerseits durch die schlechteren Lichtverhältnisse, die längere Belichtungsdauer bedingen, und andererseits durch das immer schwächer werdende Antennensignal des Voyager, das eine erhöhte Fehlerhäufigkeit bei der Datenübertragung bewirkt. Anmerkung durch meine Wenigkeit.) Bereits 1971, also noch vor der Autorisierung von Grand Tour, hatte die wissenschaftliche Gemeinschaft aktiv mit der NASA zusammengearbeitet, um die wissenschaftlichen Ziele für die Mission festzulegen. Unter den Primärzielen waren: 1. physikalische Eigenschaften, Dynamik, und Zusammensetzung der Atmosphären 2. Geologische Merkmale 216 3. thermische und energetische Systeme 4. geladene Teilchen und elektromagnetische Beschaffenheit der Planetenumgebungen 5. Rotationsdauer, Radien, Maßzahlen und andere planetarische Eigenschaften 6. Schwerefelder Unabhängig von den Empfehlungen der wissenschaftlichen Gemeinschaft hatte JPL seit der Planungsphase der Grand Tour darauf bestanden, Videokameras in den Raumschiffen zu inkludieren. Der Projekt Manager von Mariner Jupiter-Saturn, Harris M. „Bud“ Schurmeier, verstand sehr gut die wissenschaftliche wie auch die nicht-wissenschaftliche Bedeutung von hochqualitativen Bildern der Planeten und ihrer Monde: bereits 1964 hatten die Ranger Mond-Impakt Sonden erste Nahaufnahmen vom Mond zur Erde zurückgefunkt, und dafür Hardware verwendet, die vom JPL unter der Leitung von Schurmeier entwickelt worden war. In weiterer Folge hatte Schurmeier 1969 die Arbeit an den Mariner 6 und 7 Sonden geleitet, deren vom Mars zurückgefunktes Bildmaterial eine Steigerung um den Faktor hundert gegenüber dem winzigen Mariner 4 bedeutete. Im April 1972 schrieb die NASA eine formale Anfrage für wissenschaftliche Experimente aus, die in der Mariner Jupiter-Saturn Mission inkludiert werden sollten, und erhielt mehr als 200 Antworten, aus denen dann 90 ausgewählt wurden. Eines der ungewöhnlichsten wissenschaftlichen Experimente der Mariner Jupiter-Saturn Mission war eine Aufnahme namens „Sounds of Earth“ - eine mehr als zweistündige phonographische Aufnahme von Naturgeräuschen sowie Begrüßungen in 60 Sprachen auf einer Kupferscheibe, für den Fall, dass die Sonde auf außerirdische Intelligenzen treffen 217 sollte. Der Name „Mariner Jupiter-Saturn“ wurde bis März 1977 verwendet, also bis wenige Monate vor dem Start. Viele Beteiligte hatten das Gefühl, dass das Mariner Jupiter-Saturn Raumschiff sich weit genug von der Mariner Familie von Raumschiffen weg entwickelt hatte, um sich einen eigenen Namen zu verdienen. Die NASA organisierte einen Wettbewerb zur Namensfindung, aus dem der Name „Voyager“ als Sieger hervorging. Details finden sich hier: http://history.nasa.gov/SP-4219/Chapter11.html#Chapt11-4 Ich habe nur einige Passagen daraus übersetzt, nämlich jene, die mir zur Erläuterung des Grand Tour Projektes sowie der Entstehung seines „Erben“ bedeutsam erschien, der Voyager-Sonde. 22.06.2004: Zum ersten Mal Laufen seit 2 Jahren W ar heute zum ersten Mal seit circa Juni 2002 Laufen. Ich habe mittlerweile auf 71 kg abgespeckt und das sind dann doch schon fast 15 kg, und das spüre ich schon sehr wohltuend. Das Laufen war natürlich mühsam, aber ich hatte damit gerechnet, dass es eher eine zähe Angelegenheit werden würde und daher mir gleich eine Laufstrecke ausgesucht, die dem Rechnung tragen würde. Ich bin dann einfach von Grinzing auf Seitenstraßen runter nach Nussdorf gelaufen, habe mich sozusagen von der Schwerkraft „tragen“ lassen. Und zurück hinauf bin ich dann einfach marschiert. 218 23.06.2004: Es scheint, ich habe es wirklich geschafft W ar heute Spazieren, bin über den Kaasgraben zur Bellevuewiese hinaufspaziert. Beim Hinuntermarschieren, vorbei an den Villen der Reichen, da dämmerte es mir plötzlich: es ist Sommer, ein wunderschöner Sommer, ich spüre ihn und rieche ihn und schmecke ihn, er ist überall in mir und ich bin noch am Leben und das einzige, was ich tun muss, ist diesen Sommer zu genießen und einfach zu leben... 