Schulversuch Gemeinschaftsschule - Broschürenservice
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Schulversuch Gemeinschaftsschule - Broschürenservice
Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen Schulversuch „Längeres gemeinsames Lernen — Gemeinschaftsschule“ Dokumentation zum Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschulen in Nordrhein-Westfalen zum Schuljahr 2011/2012 3 1. Einleitung 1.1 1.2 Die Ausgangssituation Wesentliche Entwicklungsschritte auf Landesebene von September 2010 bis zum September 2011 Methodische Vorgehensweise 1.3 5 5 5 6 2. Schulporträts 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.6.1 2.6.2 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 Ascheberg Billerbeck Bochum Burbach Kalletal Köln – Ferdinandstraße – Wuppertaler Straße Langenberg Lippetal Morsbach Neuenrade Rheinberg 7 8 13 17 20 24 28 30 32 34 38 41 46 50 3. Interview mit dem Schulberater und Gesamtschulleiter Alois Brinkkötter zum Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschulen in Nordrhein-Westfalen 54 4. Vergleichende Gesamtübersicht 56 5. Zusammenfassung und Ausblick 60 6. Übersicht über die Presseveröffentlichungen — eine Auswahl 62 Anhang 65 4 V o r w o r t Sehr geehrte Leserinnen und sehr geehrte Leser, „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen“. Dieser solidarische Gedanke eines afrikanischen Sprichworts ist ein Baustein der Bildungspolitik Nordrhein-Westfalens. Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen – und es braucht ein ganzes Land, um die Schule der Zukunft und die Zukunft der Schule zu gestalten. Dies war 2010 der Beginn des Schulversuchs „Gemeinschaftsschule“. Auch damit rückte die Landesregierung unsere Kinder in den Mittelpunkt aller Bildungsinteressen. Bald schon zeigte sich, dass der Schulversuch „Längeres gemeinsames Lernen – Gemeinschaftsschule“ auf großes Interesse stieß. Zwölf Schulen gingen sofort an den Start, viele weitere wollten in den kommenden Jahren nachfolgen. Es zog ein frischer und neuer Wind durch Nordrhein-Westfalen. Die Landesregierung war von Anfang an offen für verschiedene pädagogisch sinnvolle Ansätze und betonte, dass Lösungen vor Ort erarbeitet werden. Dies weckte das Interesse aller an Bildung Beteiligten, die Schule der Zukunft – die Zukunft unserer Kinder – mitzugestalten. Parallel zum Start des Schulversuchs „Gemeinschaftsschule“ haben wir daher im September 2010 die Bildungskonferenz einberufen. In ihr erarbeiteten über 120 Vertreterinnen und Vertreter von rund 50 Verbänden, Institutionen und im Landtag vertretenen Parteien gemeinsam Empfehlungen an die Landesregierung und den Landtag zur Weiterentwicklung des Schulsystems. „Zusammen Schule machen für Nordrhein-Westfalen“ lautete die Devise. 2011 wurde das Jahr der schulpolitischen Gespräche und Beschlüsse – mit weitreichenden Konsequenzen. Am 20. Mai 2011 präsentierte die Bildungskonferenz 42 Empfehlungen zu den Schwerpunkten Individuelle Förderung, Übergänge gestalten, Ganztag weiterentwickeln, Eigenverantwortliche Schulen in Regionalen Bildungsnetzwerken und Schulstruktur in Zeiten des demografischen Wandels im Landtag. Am 19. Juli 2011 schlossen CDU, SPD und Bündnis 90/ Die Grünen den als historisch bezeichneten Schulkonsens. Er sieht unter anderem die neue Schulform Sekundarschule mit den Jahrgängen 5 bis 10 vor, die mit der gymnasialen Oberstufe eines oder mehrerer Gymnasien, Gesamtschulen und/oder Berufskollegs kooperiert. Außerdem wurde die erleichterte Errichtung von Gesamtschulen sowie der Erhalt kleiner Grundschulen vereinbart. Am 20. Oktober 2011 hat der Landtag das zur Umsetzung notwendige neue Schulgesetz und in Verbindung damit eine Änderung der Landesverfassung beschlossen. Mit Beginn des Schuljahres 2012/2013 sind jetzt die ersten 42 neuen Sekundarschulen und 20 neue Gesamtschulen gestartet. Viele weitere werden in den kommenden Jahren folgen. Der Schulversuch „Längeres gemeinsames Lernen – Gemeinschaftsschule“ markiert den Beginn dieses Wegs hin zu einem sozial gerechten und leistungsstarken Bildungssystem. Er war Wegbereiter und ist weiterhin ein wichtiger Wegbegleiter. Die hier gewonnenen Erkenntnisse helfen, diesen Weg weiter auszugestalten – hin zur Schule der Zukunft, die offen ist für alle Kinder und Jugendlichen und in der die Stärken aller Schulformen zusammenkommen. Ich danke allen Beteiligten, die sich auf kommunaler und schulischer Ebene für die Errichtung der neuen Gemeinschaftsschulen eingesetzt und an der Entstehung dieser Dokumentation mitgewirkt haben. Sylvia Löhrmann Ministerin für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen 5 1. Einleitung Die vorliegende Dokumentation beschäftigt sich mit dem Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschulen in Nordrhein-Westfalen. Ziel der Dokumentation ist es, wichtige Dokumente zu der Entstehungsphase der Gemeinschaftsschulen in Nordrhein-Westfalen zu sammeln, der geplanten wissenschaftlichen Begleitforschung eine Materialgrundlage bereitzustellen und die Fachöffentlichkeit zu informieren. Darüber hinaus sollen im Rahmen der Dokumentation Faktoren herausgearbeitet werden, die für den Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule von zentraler Bedeutung gewesen sind. Die Dokumentation umfasst den Zeitraum September 2010 bis September 2011 und berücksichtigt lediglich die Gemeinschaftsschulen, die zum Schuljahr 2011/2012 ihre Arbeit aufgenommen haben. Bevor im zweiten Teil der Dokumentation – im Rahmen der jeweiligen Schulporträts – näher auf die Situation der jeweiligen Gemeinschaftsschulen und Kommunen eingegangen wird, folgt in diesem ersten Kapitel zunächst eine Beschreibung der Ausgangssituation, die zur Einführung des Schulversuchs geführt hat (Kapitel 1.1). In einem nächsten Schritt werden die wesentlichen Entwicklungsschritte auf Landesebene seit der Veröffentlichung der Eckpunkte im September 2010 bis zum Start der zwölf Gemeinschaftsschulen im September 2011 beschrieben (Kapitel 1.2). Abschließend erläutert das Kapitel 1.3 die methodische Vorgehensweise der Dokumentation. 1.1 Die Ausgangssituation Die Zahl der Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen wird bis zum Jahr 2019 um mehr als 300.000 zurückgehen. Das sind rund 16 Prozent. Diese demografische Entwicklung erschwert es kleinen Kommunen, ein attraktives und wohnortnahes Schulangebot zu erhalten. Vor allem Hauptschulen werden immer weniger nachgefragt, sodass deren Existenz nicht immer gesichert ist. Um ein Schulsterben – vor allem in den ländlichen Regionen Nordrhein-Westfalens – zu verhindern und den Schülerinnen und Schülern vor Ort möglichst viele Schulab- schlüsse anbieten zu können, muss es eine Schule geben, die alle Bildungsangebote in sich vereint. Neben der demografischen Entwicklung ist der Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft auch in Nordrhein-Westfalen immer noch zu groß: Kinder aus „oberen sozialen Schichten“ haben bessere Chancen, ein Gymnasium zu besuchen oder einen besseren Schulabschluss zu machen als ein Arbeiterkind. Parallel dazu wünschen sich viele Eltern, dass der Bildungsweg ihrer Kinder länger offengehalten wird und ihre Kinder die Chance haben, das Abitur zu machen. Der Schulversuch „Längeres gemeinsames Lernen – Gemeinschaftsschule“ reagierte auf die beschriebenen Entwicklungen. Er bietet im Rahmen eines Modellvorhabens, das wissenschaftlich begleitet wird und auf sechs Jahre angelegt ist, die Einführung von Gemeinschaftsschulen zum Schuljahr 2011/2012 an. Der Schulversuch basierte zunächst auf § 25 des nordrhein-westfälischen Schulgesetzes. Das Ministerium muss die Schulversuche genehmigen und deren Inhalte, Ziele sowie die Durchführung und die Dauer festlegen. Für grundsätzliche und dauerhafte Veränderungen ist das Schulgesetz selbst entsprechend zu ändern. Inzwischen wurde der Schulversuch im 6. Schulrechtsänderungsgesetz (Artikel II) schulrechtlich verankert. In den Gemeinschaftsschulen lernen die Kinder in der fünften und sechsten Klasse weiterhin gemeinsam im Klassenverband. Ziel des Schulversuchs der Gemeinschaftsschulen ist es, zu erproben, wie durch das längere gemeinsame Lernen die Chancengerechtigkeit vergrößert werden kann und wie mehr Schülerinnen und Schüler zu besseren Abschlüssen geführt werden können. Gemeinschaftsschulen entstehen in der Regel durch die Zusammenführung bereits bestehender Schulformen. Mit der Gemeinschaftsschule soll es den Schulträgern ermöglicht werden, ein umfassendes, wohnortnahes Schulangebot zu erhalten. 1.2 Wesentliche Entwicklungsschritte auf Landesebene von September 2010 bis zum September 2011 Für die Gründung der Gemeinschaftsschulen in Nordrhein-Westfalen mussten auf Landesebene zunächst die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden. In den folgenden Abschnitten werden die wesentlichen Entwicklungsschritte auf dem Weg zur Errichtung der Gemeinschaftsschulen nachgezeichnet. Eine Über- 6 sicht über den Zeitplan bzw. die einzelnen Schritte zur Gründung von Gemeinschaftsschulen ist im Leitfaden im Anhang dieser Dokumentation zu finden (B, Anlage 1). Nach der Regierungsbildung im Sommer 2010 wurden die Bezirksregierungen und die kommunalen Spitzenverbände im September 2010 durch das Schulministerium über den Schulversuch „Gemeinschaftsschule“ informiert. Zeitgleich hat Schulministerin Sylvia Löhrmann auch die Eckpunkte zu dem Schulversuch gemäß § 25 Abs. 1 und 4 des nordrhein-westfälischen Schulgesetzes vorgelegt, die das nordrhein-westfälische Kabinett gebilligt hat. Erarbeitet wurden die Eckpunkte von den Regierungsfraktionen. Mit Schulmail vom 21. September 2010 wurden sie auch den Schulen des Landes bekannt gegeben. Die Eckpunkte, die im Anhang dieser Dokumentation (A) noch einmal im Wortlaut ausführlich dargestellt werden, enthalten unter anderem Angaben zur Zielsetzung, Zeitdauer und zur wissenschaftlichen Begleitung sowie Vorgaben zur Klassengröße, Lehrerarbeitszeit und Besoldungsstruktur und liefern Informationen zu den benötigten Antragsunterlagen. Neben diesen Eckpunkten ist interessierten Schulen und Schulträgern im Oktober 2010 vom Schulministerium ein Leitfaden zur Verfügung gestellt worden, der die Akteure unterstützte, die sich an dem Modellversuch mit längerem gemeinsamen Lernen beteiligen wollten. Der Leitfaden enthält umfassende Informationen zu dem pädagogischen Konzept und der Leitidee der „Gemeinschaftsschule“ sowie zu der regionalen Schulentwicklungsplanung. Darüber hinaus finden Interessierte dort Angaben zur Antragstellung und zu den einzureichenden Unterlagen. Im Anhang ist die letzte und aktualisierte Version des Leitfadens mit Stand vom 10. Dezember 2010 noch einmal im Wortlaut angefügt worden (B). 1.3 Methodische Vorgehensweise Die vorliegende Dokumentation beschäftigt sich ausschließlich mit den Gemeinschaftsschulen, die zum Schuljahr 2011/2012 ihre Arbeit aufgenommen haben. Die Gemeinschaftsschulen, die zwar genehmigt wurden, aber bei denen es nicht zur Gründung kam, sind hingegen nicht Gegenstand dieser Veröffentlichung. Um den Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschulen in Nordrhein-Westfalen dokumentieren zu können, wurden mit den verantwortlichen Akteuren vor Ort Leitfadeninterviews geführt. Pro Kommune wurde mit folgenden Akteuren gesprochen: (Ober-)Bürgermeisterin/(Ober-)Bürgermeister als Leiterin/Leiter der Verwaltung und als Vorsitzende/ Vorsitzender des Rates, Vorsitzende/Vorsitzender des Schulausschusses als politische Vertreterin/politischer Vertreter, Dezernentin/Dezernent des Referates 44 der Bezirksregierung als Vertreterin/Vertreter der Schulaufsicht und Schulleitung der Gemeinschaftsschule. Sofern diese Personen nicht als Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner zur Verfügung standen, wurde mit einer Vertreterin bzw. einem Vertreter gesprochen. Da die Schulleitung an einigen Gemeinschaftsschulen zwischenzeitlich gewechselt hat, wurden zum Teil mit deren Nachfolgerinnen und Nachfolgern oder aber mit Lehrkräften gesprochen, die stark in die Planungs- und Vorbereitungsphase der Gemeinschaftsschule eingebunden waren und deshalb zu dem Entstehungsprozess Auskunft geben konnten. Einige Kommunen haben hinsichtlich der Errichtung von Gemeinschaftsschulen externe Beratung im Bereich der Schulentwicklungsplanung in Anspruch genommen. In diesen Fällen wurden ebenfalls Interviews mit den Verantwortlichen der jeweiligen Planungsbüros geführt. Der Interviewleitfaden für die oben genannten Gesprächspartner basiert auf den folgenden Aspekten: Vorgeschichte zum Antrag, Prozess der politischen Willensbildung vor Ort, Kommunale Schulentwicklungsplanung, Regionale Abstimmungsprozesse und Verfahren der Konsensbildung, Prozess der Entwicklung des pädagogischen Konzeptes sowie Externe Begleitung und Unterstützung durch Schulaufsicht und/oder Planungsbüros/Beratungsagenturen. Die Interviewleitfäden für die verschiedenen Zielgruppen sind jeweils im Anhang (C) dieser Dokumentation aufgeführt. 7 2. Schulporträts Das folgende Kapitel enthält in alphabetischer Reihenfolge die Schulporträts der einzelnen Kommunen. Sie dokumentieren den Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschulen und wurden auf Grundlage der geführten Interviews und unter Hinzuziehung weiterer Dokumente, wie beispielsweise den Antragsunterlagen und den Genehmigungsbescheiden, verfasst. Die in den Schulporträts genannten Zahlen und Daten wurden von den Kommunen zur Verfügung gestellt. Den Schulporträts liegt der gleiche Aufbau zugrunde: Nach einer kurzen geografischen Einordnung, einigen Grunddaten und Angaben zu den Schülerzahlen, zur Ratszusammensetzung und der Auflistung der Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner sowie deren Funktion folgen Daten zum Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule in zeitlicher Reihenfolge. Anschließend werden – analog zu den im Gesprächsleitfaden enthaltenen Aspekten – Informationen zu den folgenden Bereichen gegeben: Vorgeschichte und kommunale Schulentwicklungsplanung, Prozess politischer Willensbildung vor Ort, Regionale Abstimmung und Verfahren der Konsensbildung und Prozess der Entwicklung des pädagogischen Konzepts. Die Unterstützung durch die Schulaufsicht und durch externe Beraterinnen und Berater fließt jeweils in die einzelnen Abschnitte mit ein und wird deswegen nicht gesondert erläutert. Im Anschluss an diese Textabschnitte folgt eine Tabelle, welche die Faktoren, die für den Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschulen relevant waren, noch einmal zusammenfasst. Nach den Porträts zu den zwölf Gemeinschaftsschulen folgt im Kapitel 3 ein Interview mit Alois Brinkkötter, dem Leiter der Fritz-Winter-Gesamtschule Ahlen, der verschiedene Kommunen pädagogisch beraten hat. Im 4. Kapitel gibt eine Gesamttabelle einen Überblick über die relevanten Faktoren. Die Tabelle verdeutlicht, wo es Übereinstimmungen und Unterschiede gegeben hat. Anschließend folgt eine Gesamtzusammenfassung (Kapitel 5). In Kapitel 6 wird anhand von ausgewählten Artikeln eine Übersicht über die Presseveröffentlichungen zur Gemeinschaftsschule gegeben. 8 2.1 Ascheberg Grunddaten: geografische Lage: Ascheberg liegt im Süden des Münsterlandes Gemeinde im Kreis Coesfeld mit den drei Ortsteilen Ascheberg, Herbern und Davensberg Einwohner: 15.000 Nachbarkommunen: Lüdinghausen, Nordkirchen und Senden (Kreis Coesfeld), Drensteinfurt (Kreis Warendorf), Werne (Kreis Unna), Hamm (kreisfreie Stadt), Münster (kreisfreie Stadt) Schülerzahlen und Schulangebot im Schuljahr 2010/2011: Insgesamt: 1.403 Schülerinnen und Schüler Primarstufe: zwei Grundschulen an drei Standorten: 676 Schülerinnen und Schüler Lambertusschule, Schulverbund Ascheberg-Davensberg, Standort Ascheberg: 361 Schülerinnen und Schüler Lambertusschule, Schulverbund Ascheberg-Davensberg, Standort Davensberg: 76 Schülerinnen und Schüler Marienschule Herbern: 239 Schülerinnen und Schüler Sekundarstufe: zwei weiterführende Schulen: 620 Schülerinnen und Schüler Theodor-Fontane-Schule (Hauptschule): 202 Schülerinnen und Schüler Realschule Ascheberg: 418 Schülerinnen und Schüler Ferner: Burg-Schule Davensberg, Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen: 107 Schülerinnen und Schüler Ratszusammensetzung (Stand: 22. Dezember 2010): – Bürgermeister Dr. Bert Risthaus (CDU) – Fraktion der CDU: 16 – Fraktion der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG): 8 – Fraktion der SPD: 5 – Fraktion der FDP: 3 Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner: – Dr. Bert Risthaus (CDU), Bürgermeister – Christian Ley (SPD), Vorsitzender des Schulausschusses – Christian Ladleif, Dezernent der Bezirksregierung Münster – Sylke Reimann-Perez, Schulleiterin Daten zum Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule: Ende 2006: Nach der Schulentwicklungsplanung bis zum Jahr 2016 Einrichtung einer pädagogischen Planungsgruppe zur Erstellung eines pädagogischen Konzepts Herbst 2007: Schulkonferenzen beschäftigen sich mit Errichtung einer neuen weiterführenden Schulform Frühjahr 2008: Vertreter werden in pädagogische Planungsgruppe einbezogen, regelmäßige Treffen April 2009: Fertigstellung des pädagogischen Konzepts mit dem Ziel des längeren gemeinsamen Lernens September 2009: Durchführung der Elternbefragung 6. Oktober 2009: Ratsbeschluss zur Errichtung einer Profilschule zum Schuljahr 2010/2011 13. November 2009: Erster Antrag zur Errichtung der Profilschule gestellt 5. Oktober 2010: erneuter Ratsbeschluss getroffen, sukzessives Auslaufen der Theodor-Fontane-Hauptschule und der Realschule Ascheberg 12. Oktober 2010: Erneuter Antrag zur Teilnahme am Schulversuch gestellt, vierzügige Profilschule an zwei Standorten (Ascheberg und Herbern) ohne eigene Oberstufe, Kooperation mit dem Joseph-Haydn-Gymnasium (Senden), dem Richard-von-Weizsäcker-Berufskolleg (Lüdinghausen) und der Johann-Conrad-Schlaun Gesamtschule (Nordkirchen) 17. November 2010: Genehmigung zur Teilnahme am Schulversuch; die „Profilschule Ascheberg, Gemeinschaftsschule der Sekundarstufe I“ startete zum Schuljahr 2011/2012 mit 125 Schülerinnen und Schülern (Klasse 5 bis 8 werden in Ascheberg und 9 und 10 in Ascheberg-Herbern unterrichtet) 9 Vorgeschichte und kommunale Schulentwicklungsplanung: Die überwiegend ländlich strukturierte Gemeinde Ascheberg liegt im Süden des Münsterlandes im Kreis Coesfeld, der vom prognostizierten Schülerrückgang von 16 bis 20 Prozent (laut IT.NRW, dem statistischen Dienst des Landes) bis zum Jahr 2016 besonders stark betroffen ist. Die stetig sinkende Schülerzahl führte dazu, dass es sowohl für die Theodor-Fontane-Hauptschule als auch für die Realschule Ascheberg immer weniger Bedarf gab, was es der Gemeinde erschwerte, ein vielfältiges weiterführendes Schulangebot vor Ort zu erhalten. „Die Schulentwicklungsplanung bis 2016 war Grundlage unseres Handelns und zeigte uns bereits 2006 die Problematik auf“, sagt Bürgermeister Dr. Bert Risthaus. Besuchten im Schuljahr 2007/2008 noch 259 Kinder und Jugendliche die Hauptschule, waren es im Schuljahr 2010/2011 nur noch 202. Lag die Zahl der Realschülerinnen und Realschüler im Schuljahr 2007/2008 bei 491, waren es drei Jahre später nur noch 418. Laut den Antragsunterlagen zur Errichtung der Profilschule vom Herbst 2010 war die Hauptschule im Ortsteil Herbern in ihrem Bestand gefährdet. Auch die Realschule sei – anders als zunächst erwartet – nicht lang-, sondern bereits mittelfristig in Existenzgefahr, heißt es dort weiter. Christian Ley, Vorsitzender des Schulausschusses, stellt fest: „2006 haben wir gerechnet und gemerkt, dass es mit der Zügigkeit der Schulen knapp werden könnte.“ Laut dem Antrag drohte Ascheberg ohne Einrichtung der Profilschule „der Verlust des gesamten weiterführenden Schulangebots vor Ort“. Neben den sinkenden Schülerzahlen gibt es Bürgermeister Dr. Risthaus zufolge schon seit mehreren Jahren einen deutlichen Trend zu Gymnasien und Gesamtschulen in anderen Gemeinden. „Die Eltern wollen für ihre Kinder mehr und mehr gymnasiale Standards“, erklärt er. Während im Jahr 2000 noch 60 Prozent der Kinder in Ascheberg zu weiterführenden Schulen gingen, waren es zehn Jahre später nur noch 40 Prozent. Die verbleibenden Kinder pendelten zu weiterführenden Schulen in die Nachbargemeinden. Dr. Risthaus resümiert: „Wir haben weniger Kinder, und die, die wir haben, laufen uns davon. Das Schulangebot in Ascheberg war auf Dauer nicht ausreichend.“ Nicht zuletzt sei man in Ascheberg auch aufgrund von wirtschaftlichen Aspekten daran interessiert gewesen, die weiterführenden Schulen – und damit auch die Menschen und Käufer – vor Ort zu halten, wie Dezernent Christian Ladleif von der Bezirksregierung Münster erläutert. Folglich wurde in Ascheberg schon 2006 über eine perspektivische Lösung für den Schulstandort diskutiert, nach dem Motto „Not macht erfinderisch“, wie Bürgermeister Dr. Risthaus es nennt. Im Auftrag der Gemeinde erstellte Dr. Ernst Rösner, Wissenschaftler vom Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) an der TU Dortmund, einen Schulentwicklungsplan und gab Empfehlungen, wie der Schulstandort Ascheberg zukünftig aussehen könnte. „Dabei ging es nicht nur um die nackten Zahlen – das hätten wir noch allein hinbekommen –, sondern um die Ausarbeitung von Szenarien und darum, etwas grundsätzlich neu zu denken. Denn mit den bisherigen Möglichkeiten wären wir nicht weitergekommen“, sagt Dr. Risthaus. Gemeinsam mit weiteren pädagogischen Experten, wie Schulleitungen und Lehrkräften, aber auch Vertretern von Lehrerverbänden, wurde Dr. Rösner beauftragt, das Konzept für eine neue Schule zu entwickeln, so Schulausschussvorsitzender Ley. Dies war ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu der Errichtung der Profilschule, der sich auch positiv auf die politischen Entscheidungsträger auswirkte. Prozess politischer Willensbildung vor Ort: In Ascheberg waren sich die Fraktionen schon sehr früh einig und sprachen sich für das Vorhaben aus. Hier hat sich zum einen das Gutachten von Wissenschaftler Dr. Rösner positiv ausgewirkt, und zum anderen ist der Prozess der Entwicklung eines neuen Schulangebotes auch durch die CDU-Ratsfraktion vorangetrieben worden, die einen „Runden Tisch“ errichtete. Mit dem Konzept sei man erst an die Öffentlichkeit gegangen, als sich die Mitglieder des Schulausschusses einig waren. „In der Gemeinde gab es einen großen Konsens“, bestätigt Christian Ladleif von der Bezirksregierung Münster. „Anfangs war die Beschlussfassung bei der CDU schwierig“, schränkt Ley ein. Aber das von der Expertengruppe erarbeitete Konzept, welches das längere gemeinsame Lernen beinhaltet, sei so gut gewesen, dass es alle überzeugt habe. „Seit 2008 wurden alle Beschlüsse einstimmig gefasst“, so Ley. Er sei selbst erstaunt gewesen, wie gut alles geklappt habe. „Der Vorteil war, dass die Expertengruppe breit aufgestellt war und es keinen Angriffspunkt gegeben hat, wo man hätte einhaken können“, erklärt er. Bürgermeister Dr. Risthaus bestätigt, dass es bei der politischen Willensbildung vor Ort „keine Schwierigkeiten“ gegeben habe. Auf der einen Seite sei das Konzept sehr überzeugend gewesen, auf der anderen Seite habe es wegen der demografischen Einbrüche und der abwandernden Schülerinnen und Schüler einen hohen Handlungsdruck gegeben. Die Stimmung in den Gremien sei „hoffungsvoll und positiv“ gewesen, und daran hätte auch eine anfängliche Unstimmigkeit mit einer Nachbarkommune nichts geändert. Das bestätigt auch der schulfachliche Dezernent Ladleif: „Am Tag der offenen Tür der Profilschule war der ganze Schulausschuss beteiligt. Das zeigt, wie wichtig der Gemeinde das Gelingen der Schule war.“ 10 Die Zusammenlegung der Haupt- und Realschule zu einer Verbundschule wurde zwar überlegt, aber schließlich fraktionsübergreifend abgelehnt. „Wir wollten einen Neuaufschlag“, bestätigt Bürgermeister Dr. Risthaus. Die Errichtung einer Gemeinschaftsschule mit einer eigenen Oberstufe kam ebenfalls nicht infrage, weil es nach Aussage von Bürgermeister Dr. Risthaus dafür zu wenig Kinder und Gebäude gibt. Außerdem hätten die Nachbargemeinden gut funktionierende weiterführende Schulen, sodass klar gewesen sei, dass es in Ascheberg keine Oberstufe geben sollte, bestätigt der Schulausschussvorsitzende Ley. Folglich sprach sich der Rat der Gemeinde Ascheberg bereits am 6. Oktober 2009 – und damit rund ein Jahr früher als die anderen Kommunen in Nordrhein-Westfalen – für die Errichtung einer Profilschule aus und stellte am 13. November 2009 den entsprechenden Antrag beim Schulministerium. Im Januar 2010 reisten Vertreter der Kommune nach Düsseldorf, bekamen aber von dort das Signal, dass es „keine Chance“ gebe, eine Profilschule zu errichten, wie Schulausschussvorsitzender Ley berichtet. Das Ministerium unter der damaligen Landesregierung hätte für eine Verbundschule plädiert, wogegen sich Ascheberg aber fraktionsübergreifend aussprach. Dezernent Ladleif: „Die Ascheberger haben nur darauf gewartet, dass nach der Wahl grünes Licht aus Düsseldorf kommt.“ Sie wiederholten ihren ersten Antrag vom November 2009 in einer zweiten Fassung am 12. Oktober 2010 und baten um die Genehmigung, eine Profilschule errichten zu dürfen. Regionale Abstimmungsprozesse und Verfahren der Konsensbildung: Im Zuge der detaillierten Ausarbeitung eines Konzepts für eine zukunftsfähige Schule in Ascheberg wurden auch die Kollegien der beteiligten Schulen über das Vorhaben informiert. Die Schulkonferenz der Theodor-Fontane-Hauptschule sprach sich bereits am 16. Oktober 2007 einstimmig für das von der Expertengruppe vorgestellte Schulentwicklungsmodell der Gemeinschaftsschule aus. Am 30. September 2010 – kurz vor dem erneuten Antrag der Stadt – wurde der Errichtung der Profilschule seitens der Schulkonferenz einstimmig zugestimmt. „Das Kollegium hat die Bestandsgefährdung gesehen und fand jedes System besser als das, was bis dahin da war“, sagt Sylke Reimann-Perez, frühere Leiterin der Hauptschule und derzeitige Leiterin der Profilschule. Die Lehrkräfte seien etwas skeptisch gewesen, ob sie die neue Lehrerrolle mit dem Fokus auf dem selbstgesteuerten Lernen erfüllen können und baten um Fortbildungen. Insgesamt aber sei die Hauptschule dem Vorhaben gegenüber „sehr positiv gestimmt“, bestätigt auch Bürgermeister Dr. Risthaus. Bei der Realschule sah das anders aus: Dort stand die Frage im Raum, warum eine gut funktionierende Realschule aufgegeben werden sollte. Das zeigte sich bereits in der Abstimmung in der Schulkonferenz vom 11. September 2007. Dort sprachen sich nur zwei Mitglieder für die Profilschule aus, darüber hinaus gab es drei Neinstimmen sowie sieben Enthaltungen. Auf Wunsch der Eltern wurde über einen weiteren Antrag abgestimmt, die neue Schulform ohne gemeinsamen Unterricht einzuführen. Dieser Antrag wurde mit neun Ja- zu drei Neinstimmen mehrheitlich befürwortet. In einem Protokoll der Schulkonferenz, kurz vor dem zweiten Antrag im Herbst 2010, bedauern Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte „die mit der Neugründung der Profilschule verbundene Auflösung der Realschule Ascheberg, weil damit eine langjährige erfolgreiche Realschularbeit beendet wird“. Darüber hinaus hoffen und bitten die Beteiligten, dass das „bisher gewohnt hohe Niveau der Ausbildung bis zum Auslaufen der Realschule Ascheberg bedingungslos zur Verfügung gestellt wird“. Dr. Risthaus erklärt: „In der Realschule konnte man sich zwar die gymnasialen Standards vorstellen, aber das Kollegium wollte eine Verbundlösung mit drei Zweigen. Deswegen blieb dort eine Restenttäuschung, die die Gemeinde mangels ausreichender Kinderzahl nicht auffangen konnte. Solche Be lange müssen dann zurückstehen“, sagt der Bürgermeister. Neben den Lehrkräften wurden auch die Ascheberger Eltern frühzeitig in den Entstehungsprozess eingebunden und in verschiedenen Veranstaltungen über das Vorhaben informiert. „Wir haben extrem starke Öffentlichkeitsarbeit geleistet, bei Schulpflegschaften, Kollegien und Eltern“, sagt Dr. Risthaus und ergänzt: „Ohne die hätte es nicht funktioniert.“ Schulleiterin Reimann-Perez zufolge gab es bei den Eltern auch Vorbehalte, weil sie die Neuerungen nicht kannten, die ein auf Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit ausgerichteter Unterricht mit sich bringt. An den Elternabenden musste deshalb diese Form der Unterrichtgestaltung vielfach erklärt werden. Wie erfolgreich und überzeugend die Informationsveranstaltungen verliefen, zeigt dann die Elternbefragung mit einer Rücklaufquote von 98 Prozent, von denen mehr als 75 Prozent die Errichtung einer Gemeinschaftsschule befürworten. „Bei den Eltern herrschte eine unfassbar gute Stimmung“, sagt Christian Ley, Vorsitzender des Schulausschusses. Dennoch räumt er ein: „Ohne so ein eindeutiges Votum der Eltern hätte es schwer werden können. Versucht man so etwas gegen den Willen der Eltern durchzusetzen, geht so ein Projekt baden.“ Die Bezirksregierung Münster war nicht nur an den verschiedenen Informationsveranstaltungen beteiligt und stand den Beteiligten bei Fragen Rede und Antwort, sondern kümmerte sich auch darum, „der Schule frühzeitig ein Gesicht zu geben“, wie Dezernent Ladleif berichtet. „Sobald die Entscheidung vom Rat getroffen worden ist, 11 ist eine wichtige Gelingensbedingung, dass es einen Ansprechpartner gibt, der Öffentlichkeitsarbeit betreibt.