Produktmonografie - CSL Behring Österreich

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Produktmonografie - CSL Behring Österreich
Produktmonografie
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Human Normal Immunoglobulin
3
Inhalt
1. Einleitung
4
2. Klinische Anwendungsgebiete
5
3. Eigenschaften des Präparats
16
4. Sicherheit
24
5. Pharmakokinetik
38
6. Wirkmechanismen
42
7. Experimentelle Anwendungsgebiete
48
8. Zusammensetzung und Verabreichung
56
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Human Normal Immunoglobulin
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1. Einleitung
Privigen ist ein 10%iges flüssiges polyvalentes HumanIgG zur intravenösen Verabreichung. Es enthält strukturell
und funktionell intakte IgG-Antikörper; die Subklassen
sind in natürlichen Proportionen vertreten. Durch den
Einsatz des neuartigen Stabilisators L-Prolin bleibt
die Wirksamkeit des IgG ohne Kühlung in vollem
Umfang erhalten. Das spart Zeit und Verwaltungsaufwand.
Das empfohlene klinische Anwendungsgebiet von Privigen ist die Erhaltungstherapie bei Erwachsenen und
Kindern mit primärem oder sekundärem Immundefekt
sowie die Immunmodulation bei Autoimmun- oder
entzündlichen Erkrankungen.
Das Streben danach, intravenös verabreichte Immunglobulinpräparate (IVIG) mit optimaler Wirksamkeit und Sicherheit bereitzustellen, treibt die Weiterentwicklung der
Technologien zur Herstellung von HumanimmunglobulinPräparaten beständig voran. Zukunftsweisende Verfahren zur Virusentfernung, zum Beispiel die Filtration von
Viren von nur 20 nm Größe, minimieren das Risiko der
Erregerübertragung aus dem Plasma auf den Patienten.
Mit einer innovativen Kombination aus unterschiedlichen
Reinigungsschritten, die unter schonenden Bedingungen
(pH-Wert, Temperatur, Leitfähigkeit) durchgeführt werden, wird ein zu ≥ 98 % reines Endprodukt gewonnen,
das typischerweise 4–8 % IgG-Dimere enthält. Diese
Eigenschaften gewährleisten gute Wirksamkeit und
Verträglichkeit.
CSL Behring spielt seit mehr als hundert Jahren
eine führende Rolle bei der Entwicklung von Immunglobulin-Präparaten. Die Fachkompetenz in der
IgG-Herstellung geht auf das Jahr 1953 zurück, als
die Behringwerke – das von Nobelpreisträger Emil von
Behring gegründete Unternehmen für Serumtherapie
und Impfstoffproduktion – Beriglobin auf den Markt
brachten, das erste Humanimmunglobulin zur intramuskulären Verabreichung. 1962 folgte Gamma-Venin®, das
erste Immunglobulin zur intravenösen Anwendung, und
1978 Sandoglobulin®, das erste intakte Human-IVIG. Mit
Sandoglobulin® wurde ein entscheidender Fortschritt
in der Entwicklung von IVIG erzielt, denn es musste
weder enzymatisch zersetzt noch chemisch modifiziert
werden. Mit der Markteinführung von Intragam® im Jahr
1989 übernahm CSL die Pionierrolle bei der Herstellung
von chromatographisch aufgereinigtem IVIG im großen
Maßstab.
CSL Behring ist eine globale Organisation, die die Erfahrung und das Wissen von Herstellungs-, Forschungs- und
Entwicklungsstandorten in den USA, Deutschland, der
Schweiz und Australien unter ihrem Dach vereint. Mit
umfassender vertikaler Integration von der Plasmagewinnung bis hin zum Produktvertrieb setzt und erfüllt
das Unternehmen die höchsten Standards für Sicherheit
und Qualität.
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2. Klinische Anwendungsgebiete
tPrivigen bringt bei Immunmangel das Immunsystem
des Patienten wieder auf physiologisches Niveau.
tPrivigen wirkt gegen eine Vielfalt von Autoimmunund Infektionskrankheiten.
Privigen ist weltweit für die Substitutionstherapie bei primärem
Immundefekt (PID) sowie für die
Immunmodulationstherapie bei immunthrombozytopenischer Purpura
(ITP) zugelassen. In Europa ist Privigen außerdem für die Indikationen
Sekundärer Immundefekt, Guillain-Barré-Syndrom (GBS), Morbus
Kawasaki und allogene Knochenmarkstransplantation zugelassen
(Tabelle 1).
2.1 Substitutionstherapie
2.1.1 Primäre
Immundefektsyndrome
Das Therapieziel bei primären Immundefekten (PID) besteht in der
Prävention von Infektionen. Mit einem IgG-Talspiegel von mindestens
4–6 g/l lässt sich dieses Ziel häufig
erreichen.1-4 Bei manchen Patienten
sind aber auch höhere Konzentrationen erforderlich.3 Deshalb soll die
Dosierung für jeden Patienten individuell festgelegt werden, nach Maßgabe seines klinischen Ansprechens.
Das empfohlene Schema mit einer
Anfangsdosis von 0,4–0,8 g/kg und
danach mindestens 0,2 g/kg alle drei
Wochen muss typischerweise drei
Wenn die Infusion gut vertragen
wird, kann die Rate schrittweise auf
bis zu 12 mg/kg/min (7,2 ml/kg/h)
erhöht werden.
bis sechs Monate verabreicht werden, bis der Gleichgewichtszustand
erreicht ist. Als Erhaltungstherapie
werden 0,2–0,8 g/kg alle zwei bis
vier Wochen empfohlen.
Die Wirksamkeit von Privigen bei der
Prävention schwerer akuter Infektionen bei PID-Patienten beruht auf
einem breiten Spektrum von IgGAntikörpern gegen Viren, Bakterien
und deren Toxine.
Die Infusionsrate soll initial 0,5 mg/
kg/min (0,3 ml/kg/h) betragen.
Die Gruppe der primären Immundefekte umfasst viele verschiedene
Tabelle 1: Zugelassene klinische Anwendungsgebiete von Privigen
Klinische Anwendungsgebiete
Substitutionstherapie
1SJNÊSF
Immundefekte
t"OHFCPSFOF"HBNNBHMPCVMJOÊNJFVOE)ZQP
gammaglobulinämie
t7BSJBCMFS*NNVOEFGFLU
t4DIXFSFSLPNCJOJFSUFS*NNVOEFGFLU
t8JTLPUU"MESJDI4ZOESPN
4FLVOEÊSF
Immundefekte
t.VMUJQMFT.ZFMPNNJUTDIXFSFSTFLVOEÊSFS)ZQP
gammaglobulinämie und rezidivierenden Infektionen
t$ISPOJTDIFMZNQIBUJTDIF-FVLÊNJFNJUTDIXFSFS
sekundärer Hypogammaglobulinämie und rezidivierenden Infektionen
t&SXPSCFOFOFT*NNVOEFGFLUTZOESPN"*%4
CFJ
Kindern
Immunmodulation
t*NNVOUISPNCP[ZUPQFOJTDIF1VSQVSB
t.PSCVT,BXBTBLJ
t(VJMMBJO#BSSÏ4ZOESPN
Allogene Knochenmarktransplantationen
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Human Normal Immunoglobulin
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genetische Störungen, die die Entwicklung und Ausreifung der Zellen
des Immunsystems beeinflussen.5, 6
Menschen mit PID unterliegen einem
erhöhten Risiko für Infektionen wie
Pneumonie, Meningitis oder Septikämie. Infektionen mit normalerweise
harmlosen Mikroorganismen verlaufen oft schwer oder sogar tödlich.
Zusätzlich treten bei den Betroffenen
häufig autoimmune Störungen auf.
Über 100 erbliche PID sind bis dato
bekannt. Die häufigsten Formen
und ihre geschätzte Inzidenz sind in
Tabelle 2 aufgeführt. Die genauen
Inzidenzen sind nicht bekannt.5 Es ist
möglich, dass jeder 500. Mensch einen primären Immundefekt hat, die
meisten Fälle jedoch unentdeckt und
damit auch unbehandelt bleiben.
Bis zu 1:2.500–5.000 aller Neugeborenen könnte einen PID haben,
bei dem eine IVIG-Therapie indiziert
ist.
Substitutionstherapie mit
Privigen bei PID
Primäre Immundefekterkrankungen
mit verminderter Immunglobulinund Antikörperproduktion sind
Indikationen für die Substitutionstherapie mit IVIG. Die Wirksamkeit
von Privigen bei PID ist in einer prospektiven, offenen, multizentrischen
Phase-III-Studie geprüft worden.
An der Studie nahmen 80 Patienten mit XLA (21 Männer) oder CVID
Tabelle 2: Inzidenz der häufigsten PID
Primäre Immundefekte
Inzidenz*
Mangel einer IgG-Subklasse
1:25–1:100
Selektiver IgA-Mangel
1:300–1:700
Variabler Immundefekt
1:10.000
X-SCID (x-chromosomaler schwerer
kombinierter Immundefekt)
1:50.000–1:100.000
Wiskott-Aldrich-Syndrom
1:100.000–1:250.000
*Wenn nicht anders angegeben, stammen die Zahlen von der US National Immunodeficiency Foundation (http://www.info4pi.org)
(34 Frauen und 25 Männer) teil, die
seit mindestens sechs Monaten vor
Studienbeginn eine stabile IVIG-Substitutionstherapie erhalten hatten.
Zwölf Monate lang erhielten die Teilnehmer Privigen in individuell eingestellten Dosen von 0,200–0,888 g/
kg. Der Therapieplan umfasste entweder 17 Infusionen in Abständen
von drei Wochen (mediane Dosis
0,428 g/kg) oder 13 Infusionen
alle vier Wochen (mediane Dosis
0,440 g/kg).
Das Primärziel der Studie war es
nachzuweisen, dass die Zahl akuter
schwerer bakterieller Infektionen
(aSBI) pro Teilnehmer unter einer
pro Jahr liegt und somit den Anforderungen der FDA Guidance 2005
entspricht.10 Als akute SBI galten
definitionsgemäß Pneumonie, Bak-
teriämie/Septikämie, Osteomyelitis/
septische Arthritis, bakterielle Meningitis sowie viszerale Abszesse. Im
gesamten zwölfmonatigen Studienzeitraum traten insgesamt lediglich
sechs aSBI-Episoden auf (Tabelle
3). Die Häufigkeit von aSBI betrug
0,08 pro Jahr mit einer oberen einseitigen 97,5-%-Konfidenzschranke
von 0,182, also deutlich unter dem
Grenzwert von 1, den die FDA empfiehlt.
Unter Einbeziehung sämtlicher Formen von Infektionen betrug die jährlichen Infektionsrate 3,55. Diese Zahl
deckt sich mit einer anderen Publikation.11 Die Anzahl Tage, die die Betroffenen jährlich krankheitsbedingt
am Arbeitsplatz/in der Schule fehlten
bzw. nicht zu ihren gewohnten Alltagsaktivitäten in der Lage waren,
7
Tabelle 3: Inzidenz akuter schwerer bakterieller Infektionen während
einjähriger Pirivigen-Therapie
Infektionen
ITT*-Population
(N=80)
Gesamt
6
7,5 %
Pneumonie
3
3,8 %
Septische Arthritis (bakterielle Arthritis)
1
1,3 %
Osteomyelitis (Infektion)
1
1,3 %
Viszeraler Abszess (retroperitonealer Abszess) 1
1,3 %
* ITT = intention to treat
IgG (g/L)
Abbildung 1: Mittlerer (± SA) Serum-IgG-Talspiegel von PIDPatienten nach Privigen-Infusionen
15,0
Gabe alle
3 Wochen
12,5
Gabe alle
4 Wochen
10,0
zweier Teilnehmer (116 der insgesamt 166 Krankenhaustage). Scores
für das allgemeine Wohlbefinden
nach einem Jahr Privigen-Therapie
ergaben, dass es Teilnehmern insgesamt „gut“ ging. Der mediane
Score nach 986 Infusionen betrug
2,0, wobei 1 „sehr gut“ bedeutet
und 5 „sehr schlecht“.
Die Substitutionstherapie mit Privigen im Dosisbereich von 0,200 bis
0,888 g/kg alle drei bis vier Wochen
bewirkte stabile IgG-Talspiegel über
die gesamte Behandlungsphase hinweg (Abbildung 1). Die mittleren IgGTalspiegel lagen mit 8,84–10,27 g/l
deutlich oberhalb des anerkannten
therapeutisch wirksamen Niveaus
für den Infektionsschutz.1-4
2.1.2 Sekundäre
Immundefektsyndrome
7,5
5,0
2,5
0
0
10
20
30
40
50
Privigen ist indiziert bei Patienten mit
sekundären Immundefekten (SID),
z. B. B-lymphoproliferative Erkrankungen (multiples Myelom, chronische lymphatische Leukämie) oder
AIDS bei Kindern.
Wochen
Multiples Myelom
betrug 7,94 (von den 80 Patienten,
die zusammen 26.198 Studientage
abschlossen, fehlten 53 Patienten für
insgesamt 570 Tage). Dies entspricht
ungefähr den in früheren Studien ermittelten Werten.12-14 15 Teilnehmer
(18,8 %) mussten stationär behandelt
werden; die Dauer der Krankenhausaufenthalte betrug 2,31 Tage pro
Jahr. Diese Zahl ist signifikant beeinflusst durch die überproportionale
Dauer der Krankenhausaufenthalte
Privigen ist indiziert für die Behandlung des multiplen Myeloms mit
schwerer sekundärer Hypogammaglobulinämie und rezidivierenden
Infektionen. Die empfohlene Dosis
beträgt 0,2–0,4 g/kg Privigen alle
drei bis vier Wochen.
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Human Normal Immunoglobulin
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Das multiple Myelom ist die zweithäufigste maligne Erkrankung nach
dem Non-Hodgkin-Lymphom; es
macht rund 1 % aller Krebserkrankungen und 2 % aller krebsbedingten Todesfälle aus.15 Charakteristisch
für die Krankheit sind die Proliferation maligner Plasmazellen im Knochenmark und die überschießende
Produktion von intaktem monoklonalem Immunglobulin. Die normale
Immunglobulinproduktion wird eingeschränkt, der Spiegel normaler,
polyklonaler Immunglobuline sinkt
deutlich. Daraus resultiert ein sekundärer Immundefekt, der durch die
während Chemotherapiezyklen auftretende Neutropenie noch verschärft
wird. So treten vermehrt Bakterien-,
Virus- und Pilzinfektionen auf, die
auch tödlich verlaufen können. Die
Prognose bei multiplem Myelom ist
schlecht; die mediane Überlebensdauer beträgt rund drei Jahre.16
4). Die Unterschiede sind statistisch
signifikant und werden durch die
Ergebnisse weiterer klinischer Studien gestützt.18 Die IVIG-Therapie
in einer Dosierung von 0,4 g/kg hat
sich insbesondere bei solchen Patienten als wirkungsvoll erwiesen, die
keine Antikörper gegen bakterielle
Kapselpolysaccharide bilden können
und nicht auf Pneumokokkenimpfstoffe ansprechen.16 Andere Untersuchungen haben ergeben, dass
auch Dosen von 0,2–0,4 g/kg alle
drei bis vier Wochen wirksam sein
können.16, 19
Die Wirksamkeit der IVIG-Therapie
beim multiplen Myelom ist in einer
plazebokontrollierten, doppelblinden
Studie mit 83 Teilnehmern nachgewiesen worden. 42 der Teilnehmer
erhielten ein Jahr lang 0,4 g/kg IVIG
alle drei Wochen.17 Den 41 Patienten
in der Kontrollgruppe wurde Albumin
verabreicht. Bei keinem der Patienten
in der IVIG-Gruppe trat eine Sepsis
oder Pneumonie auf, in der Plazebogruppe hingegen entwickelten zehn
Patienten diese Komplikationen. Von
insgesamt 57 schweren Infektionen
traten 19 in der IVIG-Gruppe auf,
38 in der Plazebogruppe (Tabelle
Chronische lymphatische
Leukämie
Privigen ist indiziert für die Behandlung der chronischen lymphatischen
Leukämie (CLL) mit schwerer sekun-
Tabelle 4: Rückgang der Infektionshäufigkeit nach IVIG-Behandlung bei Patienten mit multiplem Myelom17
Art der Infektion
IVIG (n = 42)
Plazebo (n = 41)
Statische Signifikanz
(IVIG vs. Plazebo)
Sepsis
0
3
p = 0,045
Pneumonie
0
7
p = 0,005
Sonstige Atemwegsinfektionen
6
18
p = 0,097
Harnwegsinfektionen
8
5
n.s.
Hautinfektionen
2
0
n.s.
Sonstige Infektionen
3
5
n.s.
19
38
p = 0,019
Gesamtszahl Patienten mit Entzündungen
n.s. = nicht signifikant
9
därer Hypogammaglobulinämie und
rezidivierenden Infektionen. Ziel der
Therapie ist ein IgG-Talspiegel von
mindestens 6 g/l. Die empfohlene
Dosierung beträgt 0,2–0,4 g/kg alle
drei bis vier Wochen, bis ein stabiler
IgG-Spiegel erreicht ist. Die Dosis
für die Erhaltung dieses Niveaus ist
individuell festzulegen.
Auslöser der CLL ist die neoplastische klonale Proliferation von B-Lymphozyten, die sich im Knochenmark
und im Blut anreichern. Die Diagnosestellung fußt auf dem Nachweis
einer veränderten B-Zellpopulation,
die ein charakteristisches Muster von
Zelloberflächenmolekülen aufweisen, z. B. eine ungewöhnliche gleichzeitige Expression der Oberflächenmarker CD5 und CD23. Die Krankheit
selbst schreitet in den meisten Fällen
nur langsam fort, aber bei den meisten CLL-Patienten kommt sekundär
eine Hypogammaglobulinämie hinzu.
Rund 50 % der Patienten unterliegen
einem erhöhten Infektionsrisiko, z. B.
für chronische Bronchitis und Otitis,
wiederkehrende Pneumonien oder
Haut- und Harnwegsinfektionen.20
Infektionen sind die Hauptursache
für Morbidität und Mortalität bei
dieser Patientenpopulation.
In einer randomisierten, doppelblinden,
plazebokontrollierten Studie wurde der
Nutzen einer Substitutionstherapie mit
IVIG für CLL-Patienten untersucht.21
Die Teilnehmer der Studie – 41 Patienten mit Hypogammaglobulinämie
und/oder schweren Infektionen, die
mit systemischen Antibiotika behandelt wurden – erhielten ein Jahr lang
alle drei Wochen eine IVIG-Infusion
von 0,4 g/kg. Die Kontrollgruppe mit
40 Patienten erhielt Infusionen mit
Kochsalzlösung. Bei den Patienten in
der IVIG-Gruppe traten signifikant
weniger bakterielle Infektionen auf
als in der Kontrollgruppe (23 vs. 42;
p = 0,01). Zusätzlich war das Intervall
zwischen Studienbeginn und erstem
Auftreten einer schweren bakteriellen
Infektion in der IVIG-Gruppe signifikant länger als in der Kontrollgruppe
(p = 0,026). Die für eine klinische Verbesserung erforderliche Dosis wurde
in einer randomisierten, doppelblinden
Studie mit 34 Teilnehmern ermittelt.19
Die Behandlung mit 0,5 oder 0,25 mg/
kg IVIG ein Jahr lang alle vier Wochen
zeigte vergleichbare Wirkungen. Diese
Ergebnisse wurden auch in nachfolgenden Studien gesichert.16, 22
Angeborene AIDS-Erkrankung
mit wiederkehrenden
Infektionen bei Kindern
Privigen ist auch zur Substitutionstherapie bei Kindern mit AIDS indiziert;
die Dosierung beträgt 0,2–0,4 g/
kg alle drei bis vier Wochen. Ziel ist
es, den IgG-Talspiegel dauerhaft auf
mindestens 6 g/l zu heben.