219 Meine Behandlung und abschließende Worte I ch persönlich habe eine allopathische Therapie (Chemotherapie plus anschließende Radiatio) mit einer homöopathischen Kur (klassische Homöopathie nach Hahnemann1) kombiniert. Meiner Erfahrung nach hat die homöopathische Kur dazu beigetragen, die gefürchteten Nebenwirkungen der Chemotherapie sehr stark zu vermindern. Ich hatte einiges Pech: meine Tumore waren sehr groß, sehr alt, daher sehr schlecht durchblutet und noch dazu inoperabel. Ich habe zuerst 5 Zyklen Chemotherapie (BEACOPP Basis und eskaliert, sowie einen Hochdosiszyklus zur Stamzellengewinnung) ohne die homöopathische Kur absolviert. Weil diese 5 Zyklen überhaupt keine Wirkung auf die Tumore hatten, sondern die Tumore im Gegenteil noch neben der Chemotherapie weiterwuchsen, wurde dann zweimal das Protokoll gewechselt; es folgten 9 Zyklen, bei denen ich eine unterstützende homöopathische Kur erhielt. Ich kann daher aus Erfahrung sprechen: die 5 ersten Zyklen waren nicht nur körperlich, sondern auch seelisch ein absoluter Alptraum, die weiteren 9 Zyklen, waren zumindest erträglich, obwohl die verwendeten Protokolle bei weitem aggressiver waren als jene der ersten 5 Zyklen. Meiner Erfahrung nach hätte allerdings die Homöopathie alleine nicht ausgereicht, meine Tumore zu zerstören. Ich habe drei Monate lang ausschließlich homöopathische Kur probiert – danach sind alle Tumore wieder im Wachsen gewesen. Allerdings hätte eine ausschließlich allopathische Kur zwar 220 mit einiger Wahrscheinlichkeit die Tumore vernichtet, aber ebenso hätte sie auch meinen restlichen Körper vernichtet, und es wäre nur mehr ein Wrack zurückgeblieben. Das Geheimnis zu einer erfolgreichen Krebsbehandlung scheint also in einer Kombination beider Behandlungsmethoden zu liegen. Einen kleinen „Trick“ möchte ich als Abschluß meinen Schicksalsbrüdern und -schwestern mitgeben: es handelt sich um einen Trick, eine schwere Chemotherapie oder einfach eine schwere Zeit gut zu überstehen, und der Trick kommt eigentlich aus dem Leistungssport. Wenn man mit dem Rad eine steile Strasse hochfährt und man ist an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit, dann denkt man sich tunlichst nicht „ich habe noch 6 km Strecke mit einer Steigung von 8% vor mir, und ich bin jetzt schon am Ende, das schaff ich nie!“. Sondern man denkt sich „jetzt hab ich noch 10 Meter bis zur nächsten Kehre, dann geht es wieder etwas leichter. Bis zur Kehre schaff ich das noch“. Wenn man diese Kehre erreicht hat, dann denkt man sich „jetzt hab ich es ein wenig leichter“. Wenn man dann auf dem Weg zur nächsten Kehre ist, dann denkt man sich wieder „jetzt muss ich noch 50 Meter bis zur nächsten Kehre schaffen“. Und so weiter und so fort... Analog dazu habe ich während der Chemotherapie nie gedacht „jetzt hab ich bereits 10 absolut elende Zyklen hinter mir, und ich habe noch 3 Zyklen mini-BEAM vor mir, und danach muss ich ins Sterilzimmer, und danach werde ich noch bestrahlt“. Sondern ich pflegte am Montag, zu Beginn der Chemo, zu meinem Arzt zu gehen und zu ihm zu sagen „am Samstag 221 zu Mittag, nach der letzten Infusion, gehe ich wieder nach Hause“. Davon war ich felsenfest überzeugt, und der Arzt wusste, dass ich so lange keine Ruhe geben würde, bis er mir das zusagte. Er kannte meinen Eigensinn und akzeptierte das. Und das hat auch immer geklappt, einfach jedes mal! Der Arzt sagte zum Schluß bei der Visite dann schon immer: „Und der Herr Magister will am Samstag nach Hause.“ Und wenn ich dann zu Hause war, dann habe ich es unendlich genossen, daheim bei meiner Lady zu sein und dann habe ich sicher nicht an den nächsten Zyklus gedacht - dafür ist dann während des nächsten Zyklus genug Zeit. Ich wurde oft gefragt: ist so eine Chemo nicht schrecklich? Wie hältst Du das aus?“ Meine Antwort war stets: „Während der Chemo bist Du einfach so sehr mit der Chemo und den Anforderungen Deines Körpers beschäftigt, dass Du gar keine Zeit hast, daran zu denken, dass das alles eigentlich ein schrecklicher Alptraum ist. Nach der Chemo denkst Du vielleicht schon zurück und denkst Dir, „das war jetzt eigentlich ein schrecklicher Alptraum“, aber da ist die Chemo dann ja schon vorbei! Und dann genießt Du, dass Du wieder daheim bist und eine Zeitlang Ruhe hast.“ Mit anderen Worten: auch eine Reise von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt. Und es ist verträglicher und besser, in kleinen Etappen zu denken, als zwanghaft die riesige Gesamtdistanz zu fixieren. 222 Meine Meinung zum Thema Krebs S o gut wie jeder Krebskranke oder „Ex-Krebskranke“ wird gefragt, „was ist denn nun Deine Lehre aus dieser ganzen Geschichte?“ oder „welche Erfahrungen hast Du gewonnen?