“ Es sei wichtig, so der Schulfachmann, dass dies keine neutrale Person wie zum Beispiel ein Schulaufsichtsbeamter sei, sondern eine Person, die die Schule leitet und der die Eltern ihre Kinder anvertrauen. „Die Beziehungsebene ist ausschlaggebend“, sagt er. Ebenso frühzeitig standen auch die Kollegien der neuen Gemeinschaftsschule fest, die sich regelmäßig trafen, um am pädagogischen Konzept zu feilen und es mit Leben zu füllen. Gemäß dem Antrag für die Gemeinschaftsschule informierte Ascheberg auch die von der Schulerrichtung betroffenen Nachbarkommunen Lüdinghausen, Nordkirchen, Werne und Senden – Kommunen, die in der Vergangenheit in einem wesentlichen Ausmaß Ascheberger Schülerinnen und Schüler aufgenommen haben – über ihr Vorhaben. Den Antragsunterlagen zufolge wurden die Nachbarkommunen bereits vor dem ersten Antrag im Herbst 2009 und dann noch mal im September 2010 über den Schulversuch informiert und um Stellungnahme gebeten. In den Unterlagen heißt es dazu, „dass die Gemeinde Ascheberg aufgrund der vorliegenden Daten davon ausgeht, dass die Errichtung der Profilschule die jeweiligen weiterführenden Schulen existenziell nicht gefährden wird“. Weiter heißt es, dass seitens der Nachbargemeinden keine Stellungnahmen eingegangen seien, „aus denen eine Existenzgefährdung benachbarter weiterführender Schulen abgeleitet werden kann“. Das sah die Stadt Lüdinghausen allerdings anders: Sie gab unter anderem an, dass sich die Errichtung der Profilschule Ascheberg „erheblich“ auf ihre Hauptschule auswirken würde und diese in ihrem Bestand gefährdet werden würde. Das von der Stadt Lüdinghausen in Auftrag gegebene Gutachten des Planungsbüros „Projektgruppe Bildung und Region“ (Biregio) kam schließlich zu dem Ergebnis, dass sich die Profilschule Ascheberg negativ auf die Schullandschaft in Lüdinghausen auswirkt und der Weiterbestand der Hauptschule in diesem Fall als „akut gefährdet“ anzusehen sei. Auf dieser Grundlage stimmte Lüdinghausen der Errichtung einer Profilschule in Ascheberg nicht zu. „Aber das Gutachten war nicht haltbar“, urteilt Bürgermeister Dr. Risthaus. Das habe auch die Bezirksregierung deutlich gemacht. Christian Ladleif bestätigt: „Wir haben die Zahlen geprüft und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Schulen in Lüdinghausen nicht in Gefahr waren.“ Darüber hinaus habe Lüdinghausen auch nicht zwingend das Recht auf zwei Gymnasien, ergänzt Schulausschussvorsitzender Ley. Dennoch unterzeichnete der Bürgermeister der Stadt Lüdinghausen gemeinsam mit den Bürgermeistern der Kommunen Ahlen, Beckum, Borken, Coesfeld, Greven, Ochtrup, Oelde, Steinfurt und Warendorf ein Positionspapier. Darin argumentierten sie, dass die Gymnasien zu viele Schülerinnen und Schüler verlören und die Nachbarkommunen rechtzeitig in den Prozess eingebunden werden müssten. „Wir haben uns auf diese Diskussionen nicht eingelassen, weil sie keine ernsthaften sachlichen Argumente hatten“, sagt Dr. Risthaus. „Wir haben den Vorwürfen andere positive Nachrichten entgegengesetzt.“ Natürlich habe die Gefahr bestanden, dass die Stimmung bezüglich der Profilschule in Ascheberg kippt und man habe schon „schwitzige Hände bekommen“, sagt der Bürgermeister. Dennoch habe diese Aktion zu keinen „Irritationen“ in Ascheberg geführt, wie Schulausschussvorsitzender Ley berichtet, alle Beschlüsse zur Profilschule seien klar und einstimmig gefasst worden. „Im Nachhinein hat es die Sache nur spannender gemacht“, sieht Bürgermeister Dr. Risthaus das Ganze inzwischen eher gelassen. Obwohl das Verhältnis zu der Stadtspitze in Lüdinghausen nicht ganz einfach war, gibt es nun eine Kooperation mit dem Berufskolleg in Lüdinghausen, auf das die Schülerinnen und Schüler nach der Profilschule gehen können. Solche Kooperationen gibt es auch mit der Gesamtschule der Gemeinde Nordkirchen, auch wenn diese das Modellvorhaben zunächst distanziert betrachtete. Dezernent Ladleif zufolge sei die Profilschule mit ihrem Angebot für die Gesamtschule in Nordkirchen durchaus eine Konkurrenz. Allerdings beriet die Schulaufsicht sowohl Ascheberg als auch Nordkirchen und versuchte Synergieeffekte zu nutzen. Schließlich gelang es sogar, eine Kooperation mit der gymnasialen Oberstufe in Nordkirchen zu vereinbaren. Prozess der Entwicklung des pädagogischen Konzepts: Das pädagogische Konzept der Profilschule wurde nach der Gründung der Expertengruppe Ende 2006 entwickelt und nach Rücksprache mit den Beteiligten schrittweise ausformuliert. „Die Konzeptgruppe hat sich verschiedene Schulen angeschaut und geguckt, was guten Unterricht ausmacht“, so Schulleiterin Reimann-Perez. Das pädagogische Konzept sei eine Mischung verschiedener Schulen, wobei der Schwerpunkt auf dem Projektunterricht und dem selbstständigen Lernen liege. Dafür habe man sich die Laborschule Bielefeld, die Reformschule in Kassel-Waldau, die Hamburger Max-Brauer-Schule und die Helene-Lange-Schule in Wiesbaden angeschaut. Mit Letzterer gibt es auch eine enge Kooperation, und die ehemalige Leiterin kommt regelmäßig zur Beratung nach Ascheberg. Bei der Konzepterstellung sei viel über den Punkt „Leistungsbewertung“ diskutiert worden, sagt Reimann-Perez. „Dass wir auf dem richtigen Weg sind, bestätigen uns die Rückmeldungen der vielen Hospitanten und Kollegen unserer Schule.“ 12 Darüber hinaus profitierte Ascheberg vom Patenmodell der Bezirksregierung Münster: Erfahrene Schulpraktiker, die bereits reformpädagogisch arbeiten, unterstützen Schulen, die sich gerade auf den Weg machen. Pate der Gemeinschaftsschule Ascheberg ist die Gesamtschule Ahlen. Zum Tag der offenen Tür kamen auch Schülerinnen und Schüler, die den Eltern zeigten, wie die Methoden der Profilschule, mit denen in Ahlen schon erfolgreich gearbeitet wird, in der Praxis aussehen. Die Paten erfüllen laut Ladleif verschiedene Funktionen: Erfahrene Schulleiterinnen und Schulleiter unterstützen beispielsweise in organisatorischen Fragestellungen, Fachvertreter kommen zu Fortbildungen hinzu, um einen fachspezifischen Austausch zu gewährleisten, der in den anfangs noch kleinen Kollegien der Gemeinschaftsschulen kaum möglich ist. Ladleif resümiert: „Die Paten haben sich als sehr nützlich und hilfreich herausgestellt.“ Schulleiterin Reimann-Perez ist mit der Unterstützung durch die Schulaufsicht sehr zufrieden: Der Dezernent sei immer gut erreichbar, habe gut beraten, und auch die erforderlichen Fortbildungstage habe man bekommen. Am 17. November 2010 bekam die Gemeinde Ascheberg als erste Kommune in Nordrhein-Westfalen die Genehmigung, eine Gemeinschaftsschule errichten zu dürfen. Am 7. September 2011 wurden die ersten 125 Schülerinnen und Schüler an der Profilschule begrüßt. Parallel dazu nehmen die Realschule und die Hauptschule keine neuen Kinder mehr auf und laufen sukzessive aus. Insgesamt betonen alle Gesprächspartner, dass ein breiter Konsens für die Umsetzung der Gemeinschaftsschule wichtig sei. „Wenn alle mitmachen, dann kann es klappen“, fasst Schulausschussvorsitzender Ley zusammen. Das gilt nicht nur für die Politik, sondern auch für die Eltern, die Lehrkräfte und die Verwaltung. Auch die Unterstützung durch externe pädagogische Experten hat sich als vorteilhaft erwiesen. Ley: „In einem solchen Projekt muss man Experten zu Wort kommen lassen, die sich mit der Materie auskennen.“ Dass das Implementieren einer neuen Schule durchaus mühsam und kein Selbstläufer sei, räumt Bürgermeister Dr. Risthaus ein. „Aber es bietet auch die Chance, etwas Neues umzusetzen.“ Und das sei in Ascheberg geschehen. „Ascheberg hat mit seiner Profilschule Ascheberg einen landesweiten Veränderungsprozess angestoßen“, sagt Dr. Risthaus. An deren Ende stehe die Erarbeitung des Schulfriedens. Besonders stolz ist er, dass die parteiübergreifend ausgehandelte Lösung den Aufbau einer verlässlichen, nachhaltigen Lernstruktur ermögliche, dass sie von Kommunen und Eltern mitgetragen und auch den Herausforderungen des demografischen Wandels gerecht werde. In der folgenden Tabelle sind die für den Entstehungsprozess der Profilschule in Ascheberg relevanten Faktoren noch einmal zusammengefasst: Elternumfrage Mehr als 75 Prozent Zustimmung Votum der Schulkonferenz der Hauptschule Ja, einstimmig Votum der Schulkonferenz der Realschule Enthaltung, mehrheitlich; Empfehlung: Einführung einer Allgemeinen Sekundarschule ohne gemeinsamen Unterricht Externe pädagogische Experten Ja Externe Experten für Schulentwicklungsplanung Ja Auspendlerquote, bezogen auf den fünften Jahrgang im Schuljahr 2010/2011 Rund 64 Prozent Prognostizierte Veränderungen der Schülerzahlen des fünften Jahrgangs nach der Schulentwicklungsplanung vom Schuljahr 2010/2011 bis 2015/2016 Rückgang um rund 15 Prozent Raumangebot Musste erweitert werden Konsens mit Nachbarkommunen Nach Abstimmungsprozessen erzielt Beteiligte Schulformen Hauptschule und Realschule Gemeinschaftsschule als letzte öffentliche weiterführende Schule vor Ort Ja 13 2.2 Billerbeck Grunddaten: geografische Lage: Billerbeck liegt im westlichen Münsterland kreisangehörige Gemeinde im Kreis Coesfeld Einwohner: knapp 11.700 Nachbarkommunen: Rosendahl, Laer (Kreis Steinfurt), Altenberge (Kreis Steinfurt), Havixbeck, Nottuln und Coesfeld Schülerzahlen und Schulangebot im Schuljahr 2010/2011: Daten zum Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule: Insgesamt: 1.188 Schülerinnen und Schüler 23. März 2009: Planungsgespräche zum Schulstandort Billerbeck in der Bezirksregierung Münster 16. November 2009: Gründung der pädagogischen Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines richtungsweisenden Schulentwicklungsvorhabens für Billerbeck Februar 2010 bis Juni 2010: Schrittweise Entwicklung des Konzepts August 2010: Erste Gespräche zur Teilnahme am Schulversuch im Ministerium für Schule und Weiterbildung 5. Oktober 2010: Ratsbeschluss zur Errichtung der Gemeinschaftsschule gestellt und sukzessive Schließung der Don-Bosco-Hauptschule und der Geschwister-Eichenwald-Realschule 11. Oktober 2010: Antrag auf Teilnahme am Schulversuch zur Errichtung einer inklusiv arbeitenden vierzügigen Gemeinschaftsschule ohne eigene Oberstufe, in Kooperation mit dem Gymnasium Nottuln, dem Städtischen Gymnasium Nepomucenum und dem Städtischen Heriburg-Gymnasium (beide Coesfeld) an einem Standort, dem Schulzentrum „An der Kolvenburg“ Januar 2011: Genehmigung; die „Gemeinschaftsschule der Sekundarstufe I Billerbeck“ startete zum Schuljahr 2011/2012 mit 94 Schülerinnen und Schülern Primarstufe: eine Grundschule Ludgerischule Billerbeck: 510 Schülerinnen und Schüler Sekundarstufe: zwei weiterführende Schulen in einem Schulzentrum: 678 Schülerinnen und Schüler Don-Bosco-Hauptschule Billerbeck: 236 Schülerinnen und Schüler Geschwister-Eichenwald-Realschule Billerbeck: 442 Schülerinnen und Schüler Ratszusammensetzung (Stand: 22. Dezember 2010): – Bürgermeisterin Marion Dirks (parteilos) – Fraktion der CDU: 12 – Fraktion der SPD: 7 – Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen: 4 – Fraktion der FDP: 2 Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner: – Marion Dirks, Bürgermeisterin (parteilos), (schriftliches Interview) – Maggie Rawe (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzende des Schulausschusses – Christian Ladleif, Dezernent der Bezirksregierung Münster – Barbara van der Wielen, Schulleiterin Vorgeschichte und kommunale Schulentwicklungsplanung: Die überwiegend ländlich strukturierte Gemeinde Billerbeck liegt im Kreis Coesfeld, der vom prognostizierten Schülerrückgang von 16 bis 20 Prozent (IT.NRW) bis zum Jahr 2016 besonders stark betroffen ist. Vor allem die Don-Bosco-Hauptschule verzeichnete stark rückläufige Schülerzahlen. Sie wurde im Schuljahr 2010/2011 von 236 Schülerinnen und Schülern besucht und nur noch 14 mit zwei Klassen pro Jahrgang geführt. „Zum Schuljahr 2012/2013 hätte die Hauptschule die Zweizügigkeit nicht mehr erreicht“, sagt Barbara van der Wielen, frühere Leiterin der Realschule und derzeitige Leiterin der Gemeinschaftsschule Billerbeck. Aber nicht nur die Haupt-, sondern auch die Realschule hatte unter zurückgehenden Schülerzahlen zu leiden. Die Geschwister-Eichenwald-Realschule besuchten im Schuljahr 2010/2011 442 Schülerinnen und Schüler. Damit war sie noch zweieinhalbzügig. „Die kommunale Schulentwicklungsplanung war schließlich der ausschlaggebende Grund, einen Antrag für die Errichtung einer Gemeinschaftsschule zu stellen, da dauerhaft der Bestand mindestens einer der beiden weiterführenden Schulen gefährdet schien“, erklärt Bürgermeisterin Marion Dirks. Neben den stark rückläufigen Schülerzahlen pendeln kontinuierlich Kinder aus Billerbeck zu weiterführenden Schulen in Nachbarkommunen nach Coesfeld, Havixbeck und Münster. „Früher wählten etwa 30 Prozent gymnasiale Formen, heute sind es schon 40 Prozent oder mehr“, sagte Maggie Rawe, Vorsitzende des Schulausschusses. „Wir hatten auf der einen Seite weniger Schüler, und auf der anderen Seite wurden höhere Qualifikationen gewünscht. Uns allen war klar: Wenn wir jetzt nichts machen, müssen wir irgendwann die Schulen schließen“, erzählt sie. Deshalb wurde in Billerbeck schon früh über die Zukunft des Schulstandortes diskutiert. Im März 2009 fanden erste Beratungsgespräche mit der Bezirksregierung Münster statt und im November 2009 wurde formell beschlossen, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die ein pädagogisches Konzept für eine „Schule für alle“ und ein richtungsweisendes Schulentwicklungsvorhaben erarbeiten sollte. In der Gruppe waren neben Professor Bernd Zymek (Universität Münster) auch Lehrkräfte der Billerbecker Schulen sowie Schulentwicklungsbegleiter aus Ahlen, Enger und Vreden, die die Bezirksregierung empfohlen hatte. Die Gruppe erarbeitete bereits im Februar 2010 Eckpunkte und anschließend konkrete Bausteine eines Schulkonzepts. „Wir waren schon bei der Landtagswahl 2010 mit allem fertig und wären auch bei einer anderen Regierung an das Ministerium herangetreten, um einen Antrag zu stellen“, sagt Rawe und ergänzt selbstbewusst: „Wer hätte einen Antrag stellen sollen, wenn nicht wir? Wir hatten eine Mensa, sanierte und behindertengerechte Räume und das Konzept stand schon frühzeitig.“ Folglich kam der Schulversuch „Längeres gemeinsames Lernen – Gemeinschaftsschule“ genau zum richtigen Zeitpunkt und Billerbeck stellte – nach Ascheberg – als zweite Schule den Antrag. im Rat ein entsprechender Beschluss gefasst werden. „Bis auf die FDP-Fraktion standen alle hundertprozentig hinter dem Projekt“, erzählt Rawe. Gerade in kleineren Orten brauche man die Mehrheit. „Die FDP hat sich von Anfang an anders positioniert und konnte leider nicht mehr mitgenommen werden“, erzählt sie. Das sagt auch Bürgermeisterin Dirks: „Es gab zwar auch kritische Stimmen und Ängste, leider brach die FDP kurzzeitig aus dem Konsens aus und schlug andere Modelle vor, aber durch direkte Kommunikation und jederzeitige Verfügbarkeit der Ansprechpartner gelang das Projekt.“ Bevor der Entschluss, einen Antrag zu stellen, öffentlich gefasst wurde, ist zunächst hinter verschlossenen Türen „viel gestritten und schwer diskutiert“ worden, so Rawe, beispielsweise über das längere gemeinsame Lernen und den Ganztag. Bürgermeisterin Dirks zufolge war die Interessenlage in den Gremien durchaus unterschiedlich: Während es den konservativen Vertretern zunächst ausschließlich um die Sicherung des Schulstandortes ging und sie sich „neuen pädagogischen Konzepten schwer nähern konnten“, befürworteten andere von Anfang an den gemeinsamen Unterricht. „Es war ein längerer Weg, sich inhaltlich hinsichtlich des pädagogischen Konzepts anzunähern.“ Über offene und strittige Punkte diskutierten Fachleute der Arbeitsgruppe, Politiker, Lehrkräfte und Eltern gemeinsam. Kritikern wurde laut Dirks aufgezeigt, dass der Schulstandort aufgrund der Zahlen ohnehin so nicht bestehen bleiben könnte und neue pädagogische Konzepte erforderlich seien, um den hohen Anforderungen an die individuelle Förderung zu genügen. Dirks: „Die hohe Rücklaufquote von den Gymnasien, die geringe Durchlässigkeit des Systems von unten nach oben, die Einbeziehung von Schulsozialarbeit und die Ganztagsbetreuung waren weitere Argumente.“ Trotz aller Diskussionen sagt Rawe: „Wir haben aber geschlossen einen Weg gefunden und nicht für verschiedene Modelle gekämpft. Wir wollten mit einem einheitlichen Konzept an die Öffentlichkeit, um sie nicht zu verunsichern.“ Die Zusammenlegung der Haupt- und Realschule zu einer Verbundschule sei zwar kurz überlegt, schließlich aber abgelehnt worden. „Die Verbundschule macht keinen Sinn“, sagt Schulleiterin van der Wielen. „Wir brauchen eine Schule, die die gymnasialen Standards sichert und eine Alternative zu den G8-Schulen bietet.“ Die Errichtung einer Schule mit einer eigenen Oberstufe kam ebenfalls nicht infrage. „Das war aufgrund der Schülerzahlen unrealistisch“, sagt van der Wielen und ergänzt: „Coesfeld hätte das nie zugelassen“. Laut Rawe wäre das auch „aus pädagogischer Sicht nicht verantwortbar gewesen“, da es keine ausreichende Auswahl bei den Oberstufenkursen gegeben hätte. Prozess politischer Willensbildung vor Ort: Um den Antrag für die Errichtung einer Gemeinschaftsschule stellen zu können, musste im Schulausschuss und Die entscheidende Ratssitzung zur Gemeinschaftsschule fand am 5. Oktober 2010 statt. Bis auf die FDP trugen alle Fraktionen die Entscheidung einstimmig mit. 15 Regionale Abstimmungsprozesse und Verfahren der Konsensbildung: Die konkreten Planungen für die Gemeinschaftsschule begannen Ende August 2010 mit Gesprächen im Schulministerium und der Information der Kollegien von Haupt- und Realschule. „Die Reaktionen der Kollegien waren durchaus divergierend“, erzählt Schulleiterin van der Wielen. Einige hätten den Weg gut gefunden und wollten an der Schule arbeiten, andere konnten sich so eine integrierte Schulform nicht vorstellen. In der Sitzung der Schulkonferenz im November 2010 hat es an der Hauptschule keine Gegenstimmen und an der Realschule nur eine Gegenstimme gegeben. „Jedem ist klar gewesen, dass es keine andere Möglichkeit gibt“, sagt van der Wielen. Christian Ladleif, schulfachlicher Dezernent der Bezirksregierung Münster, ist überzeugt, dass vor allem die damalige Realschulleiterin van der Wielen positiven Einfluss auf den Willensbildungsprozess vor Ort genommen hat. „Sie war der Motor“, so Ladleif, und dies sei vor allem bei der Unterstützung des Realschulkollegiums für die Gemeinschaftsschule sehr hilfreich gewesen. Bei den Informationsveranstaltungen für die Kollegien sei die Bezirksregierung präsent gewesen und habe die personalrechtliche Situation und die Perspektiven für die Lehrkräfte erläutert. „In Billerbeck hat es diesbezüglich keine Probleme gegeben“, so Ladleif. Neben den Lehrkräften wurden auch die Eltern frühzeitig in den Entstehungsprozess eingebunden und in insgesamt vier Veranstaltungen über das Vorhaben und die anstehende Elternbefragung informiert. „Das habe ich als Bürgermeisterin persönlich vorgenommen“, erzählt Dirks. „Bei den Eltern war die Stimmung unterschiedlich“, sagt van der Wielen. Einige fanden die Ideen gut, anderen gingen sie nicht weit genug, und sie hätten sich eine Gesamtschule mit eigener Oberstufe gewünscht. In Billerbeck wurden die Eltern aller Grundschülerinnen und Grundschüler befragt. Dabei galt die Devise: Je mehr Eltern man beteiligt, desto besser gelingt der Umbauprozess. „Wir wollten eine große Mehrheit haben und die Diskussion in einen breiten Raum tragen“, erklärt Schulausschussvorsitzende Rawe. An der Elternbefragung beteiligten sich rund 90 Prozent. Mehr als 75 Prozent der Eltern gaben an, dass sie ihr Kind „sicher“ oder „vermutlich“ an der Gemeinschaftsschule anmelden würden. Von den Eltern der Dritt- und Viertklässlerinnen und -klässler der Grundschule stimmten 76 Prozent entsprechend ab. Bürgermeisterin Dirks betont, dass der Zeitpunkt, mit dem Vorhaben der Gemeinschaftsschule an die Öffentlichkeit zu gehen, gut ausgesucht werden muss. „Die gesamte Öffentlichkeit muss früh genug mitgenommen werden, allerdings auch nicht zu früh. Es sollten nach unseren Erfahrungen bereits Eckpunkte vorhanden sein, über die überhaupt gesprochen werden kann.“ Außerdem habe man Wert darauf gelegt, Begriffe wie „Gemeinschaftsschule“ zu vermeiden, um mögliche ideologische Vorbehalte zu vermeiden, und stattdessen von einer „Schule für alle“ gesprochen. Gemäß dem Antrag für die Errichtung einer Gemeinschaftsschule informierte Billerbeck auch die Nachbarkommunen Altenberge, Laer, Havixbeck, Legden/Rosendahl, Nottuln und Coesfeld über das Vorhaben. Laer nahm das Vorhaben ohne Stellungnahme zur Kenntnis, Altenberge hatte keine Bedenken und auch Havixbeck erhob grundsätzlich keine Einwände und bot eine Kooperation mit der Anne-Frank-Gesamtschule an. Aber es kam auch zu Unstimmigkeiten, wie Bürgermeisterin Dirks berichtet. „Es gab erhebliche Konflikte, als es um den regionalen Konsens ging.“ Dass Widerstände existierten und einige Nachbarkommunen wie Nottuln und Coesfeld die Gemeinschaftsschule abgelehnt hätten, bestätigt auch Schulausschussvorsitzende Rawe. „Eine wirkliche Konsensfindung gab es nicht.“ Ladleif von der Bezirksregierung erklärt: „Die Nachbarkommunen konnten ein Veto einlegen, mussten aber nachweisen, dass ihre Schulen durch die Gemeinschaftsschule in der Existenz gefährdet sind. Das war entscheidend für die schulrechtliche Genehmigung.“ Bürgermeisterin Dirks zufolge gelang dies den Nachbargemeinden Coesfeld, Nottuln und Legden/Rosendahl nicht. Allerdings forderten sie eine Begrenzung der Gemeinschaftsschule auf drei Züge, der auch stattgegeben wurde. Dies hat bei den Eltern auch zur Verunsicherung geführt. Weil Billerbeck ausreichend ortseigene Kinder für die Errichtung einer Gemeinschaftsschule hat, beurteilt Ladleif die Abstimmung mit den Nachbarkommunen letztlich als „nicht so problematisch“. Obwohl das Verhältnis zu den Nachbarn schwierig bleiben wird, wie Frau van der Wielen vermutet, gibt es inzwischen mit dem Gymnasium in Nottuln sowie dem Gymnasium Nepomucenum und dem Heriburg-Gymnasium in Coesfeld Kooperationsvereinbarungen, die gewährleisten, dass Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule später dort ihr Abitur machen können. Prozess der Entwicklung des pädagogischen Konzepts: Das pädagogische Konzept der Gemeinschaftsschule wurde seit Februar 2010 Schritt für Schritt von der Arbeitsgruppe entwickelt und dem Schulausschuss vorgestellt: Auf Eckpunkte folgten ausformulierte Leitideen und konkrete Bausteine eines Schulkonzepts. Dafür habe man sich bei anderen Schulen umgesehen, berichtet van der Wielen. Besonders passend seien die Winterhuder Reformschule und die Evangelische Schule Berlin Zentrum gewesen. „Sie verfolgen auch den Grundansatz, dass jedes Kind lernen will und die Lehrkräfte es begleiten“, erklärt sie. 16 „Die Schulleitung ist pädagogisch sehr versiert, hat sich mit Reformschulen auseinandergesetzt und die Schulen vom Deutschen Schulpreis als Vorlage für das eigene Profil genommen“, bestätigt Ladleif. In Billerbeck stehe beispielsweise der vernetzte Unterricht im Mittelpunkt. Darüber hinaus gebe es statt Ziffernnoten Lernberichte. Dies ist Teil des besonderen pädagogischen Konzeptes der Schule. Um das Konzept mit Leben zu füllen, wurden Experten und Praktiker eingeladen, die bereits Erfahrungen mit diesen Konzepten haben. Außerdem wurde ein Expertenrat gegründet, der die Entwicklung der Schule konstruktiv und kritisch begleitet. Ihm gehören Fachleute aus Schule, Hochschule und schulischer Weiterbildung an. Auch in Billerbeck kam das Patenmodell der Bezirksregierung Münster zum Tragen: Erfahrene Schulpraktiker, die bereits reformpädagogisch arbeiten, unterstützen Schulen, die sich gerade auf den Weg machen. Pate der Gemeinschaftsschule Billerbeck ist die Willy-Brandt-Gesamtschule Marl. Die Paten erfüllen laut Ladleif verschiedene Funktionen: Erfahrene Schulleiterinnen und Schulleiter helfen bei organisatorischen Fragestellungen, Fachvertreter kommen zu Fortbildungen hinzu, um einen fachspezifischen Austausch zu gewährleisten, der in den anfangs noch kleinen Kollegien der Gemeinschaftsschulen kaum möglich ist. Ladleif resümiert: „Die Paten haben sich als sehr nützlich und hilfreich herausgestellt.“ Van der Wielen betont, dass die Zusammenarbeit mit der Schulaufsicht vorbildlich sei. Sie habe an verschiedenen Fortbildungen teilnehmen können und werde bei Stellenzuweisungen frühzeitig einbezogen. Im Januar 2011 erhielt Billerbeck die Genehmigung, eine Gemeinschaftsschule errichten zu dürfen, und am 7. September 2011 wurde die „Schule für alle“ offiziell eingeweiht. Für das Schuljahr 2011/2012 hatten sich 94 Kinder angemeldet. Parallel dazu nehmen die Real- und Hauptschule keine neuen Schülerinnen und Schüler mehr auf und laufen sukzessive aus. Insgesamt waren die demografische Entwicklung, das veränderte Elternwahlverhalten sowie die Auspendlerquoten in die Nachbarkommunen wichtige Anstoßpunkte für Billerbeck, eine Gemeinschaftsschule zu errichten. „Ein Erfolgsgeheimnis der Billerbecker Schule ist, dass wir nicht sofort öffentlich diskutiert haben, sondern uns erst geeinigt haben und erst dann an die Öffentlichkeit gegangen sind“, resümiert Rawe. Ihr zufolge war der pädagogische Beirat mit externen Experten ein „großes Glück“. „Es war anstrengend, aber es war auch ein positiver Prozess für die Stadt. Und das Ergebnis ist eine Chance für Billerbeck und die Kinder“, so die Schulausschussvorsitzende. In der folgenden Tabelle sind die für den Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule in Billerbeck relevanten Faktoren noch einmal zusammengefasst: Elternumfrage 76 Prozent Zustimmung Votum der Schulkonferenz der Hauptschule Ja, mehrheitlich Votum der Schulkonferenz der Realschule Ja, mehrheitlich Externe pädagogische Experten Ja Externe Experten für Schulentwicklungsplanung Nein Auspendlerquote, bezogen auf den fünften Jahrgang im Schuljahr 2010/2011 42,9 Prozent Prognostizierte Veränderungen der Schülerzahlen des fünften Jahrgangs nach der Schulentwicklungsplanung vom Schuljahr 2010/2011 bis 2015/2016 Rückgang um 2,6 Prozent Raumangebot Ausreichend Konsens mit Nachbarkommunen Nach Abstimmungsprozessen erzielt Beteiligte Schulformen Hauptschule und Realschule Gemeinschaftsschule als letzte öffentliche weiterführende Schule vor Ort Ja 17 2.3 Bochum Grunddaten: geografische Lage: Bochum liegt im Zentrum des Ruhrgebiets und in der Mitte des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen kreisfreie Großstadt Bochum im Regierungsbezirk Arnsberg Einwohner: 380.000 Nachbarkommunen: Herne (kreisfreie Stadt), Castrop-Rauxel (Kreis Recklinghausen), Dortmund (kreisfreie Stadt), Witten und Hattingen (beide Ennepe-Ruhr-Kreis) sowie Essen und Gelsenkirchen (beides kreisfreie Städte) Schülerzahlen und Schulangebot im Schuljahr 2010/2011: Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner: (wegen des großen Angebots werden die Schulen hier nicht im Einzelnen aufgeführt) – Ulrich Wicking, Schulverwaltungsamtsleiter im Auftrag der Oberbürgermeisterin – Peter Reinirkens (SPD), Vorsitzender des Schulausschusses – Burkhard Koller, Dezernent der Bezirksregierung Arnsberg – Birgit Linden, Schulleiterin Insgesamt: 47.906 Schülerinnen und Schüler Primarstufe: 55 Grundschulen, die wegen der Menge nicht einzeln aufgeführt werden: 11.316 Schülerinnen und Schüler Sekundarstufe: 30 Schulen, die wegen der Menge nicht einzeln aufgeführt werden: 22.356 Schülerinnen und Schüler 8 Hauptschulen: 2.313 Schülerinnen und Schüler 8 Realschulen: 4.377 Schülerinnen und Schüler 10 Gymnasien: 10.639 Schülerinnen und Schüler 4 Gesamtschulen: 5.027 Schülerinnen und Schüler Ferner: 1 Weiterbildungskolleg, 5 Berufskollegs, 11 Förderschulen und 1 Schule für Kranke Ratszusammensetzung (Stand: 22. Dezember 2010): – Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) – Fraktion der SPD: 32 – Fraktion der CDU: 22 – Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: 10 – Fraktion Die Linke: 6 – Fraktion der Freien Bürger: 4 – Fraktion der Unabhängigen Wähler-Gemeinschaft (UWG): 3 – Fraktion der FDP: 2 – Fraktion Soziale Liste: 2 – Fraktion der NPD: 1 Daten zum Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule: Herbst 2010: Erste Gespräche im Rat der Stadt 16. Dezember 2010: Mehrheitlicher Ratsbeschluss für die Errichtung der Gemeinschaftsschule und gleichzeitig sukzessive Auflösung der Hermann-Gmeiner-Hauptschule und der Helene-Lange-Realschule 21. Dezember 2010: Antrag zur Errichtung einer inklusiv arbeitenden, vierzügigen Gemeinschaftsschule an zwei Standorten in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Gesamtschule Bochum Januar 2011: Genehmigung; die „Gemeinschaftsschule der Sekundarstufe I Bochum-Mitte“ startete zum Schuljahr 2011/2012 mit 92 Schülerinnen und Schülern Vorgeschichte und kommunale Schulentwicklungsplanung: Der Rat der Stadt Bochum hatte sich aus verschiedenen Gründen vorgenommen, seine Schulstandorte grundsätzlich neu zu ordnen. Zum einen spürten die Bochumer Hauptschulen sehr deutlich das veränderte Elternwahlverhalten: 2009 hatte die Stadt an sieben Hauptschulstandorten nur noch rund 120 Anmeldungen, berichtet der Vorsitzende des Schulausschusses Peter Reinirkens. Besonders Eltern mit Migrationshintergrund lehnten die Schulform ab, ergänzt Schulverwaltungsamtsleiter Ulrich Wicking. 18 Burkhard Koller, schulfachlicher Dezernent der Bezirksregierung Arnsberg, bestätigt: „Das Hauptschulsterben war dramatisch in Bochum.