Intravenös verabreichtes Immunglobulin ist in der Therapie von Kindern
mit AIDS nachweislich wirksam. Besonders gut scheinen auf die IVIGTherapie solche Kinder anzusprechen, die bereits eine oder mehrere
bakterielle Infektionen durchgemacht
haben, deren CD4 + -Lymphozytenzahl über 0,2 × 10 6 Zellen/ml liegt
oder die nicht mit Sulfamethoxazol/
Trimethoprim vorbehandelt sind.
Kinder mit pränatal oder perinatal
erworbener HIV-Infektion sind in der
Regel nicht in der Lage, eine primäre
oder sekundäre Antikörperantwort
auf Impfstoffe oder Infektionserreger zu entwickeln; dies wird als
funktionale Agammaglobulinämie
gewertet. Die Folgen sind schwere
Infektionen mit ubiquitären Kapselbakterien, die vor oder gleichzeitig
mit viralen und anderen opportunistischen Infektionen auftreten, wie
sie für eine defizitäre T-Lymphozytenfunktion typisch sind.23
Der in mehreren kleinen, unkontrollierten Studien beobachtete Nutzen
von IVIG konnte in zwei multizentrischen, randomisierten, plazebokontrollierten, doppelblinden Studien
bestätigt werden. In einer Studie
erhielten 372 HIV-infizierte Kinder
von bis zu 13 Jahren alle 28 Tage
eine IVIG-Dosis von 0,4 g/kg Körpergewicht. Eine Kontrollgruppe von
372 HIV-infizierten Kindern ähnli-
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Human Normal Immunoglobulin
10
chen Alters wurde mit einer 1%igen
Albuminlösung behandelt. Bei denjenigen Patienten, deren CD4+-Zellzahl
initial über 0,2 × 106 Zellen/ml lag,
verlängerte die IVIG-Therapie den
infektionsfreien Intervall sowohl
für schwere bakterielle Infektionen (p = 0,01) als auch für minder
schwere Bakterien- und Virusinfektionen (p = 0,02). Auch die Zahl der
Krankenhaustage ging unter IVIG
zurück (p = 0,03).24
Eine weitere Studie mit 255 pädiatrischen AIDS-Patienten unter antiretroviraler Therapie (Zidovudin)
belegte ebenfalls die Wirksamkeit
von IVIG im Vergleich zu Plazebo.
Die Gesamthäufigkeit schwerer
bakterieller Infektionen im Zeitraum
von zwei Jahren betrug in der IVIGGruppe 17 % gegenüber 24 % in der
Plazebogruppe (p = 0,07). Der Erfolg
der IVIG-Therapie war begrenzt auf
die Untergruppe Kinder, die zuvor
kein Sulfamethoxazol/Trimethoprim
zur Prophylaxe von Pneumocystis-carinii-Infektionen erhalten hatten. Die
Infektionsinzidenz lag hier bei 11 %
in der IVIG-Gruppe gegenüber 27 %
in der Plazebogruppe (p=0,03).25
2.2 Immunmodulation
2.2.1 Immunthrombozytopenische Purpura
Privigen ist indiziert bei chronischer
immunthrombozytopenischer Pur-
Tabelle 5: Merkmale der akuten und der chronischen ITP27
Merkmal
Akute ITP
Chronische ITP
Inzidenzgipfel
2–5 Jahre
20–40 Jahre
Häufigkeit nach
Geschlecht
1:1
vorwiegend
Frauen (3:1)
Assoziation mit Infektion
Häufig
Selten
Manifestation
Plötzlich
Schleichend
Thrombozytenzahl
< 20 x 109/L
20–80 x 109/L
Dauer
2–6 Wochen
Monate bis Jahre
Spontane Remission
Häufig
Selten
pura (ITP, früher als idiopathische
thrombozytopenische Purpura bezeichnet). Bei dieser Erkrankung bewirkt Privigen einen raschen Anstieg
der Thrombozytenzahl und einen
Rückgang der Blutungsneigung. Zur
Behandlung einer akuten Episode
werden 0,8–1 g/kg Privigen an Tag 1
und ein weiteres Mal innerhalb der
nächsten drei Tage verabreicht, es
sei denn, die erste Dosis bewirkt
bereits einen zufriedenstellenden
Therapieerfolg. Wahlweise können
über zwei bis fünf Tage 0,4 g/kg
täglich infundiert werden. Die Infusionsrate soll initial 0,5 mg/kg/min
(0,005 ml/kg/min) nicht überschreiten. Wenn die Infusion gut vertragen
wird, kann die Rate schrittweise auf
bis zu 4 mg/kg/min (0,04 ml/kg/min)
erhöht werden.
Die immunthrombozytopenische
Purpura ist eine Autoimmunerkrankung, die durch gesteigerte Phagozytose von Autoantikörper-behafteten Thrombozyten gekennzeichnet
ist. Die Folgen sind Thrombozytenmangel und mukokutane Blutungen. Die Blutungsneigung korreliert
mit der Schwere der Thrombopenie – spontane Blutungen treten
mit hoher Wahrscheinlichkeit auf,
wenn die Thrombozytenzahl unter
20–50 × 109 Zellen/l fällt. Die geschätzte Häufigkeit beträgt 100 Fälle
pro 1.000.000 Personen pro Jahr, die
Hälfte davon Kinder.26 Die im Kindesalter auftretende ITP unterscheidet
sich erstaunlich stark von der ITP
mit Erstmanifestation im Erwachsenenalter. Bei mehr als 70 % der betroffenen Kinder klingt die Krankheit
11
Abbildung 2: Wirkung von Privigen
Anteil Patienten mit Thrombozytenanstieg*
Anteil Patienten mit Thrombozyten-Response
100
Privigen (n=57)
90
80
70
60
50
40
30
20
*Anstieg der
Thrombozytenzahl
von ≤20 x 109/l
auf ≥50 x 109/l
10
0
0
5
10
15
20
25
30
Tage bis Beginn der Thrombozyten-Response
Abbildung 3: Korrelation zwischen Thrombozytenzahl und Blutungsstatus bei ITP-Patienten mit Privigen-Behandlung
200
Keine Blutungen
Mediane Thrombzytenzahl, 109/l
180
Blutungen
160
Definition der
ThrombozytenAntwort
140
120
110
80
60
40
20
0
Studien- Tag2
beginn von Inf.
Tag 4
Tag 6
Tag 8
Tag 15
Tag 22 Tag 29
Blutungen n: 40
38
23
17
12
16
20
21
Keine Blutungen n: 17
17
32
37
43
36
30
30
innerhalb von sechs Monaten wieder
ab, mit oder ohne Behandlung (Tabelle 5). Bei Erwachsenen hingegen
verläuft die ITP oft chronisch. Insgesamt sind mehr Frauen betroffen als
Männer.27
Die Therapieoptionen bei ITP umfassen Kortikosteroide, immunsuppressive oder zytotoxische Mittel
sowie die Splenektomie und können
schwere Nebenwirkungen hervorrufen. Die immunmodulatorische Wirkung von IVIG wurde im Jahr 1981
bei der Anwendung von Sandoglobulin® entdeckt, das die Thrombozytenzahl rasch und wirksam korrigiert.29, 29
Immunmodulation mit Privigen
bei chronischer ITP
Die Wirksamkeit von Privigen wurde
in einer nicht verblindeten, multizentrischen Studie mit 57 Teilnehmern
mit chronischer ITP untersucht. Die
Patienten (15–69 Jahre alt) erhielten an zwei aufeinander folgenden
Tagen je eine Dosis von 1 g/kg. Als
primärer Endpunkt sollte eine Ansprechrate von mindestens 50 % bei
den mit Privigen behandelten ITP
Patienten nachgewiesen werden.
Als Ansprechen galt ein Anstieg der
Thrombozytenzahl von ≤ 20 × 109/l
auf ≥ 50 × 109/l in den ersten sieben
Tagen nach der ersten Infusion. Die
Thrombozyten-Ansprechrate lag bei
80,7 % (46 von 57 Patienten); die
untere Schranke des 95-%-Konfi denzintervalls (KI) lag mit 69,2 %
deutlich über dem vorab festgelegten Referenzwert von 50 %.
Die mediane Thrombozyten-Höchstzahl, die erreicht wurde, war 154 ×
®
Human Normal Immunoglobulin
12
109/l. Die Thrombozytenzahl stieg
nach der Privigen-Gabe rasch an.
Die mediane Dauer von der ersten
Gabe der Studienmedikation bis zum
Wirkungseintritt betrug 2,5 Tage.
An Tag 2 vor der zweiten Infusion
hatten bereits 43 % der Patienten
auf die Behandlung angesprochen,
an Tag 5 waren es 75 % (Abbildung 2). Die Wirkung hielt median
15,4 Tage an. Bei 75 % der Teilnehmer hielt die Wirkung auf die Thrombozytenzahl 8,8 Tage oder länger an,
bei 25 % der Teilnehmer 21,9 Tage
oder länger.
Mit zunehmender Thrombozytenzahl verbesserte sich bei der Mehrheit der Patienten innerhalb der ersten Woche nach Beginn der PrivigenInfusion auch der Blutungsstatus,
was ein Anzeichen für eine klinische
Besserung der ITP darstellt (Abbildung 3). Bei Studienbeginn hatten
17 Teilnehmer (29,8 %) keine Blutungen, die anderen 40 (70,2 %)
hatten Blutungen in unterschiedlichem Ausmaß. Die mediane Thrombozytenzahl war in beiden Gruppen
vergleichbar (12 bzw. 13 × 109/l). An
Tag 4 lag die mediane Thrombozytenzahl jedoch bei den 32 Teilnehmern, bei denen bis dahin kein
Blutungsereignis aufgetreten war,
deutlich höher (169 × 109/l) als bei
den 23 Teilnehmern mit Blutungen
(62 × 109/l).
2.2.2 Morbus Kawasaki
Privigen ist indiziert zur Behandlung
der Kawasaki-Krankheit. Eine Kombinationstherapie aus Privigen und
ASS bewirkt bei Kawasaki-Patienten
einen Rückgang der Inzidenz koronarer Aneurysmen. Privigen soll über
zwei bis fünf Tage in geteilten Dosen
von insgesamt 1,6–2 g/kg oder als
Einzeldosis von 2 g/kg zusammen
mit ASS verabreicht werden.
Der Morbus Kawasaki ist eine akute,
febrile, systemische Vaskulitis, an der
Neugeborene und Kleinkinder aller
Ethnien erkranken. Am höchsten ist
die jährliche Inzidenz mit 50 Fällen
pro 100.000 Einwohner in Japan und
Hawaii, gegenüber zehn Fällen pro
100.000 Einwohner in der restlichen
Welt.30 Die Krankheit setzt mit anhaltendem, hohem Fieber plötzlich ein;
betroffen sind Haut und Schleimhäute, Lymphknoten, Blutgefäßwände und Herz. Die akut entzündliche Phase ist selbstlimitierend und
lässt nach rund drei Monaten nach.
Aneurysmen der Herzkranzgefäße
treten bei unbehandelten erkrankten Kindern in rund 15–25 % der
Fälle auf und können zu Herzinfarkt,
plötzlichem Tod oder ischämischer
Herzkrankheit führen.31, 32
ASS ist ein klassisches Mittel gegen
Fieber und zur Prävention koronarer
Aneurysmen bei Morbus Kawasaki.
In einer randomisierten japanischen
Studie wurde der Einsatz von IVIG
plus ASS mit ASS allein verglichen.33
Als primärer Endpunkt galt die Häufigkeit von Aneurysmen der Koronararterien. In den ersten 29 Tagen
ab Manifestation der Krankheit traten
koronare Aneurysmen bei den mit
IVIG plus ASS behandelten Patienten
signifikant seltener auf als bei denen,
die nur ASS erhielten (15 % vs. 42 %,
p < 0,01). Das Potenzial von IVIG zur
Senkung der Auftretenshäufigkeit
koronarer Anomalien bei KawasakiPatienten wurde durch spätere Studien32 sowie eine Metaanalyse veröffentlichter Daten bestätigt.34 Eine
höhere IVIG-Dosis (2 g/kg) zeigte
mehr Wirkung als die niedrigere mit
1 g/kg. Nachfolgende Studien untermauerten den Nutzen von IVIG als
Primärtherapie in den frühen Stadien
der Kawasaki-Krankheit.35
2.2.3 Guillain-Barré-Syndrom
Privigen ist indiziert zur Behandlung
des Guillain-Barré-Syndroms (GBS).
Die empfohlene Dosis lautet je
0,4–1 g/kg Privigen an drei bis sieben
aufeinander folgenden Tagen. Während Plasmapherese und IVIG hinsichtlich der klinischen Wirksamkeit
gleichwertig sind, wird die IVIG-Behandlung in der Regel bevorzugt, da
sie wesentlich unkomplizierter und
weniger invasiv ist. Bei Kleinkindern
mit GBS, bei denen der venöse Zu-
13
gang in der Regel problematisch ist,
ist die IVIG-Therapie als Verfahren
der Wahl zu betrachten.36
Das Guillain-Barré-Syndrom ist eine
akute Autoimmun-Polyneuropathie
des peripheren Nervensystems. Es
tritt häufiger bei Erwachsenen auf
als bei Kindern. An der Pathogenese
sind sowohl humorale als auch zelluläre Abwehrmechanismen beteiligt.37
Bei 30–40 % aller GBS-Patienten liegen Autoantikörper gegen verschiedene Ganglioside vor.38 Mit einer
Inzidenz von ein bis zwei Fällen pro
100.000 Personen pro Jahr ist das
GBS die häufigste Ursache akuter
Paralyse in Europa und Nordamerika.39 Als erstes manifestiert sich in
der Regel eine distale Parästhesie, auf
die in den nächsten Tagen paralytische Symptome folgen. Die motorische Schwäche schreitet innerhalb
von Tagen oder Wochen rasch fort;
25 % der Patienten müssen künstlich
beatmet werden. 10 % der Patienten
leiden unter lang anhaltender oder
bleibender schwerer Krankheit und
Behinderung, und in mindestens 5 %
der Fälle verläuft das GBS tödlich.40
Die therapeutische Plasmapherese
wirkt sich nachweislich positiv auf
die Akutsymptomatik und auf den
langfristigen Krankheitsverlauf aus.
Eine offene Studie und mehrere
Fallberichte haben Hinweise ergeben, dass die IVIG-Therapie hier eine
Alternative darstellen könnte. 1992
veröffentlichten niederländische Autoren die Ergebnisse einer randomisierten multizentrischen Studie,
die belegten, dass die IVIG-Therapie
der therapeutischen Plasmapherese
mindestens gleichwertig ist.41
Eine groß angelegte multizentrische
Studie mit Sandoglobulin® bestätigte
die Äquivalenz von Plasmapherese
und IVIG-Therapie.42 Insgesamt 379
GBS-Patienten wurden per Randomisierung einer Behandlung entweder
mit Plasmapherese (Austausch von
fünf Mal 50 ml/kg Körpergewicht über
acht bis dreizehn Tage), mit Sandoglobulin® (0,4 g/kg täglich für fünf Tage)
oder mit Plasmapherese plus nachfolgend Sandoglobulin® zugeführt. Bei
keinem der Verlaufsparameter war ein
Unterschied zwischen Plasmapherese
und IVIG festzustellen. Das Kombinationsschema erbrachte etwas bessere
Ergebnisse, jedoch nicht in statistisch
signifikantem Maße. Aufgrund des
gleich hohen therapeutischen Nutzens, der größeren Annehmlichkeit
und der vergleichbaren Gesamtkosten
wurde IVIG als zu bevorzugende Therapieoption ermittelt.
2.2.4 Allogene Transplantation
von Knochenmark und hämatopoetischen Stammzellen
Privigen ist indiziert zur Korrektur
einer Hypogammaglobulinämie nach
allogener Knochenmarks- oder hämatopoetischen Stammzelltransplantation. Privigen kann im Rahmen
der Konditionierung sowie nach der
Transplantation eingesetzt werden.
Die Dosierung und Häufigkeit der
Gabe sind individuell auf den Patienten und sein geschätztes Infektionsrisiko einzustellen. Die empfohlene
Anfangsdosis beträgt 0,5 g/kg pro
Woche, verabreicht sieben Tage vor
und bis zu drei Monate nach der
Transplantation.
Der Erfolg allogener Knochenmarksoder Stammzelltransplantationen
wird durch Rückfälle der Grunderkrankung ebenso gefährdet wie
durch Abstoßung des Transplantats, akute oder chronische Graftversus-Host-Reaktion (GVHD) oder
Infektionen infolge eines schweren
sekundären Immundefekts. Da eine
Knochenmarkstransplantation immer
in Verbindung mit einer Immunsuppressivatherapie durchgeführt wird,
treten Infektionen sowohl kurz als
auch lange nach der Transplantation
häufig auf.
Der Einsatz von IVIG in der Prophylaxe
von Infektionskomplikationen nach
allogener Stammzelltransplantation
ist umfassend dokumentiert und analysiert.43 Hinsichtlich der Wirksamkeit
und Dosierung besteht noch einige
Kontroverse, einerseits weil für die
GVHD-Prävention widersprüchliche
®
Human Normal Immunoglobulin
14
Daten zur Wirksamkeit vorliegen und
anderseits wegen Berichten, denen
zufolge unterschiedliche IVIG-Dosen
von 0,1 bis 0,5 g/kg eine ganz ähnliche Wirkung haben.44, 45 Dennoch
ist die IVIG-Therapie nach wie vor
ein sehr gebräuchliches Instrument
zur unterstützenden Versorgung von
Transplantationspatienten. Privigen
wird somit primär für die Therapie
der Hypogammaglobulinämie nach
hämatopoetischer Stammzelltransplantation empfohlen.
2.3 Abkürzungen
aSBI
Akute schwere bakterielle
Infektion
CLL
Chronische lymphatische
Leukämie
CPMP
CVID
Committee for Proprietary
Medicinal Products
(EU-Ausschuss für Arzneimittelspezialisten)
Common variable immunodeficiency (variabler
Immundefekt)
FDA
Food and Drug Administration (US-Zulassungsbehörde)
GBS
Guillain-Barré-Syndrome
GVHD Graft-versus-Host-Reaktion
ITP
Immunthrombozytopenische Purpura
KI
Konfidenzintervall
PID
Primäre Immundefekte
SID
Sekundäre Immundefekte
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®
Human Normal Immunoglobulin
16
3. Eigenschaften des Präparats
tPrivigen bringt das gestörte Immunsystem des Körpers wieder auf physiologisches
Niveau.
tPrivigen ist ein einzigartiges, mit Prolin stabilisiertes IVIG zur sofortigen Anwendung –
es muss weder gekühlt gelagert noch rekonstituiert werden.
tDie Qualität von Privigen wird erreicht, indem eine Kombination mehrerer zukunftsweisender Verfahren zur Aufreinigung und Pathogenentfernung angewandt wird.
tMit Privigen können die Patienten wieder uneingeschränkt ein normal-aktives Leben
führen.