“ oder „warum glaubst Du, hast gerade Du Krebs?“ Ich habe natürlich auch viel gelesen und viel sinniert. Was ich nicht mache oder vielmehr für sinnlos halte, sind Gedanken wie „warum habe ich diese Krankheit und nicht ein anderer?“ Was soll denn das? Ich habe den Krebs und ich muss damit fertig werden, und nicht ein anderer. Ich glaube auch, dass es absolut einen Sinn hat, dass Krebs so schwierig zu behandeln und so schmerzhaft für die Betroffenen ist. Meine Hypothese dafür ist folgende: mit einer Krebserkrankung oder eigentlich mit dem damit verbundenen Leiden büßt man eine Schicksalsschuld aus einem vergangenen Leben. Die Ursache für Krebs kann nicht im aktuellen Leben liegen. Warum sollten sonst Kinder oder Babys an Krebs sterben? Und warum sollten sich sonst ultimative Endmonster von Menschen bester Gesundheit erfreuen? Meine Hypothese behauptet weiter, dass der menschliche Körper nicht nur jener feststoffliche Körper ist, den die moderne Medizin und die moderne Wissenschaft sieht. Meine Hypothese behauptet, dass der physische menschliche Körper durch einen feinstofflichen Körper „in Form“ gehalten wird. Ohne diesen feinstofflichen Körper wäre der Körper tot, ein verwesender Leichnam. 223 Dieser feinstoffliche Körper, nennen wir ihn „Lebenskörper“, weil nur mit seiner Hilfe der physische Körper leben kann, gleicht Atom für Atom dem physischen Körper, den er aufbaut und erhält. Außerdem muss man bedenken, dass nicht dieser feinstoffliche Körper eine Ausstrahlung des physischen Körpers ist, sondern vielmehr der physische Körper eine Kristallisation dieses feinstofflichen Körpers ist. Wenn also sich im physischen Körper ein Tumor zeigt, dann kann man davon ausgehen, dass dieser Tumor in exakt derselben Form auch im Lebenskörper besteht. Nach Meinung der Rosenkreuzer2 werden Schicksalsschulden eines Menschen im Lebenskörper gespeichert. Der Lebenskörper vergeht zwar nach dem Tod eines Menschen, aber ein ätherisches Keimatom dieses Körpers überlebt den Tod; und der neue Lebenskörper in der nächsten Inkarnation wird auf Basis der bestehenden Schicksalsschuld aus dem ätherischen Keimatom des vergangenen Lebens wieder aufgebaut. Und dieser neue Lebenskörper und damit auch der neue physische Körper werden im Falle einer Krebserkrankung wahrscheinlich typische Krebssignaturen zeigen, die ein Hellsichtiger eigentlich erkennen müsste. Damit ist noch nicht gesagt, dass der Krebs auch wirklich ausbricht; aber das Potential dazu ist jedenfalls da. Wenn man den Tumor im physischen Körper entfernt, dann besteht der ätherische Tumor nach wie vor und wird sich nach einiger Zeit wieder manifestieren - außer natürlich, der Krebskranke schafft es, seinen Lebenskörper zu verändern. Hier gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute Nachricht lautet: den Lebenskörper kann man tatsäch224 lich verändern. Die schlechte Nachricht lautet: eine solche Veränderung des Lebenskörpers ist sehr, sehr schwer. Extremes Leid und Leiden sind scheinbar fast die einzigen Möglichkeit, als Erwachsener eine Änderung im Lebenskörper bewirken können. Ein anderer Weg zur Veränderung des Lebenskörpers bedeutet zigtausendfache Wiederholung eines bestimmten gewünschten Denkvorganges oder einer bestimmten gewünschten Handlung oder Einstellung; aber dieser Weg ist der Weg der Kindheit und dem erwachsenen Menschen (und vor allem dem krebskranken erwachsenen Menschen) fast immer versperrt. Auch eine Behandlung mit homöopathischen Arzneien bewirkt angeblich eine Änderung im Lebenskörper. Dies mag ein Grund dafür sein, warum eine allopathische (also herkömmliche) Krebsbehandlung in Kombination mit einer homöopathischen Kur oft sehr eindrucksvolle Erfolge bewirkt. Letztlich, davon bin ich überzeugt, bedeutet oder bewirkt eine Änderung im Lebenskörper immer eine Änderung des Bewußtseins, egal, ob die Veränderung durch Leiden oder Wiederholung ausgelöst wird. Solange man nur den physischen Körper und nur ein Leben eines Menschen sieht, wird man jedenfalls Krebs, seine Entstehung und seine schlechte Heilbarkeit nicht plausibel erklären können. 1 Behandelnder Arzt: Dr. Miklós Takács, Oberlandklinik Weilheim, www.mzt-oberland. de bzw. [email protected] 2 Details zum Lebenskörper und zu Schicksalsschuld finden sich hier: http://www.rosicrucian.com/foreign/frameger00.html Max Heindl, „Die Weltanschauung der Rosenkreuzer“ 225