“ Hätten die Hauptschulen – und langfristig auch die Realschulen – im Stadtbezirk Mitte geschlossen werden müssen, hätte das für die Kinder des Viertels zukünftig lange Schulwege zu Schulen in die anderen Stadtteile bedeutet, so Wicking. Demgegenüber stieg die Anzahl der Eltern, die das Gymnasium für ihr Kind wählten, in den letzten Jahren in Bochum auf rund 45 Prozent. Aber nur zwei Drittel der Kinder machen dort tatsächlich ihren Abschluss. „Wir fanden, dass damit etwas schiefläuft für viele Schüler, und wollten für diese Kinder ein Angebot schaffen, das mehr individuelle Förderung verspricht“, sagt Reinirkens. Der Rat war deshalb auf der Suche nach einem Schulkonzept, das neue und passende pädagogische Antworten gab. Hinzu kam die finanzielle Notlage der Stadt, sagt Wicking. Vor diesem Hintergrund sei die Verwaltung ohnehin gezwungen gewesen, nicht genutzte Räume und Gebäude zusammenzulegen oder besser zu nutzen. Prozess politischer Willensbildung vor Ort: Als es im Herbst 2010 schulpolitisch möglich wurde, an dem Schulversuch der Gemeinschaftsschule teilzunehmen, war für die Stadt klar, dass sie zugreifen sollte: „Bei der Gelegenheit konnten wir die Schullandschaft verbessern und unsere Gebäude besser nutzen“, sagt Wicking. So klar wie für die Stadtverwaltung war die Lage in den politischen Gremien aber erst einmal nicht. Eine Mehrheit für die Gemeinschaftsschule war zwar vorhanden, trotzdem habe zunächst eine Lagerbildung stattgefunden, sagt Ausschussvorsitzender Reinirkens. Einige hätten keine Notwendigkeit für eine neue Schulform gesehen, da die Stadt bereits Gesamtschulen hatte. Andere beharrten auf der vorhandenen Struktur und wollten bestehende, gut laufende Schulen nicht gefährden. Einige Kritiker konnten mit dem Argument überzeugt werden, dass die Zusammensetzung der Schülerschaft sich so verändert habe, dass neue Antworten gefunden werden müssten, erinnert sich Reinirkens. Andere brachte er auf die Seite der Befürworter mit dem Hinweis, dass die Bedingungen in dem Schulversuch optimal seien, wie beispielsweise die kleinen Klassen, die insgesamt kleinere Schule und die Mitspracherechte im Entwicklungsprozess. Die Debatten endeten fruchtbar: Mit einer großen Mehrheit von 61 Stimmen gegenüber 16 Gegenstimmen und vier Enthaltungen stimmte der Rat am 16. Dezember 2010 für die neue Schule. Regionale Abstimmungsprozesse und Verfahren der Konsensbildung: Wegen der Lage der Schule im Zentrum der Stadt musste die Stadt Bochum ihr Vorhaben mit keiner Nachbarkommune abstimmen. Konflikte gab es aber zwischen den Schulen innerhalb der Stadt. Obwohl sich die beteiligte Realschule für die Gemeinschaftsschule ausgesprochen hatte, „haben aber einige Lehrkräfte gegen die neue Schule gearbeitet“, sagt Schulverwaltungsamtsleiter Wicking. Das sei deutlich geworden, als die Anmeldephase abgeschlossen war und plötzlich Eltern auftauchten, die ihre Kinder noch in der Gemeinschaftsschule anmelden wollten. „Auf die Frage, warum sie jetzt erst kommen würden, erzählten sie, dass ihnen geraten worden sei, erst mal abzuwarten, bevor sie ihre Kinder anmeldeten, denn es sei sehr unsicher, ob die Schule zustande kommen würde“, erinnert sich Wicking. Die Frage, wie sich die Eltern entscheiden würden, war in Bochum, ähnlich wie in den ländlichen Kommunen, ein Unsicherheitsfaktor. Auch die schriftliche Befragung brachte kein eindeutiges Ergebnis: 47 Prozent der befragten 4.320 Eltern der Stadt bzw. rund 45 Prozent der 540 befragten Eltern des Bezirks stimmten für die Gemeinschaftsschule. Dass in der Befragung noch nicht einmal die Hälfte der Eltern für die neue Schule gestimmt hatten, bereitete Birgit Linden, kommissarische Schulleiterin der Gemeinschaftsschule, kein Kopfzerbrechen. „Ich habe schon früher Neuerungen eingeführt, wie Islamkunde oder den Ganztag. Darauf haben die Eltern immer positiv reagiert.“ Linden behielt recht, auch wenn die Anmeldungen zwischenzeitlich etwas schleppend eingingen. Wicking führt das auch darauf zurück, dass die neue Schulform unter den Grundschullehrkräften noch nicht besonders präsent war. Als die vorgesehenen Plätze besetzt waren, erlebte Schulleiterin Linden noch mal eine Überraschung: Die Kinder kamen von 30 Grundschulen aus dem gesamten Stadtgebiet. Burkhard Koller, Dezernent bei der Bezirksregierung Arnsberg, der in den unterschiedlichsten Kommunen unterwegs war, um über die neue Schulform zu informieren, hält das für ein Zeichen der Offenheit der Bochumer Eltern: „Ich habe sie als neugierig erlebt, die sich mit der Thematik, ‚längeres gemeinsames Lernen’ auskennen.“ Prozess der Entwicklung des pädagogischen Konzepts: Dasselbe galt auch für Schulleiterin Linden. Für die Pädagogin, die zu dieser Zeit noch eine Hauptschule leitete, war „gemeinsames Lernen“ nichts Neues. Sie hatte schon in den verschiedensten Schulformen gearbeitet. Externe Experten band die Schulleitung deshalb nicht ein. 19 Die Steuergruppen der beteiligten Hauptschule und der Realschule haben das Konzept gemeinsam erarbeitet. Vorbilder waren ihre eigenen Programme. „Wir haben die Eckpfeiler der beiden Systeme genommen und sie weiterentwickelt“, sagt Linden. Rat bekamen die Lehrkräfte von Dezernent Koller. Er hatte zwei Termine mit der Planungsgruppe, um zu klären, was sich hinter den elf Punkten des ministerialen Leitfadens verbirgt, und um Fragen zu beantworten. „Ich habe zwischendurch immer wieder viel mit der Planungsgruppe gesprochen, um vorzubeugen, dass im Nachhinein viel korrigiert werden musste.“ Das Konzept hatte ihn aber schnell überzeugt: Es weise eine deutliche Ausrichtung in Hinblick auf umfangreiche individuelle Förderung vor, ebenso wie auf Kompetenzorientierung und Binnendifferenzierung. Dass die Arbeit am pädagogischen Konzept in der neuen Schule im Vordergrund steht und nicht immer einfach ist, ist für Linden klar. Und das machte sie auch von Anfang an ihrem Kollegium deutlich. Ob die Lehrkräfte aus den auslaufenden Schulen in die Gemeinschaftsschule wechseln möchten, müsse jeder und jede für sich selbst entscheiden, sagt sie. „Hier gibt es viel Arbeit und unsichere Strukturen, das ist nicht unbedingt für jeden etwas.“ Die Lehrkräfte, die sich auf diesen Schulversuch einließen, bekamen auch von der Bezirksregierung viel Unterstützung. Koller lud das Team so früh wie möglich ein, um mit ihnen darüber zu sprechen, welche Fortbildungen sie zukünftig benötigen und wie sie ihre Schule weiterentwickeln möchten. „Die neuen Schulen hatten großen Bedarf“, sagt er. Viele brauchten beispielsweise Rat, wenn es darum ging, wie sie potenzielle Hauptschülerinnen und Hauptschüler gemeinsam mit potenziellen Gymnasiasten unterrichten. Nach Anlaufschwierigkeiten habe die Bezirksregierung die Beteiligten im Gründungsprozess sehr unterstützt, sagt Schulausschussvorsitzender Reinirkens. Schulleiterin Linden fand die Unterstützung durch die Bezirksregierung sinnvoll. „Schon bevor die Schule an den Start ging, konnten wir so Schwerpunkte bei den Fortbildungen setzen. Wichtig waren für uns die Themen Unterrichtsentwicklung, Methoden und individuelle Förderung. Das ist sehr förderlich, wenn die Fortbildungen so speziell auf die Schule bezogen werden.“ Die „Gemeinschaftsschule der Sekundarstufe I Bochum-Mitte“ startete zum Schuljahr 2011/2012 mit 92 Schülerinnen und Schülern. Parallel dazu nehmen die Realschule und die Hauptschule keine neuen Kinder mehr auf und laufen sukzessive aus. In der folgenden Tabelle sind die relevanten Faktoren für den Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule in Bochum noch einmal zusammengefasst: Elternumfrage 47 Prozent Zustimmung Votum der Schulkonferenz der Hauptschule Ja, mehrheitlich Votum der Schulkonferenz der Realschule Ja, mehrheitlich Externe pädagogische Experten Nein Externe Experten für Schulentwicklungsplanung Nein Auspendlerquote, bezogen auf den fünften Jahrgang im Schuljahr 2010/2011 Fällt wegen der Größe der Stadt weg Prognostizierte Veränderungen der Schülerzahlen des fünften Jahrgangs nach der Schulentwicklungsplanung vom Schuljahr 2010/2011 bis 2015/2016 Rückgang um 8 Prozent Raumangebot Ausreichend Konsens mit Nachbarkommunen Keine Abstimmung nötig, weil Nachbarkommunen wegen der Lage im Stadtzentrum nicht betroffen sind Beteiligte Schulformen Hauptschule und Realschule Gemeinschaftsschule als letzte öffentliche weiterführende Schule vor Ort Nein 20 2.4 Burbach Grunddaten: geografische Lage: Burbach liegt im südlichen Siegerland im Dreiländereck Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz kreisangehörige Gemeinde im Kreis Siegen-Wittgenstein Einwohner: 15.000 Nachbarkommunen: Wilnsdorf, Neunkirchen, Haiger und Breitscheid (beide Lahn-Dill-Kreis/Hessen), Liebenscheid, Stein-Neukirch (beide Westerwaldkreis/ Rheinland-Pfalz), Emmerzhausen und Daaden (Landkreis Altenkirchen/Westerwaldkreis/Rheinland-Pfalz) Schülerzahlen und Schulangebot im Schuljahr 2010/2011: Insgesamt: 1.180 Schülerinnen und Schüler Primarstufe: drei Grundschulen: 580 Schülerinnen und Schüler Grundschule Burbach: 360 Schülerinnen und Schüler Grundschule Holzhausen: 100 Schülerinnen und Schüler Grundschule Dresselndorf: 120 Schülerinnen und Schüler Sekundarstufe: zwei weiterführende Schulen: 550 Schülerinnen und Schüler Gemeinschaftshauptschule Burbach: 260 Schülerinnen und Schüler Realschule Burbach: 290 Schülerinnen und Schüler Ferner: Hellertalschule Förderschule Lernen: 50 Schülerinnen und Schüler Ratszusammensetzung (Stand: 22. Dezember 2010): – Bürgermeister Christoph Ewers (CDU) – Fraktion der CDU: 17 – Fraktion der SPD: 10 – Fraktion der FDP: 3 – Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen: 2 Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner: – Christoph Ewers (CDU), Bürgermeister – Falk Heinrichs (SPD), Vorsitzender des Schulausschusses – Burkhard Koller, Dezernent der Bezirksregierung Arnsberg – Jürgen Weber, Schulleiter – Hubertus Schober, Planungsbüro „Projektgruppe Bildung und Region“ (Biregio) Daten zum Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule: Anfang 2010: Erste Gespräche zwischen Schulleitungen und Gemeinde 7. Dezember 2010: Ratsbeschluss zur Errichtung der Gemeinschaftsschule Burbach, gleichzeitig laufen die Gemeinschaftshauptschule Burbach und die Realschule Burbach sukzessive aus 15. Dezember 2010: Antrag zur Teilnahme am Schulversuch gestellt, für eine drei- bis vierzügige Schule, ohne eigene Oberstufe in Kooperation mit drei Berufskollegs in Siegen 27. Januar 2011: Genehmigung für eine dreizügige Schule; die „Gemeinschaftsschule der Sekundarstufe I Burbach“ startete zum Schuljahr 2011/2012 jedoch wegen der großen Nachfrage als vierzügige Schule mit 94 Schülerinnen und Schülern Vorgeschichte und kommunale Schulentwicklungsplanung: Lange bevor in der Landeshauptstadt Düsseldorf die Idee geboren wurde, Gemeinschaftsschulen zu ermöglichen, hatten die Burbacher in der südlichsten Gemeinde Westfalens schon über die Zukunft ihrer Hauptschule nachgedacht. Bereits 2005 überlegten die kommunalen Verant- 21 wortlichen, ihre Hauptschule mit der Hauptschule der Nachbargemeinde Neunkirchen zusammenzulegen. Das Projekt scheiterte an den unterschiedlichen Erwartungen der Beteiligten, und so litt die Hauptschule Burbach weiterhin unter stetig sinkenden Schülerzahlen. Das hatte vor allem zwei Gründe: Die Schülerzahlen gingen in Burbach insgesamt zurück – gab es im Jahr 2005 noch rund 1.500 Schülerinnen und Schüler, sank diese Zahl im Jahr 2010 auf rund 1.200. Gleichzeitig wirkte sich das veränderte Elternwahlverhalten negativ auf die Hauptschule aus. Im Jahr 2010 meldeten sich nur noch 17 Schülerinnen und Schüler für die Eingangsklasse an. Damit erfüllte die Schule nicht mehr die Bedingungen für den geordneten Schulbetrieb. Zur selben Zeit stiegen die Schülerzahlen an der Realschule auf 70 Schülerinnen und Schüler, sodass erstmalig seit vielen Jahren wieder drei Eingangsklassen gebildet werden konnten. Der Kommune war also klar, dass etwas geschehen musste, und so beauftragte sie bereits Mitte 2010 den Schulentwicklungsplaner Hubertus Schober von der „Projektgruppe Bildung und Region“ (Biregio) mit einer Analyse zur Schulentwicklungsplanung. Die Ergebnisse flossen in das Vorwort des späteren Konzepts zur Gemeinschaftsschule mit ein. Dort heißt es: „Diese überraschend hohen Zahlen an der Realschule kamen so zustande, weil immer mehr Eltern sich trotz Hauptschulempfehlung der Grundschule dazu entschieden, ihre Kinder an der Realschule anzumelden. Gleichzeitig besuchten mehr Schülerinnen und Schüler mit Gymnasialempfehlung die Realschule, um den erhöhten Anforderungen der verkürzten Gymnasialzeit (G8) zu entgehen.“ Folge dieser Entwicklung der letzten Jahre war, dass das Leistungsspektrum der Schülerinnen und Schüler der Realschule immer größer wurde. „Das war problematisch, weil die Schule weder personell noch konzeptionell noch organisatorisch dafür ausgelegt war“, sagt Bürgermeister Christoph Ewers. Hinzu kam die verhältnismäßig hohe Auspendlerquote. Das begrenzte Schulangebot im Bereich der Sekundarstufe I in Burbach führte nämlich dazu, dass 578 Schülerinnen und Schüler die Schulen in Nachbargemeinden besuchten, während nur 547 in die Real- und in die Hauptschule Burbach gingen. Für Burbach war das kein guter Standortfaktor, sagt Bezirksregierungsdezernent Burkhard Koller. „Das hatte der Bürgermeister im Blick.“ Der Ort sei so einfach nicht mehr besonders attraktiv für junge Familien gewesen, fügt Jürgen Weber, stellvertretender Hauptschulleiter hinzu. Prozess politischer Willensbildung vor Ort: Weber spürte die Veränderungen praktisch jeden Tag in seiner Schule, während Bürgermeister Ewers die Schulentwicklungszahlen zum Handeln zwangen. „Noch bevor die Möglichkeit entstand, eine Gemeinschaftsschule zu gründen, also noch vor der Landtagswahl, hatte der Bürgermeister schon eingeladen, um über Schulreformen zu sprechen“, erzählt Weber. Erst mal warteten die Verantwortlichen aber das Ergebnis der Landtagswahl ab, die im Sommer 2010 zu einer neuen Landesregierung führte. Die leitete im Herbst 2010 den Schulversuch zur „Gemeinschaftsschule“ ein. Für Burbach standen damit die Ampeln auf Grün: Zusammen mit dem Bürgermeister entwickelte das Schulleitungsteam der Hauptschule erste Ideen zu einer eigenen Gemeinschaftsschule. In Politik und Öffentlichkeit wurden die Überlegungen intensiv diskutiert, sagt der Bürgermeister. Ist es wirklich möglich, alle Kinder gemeinsam zu unterrichten? Findet der Ganztag Akzeptanz und wie gestalten wir den Ganztag? Das waren die Hauptfragen, die immer wieder aufkamen, sagt Schulausschussvorsitzender Heinrichs. Einige Ratsmitglieder hätten außerdem dafür plädiert, eine eigene Oberstufe einzurichten. Bürgermeister Ewers hat einige Zeit gebraucht, bis diese Idee wieder ad acta gelegt wurde. „Ich halte eine Oberstufe in unserer Kommune für unrealistisch aufgrund der niedrigen Schülerzahlen. Außerdem hätten wir damit den Gymnasien in den Nachbarkommunen geschadet.“ Auch Schulleiter Weber war in jeder Ausschusssitzung dabei. „Zwei FDP-Mitglieder habe ich als Gegner erlebt. Sie haben Flugblätter verteilt und versucht, die Eltern auf ihre Seite zu ziehen.“ Im Ergebnis hatten sie jedoch keinen Erfolg: Die Mehrheit von CDU, SPD und Bündnis 90/ Die Grünen stimmte am 7. Dezember 2010 im Rat für die Errichtung der Gemeinschaftsschule. Regionale Abstimmungsprozesse und Verfahren der Konsensbildung: „Die Termine häuften sich in diesen Monaten. Das war eine spannende, arbeitsintensive Zeit, ich hatte kaum Zeit für etwas anderes“, erinnert sich der Bürgermeister. Auch mit den Nachbargemeinden hatte er einiges zu besprechen. Niemand stellte sich zwar gegen die Schule, Bedenken hatten jedoch einige. Mit Wilnsdorf und Neunkirchen ging die Gemeinde Burbach deshalb Kooperationsvereinbarungen ein, in denen sie sich verpflichtete, auf eine eigene Oberstufe zu verzichten und die Gemeinschaftsschule auf vier Züge zu begrenzen, „um auch in der Sekundarstufe I die Aufnahme 22 von Schülern zu begrenzen.“ Drei Berufskollegs in Siegen wurden Kooperationspartner für die gymnasiale Oberstufe, nachdem sich die Kooperationsabsichten mit zwei anderen Gymnasien in Wilnsdorf und in Neunkirchen bereits zerschlagen hatten. „Sie hatten Angst, durch die neue Gemeinschaftsschule weniger Schülerinnen und Schüler aus Burbach zu bekommen“, sagt Schulausschussvorsitzender Heinrichs. Die Gymnasien befürchteten offenbar die langfristige Abwicklung ihrer Schulform, wenn die Gemeinschaftsschule käme, meint er. Darüber hinaus hatte sich der Philologenverband gegen die Gemeinschaftsschule ausgesprochen. Das habe die „Dagegen-Position“ gestärkt, vermutet Heinrichs. Groß war die Skepsis auch unter den Burbacher Realschullehrerinnen und Realschullehrern. Die meisten wollten lieber ihre Schule behalten, viele hätten sich als Verlierer der Entwicklung gesehen, sagt der Ratsherr. Die Hauptschullehrkräfte dagegen wollten die neue Schule. „Sie bot ihnen eine neue Perspektive“, so Heinrichs. Bürgermeister Ewers stellte im Laufe des Prozesses fest, dass die Spaltung der Lehrkräfte noch tiefer ging: Als einer der Realschullehrer ihn durch das Hauptschulgebäude geführt habe, habe er erwähnt, dass er hier seit Jahrzehnten nicht mehr gewesen sei und mit den Hauptschullehrkräften auch nicht zusammenarbeite. „Das hat mich sehr gewundert“, sagt Ewers, zumal die Gebäude direkt nebeneinanderlägen. Wie tief der Graben zwischen den Schulformen in Burbach anfangs war, beweisen auch die Berührungsängste der Schülerinnen und Schüler untereinander. Ewers erzählt: „Im Zuge der Planung der neuen Schule haben wir die Räume der beiden Schulen neu aufgeteilt, sodass jetzt einige Realschüler in dem Gebäude der Hauptschule unterrichtet werden. Einige Realschüler haben sich anfangs sehr dagegen gewehrt und Leserbriefe an die Lokalpresse geschrieben.“ Allen Anfangsschwierigkeiten zum Trotz: Als klar war, dass der Entwicklungsprozess hin zur Gemeinschaftsschule unumkehrbar war, entschied sich der Lehrerrat der Realschule für eine konstruktive Mitarbeit. „Da entwickelte sich eine neue Haltung bei den Lehrkräften“, beobachtete Ewers. Jeweils vier Lehrkräfte aus der Burbacher Hauptund der Realschule nahmen an der Arbeitsgruppe zur Konzeptentwicklung teil. Aber die gemeinsame Arbeit der Lehrerkollegien in der Arbeitsgruppe erforderte Fingerspitzengefühl. Bürgermeister Ewers beauftragte deshalb den ehemaligen Siegener Schulrat Dieter Behninghaus damit, die Konzeptentwicklung zu moderieren. „Herr Behninghaus war ein Schlüssel, vor allem als es darum ging, Hauptschule und Realschule zusammenzubringen. Da herrschte häufig eine spannungsgeladene Atmosphäre, die er lockern konnte, weil er fachlich so anerkannt war und von außen kam.“ Neben den Nachbarkommunen und den Lehrkräften galt es, die Eltern der Burbacher Kinder von der neuen Schulform zu überzeugen. Dafür arbeiteten Bezirksregierung, Kommune und die beteiligten Schulen eng zusammen. Burkhard Koller, schulfachlicher Dezernent der Bezirksregierung, fuhr nach Burbach und begleitete die Informationsveranstaltung für die Grundschuleltern und Grundschullehrkräfte: Die Eltern erlebte Koller dabei als skeptisch. „Ich musste immer wieder deutlich machen, dass hier das Rad nicht neu erfunden wird und wir keine Experimente durchführen“, sagt er. Die Elternbefragung, die die Stadt unter den Eltern der Dritt- und Viertklässlerinnen und -klässler anschließend durchführte, ergab eine Zustimmung der Eltern von rund 60 Prozent. Auf dieser Basis konnten die Burbacher zwar damit rechnen, dass ihre Schule von den Eltern und ihren Kindern angenommen wurde, ob sich das auch in den Anmeldezahlen niederschlagen würde, war aber keineswegs sicher, sagt Schulausschussvorsitzender Heinrichs. „Vor der Anmeldephase hatten wir wieder Nervenflattern. Denn wir konnten den Eltern ja nichts zeigen, weder Personal noch Räume. Wir hatten das Konzept und unsere Ideen nur am Reißbrett erstellt, das schien aber alles noch sehr unkonkret.“ Wie sich herausstellte, hatten sich die Anstrengungen und die Aufregung aber gelohnt: Die dreizügig genehmigte Schule hatte am Ende der Anmeldephase 94 Zusagen, sodass die Kommune sogar einen vierten Zug beantragte. Prozess der Entwicklung des pädagogischen Konzepts: „Kinder sollten so spät wie möglich auf eine bestimmte Schulform festgelegt werden“, erklärt Hauptschulleiter Weber. Das sei bei der Entwicklung eines entsprechenden Konzepts für die Gemeinschaftsschule sein wichtigster Antrieb gewesen. Heranwachsende entwickelten sich eben zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich schnell, so Weber. Das beobachte er häufig. „Ich hatte gerade einen Schüler, der mit Förderschulempfehlung zu uns kam, und nun mit Realschulabschluss die Schule verlässt.“ Inhaltlich wurde viel über den Ganztag und die zweite Fremdsprache diskutiert, erinnert sich Schulleiter Weber. Schwerpunkt des Konzepts wurde das „miteinander und voneinander Lernen“ und dies gefiel auch Burkhard Koller, der das Konzept in der Bezirksregierung Arnsberg beurteilen musste. „Das Konzept versprach eine Schule, deren Entwurf auch umgesetzt werden konnte.“ 23 Zwischendurch habe er immer wieder viel mit der Planungsgruppe gesprochen, damit im Nachhinein nicht zu viel korrigiert werden musste, sagt er. Schulausschussvorsitzender Hinrichs war ebenfalls zufrieden mit dem Ergebnis. „Wir haben es geschafft, dass unsere Idealvorstellung von der Schule verwirklicht werden konnte.“ Die „Gemeinschaftsschule der Sekundarstufe I Burbach“ erhielt im Januar 2011 ihre Genehmigung und startete zum Schuljahr 2011/2012 mit 94 Schülerinnen und Schülern. Parallel dazu nehmen die Realschule und die Hauptschule keine neuen Kinder mehr auf und laufen sukzessive aus. In der folgenden Tabelle sind die relevanten Faktoren für den Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule in Burbach noch einmal zusammengefasst: Elternumfrage 60 Prozent Zustimmung Votum der Schulkonferenz der Hauptschule Ja, mehrheitlich Votum der Schulkonferenz der Realschule Ja, mehrheitlich Externe pädagogische Experten Ja Externe Experten für Schulentwicklungsplanung Ja Auspendlerquote, bezogen auf den fünften Jahrgang im Schuljahr 2010/2011 50 Prozent Prognostizierte Veränderungen der Schülerzahlen des fünften Jahrgangs nach der Schulentwicklungsplanung vom Schuljahr 2010/2011 bis 2015/2016 Rückgang um 25 Prozent Raumangebot Umbauten nötig, musste um eine Mensa erweitert werden Konsens mit Nachbarkommunen Nach Abstimmungsprozessen erzielt Beteiligte Schulformen Hauptschule und Realschule Gemeinschaftsschule als letzte öffentliche weiterführende Schule vor Ort Ja 24 2.5 Kalletal Grunddaten: geografische Lage: Kalletal ist eine kreisangehörige Gemeinde im Kreis Lippe Einwohner: 14.228 Nachbarkommunen: Rinteln (Kreis Schaumburg/ Niedersachsen), Extertal, Dörentrup, Lemgo, Vlotho (Kreis Herford), Porta Westfalica (Kreis MindenLübbecke) Schülerzahlen und Schulangebot im Schuljahr 2010/2011: Insgesamt: 1.337 Schülerinnen und Schüler Primarstufe: drei Grundschulen: 563 Schülerinnen und Schüler Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner: – Andreas Karger (CDU), Bürgermeister Kalletal – Annegret Slotta (SPD), stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Jugend, Kultur und Freizeit – Mechthild Krämer, Dezernentin der Bezirksregierung Detmold – Dr. Eike Stiller, Schulleiter Gemeinschaftsgrundschule Am Teimer: 143 Schülerinnen und Schüler Gemeinschaftsgrundschule Hohenhausen: 225 Schüle- Daten zum Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule: rinnen und Schüler Gemeinschaftsgrundschule Unteres Kalletal: 195 Schülerinnen und Schüler Sekundarstufe: drei weiterführende Schulen: 605 Schülerinnen und Schüler August-Dreves-Hauptschule: 255 Schülerinnen und Schüler Stephan-Ludwig-Jacobi-Realschule: 350 Schülerinnen und Schüler Ferner: Fröbelschule, Förderschule für Lernbehinderte: 84 Schülerinnen und Schüler Ferner: Realschulinternat „Schloss Varenholz“ Ratszusammensetzung (Stand: 3. September 2012): – Bürgermeister Andreas Karger (CDU) – Fraktion der CDU: 14 – Fraktion der SPD: 13 – Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: 2 – Fraktion der Unabhängigen Kalletaler Bürger (UKB): 3 August 2007: Verwaltungsinterne Diskussion der aktuellen Entwicklung der Schülerzahlen an Real- und Hauptschule Vertragsabschluss mit Dr. Ernst Rösner, Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) an der TU Dortmund, zur Erstellung einer Schulentwicklungsplanung einschließlich eines möglichen Antrags eines Schulversuchs Sommer 2010: Spezielle Arbeitskreissitzungen „Schulentwicklung Kalletal“, Schulleitungen und Verwaltung beraten über eine Antragstellung zur Gemeinschaftsschule 16. Dezember 2010: Einstimmiger Ratsbeschluss zur Errichtung der Gemeinschaftsschule, gleichzeitig sukzessives Auslaufen der August-Dreves-Hauptschule und der Stephan-Ludwig-Jacobi-Realschule 20. Dezember 2010: Antrag zur Errichtung einer drei- bis vierzügig inklusiv arbeitenden Gemeinschaftsschule ohne eigene Oberstufe, in Kooperation mit dem Weser-Gymnasium Vlotho, an einem Standort, dem Schulzentrum Kalletal 11. Januar 2011: Genehmigung; die „Gemeinschaftsschule der Sekundarstufe I Kalletal“ startete zum Schuljahr 2011/2012 mit 75 Schülerinnen und Schülern 25 Vorgeschichte und kommunale Schulentwicklungsplanung: Schon im Jahr 2007 hat die Gemeinde Kalletal im Regierungsbezirk Detmold den Wissenschaftler Dr. Ernst Rösner vom Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) an der TU Dortmund beauftragt, ein Gutachten zu ihrer Schulentwicklung zu erstellen. Es war in der Kommune im Nordosten Nordrhein-Westfalens damals allen Verantwortlichen bekannt, dass die Schülerzahlen sehr stark zurückgingen. Gutachter Dr. Rösner schrieb in seiner Schulentwicklungsplanung für die Gemeinde, dass der Landestrend in Kalletal offenbar vorweggenommen werde. Zur Einordnung dieser Entwicklung zog er den Zeitraum von den Schuljahren 1999/2000 bis 2006/2007 heran: Während dieser Zeit sei die Zahl der Grundschülerinnen und Grundschüler in Kalletal um 25 Prozent zurückgegangen, in Nordrhein-Westfalen dagegen um elf Prozent. „Kalletal ist folglich durch die demografische Entwicklung besonders früh und stark getroffen worden“, resümierte der Forscher. So hatte es in Kalletal zu einem verhältnismäßig frühen Zeitpunkt, bereits 2006, Diskussionen über alternative Schulmodelle gegeben. Ergebnisse gab es zuerst keine. Für Bürgermeister Andreas Karger stand die Schulentwicklung aber weiterhin ganz oben auf der Agenda. „Wir müssen unsere Schulen attraktiv erhalten.“ Und damit waren vor allem die weiterführenden Schulen, die Realschule und die Hauptschule, gemeint. Denn es sei ein ebenso schlechter Standortfaktor, wenn Schulen wegfallen, als wenn eine Gemeinde eine schlechte Einzelhandelslandschaft vorweist, ist sich Karger sicher. Dabei waren die kommunalen Rahmenbedingungen für die weiterführenden Schulen insgesamt gar nicht schlecht: Die Kommune hatte in den letzten Jahren viel Geld in die Gebäude investiert. Dazu Bürgermeister Andreas Karger: „Wir haben die kompletten Mittel in Höhe von 1,6 Millionen aus dem Konjunkturpaket II in die energetische Sanierung der Schulgebäude und in eine neue Turnhalle investiert.“ Und die Realschule hatte 2010 noch ausreichend Anmeldungen für drei Klassen. Wissenschaftler Dr. Rösner schreibt dazu in seinem Gutachten: „Dies könnte für eine feste Verankerung der Realschule in ihrem kommunalen Einzugsbereich sprechen, erlaubt aber auch andere Deutungen: Vorstellbar ist, dass – wie in ländlichen Regionen oft üblich – mit dem Besuch einer wohnungsnah erreichbaren Realschule die Erwartung verbunden wird, den eigenen Kindern könne mit einer entsprechenden Abschlussqualifikation der Realschule doch noch der Übergang in die Oberstufe eines auswärtigen Gymnasiums gelingen, ohne schon in der Sekundarstufe I den belastenden Schülertransport in Kauf nehmen zu müssen. In diesem Fall wird ländlich gelegenen Realschulen auch bisweilen die Rolle eines Ersatzgymnasiums zugesprochen.“ Prozess politischer Willensbildung vor Ort: Langfristig war es jedoch keine Lösung, die Realschule zu einer „Schule für alle“ im Ort zu machen, denn sie war weder organisatorisch noch personell dafür aufgestellt. Schon im Januar 2010 rief die Gemeinde Kalletal deshalb einen Arbeitskreis Schulentwicklungsplanung (SEP) ins Leben. Die Entwicklung der Schülerzahlen brachten zunächst Hauptschulleiter Dr. Eike Stiller in Bedrängnis. Dabei wies Kalletal eine ganz eigene Entwicklung auf: Die Anzahl der Kinder war zwar insgesamt rückläufig, aber – im Gegensatz zum Landestrend – veränderten sich die Übergangsquoten zwischen den einzelnen Schulformen gar nicht so deutlich. Dennoch hatte der Rückgang der absoluten Zahl der Kinder Auswirkungen auf jede der einzelnen Schulformen. Als die neue Landesregierung im Herbst 2010 die rechtlichen Möglichkeiten schuf, um die Gemeinschaftsschule umzusetzen, hatten Hauptschulleiter Dr. Stiller und seine Kollegen ihr Vorhaben bereits entwickelt und daran gearbeitet, einen lokalen Konsens herzustellen. In der Kommune wurden Arbeitskreise organisiert, an denen auch die Dezernentin der Bezirksregierung Mechthild Krämer teilnahm. 2007 lief die Hauptschule zwar noch zweizügig, aber Schulleiter Dr. Stiller erkannte den Trend, den er bereits bei anderen Hauptschulen beobachtet hatte. „Erst mal werden die Schüler weniger, dann gehen die guten Lehrer weg oder werden abgeworben. Ich wollte der Entwicklung vorbeugen, dass meine Schule nach und nach zerfällt.“ Dr. Stiller nahm sich vor gegenzusteuern, – und zwar so schnell wie möglich, – „um aus einer Position der Stärke“ heraus Veränderungen anzustoßen. Mechthild Krämer, schulfachliche Dezernentin der Bezirksregierung Detmold, sah das ebenso: Langfristig seien beide Schulen existenziell bedroht gewesen. Wenn hier nichts getan worden wäre, hätte man bald gar keine Schule mehr am Ort gehabt. Den Kalletaler Rat interessierte bei allen Neuerungen vor allem eine langfristige Stärkung des Schulstandortes. Unter der früheren Landesregierung hatte die Mehrheit der Ratsmitglieder unter anderem die Verbundschule favorisiert, aber diese Schulform bot nach Auffassung vieler im Ort keine Garantie dafür, die Schülerinnen und Schüler im Ort zu halten. Bürgermeister Karger, selbst CDU-Mitglied, sagt: „Die CDU war erst nicht so sehr für die Gemeinschaftsschule und hat dann intern viel diskutiert.