3.1 Beschreibung
Tabelle 6: Anteile der Subklassen in Privigen
Subklasse
Privigen
Mittelwert (Bereich)
Serum gesunder
Erwachsener (Bereich)1-3
IgG1 (%)
67,8 (61,7 – 72,8)
60,3 – 71,5
IgG2 (%)
28,7 (23,8 – 35,3)
19,4 – 31,0
IgG3 (%)
2,3 (1,8 – 2,9)
5,0 – 8,4
IgG4 (%)
1,2 (0,5 – 2,8)
0,7 – 4,2
Tabelle 7: In Privigen enthaltene Titer von Antikörpern gegen
verbreitete Pathogene
Antikörper
Mittelwert
Bereich
Diphtherie-Antitoxin, IU/ml
4,9
3,8 – 7,3
Anti-Streptolysin, IU/ml
1.746
1.310 – 2.010
Anti-Tetanus-Toxoid, IU/ml
37,6
26,9 – 52,1
Anti-Pneumokokken-Kapselpolysaccharid, μg/ml
847
595 – 1.065
Anti-Hepatitis-B-Oberflächenantigen, IU/ml
5,3
3,0 – 10,1
Anti-Poliomyelitisvirus Typ 1, IU/ml
39,9
19 – 67
Anti-Haemophilus-Influenzae B, IU/ml
36,1
26,4 – 45,0
Anti-Cytomegalievirus, IU/ml
76,4
51,2–116,8
Privigen ist eine 10%ige, gebrauchsfertige Flüssigformulierung von
humanem Immunglobulin zur intravenösen Anwendung. Die IgGMoleküle sind weder enzymatisch
zersetzt noch chemisch modifiziert
und daher vollständig körpereigen
und aktiv. Die vier IgG-Subklassen
sind in ähnlichen Proportionen enthalten wie im Plasma gesunder
Menschen (Tabelle 6). Da Privigen
aus dem gesammelten Plasma von
bis zu 60.000 gesunden Spendern
gewonnen wird, enthält es eine
breite Vielfalt von spezifischen
und idiotypen Antikörpern, wie sie
in der Allgemeinbevölkerung vorkommen. Dieses Merkmal verleiht
Privigen unschätzbaren Wert für die
Behandlung verschiedener Immunerkrankungen. Tabelle 7 zeigt die
enthaltenen Antikörper-Titer gegen
einige verbreitete Krankheitserreger.
17
3.2 Einzigartige Merkmale
Abbildung 4: Struktur von IgG
3.2.1 Formulierung mit Prolin
bei pH 4,8
Die einzigartige Formulierung von
Privigen mit Prolin bei einem pHWert von 4,8 optimiert den Gehalt
an IgG-Dimeren auf einem optimalen Niveau. Dies ist eine Voraussetzung für die gute klinische Verträglichkeit, die Wirksamkeit bei der
Immunregulation und für verbesserte Stabilität – das Präparat kann
drei Jahre lang bei Raumtemperatur
gelagert werden.
n- elle
e
t
tig gss
n
A un
nd
Bi
variabel
konstant
leichte Kette
Gute Verträglichkeit dank
optimierten Dimergehalts
Bei Immunglobulinprodukten entstehen durch Wechselwirkungen
zwischen Antikörpern verschiedener
Spender immer IgG-Dimere aus idiotypischen/anti-idiotypischen Antikörpern.4-6 Ein hoher Gehalt solcher
Dimere kann die klinische Verträglichkeit des Präparats beeinträchtigen.7 Daher ist die Begrenzung und
Kontrolle der Dimerbildung während
der Lagerung flüssiger IVIG-Präparate von zentraler Bedeutung.
Die Entstehung von IgG-Dimeren
aus idiotypischen/anti-idiotypischen
Antikörpern wird durch das L-Prolin
in Verbindung mit dem leicht sauren Milieu (pH 4,8) beschränkt. Der
Dimergehalt von Privigen beträgt
≤12 %, typischerweise rund 4,4 %
Bi A
nd nt
un ige
gs nst
el
le
schwere Kette
zu Beginn und 6–8 % gegen Ende
der Lagerungszeit.
L-Prolin als amphiphiles Molekül enthält sowohl eine polare (hydrophile)
als auch eine nicht-polare (hydrophobe) chemische Gruppe. Dank
seines amphiphilen Aufbaus interagiert das L-Prolin mit den hydrophoben Gruppen der IgG-Moleküle
und verhindert so die Entstehung
von Protein-Protein-Bindungen, die
Dimerbildung und -aggregation 8
und stabilisiert so die IgG-Moleküle
in ihrer monomeren Form (Abbildung 4). Die Interaktion zwischen
amphiphilen Molekülen und IgG
ist vollständig reversibel4 und beeinträchtigt nicht die Integrität und
Wirksamkeit des Wirkstoffs.
Mit den klassischen Zusatzstoffen
wie Glycin lässt sich die Dimerbildung bei einem saueren pH-Wert
von ungefähr 4 eindämmen. Mit Prolin in einer isotonischen Konzentra-
®
Human Normal Immunoglobulin
18
Abbildung 5: Inhibition der IgG-Dimerbildung durch L-Protein
a. In Lösung binden IgG-Moleküle aneinander, vorwiegend über ihre Fab-Fragmente, und bilden so IgG-Dimere.
b. Prolin, ein kleines, amphiphiles Molekül,
kann die hydrophoben Domänen der
IgG-Moleküle (hier gelb hervorgehoben)
abschirmen und so die Dimerbildung
verhindern.
tion von 250 mmol/l entstehen rund
30 % weniger Dimere als in einer
Formulierung mit Glycin (Abbildung
5). Das erlaubt es, die Lösung auf
einen etwas höheren pH-Wert von
4,8 einzustellen, ohne dadurch den
Dimergehalt zu erhöhen. Während
der Lagerung von Privigen fand
tatsächlich nur in geringem Maße
Dimerbildung statt, wie Stabilitätsstudien ergeben haben (Abbildung
6). Der Dimergehalt blieb weit unter
dem festgelegten Grenzwert von
12 %.
Anhaltende Stabilität bei
Raumtemperatur
Die Kombination aus L-Prolin und
leicht saurem pH-Wert verhindert
nicht nur die Entstehung von Dimeren, sondern verbessert auch die
Stabilität des Präparats, sodass es
sich lange Zeit bei Raumtemperatur
lagern lässt.
L-Prolin als Hilfsstoff für IVIG hat
sich gegenüber Glycin als überlegen
erwiesen, was die Prävention der
Aggregation und Fragmentierung
von IgG sowie die gelbliche Verfärbung während der Lagerung angeht. Es wurde nachgewiesen, dass
ein moderat saurer pH-Wert (ca. 5)
besser als ein neutraler pH-Wert die
Dimer- und Aggregatbildung verringert, ohne die Fragmentierung und
den Aktivitätsverlust spezifischer
Antikörper zu beschleunigen, wie
es bei einem sauren pH-Wert von
ca. 4 der Fall ist.
Dadurch kann Privigen über drei
Jahre lang bei Raumtemperatur gelagert werden, ohne an Wirksamkeit
und Verträglichkeit einzubüßen.
Herkömmliche, mit Glycin stabilisierte IVIG-Produkte müssen bei
4 °C gelagert werden.
Da das Präparat bei Raumtemperatur stabil ist, entfällt der Bedarf an
Kühlungsvorrichtungen, und nicht
19
enthalten Glycin oder Kohlenhydrate
wie Saccharose oder Maltose.
Abbildung 6: Wirkung von Prolin und pH-Wert auf den IgGDimergehalt von IVIG
14
Glyzin
12
L-Prolin
Dimere (%)
10
8
6
4
2
pH
0
4,5
4,8
5,1
Abbildung 7: Veränderungen des Dimergehaltes nach längerer
Lagerung von Privigen bei 25 °C
14
Charge 1
Charge 2
12
Charge 3
SPEC
Dimergehalt (%)
10
8
6
4
2
0
0
6
12
18
24
30
36
Lagerungsdauer (Monate)
zuletzt ist das Produkt stets sofort
infusionsbereit, ohne dass die Lösung erst auf Raumtemperatur gebracht werden muss.
Sicherheit und Verträglichkeit
von Prolin
Privigen enthält als einzigen Stabilisator L-Prolin. Andere IVIG-Produkte
L-Prolin ist eine natürliche Aminosäure, die im menschlichen Körper
genau so vorkommt. Bei Ratten
riefen Prolin-Infusionen keine unerwünschten Wirkungen hervor, auch
nicht in Dosen, die um das 2,5- bis
10-Fache höher lagen als die, die
der höchsten klinischen PrivigenDosis entsprechen würden.
Von Glycin, das in einigen anderen
IVIG-Produkten zum Einsatz kommt,
wird berichtet, dass es vorübergehende toxische Wirkungen verursacht, z. B. Sehstörungen, Brennen
im Rücken und Übelkeit, allerdings
nur in Dosen, die um das 3- bis
4-Fache höher liegen als bei IVIGProdukten.9 Im Irwin-Test, einem
gebräuchlichen Rattenmodell zur
Beurteilung neurologischer Nebenwirkungen von Arzneimitteln, verursachte intravenös in hohen Dosen
verabreichtes Glycin einen signifikanten Rückgang der spontanen Aktivität, erhöhte ZNS-Erregbarkeit und
veränderte autonome Funktion.
Nierenfunktionsstörungen traten nach
Verabreichung verschiedener IVIGProdukte auf; ein überproportional
großer Anteil der Ereignisse entfiel
auf die Produkte, die Saccharose als
Stabilisator enthielten. Privigen enthält keine Saccharose oder sonstige
®
Human Normal Immunoglobulin
20
Kohlehydrat-Stabilisatoren. Bei Patienten, die Risikofaktoren für Nierenfunktionsstörungen aufweisen, ist
die Anwendung saccharosefreier
IVIG-Produkte empfohlen worden.
Reaktion jedoch nicht vollständig
ausschließen, da nicht bekannt ist,
ab welcher Dosis IgA eine solche
Reaktion auslösen kann.
3.2.2 Geringer Natriumgehalt
3.2.4 Effektive PathogenClearance: minimales Risiko für
infektiöse Keimübertragung
Privigen enthält lediglich Spuren von
Natrium. Der Natriumgehalt gängiger
intravenöser Lösungen und Arzneimittel ist ein Aspekt, den es gerade
bei Patienten zu bedenken gilt, die
sich natriumarm ernähren müssen,
z. B. Patienten mit dekompensierter
Herzinsuffizienz. Bei salzarmer Ernährung liegt die Obergrenze für die Natriumaufnahme bei 150–200 mmol
pro Tag. Die mit einer vollen Dosis
Privigen verabreichte Menge Natrium
liegt bei einem Patienten von 80 kg
um mehr als den Faktor 10 unterhalb
dieser Grenze.
3.2.3 Niedriger IgA-Gehalt
Privigen enthält extrem wenig IgA;
typischerweise 1,6–3,7 mg/l* bei
einer Spezifikationsvorgabe von
≤ 25 mg/l. Ein IVIG-Produkt mit
niedrigem IgA-Gehalt könnte besonders interessant für Patienten
mit IgA-Mangel sein, da diese Patienten anti-IgA-Antikörper bilden
und eine anaphylaktische Reaktion
auf wiederholte Exposition gegenüber IgA-haltigen Produkten entwickeln könnten. Bei Patienten, die für
IgA sensibilisiert sind, lässt sich das
Auftreten einer anaphylaktischen
* Analyse von 29 Chargen
Die Infektionssicherheit wird durch
sorgfältige Auswahl der Spender sowie durch Untersuchungen sowohl
der einzelnen Spenden als auch des
Plasmapools auf Infektionsmarker
gewährleistet. Zusätzlich verringert
wird das Risiko der Übertragung
von Infektionserregern durch den
Einsatz validierter Viruseliminationsverfahren im Rahmen der Herstellung von Privigen. Vier integrierte
Schritte zur Pathogen-Elimination
auf der Grundlage von drei verschiedenen Mechanismen sorgen für ein
Höchstmaß an Infektionssicherheit
beim fertigen Präparat.
3.3 Herstellung von Privigen
3.3.1 Entwicklung von Privigen:
die Herausforderungen
Im ständigen Bemühen um Verbesserung waren Fragen der Virussicherheit, Stabilität und Anwendungsfreundlichkeit zu lösen.
Privigen entspricht den höchsten
Anforderungen unserer Zeit an ein
modernes IVIG:
t#FXÊISUFLMJOJTDIF8JSLTBNLFJU
t.JOJNBMFT3JTJLPEFSÃCFSUSBHVOH
von möglicherweise vorhandenen
Viren und anderen Pathogenen
aus dem Spenderplasma über das
Endprodukt auf den Patienten
t)ÚDITUF3FJOIFJUVOE7FSUSÊHMJDI
keit
t)PIFS"OXFOEFSLPNGPSU
t4UBCJMJUÊU
3.3.2 Der Produktionsprozess
im Überblick
Mit ständigen Verbesserungen an
den Produktionsstandorten hat CSL
Behring dafür gesorgt, dass stets die
neuesten technischen Fortschritte
in den Prozess der Herstellung von
Privigen eingebunden wurden. Das
Ergebnis ist ein effizientes Herstellungsverfahren, das den anspruchsvollsten Verfahrens-, Sicherheitsund Reinheitsstandards entspricht.
Wichtige Merkmale des PrivigenProduktionsprozesses:
t) FSTUFMMVOHTWFSGBISFO EBT BVG
höchs te Produktqualität ausgerichtet ist.
t'MFYJCJMJUÊU[VS/VU[VOHWPO1MBTNB
aus Plasmapherese oder aus Vollblutspenden als Ausgangsmaterial
t*nnovative Kombinationen verschiedener Reinigungsschritte
21
t&OUGFSOVOH C[X *OBLUJWJFSVOH
eventuell vorhandener Pathogene
in vier separaten Schritten
t$ISPNBUPHSBQIJTDIFS7FSGBISFOT
schritt für höchste Reinheit
t)FSTUFMMVOHVOUFSTDIPOFOEFO#F
dingungen (pH-Wert, Temperatur,
Leitfähigkeit)
t)FSTUFMMVOHJOOFVFSFJHFOTFJOHF
richteter, hochmoderner Anlage
Privigen wird aus Plasma aufgereinigt,
das entweder durch Plasmapherese
(Source-Plasma) oder aus Vollblut
nach Separation der Blutzellen (Recovered-Plasma) gewonnen wurde.
Der Plasmapool wird einem Präzipitationsschritt mit kaltem Ethanol unterzogen,10, 11 der den IgG-Anteil durch
Entfernung von Albumin und B- und
C-Globulinen anreichert (Abbildung
8). Die nachfolgenden Schritte der
Octansäure-Fraktionierung und klärenden Filtration dienen der Entfernung der Plasmalipide sowie des
Großteils der verbleibenden Plasmaproteine außer IgG. Bei diesem Schritt
werden auch mit hoher Effektivität
Pathogene eliminiert. Eine Behandlung bei niedrigem pH-Wert dient
der Inaktivierung von Viren, während
die nachfolgende Tiefenfiltration verschiedene Proteine (z. B. IgM), Proteinaggregate und eventuell vorhandene
Viren entfernt. Die Anionenaustauscher-Chromatographie führt schließ-
lich zum hochreinen Produkt. Nahezu
das gesamte IgA, das restliche IgM
und andere Kontaminanten werden
entfernt, sodass das IgG mit einem
Reinheitsgrad von ≥ 98 % vorliegt.
Die Virusfiltration (Nanofiltration) zur
Entfernung von kleinsten Partikeln ab
20 nm rundet den Produktionszyklus
ab. Per Ultrafiltration werden Rückstände von Prozessstoffen entfernt
und die Lösung auf einen Proteingehalt von 10 % konzentriert. Nach
Zugabe von Prolin wird das fertige
Privigen in Glasflaschen abgefüllt, die
mit einem latexfreien Gummistopfen
verschlossen werden.
Abbildung 8: Die Herstellung von Privigen
Plasma auftauen und poolen
Kryopräzipitat
Na-PPT (PPT II + III)
Filterkuchen (Abfall)
Filtrat a
Octansäure-Fraktionierung
Tiefenfiltration
1
Tiefenfiltration
1. Filtrat
2
Inaktivierung in
saurem Niveau
3
Tiefenfiltration
4
Virusfiltration
Niedrig-pH-Inkubation
Tiefenfiltration
CH9 Z+
Filterkuchen (Abfall)
2. Filtrat
AIEX-Chromatographie
Virus-(Nano-)filtration
Ultrafiltrat
Konzentration
Loses Endprodukt
Endprodukt
®
Human Normal Immunoglobulin
22
3.3.3 Qualitätssicherung
Die Produktion von Privigen entspricht den anspruchsvollsten internationalen Qualitätssicherungsstandards. Die Qualitätssicherung
erfasst alle Schritte der PrivigenHerstellung von der Plasmagewinnung bis zur gründlichen Analyse
des fertigen Präparats und seiner
konstanten Überwachung für die
gesamte Dauer seiner Haltbarkeit.
Das Endprodukt wird nach validierten Testmethoden geprüft, um
sicherzustellen, dass jede Charge
streng den Produktspezifikationen
entspricht, für die die Zulassungsbehörden ihre Genehmigung erteilt
haben (Tabelle 8).
Tabelle 8: Zusammensetzung und Eigenschaften von Privigen
Zusammensetzung
Bestandteil
Konzentration
Protein
100 g/l
L-Prolin*
250 mmol/L (28,8 g/l)
Natrium
c1 mmol/l
HCl und/oder NaOH
Spuren
Physikalisch-chemische Eigenschaften
Parameter
Wert
Osmolalität
320 mOsmol/kg
pH
4,8
Viskosität
~3 mPas bei Raumtemperatur
Reinheit
Protein
Spezfikation
Typischer Wert**
IgG
s98,0 %
99,2 %
IgA
c0,0250 g/L
0,0016 bis 0,0037 g/l
Aggregate
c2,0 %
< 0,1%
Dimere
c12,0%
4,4 % bei der Abgabe;
kann im Laufe der Haltbarkeitsdauer auf 6–8 %
steigen
Fragmente
c10,0%
< 1,9% bei der Abgabe;
kann im Laufe der Haltbarkeitsdauer auf 5 %
steigen
* Das in Privigen verwendete L-Prolin ist pflanzlichen Ursprungs, um das Risiko einer Kontamination des
Produktes mit TSE-Pathogenen zu minimieren (durchschnittliche L-Prolin-Reinheit von zwölf analysierten
Chargen, 99,9 %)
** Durchschnitt von 29 Chargen
23
Quellen
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adult sera as determined by a competitive enzyme immunoassay using monoclonal antibodies. Diagn Immunol 1985; 3(4):191-196.
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(IVIG) have a low immunoglobulin G dimer
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of aggregation during protein folding in vitro.
Biochem Mol Biol Int 1998; 46(3):509-517.
®
Human Normal Immunoglobulin
24
4. Sicherheit
tPrivigen bietet eine hohe Sicherheit vor der Übertragung von Infektionen.
tPrivigen bietet ein gutes klinisches Sicherheitsprofil
und ist gut verträglich.