“ Immer mehr kristallisierte sich jedoch heraus, dass die Gemeinschaftsschule die beste Lösung für die lokalen Probleme bot. „Als das klar war, haben die Parteien konstruktiv zusammengearbeitet.“ Die Stimmung sei sachlich-professionell 26 gewesen, sagt der Bürgermeister. Das bestätigt auch die stellvertretende Schulausschussvorsitzende Annegret Slotta. Allerdings deutete die Stimmung zu dieser Zeit auf Kreis- und Landesebene bei den Fraktionen von CDU und FDP noch in eine andere Richtung. Bürgermeister Karger betont die konstruktive Stimmung in Kalletal. Auch diejenigen, die schon immer dafür gewesen seien, hätten sich nicht damit gebrüstet, dass sie es ja schon immer gewusst hätten, sagt der Bürgermeister. Im Rat habe man sich schließlich einstimmig für die Gemeinschaftsschule ausgesprochen. Aufregend sei es noch einmal wegen der Elternbefragung geworden. Der Puls sei deswegen bei allen in die Höhe geschossen, sagt er. Niemand wagte das Ergebnis vorauszusagen, hing doch das ganze Projekt davon ab. Regionale Abstimmungsprozesse und Verfahren der Konsensbildung: Und tatsächlich, die Eltern wollten alles ganz genau wissen, bevor sie sich ihre Meinung bildeten, berichtet Dezernentin Krämer von der Bezirksregierung. Wo wird mein Kind landen? Wer wird es unterrichten? Wie kann Binnendifferenzierung funktionieren? Letzteres war eines der Themen, die am meisten nachgefragt wurden. Dabei seien die Eltern der Hauptschülerinnen und Hauptschüler sehr neugierig und offen gewesen, die Realschuleltern dagegen eher vorsichtig, erinnert sich Schulleiter Dr. Stiller. Sie sahen eben nicht die Notwendigkeit, ihre Schule zu ändern, weil die Realschule ja noch gut lief. „Grundsätzlich ist das nicht verkehrt, aber warum unsere gute Realschule?“, beschreibt er die Stimmung bei den Eltern. Einige hätten die Befürchtung geäußert, dass die neue Schule nur eine Hauptschule im neuen Gewand werden würde, ergänzt Ratsfrau Slotta. Das Ergebnis war dann jedoch eindeutig: 64 Prozent der Eltern der Viertklässlerinnen und Viertklässler gaben an, dass sie ihr Kind tendenziell an einer Gemeinschaftsschule im Ort anmelden würden, sollte es im nächsten Jahr eine solche Schule geben. Bei den Eltern der Drittklässlerinnen und Drittklässler waren es 61 Prozent. Das Hauptschulkollegium sprach sich einstimmig für das Vorhaben aus, während sich die Lehrkräfte der Realschule dagegen entschieden. Um zu verhindern, dass die geplante Gemeinschaftsschule Schulen in den Nachbargemeinden gefährdet, stimmte die Kommune ihr Vorhaben mit den umliegenden Gemeinden ab. Eine ausdrückliche Zustimmung der Nachbarkommune benötige sie aber nur, wenn tatsächlich eine Gefährdung vorliegt, erklärt Krämer. In dieser Hinsicht sei Kalletal deshalb unproblematisch gewesen. Die Nachbarkommunen hatten keine Einwände gegen die Gemeinschaftsschule. Für die Oberstufe wollte die Kalletaler Schule mit den Gymnasien in der Nachbargemeinde Vlotho kooperieren. Vlotho war hocherfreut über diese Kooperation, wie es in einer Stellungnahme der Stadt heißt. „… das Weser-Gymnasium Vlotho hat bei insgesamt sinkenden Schülerzahlen größte Sorge um den Bestand eines differenzierten Angebots seiner Oberstufe zu tragen … und ist dabei auf die Kalletaler Schülerinnen und Schüler angewiesen.“ Die Kooperation mit den beiden Lemgoer Oberstufen des Engelbert-Kaempfer-Gymnasiums und des Marianne-Weber-Gymnasiums kamen hingegen nicht zustande, obwohl die Schulleiter untereinander schon alles geklärt hatten. Die Zustimmung des Schulträgers ließ aber so lange auf sich warten, dass man den Antrag ohne die Lemgoer stellte, erklärt Ratsfrau Slotta. Prozess der Entwicklung des pädagogischen Konzepts: Vorbilder für das Kalletaler Konzept waren die Gemeinschaftsschulen der westfälischen Gemeinden Ascheberg und Billerbeck. „Daran konnten wir uns orientieren“, sagt Schulleiter Dr. Stiller. Das Konzept erstellte Dr. Stiller mit dem Hauptschulkollegium und mit etwa einem Drittel des Realschulkollegiums. „Die anderen Realschulkollegen haben das Ganze aus der Distanz verfolgt“, sagt er. Das sei in Ordnung gewesen. Dezernentin Krämer zeigt für diese Haltung ebenfalls Verständnis. „Keine Schule ist hundertprozentig mit ihrer Auflösung einverstanden“, sagt sie. Für die Realschullehrerinnen und Realschullehrer habe die Schulaufsicht Alternativen bereitgehalten, keinesfalls alle könnten und müssten langfristig in die Gemeinschaftsschule wechseln, sofern sie dies nicht wünschten. Die Entwicklung des pädagogischen Konzepts wurde immer wieder mit den Eltern rückgekoppelt. Aus Erfahrung hätten die Lehrkräfte bereits um einige heikle Punkte gewusst. 2008 hatte das Hauptschulkollegium etwa schon einmal vorgeschlagen, ganztägigen Unterricht an fünf Tagen in der Woche einzuführen. Das hätten die Eltern damals nicht gewollt. „Deshalb wussten wir, wir müssen bei diesem Thema sensibel sein. Jetzt haben wir nur noch den dreitägigen Ganztag angestrebt, das gab gar keine Diskussionen mehr“, sagt Schulleiter Dr. Stiller. Die Abstimmungen und die Sensibilität scheinen sich gelohnt zu haben. Dezernentin Krämer war mit dem erstellten und abgestimmten Konzept schnell einverstanden. „Ich prüfe beispielsweise, ob das, was die Schule sich pädagogisch vornimmt, auch finanzierbar ist“, sagt sie. Manche Schulen schrieben utopische Planungen in ihr Konzept, in denen die Lehrerstunden nicht zu den Schulstunden passen. Das sei gefährlich, denn das Konzept dürfe nicht nur aus formalen Gründen keine utopischen Versprechen machen, sondern auch, um die Eltern nicht 27 zu enttäuschen. Viele Eltern würden sich eben daran orientieren. Aus einer Hauptschule und einer Realschule eine Schule des längeren gemeinsamen Lernens zu machen, erfordert Umdenken der Schulleitung und der Lehrkräfte, wie Dezernentin Krämer berichtet. Deshalb hat sie der Schule den pensionierten Gesamtschulleiter Alexander Scheck aus einer Nachbarkommune vorgeschlagen, der sie bei der Umsetzung des pädagogischen Konzepts unterstützen sollte. Schulleiter Dr. Stiller war dafür dankbar. „Mir hat Herr Scheck viel geholfen, zu reflektieren und neue Ideen zu entwickeln. Dass die Gemeinde dann alles in Gang setzte, um dies auch finanziell zu ermöglichen, war noch einmal ein deutliches Zeichen der Unterstützung.“ Die Finanzierung des Beraters war nämlich erst mal schwierig: Die Kommune befand sich im Nothaushalt. „Wir hatten alles auf eine Karte gesetzt, nämlich die Gemeinschaftsschule so schnell wie möglich einzuführen, deshalb setzten wir alle Hebel in Bewegung, damit Herr Scheck uns unterstützte“, bestätigt Bürgermeister Karger. Die „Gemeinschaftsschule der Sekundarstufe I Kalletal“ startete zum Schuljahr 2011/2012 mit 75 Schülerinnen und Schülern. Parallel dazu nehmen die Realschule und die Hauptschule keine neuen Kinder mehr auf und laufen sukzessive aus. In der folgenden Tabelle sind die relevanten Faktoren für den Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule in Kalletal noch einmal zusammengefasst: Elternumfrage 62,5 Prozent Zustimmung Votum der Schulkonferenz der Hauptschule Ja, einstimmig Votum der Schulkonferenz der Realschule Nein, mehrheitlich Externe pädagogische Experten Ja Externe Experten für Schulentwicklungsplanung Ja Auspendlerquote, bezogen auf den fünften Jahrgang im Schuljahr 2010/2011 50,3 Prozent Prognostizierte Veränderungen der Schülerzahlen des fünften Jahrgangs nach der Schulentwicklungsplanung vom Schuljahr 2010/2011 bis 2015/2016 Rückgang um 10,6 Prozent Raumangebot Musste um eine Mensa erweitert werden Konsens mit Nachbarkommunen Ja, von Anfang an Beteiligte Schulformen Hauptschule und Realschule Gemeinschaftsschule als letzte öffentliche weiterführende Schule vor Ort Ja 28 In Köln wurden drei Anträge auf die Errichtung von Gemeinschaftsschulen zum Schuljahr 2011/2012 gestellt. Von diesen wurden zwei genehmigt: die Gemeinschaftsschule an der Ferdinandstraße und die Gemeinschaftsschule am Standort Wuppertaler Straße. Im ersten Teil werden die gemeinsamen Entwicklungen beider Kölner Gemeinschaftsschulen dargestellt. Im Anschluss daran werden die jeweiligen Spezifika der einzelnen Schulen gesondert erläutert. 2.6 Köln Grunddaten: geografische Lage: Köln liegt im Südwesten Nordrhein-Westfalens Einwohner: mehr als 1.036.100, damit größte Stadt Nordrhein-Westfalens Nachbarkommunen: Leverkusen (kreisfreie Stadt), Bergisch Gladbach und Rösrath (Rheinisch-Bergischer Kreis), Troisdorf und Niederkassel (Rhein-Sieg-Kreis), Wesseling, Brühl, Hürth, Frechen und Pulheim (alle Rhein-Erft-Kreis), Dormagen (Rhein-Kreis Neuss) und Monheim (Kreis Mettmann) Schülerzahlen und Schulangebot im Schuljahr 2010/2011: Insgesamt: 149.701 Schülerinnen und Schüler Primarstufe: 147 Grundschulen, die wegen der Menge nicht einzeln aufgeführt werden: 34.042 Schülerinnen und Schüler – Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen: 20 – Fraktion der FDP: 9 – Fraktion von Bürgerbewegung pro Köln: 5 – Fraktion von Die Linke: 1 – Fraktion von Kölner Bürger Bündnis (KBB): 1 – Fraktion von Deine Freunde: 1 Vorgeschichte und kommunale Schulentwicklungsplanung: Sekundarstufe: 160 weiterführende Schulen, die wegen der Menge nicht einzeln aufgeführt werden: 115.659 Schülerinnen und Schüler Ratszusammensetzung (Stand: 22. Dezember 2010): Viele nordrhein-westfälische Kommunen leiden unter zurückgehenden Schülerzahlen und haben dadurch Schwierigkeiten, ein vielfältiges weiterführendes Schulangebot vor Ort zu halten. Bei der Stadt Köln ist dies nicht der Fall. „Eine solche existenzielle Bedrohung eines wohnortnahen Sek-I-Angebots gibt es im Ballungsgebiet Köln nicht“, heißt es in der anlassbezogenen Schulentwicklungsplanung, die für den Schulversuch erstellt wurde. „Köln verzeichnet entgegen dem Landestrend seit 2007 steigende Kinder- und Schülerzahlen“, sagt Dr. Agnes Klein, Leiterin des Dezernats IV – Bildung, Jugend und Sport der Stadt Köln, in Vertretung für Oberbürgermeister Jürgen Roters. Laut der Schulentwicklungsplanung hat sich die Geburtenzahl in Köln um rund 500 bis 700 Geburten pro Jahr erhöht. – Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) – Fraktion der CDU: 25 – Fraktion der SPD: 25 Trotz der steigenden Schülerzahlen geht auch in der Stadt Köln die Zahl der Anmeldungen für die Hauptschulen zurück. „Die Hauptschule wird trotz der oft sehr guten 27 Hauptschulen: 7.797 Schülerinnen und Schüler 24 Realschulen: 12.359 Schülerinnen und Schüler 35 Gymnasien: 30.580 Schülerinnen und Schüler 13 Gesamtschulen: 11.117 Schülerinnen und Schüler 4 Weiterbildungskollegs: 3.051 Schülerinnen und Schüler 28 Berufskollegs: 45.583 Schülerinnen und Schüler 29 Förderschulen: 5.172 Schülerinnen und Schüler 29 Pädagogik und Förderung abgelehnt“, sagt Dr. Klein. So sollen laut Schulentwicklungsplanung bis Mitte 2012 13 der ursprünglich 30 Hauptschulen geschlossen werden. „Es gibt ein verändertes Elternwahlverhalten mit Präferenz zu Schulformen, die längeres gemeinsames Lernen anbieten, um die Bildungschancen zu verbessern“, sagt die Dezernatsleiterin der Stadt. Das zeigt auch eine Umfrage aus dem Jahr 2009, der zufolge 66 Prozent der Eltern der Drittklässlerinnen und Drittklässler sich das längere gemeinsame Lernen für ihre Kinder wünschen. „Die bestehenden Gesamtschulen können diese Nachfrage seit Jahren nicht decken“, erklärt Dr. Klein. Die Folge: Viele Kinder müssen von den Gesamtschulen abgelehnt werden. Dezernatsleiterin Dr. Klein stellt klar: „Der Bedarf an Gemeinschaftsschulen war in Köln keine Notlösung zur Existenzsicherung, sondern begründete sich in der inhaltlichen Konzeption und dem Elternwillen.“ Ziel der Gründung von Gemeinschaftsschulen in Köln sei es gewesen, bedarfsgerecht und wohnortnah Schülerplätze sicherzustellen. Darüber hinaus sei auch die flächendeckende Verbesserung eines inklusiven Unterrichts ein Grund gewesen, weil der Bedarf daran stetig steige. Prozess politischer Willensbildung vor Ort: Um den Antrag für die Errichtung einer Gemeinschaftsschule stellen zu können, musste im Schulausschuss und im Rat ein entsprechender Beschluss gefasst werden. Seitens der Stadt und der Politik gab es Unterstützung für das Vorhaben, wie die Schulleitungen und die beteiligten Pädagoginnen und Pädagogen unabhängig voneinander berichten. Insgesamt stellte die Stadt drei Anträge, von denen zwei genehmigt wurden, nämlich die Gemeinschaftsschule in der Ferdinandstraße und die am Standort Wuppertaler Straße. Dass die Stadt – neben diesen drei Anträgen – noch weitere stellen wollte, bestätigt auch Dezernentin Schlott von der Bezirksregierung Köln. Da habe man allerdings ein bisschen gegengesteuert, weil man ohnehin schon ein wenig „Bauchschmerzen“ hatte, dass die Gemeinschaftsschulen allein aus einer Hauptschule und nicht unter Beteiligung einer Realschule entstanden. Die Schulaufsicht wollte sichergehen, dass tatsächlich eine Schulentwicklung vorwärtsgebracht wird. Gern hätte man seitens der schulfachlichen Aufsicht auch eine vierzügige Gemeinschaftsschule an einem Standort gesehen und nicht zwei nah beieinanderliegende dreizügige Gemeinschaftsschulen in der Ferdinandstraße und der Wuppertaler Straße. Ganz einheitlich war die Stimmung und Haltung gegenüber der Gemeinschaftsschule auch im Schulausschuss der Stadt nicht. „Wir haben im Schulausschuss viel diskutiert und sachlich gesprochen“, sagt Gisela Manderla, Vorsitzende des Schulausschusses. Während die SPD und Bündnis 90/Die Grünen sich sehr stark für die Gemeinschaftsschule ausgesprochen hätten, haben CDU und FDP diese eher abgelehnt. „Diese Haltung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich der Schulfrieden, den ich als sehr gut ansehe, in Nordrhein-Westfalen abzeichnete und damit eine grundsätzliche Entscheidung versprach. Wir wollten vorher nicht noch einen weiteren Schulversuch, sondern wollten, dass mal zehn Jahre Ruhe in die Schulen einkehrt“, begründet die Vorsitzende, die selbst der CDU angehört, ihre Ablehnung gegenüber der Gemeinschaftsschule. Trotz reger Diskussionen konnte man sich in Köln nicht auf eine gemeinsame Linie einigen. „Es gab zwei Standpunkte“, betont Manderla. Schließlich fiel am 14. Dezember 2010 mit den Stimmen der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Stimme des Oberbürgermeisters sowie bei Enthaltung der Fraktion Die Linke mehrheitlich der Entschluss, eine Gemeinschaftsschule zu errichten. Regionale Abstimmungsprozesse und Verfahren der Konsensbildung: Im Zuge der regionalen Abstimmung wurden – neben den Kollegien – die Eltern in den Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule einbezogen. Bereits 2009 hatte eine Umfrage gezeigt, dass sich die Mehrheit der Eltern längeres gemeinsames Lernen wünscht. Die Elternbefragung für den Standort Wuppertaler Straße erfolgte gemeinsam mit der Abfrage für die Gemeinschaftsschule an der Ferdinandstraße und für den Standort an der Rochusstraße, für den keine Genehmigung erteilt wurde. Insgesamt nahmen 2.417 Eltern von Dritt- und Viertklässlerinnen und -klässlern an der Befragung teil, davon entfielen auf die Standorte Wuppertaler Straße und Ferdinandstraße für das dritte und vierte Schuljahr 1.383 Rückmeldungen. Im Stadtbezirk Mühlheim, in dem die Wuppertaler Straße und die Ferdinandstraße liegen, sagten 289 Eltern (20,9 Prozent), dass sie ihre Kinder „ganz bestimmt“ an einer Gemeinschaftsschule anmelden würden, und 437 Eltern (31,6 Prozent) würden dies „eher“ machen. So waren für die Errichtung beider Schulen ausreichend Anmeldungen vorhanden. Im Gegensatz zu den meisten anderen nordrhein-westfälischen Kommunen, die eine Gemeinschaftsschule errichten wollten, war in Köln aufgrund der Lage der Schule keine Abstimmung mit den Nachbarkommunen erforderlich. „Von einer Abstimmung mit benachbarten Schulträgern konnte in Absprache mit der Bezirksregierung Köln abgesehen werden“, erklärt Dr. Agnes Klein von der Stadt Köln. Trotz der unmittelbaren Nähe und teilweise guten Anbindung durch den öffentlichen Nahverkehr sei „keine Gefährdung“ von Schulen anderer Schulträger zu befürchten gewesen. Insofern habe es diesbezüglich „kein Konfliktpotenzial“ gegeben. Dem stimmt auch Dezernen-tin Schlott von der Bezirksregierung zu. „Innerhalb von Köln gab es keine Konflikte, die unmittelbar an uns herangetragen worden sind“, sagt sie. 30 Prozess der Entwicklung des pädagogischen Konzepts: Hinsichtlich des pädagogischen Konzepts war laut Dezernentin Schlott schulübergreifend der teilweise sehr enge Blick auf die schwachen Schülerinnen und Schüler etwas schwierig. Auch die Einbeziehung gymnasialer Standards sei anfangs nicht immer erkennbar gewesen. „Da mussten wir nachsteuern und es waren mehrere Abstimmungsrunden erforderlich“, sagt sie. Insgesamt habe man die Schule seitens der Bezirksregierung mit mehrtätigen Fortbildungsveranstaltungen, Besuchen vor Ort und ständigem E-Mail- und Telefonkontakt unterstützt. In den beiden folgenden Abschnitten werden zunächst die Besonderheiten der Gemeinschaftsschule an der Ferdinandstraße und daran anschließend die Spezifika der Gemeinschaftsschule am Standort „Wuppertaler Straße“ erläutert. 2.6.1 Ferdinandstraße Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner: – Dr. Agnes Klein (SPD), Leiterin des Dezernats IV – Bildung, Jugend und Sport der Stadt Köln, in Vertretung für Oberbürgermeister Jürgen Roters (schriftliches Interview) – Gisela Manderla (CDU), Vorsitzende des Schulausschusses – Christel Schlott, Dezernentin der Bezirksregierung Köln – Heiner Sürth, Schulleiter der Montessori-Hauptschule Daten zum Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule: 2009: Erarbeitung eines Kurzkonzepts für eine „Schule für alle Kinder“ mit Montessori-Ausrichtung Herbst 2009: stadtweite Elternbefragung bei allen Drittklässlerinnen und Drittklässlern: 66 Prozent wünschen sich längeres gemeinsames Lernen Sommer 2010: Anpassung des bestehenden Kurzkonzepts an den Leitfaden des Schulministeriums zur Errichtung einer Gemeinschaftsschule 22. September 2010: Abschließendes Votum der Schulkonferenz für die Errichtung der Gemeinschaftsschule 14. Dezember 2010: Ratsbeschluss für die Errichtung der Gemeinschaftsschule mehrheitlich gefasst, gleichzeitig sukzessive Auflösung der Montessori-Hauptschule 15. Dezember 2010: Antrag auf Teilnahme am Schulversuch zur Errichtung einer dreizügigen Gemeinschaftsschule ohne eigene Oberstufe, in Kooperation mit der Katharina-Henoth-Gesamtschule und dem Erich-GutenbergBerufskolleg an dem Standort „Ferdinandstraße“ Januar 2011: Genehmigung; die „Gemeinschaftsschule der Sekundarstufe I Köln, Ferdinandstraße“ startete zum Schuljahr 2011/2012 mit 73 Schülerinnen und Schülern Vorgeschichte und kommunale Schulentwicklungsplanung: Wie in dem vorangegangenen Abschnitt erwähnt, war die Gründung einer Gemeinschaftsschule in der Ferdinandstraße keine Notlösung, um die Existenz der Schule zu sichern. Das bestätigt auch Heiner Sürth, Leiter der Montessori-Hauptschule Ferdinandstraße. „Wir hatten haupt- schultypisch einen leichten Schülerrückgang, waren aber nicht gefährdet. Die Idee zur Entwicklung eines Konzepts zum längeren gemeinsamen Lernen kam aus rein pädagogischen Erwägungen.“ Man habe den Eltern, deren Kinder die nahe gelegene Montessori-Grundschule besuchen, eine „Anschlussperspektive“ für ihre Kinder bieten wollen und überlegt, eine Art Montessori-Zentrum zu gründen, erzählt Sürth. „Ich halte es für Unsinn, die Montessori-Pädagogik nur auf die Hauptschule anzuwenden“, sagt er. Folglich habe man sich die Frage gestellt, wie so eine „Schule für alle“ entstehen könne. Deshalb entwarf eine Steuergruppe der Schule gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen, die an Schulentwicklung interessiert waren, bereits 2009 ein Kurzkonzept für eine Montessori-Schule, die die Klassen 1 bis 10 bzw. 1 bis 13 umfasste, um ihre pädagogische Arbeit auf eine breitere Basis zu stellen, so Sürth. Seitens des Schulträgers sei das Signal gekommen, dass vor der Landtagswahl 2010 keine Entscheidung in dieser Sache fallen werde. Nach der Wahl habe sich die Arbeitsgruppe dann noch einmal zusammengesetzt und gesehen, dass die Gemeinschaftsschule, wie sie die rot-grüne Landesregierung plante, „in die Richtung geht, die wir wollen“, so der Rektor. Man habe an dem bestehenden Konzept weitergearbeitet und es in Abstimmung mit dem Schulträger und der Schulaufsicht an den Leitfaden der Landesregierung zur Errichtung der Gemeinschaftsschulen angepasst. Regionale Abstimmungsprozesse und Verfahren der Konsensbildung: Da einige Lehrkräfte sowie die Steuergruppe bereits 2009 ein Konzept für eine „Schule für alle“ erarbeitet hatten und der Schulversuch der „Gemeinschaftsschule“ eine Umsetzung dieses Konzepts erlaubte, fanden sich im Hauptschulkollegium viele Befürworter der Gemeinschaftsschule. „Es gab an der Schule, in der Eltern- und Schülerschaft sowie in den Gremien ein sehr großes positives Echo, weil man die Idee gut fand und sie umsetzen wollte“, beschreibt Schulleiter Sürth die Stimmung und Einstellung gegenüber dem Vorhaben. Die entscheidenden Beschlüsse seien in allen Gremien einstimmig gefasst worden. 31 Christel Schlott von der Bezirksregierung Köln erzählt, dass einige Kolleginnen und Kollegen der aufzulösenden Schule in der Ferdinandstraße davon ausgingen, dass sie komplett in das Kollegium der zukünftigen Gemeinschaftsschule übernommen würden. „Da mussten wir gegensteuern“, sagt die schulfachliche Dezernentin. Man habe erklärt, dass sukzessiv Versetzungen stattfinden könnten, aber dies kein Automatismus sei und auch neue Lehrkräfte an die Schule kommen würden. Einige Lehrkräfte seien darüber „sicher nicht immer fröhlich gewesen“, aber dies sei vor Ort gut aufgefangen worden. Man habe mit den Kolleginnen und Kollegen gesprochen und Fragen geklärt. Schulleiter Sürth sagt, dass dies schon zu einem „gewissen Unmut“ und auch zu Enttäuschungen geführt habe. Wie bereits beschrieben war in Köln aufgrund der Lage der Schule keine Abstimmung mit den Nachbarkommunen erforderlich. Schulleiter Sürth erläutert, dass wegen der Montessori-Ausrichtung die meisten Schülerinnen und Schüler traditionell aus dem rechtsrheinischen Gebiet kämen und nicht nur aus Mühlheim. Folglich habe die Abstimmung mit den Nachbarstadtbezirken oder die benachbarte Schulentwicklung keine Rolle bei der Errichtung der Gemeinschaftsschule gespielt. Prozess der Entwicklung des pädagogischen Konzepts: „Schon seit 40 Jahren arbeitet die Hauptschule nach Montessori-Methoden“, sagt Schulleiter Sürth. Insofern lag dort auch der Schwerpunkt des pädagogischen Konzepts für die Gemeinschaftsschule. Man habe keine Unterstützung durch externe Experten gehabt, sondern die Steuergruppe der Hauptschule sowie einige Kolleginnen und Kollegen hätten das Konzept selbst entwickelt. Aufgrund des engen Zeitrahmens von der Veröffentlichung der Leitlinien bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Antrag eingereicht werden musste, habe man „keine Chance“ gehabt, einen außenstehenden Partner einzubeziehen, erzählt er. Die schulinterne Arbeitsgruppe habe überlegt, wie sie der individuellen Förderung, der Inklusion und den sehr heterogenen Lerngruppen gerecht werden könne, und habe versucht, die zu erwartenden Schülerprofile an die Anforderungen der Landesregierung anzupassen. Christel Schlott, Dezernentin der Bezirksregierung, bestätigt, dass die Kolleginnen und Kollegen der auslaufenden Schule an der Konzepterstellung beteiligt waren. „Die Ferdinandstraße hatte schon ein gutes pädagogisches Konzept erarbeitet, das man akzeptieren konnte“, sagt sie. Die Hilfe seitens der Bezirksregierung hält Schulleiter Sürth für zentral: Die professionelle und intensive Unterstützung der Bezirksregierung und der Schulträger sei wichtig, weil die Errichtung einer solchen Schule ein anstrengender und anspruchsvoller Prozess sei, so der Schulleiter. Im Januar 2011 erhielt Köln die Genehmigung für die Errichtung der Schule. Am 8. September 2011 wurden 71 Kinder an der „Gemeinschaftsschule der Sekundarstufe I Köln, Ferdinandstraße“ eingeschult. Parallel dazu nimmt die Montessori-Hauptschule keine neuen Schülerinnen und Schüler mehr auf und läuft sukzessive aus. In der folgenden Tabelle sind die für den Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule in der Ferdinandstraße in Köln relevanten Faktoren noch einmal zusammengefasst: Elternumfrage 52,5 Prozent Zustimmung Votum der Schulkonferenz der Hauptschule Ja, einstimmig Votum der Schulkonferenz der Realschule Keine Realschule beteiligt Externe pädagogische Experten Nein Externe Experten für Schulentwicklungsplanung Nein Auspendlerquote, bezogen auf den fünften Jahrgang im Schuljahr 2010/2011 Fällt wegen der Größe der Stadt weg Prognostizierte Veränderungen der Schülerzahlen des fünften Jahrgangs nach der Schulentwicklungsplanung vom Schuljahr 2010/2011 bis 2015/2016 Anstieg um rund 10 Prozent Raumangebot Ausreichend Konsens mit Nachbarkommunen Keine Abstimmung nötig, weil Nachbarkommunen wegen der Lage im Stadtzentrum nicht betroffen sind Beteiligte Schulformen Hauptschule Gemeinschaftsschule als letzte öffentliche weiterführende Schule vor Ort Nein 32 2.6.2 Wuppertaler Straße Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner: – Dr. Agnes Klein (SPD), Leiterin des Dezernats IV Bildung, Jugend und Sport der Stadt Köln, in Vertretung für Oberbürgermeister Jürgen Roters (schriftliches Interview) – Gisela Manderla (CDU), Vorsitzende des Schulausschusses – Christel Schlott, Dezernentin der Bezirksregierung Köln – Matthias Braunisch, kommissarischer Schulleiter (von April 2011 bis Sommer 2012, also nach der Antragstellung, an der Schule) – Monika Raabe, ehemalige Lehrerin an der Hauptschule Wuppertaler Straße (während der Phase der Antragstellung an der Schule) Daten zum Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule: Herbst 2009: stadtweite Elternbefragung bei allen Drittklässlerinnen und Drittklässlern: 66 Prozent wünschen sich längeres, gemeinsames Lernen Sommer 2010: Erste Überlegungen auf Teilnahme am Schulversuch 13. Juli 2010: Ratsbeschluss, dass die Hauptschule Wuppertaler Straße zum 31. Juli 2011 geschlossen wird 2. November 2010: Abschließendes Votum der Schulkonferenz für die Errichtung einer Gemeinschaftsschule 14. Dezember 2010: Ratsbeschluss für die Errichtung der Gemeinschaftsschule mehrheitlich gefasst 15. Dezember 2010: Antrag auf Teilnahme am Schulversuch zur Errichtung einer dreizügigen Gemeinschaftsschule ohne eigene Oberstufe, in Kooperation mit dem Genoveva-Gymnasium und dem Erich-Gutenberg-Berufskolleg an dem Standort „Wuppertaler Straße“ Januar 2011: Genehmigung; die „Gemeinschaftsschule der Sekundarstufe I Köln, Wuppertaler Straße“ startete zum Schuljahr 2011/2012 mit 75 Schülerinnen und Schülern Vorgeschichte und kommunale Schulentwicklungsplanung: Wie in dem einleitenden Abschnitt erläutert, müssen in Köln aufgrund der zurückgehenden Schülerzahlen im Hauptschulbereich einige Hauptschulen geschlossen werden. Die Hauptschule Wuppertaler Straße ist eine der betroffenen Schulen. Sie sollte zum 31. Juli 2011 wegen zu geringer Schülerzahlen geschlossen werden, erzählt Monika Raabe, ehemalige Lehrerin und stellvertretende Leiterin der Hauptschule. Sie bestätigt, dass parallel zu dem Schülerrückgang an der Hauptschule auch das längere gemeinsame Lernen immer stärker nachgefragt wird. „In Köln gibt es zahlreiche Gesamtschulen, und dennoch gibt es an einigen Gesamtschulen einen deutlichen Überhang“, berichtet Pädagogin Raabe. Laut der Schulentwicklungsplanung sind in den vergangenen Jahren zwischen 600 und 900 Schülerinnen und Schüler an dieser Schulform abgelehnt worden. Die Hauptschule Wuppertaler Straße liegt im Stadtteil Buchheim. Nach Aussage des im Schuljahr 2011/2012 kommissarisch bestellten Schulleiters der Gemeinschaftsschule Matthias Braunisch ging es „in diesem schwierigen Stadtteil darum, eine Schule zu etablieren, die die pädagogischen Herausforderungen, die durch die Schülerinnen und Schüler in diesem schwierigen sozialen Umfeld entstehen, wahrnimmt und in Zusammenarbeit mit den im Stadtteil ansässigen Institutionen und Vereinen in eine Kontinuität überführt.“ Das bestätigt auch die ehemalige Hauptschullehrerin Raabe, die bis zum Ende des Schuljahres 2010/2011 an der Schule tätig war. „Wir wollten eine Stadtteilschule aufbauen“, sagt sie. Dabei sei es darum gegangen, mit Einrichtungen vor Ort zusammenzuarbeiten. „Wir haben bei der Konzeption der Schule überlegt, wie wir die gut funktionierenden Strukturen nutzen und gewinnbringend einsetzen können.