4.1 Infektionssicherheit
t. PEFSOTUF 7FSGBISFO [VS 7JSVT
elimination minimieren die Gefahr
der Übertragung von Erregern.
t%BT 3JTJLP EFS ÃCFSUSBHVOH FJ
ner Transmissiblen Spongiformen
Enzephalopathie ist als praktisch
nicht existent zu betrachten.
4.1.1 Einleitung
Die Optimierung der Sicherheit
hinsichtlich der Übertragung von
Pathogenen war eines der übergeordneten Ziele bei der Entwicklung
von Privigen. Es ist zwar kein Fall
von Krankheitsübertragung durch
ein Immunglobulinprodukt von CSL
Behring bekannt, dennoch wird der
Infektionssicherheit auch weiterhin
höchste Aufmerksamkeit beigemessen, unter Einsatz der jeweils neuesten wissenschaftlichen und technologischen Errungenschaften. Die
Infektionssicherheit von Privigen basiert auf der bewährten Kombination
von drei Verfahren zur Elimination von
Pathogenen: Inaktivierung der Viren
in saurem Milieu, Virusfiltration (Nanofiltration) und Partitionierung. Der
Schritt der Virusfiltration ist verbessert
worden, indem neuartige Filter eingesetzt werden, die Viren schon ab einer
Größe von 20 nm entfernen.
Das Wichtigste zur Infektionssicherheit in Kürze
t1SJWJHFOXJSEBVT1MBTNBWPO64BNFSJLBOJTDIFOVOE
europäischen Spendern hergestellt. Der strenge Auswahlprozess dieser Spender entspricht sowohl den europäischen als auch den US-Vorschriften.
in Gegenwart von Filterhilfen. Zusammen sorgen die drei
t+FEF&JOIFJUXJSEBVG*OGFLUJPOTNBSLFSHFUFTUFUBOUJ
HIV-1, -HIV-2 und -HCV-Antikörper sowie HBV-Oberflächenantigen (HBsAg).
weislich auch TSE-Erreger (Prionen). Im Herstellungspro-
t1MBTNB.JOJQPPMTXFSEFOQFS/"5/VLMFJOTÊVSF5FTU
BVG
HAV-, HBV-, HCV-, HIV- und B19V-Genom untersucht.
Kombination dieser Verfahren zur Pathogenentfernung
t%FSTDIMJF•MJDIGàSEJF1SPEVLUJPO[VWFSXFOEFOEF1MBT
mapool wird noch einmal per NAT auf anti-HIV-1/2,
HBsAg sowie HBV-, HCV- und HIV-Genom getestet.
t+FEFS4DISJUUJTUVNGBTTFOEFSGPSTDIUVOENJUFOUTQSF
t8ÊISFOEEFS1SPEVLUJPOXJSEEBTWJSBMF,POUBNJOJFSVOHT
potenzial durch drei einander ergänzende Mechanismen
minimiert: Virusinaktivierung durch pH-4-Behandlung,
Virusfiltration und Partitionierung durch Tiefenfiltration
t1SJWJHFO[FJDIOFUTJDIEVSDIIFSWPSSBHFOEF4JDIFSIFJU
Mechanismen dafür, dass ein breites Spektrum von Erregern eliminiert wird, sowohl behüllte als auch unbehüllte
Viren. Partitionierung und Virusfiltration entfernen nachzess von Privigen kommt ein verbesserter Virusfilter zum
Einsatz, der auch kleinste Viren ab 20 nm zurückhält. Die
schützt auch vor neuen Erregern.
chenden Modellen validiert.
hinsichtlich der Übertragung von Erregern aus und zeugt
damit vom hohen Stellenwert, den die Produktqualität
und -sicherheit bei CSL Behring genießen.
25
Die Viren mit der höchsten Relevanz für Humanplasma-Produkte
sind das humane Immundefizienzvirus (HIV-1 und HIV-2), die Hepatitisviren A, B und C (HAV, HBV und
HCV) und das B19-Virus (früher als
Parvovirus B19 bezeichnet). Weitere Pathogene, die als potenzielle
Kontaminanten zu berücksichtigen
sind, sind Prionen, die Erreger von
Transmissiblen Spongiformen Enzephalopathien (TSE) wie der neuen
Variante der Creutzfeldt-JakobKrankheit (vCJK). Bisher sind noch
nie Prionen über plasmabasierte
Arzneimittel übertragen worden;
jedoch gibt es Berichte von der
Übertragung von vCJK durch Transfusion zellulärer Blutbestandteile.1
Trotz der Vorsichtsmaßnahmen, die
CSL Behring bei der Auswahl des
Plasmas anwendet, ist es wichtig,
Prozesse zu konzipieren, mit denen
möglichst viele unterschiedliche Pathogene inaktiviert bzw. entfernt
werden – von bekannten über neu
auftretende bis hin zu mutmaßlichen Pathogenen.
Die Sicherheit von Privigen stützt sich
auf fünf Kriterien (Abbildung 9):
t4PSHGÊMUJHF"VTXBIMEFS4QFOEFS
t6OUFSTVDIVOHEFS#MVUTQFOEFO
t5FTUVOHEFS1MBTNBQPPMT
t&JOCJOEVOH [VTÊU[MJDIFS 4DISJUUF
in den Herstellungsprozess, mit
denen Pathogene, die möglicherweise trotz der ersten drei Schritte
noch vorliegen, eliminiert oder inaktiviert werden können.
t4USFOHF&JOIBMUVOHEFSBLUVFMMFO
Grundsätze der Guten Herstellungspraxis (GMP) und Qualitätssicherung (QS)
Abbildung 9: Senkung des relativen Risikos für die Übertragung von
Pathogenen im Laufe des Herstellungsprozesses
GMP and QA
Reinigungsschritte mit PathogenClearence
Pooltest
Untersuchung Spender
Auswahl Spender
Patient
Relatives Risiko
Spenderpopulation
Gewinnung und Herstellung von Privigen
4.1.2 Auswahl der Spender
Das Plasma, das derzeit zur Herstellung von Privigen verwendet wird,
stammt von Spendern in den USA,
Deutschland, Österreich, Dänemark
und der Schweiz. Die Produkte, die
in den einzelnen Weltregionen verkauft werden, sind vorzugsweise
aus Spenden aus derselben Region
hergestellt. CSL Behring verwendet
Plasma aus Vollblutspenden sowie
Plasma, das mittels Plasmapherese
gewonnen wird.
Die Spender werden vor der Spende
einer strengen Prüfung unterzogen.
Diese umfasst eine körperliche Untersuchung und ausführliche Befragung zur Klärung der Krankengeschichte des potenziellen Spenders
sowie eventueller Beteiligung an
Hochrisiko-Aktivitäten.
Gemäß den Vorschriften der EUBlutrichtlinie, der FDA und der WHO
werden potenzielle Spender in folgenden Fällen vom Blut- bzw. Plasmaspenden ausgeschlossen:
t%FS4QFOEFSTDIFJOUFJOFNFSIÚI
ten Risiko für eine mit dem Blut
übertragbare Infektionskrankheit
zu unterliegen (z. B. Anzeichen und
Symptome von AIDS oder AIDSähnlichem Komplex; enger Kontakt mit Hepatitis B oder C vor der
Spende).
®
Human Normal Immunoglobulin
26
t% FS 4QFOEFS XBS QPUFO[JFMM BO
Hochrisiko-Aktivitäten wie ungeschützte Sexualpraktiken oder
intravenöser Drogenkonsum beteiligt.
t%JBHOPTF WPO PEFS 7FSEBDIU BVG
CJK oder vCJK
t3JTJLPGBLUPSFO GàS $+, [ # "O
wendung von aus menschlicher
Hypophyse gewonnenen Substanzen, Hornhauttransplantation,
Dura-mater-Transplantation)
t1PUFO[JFMMFW$+,&YQPTJUJPO[#
Wohnsitz in Großbritannien für
zusammengerechnet mindestens
sechs Monate zwischen 1980 und
1996; Injektion von Insulin bovinen
Ursprungs nach 1980)
4.1.3 Untersuchung der Blutspenden
Prüfung einzelner Spenden:
Alle Spenden werden gemäß den
Vorschriften der FDA und/oder
des Europäischen Arzneibuchs mit
offiziell zugelassenen Testkits auf
Antikörper gegen HIV-1 und HIV-2
(anti-HIV-1/2), Hepatitis-B-VirusOberflächenantigen (HBsAg) und
Antikörper gegen HCV (anti-HCV)
getestet. Nur Plasmaeinheiten, die in
keinem der genannten Tests reagieren, können zur Weiterverarbeitung
freigegeben werden. Plasmaeinheiten mit positivem Testergebnis werden vernichtet.
Prüfung von Mini-Pools:
Über die behördlichen Anforderungen hinaus werden die Spenden auch
mit NAT-Verfahren (NukleinsäureAmplifikationstechnik) in Klein-Pools
auf HAV-, HBV-, HCV-, HIV-1- und
P19V-RNA getestet. Fällt ein Ergebnis positiv aus, wird die betreffende
Einheit identifiziert und vernichtet.
Nur Plasmaeinheiten, die auch im
Mini-Pool nicht reagieren, können
zur Weiterverarbeitung freigegeben
werden.
4.1.4 Prüfung des Produktionspools
Die Prüfung eines Produktionspools
aus mehreren Tausend Spenden erfolgt gemäß den Vorschriften des
Europäischen Arzneibuchs mit zugelassenen Testkits für Anti-HIV-1/2,
HBsAg und HCV-RNA. Über die behördlichen Anforderungen hinaus
testet CSL Behring alle Produktionspools auch mit NAT-Verfahren auf
HIV-1-RNA und HBV-DNA. Nur Produktionspools, die auf alle Marker
negativ getestet werden, können
zur Weiterverarbeitung freigegeben
werden.
4.1.5 Pathogen-Clearance
während der Herstellung
Nach dem strengen Voruntersuchungsprozess ist die Möglichkeit
zwar minimal, dass eine Plasmacharge
noch ein Pathogen enthält, auszu-
schließen ist sie jedoch nicht. Es ist
daher von zentraler Bedeutung, dass
alle eventuell noch vorhandenen
Erreger während des Herstellungsverfahrens eliminiert werden. Drei
Methoden zur Pathogenentfernung
kommen bei der Produktion von Privigen zum Einsatz:
t7 JSVT*OBLUJWJFSVOH EVSDI Q)
Behandlung
t7JSVT'JMUSBUJPO EVSDI "VTTDIMVTT
nach Größe
t1BSUJUJPOJFSVOHEVSDI1SÊ[JQJUBUJPO
und Tiefenfiltration
Diese drei auf ganz unterschiedlichen Ansätzen basierenden Verfahren ergänzen sich gegenseitig und
decken dadurch ein breites Spektrum an Pathogenen ab, einschließlich behüllter und unbehüllter Viren.
Prionen werden durch zwei komplementäre Mechanismen entfernt,
Partitionierung und Virusfiltration
(Nanofiltration).
1.4.6 Gute Herstellungspraxis
und Qualitätssicherung
Durch strikte Einhaltung der GMPGrundsätze und Qualitätssicherungsmaßnahmen ist sichergestellt, dass
die beschriebenen Maßnahmen für
höchste Produktsicherheit auf jede
einzelne Charge Privigen angewendet werden.
27
4.1.7 Validierung
Mit viralen Validierungsstudien wird
der Herstellungsprozess von Privigen
auf seine Fähigkeit untersucht, verschiedene Viren zu eliminieren bzw.
zu inaktivieren.
Die Validierung der Kapazität des
Herstellungsprozesses zur Virusinaktivierung und -eliminierung erfolgt
im virologischen Labor, mit einem
Modell des Herstellungsprozesses,
das im kleinen Maßstab exakt den
Prozess im Produktionsmaßstab abbildet.
Modellviren
Die meisten für Transfusionen relevanten Viren können nicht genutzt
werden, um die viruslastreduzierende Kapazität des Herstellungsprozesses von Privigen zu prüfen, da
das ursprüngliche Plasma (ebenso
wie die nachfolgend vorliegenden
IgG-haltigen Fraktionen) Antikörper
gegen diese Viren enthält, die mit
der Bestimmung der Senkung der
Viruslast in jedem Schritt interferieren würden (z. B. anti-HAV oder
anti-B19V). Hinzu kommt, dass sich
einige Viren (z. B. HBV und HCV)
nicht in vitro züchten lassen. Deshalb werden stattdessen Modellviren verwendet. Die Modellviren
werden nach ihrer Ähnlichkeit mit
potenziellen Kontaminanten und
nach ihren physikalisch-chemischen
Eigenschaften ausgewählt. Der Einsatz eines ganzen Spektrums von
Modellviren in den Validierungsstudien trägt dazu bei sicherzustellen, dass die verschiedenen Viren,
die potenziell im Plasma vorliegen
könnten, im Rahmen des Herstellungsprozesses entfernt oder inaktiviert würden. Tabelle 9 zeigt die
Modellviren, die zur Validierung der
Virussicherheit von Privigen eingesetzt werden.
Methodik der Validierung der
Viruslastreduktion
Jeder Schritt des Herstellungsprozesses von Privigen wurde separat
in einem virologischen Labor validiert. Das Ausgangsmaterial wurde
direkt von der Produktionsanlage
bezogen und mit einer bekannten
Menge Modellviren dotiert, und die
Kapazität des jeweiligen Schritts zur
Virusentfernung wurde gemessen.
Anschließend wurden die Ergeb-
Tabelle 9: Modellviren, die zur Validierung des Herstellungsprozesses
von Privigen eingesetzt werden
Klinisch relevantes Typ
Virus
Modellvirus
Humanes Immundefizienzvirus
(HIV-1, HIV-2)
Behüllte ss-RNA
HIV-1
Humane Herpesviren (HHV)
Behüllte ds-DNA
Pseudorabies-Virus (PRV);
auch als Modell für andere
große DNA-Viren
Hepatitis-C-Virus
(HCV)
Behüllte ss-RNA
Bovines Virus-DiarrhöVirus (BVDV)
West-Nil-Virus
(WNV)
Behüllte ss-RNA
WNV
Hepatitis-A-Virus
(HAV)
Unbehüllte ss-RNA
EnzephalomyokarditisVirus (EMCV)
B19-Virus (B19V)
Unbehüllte ss-DNA
Minute-Virus der Maus
(MVM), auch als Modell
für andere robuste, kleine,
unbehüllte Viren
ss=Einzelstrang; ds=Doppelstrang
®
Human Normal Immunoglobulin
28
nisse der einzelnen Schritte zusammengerechnet, um den GesamtReduktionsfaktor des Prozesses zu
ermitteln.
Alle Ergebnisse der viralen Validierungsstudien werden in Reduktionen um x log10 angegeben. Der
Wert x wird berechnet, indem die
Viruskonzentration im Ausgangsmaterial mit der nach dem Schritt
zur Viruselimination verglichen wird.
Der log10 -Wert dieses Verhältnisses
ist eine praktische Möglichkeit, den
Rückgang der Viruslast auszudrücken. Die Zunahme des Wertes um 1
entspricht der Senkung der Viruslast
um den Faktor 10. Ein log10 -Reduktionsfaktor (LRF) von 5 bedeutet also,
dass die Anzahl der Viren, die nach
dem Prozess noch verbleiben, um
das 100.000-Fache (105-Fache) gesenkt wurde.
4.1.8 Elimination von Viren bei
jedem Produktionsschritt
Inaktivierung von Viren
Die Behandlung mit einem pH-Wert
von 4 stellt einen Schritt zur gezielten Virusinaktivierung dar, der Viren
vernichtet, indem er die Lipidschicht
und Eiweißhülle der Viren irreparabel
schädigt. Ziele sind vor allem Viren
mit Lipidhülle, z. B. HIV-1, HIV-2,
HBV und HCV. Neuere Studien haben jedoch ergeben, dass auch das
unbehüllte B19V durch die pH-4Behandlung inaktiviert wird.2-3
Die Kinetik der Inaktivierung bei pH 4
ist bereits für verschiedene Modellviren erforscht worden. Die Modellviren
für HIV, HCV und große, komplexe
DNA-Viren wurden erfolgreich inaktiviert. Je nach untersuchtem Virus
wurden log10 Reduktionfaktoren von
4,6 bis ≥ 7,8 erreicht (Tabelle 10).
Tabelle 10: Logarithmische Viruslast-Reduktionsfaktoren in den verschiedenen Schritten des Privigen-Herstellungsprozesses
Behüllte Viren
Unbehüllte
Viren
HIV
PRV BVDV WNV
Inaktivierung
(pH-4-Behandlung)
s5,4
s5,9
Nanofiltration
s4,6
s5,5
Fraktionierung
s9,9
s12,6 s8,1 s10,4
Gesamt-LRF
s19,9 s24,0 s18,1 s24,1
n. u. = nicht untersucht
4,6
EMCV MVM
s7,8
n. u.
n. u.
s5,4 s5,9
s5,4
s5,5
4,2
2,2
s9,6
s7,7
Virusfiltration (Nanofiltration)
Beim Schritt der Virusfiltration wird
der Viruseliminationsfilter Pall Ultipor VF Grad DV20 verwendet, um
kleinste Erreger ab 20 nm zu eliminieren. Der Vorgang ist weitgehend
unabhängig von den sonstigen physikalisch-chemischen Eigenschaften
der jeweiligen Partikel. Der Virusfilter hält behüllte Viren (z. B. HIV-1,
HIV-2, HCV) daher ebenso zurück
wie unbehüllte (z. B. HAV, Parvo-,
Poliomyelitis-Virus). Die Virusfiltration hat als rein passiver Prozess geringe bis keine Auswirkungen auf die
IgG-Antikörper.
Die Virusfiltration im Rahmen des
Herstellungsprozesses von Privigen hat sich als sehr wirkungsvoll
erwiesen; alle Modellviren wurden
vollständig eliminiert (Tabelle 10).
Selbst MVM, ein Parvovirus und eins
der kleinsten bekannten Viren überhaupt, wurde restlos entfernt.
Fraktionierung
Der dritte Mechanismus der Viruselimination ist die Fraktionierung. Er besteht in der physikalisch-chemischen
Auftrennung von Verbindungen.
Einige Beispiele für Fraktionierungsmechanismen, die bei der Herstellung von Biologicals eine wichtige
Rolle spielen, sind Präzipitation und
anschließende Phasentrennung, Adsorption an eine feste Phase, Tiefenfiltration und Chromatographie.
29
Der Herstellungsprozess von Privigen umfasst zwei verschiedene
Fraktionierungsschritte, nämlich die
Octansäure-Fraktionierung und anschließende Tiefenfiltration sowie
die Filtration in Gegenwart von Filterhilfen (CH9 in Kombination mit
einem Z+-Filter; siehe Abbildung 9).
Beides sind bewährte Verfahren zur
Elimination verschiedener Viren. Die
kumulativen LRF für beide Tiefenfiltrationsschritte sind in Tabelle 10
aufgeführt. Die CH9-Filtration in
Gegenwart einer Filterhilfe ist ein
Tiefenfiltrationsprozess, von dem bekannt ist, dass er vorhandene Erreger
effizient beseitigt; so wurden PRV
und ein Picornavirus um 4,7 bzw.
4,1 log-Stufen reduziert.4, 5 Der Z+Filter nach dem CH9-Filter wurde
hinzugefügt, um Verunreinigungen
zu entfernen.
4.1.9 Studien zur Elimination
von Prionen
Das Potenzial des Herstellungsprozesses von Privigen, TSE-Erreger zu
entfernen, wurde mit verschiedenen Verfahren untersucht, darunter
Bioassays mit Hamstern, Westernblot-Analysen und konformationsabhängige Immunoassays (CDI).
Die Untersuchungen wurden für
folgende Schritte des Herstellungsprozesses mit Methoden im Labormaßstab durchgeführt:
t0 DUBOTÊVSF'SBLUJPOJFSVOH VOE
nachfolgende Tiefenfiltration in
Gegenwart von Filterhilfen
t$)5JFGFOmMUSBUJPOJO(FHFOXBSU
von Filterhilfen und nachfolgende
Z+-Filtration
t7JSVTmMUSBUJPO/BOPmMUSBUJPO
Der physische Zustand pathogener
Formen von Prionenproteinen (PrPSc)
im menschlichen Blut oder Plasma
von absichtlich infizierten Labortieren
ist nicht bekannt. Deshalb wurden in
verschiedenen Experimenten mehrere
dotierte Präparate verwendet. Ein
Hamster-adaptierter Scrapie-Erreger
263K in Form von Gehirnhomogenat
wurde für Bioassay-Dotierungsversuche verwendet. Die Messung der
infektiösen Konzentration erfolgte
durch Endverdünnung der Fraktionen, die Syrischen Goldhamstern
intrazerebral inokuliert worden waren. Dieselben Proben wurden auch
per Westernblot analysiert, um die
beiden Methoden zu vergleichen.
Experimente mit CDI als Nachweissystem erfolgten mit membranassoziierten Prionen in Form von Mikrosomen und aufgereinigtem PrP Sc,
einer nicht-membranassoziierten
Form von Prionen-Infektiosität, die
aus Gehirnhomogenat von Hamsteradaptiertem Scrapie-Erreger 263K
ohne Proteinasebehandlung gewonnen wurden.
Die Ergebnisse belegten für alle
Modellsysteme eine umfassende
Eliminierung des Erregers durch
den Herstellungsprozess. Die Ergebnisse der Hamster-Infektionsstudien, die logarithmische Reduktionsfaktoren von ≥ 9,0 log10 für die
Fraktionierung und ≥ 5,8 log10 für
die Virusfiltration belegten, wurden
durch Westernblot-Analyse bestätigt. Zusätzlich wurden annähernd
identische Resultate in unabhängigen Studien mit CDI zum Nachweis
aberranter Prionenproteine erzielt.
Die mit drei verschiedenen dotierten Zubereitungen gewonnenen
Daten sind also weitgehend deckungsgleich, was das Vertrauen
in die gemessenen Reduktionsfaktoren zusätzlich erhöht.
Ausgehend von diesen Daten in
Verbindung mit den geltenden
behördlichen Vorschriften, die
den Rückruf von Produkten mit
von vCJK-Spendern stammenden
Anteilen vorsehen, sowie den validierten Reinigungsverfahren für
Produktionsanlagen und -geräte,
Entkeimung von Anlagen und Geräten mit NaOH oder alkalischem
NaClO, ist das mit dem flüssigen
Immunglobulinpräparat Privigen
verbundene TSE-Risiko als praktisch
nicht existent zu betrachten.
®
Human Normal Immunoglobulin
30
4.2 Klinische Sicherheit
t1SJWJHFOJTUHVUWFSUSÊHMJDIVOEIBU
ein günstiges Sicherheitsprofil.
t/ FCFOXJSLVOHFO TJOE NFJTU OVS
gering ausgeprägt.
t%JFVOFSXàOTDIUFO&SFJHOJTTF6&
die unter Privigen in klinischen Studien zu primären Immundefekten
und zur immunthrombozytopenischen Purpura auftraten, entsprechen dem typischen UE-Muster für
IVIG-Präparate.
t%JF6&EJFVOUFS1SJWJHFOBVGUSB
ten, entsprachen denen, die bei
einem IVIG-Produkt zu erwarten
waren.
t1SJWJHFOIBUUFLFJOFSMFJ"VTXJSLVO
gen auf die Laborwerte, mit Ausnahme vorübergehend positiver
Coombs-Tests.
Die klinische Sicherheit und Verträglichkeit von Privigen wurde in zwei
klinischen Studien mit 80 PID-Patienten (einschließlich 19 Kindern) und
in 57 ITP-Patienten untersucht. Das
Sicherheitsprofil von Privigen wies in
beiden Studien folgende Merkmale
auf:
Infusionsassoziierte UE treten unter
IVIG-Therapie häufig auf. Sie manifestieren sich in den ersten 30 Minuten oder innerhalb weniger Stunden
nach Beginn der Infusion, und zwar
in den meisten Fällen zu Beginn der
Behandlung oder nach einer Pause
von mindestens acht Wochen seit
der letzten Infusion. Die Häufigkeit
und Schwere der infusionsbedingten
Reaktionen korreliert mit der Infusionsrate. Privigen kann mit relativ hoher Rate verabreicht werden. Daten
aus klinischen Studien an Patienten
mit primärem Immundefekt sprechen
dafür, dass die Privigen-Infusion mit
einer Rate von 12 mg/kg/min von der
Mehrheit der Patienten gut vertragen wird. Wenn UE zu beobachten
sind, wird eine Senkung der Infusionsgeschwindigkeit empfohlen.
t1SJWJHFO XBS HVU WFSUSÊHMJDI VOE
hatte ein günstiges Sicherheitsprofil.
4.2.2 Klinisches Sicherheitsprofil von Privigen bei PIDPatienten
t%JF NFJTUFO VOFSXàOTDIUFO &S
eignisse (UE) waren gering ausgeprägt.
In einer Studie erhielten 80 Patienten mit primärem Immundefekt
0,200–0,888 g/kg Privigen nach
t"OEFSFVOFSXàOTDIUF&SFJHOJTTF
die während der Behandlung mit
IVIG (nicht zwingend Privigen) aufgetreten sind, sollten beim Einsatz
von Privigen ebenfalls bedacht
werden.
4.2.1 Unerwünschte Ereignisse
einem individualisierten InfusionsProtokoll (entweder 17 Infusionen
im Abstand von drei Wochen oder
13 Infusionen im Abstand von vier
Wochen). Eine routinemäßige Prämedikation war grundsätzlich nicht
zulässig. Teilnehmer, bei denen zweimal nacheinander infusionsassoziierte UE auftraten, die durch Prämedikation wahrscheinlich hätten
verhindert werden können, durften
jedoch mit Antipyretika, Antihistaminika, nichtsteroidalen Entzündungshemmern (NSAIDs) oder Antiemetika
vorbehandelt werden. Acht Teilnehmer (10 %) erhielten vor 51 (4,9 %)
der insgesamt 1.038 verabreichten
Infusionen Prämedikation.
Die primäre Messgröße für die Sicherheit war die Anzahl UE, die in
zeitlichem Zusammenhang mit der
Privigen-Infusion auftraten. Als zeitlicher Zusammenhang galt es, wenn
die UE innerhalb von 72 h ab Beginn
der Infusion auftreten. Die Fokussierung auf den zeitlichen statt auf den
kausalen Zusammenhang erlaubt es,
auf eine Beurteilung der Kausalität
zu verzichten, die nie zu 100 % objektiv ist. Die Anzahl der UE ist bei
Betrachtung des zeitlichen Zusammenhangs höher als beim kausalen
Zusammenhang.
In der PID-Studie wurden 1.038 Infusionen an 80 Patienten verabreicht.
In den ersten 72 Stunden nach
31
Beginn der Infusionen traten 216
zeitlich mit der Infusion verbundene
UE auf (20,8 %; Obergrenze des
einseitigen 97,5-%-KI: 23,8 %), von
denen 98 (9 %) zumindest eventuell mit der Privigen-Gabe assoziiert
waren. Der Anteil der Infusionen,
die in zeitlichem Zusammenhang mit
einem oder mehreren UE standen,
blieb somit deutlich unterhalb des
Grenzwerts von 40 %, den die FDA
vorschreibt. Die häufigsten UE, die
in der Privigen-PID-Studie in zeitlichem Zusammenhang mit der Infusion auftraten, sind in Tabelle 11
zusammengefasst.
Von allen 1.330 gemeldeten UE
stuften die Studienleiter 215 als mit
der Privigen-Infusion assoziiert ein,
davon 104 mit leichter Ausprägung,
89 mittelgradige und 16 schwere.
Ein Ereignis wurde nicht eingestuft.
Bei 16 Teilnehmern (20 %) traten 38
schwere UE auf; davon wurden jedoch nur fünf (Überempfindlichkeit,
Schüttelfrost, Abgeschlagenheit,
Benommenheit und erhöhte Körpertemperatur; alle bei demselben
Patienten) als mit der Privigen-Gabe
assoziiert eingestuft.
Die passive Übertragung von Antikörpern gegen Erythrozytenantigene (z. B. A, B und D) kann dazu
führen, dass ein direkter oder indirekter Coombs-Test vorübergehend
positiv ausfällt. Ein passager positives
Tabelle 11: Häufigste* UE, die innerhalb von 72 Stunden ab der
Privigen-Infusion bei PID-Patienten auftraten
Symptome
Patienten (%)
(n = 80)
Infusionen (%)
(n = 1038)
Kopfschmerzen
35 (43,8)
90 (8,7)
Müdigkeit
13 (16,3)
29 (2,8)
Übelkeit
10 (12,5)
22 (2,1)
Schüttelfrost
9 (11,3)
15 (1,4)
Rückenschmerzen
8 (10,0)
14 (1,3)
Schmerzen
7 (8,8)
14 (1,3)
Erbrechen
7 (8,8)
13 (1,3)
Fieber
6 (7,5)
11 (1,1)
Diarrhö
5 (6,3)
5 (0,5)
Husten
5 (6,3)
5 (0,5)
Magenbeschwerden
5 (6,3)
5 (0,5)
*„Häufigste“ ist hier definiert als unerwünschtes Ereignis, das bei mehr als 5 % der
Patienten auftrat
Coombs-Testergebnis lag bei 36 von
77 Patienten (46,8 %) vor, vorwiegend bei Patienten mit Blutgruppe
A oder B kurz nach der Infusion. Anzeichen für Hämolyse waren nicht
festzustellen.
4.2.3 Klinisches Sicherheitsprofil von Privigen bei ITPPatienten
Die Patienten mit ITP (n = 57) erhielten an zwei aufeinander folgenden
Tagen je eine Privigen-Infusion mit
1 g/kg. Die in zeitlichem Zusammenhang hiermit aufgetretenen UE
sind in Tabelle 12 zusammengefasst.
Prämedikation mit Paracetamol oral
(Acetaminophen) und Diphenhydramin (Antihistaminikum) wurde bei
einer Untergruppe der Patienten angewandt (n = 32; 56,1 %), um infusionsbedingte Reaktionen zu lindern.
Wie erwartet, traten Kopfschmerzen
bei den auf diese Weise vorbehandelten Teilnehmern seltener auf
(50 % gegenüber 84 %).
®
Human Normal Immunoglobulin
32
Von allen 270 gemeldeten UE waren
256 (94,8 %) leichter bis mittlerer
Ausprägung und vorübergehender
Natur. Bei drei Teilnehmern (5,3 %)
traten drei schwere UE auf, von denen eines (aseptische Meningitis) als
mit der Privigen-Infusion assoziiert
eingestuft wurde.
Ein passager positives Coombs-Testergebnis war bei zwölf Patienten
(21,1 %) zu verzeichnen, von denen
neun die Blutgruppe A oder B hatten.
Zwei dieser Patienten zeigten klini-
sche und laboranalytische Anzeichen
für hämolytische Reaktionen, die jedoch klinisch nicht relevant waren
und keine therapeutische Intervention erforderlich machten. Insgesamt
wurde Privigen gut vertragen.
PID- und ITP-Patienten gewonnen
wurden, zeigen, dass die Konzentration von L-Prolin im Serum unmittelbar nach der Infusion steigt und
innerhalb weniger Tage wieder auf
ihr Ausgangsniveau zurückkehrt.
4.2.4 L-Prolin-Serumspiegel im
Verlauf des Infusionszyklus
Bei den PID-Patienten wurde der LProlin-Spiegel jeweils vor und nach
den ersten beiden Privigen-Infusionen und vor der Infusion in Woche
12 gemessen. Die L-Prolin-Konzentration vor der Infusion war in allen
Privigendosisgruppen vergleichbar
und lag im normalen physiologischen
Bereich für Gesunde (Mittel ± SA =
0,266 ± 0,035 mmol/l)6 (Abbildung
10). Nach der ersten Infusion wurde
eine mittlere L-Prolin-Serumkonzentration von 1,94 ± 0,66 mmol/l gemessen.
Ein besonderes Kennzeichen von
Privigen ist die Formulierung mit
250 mmol/l L-Prolin als einzigem
Stabilisator. Die Daten zur Pharmakokinetik, die in klinischen Studien mit
Tabelle 12: Häufigste* UE, die innerhalb von 72 Stunden ab der
Privigen-Infusion bei ITP-Patienten auftraten
Symptome
Patienten (%)
(n = 57)
Gesamt
50 (87,7)
Kopfschmerzen
37 (64,9)
Fieber
14 (24,6)
Übelkeit
6 (10,5)
Erbrechen
6 (10,5)
Nasenbluten
6 (10,5)
Hyperthermie
5 (8,8)
konjugiertes Bilirubin erhöht
5 (8,8)
nicht konjugiertes Bilirubin erhöht
5 (8,8)
Hyperbilirubinämie
3 (5,3)
Hämatokrit verringert
3 (5,3)
*„Häufigste“ ist hier definiert als UE, das bei mehr als 5 % der Patienten auftrat.
Die höchste Dosis Privigen, die in der
ITP-Studie verabreicht wurde, war
1 g/kg an zwei aufeinander folgenden Tagen, was je 287,5 mg L-Prolin/
kg entspricht. Der L-Prolin-Spiegel
vor der Infusion lag im physiologischen Bereich. Nach der Infusion
stieg die L-Prolin-Konzentration vorübergehend an, sank jedoch in 24 h
bis zur zweiten Infusion wieder nahezu in den physiologischen Bereich.
Die mittlere Spitzenkonzentration
nach der zweiten Infusion betrug
3,26 ± 1,56 mmol/l. An Tag 4 lagen
die L-Prolin-Spiegel wieder auf Ausgangsniveau.
33
Die folgenden unerwünschten Ereignisse wurden nach Gabe von IVIG
beobachtet, allerdings nicht alle
unter Privigen. Mittelschwere und
schwere UE sind selten und treten in
der Regel nur bei bestimmten Patientengruppen auf, z. B. bei Patienten
mit IgA-Mangel oder älteren Patienten. Bei solchen Patienten ist daher
besondere Sorgfalt angebracht.
Überempfindlichkeitsreaktionen
Als Symptome einer Überempfindlichkeitsreaktion nach IVIG-Behandlung können beispielsweise lokale
Entzündungen, aber auch systemischen Reaktionen auftreten.
Schwere anaphylaktische Reaktionen sind bei Patienten mit selektivem
IgA-Mangel oder variablem Immundefekt (CVID) möglich, die nur einen
geringen IgA-Antikörper im Serum
aufweisen.7 Auch wenn die Auftretenshäufigkeit gering ist (1:20.000
bis 1,3:1.000.000 Transfusionen),8, 9
ist es zwingend angezeigt, insbesondere Hochrisikopatienten angemessen zu überwachen. Privigen ist bei
Patienten mit absolutem IgA-Mangel
5
PID-Studie
(n = 71–78)
4
L-Prolin-Serumspiegel
(mmol/l, Mittelwert + SA)
4.2.5 Weitere relevante Reaktionen, die nach Gabe von IVIG
beobachtet wurden
Abbildung 10: Zeitlicher Verlauf der L-Prolin-Serumkonzentrationen
nach Infusion von Privigen (Mittelwerte)
3
2
1
0
vor
Inf 1
nach
Inf 1
vor
Inf 2
nach
Inf 2
vor
Inf Wo 12
5
ITP-Studie
(n = 53–57)
4
L-Prolin-Serumspiegel
(mmol/l, Mittelwert + SA)
Angesichts dieser raschen Elimination besteht also kein Risiko einer
Akkumulation von L-Prolin unter
Privigen-Therapie.
3
2
1
0
Tag 1
prä
Tag 1
post
Tag 2
prä
kontraindiziert, trotz seines nur sehr
geringen IgA-Gehalts.
Aseptische Meningitis
Die Behandlung mit IVIG und anderen Wirkstoffen wie nichtsteroidalen
Entzündungshemmern, antimikrobi-
Tag 2
post
Tag 4
Tag 8
ellen oder intrathekalen Wirkstoffen
sowie Vakzinen kann gelegentlich zu
einer Reizung der Meningen führen,
die als aseptische Meningitis bezeichnet wird.10 Die Symptomatik umfasst
starke Kopfschmerzen, Fieber, Erbrechen, Halssteifheit sowie erhöhte
®
Human Normal Immunoglobulin
34
Lichtempfindlichkeit und tritt 6–48
Stunden nach der IVIG-Infusion auf.
Ein Anstieg der Protein- (0,3–1,0 g/l)
und Leukozytenkonzentration (bis zu
100 × 10 6 Zellen/l, primär neutrophile Granulozyten) im Liquor sind
typische Merkmale dieser Störung.
Die klinischen Symptome sprechen
auf starke Analgetika an und klingen
nach Beendigung der IVIG-Therapie
in wenigen Tagen ab.11
Aseptische Meningitis ist typischerweise mit Hochdosis-IVIG-Therapie
(1–2 g/kg) assoziiert, wie sie zur Behandlung der ITP oder neuromuskulärer Erkrankungen erforderlich
ist. Patienten mit Migräne in der
Vorgeschichte unterliegen möglicherweise einem besonders hohen
Risiko für aseptische Meningitis.12
Die Pathophysiologie der aseptischen Meningitis ist nicht geklärt,
jedoch wird vermutet, dass IVIG die
Ausschüttung von Serotonin, Histamin und Prostaglandin induziert, was
Auswirkungen auf die Mikrogefäße
der Meningen hat und entweder
Migräne oder aseptische Meningitis
auslöst.12 Bei Auftreten einer aseptischen Meningitis ist der Patient
sorgfältig zu untersuchen, um eine
infektiöse Meningitis und intrakranielle Blutungen auszuschließen.
Die Prämedikation mit Paracetamol
(Acetaminophen) oder Antihistaminen sowie sehr niedrige Infusions-
raten und angemessene Hydrierung
vermögen nachweislich diese Symptome zu lindern oder ganz zu verhindern.13
Beeinträchtigung der Nierenfunktion
Nierenfunktionsstörungen und akutes Nierenversagen sind seltene
Komplikation der IVIG-Therapie.14, 15
Die Kreatinin- und Harnstoffkonzentrationen im Serum bleiben in der
Regel noch mehrere Tage nach der
Infusion erhöht, kehren jedoch innerhalb weniger Tage ohne weitere
Komplikationen spontan wieder auf
das Ausgangsniveau zurück. Gelegentlich kann Proteinurie auftreten.
In seltenen Fällen wird eine Dialyse
erforderlich.
Hinweise auf eine antikörpervermittelte Schädigung der Nieren oder die
Ablagerung von Immunkomplexen
wurden nicht gefunden. In Nierenbiopsien wurden Schwellungen und
Vakuolenbildung der proximalen
Tubuluszellen festgestellt, was auf
eine osmotische Verletzung hindeutet.15-17 Berichte über Komplikationen
dieser Art liegen vor allem für IVIGProdukte vor, die Saccharose oder
andere Disaccharide als Stabilisator
verwenden.