“ Raabe erklärt gleichzeitig, dass es ein eher pragmatischer Gedanke war, nach dem Motto: Die Hauptschule würde sowieso schließen und nun habe man die Chance, etwas Neues aufzubauen. Regionale Abstimmung und Verfahren der Konsensbildung: Über die Gemeinschaftsschule wurde auch in dem Kollegium der von der Schließung betroffenen Hauptschule gesprochen. In der Schulkonferenz am 2. November 2010 wurde einstimmig der Beschluss zur Errichtung einer Gemeinschaftsschule am Standort der Hauptschule in der Wuppertaler Straße gefasst. „Allerdings sind viele Kollegen mit der Schließung der Schule in Pension gegangen oder hatten bereits Versetzungsanträge gestellt“, erzählt Raabe. Schulleiter Braunisch bestätigt, dass die „Lehrer der Hauptschule in der Entwicklung der Schule im Prinzip keine Rolle gespielt haben“, abgesehen von Pädagogin Raabe und den Leitern umliegender Grundschulen. Dass keine Lehrkräfte der Hauptschule an der neuen Gemeinschaftsschule übernommen wurden, habe die Stimmung in den Kollegien schon gebremst, räumt Braunisch ein. „Man hatte sich bemüht, etwas auf die Beine zu stellen, aber ohne eine Perspektive in der neuen Schule zu haben, war das nicht immer leicht“, sagt Raabe. Sehr gut war die Stimmung hingegen bei den Institutionen, die im Sinne der Stadtteilschule ebenfalls eng in den Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule eingebunden waren. „Es war ein Aufbruch zu spüren, weniger bei den Eltern, sondern bei den Vereinen und Einrichtungen im Stadtteil“, erzählt Braunisch. Auch die Reaktionen seitens der umliegenden Grundschulen seien positiv gewesen. Dort war man – sagt der Schulleiter – der Ansicht, dass etwas „Neues mit neuen Ideen und Lehrkräften und nicht etwas Altbackenes“ käme. Von dort habe er auch die Rückmeldung bekommen, dass die Kinder vor Ort in der Gemeinschaftsschule „eine Heimat finden, und die pädagogische Arbeit in der Schule begonnen und in den Institutionen, Sportvereinen und Einrichtungen, etwa der Diakonie, kontinuierlich weitergeführt wird“. Dies hätten auch die Eltern so gesehen. 33 Schulleiter Braunisch erzählt, dass es gute Kooperationen mit den umliegenden Grundschulen gebe und die Gesamtschule Holweide Patenschule sei. „Das war schon in vielerlei Hinsicht eine Unterstützung“, resümiert er, ganz gleich, ob es um fehlende Zeugnisformulare oder Hilfe bei der Stunden- und Unterrichtsverteilung ging. Braunisch: „Überall, wo es schul- und verwaltungsrechtliche Dinge zu besprechen gab, konnte ich mich mit der Patenschule kurzschließen.“ Prozess der Entwicklung des pädagogischen Konzepts: „Frau Raabe und drei bis vier Schulleitungen benachbarter Grundschulen waren die tragenden Stützen und haben das Konzept erarbeitet“, sagt Schulleiter Braunisch. „Bei der Entwicklung des pädagogischen Konzepts haben wir auch geschaut, was wir von anderen Konzepten adaptieren können“, erzählt Pädagogin Raabe. So habe man zum Beispiel auf das Konzept der Profilschule Ascheberg und die Konzepte einiger Kölner Gesamtschulen Bezug genommen. Externe pädagogische Experten seien nicht dabei gewesen, so die Lehrerin. Braunisch hat gemeinsam mit der damaligen Schulleiterin noch weiter an der Konzeption gefeilt. Da er im Rahmen seiner vorherigen Tätigkeit als Fach- und Hauptseminarleiter an einem Studienseminar die Gelegenheit hatte, zahlreiche Schulen wie beispielsweise das Institut Beatenberg in der Schweiz, die Max-Brauer-Schule in Hamburg, die Helene-Lange-Schule in Wiesbaden und die Integrierte Gesamtschule Hamm/Sieg zu besuchen, hat dies auch Einfluss auf die Konzeption genommen. Auch die Arbeiten von Journalist und Filmemacher Reinhard Kahl hätten ihn inspiriert, betont Braunisch. Im pädagogischen Konzept stehen neben der Inklusion auch die Orientierung an Stärken sowie fächerübergreifende Lernarrangements mit selbstständigem Lernen im Vordergrund. Seitens der Schulaufsicht gab es Unterstützung, mit der Schulleiter Braunisch sehr zufrieden ist. „Wir haben die Unterstützung, die wir eingefordert haben, bekommen und das in sehr angenehmer Weise“, sagt er und fährt fort: „Da gab es nichts, was wir kritisieren könnten.“ Im Nachhinein betrachtet wäre nur noch ein komplett durchgängiges Coaching nützlich gewesen, sagt Braunisch. „Manchmal ist man selbst in den eigenen Gedanken gefangen, und da wäre es hilfreich, bei dem für die Schulentwicklung wichtigen Prozess einen Perspektivwechsel einzunehmen, den man selbst nicht immer hinbekommt“, erklärt er. Seiner Meinung nach braucht man für solche Vorhaben wie die Gründung einer Gemeinschaftsschule „Keimzellen“ und „Überzeugungstäter, die für bestimmte Ideale einstehen“. Während man im Stadtteil Lindenthal wahrscheinlich eher für das „Ideal Gymnasium“ eintrete, sei es in einem ganz schwierigen, herausfordernden Stadtteil wie Buchheim, in dem die Menschen nicht alles aus sich heraus gestalten könnten und einen Anstoß bräuchten, wichtig, dass es Menschen mit Idealen gebe. Dies habe gut funktioniert. Die Menschen mit Idealen würden Entwicklungsprozesse anstoßen. Braunisch: „Denn nur dann kann etwas Neues entstehen.“ Im Januar 2011 erhielt Köln die Genehmigung für die neue Schule. Am 8. September 2011 wurden 71 Kinder an der „Gemeinschaftsschule der Sekundarstufe I Köln, Wuppertaler Straße“ eingeschult. Die Hauptschule wurde zum 31. Juli 2011 planmäßig geschlossen. In der folgenden Tabelle sind die für den Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule in der Wuppertaler Straße in Köln relevanten Faktoren noch einmal zusammengefasst: Elternumfrage 52,5 Prozent Zustimmung Votum der Schulkonferenz der Hauptschule Ja, einstimmig Votum der Schulkonferenz der Realschule Keine Realschule beteiligt Externe pädagogische Experten Nein Externe Experten für Schulentwicklungsplanung Nein Auspendlerquote, bezogen auf den fünften Jahrgang im Schuljahr 2010/2011 Fällt wegen der Größe der Stadt weg Prognostizierte Veränderungen der Schülerzahlen des fünften Jahrgangs nach der Schulentwicklungsplanung vom Schuljahr 2010/2011 bis 2015/2016 Anstieg um rund 10 Prozent Raumangebot Muss sukzessive erweitert werden Konsens mit Nachbarkommunen Keine Abstimmung nötig, weil Nachbarkommunen wegen der Lage im Stadtzentrum nicht betroffen sind Beteiligte Schulformen Hauptschule Gemeinschaftsschule als letzte öffentliche weiterführende Schule vor Ort Nein 34 2.7 Langenberg Grunddaten: geografische Lage: Langenberg ist eine kreisangehörige Gemeinde im Kreis Gütersloh Einwohner: 8.500 Nachbarkommunen: Rheda-Wiedenbrück, Rietberg, Wadersloh und Oelde (beide Kreis Warendorf) und Lippstadt (Kreis Soest) Schülerzahlen und Schulangebot im Schuljahr 2010/2011: Daten zum Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule: Insgesamt: 675 Schülerinnen und Schüler 28. Oktober 2010: Steuerungsgruppe der Schule gibt den Auftrag an die Lehrerkonferenz, ein Konzept zu entwickeln 16. Dezember 2010: Ratsbeschluss zur Errichtung der Gemeinschaftsschule, gleichzeitig sukzessives Auslaufen der Konrad-Adenauer-Haupt- und -Realschule im Organisatorischen Verbund 17. Dezember 2010: Antrag zur Errichtung einer dreizügigen und inklusiv arbeitenden Gemeinschaftsschule, ohne eigene Oberstufe, in Kooperation mit dem Ems-Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung des Kreises Gütersloh in Rheda-Wiedenbrück, dem Gymnasium Johanneum Wadersloh und Einstein-Gymnasium Rheda-Wiedenbrück, an dem Standort der existierenden Verbundschule 31. Januar 2011: Genehmigung; die „Gemeinschaftsschule Langenberg der Sekundarstufe I“ startete zum Schuljahr 2011/2012 mit 70 Schülerinnen und Schülern Primarstufe: zwei Grundschulen: 377 Schülerinnen und Schüler Schmeddingschule: 116 Schülerinnen und Schüler Brinkmannschule: 261 Schülerinnen und Schüler Sekundarstufe: I eine weiterführende Schule Konrad-Adenauer-Verbundschule: 298 Schülerinnen und Schüler Ratszusammensetzung (Stand: 22. Dezember 2010): – Bürgermeisterin Susanne Mittag (UWG) – Fraktion der CDU: 11 – Fraktion der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG): 9 – Fraktion der SPD: 3 – Fraktion der FDP: 2 – Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: 1 Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner: – Susanne Mittag (UWG), Bürgermeisterin – Norbert Heinrichsmeier (UWG), Vorsitzender des Schulausschusses – Hildegard Tittel, Dezernentin der Bezirksregierung Detmold – Anette Drescher (ehemals Westhoff), Schulleiterin Vorgeschichte und kommunale Schulentwicklungsplanung: Langenberg ist eine Gemeinde, deren Hauptschule sich seit Jahren in einem Reformprozess befindet. Sie wurde 2009 durch Neugründung eines Realschulzweiges zur Verbundschule, die parallel zum Aufbau der Gemeinschaftsschule ab dem Schuljahr 2011/2012 ausläuft. Die Kommune ist die einzige Gemeinde mit Verbundschule, die einen Antrag für eine Gemeinschaftsschule gestellt hat. Die rückläufigen Schülerzahlen der letzten Jahre zwangen die Gemeinde Langenberg perspektivisch eine Lösung für ihre Hauptschule zu finden. Die kleine Kommune ist die südlichste des Kreises Gütersloh und hat neben zwei Grundschulen nur eine einzige weiterführende Schule im Ort. „Uns Politikern war klar, dass etwas passieren musste, 35 als es nur noch gut 30 Kinder pro Jahrgang in der Hauptschule gab“, sagt Norbert Heinrichsmeier, Vorsitzender des Schulausschusses der Gemeinde. So führte die Kommune bereits 2006 den gemeinsamen Unterricht für Kinder mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf ein und zwei Jahre später (2008) den Ganztagsunterricht. Die Schule entwickelte sich damit zwar qualitativ weiter, aber – entgegen den Hoffnungen – änderte sich das Wahlverhalten der Eltern nicht wesentlich. „Viele Jahre haben die Eltern etwa gleichgewichtig zwischen den Schulformen gewählt“, sagt Bürgermeisterin Susanne Mittag. In den letzten Jahren hätten sich die Vorstellungen der Eltern für ihre Kinder aber immer mehr in Richtung Gymnasien und Realschulen verschoben. 2009 ergriff die Gemeinde schließlich die zu diesem Zeitpunkt einzige schulrechtlich vorhandene Gelegenheit und erweiterte die Hauptschule durch Neugründung eines Realschulzweiges zu einer Schule im Organisatorischen Verbund der Sekundarschule I. Die Verbundschule startete mit einer Besonderheit. „Wir wollten, dass die Schüler länger gemeinsam lernen, und haben auf Antrag für die Verbundschule eine Sondergenehmigung für den gemeinsamen Unterricht von Real- und Hauptschülern in den fünften und sechsten Jahrgangsstufen erhalten“, sagt Schulleiterin Anette Drescher, bis 2011 Schulleiterin der Verbundschule und seitdem Leiterin der Gemeinschaftsschule. Außer in Deutsch, Mathematik und Englisch durften die Schülerinnen und Schüler der Verbundschule somit schon seit 2009 gemeinsam in der Erprobungsstufe unterrichtet werden. Dabei setzte sich das Kollegium ehrgeizige Ziele: Es wollte beweisen, dass damit höhere Übergangsquoten erreicht werden als mit dem schulformgetrennten Unterricht. Offenbar ist das gelungen. Schulleiterin Drescher sagt: „In der Erprobungsstufe haben sich bereits circa 25 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit Hauptschulempfehlung auf Realschulniveau verbessert“. Mit diesem positiven Ergebnis war der Funke im Kollegium gezündet und die Lehrkräfte mussten nur noch auf die schulrechtlichen Veränderungen aus dem Düsseldorfer Schulministerium warten, um ihre weitergehenden Ideen zum gemeinsamen Lernen umsetzen zu dürfen. Als es dann im Herbst 2010 tatsächlich möglich wurde, eine Gemeinschaftsschule zu gründen, gaben die Lehrkräfte den Anstoß für den Antrag. Das Ziel war klar: Sie wollten eine Schule für alle Kinder am Ort, sagt Schulleiterin Drescher. Aber nicht nur die Lehrkräfte waren aktiv, auch die Kommune zog mit. Langenberg sollte auch zukünftig als Wirtschafts- und Lebensstandort attraktiv bleiben und dazu gehört eine moderne und intakte Schullandschaft, sagt Bürgermeisterin Mittag. „Unser erklärtes politisches Ziel war und ist es, unseren Kindern ein gutes Schulangebot von der ersten bis zum Ende der zehnten Klasse in unserer Gemeinde zu bieten. Mit der Gemeinschaftsschule können alle Kinder – egal welche Empfehlung sie von der Grundschule bekommen – vor Ort zur Schule gehen und länger gemeinsam lernen. Das hat auch Auswirkungen auf die Freizeitgestaltung, die dann vermehrt in der Gemeinde stattfindet, in der die Kinder auch wohnen. Auch für den Übergang von Schule in den Beruf ist eine weiterführende Schule vor Ort von großer Bedeutung. Durch die enge Zusammenarbeit mit der heimischen Wirtschaft konnten große Erfolge bei der Suche nach passgenauen Ausbildungsplätzen auf der einen Seite und qualifizierten Auszubildenden auf der anderen Seite erzielt werden.“ Prozess politischer Willensbildung vor Ort: Für die politischen Gremien sei die Idee zum Antrag keine Überraschung gewesen, erklärt Schulausschussvorsitzender Heinrichsmeier. „Nach der Gründung der Verbundschule war keine Reformmüdigkeit an der Schule zu spüren“, so der Ratsherr. Während es bei der Verbundschule von vornherein ein Einvernehmen unter den Fraktionen gab, so wurden bei der Gemeinschaftsschule doch unterschiedliche Sichtweisen deutlich. Diskussionen habe es zwar einige gegeben, erklärt Bürgermeisterin Mittag, letztendlich habe sich der Rat der Gemeinde aber überzeugen lassen, da das Schulkollegium so hinter den Plänen gestanden habe, „dass man sich gar nicht dagegenstellen konnte.“ Motor der Entwicklung war die Schule. Schulleitung, Lehrerkollegium, aber auch Eltern der Verbundschule haben diesen Entwicklungsprozess Schritt für Schritt vorangetrieben. Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung der Idee war die frühzeitige Einbindung der Verwaltung und der politischen Gremien. Natürlich haben sich im Rat Nachfragen ergeben, beispielsweise, wie eine Schule des gemeinsamen Lernens mit der Vielfalt an Begabungen ihrer Schülerschaft umgeht. Auch von Elternseite gab es viel Klärungsbedarf: „Für Eltern ist es wichtig, dass die Lehrerschaft insgesamt hinter einer solchen Idee steht, damit sie ihr Vertrauen schenken können“, sagt die Schulleiterin. „Wir haben uns viel Zeit im Vorfeld genommen, um die Eltern der zukünftigen Schülerinnen und Schüler zu informieren und aufzuklären.“ Mit eingebunden in diesen Prozess waren auch die Lehrerinnen und Lehrer der Grundschulen. Die Eltern waren auch für den Schulausschussvorsitzenden Heinrichsmeier der größte Unsicherheitsfaktor. „Es war erst mal recht schwierig herauszufinden, was die Eltern wollen“, sagt er. Nach der schriftlichen Elternbefragung und Informationsabenden wussten die Verantwort- 36 lichen aber, dass die Eltern dem Projekt positiv gegenüberstehen. Über 70 Prozent der Eltern der befragten Viertklässlerinnen und Viertklässler haben sich dabei für die Gemeinschaftsschule entschieden. Bei den Eltern der Drittklässlerinnen und Drittklässler waren es etwas weniger. Folglich konnte die Gemeinde damit rechnen, die Mindestschülerzahl zu erreichen. „Ich glaube, es hat vertrauensbildend gewirkt, dass wichtige Entwicklungsschritte in der Vergangenheit bereits erfolgreich von der Schule umgesetzt werden konnten“, sagt Schulleiterin Drescher. Als einzige Unsicherheit für alle Beteiligten blieb die Frage, ob die Gemeinschaftsschule die benötigten Anmeldezahlen tatsächlich erreichen würde, um zustande zu kommen. Regionale Abstimmungsprozesse und Verfahren der Konsensbildung: Während das Kollegium der Verbundschule sich einstimmig für das Vorhaben aussprach, beurteilten die Nachbarkommunen die Idee zur Gründung der Gemeinschaftsschule unterschiedlich. So wünschte die Gemeinde Rietberg zur Absicherung ihrer dortigen Hauptschule die Zusage, dass in Langenberg keine Kinder aus Rietberg aufgenommen werden. Rietberg habe aber nicht dargelegt, inwiefern von der Gemeinschaftsschule eine Gefährdung ihrer Hauptschule ausgehen könnte, heißt es in der offiziellen Genehmigung des Ministeriums. Einwendungen habe auch die private Marienschule in Lippstadt erhoben. Das sei aber unbeachtlich, wie aus der Genehmigung hervorgeht, da es sich dabei nicht um einen öffentlichen Schulträger handele. Bürgermeisterin Mittag bemerkt dazu, dass die Errichtung des neuen Realschulzweiges in Langenberg im Jahr 2009 der Schritt mit den größeren Auswirkungen auf die Schullandschaft der Nachbarkommunen gewesen sei, aber ein Jahr später – bei der Gründung der Gemeinschaftsschule – habe es deutlich mehr Gesprächsbedarf mit den Nachbarkommunen gegeben. Zu einem Konflikt kam es wegen der Frage der Schülerbeförderungskosten mit einer Nachbargemeinde. Diese warf die Frage auf, ob die Gemeinschaftsschule nicht als Realschule anzusehen sei und sie deshalb die Fahrtkosten der Schülerinnen und Schüler aus Langenberg zu einer Realschule der Nachbarkommune nicht tragen müsste. Langenberg war anderer Ansicht. Entschieden wurde letztlich zu ihren Gunsten. Die Bezirksregierung Detmold hat in Abstimmung mit dem nordrhein-westfälischen Schulministerium keinen Zweifel daran gelassen, dass die Gemeinschaftsschule nur im Rahmen eines Schulversuchs errichtet werden kann und daher keine Schulform in Sinne von § 9 Schülerfahrtkostenverordnung darstellt. Sie kann im Bereich der Sekundarstufe I nicht mit der einer Hauptoder Realschule oder eines Gymnasiums gleichgesetzt werden. Daher musste die Nachbarkommune die Fahrtkosten der Schülerinnen und Schüler aus Langenberg tragen. Prozess der Entwicklung des pädagogischen Konzepts: „Unsere Vorbilder bei der Konzeptentwicklung waren etwa die Montessori-Schule Potsdam oder die Max-BrauerSchule aus Hamburg“, erzählt Schulleiterin Drescher. Auch nach Ascheberg und Billerbeck habe man geschaut, auf die Gemeinden in der westfälischen Nachbarschaft, die schon länger dabei waren, eine Gemeinschaftsschule zu planen. Das Konzept wurde von der Schule selbst entwickelt und dokumentiert. Die schulfachliche Dezernentin der Bezirksregierung, Hildegard Tittel, war von dem Konzept schnell überzeugt, auch wenn es einige Besonderheiten aufwies. Sie habe das Konzept erst im Dezember zu sehen bekommen. „Das war überraschend, da im Vorfeld keine Beratungen stattgefunden hatten“, sagt sie. Hinzu sei die nicht optimal gespreizte Heterogenität der voraussichtlichen Schülerschaft gekommen. „Die Mischung war gerade so hinreichend.“ Die Dezernentin beurteilt diesen Faktor aber im Nachhinein milde und führt dazu aus: „Die Schulleiterin Frau Drescher beherrscht das Fordern und Fördern so gut, dass ich ihr zugetraut habe, trotz dieser Ausgangsbedingungen die gymnasialen Standards einzuhalten.“ Außerdem müsse man Grundschulempfehlungen im ländlichen Raum anders beurteilen als in einer Stadt. Eine Note „Drei“ auf dem Land sei unter Umständen vergleichbar mit einer Note „Zwei“ in der Stadt. Darüber hinaus durfte Langenberg auf der Grundlage entsprechender Vereinbarungen auch Kinder aus Nachbarkommunen aufnehmen. Drescher bemühte sich bei der Entwicklung des Konzepts, die Eltern nicht aus dem Blick zu verlieren. Sie müssten immer nachvollziehen können, was geplant werde und in den Entwicklungsprozess eingebunden sein. Es sei zwar befriedigend, aber nicht einfach, immer wieder für Neuerungen zu kämpfen, gibt Drescher im Nachhinein unumwunden zu. „Wir wünschen uns, dass es mehr Schulen des gemeinsamen Lernens gibt, damit es für alle selbstverständlicher wird und somit auch für uns einfacher.“ Dezernentin Tittel sieht das ähnlich und ist froh über die aktive Rolle der Langenberger. Sie hat auch andere Erfahrungen gemacht. „Andere Bürgermeister scheitern daran, wenn sie sich zu spät umorientieren.“ Es kommt vor, dass es nicht mehr klappt, die Schülerströme, die sich schon von der Gemeinde wegbewegt haben, wieder zurückzulenken. Die „Gemeinschaftsschule Langenberg der Sekundarstufe I“ startete zum Schuljahr 2011/2012 mit 70 Schülerinnen und Schülern. Parallel dazu nimmt die Verbundschule keine neuen Kinder mehr auf und läuft sukzessive aus. 37 In der folgenden Tabelle sind die relevanten Faktoren für den Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule in Langenberg noch einmal zusammengefasst: Elternumfrage 67 Prozent Zustimmung Votum der Schulkonferenz der Hauptschule/ hier als Teil der Verbundschule Ja, einstimmig Votum der Schulkonferenz der Realschule/ hier als Teil der Verbundschule Ja, einstimmig Externe pädagogische Experten Nein Externe Experten für Schulentwicklungsplanung Nein Auspendlerquote, bezogen auf den fünften Jahrgang im Schuljahr 2010/2011 45 Prozent Prognostizierte Veränderungen der Schülerzahlen des fünften Jahrgangs nach der Schulentwicklungsplanung vom Schuljahr 2010/2011 bis 2015/2016 Rückgang um 4 Prozent Raumangebot Muss erweitert werden Konsens mit Nachbarkommunen Ja, von Anfang an Beteiligte Schulformen Verbundschule Gemeinschaftsschule als letzte öffentliche weiterführende Schule vor Ort Ja 38 2.8 Lippetal Grunddaten: geografische Lage: Lippetal ist eine kreisangehörige Gemeinde im Kreis Soest Einwohner: circa 12.300 Nachbarkommunen: Bad Sassendorf, Beckum (Kreis Warendorf), Hamm, Lippstadt, Soest, Welver sowie Wadersloh, Beckum und Ahlen (alle drei Kreis Warendorf) Schülerzahlen und Schulangebot im Schuljahr 2010/2011: Daten zum Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule: Insgesamt: 1.284 Schülerinnen und Schüler 9. September 2010: gemeinsamer Antrag aller Ratsfraktionen zur Weiterentwicklung der Schullandschaft 27. September 2010: Erste Gespräche im Rat zur Prüfung der Weiterentwicklung der Schullandschaft 8. November 2010: Ratsbeschluss zur Errichtung der Gemeinschaftsschule, gleichzeitig laufen die Realschule Lippetal und die Hermann-Thormilten Hauptschule sukzessive aus 30. November 2010: Antrag zur Errichtung einer fünfzügigen Gemeinschaftsschule, mit eigener Oberstufe, an einem Standort, in zwei unmittelbar nebeneinanderliegenden Gebäuden 20. Januar 2011: Genehmigung; die „Lippetalschule – Gemeinschaftsschule der Gemeinde Lippetal“ startete zum Schuljahr 2011/2012 mit 144 Schülerinnen und Schülern Primarstufe: drei Grundschulen: 502 Schülerinnen und Schüler Katholische Grundschule Herzfeld: 204 Schülerinnen und Schüler Katholische Grundschule Lippborg: 165 Schülerinnen und Schüler Katholische Grundschule Oestinghausen: 133 Schülerinnen und Schüler Sekundarstufe: zwei weiterführende Schulen: 782 Schülerinnen und Schüler Hermann-Thormilten-Hauptschule: 240 Schülerinnen und Schüler Realschule Lippetal: 542 Schülerinnen und Schüler Ratszusammensetzung (Stand: 22. Dezember 2010): – Bürgermeister Matthias Lürbke (parteilos) – Fraktion der CDU: 18 – Fraktion der SPD: 8 – Fraktion der Bürgergemeinschaft (BG): 4 Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner: – Matthias Lürbke (parteilos), Bürgermeister – Michael Rennekamp (SPD), Vorsitzender des Schulausschusses – Ulrike Schulz, Dezernentin der Bezirksregierung Arnsberg – Erich Zajac, Schulleiter Vorgeschichte und kommunale Schulentwicklungsplanung: In Lippetal, einer westfälischen Gemeinde mit 12.300 Einwohnern, diskutierte man schon seit 2008 darüber, wie das Schulangebot im Ort weiterentwickelt werden kann. „Wir rechneten bereits seit Jahren damit, dass die Hauptschule nur noch einzügig angeboten werden konnte“, sagt der frühere Realschulleiter Erich Zajac, der heute die Gemeinschaftsschule leitet. Parallel dazu erarbeitete die Verwaltung die kommunale Schulentwicklungsplanung, die zu dem Ergebnis kam, dass die Gemeinde etwas tun kann, um die Schullandschaft in Lippetal weiterzuentwickeln. „Die zurückgehenden Geburtenzahlen machten uns dabei zu schaffen. Hatten wir 2002 noch rund 200 Grundschüler pro Jahrgang, haben wir heute nur noch rund 140“, erklärt Bürgermeister 39 Matthias Lürbke. Die Schulentwicklungszahlen zeigen deutlich: Immer weniger Schülerinnen und Schüler werden in Lippetal geboren, und von ihnen besuchen nur noch rund 45 Prozent die Lippetaler Schulen der Sekundarstufe I. Alle übrigen pendeln zu Gymnasien und Gesamtschulen in die Nachbargemeinden. Für Schulleiter Zajac waren aber nicht nur die zurückgehenden Schülerzahlen ausschlaggebend. Eine wichtige Motivation war, für mehr soziale Chancengleichheit zu sorgen. „Wir dürfen nicht länger ein Drittel der Schülerinnen und Schüler an den Rand drängen.“ Zajac sagt: „Wir wollten eine Schule für alle Schüler, bei der wir niemanden mehr ablehnen oder aussortieren müssen.“ Schon unter der Landesregierung, die bis zum Sommer 2010 im Amt war, hatte die Kommune deshalb bereits mehrfach angefragt, inwieweit sich ihre Schullandschaft weiterentwickeln könne. Allerdings konnten zur damaligen Zeit der Gemeinde keine Wege eröffnet werden. Die damals einzige schulpolitische Möglichkeit, die Verbundschule, sei nicht infrage gekommen, sagt Bürgermeister Lürbke. Alternativ eine Gesamtschule oder ein Gymnasium zu gründen, sei wegen der zu geringen Schülerzahlen ebenfalls nicht möglich gewesen. Weil die Hauptschule gleichzeitig generell immer weniger nachgefragt wurde, befand sich die Gemeinde in einer Zwickmühle. „Hätten wir nichts gemacht, hätten immer mehr Eltern ihre Kinder an den Gesamtschulen der Nachbargemeinden oder an der Realschule angemeldet“, vermutet Lürbke. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Landesregierung die Möglichkeit des Schulversuchs eröffnete, waren den Lippetaler Fachleuten die Hände gebunden. Prozess politischer Willensbildung vor Ort: Bürgermeister Lürbke hielt während dieser Zeit immer den Kontakt mit den Schulleitern des Ortes, und als die neue Landesregierung im Herbst 2010 die Errichtung einer Gemeinschaftsschule ermöglichte, lud er alle Fraktionen zu Gesprächen ein. Den Prozess der politischen Willensbildung habe vor allem der Bürgermeister vorangetrieben, bestätigt der Vorsitzende des Schulausschusses, Michael Rennekamp. Anschließend hätten die drei Ratsfraktionen ihm den Auftrag gegeben, die Möglichkeiten zu analysieren. Die Beratungen seien überraschend einfach gewesen, wundert sich Rennekamp noch heute, dessen eigene Partei, die SPD, sowieso für die Gemeinschaftsschule war. „Die örtliche CDU hat eine enorme Wandlung durchgemacht.“ Im Schulausschuss wurde natürlich diskutiert. Vor allem das kooperative System, das im Konzept ab der siebten Jahrgangsstufe als Möglichkeit vorgesehen ist, sei ein Thema gewesen. Als der Rat sich schließlich für die Gemeinschaftsschule entschied, habe es zunächst politischen Gegenwind auf Landesebene gegeben. „Davon ha- ben wir uns aber nicht irritieren lassen“, sagt Lürbke. Die Lokalpolitiker hätten sich pragmatisch verhalten. Der mehrheitlich gefasste Ratsbeschluss für die Errichtung einer Gemeinschaftsschule fiel am 8. November 2010. Regionale Abstimmungsprozesse und Verfahren der Konsensbildung: Die Kollegien der Haupt- und der Realschule entschieden sich beide mehrheitlich für das Projekt. Auch zwischen der Gemeinde Lippetal und ihren Nachbarkommunen gab es keine Konflikte. Aber es habe enormen Abstimmungsbedarf gegeben, sagt die schulfachliche Dezernentin der Bezirksregierung Arnsberg, Ulrike Schulz. Denn Schülerinnen und Schüler aus der Nachbargemeinde Bad Sassendorf wollten ebenfalls die Gemeinschaftsschule in Lippetal besuchen, obwohl eigentlich nur der Besuch von Lippetaler Kindern vorgesehen war, um eine Konkurrenz zwischen den Gemeinden zu vermeiden. Für Lippetal war dies kein Problem, für die Bad Sassendorfer aber umso mehr. Schließlich hatte die Kommune erst kürzlich in ein neues Gebäude ihrer Hauptschule investiert, das vermutlich zukünftig leer stehen werde, berichtet Schulausschussvorsitzender Rennekamp und zeigt Verständnis für das Verhalten der Nachbarn. Die Absicht der Gemeinde Bad Sassendorf, Kindern ihrer Gemeinde den Besuch der Gemeinschaftsschule Lippetal nicht zu ermöglichen, erntete Protest der Sassendorfer Eltern. „Mein Kollege hat mich angerufen und mich darum gebeten, diese Sassendorfer Kinder doch noch aufzunehmen. Wir brauchten dafür eine Sondergenehmigung. Als wir die bekamen, haben wir die Kinder aufgenommen“, sagt Bürgermeister Lürbke. Neben den Lokalpolitikerinnen und -politikern sowie den Nachbarkommunen waren die Eltern die wichtigste Personengruppe für den Erfolg des Projekts. Die Kommune organisierte einen Elterninformationsabend, an dem auch Vertreter des Schulministeriums und der Bezirksregierung Arnsberg teilnahmen, um die Eltern über die entsprechenden Rahmenbedingungen auf Landesebene zu informieren. In den folgenden Wochen führte die Kommune, wie vom Ministerium vorgesehen, eine schriftliche Elternbefragung unter den Erziehungsberechtigten der Dritt- und Viertklässlerinnen und -klässler durch. Die Ergebnisse bestätigten Zajacs Eindruck: 85 Prozent der Eltern fanden die Gemeinschaftsschule gut. Wie die Anmeldezahlen später zeigten, war die Überzeugung offenbar nachhaltig. Selbst viele Eltern, deren Kinder eine Gymnasialempfehlung vorweisen konnten, schickten ihre Kinder auf die Gemeinschaftsschule. Schulausschussvorsitzender Rennekamp glaubt, dass der kürzere Schulweg eines der entscheidenden Argumente für viele Eltern gewesen sei. „Die Kinder gewinnen 30 bis 45 Minuten pro Weg.“ 40 Prozess der Entwicklung des pädagogischen Konzepts: Im Vorfeld der Entwicklung des pädagogischen Konzepts galt es erst einmal, die Lehrerschaft Lippetals einzubinden und den Lehrkräften Antworten auf ihre zahlreichen Fragen zu geben. Dafür hatte die Kommune zusammen mit der Bezirksregierung Arnsberg alle Lehrerinnen und Lehrer des Ortes eingeladen. Drei Stunden lang habe man Alternativen diskutiert, sagt Lürbke. Viele Lehrkräfte hätten sich Sorgen gemacht: Was steckt pädagogisch hinter dem Konzept der Gemeinschaftsschule? Was bedeutet das für meinen Arbeitsplatz als Lehrerin oder Lehrer? Dezernentin Schulz hatte dafür Verständnis. Sie sorgte frühzeitig für eine kompetente Beratung der am Entscheidungsprozess Beteiligten, unter anderem durch eine erfahrene Gesamtschulkollegin. Hinzu kamen spezielle Bedenken einzelner Gruppen, sagt Schulausschussvorsitzender Rennekamp. Ältere Kollegen etwa waren beunruhigt und fragten sich, was aus dem werden solle, was sie in der Realschule und in der Hauptschule aufgebaut hatten. Dass ihre Arbeit mit den beteiligten Schulen jetzt ebenfalls auslief, enttäuschte sie. Personalfragen spielten bei der Neuerrichtung von Schulen generell eine große Rolle, sagt Schulz. Dies gelte auch in umgekehrter Richtung, wenn beispielsweise Personal für die sukzessiv auslaufenden Schulen gebraucht werde: „Junge Kollegen sind schwer für eine Schule zu gewinnen, die demnächst aufgelöst wird.“ Das Konzept der Gemeinschaftsschule wurde im nächsten Schritt in einer Planungsgruppe entwickelt, in der Lehrkräfte der weiterführenden Schulen eingebunden waren. Es sieht, unter anderen, eine Profilbildung in den Naturwissenschaften, Kunst und Musik sowie eine Zusammenarbeit mit Musikschulen und Vereinen vor. Schulleiter Zajac hält diese Kooperationen für sinnvoll in Bezug auf den Zusammenhalt im Ort. Dieselbe Funktion werde die Oberstufe erfüllen, hofft er. „Bisher mussten die Oberstufenschüler nach Soest, Beckum, Wadersloh oder Lippstadt fahren und waren dementsprechend völlig verstreut.“ Die geplante Oberstufe habe gute Aussichten auf Erfolg, denn schon 2009 hätten rund 30 Prozent der Fünftklässlerinnen und Fünftklässler der Realschule eine Gymnasialempfehlung gehabt. Der Beratungsbedarf bei der Einführung einer neuen Schulform ist erfahrungsgemäß hoch. Das war auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bezirksregierung Arnsberg klar. Um eine eigene Fortbildungskonzeption zu erstellen, luden sie die Lehrkräfte der neuen Schule frühzeitig ein, um zu klären, was die Schule zukünftig an Unterstützung benötigt und wie die Lehrerinnen und Lehrer ihre Schule weiterentwickeln möchten. Außerdem bot die Bezirksregierung den Schulen die Möglichkeit, sich Beratung von anderen Schulen zu holen. Schulleiter Zajac begrüßte das. „Die Schulaufsicht hat uns gut unterstützt.“ Die „Lippetalschule – Gemeinschaftsschule der Gemeinde Lippetal“ startete zum Schuljahr 2011/2012 mit 144 Schülerinnen und Schülern. Parallel dazu nehmen die Realschule und die Hauptschule keine neuen Kinder mehr auf und laufen sukzessive aus. In der folgenden Tabelle sind die relevanten Faktoren für den Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule in Lippetal noch einmal zusammengefasst: Elternumfrage 85 Prozent Zustimmung Votum der Schulkonferenz der Hauptschule Ja, mehrheitlich Votum der Schulkonferenz der Realschule Ja, mehrheitlich Externe pädagogische Experten Ja Externe Experten für Schulentwicklungsplanung Nein Auspendlerquote, bezogen auf den fünften Jahrgang im Schuljahr 2010/2011 55 Prozent Prognostizierte Veränderungen der Schülerzahlen des fünften Jahrgangs nach der Schulentwicklungsplanung vom Schuljahr 2010/2011 bis 2015/2016 Rückgang um 8,6 Prozent Raumangebot Muss um eine Mensa erweitert werden Konsens mit Nachbarkommunen Ja, von Anfang an Beteiligte Schulformen Hauptschule und Realschule Gemeinschaftsschule als letzte öffentliche weiterführende Schule vor Ort Ja 41 2.9 Morsbach Grunddaten: geografische Lage: Morsbach liegt in der Südspitze des Oberbergischen Kreises an der Grenze von Nordrhein-Westfalen zu Rheinland-Pfalz Einwohner: 11.300 Nachbarkommunen: Waldbröl, Reichshof, Friesenhagen, Birken-Honigsessen und Wissen (alle drei Landkreis Altenkirchen/Westerwald/ Rheinland-Pfalz) sowie Windeck (Rhein-Sieg-Kreis) Schülerzahlen und Schulangebot im Schuljahr 2010/2011: Insgesamt: 1.101 Schülerinnen und Schüler Primarstufe: drei Grundschulen: 461 Schülerinnen und Schüler GGS Morsbach, Standort Morsbach: 281 Schülerinnen und Schüler GGS Morsbach, Standort Holpe: 92 Schülerinnen und Schüler GGS Lichtenberg: 88 Schülerinnen und Schüler Sekundarstufe: zwei weiterführende Schulen: 640 Schülerinnen und Schüler Janusz-Korczak-Realschule Morsbach: 416 Schülerinnen und Schüler Erich-Kästner-Schule, Gemeinschaftshauptschule Morsbach: 224 Schülerinnen und Schüler Ratszusammensetzung (Stand: 22. Dezember 2010): – Bürgermeister Jörg Bukowski (parteilos) – Fraktion der CDU: 10 – Fraktion der SPD: 9 – Fraktion der Bürgerbewegung für Morsbach (BFM): 6 – Fraktion der FDP: 3 – Fraktion der unabhängigen Bürgervertretung Morsbach/ Unabhängige Wählergemeinschaft (UBV/UWG): 2 – Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen: 2 Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner: – Jörg Bukowski (parteilos), Bürgermeister – Tobias Schneider (SPD), Vorsitzender des Schulausschusses – Christel Schlott, Dezernentin der Bezirksregierung Köln – Jürgen Greis, Schulleiter – Tilman Bieber, Planungsbüro „Kommunale Planung“ (Komplan) Daten zum Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule: November 2008: Antrag auf Errichtung einer Gesamtschule Februar 2010: Gesamtschule scheitert aufgrund zu geringer Anmeldezahlen Juni 2010: Machbarkeitsstudie zusammen mit Nachbarkommunen in Auftrag gegeben; sie prüft zum einen die Realisierung einer Gesamtschule im Rahmen einer „Dependancelösung“ und zum anderen die Errichtung einer Gemeinschaftsschule Oktober/November 2010: Abschließende Voten der Schulkonferenzen, Einrichtung der pädagogischen Arbeitsgruppe 7. Dezember 2010: Ratsbeschluss für die Errichtung der Gemeinschaftsschule mehrheitlich gefasst, gleichzeitig sukzessive Auflösung der Erich-Kästner-Hauptschule und Janusz-Korczak-Realschule 17. Dezember 2010: Antrag auf Teilnahme am Schulversuch zur Errichtung einer vierzügigen Gemeinschaftsschule mit eigener Oberstufe an einem Standort, im Schulzentrum „Hahner Straße“ Anfang Februar 2011: Genehmigung auf Teilnahme am Schulversuch 23. Februar 2011: Waldbröl reicht wegen der Sekundarstufe II an der Morsbacher Gemeinschaftsschule Klage beim Verwaltungsgericht Köln ein 42 4. März 2011: Gespräch zwischen dem Bürgermeister der Stadt Waldbröl und dem der Gemeinde Morsbach in der Bezirksregierung, Einigung zwischen den beiden Kommunen, Klage wird zurückgezogen 11. März 2011: Änderungsbescheid; Genehmigung einer gymnasialen Oberstufe für die Gemeinschaftsschule Morsbach wird aufgehoben März 2011: Kooperationsvereinbarung mit dem Hollenberg-Gymnasium und der Gesamtschule Waldbröl sowie der Gesamtschule Reichshof; die „Gemeinschaftsschule der Sekundarstufe I Morsbach“ startete zum Schuljahr 2011/2012 mit 96 Schülerinnen und Schülern Vorgeschichte und kommunale Schulentwicklungsplanung: Die ländlich strukturierte Gemeinde Morsbach ist bereits seit Jahren von den zurückgehenden Schülerzahlen betroffen, was auch eine 2007 in Auftrag gegebene Schulentwicklungsplanung zeigte. „In Morsbach wurde bereits im April 2008 beschlossen, dass wir wegen der demografischen Entwicklungen eine Gesamtschule gründen möchten“, erzählt Bürgermeister Jörg Bukowski. Der Antrag auf Errichtung einer Gesamtschule zum Schuljahr 2009/ 2010 wurde im Herbst 2008 gestellt, aber vor Weihnachten von der Bezirksregierung abgelehnt. Daraufhin reichte Morsbach Klage ein. Im Dezember 2009 entschied das Gericht in einer mündlichen Verhandlung, dass Morsbach eine Gesamtschule errichten darf, wenn sich 112 Schülerinnen und Schüler anmelden. Die Realisierung der Gesamtschule scheiterte jedoch, weil sich im Februar 2010 nur 107 Kinder angemeldet haben. Die Klage selbst wurde in der Hauptsache nie entschieden. Gleichzeitig nahm der Druck auf die Schulen vor Ort zu. „Die Hauptschule hatte Existenzprobleme“, sagt Tobias Schneider, Vorsitzender des Schulausschusses. „Wir mussten uns anders aufstellen, weil es ein starkes Wanderungsverhalten zu den Gesamtschulen und nach Rheinland-Pfalz an andere Schulformen gibt“, erklärt Jürgen Greis, früherer Rektor der Hauptschule und derzeitiger Leiter der Gemeinschaftsschule. So habe man damals beispielsweise den Ganztag ausgebaut. „Die Hauptschule hat versucht zu punkten, aber alle Maßnahmen, die wir durchgeführt haben, brachten uns die Schüler nicht wieder“, sagt er. Aber nicht nur die Hauptschule war von den sinkenden Schülerzahlen betroffen, sondern auf längere Sicht auch die Realschule. Das zeigten die Prognosen der Schulentwicklungsplanung sehr eindeutig. „Die Befürchtung war, dass der Ort an Attraktivität einbüßt, wenn die letzte weiterführende Schule vor Ort nicht mehr existiert“, erklärt Christel Schlott, schulfachliche Dezernentin der Bezirksregierung Köln. Deshalb gab Morsbach im Juni 2010 eine Schulentwicklungsplanung für das Schuljahr 2011/2012 mit den Nachbargemeinden Reichshof und Waldbröl bei dem Planungsbüro „Komplan“ in Auftrag, das auf Fragen der Schulentwicklungsplanung spezialisiert ist. Diese prüfte zum einen die Realisierung einer Gesamtschule mit einer „Dependancelösung“ von Waldbröl oder Reichshof und zum anderen die Errichtung einer Gemeinschaftsschule in Morsbach. Letzteres wurde als Ergänzung zum Planungsauftrag später von der Gemeinde Morsbach beauftragt. Bürgermeister Bukowski beurteilt die Unterstützung durch externe Experten als hilfreich und hält einen „sachkundigen Dritten“ für die Umsetzung und Akzeptanz für „äußerst wichtig“. Bukowski: „Ende Oktober 2010 entschied der Schul- und Sozialausschuss auf der Grundlage des Gutachtens von ,Komplan’ die Errichtung einer Gemeinschaftsschule weiterzuverfolgen. Der Schulversuch, der kleinere Klassen vorsieht als die Gesamtschule, war interessant für uns“, sagt er. Tilman Bieber von dem Planungsbüro „Komplan“ sprach sich damals ebenfalls für die Gemeinschaftsschullösung aus. „Die Gemeinschaftsschule ist eine eigenständige Schule und nicht nur eine Zweigniederlassung. Eine Dependancelösung ist nur ein Standort, aber keine Schule im rechtlichen Sinne“, erklärt er. Als die rot-grüne Landesregierung im Herbst 2010 die Errichtung von Gemeinschaftsschulen möglich machte, sei dies für Morsbach laut Schulleiter Greis ein „Glück“ gewesen. „Den Zug wollten wir nicht verpassen“, erzählt er. Prozess politischer Willensbildung vor Ort: Um den Antrag für die Errichtung einer Gemeinschaftsschule stellen zu können, musste auch der Rat zustimmen. Dies war insofern nicht besonders schwierig, weil sich die Mehrheit der vertretenen Parteien in den Jahren zuvor bereits für die Gesamtschule ausgesprochen hatte. „Wir haben uns die Schülerzahlen angesehen und wussten, wo es hingeht. Wenn wir das Beste für unseren Ort wollen, dann blieb uns nichts anderes übrig, als die Gesamtschule zu fordern“, sagt Schulausschussvorsitzender Schneider. „Auch die Errichtung der Gemeinschaftsschule war bei allen Fraktionen keine Frage, nur bei der CDU, die auch schon gegen die Gesamtschule war“, sagt er. Das bestätigt Bürgermeister Bukowski: „Die CDU hat den Prozess negativ begleitet.“ Der Widerstand aus der CDU sei „sehr, sehr erheblich“ gewesen. Die Kritiker konnten auch mit keinen Argumenten überzeugt werden. „Die CDU hat sich bis heute nicht zu der Schule bekannt“, resümiert Schneider. „Zweifler“ habe man hingegen mit dem Argument der kleineren Klassen überzeugen können, sagt Bürgermeister Bukowski. Er argumentierte: „Wir werden nicht in ein Korsett gezwungen, sondern haben im Schulversuch die Möglichkeit, ein neues, eigenes Konzept zu entwickeln.“ Das habe gewirkt. 43 Diskutiert wurde im Schulausschuss aber trotzdem, zum Beispiel über das integrative Konzept und eine eigene Oberstufe. Diese hätten einige unbedingt haben wollen, aber auf sie wurde nach Auseinandersetzungen mit der Nachbarstadt Waldbröl schließlich verzichtet. „Wir haben solche Diskussionen aber aus den Gremien rausgehalten“, sagt Bürgermeister Bukowski. „Alles, was an Kritik aus den eigenen Reihen kam, wurde hinter verschlossenen Türen diskutiert.“ Schulausschussvorsitzender Schneider fasst zusammen: „Alles in allem hat uns das Konzept nahtlos politisch überzeugt. Bei einer knappen politischen Mehrheit wäre es bestimmt schwieriger geworden.“ Auch Schulleiter Greis bestätigt, dass der Zuspruch für die Gemeinschaftsschule sehr wichtig für den Gründungsprozess gewesen ist. Am 7. Dezember 2010 fiel mehrheitlich der Ratsbeschluss, zum Schuljahr 2011/2012 eine Gemeinschaftsschule errichten zu wollen. Regionale Abstimmungsprozesse und Verfahren der Konsensbildung: Neben dem Rat beschäftigten sich im Oktober und November 2010 auch die Schulkonferenzen der beteiligten Schulen mit der Errichtung einer Gemeinschaftsschule. Zwar waren die Eltern zunächst skeptisch und die Lehrkräfte verunsichert. Dennoch beschloss die Schulkonferenz der Hauptschule am 27. Oktober 2010 einstimmig die Zustimmung zur Errichtung der Gemeinschaftsschule. Die Schulkonferenz der Realschule sprach sich am 9. November 2010 einstimmig gegen das Vorhaben aus. Sie favorisierte eine Verbundschule, falls die Realschule in Morsbach nicht weiter bestehen könne. „Sowohl Eltern als auch Kollegen aus der Realschule waren gegen die Gemeinschaftsschule. Da gab es Vorbehalte gegen den Ganztag und das längere gemeinsame Lernen“, sagt Schulausschussvorsitzender Schneider. Der Zwiespalt habe dem kleinen Ort nicht gutgetan. „Es gab eine erheblich negative Stimmung und starke Gegenwehr seitens der Realschule“, bestätigt Bürgermeister Bukowski. Im April 2011, als es einen personellen Wechsel an der Realschule gab und die Gemeinschaftsschule kurz vor der Gründung stand, änderte sich die Stimmung. Es wurde ein Arbeitskreis aus Kolleginnen und Kollegen beider Schulen sowie aus Vertreterinnen und Vertretern der Gemeinde gegründet. Man habe hier „intensiv gearbeitet“ und beispielsweise über die Nutzung von Fachräumen gesprochen und die Zeiten für Busabfahrten abgestimmt, berichtet Schulleiter Greis. Neben den Kollegien wurden auch die Eltern frühzeitig in den Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule eingebunden und im November 2010 zu dem Vorhaben be- fragt. Mit 64,4 Prozent sprach sich die Mehrheit der Eltern der Dritt- und Viertklässlerinnen und -klässler für die Gemeinschaftsschule aus. „Es gab eine deutliche Zustimmung und das zeigte uns, dass wir nach Meinung der Bevölkerung auf dem richtigen Weg sind“, betont Bürgermeister Bukowski. Gleichzeitig gab es aber auch Widerstand von einigen Eltern der Realschulkinder. Bei einem Elternabend für die Gemeinschaftsschule seien Plakate hochgehalten worden, auf denen stand, dass die Kinder nicht zu „Versuchskaninchen“ werden sollen, erinnert sich Bukowski. Tilman Bieber von „Komplan“ bestätigt: „In Morsbach gab es eine kleine Gegenbewegung, aber die war nicht übermäßig stark.“ Laut Schulleiter Greis habe das aber zur Folge gehabt, dass die Gruppe, die sich nun in der Elternschaft der Gemeinschaftsschule engagiert, noch stärker zusammengebracht wurde. Dennoch hat die Auseinandersetzung zur Verunsicherung im Ort beigetragen. Dieser ist die Gemeinde dem Bürgermeister zufolge vor allem mit Transparenz begegnet. Man habe den Konflikt offen angesprochen und klar Position bezogen. Er selbst habe als Bürgermeister bewusst nicht von „Versuchsschule“ gesprochen, sondern immer von einem „Schulversuch“, damit der Begriff positiv besetzt sei. „Insgesamt war die Stimmung geteilt: auf der einen Seite wollten Eltern die Gesamt- und später dann die Gemeinschaftsschule, und auf der anderen Seite standen CDU und Realschule“, fasst Schulausschussvorsitzender Schneider zusammen. „Der Elternwille und die politische Seite waren für die Umsetzung der Schule wichtig. Außerdem waren wir gezwungen, etwas zu tun, um den Schulstandort zu halten und auch attraktiv für die Zukunft zu gestalten“, sagt er. Auch Schulleiter Greis betont, dass man sich davon nicht habe irritieren lassen. „Wir haben weitergemacht. Alles andere wäre Unsinn gewesen, denn eine gute Sache muss man unterstützen.“ Konflikte gab es auch mit der Nachbarkommune Waldbröl. „Waldbröl hatte die Befürchtung, dass die Kinder nach Morsbach abwandern, und machte sich Sorgen um sein Gymnasium“, erklärt Christel Schlott, schulfachliche Dezernentin der Bezirksregierung Köln. Dabei ging es nach Auffassung von Bürgermeister Bukowski aber auch um die Schülerinnen und Schüler, die bisher von Morsbach nach Waldbröl zur Gesamtschule fuhren. „In Waldbröl ist man der neuen Schule mit viel Vorbehalt begegnet, sie wurde als direkte Konkurrenz angesehen“, sagt Schulleiter Greis. Weil die Gemeinschaftsschule Morsbach im Februar 2011 zunächst mit eigener Oberstufe genehmigt wurde, reichte Waldbröl im Februar Klage beim Verwaltungsgericht Köln ein. „Meiner Meinung nach waren die Schulen in Waldbröl nicht in ihrer Existenz gefährdet“, sagt Bürgermeister Bukowski. Aber er habe ein 44 erneutes Verfahren vermeiden wollen, weil das zu Verzögerungen geführt hätte und die Gemeinschaftsschule eventuell zum Schuljahr 2011/2012 nicht hätte starten können. „Der Widerstand aus Waldbröl lief ins Leere, weil wir immer sagen konnten, die Schüler, die zukünftig die Gemeinschaftsschule besuchen werden, sind genau die, die in der Vergangenheit die Real- und die Hauptschule besucht haben“, erklärt Tilman Bieber von dem Planungsbüro „Komplan“. „Es findet nur eine Umschichtung statt, es werden keine Schüler weggenommen“, so der Schulentwicklungsplaner. Schließlich gab es wegen der Unstimmigkeiten mit Waldbröl einen Moderationsprozess unter Federführung der Bezirksregierung Köln. Im Laufe der Gespräche in der Bezirksregierung einigten sich die beiden Bürgermeister darauf, dass Morsbach auf die eigene Oberstufe verzichtet und die Stadt Waldbröl im Gegenzug erlaubt, dass ihre Schülerinnen und Schüler sich auch in Morsbach anmelden dürfen. „Ich persönlich konnte mit dem Kompromiss gut leben, es gab bisher ja auch keine eigene Oberstufe in Morsbach“, erklärt Bukowski. Dennoch sei die Gemeinschaftsschule ein Mehrwert, weil die Kinder bewusst auf die Oberstufe vorbereitet werden und wegen der Kooperationsvereinbarung nach der Gemeinschaftsschule gesicherte Plätze an der Gesamtschule und dem Gymnasium Waldbröl sowie der Reichshofer Gesamtschule haben. Der Mehrwert sei teilweise schwer zu kommunizieren gewesen und es habe durchaus Kritik gegeben, dass letztendlich doch keine Oberstufe errichtet wurde. Insgesamt hat der Kompromiss aber wohl zu einer „Beruhigung“ beigetragen. „Dass Morsbach auf die Sekundarstufe II verzichtet hat, war die bessere Lösung“, resümiert Schulentwicklungsplaner Bieber. „Die Errichtung einer Oberstufe in Morsbach hätte das ganze regionale Gefüge dort ganz schön durcheinandergebracht. Es hätte alle anderen Kommunen geschwächt, und Morsbach hätte für das Überleben der Schule nicht genug Schüler gehabt.“ Prozess der Entwicklung des pädagogischen Konzepts: Das pädagogische Konzept wurde von einer Arbeitsgruppe entwickelt, die aus Lehrkräften der Gesamtschule Reichshof sowie aus denen der beteiligten Real- und der Hauptschule bestand. „Wir haben geschaut, was die Haupt- und Realschule machen, und haben viel Wert darauf gelegt, diese gute Arbeit in das Konzept einzubinden“, sagt Schneider, Vorsitzender des Schulausschusses. So ist es beispielsweise den Vertreterinnen und Vertretern der Haupt- und Realschulkollegien zu verdanken, dass „lokale Gegebenheiten mit in das Konzept eingeflossen sind“, beispielsweise die Zusammenarbeit mit der Musikschule und Theatergruppe des Ortes. Geleitet wurde die Arbeitsgruppe von dem Schulleiter der Gesamtschule Gummersbach-Derschlag. Er wurde von der Bezirksregierung empfohlen, von deren Seite man bei der Konzepterstellung, aber auch während des gesamten Prozesses „klasse“ begleitet worden sei, sagt Schulleiter Greis. Darüber hinaus habe man das Konzept von Ascheberg „zum Teil übernommen“, sagt der Schulleiter. Man habe aber auch darauf geachtet, die Punkte zu berücksichtigen, die für Morsbach notwendig sind, und Schwerpunkte bei der Berufsorientierung gesetzt. „Die Hauptschule und Realschule bereiten beide gut auf den Beruf vor. Es wäre Unsinn gewesen, das nicht zu nutzen und einzubinden.“ Neben der Berufsorientierung ist der Gedanke „Schule vor Ort“ der zweite Schwerpunkt des Konzepts. Beispielsweise gebe es in der ländlichen Region Kooperationen mit ortsansässigen Vereinen und Betrieben. „Wenn man hier im ländlichen Bereich Menschen für sich gewinnt, dann hat man die volle Unterstützung und es gibt eine enge Zusammenarbeit“, so der Schulleiter. Strittig sei laut Greis die Kombination der Stundentafel mit den gymnasialen Standards gewesen. Dezernentin Schlott beurteilt es als äußerst hilfreich, dass die zukünftige Gemeinschaftsschule eine Patenschule bekommen hat. Außerdem habe man die Schulleitungen stets per E-Mail und Telefon, aber auch in persönlichen Gesprächen vor Ort und bei Informationsveranstaltungen und Fortbildungen unterstützt. „Es gab eine Rundumversorgung“, sagt sie. Im Februar 2011 erhielt Morsbach die Genehmigung, eine Gemeinschaftsschule errichten zu dürfen. Einen Monat später erfolgte der Änderungsbescheid, dass die Genehmigung einer gymnasialen Oberstufe aufgehoben wird. Am 8. September 2011 wurden 96 Kinder an der „Gemeinschaftsschule der Sekundarstufe I Morsbach“ eingeschult. Parallel dazu nehmen die Real- und die Hauptschule keine neuen Schülerinnen und Schüler mehr auf und laufen sukzessive aus. 45 In der folgenden Tabelle sind die relevanten Faktoren für den Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule in Morsbach noch einmal zusammengefasst: Elternumfrage 64,4 Prozent Zustimmung Votum der Schulkonferenz der Hauptschule Ja, einstimmig Votum der Schulkonferenz der Realschule Nein, einstimmig Externe pädagogische Experten Ja Externe Experten für Schulentwicklungsplanung Ja Auspendlerquote, bezogen auf den fünften Jahrgang im Schuljahr 2010/2011 50 Prozent Prognostizierte Veränderungen der Schülerzahlen des fünften Jahrgangs nach der Schulentwicklungsplanung vom Schuljahr 2010/2011 bis 2015/2016 Rückgang um 21,5 Prozent Raumangebot Reicht aus, muss um eine Mensa/Aula erweitert werden Konsens mit Nachbarkommunen Nach Abstimmungsprozessen erzielt Beteiligte Schulformen Hauptschule und Realschule Gemeinschaftsschule als letzte öffentliche weiterführende Schule vor Ort Ja 46 2.10 Neuenrade Grunddaten: geografische Lage: Neuenrade liegt im nordwestlichen Sauerland kreisangehörige Gemeinde im Märkischen Kreis Einwohner: 12.400 Nachbarkommunen: Sundern (Hochsauerlandkreis), Plettenberg, Werdohl, Altena, Hemer, Balve Schülerzahlen und Schulangebot im Schuljahr 2010/2011: Daten zum Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule: Insgesamt: 674 Schülerinnen und Schüler April 2010: Erste Gespräche zwischen Rat und Stadt 5. Oktober 2010: Ratsbeschluss zur Errichtung der Gemeinschaftsschule, gleichzeitig sukzessive Schließung der Hauptschule Gertrudenschule 9. Dezember 2010: Antrag zur Teilnahme am Schulversuch gestellt, dreizügige und inklusiv arbeitende Schule ohne eigene Oberstufe, in Kooperation mit dem Burggymnasium Altena, am Standort der Hauptschule Gertrudenschule „Auf der Niederheide“ Januar 2011: Genehmigung; die „Gemeinschaftsschule der Sekundarstufe I Neuenrade“ startete zum Schuljahr 2011/2012 mit 76 Schülerinnen und Schülern Primarstufe: eine Grundschule Burgschule – Gemeinschaftsgrundschule der Stadt Neuenrade (Grundschulverbund mit einem Standort in Altenaffeln): 500 Schülerinnen und Schüler Sekundarstufe: eine weiterführende Schule Gertrudenschule „Auf der Niederheide“ – Gemeinschaftshauptschule der Stadt Neuenrade: 174 Schülerinnen und Schüler Ferner: eine Waldorfschule Ratszusammensetzung (Stand: 22. Dezember 2010): – Bürgermeister Klaus-Peter Sasse (CDU) – Fraktion der CDU: 18 – Fraktion der Freien Wählergemeinschaft (FWG): 6 – Fraktion der SPD: 4 – Fraktion der FDP: 2 – Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen: 2 Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner: – Dierk Rademacher, Leiter des Schulverwaltungsamtes und Stellvertreter des Bürgermeisters Klaus-Peter Sasse – Andreas Becker (FWG), Vorsitzender des Schulausschusses – Ulrike Schulz, Dezernentin der Bezirksregierung Arnsberg – Astrid Tillmann, Schulleiterin Vorgeschichte und kommunale Schulentwicklungsplanung: „Die Anmeldesituation an der Hauptschule wurde im Jahr 2010 zunehmend problematischer“, sagt Dierk Rademacher, Leiter des Schulverwaltungsamtes Neuenrade. Wie sehr die Gemeinde unter Druck stand, macht auch der Brief des Bürgermeisters Klaus-Peter Sasse vom 7. September 2010 an Schulministerin Sylvia Löhrmann deutlich. Dort heißt es: „Aufgrund der perspektivlosen Situation der Hauptschule in Neuenrade soll die Gemeinschaftsschule möglichst schon zum Schuljahr 2011/2012 ihren Betrieb aufnehmen.“ Bereits am 6. September 2010 hatte der Rat der Stadt entschieden, sich in der nächsten Sitzung – Anfang Oktober – für die Gemeinschaftsschule auszusprechen. Tatsächlich kam die einzige weiterführende Schule im Ort, die Hauptschule Gertrudenschule, im Schuljahr 2010/2011 nur noch auf 18 Anmeldungen. Und selbst diese Zahl sei nur zustande gekommen, weil der Schulleiter sich sehr engagiert habe, sagt Rademacher. Die meisten Kinder des 47 Ortes pendelten dagegen in die umliegenden Gemeinden aus und nahmen meist lange Schulwege in Kauf. 835 Schülerinnen und Schüler, also rund 86 Prozent, seien es im Jahr 2010 gewesen, sagt Rademacher. Nach dem Regierungswechsel waren sich die Fraktionen schnell einig: Anfang Oktober entschieden sie einstimmig, dass die Kommune einen Antrag auf Errichtung einer Gemeinschaftsschule stellen sollte. Diese Entwicklung war für die Kommune allerdings nichts Neues. Drei Jahre lang habe die Verwaltung nach Lösungen gesucht, sagt Rademacher. Bis dahin ohne Erfolg. Auch die Fraktionen des Rates hätten sich Gedanken gemacht, erinnert sich Schulausschussvorsitzender Andreas Becker, seien aber nicht weitergekommen. Regionale Abstimmungsprozesse und Verfahren der Konsensbildung: In dieser Situation warteten die Verantwortlichen gespannt auf die Ergebnisse der Landtagswahl im Sommer 2010, die einen Umschwung zugunsten neuer Schulformen erwarten ließ. Sobald klar war, dass es zum Regierungswechsel kommen würde, „begann man zu träumen“, sagt Rademacher. Die Kommune engagierte Dr. Ernst Rösner vom Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) der TU Dortmund als Berater. „Das ist eure Chance, das müsst ihr machen“, sagte der bereits beim ersten Telefonat zu Rademacher. Sie hätten das erst gar nicht glauben können, so gut hörte sich das an, sagt der Schulfachmann. Doch so einfach sollte es dann auch wieder nicht werden, erinnert er sich. Zur Unterstützung holte sich die Verwaltung Achim Körbitz von der Universität Bielefeld und den ehemaligen Gesamtschulleiter Fritz Schmid als externe Berater. Schmid und Körbitz gaben dem Projekt aufgrund der Kürze der Zeit wenige Chancen, erinnert sich Rademacher. Spätestens im Dezember hätten das Konzept und der Antrag eingereicht werden müssen. Erst nachdem die Kommune hartnäckig an ihrem Vorhaben festhielt („Wir wussten ja nicht, ob es das Modellvorhaben im nächsten Jahr noch geben würde“, so Rademacher), ließen sich die Berater auf das Experiment ein. Prozess politischer Willensbildung vor Ort: Auch den Ratsfraktionen war klar, dass die letzte weiterführende Schule des Ortes auslaufen würde, wenn nichts getan werde. Sie warteten deshalb ebenso gespannt wie die Verwaltung auf den Regierungswechsel in Düsseldorf, der die Entscheidung bringen sollte. „Schon im April 2010 hatten wir als Fraktionen die Lage im Blick“, sagt Andreas Becker, Vorsitzender des Schulausschusses. Auch die örtliche Wirtschaft habe sich früh in die Debatte eingeklinkt. Der Arbeitgeberverband meldete sich bei Stadt und Rat, um das Vorhaben zu unterstützen. „Sie haben schon lange darauf gewartet, dass sie guten Nachwuchs direkt aus Neuenrade bekommen würden, und unterstützten das Projekt“, sagt Becker. Unternehmen würden sich mit einer weiterführenden Schule vor Ort tatsächlich leichter entscheiden, sich dort auch anzusiedeln, ist Beckers Erfahrung. Einigkeit gab es auch bei den Lehrkräften des Ortes, die hinter der neuen Schule standen. „Für sie stand im Vordergrund, dass es auch zukünftig noch eine weiterführende Schule im Ort gibt“, sagt Schulleiterin Astrid Tillmann. So votierte die Schulkonferenz der Hauptschule einstimmig für die neue Schule. Umso schwieriger sollte es mit den Eltern werden. „Wir wollten ihnen ja eine Schule verkaufen, die es noch nicht gibt“, sagt Schulverwaltungsamtsleiter Rademacher. Und die Eltern waren tatsächlich skeptisch, sagt die heutige Gemeinschaftsschulleiterin Tillmann, die zu dieser Zeit noch eine Hauptschule in der Nachbargemeinde Hemer leitete. Was in Neuenrade geschah, verfolgte sie jedoch ganz genau. „Die Eltern befürchteten, dass wir nur die Verpackung änderten, aber es eigentlich bei der Hauptschule bliebe.“ Dementsprechend wurde auf den Informationsveranstaltungen, zu denen die Stadt zwischen November 2010 und Februar 2011 einlud, das Thema „gymnasiale Standards“ besonders intensiv diskutiert. Die Öffentlichkeitsarbeit von Stadt und Schule trug Früchte: Einige Eltern gründeten eine Initiative, die die Kommunikation mit der Öffentlichkeit begleitete. Die Elternbefragung, die für die Antragstellung erforderlich war und im November 2010 stattfand, endete positiv: 81 Prozent der Eltern der Viertklässlerinnen und Viertklässler sowie rund 77 Prozent der Eltern der Drittklässlerinnen und Drittklässler bekundeten Interesse an der Gemeinschaftsschule. Pädagogische Gründe hätten viele Eltern überzeugt, und ebenso viele seien sicherlich auch von praktischen Erwägungen geleitet worden, vermutet Ausschussvorsitzender Becker. „Viele Kinder müssen um Viertel vor sieben das Haus verlassen, wenn sie in die Nachbargemeinden pendeln. Mit einer Schule hier im Ort gewinnen sie mindestens eine halbe Stunde.“ Neben dem frühen Aufstehen sind es die langen Schulwege, die man zehnjährigen Kindern ersparen könne, hieß es später auch im Konzept. Oft würden Freundschaften aus der Grundschulzeit durch das Pendeln in die verschiedenen Orte rasch beendet, soziale Aktivitäten vor Ort kämen zu kurz. Wenn Kinder eine Schule in Neuenrade besuchen können, werde es für die Eltern außerdem leichter, deren schulische Entwicklung zu beobachten und zu unterstützen. 48 Darüber hinaus entwirft das Konzept eine Vision für das Leben in Neuenrade. „Die Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Neuenrade können in ganz anderer Weise am Kultur- und Vereinsleben ihrer Heimatstadt teilnehmen. Auch Neuenrade wird seine Kinder und Jugendlichen wieder ganz anders erleben können.