Privigen enthält keine Saccharose.
Dennoch sind die Patienten grundsätzlich sorgfältig zu überwachen,
und es ist mit geeigneten Maßnahmen dafür zu sorgen, dass das Risiko bei prädisponierten Patienten
minimiert wird, z. B. durch angemessene Hydrierung und niedrige
Infusionsraten.18
Thromboembolien
Die Expansion des Plasmavolumens
während der IVIG-Infusion ist gelegentlich mit kardiovaskulären Komplikationen und Hypertoniereaktionen
assoziiert. IVIG erhöht die Viskosität
des Blutes19 und kann in seltenen
Fällen Thrombosen oder Thromboembolien verursachen, die ihrerseits
zu Hirn- oder Herzinfarkten, Lungenembolie oder tiefer Venenthrombose
führen können.19-22
Der kausale Zusammenhang zwischen IVIG-Therapie und thrombotischen Ereignissen ist jedoch oft
unklar, da in den meisten Fällen
zugrunde liegende Risikofaktoren
wie Herzinfarkte oder langfristige
Immobilisierung in der Vorgeschichte
vorliegen, die die Thromboseepisoden verursacht oder zumindest begünstigt haben können.23
Die Inzidenz von Thromboseereignissen ist auch mit IVIG-Produkten mit
hoher Osmolarität und/oder hohem
Natriumgehalt 24 sowie mit hohen
Infusionsraten in Zusammenhang
gebracht worden.25 Die Osmolarität
35
von Privigen ist physiologisch, sein
Natriumgehalt sehr niedrig.
Ältere Patienten mit vorbestehenden
Herz- oder Hirngefäßerkrankungen
weisen ebenso ein erhöhtes Risiko
auf wie Patienten mit erhöhter Blutviskosität infolge einer Kryoglobulinämie oder Paraproteinämie.
Hämolyse
Intravenös verabreichte Immunglobulinprodukte können Blutgruppenantikörper enthalten, die in vivo
die Umhüllung roter Blutzellen mit
Immunglobulinen bewirken können.
Dies kann zu einer positiven direkten
Antiglobulinreaktion und in seltenen Fällen zur Hämolyse führen.26-27
Durch verstärkte Sequestration von
Erythrozyten kann im Gefolge einer
IVIG-Therapie eine hämolytische Anämie entstehen.
Mit IVIG behandelte Patienten sind
auf Anzeichen und Symptome von
Hämolyse zu überwachen. Falls nach
einer IVIG-Infusion Hämolysesymptome auftreten, sind geeignete
Labortests durchzuführen, um die
Diagnose zu sichern.
impfstoffen verringern. Die passive
Übertragung von Antikörpern durch
Privigen führt dazu, dass serologische Tests vorübergehend erhöhte
Antikörperspiegel ergeben.
4.2.7 Schwangerschaft
Zur IVIG-Therapie während der
Schwangerschaft liegen nur begrenzte Erfahrungen vor. Die klinischen Daten deuten zwar darauf hin,
dass keine schädlichen Auswirkungen auf den Verlauf der Schwangerschaft oder auf den Fetus/das
Neugeborene zu erwarten sind.
Dennoch ist Privigen an schwangere
Frauen nur zu verabreichen, wenn es
klinisch notwendig ist und es sich um
ein zugelassenes Anwendungsgebiet
handelt.
4.3 Abkürzungen
B19V
BVDV
CDI
CJK
CVID
4.2.6 Wechselwirkungen
Privigen ist nicht mit anderen Medikamenten zu vermischen und
stets durch einen separaten Infusionsschlauch zu verabreichen.
Die Behandlung mit Privigen kann
die Wirksamkeit von Lebendvirus-
EMCV
FDA
B19-Virus
Bovines Virus-DiarrhöVirus
Konformationsabhängiger
Immunoassay
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
Common variable immunodeficiency (Variabler
Immundefekt)
EnzephalomyokarditisVirus
Food and Drug Administration (US-Zulassungsbehörde)
GMP
Good Manufacturing
Practice (Gute Herstellungspraxis)
HAV
Hepatitis-A-Virus
HBsAg Hepatitis-B-Virus-Oberflächenantigen
HCV
Hepatitis-C-Virus
HHV
Humane Herpesviren
HIV
Humanes Immundefizienzvirus
ITP
Immunthrombozytopenische Purpura
LRF
log10 -Reduktionsfaktor
MVM Minute-Virus der Maus
NAT
Nukleinsäure-Amplifikationstechnik
NSAIDs Nichtsteroidale Entzündungshemmer
PID
Primärer Immundefekt
PRV
Pseudorabies-Virus
QS
Qualitätssicherung
TSE
Transmissible Spongiforme
Enzephalopathie
UE
Unerwünschtes Ereignis
vCJK
Variante der CreutzfeldtJakob-Krankheit
WHO World Health Organization
(Weltgesundheitsorganisation)
WNV West-Nil-Virus
®
Human Normal Immunoglobulin
36
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®
Human Normal Immunoglobulin
38
5. Pharmakokinetik
t Die pharmakokinetischen Eigenschaften von Privigen
entsprechen dem, was für ein normales, intaktes IgG
zu erwarten ist.1
Wie erwartet lagen die Subklassen
IgG1 und IgG2 in wesentlich höherer
Konzentration vor als IgG3 und IgG4.
Die Plasma-IgG-Spiegel gingen in
der Regel biphasisch wieder zurück.
Der schnelle anfängliche Rückgang
(B-Phase) entspricht der Verteilung
des IgG auf Blutstrom und interstitiellen Raum. Die folgende langsa-
t Bei sehr niedriger endogener IgG-Konzentration, wie
sie bei primären Immundefekten vorliegt, ist das pharmakokinetische Profil von IVIG durch eine verlängerte
Eliminationszeit gekennzeichnet.
5.1 Pharmakokinetische Studie
zu Privigen bei PID
Die Konzentrationsprofile für Gesamt-IgG und die IgG-Subklassen
sind in Abbildung 11 dargestellt. Der
IgG-Spiegel zu Studienbeginn lag
bei rund 10 g/l. Nach der PrivigenInfusion stieg die IgG-Konzentration
im Plasma auf rund 23 g/l (Tabelle
13). Die Cmax wurde in der Regel
fünf Minuten nach Infusionsende
gemessen.
30
Gesamt IgG (g/l)
25
20
15
10
5
0
-5
0
5
10
15
20
25
30
12
10
8
IgG-Subklassen (g/l)
Die Beurteilung der Pharmakokinetik erfolgte an 25 Patienten mit
primärem Immundefekt (PID), die
mit Privigen behandelt wurden. Von
den Teilnehmern hatten 20 CVID,
fünf XLA. Die mediane Dosis Privigen betrug 444 mg/kg (Spannweite:
200–714 mg/kg). Gemessen wurden
die Serumkonzentrationen von IgG
gesamt, den IgG-Subklassen und
spezifischen IgG-Antikörpern (AntiCMV, Anti-Haemophilus-InfluenzaeB, Anti-Tetanus und Anti-Streptococcus pneumoniae).
Abbildung 11: Mittlere Serumspiegel IgG gesamt (oben) imd IgGSubklassen (unten) nach Infusion von Privigen
IgG1
5
4
IgG2
0,7
0,5
0,3
0,2
IgG3
0,1
IgG4
-5
0
5
10
15
Zeit (Tage)
20
25
30
39
mere Abnahme (C-Phase) entspricht
dem IgG-Abbau; diese Rate liegt der
Berechnung der terminalen Eliminationshalbwertszeit t1/22 zugrunde. Die
mediane Halbwertszeit von Privigen
bei den untersuchten Patienten betrug rund 37 Tage.
Tabelle 13: Pharmakokinetische Parameter von Privigen bei PID
(n =25)
Parameter
Median
min; max
Ausgangs-IgG-Serumspiegel, g/l
10,23
5,79; 14,69
Cmax IgG-Spiegel 5 Minuten nach
Infusionsende, g/l
23,22
10,44; 34,56
Terminale Halbwertszeit t1/2, Tage
36,6
20,6; 96,6
AUC (0-Ende), Tag g/l *
366
197; 443
Clearance, ml/Tag/kg
1,33
0,87; 2,09
Die Konzentrationsprofile für spezifische IgG-Antikörper in Privigen sind
in Abbildung 12 dargestellt. Bei den
einzelnen Antikörpern ist dasselbe
pharmakokinetische Muster festzustellen wie beim Gesamt-IgG.
*nach log-linearer Trapezregel
Abbildung 12: Mittlerer Serumspiegel spezifischer IgG-Antikörper nach Infusion von Privigen
Anti-Streptococcus pneumonia
Anti-Haemophilus influenza Typ B
300
Anti-S. pneumoniae (mg/l)
Anti-H. influenzae (mg/l)
10
8
6
4
2
250
200
150
100
50
0
0
-5
0
5
10
15
20
25
-5
30
0
5
10
20
25
30
20
25
30
Anti-CMV
Anti-Tetanus
30
10
25
8
Anti-CMV (IU/ml)
Anti-tetanus (IU/ml)
15
Zeit (Tage)
Zeit (Tage)
6
4
2
20
15
10
5
0
0
-5
0
5
10
15
Zeit (Tage)
20
25
30
-5
0
5
10
15
Zeit (Tage)
®
Human Normal Immunoglobulin
40
Abbildung 13: Gesamt-Ig-Serumkonzentration nach IVIG-Infusion
(Sandoglobulin, 0,6 g/kg)
30
IgG-Serumspiegel (g/l)
25
20
15
10
5
0
-1
0
1
2
3
4
Zeit (Wochen)
5.2 Pharmakokinetik von IVIG
bei gesunden Probanden
Aus Studien zu Sandoglobulin liegen
Informationen zu den pharmakokinetischen Eigenschaften von IVIG
bei gesunden Probanden vor. Das
Konzentrationsprofil des Gesamt-IgG
im Zeitverlauf ist in Abbildung 13 dargestellt. Die Halbwertszeit von IgG
betrug bei den immungesunden Studienteilnehmern rund 18–20 Tage.
5.3 Mechanismus des IgGAbbaus
Der Abbau von IgG findet primär
im Gefäßendothel statt.2 Die Halbwertszeit von IgG ist mit 21 Tagen
länger als die anderer Plasmaproteine, was mit einem Schutzmecha-
5
6
7
nismus unter Beteiligung des neonatalen Fc-Rezeptors FcRn erklärt
worden ist.3 Die Aufnahme des IgG
in die Endothelzellen erfolgt durch
Pinozytose. An FcRn gebundenes
IgG wird wieder an die Oberfläche
gebracht, während das verbleibende
freie IgG in Lysosomen zersetzt wird.
Wenn alle FcRn-Bindungsstellen besetzt sind, steigt die Rate des IgGAbbaus. Bei Patienten mit Hypogammaglobulinämie liegt weniger
endogenes IgG vor, so dass weniger
FcRn-Bindungsstellen besetzt sind.
Dementsprechend länger ist die Eliminationshalbwertszeit von IgG. Das
erklärt den Unterschied zwischen
den Halbwertszeiten für IVIG bei Gesunden (18–20 Tage) und Privigen
bei PID-Patienten (36–43 Tage).2, 4
5.4 Abkürzungen
AUC
Area Under the Curve
(Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve)
Cmax
maximale Konzentration
CVID
Common variable immunodeficiency (Variabler
Immundefekt)
PID
Primärer Immundefekt
t1/2
Halbwertszeit
XLA
x-chromosomale
Agammaglubulinämie
41
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®
Human Normal Immunoglobulin
42
6. Wirkmechanismen
Die bestuntersuchten und anerkanntesten
Wirkmechanismen von IVIG sind:
t Substitution wichtiger Antikörper
t Immunmodulatorische Wirkungen
Der theoretische Ansatz für das therapeutische Potenzial von IVIG ist
umfassend untersucht und in über
3.000 wissenschaftlichen Publikationen dokumentiert worden. Verschiedene Thesen für das Zustandekommen der immunmodulatorischen
Wirkung von IVIG sind aufgestellt
worden; es gibt jedoch keinen
Mechanismus, der allein sämtliche
klinischen Auswirkungen erklären
würde. Die Vielzahl postulierter
Wirkmechanismen von IVIG spiegelt
die Komplexität des Immungeschehens und die Vielfalt der Aufgaben
der IgG-Antikörper wider. Im folgenden Kapitel sollen einige der als
gesichert geltenden Mechanismen
der IVIG-Aktivität vorgestellt werden. Nähere Ausführungen hierzu
sind in verschiedenen umfassenden
Übersichtsarbeiten nachzulesen.1-6
6.1 Mechanismen bei
Immunmangel
Bei Patienten mit primären und sekundären Immundefekten wird Privigen dazu eingesetzt, die fehlenden
Antikörper zu ersetzen (Substitutionstherapie). Privigen wird aus dem ge-
sammelten Plasma von bis zu 60.000
gesunden Spendern gewonnen und
enthält daher spezifische Antikörper
gegen eine breite Vielfalt von Bakterien, Viren, anderen Pathogenen
und Toxinen, denen Personen aus
der Spenderpopulation einmal ausgesetzt waren.6 Die Antikörper in Privigen sind außerdem strukturell und
funktionell intakt und als Effektoren
uneingeschränkt funktionsfähig. Die
Bindung an FcH-Rezeptoren und die
Aktivierung des Komplementsystems
sind wichtig für die Zerstörung von
Pathogenen durch Phagozytose oder
komplementvermittelte Lyse und für
die Clearance von Immunkomplexen.
Die antikörperabhängige, zelluläre
Zytotoxizität wird von natürlichen
Killerzellen (NK-Zellen) für die Beseitigung virusinfizierter Zellen und
von eosinophilen Granulozyten zur
Abtötung von Parasiten genutzt.
Neben seiner Schutzwirkung gegen
Infektionen spielt IgG auch eine
wichtige Rolle bei der Funktionsregulierung des gesamten Immunsystems. Bei Patienten mit primärem
Immundefekt entwickelt sich häufig
eine Autoimmunkrankheit, so leiden
Patienten mit variablem Immundefekt (CVID) oft an immunthrombozytopenischer Purpura (ITP) oder
autoimmunhämolytischer Anämie
(AIHA). Eine Substitutionstherapie
mit intravenös verabreichtem Immunglobulin verringert die Häufigkeit solcher Autoimmunerscheinungen bei PID-Patienten.7
6.2 Mechanismen der
Immunmodulation
6.2.1 Blockade oder Modulation
von FcH-Rezeptoren
Der primäre Mechanismus, über den
Privigen die unkontrollierte Phagozytose von Autoantikörper-markierten
Thrombozyten bei ITP verhindert,
ist wohl die Blockade der FcH Rezeptoren. Dieser Mechanismus,
der durch mehrere Beweisketten
gestützt wird, ist in Abbildung 14
dargestellt. Ebenso wurde nachgewiesen, dass die IVIG-Therapie die
Clearance von RhD-positiven autologen Erythrozyten hemmt, die von
anti-RhD-Antikörpern besetzt sind.8
Ob IgG einen der drei aktivierenden FcH-Rezeptoren (FcHRI (CD64),
FcHRIIa (CD32), FcHRIII (CD16)) bevorzugt inhibiert, und in welchem Maße
monomere, dimere und komplexe
IgG (die während oder nach der Infusion gebildet wurden) an der IVIGinduzierten Inhibition beteiligt sind,
wird derzeit noch diskutiert.9, 10
43
Die Blockade aktivierender FcHRezeptoren durch infundierte IgGMoleküle hemmt möglicherweise
auch die antikörperabhängige zelluläre Zytotoxizität. Diese Hypothese
wurde auch für die Schutzwirkung
von IVIG gegen die Demyelinisation
bei entzündlichen neurologischen
Erkrankungen vorgebracht.11
Untersuchungen an einem Mausmodell, in dem mit Hilfe eines AntiThrombozyten-Antikörpers eine ITP
induziert wurde, deuten darauf hin,
dass ein weiterer Mechanismus die
Phagozytose herunterregelt: Die Vernichtung von Thrombozyten wurde
verhindert, indem IVIG oder sein FcFragment verabreicht wurden, und
die Wirkung war abhängig von der
Expression von FcHRIIb an der Zelloberfläche von Milzmakrophagen.12
Der niedrig-affine FcHRIIb (CD32)
ist ein inhibierender Rezeptor, der
die Clearance von Thrombozyten
hemmt (Abbildung 14).
6.2.2 Beeinflussung der
Komplementaktivierung und
andere entzündungshemmende
Effekte
Dank seiner stark antiinflammatorischen Aktivität hat IVIG bei akuten
Entzündungen, z. B. im Rahmen der
Kawasaki-Krankheit, eine rasche Wirkung.13, 14 Ein wichtiger Mechanismus
für die entzündungshemmenden Ef-
Abbildung 14: Blockade von FcH-Rezeptoren
Aktivierender Inhibitorischer
Fc-Rezeptor
Fc-Rezeptor
Autoantikörper
IVIG
Aktivierung
Makrophage
a. Bei ITP binden pathogene Autoantikörper
einerseits an Thrombozyten und andererseits über aktivierende Fc-Rezeptoren an
Milz-Makrophagen.
Aktivierung
b. Aktivierte Makrophagen phagozytieren
und zerstören antikörpermarkierte Thrombozyten.
Inhibition
c. Ein potenzieller Wirkungsmechanismus
von IVIG bei ITP beruht auf der Blockade
der Fc-Rezeptoren: Die Zerstörung der von
pathogenen Autoantikörpern bedeckten
Thrombozyten wird verhindert.
d. Eine andere Hypothese besagt, dass die
IVIG-Therapie zu einer verminderten Expression aktivierender Fc-Rezeptoren und/oder
vermehrten Expression des inhibierenden
FcRIIb führt. Die Makrophagenreaktion wird
somit von der Aktivierung auf die Inhibition
verlagert, und antikörpermarkierte Thrombozyten werden nicht mehr phagozytiert.
Dieser Mechanismus ist bisher nur im ITPMausmodell gezeigt worden.
®
Human Normal Immunoglobulin
44
fekte von IVIG ist das „Abfangen“
von Komplement. Aktivierte Komplementfaktoren, insbesondere C3b,
können an IgG binden. Eine hochdosierte IVIG-Infusion stellt in großer
Zahl Bindungsstellen bereit, die den
Komplement-Angriff vom Zielorgan
(also dem Gewebe, für das die pathogenen Autoantikörper spezifisch
sind) auf das in der flüssigen Phase
vorliegende IgG umlenken. Dieser
Effekt ist sowohl im Tiermodell15 als
auch bei Dermatomyositis-Patienten
gezeigt worden.16, 17
In einer neueren Studie wurde die
Komplementbindungskapazität von
acht verschiedenen IVIG-Produkten
in einem In-vitro-System getestet.18
Die gemessene IVIG-bedingte Inhibition der Komplement-Anlagerung
an ein Modell eines Autoantikörperbehafteten Gewebes ist in Abbildung 15 dargestellt.