“ Schulverwaltungsamtsleiter Rademacher sagt im Rückblick: „Das ganze Verfahren war unglaublich anstrengend, aber es war auch der größte Erfolg, den ich mir vorstellen kann.“ Denn die Stadt überzeugte die Eltern und damit stand der gesamte Ort hinter dem Schulversuch. Ein Konsens konnte allerdings zunächst nicht mit allen Nachbarkommunen hergestellt werden. Die Nachbarkommunen Lüdenscheid, Menden und Werdohl hatten keine Einwendungen, Altena und Plettenberg hatten sich nicht zu dem Vorhaben geäußert. Aber die Stadt Balve sprach sich gegen das Vorhaben aus, weil sie eine Bestandsgefährdung ihrer Realschule und ihrer Hauptschule befürchtete. Neuenrade äußerte sich dazu zunächst nicht, sondern ließ die übergeordnete Verwaltung den Einspruch prüfen. Das zahlte sich aus, denn das Ministerium kommt in der Genehmigung für Neuenrade zu dem Schluss, dass die Argumente der Stadt Balve für den Neuenrader Antrag unbeachtlich seien. „Die Gemeinschaftshauptschule Balve besuchen gegenwärtig über 271 Schülerinnen und Schüler. Im aktuellen Jahrgang 5 der Hauptschule Balve befinden sich insgesamt nur fünf Schülerinnen und Schüler aus Neuenrade. Als ursächlich für den Schülerrückgang in der Gemeinschaftshauptschule Balve ist daher nicht unmittelbar die Errichtung der Gemeinschaftsschule in Neuenrade zu sehen. Vielmehr ist der allgemeine demografische Wandel sowie das geänderte Schulwahlverhalten der Eltern dafür ausschlaggebend.“ Eine Bestandsgefährdung der Schule, die zu einer Ablehnung des Antrags der Stadt Neuenrade geführt hätte, sei somit nicht gegeben. Prozess der Entwicklung des pädagogischen Konzepts: Die externen Berater Schmid und Körbitz bekamen schließlich von der Stadt den Auftrag, gemeinsam mit Vertretern der Grund- und der Hauptschule, das pädagogische Kon- zept zu erarbeiten. Rademacher sagt: „Wir wollten nicht einfach von den Vorreitern in Ascheberg oder Billerbeck abkupfern, sondern unser eigenes Papier erstellen.“ Ulrike Schulz, schulfachliche Dezernentin bei der Bezirksregierung Arnsberg, musste das Konzept beurteilen und wurde auch erst zu diesem Zeitpunkt in den Prozess miteinbezogen. Ungewöhnlich, denn normalerweise wird sie schon vorher für Beratungen herangezogen. Nach anfänglicher Skepsis, ob es gelingen würde, Gymnasiasten und Realschülerinnen und Realschüler für die Gemeinschaftsschule zu gewinnen, kam sie zu der Überzeugung, dass das vorgelegte Konzept umfangreich und durchdacht gewesen sei. Es sah integrierten Unterricht und einen gut rhythmisierten Ganztag vor. Dass der ehemalige Gesamtschulleiter Schmid mit in die Konzeptentwicklung eingebunden worden war, fand Schulz besonders hilfreich. Denn ihrer Erfahrung nach müssten „besonders Menschen, die noch nie im integrierten System gearbeitet haben, umdenken“. Das fange beispielsweise bei der Rhythmisierung im Ganztag an. So sei es etwa nicht empfehlenswert, vormittags nur „harte“ Fächer und nachmittags nur Sport zu unterrichten. Das Konzept bekam schließlich grünes Licht von der Bezirksregierung. Währenddessen kümmerte sich die Stadt um die Raumsituation und konnte auf Bestehendes zurückgreifen. Die neue Schule sollte das Gebäude der Hauptschule bekommen, auf deren Gelände sich bereits drei Turnhallen, eine Bibliothek, ein Jugendzentrum und ein Schwimmbad befanden. Nur die Mensa musste neu eingerichtet werden. Auch wenn anfangs alle Berater skeptisch waren, hat Neuenrade alle Hürden genommen. Die „Gemeinschaftsschule der Sekundarstufe I Neuenrade“ wurde im Januar 2011 genehmigt und startete zum Schuljahr 2011/2012 mit 76 Schülerinnen und Schülern. Parallel dazu nimmt die Hauptschule keine neuen Kinder mehr auf und läuft sukzessive aus. Die Anmeldezahlen, die die Stadt vorlegte, zerstreuten sogar die letzten Bedenken bezüglich der Heterogenität. „Heute hat die Schule 30 Anmeldungen mit Gymnasialempfehlung, zehn mit Hauptschulempfehlung und 28 mit Empfehlung zur Realschule“, stellt Dezernentin Ulrike Schulz fest. 49 In der folgenden Tabelle sind die relevanten Faktoren für den Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule in Neuenrade noch einmal zusammengefasst: Elternumfrage 79 Prozent Zustimmung Votum der Schulkonferenz der Hauptschule Ja, einstimmig Votum der Schulkonferenz der Realschule Realschule nicht vorhanden Externe pädagogische Experten Ja Externe Experten für Schulentwicklungsplanung Nein Auspendlerquote, bezogen auf den fünften Jahrgang im Schuljahr 2010/2011 86 Prozent Prognostizierte Veränderungen der Schülerzahlen des fünften Jahrgangs nach der Schulentwicklungsplanung bis zum Jahr 2015/2016 (in Prozent) Rückgang um 11,3 Prozent Raumangebot Reicht aus, eine Mensa wurde nachträglich eingerichtet Konsens mit Nachbarkommunen Nach Abstimmungsprozessen erzielt Beteiligte Schulformen Hauptschule Gemeinschaftsschule als letzte öffentliche weiterführende Schule vor Ort Ja 50 2.11 Rheinberg Grunddaten: geografische Lage: Rheinberg liegt am unteren Niederrhein im Nordwesten des Ruhrgebiets mittlere kreisangehörige Stadt des Kreises Wesel Einwohner: 32.242 Nachbarkommunen: Alpen, Kamp-Lintfort, Moers, Voerde, Wesel, Dinslaken, Duisburg Schülerzahlen und Schulangebot im Schuljahr 2010/2011: – Fraktion der FDP: 4 – Fraktion Die Linke: 2 Insgesamt: 3.330 Schülerinnen und Schüler Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner: Primarstufe: – Hans-Theo Mennicken (parteilos), Bürgermeister – Barbara Ettwig (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzende des Schulausschusses – Heinz Gniostko, Dezernent der Bezirksregierung Düsseldorf – Norbert Giesen, Schulleiter sechs Grundschulen, an sieben Standorten: 1.242 Schülerinnen und Schüler GGS Borth-Wallach: 286 Schülerinnen und Schüler GGS Millingen: 160 Schülerinnen und Schüler GGS Rheinberg, Standort Grote Gert: 115 Schülerinnen und Schüler GGS Rheinberg, Standort Schulstraße: 171 Schülerinnen und Schüler KGS St. Peter: 169 Schülerinnen und Schüler Lindenschule Budberg: 203 Schülerinnen und Schüler GGS Orsoy: 138 Schülerinnen und Schüler Sekundarstufe: zwei weiterführende Schulen in einem Schulzentrum und eine an einem weiteren Schulstandort: 2.023 Schülerinnen und Schüler Realschule Rheinberg: 660 Schülerinnen und Schüler Hauptschule Rheinberg: 264 Schülerinnen und Schüler Amplonius-Gymnasium: 1.099 Schülerinnen und Schüler Ferner: Maria-Montessori-Schule, Förderschule Rheinberg: 65 Schülerinnen und Schüler Ratszusammensetzung (Stand: 22. Dezember 2010): – Bürgermeister Hans-Theo Mennicken (parteilos) – Fraktion der CDU: 18 – Fraktion der SPD: 13 – Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen: 7 Daten zum Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule: September 2010: Kommunale Schulentwicklungskonferenz, Vorstellung der neuen Schulform auf der Schulkonferenz und in der Schulpflegschaft, Beratungsgespräch in der Bezirksregierung Düsseldorf Oktober 2010: Gründung der Arbeitsgruppe mit dem Ziel, ein pädagogisches Konzept zu erstellen Dezember 2010: Abschließende Voten der beteiligten Schulkonferenzen und Fertigstellung des pädagogischen Konzepts 13. Dezember 2010: Antrag auf Teilnahme am Schulversuch, sukzessive Auflösung der Rheinberger Gemeinschaftshauptschule und der Realschule Rheinberg 15. Dezember 2010: Ratsbeschluss zur Errichtung einer sechszügigen, inklusiv arbeitenden Gemeinschaftsschule mit eigener Oberstufe, an einen Standort, dem Schulzentrum Rheinberg Januar 2011: Genehmigung; die „Gemeinschaftsschule der Sekundarstufe I und der Sekundarstufe II Rheinberg“ startete zum Schuljahr 2011/2012 mit 160 Schülerinnen und Schülern 51 Vorgeschichte und kommunale Schulentwicklungsplanung: Die ländlich strukturierte Stadt Rheinberg ist auch von der stetig sinkenden Geburtenrate betroffen. Durch immer weniger Schülerinnen und Schüler wird es der Stadt erschwert, ein vielfältiges Schulangebot vor Ort zu erhalten. Vor allem die Hauptschulen verzeichneten stark rückläufige Schülerzahlen. 2007 musste die Gemeinschaftshauptschule Borth aufgelöst werden. Die verbleibende Hauptschule Rheinberg wurde im Schuljahr 2010/2011 von 264 Schülerinnen und Schülern besucht und nur noch mit einer Klasse pro Jahrgang geführt. Die prognostizierte Übergangsquote in die fünfte Klasse der Hauptschule beträgt laut Antragsunterlagen nur noch knapp sieben Prozent. Aber nicht nur die Hauptschulen hatten unter zurückgehenden Schülerzahlen zu leiden, auch die Anmeldezahlen an der Realschule haben sich seit dem Schuljahr 2006/2007 von 821 auf 660 Schülerinnen und Schüler zurückentwickelt. Nach der Schulentwicklungsplanung werden sie bis zum Schuljahr 2015/2016 um circa weitere 100 Schülerinnen und Schüler abnehmen. Das benachbarte Amplonius-Gymnasium hingegen ist fünfzügig und wird voraussichtlich auch noch bis zum Schuljahr 2015/2016 entsprechend nachgefragt. Neben der sinkenden Anzahl von Schülerinnen und Schülern gibt es in Rheinberg schon seit mehreren Jahren mit etwa 25 Prozent eine hohe Auspendlerquote der Jugendlichen in benachbarte Kommunen. Im Jahr 2010 wanderten von den 316 Viertklässlerinnen und Viertklässlern der Rheinberger Grundschulen 81 Kinder zu auswärtigen Schulen. Die Auspendlerinnen und Auspendler besuchen vor allem Gesamtschulen mit einem G9-Bildungsgang, etwa in Kamp-Lintfort oder Moers, oder Schulen mit besonderen Angeboten, wie zum Beispiel die katholische Mädchenrealschule in Xanten. Einige wählen deswegen die nächstgelegene Schule, weil sie nah an den Ortsgrenzen wohnen. Unter den Auspendlerinnen und Auspendlern sind viele Realschülerinnen und Realschüler, die die Qualifikation für die gymnasiale Oberstufe haben. „Rund 65 Prozent der Realschülerinnen und Realschüler erreichen regelmäßig diesen Abschluss, und von denen gehen fast alle auf die Oberstufen in den Nachbargemeinden“, sagt Norbert Giesen, früher Leiter der Realschule Rheinberg und derzeitiger Direktor der Gemeinschaftsschule. Aus diesen Gründen wurde in Rheinberg bereits vor Jahren eine kommunale Schulentwicklungskonferenz aus Schul- und Verwaltungsexperten einberufen, die ein vielfältiges und zukunftsfähiges Schulmodell für die Stadt entwickeln sollte. „Dass etwas passieren muss, ist schon vor dem Modellprojekt Gemeinschaftsschule klar gewesen“, sagt Bürgermeister Hans-Theo Mennicken. Mit dieser Ausgangssituation fiel der Schulversuch „Längeres gemeinsames Lernen – Gemeinschaftsschule“ in Rheinberg auf fruchtbaren Boden. „Die Bedingungen hier waren ideal“, bestätigt Barbara Ettwig, Vorsitzende des Schulausschusses. Zum einen konnten die Gebäude der Haupt- und Realschule sowie die Mensa, die schon auf einem Gelände standen, weiter genutzt werden, und zum anderen hätten die Lehrkräfte bereits Erfahrungen mit den geforderten Konzepten gehabt. So arbeiteten sie beispielsweise seit längerer Zeit inklusiv, förderten individuell und unterrichteten im Ganztag. Darüber hinaus seien die Menschen ausschlaggebend gewesen: Verwaltung und Lehrerkollegien waren neuen Ideen gegenüber sehr aufgeschlossen, berichtet Ettwig. Prozess politischer Willensbildung vor Ort: Um den Antrag auf Errichtung einer Gemeinschaftsschule stellen zu können, mussten sich die Befürworter der Gemeinschaftsschule die politische Mehrheit im Rat der Stadt sichern. Während sich die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke unmittelbar einig waren und das Vorhaben unterstützten, gab es Diskussionen in den Fraktionen von FDP und CDU. Die CDU-Ratsmitglieder argumentierten laut des entsprechenden Protokolls in der Schulausschusssitzung am 7. Dezember 2010, dass „zwei miteinander konkurrierende Schulsysteme“ mit gymnasialer Oberstufe, also das G8Amplonius-Gymnasium und die G9-Gemeinschaftsschule, „nicht förderlich für eine gesunde Schullandschaft“ seien. Außerdem hatten die Vertreter der CDU Bedenken, dass der Unterricht nach gymnasialen Standards nicht für alle Kinder einer fünften Klasse geeignet sei, heißt es in dem Protokoll weiter. Eine Binnendifferenzierung sei „äußerst schwierig durchzuführen“, fand die CDU-Fraktion. Darüber hinaus stellte sie die Frage, warum eine gut funktionierende Realschule aufgegeben werden sollte. Die Beibehaltung der Realschule bei gleichzeitiger Zusammenlegung mit der Hauptschule zu einer Verbundschule kam in Rheinberg nicht infrage, obwohl die beiden Schulen bereits seit 1972 unter einem Dach beheimatet sind. „Das wäre keine Lösung für uns gewesen“, sagt Bürgermeister Mennicken und erklärt: „Denn wenn die Hauptschule gestorben wäre, wäre damit auch gleich die ganze Verbundschule aufzulösen gewesen und man hätte von vorne anfangen müssen.“ Darüber hinaus hätte sich durch die Verbundschule auch nichts daran geändert, dass viele Jugendliche wegen des G9-Bildungsgangs in die Nachbarkommunen auspendeln. Die entscheidende Ratssitzung zur Gemeinschaftsschule fand im Dezember 2010 statt. „Die breite Zustimmung der Eltern zur Gemeinschaftsschule hat die FDP-Fraktion schließlich überzeugt und auch sie stimmte dem Antrag zu“, sagt Bürgermeister Mennicken. Die Christdemokraten hingegen beschlossen, mit Nein zu stimmen. Schließlich kam eine Mehrheit im Rat durch den parteilosen Bürgermeister Mennicken und die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke zustande. 52 Regionale Abstimmungsprozesse und Verfahren der Konsensbildung: Die konkreten Planungen für die Gemeinschaftsschule in Rheinberg begannen im Spätsommer 2010. Schulleiter Giesen und sein Kollege Heiner Morsch, Leiter der Hauptschule, sprachen im September 2010 zunächst mit ihren Kollegien. In den kommenden Wochen folgten Gespräche mit dem zuständigen Dezernenten der Bezirksregierung Düsseldorf und dem Schulministerium. Parallel wurde die Einführung einer Gemeinschaftsschule in den Ausschüssen und Gremien der Stadt diskutiert. Beide Schulkonferenzen haben sich letztendlich mehrheitlich für die Gemeinschaftsschule ausgesprochen. Während es in der Schulkonferenz der Hauptschule neun Jastimmen und zwei Enthaltungen gab, befürworteten die Mitglieder der Schulkonferenz der Realschule die Gemeinschaftsschule einstimmig. Die Lehrkräfte waren sich einig, dass die Gemeinschaftsschule eine eigene G9-Oberstufe bekommen sollte. Sie wollten sie auf die Real- und Hauptschule aufsatteln, um konkurrenzfähig zu werden, betont Direktor Giesen. Damit würde die Gemeinschaftsschule attraktiv werden für die offenbar zahlreichen (auspendelnden) Jugendlichen, für die gymnasiale Standards wichtig sind und die ihr Abitur erst nach 13 Jahren ablegen wollen. Eine solche Oberstufe würde die Schullandschaft bereichern und dem Amplonius-Gymnasium mit seinem G8-Bildungsgang keine Konkurrenz machen, so die Position der Schulleiter. Auch Heinz Gniostko, schulfachlicher Dezernent in der Bezirksregierung Düsseldorf, beschreibt die Stimmung in den Kollegien als sehr konstruktiv. Anfangs habe es auch Ängste gegeben, wie das häufig bei tief greifenden Veränderungen der Fall sei. Die Lehrerinnen und Lehrer hätten vor allem Fragen beschäftigt wie beispielsweise: Wer kann in der Schule mitarbeiten? Wer bleibt an den auslaufenden Schulen? Wer wird die Leitung übernehmen? Die Schulaufsicht der Bezirksregierung Düsseldorf hat diese Unsicherheiten aufgefangen, indem sie die Lehrkräfte intensiv mit in den Prozess eingebunden hat, an Lehrerkonferenzen teilgenommen hat und für Fragen zur Verfügung stand. Darüber hinaus hat die Bezirksregierung der Schule zur Unterstützung ein Team von Schulentwicklungsberaterinnen und Schulentwicklungsberatern zur Verfügung gestellt, die die Lehrkräfte coachen und ihnen Supervision anbieten. Gniostko: „Schulentwicklungsprozesse werden meist von Menschen mit vielen sprühenden Ideen vorangetrieben. Es muss verhindert werden, dass die Lehrkräfte ausbrennen.“ Stattdessen gelte es, die Lehrkräfte zu begleiten und zu unterstützen. Neben den Kollegien wurden auch die Eltern in den Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule eingebunden. Im November 2010 wurde eine schriftliche Befragung von 620 Eltern zum Modellvorhaben von der Verwaltung durchgeführt, deren Kinder die dritten und vierten Klassen der Rheinberger Grundschulen besuchen. Insgesamt sprach sich die Mehrheit der Eltern für die Gemeinschaftsschule aus. Schulleiter Giesen sagt: „Viele Eltern entschieden sich für die Gemeinschaftsschule, weil die Kinder ein Jahr mehr Zeit zum Abitur haben als im G8-Bildungsgang.“ In Rheinberg wurde großer Wert darauf gelegt, die Eltern von Beginn an mit in die Planungen einzubeziehen. Gniostko sagt: „Neben den Lehrkräften ist es wichtig, die Eltern als Partner zu beteiligen.“ Auch auf ihrer Seite habe es Sorgen und Ängste gegeben. Sie wollten vor allem verhindern, dass ihre Kinder zu „Versuchskaninchen“ werden. Um diese Befürchtungen aufzufangen und zu entkräften, konnten die Eltern beispielsweise in der Steuergruppe und in Workshops mitarbeiten, deren Ergebnisse ins Schulkonzept einflossen. Diese Entwicklungen und die gemeinsame Arbeit von Eltern und Fachleuten wurden ständig kommuniziert, zum Beispiel über die Schulhomepage. Gniostko erklärt: „Beteiligung und Transparenz sind von großer Bedeutung. Meine Erfahrung als Schulentwickler ist, dass solch ein Prozess nur funktionieren kann, wenn alle Betroffenen beteiligt werden.“ Das betrifft auch die Nachbarkommunen. Wie im Antrag für die Gemeinschaftsschule vorgesehen, informierte Rheinberg mit einem Schreiben am 8. November 2011 auch die Nachbarkommunen Alpen, Kamp-Lintfort, Moers, Wesel und Xanten über das Modellvorhaben der Gemeinschaftsschule und bat sie um Stellungnahme. Bis auf die Gemeinde Alpen waren alle Nachbarkommunen mit der Einführung der Gemeinschaftsschule einverstanden und hatten keine Bedenken. Alpen fürchtete um seine Schulstandorte, wenn die Auspendlerinnen und Auspendler aus Rheinberg fernblieben oder einige Alpener Kinder gegebenenfalls zur Gemeinschaftsschule nach Rheinberg abwandern würden. Deshalb bat die Gemeinde darum, das Projekt aufzuschieben. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Alpener Schwierigkeiten wenig mit den Rheinberger Kindern zu tun hatten. In ihrer Begründung für die Genehmigung des Antrags schreibt das Schulministerium im Januar 2011: „Mit einer Bestandsgefährdung der Schulen in Alpen aufgrund der Gründung der Schule in Rheinberg ist jedoch nicht zu rechnen.“ Laut dem Schreiben besuchen lediglich drei Kinder aus Rheinberg die fünfte Klasse der Hauptschule in Alpen, und nur vier Schülerinnen und Schüler die Klasse 5 der Realschule. Auch wenn die Hauptschule Alpen einzügig geführt werde, werde sie nicht unter die Mindestgröße einer einzügigen Hauptschule fallen, wenn Kinder aus Rheinberg ausbleiben. Gleiches gelte für die Realschule. Um die Sorgen der Nachbarn zu berücksichtigen, versprach Rheinberg, bei der weiteren Schulentwicklung eng mit den Nachbargemeinden zu kooperieren. 53 Prozess der Entwicklung des pädagogischen Konzepts: Das pädagogische Konzept der Gemeinschaftsschule wurde im Oktober 2010 innerhalb von nur drei Wochen erarbeitet, nachdem eine spezielle Arbeitsgruppe mit Lehrkräften der beteiligten Schulen gegründet wurde. Das war möglich, weil man dabei auf der bisherigen pädagogischen Arbeit aufbauen und auf Konzepte der Haupt- und der Realschule als Vorbilder zurückgreifen konnte. Individuell gesteuertes Lernen, Ganztagsunterricht, Neigungsdifferenzierung und sogenannte Klassenlehrerstunden waren kein Neuland für die Kollegien. Bereits im Juli 2011 wurde die Realschule Rheinberg für ihre pädagogische Leistung mit dem „Gütesiegel Individuelle Förderung“ ausgezeichnet und die Hauptschule arbeitete seit Jahren erfolgreich inklusiv. Gniostko bestätigt: „Die Rheinberger sahen die Heterogenität im Unterricht, die in den Gemeinschaftsschulen obligatorisch ist, nicht als Problem an, sondern als Chance, weil das sowieso schon ihr Ansatz war.“ Externe Experten wurden bei der Erstellung des pädagogischen Konzepts nicht hinzugezogen. Im Januar 2011 erhielt die Stadt Rheinberg die Genehmigung, die Gemeinschaftsschule errichten zu dürfen. Am 7. September 2011 wurde die „Gemeinschaftsschule der Sekundarstufe I und der Sekundarstufe II Rheinberg“ eingeweiht, die im Schuljahr 2011/2012 von 160 Kindern besucht wurde. Parallel dazu nehmen Realschule und Hauptschule keine neuen Schülerinnen und Schüler mehr auf und laufen sukzessive aus. Dass ein breiter Konsens für die Umsetzung der Gemeinschaftsschule wichtig ist, betonen Bürgermeister Mennicken ebenso wie Dezernent Gniostko. Ausgehend von der demografischen Entwicklung, dem Wunsch der Eltern nach einem G9-Bildungsgang sowie den hohen Auspendlerquoten in die Nachbarkommunen hat sich der Bürgermeister selbst an die Spitze der Reformer gesetzt und zahlreiche Gespräche angestoßen, erklärt Gniostko. Die starke Wirkung des Engagements des Bürgermeisters betonen auch Schulleiter Giesen und die Schulausschussvorsitzende Ettwig. Der Kontakt unter den Beteiligten sei sehr eng gewesen, was vor allem im Hinblick auf die sehr kurze Antragszeit von Vorteil gewesen wäre. Die Konsensfindung reichte über Rheinberg hinaus in die Nachbarkommunen, sodass mit der Gemeinde Alpen, die das Vorhaben zuerst kritisch betrachtete, ein Kompromiss gefunden werden konnte. Heute plant die Gemeinde Alpen sogar, die zukünftigen Oberstufenschüler ihrer Sekundarschule künftig auf die Gemeinschaftsschule Rheinberg zu schicken. Die Präsenz der Bezirksregierung vor Ort sorgte dafür, dass Bedenken der Lehrkräfte und der Eltern ausgeräumt werden konnten. Nicht zuletzt überzeugte die pädagogische Arbeit, die schon vorher an der Real- und der Hauptschule in Rheinberg geleistet wurde und aufgrund derer man sich schnell auf ein pädagogisches Konzept einigen konnte. Schulleiter Giesen sah und sieht darin eine große Möglichkeit. „Die Gemeinschaftsschule hat uns die Chance gegeben, eine Reformschule zu werden und viele Dinge zu erneuern.“ In der folgenden Tabelle sind die für den Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule in Rheinberg relevanten Faktoren noch einmal zusammengefasst: Elternumfrage 56,52 Prozent Zustimmung Votum der Schulkonferenz der Hauptschule Ja, mehrheitlich Votum der Schulkonferenz der Realschule Ja, einstimmig Externe pädagogische Experten Nein Externe Experten für Schulentwicklungsplanung Nein Auspendlerquote, bezogen auf den fünften Jahrgang im Schuljahr 2010/2011 25,63 Prozent Prognostizierte Veränderungen der Schülerzahlen des fünften Jahrgangs nach der Schulentwicklungsplanung vom Schuljahr 2010/2011 bis 2015/2016 Anstieg um 2,60 Prozent Raumangebot Muss für die Oberstufe erweitert werden Konsens mit Nachbarkommunen Nach Abstimmungsprozessen erzielt Beteiligte Schulformen Hauptschule und Realschule Gemeinschaftsschule als letzte öffentliche weiterführende Schule vor Ort Nein 54 3. Interview mit dem Schulberater und Gesamtschulleiter Alois Brinkkötter zum Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschulen in Nordrhein-Westfalen Nachdem in dem vorangegangenen Kapitel näher auf die Entstehungsprozesse der einzelnen Kommunen und Gemeinschaftsschulen eingegangen wurde, folgt nun ein Interview mit Alois Brinkkötter, dem Leiter der Fritz-WinterGesamtschule in Ahlen. Als pädagogischer Experte hat er mehrere Kommunen beraten. Zur Person: Alois Brinkkötter Geboren am 12. Mai 1956 in Emsdetten Studium der Sekundarstufen I und II (Fächer: Mathematik und Katholische Religionslehre) Seit dem 1. Juli 2003 Schulleiter der Fritz-WinterGesamtschule in Ahlen Ausgewählte berufliche Stationen: 31. Juli 1991 bis 4. Mai 2000: Mitglied der Fachkommission zur Curriculumentwicklung „Katholische Religionslehre – Sekundarstufe I“ Seit Dezember 1996: Vorsitzendes Mitglied für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen in Münster Seit August 2003: Vorsitzendes Mitglied für Zweite Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen in Nordrhein-Westfalen Seit Dezember 2006: Arbeit in pädagogischen Planungsgruppen zur Errichtung von Gemeinschafts-, Sekundar- und Gesamtschulen (unter anderem Schöppingen-Horstmar, Ascheberg, Schalksmühle, Werl und Telgte) mit zahlreichen Informationsveranstaltungen zu diesem Themenbereich 1. Welche Rolle haben Sie bei dem Schulversuch „Gemeinschaftsschule“ gespielt? Meine zentrale Rolle war, dass ich meine umfangreichen, fast 25-jährigen Erfahrungen aus der Arbeit in einem integrierten Schulsystem, der Gesamtschule, in die Entwicklung pädagogischer Konzepte für die Gemeinschaftsschule einbringen konnte. Dabei war es nie mein Ziel, die Gesamtschule eins zu eins zu übertragen, sondern ein Schulkonzept zu entwickeln, das erstens aktuelle schulpädagogische Bemühungen berücksichtigt, also das Konzept einer Schule der Wertschätzung, der Vielfalt und der individuellen Förderung, einer Schule mit Kompetenz- und Leistungsanforderungen, einer Schule als Gemeinschaft und als lernende Schule zu erarbeiten. Zweitens sollten sich die Stärken der Schulen vor Ort, in der Regel waren das Haupt- und Realschulen, im neuen Konzept wiederfinden, sodass zum Beispiel angeknüpft werden kann an ein von der Hauptschule differenziert ausgearbeitetes Konzept der Berufsorientierung. Drittens sollte die neue Schule standortspezifisch ausgestaltet sein, also beispielsweise mit einem MINT-Profil, weil die Wirtschaft vor Ort genau die damit verbundenen Kompetenzen unterstützen und abschöpfen kann. Und viertens sollte das neue Schulkonzept maximale Zustimmung aller Beteiligten erreichen. Konkret gestaltete sich diese Arbeit in regelmäßigen Arbeitskreissitzungen, in denen um ein pädagogisches Konzept gerungen wurde, und in der die Ebenen Politik und Verwaltung durch regelmäßige Informationen und auch durch Bildungsreisen für alle Beteiligten einbezogen wurden, um durch neue Erfahrungen neue Sichtweisen zu ermöglichen. So gesehen war meine Rolle die eines Kommunikators zwischen allen Beteiligten auf dem Weg zu einem zukunftsweisenden, pädagogischen Konzept einer Gemeinschaftsschule. 2. Welche Rahmenbedingungen waren Ihrer Meinung nach im Jahr 2010 für Schulen und Kommunen wichtig, damit eine Gemeinschaftsschule entstehen konnte? An erster Stelle würde ich den Zeitfaktor nennen. Um ein solches Konzept auf den Weg bringen zu können, bedarf es einer geraumen Vorlaufzeit. Die Gemeinschaftsschule gab es in Nordrhein-Westfalen 2010 noch nicht. Es gab noch nicht einmal ein pädagogisches Konzept. Ja, es war sogar 55 bis dato unklar, wie ein solches pädagogisches Konzept gestaltet sein sollte. So viele Unsicherheiten schaffen nicht unbedingt Vertrauen. Überzeugungsarbeit war auf fast allen Ebenen zu leisten und die braucht Zeit, viel Zeit. In Ascheberg begann der Prozess beispielsweise schon im März 2008, die erste Arbeitsgruppensitzung fand am 12. Juni 2008 statt. Der erste Schultag der Profilschule war der 7. September 2011. Die intensive Phase der Konzeptarbeit dauerte gut zwei Jahre. In dieser Zeit ist es gelungen, ein tragfähiges Konzept zu erstellen, das den Anforderungen des Genehmigungsverfahrens durch das Schulministerium genügen konnte. Natürlich waren auch die ausgesprochen bescheidenen Anmeldezahlen an den Hauptschulen ein wesentlicher Anstoß für das Nachdenken über neue Schulstrukturen. Aber dieser Umstand, für sich genommen, hat noch nicht die Gemeinschaftsschule auf den Weg gebracht. Nur der erklärte Wille und die offene Bereitschaft, aus dem Scheitern der Hauptschule als Teil eines gegliederten und auf Selektion beruhenden Systems zu lernen und sich auf etwas Neues einzulassen, haben den Weg frei gemacht für die Gemeinschaftsschule. 3. Wenn man mal von den formalen Bedingungen absieht: Welche Voraussetzungen erfüllen aus Ihrer Sicht die Kommunen, die erfolgreich Gemeinschaftsschulen etabliert haben? Ich glaube, dass von einem parteiübergreifenden Konsens vor Ort eine ausgesprochen positive Ausstrahlung ausgeht. Viele Eltern sind die jahrelang geführten Strukturdebatten über Schule leid und wünschen sich Orientierung. Sie wollen jedoch auch mit ihren Sorgen und Ängsten ernst genommen werden. Deshalb ist eine umfassende Information der Eltern über das Konzept der Gemeinschaftsschule, wie es vor Ort realisiert werden soll, über das Prozedere der Schulgründung und alle weiteren Vorgehensweisen ausgesprochen wichtig. Und die Eltern wollen ein Mitspracherecht. Die Elternbefragung darf deshalb auch nicht als rein formale Notwendigkeit gesehen werden, sondern als echter Prüfstein für die weitere Entwicklung in der Schullandschaft vor Ort. 4. Sie haben eine ganze Reihe von Entwicklungsprozessen begleitet. An welchen Stellen im Prozess hakte es nach Ihrer Einschätzung bei den Kommunen? Nicht jede Kommune wünscht sich eine risikoreiche Vorreiterrolle. Man wiegt sich in Sicherheit, weil die Anmeldezahlen an den eigenen Schulen vor Ort noch stabil sind, und möchte zunächst einmal die Entwicklung der neuen Schulform abwarten. Ob diese zögerliche Grundhaltung empfehlenswert ist, möchte ich bezweifeln. Nicht selten steht diese Grundhaltung auch in enger Verbindung mit dem Wunsch, die vorhandenen Schulen, die jahrelang gute Arbeit geleistet haben, zu bewahren. Das ist gut nachvollziehbar, ob da- mit aber den Mädchen und Jungen vor Ort die bestmöglichen Bildungschancen geboten werden, bezweifle ich. 5. Und wo hakte es bei den Schulen? Die Schulen sind ja zumeist nicht die Initiatoren des Schulentwicklungsprozesses. Die Verantwortung liegt eindeutig beim Schulträger. Hauptschulen tun sich in der Regel nicht schwer mit der möglichen Veränderung in Richtung Gemeinschaftsschule. Bei den Realschulen ist das schon anders. Ihre Anmeldesituation ist meist auch noch nicht so problematisch. Es bedarf schon einer gewissen Weitsichtigkeit, um die Schulform, an der man jahrelang aus Überzeugung gearbeitet hat, aufzugeben für eine Gemeinschaftsschule, die noch keine mindestens sechsjährige Erfolgsbilanz in Nordrhein-Westfalen aufweisen kann. Und für die Kolleginnen und Kollegen ist auch nicht sicher, ob und wann sich ihr Einsatz für die neue Schule durch eine Versetzung an diese auszahlt. Es gibt also viele nachvollziehbare Gründe für eine Zurückhaltung an den Schulen. 