Alle getesteten IVIG-Produkte hemmten in dosisabhängigem Maße die
Ablagerung von C3. Privigen erwies sich hierbei als bis zu 3,5-mal
leistungsfähiger als andere IVIGProdukte (Abbildung 16). Die Hemmung der Komplementablagerung
ging mit einem Rückgang der C3aBildung einher, was noch einmal
bestätigt, dass der Effekt auf der
Inhibition beruhte, nicht auf der Aktivierung oder dem Verbrauch des
Komplementsystems. Die Hemmung
Abbildung 15: ELISA-Hemmtest zur Messung der C3-Neutralisation
durch IVIG
4-NPP
Streptav.-AP
5.
2. C1q-rs
3.
Biot
6.
C3
4.
C3b/c
1.
Eine Schicht hitzeaggregiertes IgG (1) dient als Modell für gewebegebundene Autoantikörper.
Das Komplementsystem wird aktiviert (2) und C3b wird gebildet (3). C3b bindet entweder an
das aggregierte IgG (3) oder an das IVIG in der flüssigen Phase. An aggregiertes IgG gebundenes C3b/c wird mit spezifischen Antikörpern (4) nachgewiesen, die an ein Detektionssystem
gekoppelt sind (5,6).19
der Komplementanlagerung wurde
begleitet von einer Zunahme von
C3-Aktivierungsprodukt, das in der
flüssigen Phase an IgG band.
Ein weiterer möglicher Mechanismus der Entzündungshemmung
ist die Modulation der Zytokinbildung. Dieser Effekt kommt möglicherweise über die Inhibition aktivierender Rezeptoren und/oder die
Induktion inhibierender Rezeptoren
an Immunzellen zustande (siehe
oben). Außerdem enthält IVIG natürlich vorkommende Antikörper
gegen Zytokine und gegen potente
Zellaktivatoren wie Superantigene.
Dies steigert seine Hemmwirkung
zusätzlich. Die IVIG-Gabe bewirkte
einen Rückgang der Entzündungszytokine Interleukin-1 beim Morbus
Kawasaki20 und Interleukin-1C beim
Guillain-Barré-Syndrom.21
6.2.3 Anti-idiotypische
Neutralisierung pathogener
Auto- oder Alloantikörper
Anti-idiotypische Antikörper binden
an die Antigen-Bindungsstellen von
Autoantikörpern und neutralisieren sie. Der hohe Gehalt anti-idiotypischer Antikörper ist der Grund
für den therapeutischen Nutzen
von IVIG bei Störungen wie Guillain-Barré-Syndrom (GBS)22, 23 oder
Autoantikörper-induziertem FaktorVIII-Mangel.24 Bei beiden Krankheiten kam man darauf, sie mit IVIG
45
Abbildung 16: Die Inhibition der C3b/c-Anlagerung an aggregiertes
IgG hängt vom verwendeten IVIG-Präparat ab.
Hemmung der C3b/c-Bindung (%)
120
Privigen
Sandoglobulin
Octagam
Intratect
Sandoglobulin
liquid
Kiovig
Gamunex
100
80
60
40
20
0
-20
0
0,1
0,3
0,9
2,8
8,3
25,0
IIVG-Konzentration mg/ml
zu behandeln, nachdem man Fälle
von Spontanheilungen beobachtet
hatte, die auf das Auftreten endoge-
ner anti-idiotypischer Antikörper zurückzuführen waren.24, 25 Intravenös
verabreichtes Immunglobulin enthält
Abbildung 17: Inhibition der B-Zell-Antikörperproduktion
B-Zell-Rezeptor
IVIG
Inhib
FcRIIb-Rezeptor
itio
n
B-Zelle
Anti-idiotypische
Antikörper
können über ihr
Fab-Fragment an
B-Zell-Rezeptoren
und über ihr FcFragment an FCRIIb
binden. Diese
Quervernetzung
führt zur Proliferationshemmung
bzw. Apoptose der
B-Zelle und somit
zur Suppression der
Synthese spezifischer Antikörper.
außerdem anti-idiotypische Antikörper, die bei Vaskulitis-Patienten AntiNeutrophilen-Zytoplasma-Antikörper (ANCA)26, 27 neutralisieren, sowie
anti-idiotypische Antikörper gegen
Anti-Thyreoglobulin, Anti-DNA und
Anti-Acetylcholinrezeptor.28
Transplantationen sind ein weiteres
Gebiet, für das die anti-idiotypischen
Eigenschaften von IVIG potenziell
von großem Interesse sind. Viele
Transplantationskandidaten sind
für ein breites Spektrum humaner
Leukozyten-Antigene (HLA) sensibilisiert, nachdem sie früher durch
Schwangerschaft, Bluttransfusionen
oder andere Transplantationen bereits mit fremdem HLA-Antigen in
Kontakt gekommen sind. Kompatible Spender sind daher schwierig
zu finden. Die IVIG-Therapie bewirkt
nachweislich einen erheblichen Rückgang der Anti-HLA-Antikörper und
ermöglicht so auch bei diesen Patienten Transplantationseingriffe.29, 30
6.2.4 Herunterregulierung der
Autoantikörperproduktion
durch B-Lymphozyten
B-Zell-Rezeptoren sind membranständige Antikörper, die von den Fab-Fragmenten anti-idiotypischer Antikörper
in IVIG erkannt werden. Der Fc-Anteil
der anti-idiotypischen Antikörper
kann sich mit dem FcH-Rezeptor auf
derselben Zelle verbinden (Abbildung
17). Die Quervernetzung des B-Zell-
®
Human Normal Immunoglobulin
46
Quellen
Antikörpers und des FcH-Rezeptors
führt zur Proliferationshemmung bzw.
Apoptose des B-Lymphozyten und
somit zur Suppression der Antikörpersynthese, wie im Mausmodell gezeigt
wurde.31 Dies ist einer der Mechanismen, die vermutlich der langfristigen
Elimination von Autoantikörpern zugrunde liegen.32
6.2.5 Beschleunigter Abbau
pathogener Autoantikörper
Die Halbwertszeit von IgG ist im
Vergleich zu der anderer Immunglobuline ungewöhnlich lang, was auf
einen speziellen Schutzrezeptor zurückgeführt wird.33 Dieser Rezeptor
ist als neonataler Fc-Rezeptor (FcRn)
identifiziert worden.34 Endothelzellen nehmen Plasma-IgG durch Pinozytose in ihr Endosom auf, wo es an
FcRn bindet und intakt wieder in den
Kreislauf freigesetzt wird. Erst wenn
alle FcRn-Bindungsstellen besetzt
sind, wie bei Hypergammaglobulinämie oder nach einer IVIG-Infusion,
bleibt IgG ungebunden und wird im
Lysosom seiner Plasmakonzentration
entsprechend zersetzt.35, 36 Die Gabe
von IVIG führt somit zum vermehrten Abbau von IgG einschließlich
pathogener Autoantikörper. In einem ITP-Rattenmodell, das durch
Injektion eines Anti-ThrombozytenAntikörpers induziert wurde, führte
die IVIG-Therapie zur dosisabhängigen Zunahme der Clearance der
Anti-Thrombozyten-Antikörper, und
die Thrombopenie besserte sich.37
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6.2.6 Regulierung der Apoptose
Die Apoptose kann durch Interaktion
eines Zelltod-Membranrezeptors
wie Fas (CD95) mit seinem Liganden, dem Fas-Liganden, ausgelöst
werden. Mit Immunglobulin zur intravenösen Anwendung wurde in
vitro die Fas-vermittelte Apoptose
von Keratinozyten vollständig und
spezifisch gehemmt, indem der FasRezeptor blockiert wurde.38 Auch
bei Patienten mit Lyell-Syndrom (toxische epidermale Nekrolyse) wurde
die Progression der Hautkrankheit
durch Infusion von IVIG rasch unterbunden. Begleitet wurde dies von
Hautheilung und günstiger vitaler
Prognose.39
6.3 Abkürzungen
AIHA
Autoimmunhämolytische
Anämie
ANCA Anti-NeutrophilenZytoplasma-Antikörper
CVID
Common variable immunodeficiency (Variabler
Immundefekt)
FcRn
Neonataler Fc-Rezeptor
GBS
Guillain-Barré-Syndrome
ITP
Immunthrombozytopenische Purpura
PID
Primärer Immundefekt
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Human Normal Immunoglobulin
48
7. Experimentelle Anwendungsgebiete
t Studien zur intravenösen Immunglobulintherapie sind
für viele unterschiedliche Indikationen durchgeführt
worden.
t Bei vielen dieser Indikationen stehen der Durchführung
kontrollierter Studien ethische und praktische Bedenken entgegen, sodass aufgrund geringer Fallzahlen
keine Studien mit adäquater statistischer Aussagekraft
möglich sind.
t Während die vorhandene Evidenzbasis noch nicht als
ausreichend für eine ordnungsgemäße Zulassung gilt,
könnten doch zahlreiche Patienten mit schweren Erkrankungen von einer IVIG-Therapie profitieren.
Der Nutzen einer IVIG-Therapie ist
in mehreren experimentellen Indikationen getestet worden, darunter
neurologische und dermatologische
Krankheiten, Transplantationen und
schwere Infektionen (Tabelle 14). Die
Anwendungsgebiete für IVIG wachsen kontinuierlich.
7.1 Neurologische Erkrankungen
7.1.1 Chronisch-inflammatorische
demyelinisierende Polyneuropathie
In den Leitlinien der European Federation of Neurological Societies
sowie der Peripheral Nerve Society wird empfohlen, Patienten mit
chronisch-inflammatorischer demyelinisierender Polyneuropathie (CIDP)
mit IVIG, Kortikosteroiden und/oder
Plasmaaustausch zu behandeln.1 Die
IVIG-Therapie ist der mit Kortiko-
steroiden überlegen, was die langfristigen Nebenwirkungen angeht.
Der Plasmapherese ist sie aufgrund
des höheren Anwendungskomforts
vorzuziehen. Die Auswahl der Therapieoption richtet sich oft maßgeblich
nach Kosten, Verfügbarkeit und Ansprechen des Patienten, da manche
Patienten nur auf IVIG ansprechen,
andere nur auf Kortikosteroide. Das
IVIG-Behandlungsschema besteht
aus 0,4 g/kg an fünf aufeinander
folgenden Tagen oder 2 g/kg für
ein bis zwei Tage. Zur Behandlung
von Rezidiven haben sich Dosen von
0,4–2 g/kg als wirksam erwiesen.2
Bei Kindern lässt sich der langgezogene und folgenschwere Verlauf
der CIDP durch die Gabe von IVIG
2 g/kg (und Erhaltungstherapie nach
Bedarf) in der Mehrheit der Fälle
mildern. Bei Patienten, die gegen
Tabelle 14: Experimentelle Anwendungsgebiete von IVIG
Neurologische
Erkrankungen
t$ISPOJTDIJOnBNNBUPSJTDIF
demyelinisierende Polyneuropathie
t.VMUJGPLBMFNPUPSJTDIF/FVSPQBUIJF
t.ZBTUIFOJBHSBWJT
t.VMUJQMF4LMFSPTF
t&OU[àOEMJDIFOFVSPNVTLVMÊSF"VUPJNNVO
erkrankungen (Dermatomyositis, Polymyositis, Einschlusskörperchen-Myositis)
t4UJGGQFSTPO4ZOESPN
t"M[IFJNFS%FNFO[
Transplantation
t)-"%FTFOTJCJMJTJFSVOH
Schwere Infektionen t/FPOBUBMF4FQUJLÊNJF
t/FLSPUJTJFSFOEF'BT[JJUJT
Hauterkrankungen
tLyell-Syndrom und Stevens-Johnson-Syndrom
Gynäkologie
t)BCJUVFMMFS"CPSU
49
Kortikosteroide oder Immunglobuline resistent sind, ist ein Eskalationsschema mit Plasmapherese, Immunsuppressiva oder Interferon-alpha zu
erwägen.3
CIDP ist eine langwierige Krankheit,
die durch zunehmende Muskelschwäche und Paralyse, den Verlust von Reflexen und sensorische
Störungen gekennzeichnet ist. Der
Verlauf kann chronisch, progredient
oder rezidivierend sein. Die Symptomatik wird mit den Jahren immer
ausgeprägter. Die geschätzte Inzidenz liegt bei 0,25–0,5 Fällen pro
100.000 Personen. Die üblichen
Therapieoptionen bei CIDP sind Kortikosteroide oder Plasmapherese.
Belege für die Wirksamkeit von IVIG
bei Patienten mit chronischer, progredienter oder rezidivierender Erkrankung lieferten zwei randomisierte,
plazebokontrollierte doppelblinde
Studien.2, 4, 46 In der ersten Studie
wurden 30 Patienten eingeschlossen.
Die Behandlung mit intravenösem
Immunglobulin bewirkte bei 19 Patienten (63 %) eine signifikante Besserung der klinischen Symptome
einschließlich elektrophysiologischer
Befunde und manueller Kraft. In der
zweiten, kürzlich veröffentlichen Studie erreichten unter IVIG 54 % der
Patienten eine Verbesserung im INCAT Score, signifikant mehr als unter
Plazebo mit 21 %.46
Bei Patienten, die an der chronischen Form der Krankheit litten,
wurde mit 1 g IVIG/kg der rückfallfreie Zeitraum erfolgreich verlängert.
Kinder sprachen mit signifikanten
und schnellen klinischen Verbesserungen auf IVIG an, das sie entweder als Initialtherapie oder nach
Versagen anderer Therapieoptionen
erhielten. Bei sechs der 16 behandelten Kinder wurde mit einem
einzigen Behandlungszyklus mit
2 g IVIG/kg eine Stabilisierung erzielt; bei acht Kindern war vier Jahre
lang alle drei bis sechs Wochen eine
Erhaltungsbehandlung mit 0,4–1 g/
kg erforderlich.3 In Zeiten stabiler
Verbesserung kann die Therapie abgesetzt werden, sodass bei Kindern
mit CIDP das Outcome zum Teil besser ist als bei Erwachsenen.5
vier Wochen oder 2 g/kg alle ein bis
zwei Monate.
7.1.2 Multifokale motorische
Neuropathie
7.1.3 Myasthenia gravis
Die IVIG-Therapie gilt derzeit als
Therapie der Wahl bei multifokaler
motorischer Neuropathie (MMN).6
Kortikosteroide sollten nicht gegeben werden. Nach erfolgreicher
Initialtherapie mit IVIG ist eine Erhaltungstherapie mit IVIG durchzuführen. Dosis und Häufigkeit sind
individuell nach Maßgabe des klinischen Ansprechens festzulegen.
Typische Behandlungsschemata sind
beispielsweise 1 g/kg alle zwei bis
Multifokale motorische Neuropathie
ist gekennzeichnet durch Blockaden
der Erregungsleitung in den motorischen Axonen und häufig auch
durch das Vorliegen von Autoantikörpern gegen Gangliosid GM1.
Als erste Symptome setzen langsam
Schwäche und Muskelatrophie ein,
meist in den Armen. Die Reflexe lassen nach, die Empfindungswahrnehmung bleibt erhalten. MMN spricht
auf Kortikosteroide oder Plasmapherese nicht an, lässt sich aber mit
Hochdosis-IVIG bemerkenswert gut
behandeln.7-9 Die Besserung beginnt
rund eine Woche nach der ersten
Infusion von 2 g/kg und hält etwa
vier bis sechs Wochen an. Dann ist
eine neue Infusion erforderlich.
Die Behandlung mit IVIG bewirkt
eine rasche Zunahme der Muskelkraft bei Patienten mit Myasthenia gravis. Das Präparat wird deshalb vorwiegend bei Patienten mit
rasch progredierender oder sich
verschlechternder Erkrankung eingesetzt. Die IVIG-Therapie gilt als
ebenso wirksam wie die Plasmapherese, geht jedoch mit weniger Nebenwirkungen einher und ist daher
zu bevorzugen. Die Besserung unter
IVIG tritt rasch ein und scheint ein
bis vier Monate lang anzuhalten.
®
Human Normal Immunoglobulin
50
Das Hauptmerkmal von Myasthenia
gravis ist die Muskelschwäche, die in
Aktivitätsphasen zunimmt und sich
nach Ruhephasen bessert. Häufig sind
die Muskeln betroffen, die für Bewegungen der Augen und Augenlider,
Gesichtsausdrücke, Kauen, Sprechen
und Schlucken verantwortlich sind.
Bisweilen ist auch die Atemmuskulatur beteiligt. Myasthenia gravis gilt
aufgrund ihrer klaren und charakteristischen Pathogenese als prototypische
Autoimmunkrankheit: IgG-Autoantikörper binden an den Acetylcholinrezeptor und verursachen seine Internalisierung oder Zersetzung, was die
Übertragung von Nervenimpulsen an
die Muskeln stört.10
Derzeit verfügbare Therapieoptionen sind Cholinesterase-Inhibitoren, Thymektomie, Kortikosteroide,
Azathioprin, Cyclosporin, Plasmapherese und Immunglobuline. Auf
der Grundlage zahlreicher Studien
gilt IVIG als wirksames Mittel, um
Krankheitszeichen und Symptome
relativ rasch und mit vergleichbarer
Wirksamkeit wie die Plasmapherese zu verringern.11, 12 Der Großteil
(74 %) der Teilnehmer mehrerer randomisierter, kontrollierter Studien
sprachen gut auf die IVIG-Therapie
an.13 Eine fünftägige Behandlung
mit 0,4 g/kg/Tag bewirkte bei elf
von zwölf Patienten eine Zunahme
der Muskelkraft. Bei vier Patienten
konnte die Steroiddosis um 50 %
herabgesetzt werden.12 Eine randomisierte, kontrollierte Studie zur
IVIG-Kurzzeittherapie bei 51 Patienten mit sich verschlechternder Myasthenia gravis lieferte zusätzliche
Belege für den Nutzen des Präparats. Bei den mit 2 g IVIG/kg behandelten Patienten war im Vergleich
zur Plazebogruppe eine signifikante
Verbesserung des Krankheits-Scores
zu beobachten.14
7.1.4 Multiple Sklerose
IVIG könnte bei verschiedenen Formen von Multipler Sklerose hilfreich sein. Besonders Patienten mit
C-Interferon- oder GlatirameracetatUnverträglichkeit sowie Patienten, die
auf bisherige Therapien nicht ansprachen, könnten von IVIG profitieren.
Multiple Sklerose ist eine chronische entzündliche Erkrankung
des Zentralnervensystems. Das
gehäufte Auftreten demyelinisierender Läsionen kann zu Sehstörungen, Muskelschwäche, Koordinations- und Sprachschwierigkeiten,
kognitiven Beeinträchtigungen,
Gleichgewichts störungen, Überhitzung und Schmer zen führen.
In schweren Fällen kann multiple
Sklerose zu Mobilitätseinschränkungen und Behinderung führen.
Man nimmt an, dass Multiple Sklerose eine immunvermittelte Störung
ist, die bei genetisch vorbelasteten
Menschen auftritt. Die jährliche Inzidenz reicht je nach geographischer
Region von fünf bis zu 30 Fällen pro
100.000 Personen.15
Zur immunmodulatorischen Therapie sind verschiedene Therapeutika
einsetzbar. Sie alle zielen darauf ab,
das Fortschreiten der Krankheit aufzuhalten.
In einer randomisierten, doppelblinden, multizentrischen Studie zur Immunglobulin-Therapie erhielten 150
Patienten mit schubförmig verlaufender MS zwei Jahre lang eine monatliche Dosis von 0,15–0,2 g IVIG/kg.
Die Analyse der Ergebnisse zeigt,
dass sich die IVIG-Therapie günstig
auf den klinischen Verlauf der Behinderung auswirkt und die Anzahl der
Rückfälle verringert.16 Eine andere
Studie, in der IVIG in Dosen von 0,2
und 0,4 g/kg mit Plazebo verglichen
wurde, ergab Dosisäquivalenz und
eine gegenüber Plazebo überlegene
Wirksamkeit: Bei 47,1 % der Patienten in der Plazebogruppe trat eine
klinische Verschlechterung ein, in
der Hochdosis-IVIG-Gruppe waren
es 6,7 %.17 Hinweise für einen therapeutischen Nutzen von IVIG bei Patienten mit primär chronisch-progredierender multipler Sklerose zeigte
eine weitere Studie. IVIG verzögerte
die Krankheitsprogression im Vergleich zu Plazebo um 28 Wochen
und senkte den Anteil Patienten mit
51
dauerhafter Progression um 40 %.
Allerdings umfasste die Studie nur
34 PPMS-Patienten.45
7.2 Entzündliche AutoimmunNeuropathien
Hochdosis-IVIG ist ein unbedenkliches und wirksames Therapeutikum
bei therapierefraktärer Dermatomyositis und Polymyositis. Patienten mit
Einschlusskörperchen-Myositis (IBM)
sprechen auf sämtliche verfügbaren Therapien nur schlecht an, doch
selbst die leichte Verbesserung im
Krankheits-Score, die sich mit einer
IVIG-Therapie erzielen lässt, ist für
den Alltag der Patienten funktionell
von Bedeutung.
Dermatomyositis, Polymyositis
und Einschlusskörperchen-Myositis sind entzündliche Neuropathien
unbekannter Ursache, gekennzeichnet durch symmetrische Muskelschwächen, die sich über mehrere
Monate hinweg entwickeln. Typisch
für Dermatomyositis sind außerdem
gerötete Exantheme an Augenlidern, Gesicht, Brust, Knöcheln, Ellenbogen und Knien. Die jährliche
Inzidenz von Dermatomyositis und
Polymyositis beträgt 0,2–0,5 Fälle
pro 100.000 Personen.18
Die meisten Patienten mit Dermatomyositis und Polymyositis sprechen
gut auf hochdosierte Kortikosteroide
an.19 Bei 15 Dermatomyositis-Patien-
ten, die auf Steroide nicht ansprachen, wurde die Wirksamkeit von
IVIG in einer doppelblinden, plazebokontrollierten Studie untersucht.20
Die Patienten wurden per Randomisierung der Behandlung mit einer
monatlichen Infusion von 2 g IVIG/
kg oder Plazebo über drei Monate
zugeteilt, außerdem nahmen sie
weiterhin Prednison in einer mittleren Dosis von 25 mg/Tag. Das klinische Ansprechen wurde anhand
von Muskelkraft, neuromuskulären
Symptomen und Ausschlag beurteilt. Bei den mit IVIG behandelten
Patienten waren die Muskel-Scores
(p < 0,018) und neuromuskulären
Symptome (p < 0,035) signifikant
besser als bei den Patienten, die Plazebo erhielten.
Die Einschlusskörperchen-Myositis
(IBM) ist gegen Steroide und Immunsuppressiva resistent. 5 Eine
strittige Datenlage zur Wirksamkeit von IVIG bei IBM gab Anlass
zu einer kontrollierten CrossoverStudie mit 19 Patienten, die nach
Randomisierung IVIG oder Plazebo
erhielten.19 Die Muskel-Scores waren
zwar in der IVIG-Gruppe nicht statistisch signifikant besser als in der
Plazebogruppe, aber bei einzelnen
Muskelgruppen, z. B. der Schluckmuskulatur, war eine klinisch relevante Verbesserung unter IVIG im
Vergleich zu Plazebo festzustellen.
7.3 Transplantation
Mit IVIG lässt sich der Spiegel von
Anti-HLA-Antikörpern umfassend
und anhaltend senken. Diese Wirkung wird zur Desensibilisierung von
hochgradig sensibilisierten Patienten
genutzt, denen eine Organtransplantation bevorsteht. Patienten mit
Lebendspender erhalten 2 g IVIG/
kg/Monat, bis die spenderspezifi sche Kreuzprobe negativ oder akzeptabel ist. Dann wird die Transplantation durchgeführt, und der
Patient erhält eine zusätzliche Dosis
IVIG nach dem Eingriff. Patienten
auf Wartelisten für Spenden Verstorbener werden mit viermonatlichen IVIG-Dosen ähnlich behandelt,
in der Hoffnung, dass sie desensibilisiert sind und ein kompatibles Spenderorgan erhalten.21, 22
Patienten mit Antikörpern gegen
allogene humane Leukozyten-Antigene (HLA) müssen zum Teil Jahre
warten, weil sich kein kompatibler
Spender findet. In einer der ersten
Studien zum präventiven Potenzial
von IVIG bei Nierentransplantationen erhielten 15 Patienten drei monatliche Infusionen à 2 g IVIG/kg.23
13 Patienten konnten mit der IVIGTherapie erfolgreich desensibilisiert
und transplantiert werden; nach
über einem Jahr Nachbeobachtung
waren keine Abstoßungsreaktionen aufgetreten. Die Wirksamkeit,
®
Human Normal Immunoglobulin
52
Sicherheit und wirtschaftliche Bedeutung der IVIG-Prophylaxe sind
in mehreren Transplantationszentren
evaluiert worden.24
7.4 Schwere Infektionen
Die IVIG-Therapie ist als alternative
Option zur Prophylaxe schwerer Infektionen bei Neugeborenen und
Erwachsenen empfohlen worden.
Zur Steigerung der Wirksamkeit
könnte die Kombination mit weiteren Wirkstoffen in Betracht gezogen
werden.
Neonatale Septikämie ist definitionsgemäß jede bakterielle Infektion
bei Kleinkindern in den ersten sieben
Lebenstagen (frühe Manifestationsform) oder bis zu 89 Tagen (späte
Manifestationsform). 70–80 % dieser Infektionen gehen auf GruppeB-Streptococcus und Escherichia coli
zurück. Weitere Auslöser sind unter
anderem Haemophilus influenzae,
Klebsiella pneumoniae und Streptococcus. IgG-Antikörper werden über
die Plazenta aufgenommen, und
bei Frühgeborenen ist die humorale
Abwehr eingeschränkt – eine ausgeprägte Hypogammaglobulinämie
macht sie anfällig für Infektionen
und Septikämien.25
Frühe Studien ergaben keine schlüssigen Belege für die Wirksamkeit der
IVIG-Therapie bei neonataler Septikämie, belegten jedoch die Sicherheit
und Verträglichkeit des Präparats.26
Spätere Studien bewiesen, dass
IVIG als Prophylaxe bei Frühgeborenen die Inzidenz von Sepsis und
schweren Infektionen verringert.27, 28
Bei Neugeborenen mit septischem
Schock war – nicht statistisch signifikant, aber tendenziell – ein Rückgang der Mortalität nach IVIG-Therapie zu beobachten.29
Die Gabe von rekombinantem humanem G-CSF (10 mg/kg/Tag) über
drei Tage an die Neugeborenen verbesserte die Neutrophilen-Zellzahl,
vergrößerte die Population neutrophiler Granulozyten, die FcH- und
Komplementrezeptoren exprimieren,
und steigerte die Opsonisierung von
Bakterien.30 Aufgrund dieser Ergebnisse wird seit kurzem eine Kombination aus IVIG und rekombinantem
humanem G-CSF befürwortet.
Nekrotisierende Fasziitis ist eine
seltene Infektionskrankheit der
tieferen Hautschichten und subkutanen Schicht (Faszie), die durch
verschiedene Bakterien verursacht
werden kann. Die Therapie umfasst
lebenserhaltende Maßnahmen, chirurgische Entfernung kontaminierten
Gewebes (Débridement) und antimikrobielle Therapie.31 Oft wird mit
intravenösem Immunglobulin behandelt, obwohl die Wirksamkeit nicht
nach strengen Kriterien geprüft ist,
weil die Fallzahlen zu gering und die
ethischen Bedenken bei einer kontrollierten Studie zu groß sind.32, 33 Es
ist jedoch erwiesen, dass bei manchen Patienten das chirurgische Débridement durch die IVIG-Therapie
hinausgezögert werden kann.34
7.5 Hautkrankheiten
IVIG kann bei Patienten mit Stevens-Johnson-Syndrom (SJS)
oder Lyell-Syndrom (toxische
epidermale Nekrolyse; TEN) den
klinischen Verlauf verbessern und
die Morbidität und Mortalität verringern.
Stevens-Johnson-Syndrom und TEN
sind unterschiedliche Schweregrade
derselben schweren, akuten mukokutanen Reaktion, die oft durch
Arzneimittel hervorgerufen wird.
Sowohl bei SJS als auch bei TEN lösen sich großflächige Hautareale am
dermal-epidermalen Übergang ab;
es entsteht das Bild von „verbrühter
Haut“. Das Stevens-Johnson-Syndrom ist durch Schleimhauterosion
und Blasenbildung auf weniger als
10 % der gesamten Körperoberfläche gekennzeichnet, während bei
TEN mehr als 30 % der Fläche betroffen sind. Der zugrunde liegende
Mechanismus ist die Apoptose von
Keratinozyten, ausgelöst von der Interaktion des Membranrezeptors Fas
und seines Liganden CD95L.35 Die
Krankheit tritt zwar selten auf (ge-
53
schätzte Inzidenz: 0,4–1,2 Fälle pro
1.000.000 Menschen), ist aber mit
einer Mortalität von rund 30 % und
schweren Entstellungen der Überlebenden assoziiert.36
In einer Pilotstudie wurden zehn Patienten mit histologisch gesicherter
TEN vier Tage lang mit 0,2–0,75 g
IVIG/kg/Tag behandelt.36 Die Krankheitsprogression wurde innerhalb
von 24–48 h nach Infusionsbeginn
abrupt unterbunden, danach waren
die Heilung der Haut und ein günstiger Verlauf zu beobachten. Begleitende In-vitro-Experimente bestätigten, dass die Wirkung von IVIG
auf der Blockade des Fas-Signalwegs
beruhte. Analysen von Studien mit
insgesamt 134 TEN- und 22 SJSPatienten erbrachten keine schlüssigen Ergebnisse für die Wirksamkeit
von IVIG.37 Die Stratifizierung der
Ergebnisse dieser und anderer Studien führte jedoch zu der Schlussfolgerung, dass elf von 14 Studien
positive Ergebnisse verzeichnet hatten.38 Derzeit herrscht die Ansicht,
dass eine groß angelegte, multizentrische Langzeitanalyse durchgeführt
werden muss, um die Rolle von IVIG
in der Versorgung dieser Patientenpopulation zu bestimmen.39
7.6 Habitueller Abort
Eine Therapie mit monatlichen Gaben von niedrig dosiertem IVIG, die
schon vor der Befruchtung begonnen und bis zum Ende des zweiten Schwangerschaftstrimesters
fortgeführt wird, scheint ein Erfolg
versprechendes Vorgehen bei habituellem Abort zu sein.
Wiederholte Schwangerschaftsabbrüche mit autoimmunen Ursachen
werden auch als „immunologischer
Abort“ bezeichnet. Bei Frauen mit
habituellen Aborten sind verschiedene Autoantikörper und/oder vermehrte natürliche Killerzellen identifiziert worden, die mit Toxizität für
Trophoblasten, Plazenta oder Fetus
assoziiert sind.40 Bei vielen Betroffenen liegen mehrere immunologische Anomalien vor, was darauf
hindeutet, dass eine allgemeine
Dysfunktion des Immunsystems
zum Schwangerschaftsverlust beiträgt. Kortikosteroide sind hier unwirksam.
IVIG-Therapie möglicherweise wirksamer ist, was den Fruchtverlust im
ersten Trimenon angeht.40
7.7 Abkürzungen
CIDP
Chronisch-inflammatorische
demylenisierende Polyneuropathie
G-CSF Granulozyten-koloniestimulierender Faktor
HLA
Humane Leukozyten-Antigene
IBM
Inclusion Body Myositis (Einschlusskörperchen-Myositis)
MMN Multifokale motorische Neuropathie
SJS
Stevens-Johnson-Syndrom
TEN
Toxische epidermale Nekrolyse (Lyell-Syndrom)
Die IVIG-Therapie ist beim immunologischen Abort umstritten. Verschiedene Studien belegen einen
signifikanten Nutzen der IVIG-Therapie in Standarddosierung (0,4–0,5 g/
kg) oder niedriger Dosierung
(0,2–0,25 g/kg).41, 42 Andere Studien
konnten diese positiven Ergebnisse
nicht bestätigen.43, 44 Eine neuere
Analyse des verfügbaren Datenmaterial untermauert die Wirksamkeit
und Sicherheit von IVIG und deutet
darauf hin, dass eine längerfristige
®
Human Normal Immunoglobulin
54
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Human Normal Immunoglobulin
56
8. Zusammensetzung und
Verabreichung
t 10-prozentige Lösung, gebrauchsfertig – keine
Kühlung oder Rekonstitution erforderlich
zu Fragmentation und Aktivitätsverlust führt.
t Bei Raumtemperatur über die volle Haltbarkeitsdauer
lagerbar
Im Gegensatz zu IVIG-Produkten,
die bei hoher IgG-Konzentration
Glycin als Hilfsstoff enthalten, kann
Privigen über die gesamte Haltbarkeitsdauer bei Raumtemperatur gelagert werden und ist daher immer
sofort gebrauchsfertig.
t Stabilisierung mit Prolin bei leicht saurem pH-Wert der
Lösung
t Keine Konservierungsmittel, wenig Natrium,
physiologische Osmolalität
8.2 Stabilität und Lagerung
8.1 Formulierung
Die Privigen-Flüssigformulierung ist
darauf ausgelegt, die physikalischchemische und biologische Stabilität
des wirksamen Bestandteils (IgG)
und die optimale Verträglichkeit des
Endprodukts für die gesamte Dauer
der Haltbarkeit zu gewährleisten.
Insbesondere galt das Augenmerk
den bisher problematischen Aspekten, die Bildung von IgG-Dimeren
während der Lagerung ebenso einzudämmen wie die Fragmentation
und Aggregation von IgG und oxidative Reaktionen, die zu gelblicher
Verfärbung führten.
Privigen enthält 250 mmol/l L-Prolin
als einzigen Hilfsstoff bei einem pHWert von 4,8 (s. Tabelle 8, S. 22).
Diese Zusammensetzung hat sich
als optimal für die Optimierung der
Dimerbildung und für die langfristige
Stabilität erwiesen.
Der Dimergehalt von IVIG-Präparaten
korreliert unmittelbar mit schlechter
Verträglichkeit; er ist unter 12 % zu
halten.1 IgG-Dimere entstehen infolge
der Interaktion zwischen Antikörpern
und den dafür anti-idiotypischen Antikörpern. Durch Stabilisierung mit
Prolin wird die Dimerbildung minimiert, da das amphiphile ProlinMolekül mit dem IgG-Molekül in
hydrophobe Wechselwirkung tritt.
Diese Interaktion ist reversibel und
beeinträchtigt nicht die Funktionalität des Antikörpers. So konnte der
während der Lagerung entstehende
Dimergehalt auf typischerweise unter 6–8 % stabilisiert werden, was
deutlich unter der vorgeschriebenen
Obergrenze von 12 % liegt.
Es ist nachgewiesen, dass Prolin die
Aggregation und Fragmentation von
IgG sowie die gelbliche Verfärbung
hemmt (s. Abbildung 7, S. 19). Ein
moderat saures Milieu (pH ~5) wurde
als optimal erkannt,2 da bei neutralem pH-Wert Dimere und Aggregate
entstehen, während höhere Azidität
Das Privigen-Endprodukt wird in sterilen Glasflaschen à 25 ml, 50 ml,
100 ml und 200 ml ausgeliefert.
Privigen bleibt bei Raumtemperatur (≤ 25 °C) über die volle Laufzeit
stabil. Privigen darf nicht tiefgekühlt
werden.
8.3 Empfohlene Dosen und
Infusionsraten
Privigen ist für die intravenöse Infusion bestimmt. Die Infusion soll
langsam begonnen werden. Wenn
sie gut vertragen wird, kann die Infusionsrate schrittweise erhöht werden. In den klinischen Studien wurde
mit einer initialen Infusionsrate von
0,5 mg/kg/min (0,3 ml/kg/h) gearbeitet. Wenn der Patient die Infusion
gut verträgt, ist eine schrittweise
Erhöhung der Rate auf 8 mg/kg/
min (4,8 ml/kg/h) möglich. In einer
klinischen Studie mit PID-Patienten
betrug die durchschnittliche maximale Infusionsrate 12 mg/kg/min
57
Tabelle 15: Empfohlene Privigen-Dosen
Krankheit
Dosis
Anmerkung
Primäre Immundefektsyndrome
Ziel: IgG-Talspiegel von mindestens 4–6 g/l
Anfangsdosis: 0,4–0,8 g/kg KG
Erhaltung: ≥ 0,2 g/kg KG alle 2–4 Wochen
Dosis muss eventuell individuell an
den Patienten angepasst werden,
je nach pharmakokinetischem und
klinischem Ansprechen.
Sekundäre Immundefekte Dosis: 0,2–0,4 g/kg KG alle
3–4 Wochen
IgG-Talspiegel sollte mindestens
4–6 g/l betragen.
Immunthrombozytopenische Purpura
Dosis: 0,8–1 g/kg KG an Tag 1, eine Wiederholung innerhalb 3 Tagen
Alternative Dosierung: 0,4 g/kg KG täglich für
2–5 Tage
Guillain-Barré-Syndrom
Dosis: 0,4 g/kg KG/Tag für 3–7 Tage
Bei Kindern liegen nur begrenzte
Erfahrungen vor.
Kawasaki-Krankheit
Dosis: 2,0 g/kg KG als Einzeldosis
Alternative Dosierung: 1,6–2,0 g/kg KG in
geteilten Dosen, 2–5 Tage lang
In Verbindung mit Acetylsalicylsäure.
Allogene Knochenmarkstransplantation
Dosis: 0,5 g/kg KG pro Woche
Beginn: 7 Tage vor der Transplantation
Ende: 3 Monate nach der Transplantation
Dosis ist individuell anzupassen.
(7,2 ml/kg/h). In dieser Studie war
die Verträglichkeit bei hoher Infusionsgeschwindigkeit gleich gut oder
besser als bei niedriger Geschwindigkeit. Prämedikation mit Analgetika
und Antihistaminika kann helfen,
infusionsbedingte Reaktionen wie
Kopfschmerzen oder Exanthem zu
lindern.
Die empfohlenen Dosen sind in Tabelle 15 aufgeführt.
Quellen
1.
Schnorf J, Arnet B, Burek-Kozlowska A, Gennari K, Rohner R, Späth PJ et al. Laboratory
parameters measured during infusion of immunoglobulin preparations for intravenous use
and related to tolerability. In: Kazatchkine MD,
Morell A, editors. Intravenous Immunoglobulin
Research and Therapy. New York, London: The
Parthenon Publishing Group, 1996; 312-313.
2.
Page M, Ling C, Dilger P, Bentley M, Forsey T,
Longstaff C et al. Fragmentation of therapeutic human immunoglobulin preparations. Vox
Sang 1995; 69(3):183-194.
®
Human Normal Immunoglobulin
®
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