6. Einige Gründungsprozesse sind gescheitert. Woran lag das Ihrer Ansicht nach? Da muss man eindeutig sagen, dass es zwei zentrale Gründe gegeben hat: zum einen durch entsprechende Urteile des Oberverwaltungsgerichts Münster und zum anderen durch mangelnden Zuspruch vonseiten der Eltern, sodass die Mindesthürde der Anmeldezahl nicht erreicht worden ist. Auf die Rechtsprechung hat das Ministerium unmittelbar reagiert. Die zu geringen Anmeldezahlen resultieren zum einen aus der an einigen Standorten sehr hohen Übergangsquote zum Gymnasium, sodass von der Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs für die Gründung einer Gemeinschaftsschule nicht genügend übrig bleiben. Zum anderen hat es heftige Diskussionen vor Ort über die neue Schulform gegeben, die Betroffenen fühlten sich nicht gut informiert und erst recht nicht mitgenommen. Das Vertrauen in die neue Schulform ist also erst gar nicht entstanden und deshalb scheiterte das Vorhaben. 7. Wie beurteilen Sie die Entwicklungsmöglichkeiten der Gemeinschaftsschulen nach Auslaufen des Schulversuchs? Zunächst einmal sollte die Entwicklung der Gemeinschaftsschule kontinuierlich begleitet und wissenschaftlich ausgewertet werden. Mit der Sekundarschule haben wir inzwischen eine neue Schulform, die eine große Ähnlichkeit zur Gemeinschaftsschule haben kann, und so hoffe ich, dass die positiven Erfahrungen mit dem Schulversuch „Längeres gemeinsames Lernen – Gemeinschaftsschule“ auf die Sekundarschulen übertragen werden können. Ja, einstimmig Enthaltung, mehrheitlich Ja Ja Rund 64 Prozent Rückgang um rund 15 Prozent Musste erweitert werden Nach Abstimmungsprozessen erzielt Hauptschule und Realschule Votum der Schulkonferenz der Hauptschule Votum der Schulkonferenz der Realschule Externe pädagogische Experten Externe Experten für Schulentwicklungsplanung Auspendlerquote, bezogen auf den fünften Jahrgang im Schuljahr 2010/2011 Prognostizierte Veränderungen der Schülerzahlen des fünften Jahrgangs nach der Schulentwicklungsplanung vom Schuljahr 2010/2011 bis 2015/2016 Raumangebot Konsens mit Nachbarkommunen Beteiligte Schulformen Ja Mehr als 75 Prozent Zustimmung Elternumfrage Gemeinschaftsschule als letzte öffentliche weiterführende Schule vor Ort Ascheberg Relevante Faktoren für den Entstehungsprozess Ja Hauptschule und Realschule Nach Abstimmungsprozessen erzielt Ausreichend Rückgang um 2,6 Prozent 42,9 Prozent Nein Ja Ja, mehrheitlich Ja, mehrheitlich 76 Prozent Zustimmung Billerbeck Nein Hauptschule und Realschule Keine Abstimmung nötig, weil Nachbarkommunen wegen der Lage im Stadtzentrum nicht betroffen sind Ausreichend Rückgang um 8 Prozent Fällt wegen der Größe der Stadt weg Nein Nein Ja, mehrheitlich Ja, mehrheitlich 47 Prozent Zustimmung Bochum 56 4. Vergleichende Gesamtübersicht Ja, mehrheitlich Ja, mehrheitlich Ja Ja 50 Prozent Rückgang um 25 Prozent Umbauten nötig, musste um eine Mensa erweitert werden Nach Abstimmungsprozessen erzielt Hauptschule und Realschule Votum der Schulkonferenz der Hauptschule Votum der Schulkonferenz der Realschule Externe pädagogische Experten Externe Experten für Schulentwicklungsplanung Auspendlerquote, bezogen auf den fünften Jahrgang im Schuljahr 2010/2011 Prognostizierte Veränderungen der Schülerzahlen des fünften Jahrgangs nach der Schulentwicklungsplanung vom Schuljahr 2010/2011 bis 2015/2016 Raumangebot Konsens mit Nachbarkommunen Beteiligte Schulformen Ja 60 Prozent Zustimmung Elternumfrage Gemeinschaftsschule als letzte öffentliche weiterführende Schule vor Ort Burbach Relevante Faktoren für den Entstehungsprozess Ja Hauptschule und Realschule Ja, von Anfang an Musste um eine Mensa erweitert werden Rückgang um 10,6 Prozent 50,3 Prozent Ja Ja Nein, mehrheitlich Ja, einstimmig 62,5 Prozent Zustimmung Kalletal Nein Hauptschule Keine Abstimmung nötig, weil Nachbarkommunen wegen der Lage im Stadtzentrum nicht betroffen sind Ausreichend Anstieg um rund 10 Prozent Fällt wegen der Größe der Stadt weg Nein Nein Keine Realschule beteiligt Ja, einstimmig 52,5 Prozent Zustimmung Köln – Ferdinandstraße 57 Köln – Wuppertaler Straße 52,5 Prozent Zustimmung Ja, einstimmig Keine Realschule beteiligt Nein Nein Fällt wegen der Größe der Stadt weg Anstieg um rund 10 Prozent Muss sukzessive erweitert werden Keine Abstimmung nötig, weil Nachbarkommunen wegen der Lage im Stadtzentrum nicht betroffen sind Hauptschule Nein Relevante Faktoren für den Entstehungsprozess Elternumfrage Votum der Schulkonferenz der Hauptschule Votum der Schulkonferenz der Realschule Externe pädagogische Experten Externe Experten für Schulentwicklungsplanung Auspendlerquote, bezogen auf den fünften Jahrgang im Schuljahr 2010/2011 Prognostizierte Veränderungen der Schülerzahlen des fünften Jahrgangs nach der Schulentwicklungsplanung vom Schuljahr 2010/2011 bis 2015/2016 Raumangebot Konsens mit Nachbarkommunen Beteiligte Schulformen Gemeinschaftsschule als letzte öffentliche weiterführende Schule vor Ort Ja Verbundschule Ja, von Anfang an Muss erweitert werden Rückgang um 4 Prozent 45 Prozent Nein Nein Ja, einstimmig Ja, einstimmig 67 Prozent Zustimmung Langenberg Ja Hauptschule und Realschule Ja, von Anfang an Muss um eine Mensa erweitert werden Rückgang um 8,6 Prozent 55 Prozent Nein Ja Ja, mehrheitlich Ja, mehrheitlich 85 Prozent Zustimmung Lippetal 58 Ja, einstimmig Nein, einstimmig Ja Ja 50 Prozent Rückgang um 21,5 Prozent Reicht aus, muss um eine Mensa/Aula erweitert werden Nach Abstimmungsprozessen erzielt Hauptschule und Realschule Votum der Schulkonferenz der Hauptschule Votum der Schulkonferenz der Realschule Externe pädagogische Experten Externe Experten für Schulentwicklungsplanung Auspendlerquote, bezogen auf den fünften Jahrgang im Schuljahr 2010/2011 Prognostizierte Veränderungen der Schülerzahlen des fünften Jahrgangs nach der Schulentwicklungsplanung vom Schuljahr 2010/2011 bis 2015/2016 Raumangebot Konsens mit Nachbarkommunen Beteiligte Schulformen Ja 64,4 Prozent Zustimmung Elternumfrage Gemeinschaftsschule als letzte öffentliche weiterführende Schule vor Ort Morsbach Relevante Faktoren für den Entstehungsprozess Ja Hauptschule Nach Abstimmungsprozessen erzielt Reicht aus, eine Mensa wurde nachträglich eingerichtet Rückgang um 11,3 Prozent 86 Prozent Nein Ja Realschule nicht vorhanden Ja, einstimmig 79 Prozent Zustimmung Neuenrade Nein Hauptschule und Realschule Nach Abstimmungsprozessen erzielt Muss für die Oberstufe erweitert werden Anstieg um 2,6 Prozent 25,63 Prozent Nein Nein Ja, einstimmig Ja, mehrheitlich 56,52 Prozent Zustimmung Rheinberg 59 60 5. Zusammenfassung und Ausblick Die vorliegende Dokumentation beschäftigt sich mit dem Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschulen in Nordrhein-Westfalen. Eines der Ziele der Dokumentation ist es, Faktoren herauszuarbeiten und zu benennen, die für den Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschulen von zentraler Bedeutung gewesen sind. In Kapitel 4 sind die relevanten Faktoren bereits in der Überblickstabelle aufgezeigt worden. Die folgende Zusammenfassung gibt nun noch einmal Auffälligkeiten, Gemeinsamkeiten und deutliche Unterschiede wieder, die in den elf Kommunen aufgetreten sind, die zum Schuljahr 2011/2012 Gemeinschaftsschulen gegründet haben. Der Schulversuch „Längeres gemeinsames Lernen – Gemeinschaftsschule“ ist eine schulpolitische Reaktion auf unterschiedliche landesweite Entwicklungen: Zum einen reagiert die Landesregierung damit auf den Rückgang der Geburtenzahlen und zum anderen darauf, dass immer mehr Eltern ihren Kindern die Abituroption möglichst lange offenhalten möchten und deshalb immer seltener die Hauptschule als weiterführende Schule wählen. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen wird bis zum Jahr 2019 um mehr als 300.000 zurückgehen. Das sind rund 16 Prozent. In den untersuchten Kommunen ist der demografische Wandel höchst unterschiedlich ausgeprägt: Die Gemeinde Burbach im Siegerland rechnet bis zum Jahr 2015/2016 mit einem Rückgang der Fünftklässlerinnen und Fünftklässler um 25 Prozent, während es in Billerbeck voraussichtlich nur 2,6 Prozent weniger Kinder sein werden. Der Schülerrückgang ist nicht nur auf dem Land zu beobachten, sondern teilweise auch in der Stadt. In Bochum liegt der voraussichtliche Rückgang der Fünftklässlerinnen und Fünftklässler bis zum Schuljahr 2015/2016 bei acht Prozent. Entgegen dem Landestrend ist am Standort Köln hingegen ein Schülerzuwachs von rund zehn Prozent zu verzeichnen. Doch auch dort sind zum Schuljahr 2011/2012 Gemeinschaftsschulen gegründet worden. Denn in Städten wie Köln und Bochum kommt – ebenso wie auf dem Land – hinzu, dass sich immer mehr Eltern gegen die Hauptschule und für Schulformen entscheiden, die längeres gemeinsames Lernen anbieten. Selbst in Köln müssen bis Mitte 2012 13 der ursprünglich 30 Hauptschulen geschlossen werden. In Bochum hatte die Stadt im Jahr 2010 nur noch 120 Anmeldungen für ihre sieben Hauptschulstandorte. In Neuenrade im Sauerland kam die einzige weiterführende Schule des Ortes, die Hauptschule Gertrudenschule „Auf der Niederheide“, im selben Jahr nur noch auf 18 Anmeldungen. Bei acht der elf am Schulversuch teilnehmenden Kommunen ist die Gemeinschaftsschule die letzte weiterführende Schule vor Ort. Bei der überwiegenden Mehrheit ist sie aus der Zusammenlegung der Haupt- und der Realschule entstanden. Der drohende Verlust der letzten weiterführenden Schule vor Ort bedeutet für die Kommunen grundsätzlich weniger Lebensqualität, wie beispielsweise im siegerländischen Burbach: Der Ort sei ohne weiterführende Schulen einfach nicht mehr besonders attraktiv für junge Familien, sagt Jürgen Weber, stellvertretender Hauptschulleiter im Ort. Die positiven Auswirkungen mindestens einer weiterführenden Schule erklärt die Langenberger Bürgermeisterin Susanne Mittag mit den Worten: „Das hat Auswirkungen auf die Freizeitgestaltung, die dann vermehrt in der Gemeinde stattfindet, in der die Kinder auch wohnen. Auch für den Übergang von der Schule in den Beruf ist eine weiterführende Schule vor Ort von großer Bedeutung. Durch die enge Zusammenarbeit mit der heimischen Wirtschaft können so große Erfolge bei der Suche nach passgenauen Ausbildungsplätzen auf der einen Seite und qualifizierten Auszubildenden auf der anderen Seite erzielt werden.“ 61 Dass der Handlungsdruck in vielen Kommunen im Jahr 2010 groß war, verdeutlichen auch die Auspendlerquoten. In den meisten der elf Kommunen, die eine Gemeinschaftsschule erfolgreich gegründet haben, pendelten im Schuljahr 2010/2011 rund 50 Prozent der Schülerinnen und Schüler des fünften Jahrgangs in Nachbargemeinden, um dort eine Schule zu besuchen. Ausreißer sind die Kommunen Neuenrade mit rund 86 Prozent und Rheinberg mit etwa 25 Prozent. Der extreme hohe Wert erklärt sich dadurch, dass Neuenrade die einzige der elf Kommunen gewesen ist, in der es – vor der Errichtung der Gemeinschaftsschule – lediglich die Hauptschule als letzte weiterführende Schule vor Ort gegeben hat. Hingegen war in Rheinberg – vor der Gründung der Gemeinschaftsschule – neben der Haupt- und der Realschule, sogar noch ein eigenes Gymnasium vorhanden. Weil es dort noch ein vergleichsweise umfassendes Schulangebot vor Ort gab, pendelten entsprechend weniger Schülerinnen und Schüler in Nachbarorte aus. Die vorliegende Broschüre dokumentiert, dass die Einführung der Gemeinschaftsschulen mit einer großen Unterstützung aus der Politik einherging. In den meisten der elf Kommunen wurde das Vorhaben von den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit, persönlich vorangetrieben. In Burbach lud etwa Bürgermeister Christoph Ewers (CDU), noch bevor die Möglichkeit entstand, eine Gemeinschaftsschule zu gründen, also noch vor der Landtagswahl, die Beteiligten aus Schule und Verwaltung ein, um über Schulreformen zu sprechen. Der Neuenrader Bürgermeister Klaus-Peter Sasse (CDU) schrieb am 7. September 2010 an die neu gewählte Schulministerin Sylvia Löhrmann (Bündnis 90/Die Grünen): „Aufgrund der perspektivlosen Situation der Hauptschule in Neuenrade soll die Gemeinschaftsschule möglichst schon zum Schuljahr 2011/2012 ihren Betrieb aufnehmen.“ Auch in Ascheberg (CDU), Rheinberg (parteilos) und Morsbach (parteilos) setzten sich die Bürgermeister an die Spitze der Bewegung. Ähnlich positiv wie die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister standen auch die Hauptschulkollegien der elf Kommunen dem Schulversuch gegenüber. Für sie war es eine Chance, die Schulen weiterzuentwickeln und deren Existenz zu sichern. Der ehemalige Realschulleiter und derzeitige Gemeinschaftsschulleiter Erich Zajac aus Lippetal im westfälischen Kreis Soest erklärt beispielsweise: „Wir wollten eine Schule für alle Schüler, bei der wir niemanden mehr ablehnen oder aussortieren müssen.“ Sylke Reimann-Perez, frühere Leiterin der Hauptschule und derzeitige Leiterin der Profilschule Ascheberg sagt: „Das Kollegium hat die Bestandsgefährdung gesehen und fand jedes System besser als das, was bis dahin da war.“ In allen elf Kommunen stimmten die Schulkonferenzen der Hauptschulen (mehrheitlich oder einstimmig) für die Errichtung einer Gemeinschaftsschule und für das sukzessive Auslaufen der Hauptschule. Anders sah es hingegen bei den meisten Realschulkollegien aus: Dort reichen die Voten von mehrheitlicher Zustimmung über Enthaltungen bis hin zur einstimmigen Ablehnung. Viele Realschullehrkräfte sahen die neue Schulform als Konkurrenz an, verhielten sich abwartend oder arbeiteten sogar dagegen. Kommunenübergreifend betonen die Verantwortlichen, dass es von großer Bedeutung ist, die Eltern für das Vorhaben zu gewinnen. So sagt beispielsweise Christian Ley, Vorsitzender des Ascheberger Schulausschusses, zu der hohen Beteiligung an der Elternbefragung: „Ohne so ein eindeutiges Votum der Eltern hätte es schwer werden können. Versucht man so etwas gegen den Willen der Eltern durchzusetzen, geht so ein Projekt baden.“ Für einige Verantwortliche der Kommunen waren die Eltern nicht nur einer der wichtigsten, sondern auch einer der unsichersten Faktoren im Prozess des Aufbaus der neuen Schule. Schulausschussvorsitzender Falk Heinrichs aus Burbach beschreibt die Gefühlslage der Verantwortlichen folgendermaßen: „Vor der Anmeldephase hatten wir Nervenflattern. Denn wir konnten den Eltern ja nichts zeigen, weder Personal noch Räume. Wir hatten das Konzept und unsere Ideen nur am Reißbrett erstellt, das schien aber alles noch sehr unkonkret.“ Um das Konzept abzusichern und den Antrag stellen zu können, organisierten alle Kommunen mehrere Informationsveranstaltungen. Eines der am häufigsten nachgefragten Themen dabei war die Einführung gymnasialer Standards. Offenbar war die Öffentlichkeitsarbeit, die beispielsweise in Ascheberg und Billerbeck sehr stark betrieben wurde, erfolgreich: Die für den Antrag vorgesehene schriftliche Elternbefragung ergab in allen Kommunen – mit Ausnahme der Stadt Bochum – eine (teilweise weit) über 50-prozentige Zustimmung. Eine zunächst durchwachsene Akzeptanz ernteten die Pläne zum Schulversuch bei den meisten Nachbarkommunen. Viele fürchteten die Konkurrenz durch die neue Schulform, wie etwa die Gemeinde Bad Sassendorf, eine Nachbargemeinde Lippetals. Die Kommune hatte erst kürzlich in ein neues Gebäude ihrer Hauptschule investiert, das vermutlich zukünftig leer stehen werde, berichtet der Lippetaler Schulausschussvorsitzende Michael Rennekamp. So wollte die Gemeinde Bad Sassendorf ihren Kindern den Besuch der Gemeinschaftsschule Lippetal zuerst nicht ermöglichen. Das erntete Protest der Bad Sassendorfer Eltern, sodass die Gemeinde ihre harte Haltung aufgab. Ähnlich erging es auch den westfälischen Billerbeckern mit ihrer Nachbarkommune Coesfeld. Letztendlich konnten sich alle elf Kommunen, soweit nötig, mit ihren Nachbarn einigen. 62 6. Übersicht über die Presseveröffentlichungen – eine Auswahl Der folgende Pressespiegel fasst die Reaktionen der überregionalen Medien und der Presseagenturen hinsichtlich der Gemeinschaftsschulen zusammen. Er bildet beispielhaft die Berichterstattung und die öffentliche Meinung über die wesentlichen Ereignisse auf Landesebene ab und liefert ein Stimmungsbild. Die Artikel, aus denen im Folgenden zitiert wird, stammen aus dem Pressearchiv des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen. Als wesentliche Ereignisse liegen dieser Auswahl diejenigen zugrunde, die durch Pressemitteilungen des Schulministeriums begleitet oder initiiert wurden. Die Ereignisse ergeben sich darüber hinaus aus den tatsächlichen Entwicklungen und sind im Pressespiegel aufgenommen worden, weil sie Wende- und Zielpunkte markieren. Es handelt sich um Start- und Zielzeitpunkte des Schulversuchs, um Weiterentwicklungen des Prozesses, wie zum Beispiel das Ende der Bewerbungsphase, und um politische und juristische Konflikte, die während der Umsetzungsphase auftauchten. 1. Start des Schulversuchs und Bewerbungsphase der Schulen 8. September 2010: Ministerin Sylvia Löhrmann teilt dem Schulausschuss im Landtag mit, dass sie in zwei Wochen ein Konzept zur Gemeinschaftsschule vorlegen wird. Die Zeitungen berichten nüchtern. Tenor ist, dass die Ministerin den Konsens unter den Parteien suche und keine Schulform abschaffen wolle. Nur die „Welt am Sonntag“ zitiert am 12. September den Vorsitzenden des Philologenverbands, Peter Silbernagel, als Kritiker der Regierungspläne, mit den Wor-ten „seid wachsam“, die Regierungspläne zur Durchset-zung einer „Schule für alle“ würden als solche gar nicht mehr erkannt. 20. September 2010: Die Eckpunkte des Schulversuchs werden vom Kabinett gebilligt. 23. September 2010: Die Bildungskonferenz, die zur Zukunft des Schulsystems berät, trifft sich zum ersten Mal. Im Anschluss an diese Ereignisse polarisieren die Meinungen: Die „Gemeinschaftsschule als Versuch sei ein Spiel auf Zeit“ schreibt etwa die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“. Vom „Bildungsexperiment am offenen Herzen“ schreibt „Die Welt“. „Konsens oder Nonsens?“ fragt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und meint damit, dass die Landesregierung zwar öffentlich auf den Diskurs setze, durch die Hintertür aber bereits mit dem Umbau des Schulsystems beginne. 26. Oktober 2010: IT.NRW, der statistische Dienst des Landes, legt eine Schülerprognose vor, die den anhaltenden Rückgang der Geburten abbildet. Die Meldung, dass es immer weniger Schülerinnen und Schüler geben wird, geht durch alle Zeitungen, der Ton ist mal nüchtern, mal dramatisch. Die „Neue Westfälische“ fordert Löhrmann auf, sich „keinen schlanken Fuß“ zu machen und neue Konzepte auch für die Grundschulen vorzulegen. Viele Zeitungen zitieren Löhrmanns Antwort und scheinen damit der Landesregierung insofern beizupflichten, dass die Gemeinschaftsschule die Lösung für die Probleme sei, die mit dem Schülerrückgang einhergehen. Die „gemeinsame Schule sei eine Chance“ schreibt etwa der „Kölner Stadt-Anzeiger“. 63 2. Genehmigungsphase durch das Schulministerium bis März 2011 17. November 2010: Die erste Gemeinschaftsschule in Ascheberg wird genehmigt. Außerdem wird ein Rechtsgutachten im Auftrag des Philologenverbands veröffentlicht, das den Schulversuch als verfassungswidrig ansieht. Die Medien nehmen die Genehmigung der ersten Gemeinschaftsschule euphorisch auf. „Die Zukunft beginnt in Ascheberg“ schreibt „Spiegel Online“, „Aufbruchstimmung im Münsterland“ nennt es der Bonner „General-Anzeiger“. Ein weiterer Aspekt, der breit diskutiert wird, ist die nun vermutlich beginnende Konkurrenz unter den Kommunen. So schreibt die „Westfalenpost“: „Der regionale Schulkonsens ist beendet“ und meint damit, dass sich ab sofort ländliche Kommunen Schülerinnen und Schüler abwerben, um ihre Schulen vor Ort zu retten. Auf das Gutachten im Auftrag des Philologenverbands reagieren die Zeitungen mit Mahnungen: „keine Experimente“ fordert die „Aachener Zeitung“, die „Recklinghäuser Zeitung“ nennt das Agieren der Regierung „Angst vor der Nagelprobe“ und fordert eine gesetzliche Grundlage für die Schulpolitik. 22. Dezember 2010: 19 Anträge aus Altenbeken, Ascheberg, Bad Honnef, Billerbeck, Blankenheim/Nettersheim, Bochum, Bornheim, Burbach, Finnentrop, Kalletal, Köln (drei mal), Langenberg, Lippetal, Morsbach, Neuenrade, Rheinberg und Sprockhövel liegen dem Schulministerium vor. Die Zeitungen bewerten die Anzahl der Bewerbungen höchst unterschiedlich. So schreibt das „Westfalenblatt“ von „geringem Interesse an NRW-Schulreformen“, die „Rheinische Post“ nennt die Bewerbungen dagegen „ein Weihnachtsgeschenk für Löhrmann“. Das Projekt sei erfolgreich. Die Düsseldorfer Zeitung sieht deshalb Diskussionsbedarf bei den Gegnern, besonders bei der CDU. 10. März 2011: 14 Gemeinschaftsschulen an den Standorten Ascheberg, Billerbeck, Blankenheim/Nettersheim, Bochum, Burbach, Finnentrop, Kalletal, Köln (Ferdinandstraße und Wuppertaler Straße), Langenberg, Lippetal, Morsbach, Neuenrade, Rheinberg sind genehmigt. Die in Bornheim und Sprockhövel geplanten Gemeinschaftsschulen erreichen nicht die erforderliche Zahl von Anmeldungen. Ob die Gemeinschaftsschule Bad Honnef die erforderliche Anmeldezahl erreichen wird, ist nicht sicher; das Anmeldeverfahren endet am Freitag, den 11. März 2011. Weil weitere 40 Anträge vorlägen, sei es Ziel der Landesregierung, die Gemeinschaftsschule auf eine schulgesetzliche Grundlage zu stellen, meldet das Ministerium. Die Medien informieren nüchtern darüber. „WDR.de“ berichtet in diesem Zusammenhang über den juristischen Kleinkrieg in den Kommunen und sieht die Hauptschule als Schulform vor dem Ende. Kontroverser wird dagegen die Entwicklung der CDU kommentiert, die mit ihrem Parteitag Anfang März im Fokus der Aufmerksamkeit steht. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ zitiert den CDU-Generalsekretär Oliver Wittke mit den Worten „wir machen Frieden mit der Gesamtschule“. Die „Welt am Sonntag“ kündigt an, dass die CDU ihre Schulpolitik der Realität anpassen wolle und Rot-Grün ein verführerisches Angebot zum Schulfrieden machen werde. 3. Juristische und politische Entwicklungen 6. Dezember 2010: Veröffentlichung des Gutachtens des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), das den Schulversuch für rechtens im Sinne § 25 des Schulgesetzes hält. „Jetzt steht es ein zu eins“, schreiben die „Westfälischen Nachrichten“ und spielen damit auf das Gutachten des Philologenverbands an, das behauptet, der Schulversuch sei nicht rechtmäßig. Das Gutachten stärke die rot-grüne Bildungspolitik, finden die „Aachener Nachrichten“ und der „Kölner StadtAnzeiger“. 11. Januar 2011: Die CDU beschließt ein neues Schulkonzept. Die Zeitungen berichten ausführlich darüber, zeigen aber wenig Verständnis für die „späte Einsicht“, wie etwa die „Aachener Nachrichten“ die neue Ausrichtung der christdemokratischen Schulpolitik nennt. Ebenso die „Westfalenpost“: „CDU wagt in der Schulpolitik nur Trippelschritte“ spottet das Blatt. Drei Tage später heißt es dann schon in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“: „NRW-Parteien wollen Schulfrieden schließen“. 15. Februar 2011: Das Verwaltungsgericht Aachen hat den Antrag, die in Blankenheim/Nettersheim geplante Gemeinschaftsschule zu stoppen, zurückgewiesen, soweit er sich gegen die Durchführung des Schulversuchs „Gemeinschaftsschule“ richtet. Der Schulversuch selbst ist nicht infrage gestellt worden. Stattgegeben worden ist dem Antrag insoweit, als er sich gegen die Errichtung einer Sekundarstufe II in Blankenheim/Nettersheim aus Anlass des Schulversuchs richtet. Auch in Finnentrop und Sprockhövel hakt es. In Finnentrop klagt eine Nachbargemeinde, in Sprockhövel mangelt es an Anmeldungen. Die Ereignisse erregen landesübergreifend Aufsehen: „Streitfall Gemeinschaftsschule“ schreibt die „Rheinische Post“; „Ein Experiment mit Nebenwirkungen“ nennt die „Westfalenpost“ die Ereignisse; „Immer härtere Bandagen“ würden im Schulstreit aufgefahren. Und selbst die überregionale „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt über die Verhältnisse im sauerländischen Finnentrop, in dem unabhängig von Parteigrenzen nicht klar zu sein scheine, was rechtens sei. 64 12. April 2011: Das Verwaltungsgericht Arnsberg entscheidet gegen die Gemeinschaftsschule Finnentrop. Das Ministerium teilt mit, dass es gegen den Beschluss Beschwerde einlegen werde. 13. April 2011: Insgesamt wurden 14 Gemeinschaftsschulen genehmigt: Ascheberg, Billerbeck, Blankenheim/Nettersheim, Bochum, Burbach, Finnentrop, Kalletal, Köln (Ferdinandstraße und Wuppertaler Straße), Langenberg, Lippetal, Morsbach, Neuenrade, Rheinberg. In zwei Fällen gibt es Klagen: In Blankenheim/Nettersheim wurde in einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichtes Aachen die Errichtung der Sekundarstufe I bestätigt, im Hauptsacheverfahren wird noch über die in sechs Jahren anstehende Einrichtung der gymnasialen Oberstufe entschieden. Die Berichterstattung zu den Konflikten ist enorm. Nach Meldungen am 12. April zur Gerichtsentscheidung gegen die Schule in Finnentrop diskutieren die Blätter die Optionen der Landesregierung. Dabei sieht „Die Welt“ „das Prestigeprojekt wackeln“, wie die Zeitung die Gemeinschaftsschule nennt. Rund zwei Wochen später schreibt das Blatt darüber, „warum die Union die Gemeinschaftsschule eigentlich doch ganz gut findet“. „WDR.de“ spricht ebenfalls Ende April schon von einem möglichen Schulfrieden und auch das Fachmagazin „Pädagogik“ sieht CDU-Überzeugungen erodieren. 9. Juni 2011: Das Oberverwaltungsgericht Münster stoppt die Einrichtung der Gemeinschaftsschule Finnentrop. 20. Juni 2011: Das Schulministerium zieht, wegen einer Klage der Nachbargemeinde und der zu geringen Anmeldezahlen, die Genehmigung für Blankenheim/Nettersheim zurück. 22. Juni 2011: Es findet eine Sondersitzung des Schulausschusses im Landtag zur Zukunft der Gemeinschaftsschule statt. Anlass ist das ablehnende Urteil für die Gemeinschaftsschule Finnentrop. In der Folge: Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause am 20. Juli einigen sich die Fraktionen von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf einen Schulkonsens, der für zwölf Jahre Ruhe in die traditionell hitzige Diskussion um die richtige Schulstruktur – gegliedert oder gemeinsam – bringen soll. Die Berichterstattung erreicht in den Wochen davor ihren quantitativen Höhepunkt. Als Konsequenz aus dem Urteil müsse die Landesregierung jetzt für Planungssicherheit sorgen und ein wasserdichtes Gesetz beschließen, fordert etwa die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ am 10. Juni. Ähnlich sieht es auch die „Westdeutsche Zeitung“: Damit die Kinder nicht am Ende die Dummen seien, müsse die Regierung ihre nachlässigen und überhasteten Entscheidungen korrigieren. Die „Aachener Nachrichten“ stoßen in dasselbe Horn und fordern am 15. Juni einen „Abrüstungsvertrag“ der Parteien. „CDU und SPD müssen den Schulkonsens schaffen“ fordert die Zeitung. Der Streit zwischen den Parteien ist auch in den folgenden beiden Wochen das Hauptthema der Medien. Heißt es am 21. Juni noch in der „Neuen Rhein Zeitung“ die CDU bleibe bei ihrer Absage für den sogenannten Bildungsgipfel „Offiziell wegen der Linkspartei. Inoffiziell aus Angst vor den eigenen Wählern“. CDU-Fraktionschef Karl-Joseph Laumann halte sich jedoch eine Hintertür offen, ergänzt die Nachrichtenagentur „dapd“. „Es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis es zu einem rot-grün-schwarzen Schulgipfel in Nordrhein-Westfalen kommt“, prognostiziert dann auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am 25. Juni. Denn: Die CDU wolle den Schwarzen Peter als Blockierer loswerden, während Rot-Grün ihr Prestigeprojekt retten wolle. Knapp einen Monat vor der offiziellen Verkündung des Schulkonsenses in Nordrhein-Westfalen ist dann noch mal die Entscheidung des CDU-Präsidiums, die Hauptschule endgültig zu beerdigen, Thema in den Zeitungen. „Überfällige Modernisierung“ nennt das „Handelsblatt“ den Vorgang, „Abschied vom hässlichen Entlein“ heißt es dazu in der „Frankfurter Rundschau“. 65 Anhang (A) Zentrale Eckpunkte für das Modellvorhaben „Gemeinschaftsschule” (B) „Auf dem Weg zur Gemeinschaftsschule" ? Ein Leitfaden für Schulen und Gemeinden, die sich am Schulversuch „Längeres gemeinsames Lernen – Gemeinschaftsschule“ beteiligen wollen (C) Interviewleitfaden für die Dokumentation zum Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule in Nordrhein-Westfalen A) Zentrale Eckpunkte für das Modellvorhaben „Gemeinschaftsschule" (Schulversuch gem. § 25 Abs. 1 und 4 SchulG) Beirat Zielsetzung Bestellung durch MSW Ziel des Modellvorhabens ist es, zu erproben, wie durch längeres gemeinsames Lernen in der Sekundarstufe I die Chancengerechtigkeit und Leistungsfähigkeit des Schulwesens erhöht werden kann und Kinder dadurch zu besseren Abschlüssen geführt werden können. Außerdem soll erprobt werden, wie im Hinblick auf die demografische Entwicklung und der sich wandelnden Abschlussorientierung der Eltern weiterhin ein wohnortnahes Schulangebot ermöglicht werden kann. Wissenschaftliche Begleitung Zeitdauer Errichtung in der Regel durch Zusammenführung Sechs Jahre beginnend mit dem Schuljahr 2011/2012 (1. August 2011); danach auslaufend für die während des Versuchszeitraums eingeschulten Schülerinnen und Schüler Gewährleistung auch gymnasialer Standards Integrierter Unterricht in Klassen 5 und 6 Ab Klasse 7 oder später Unterricht in integrierter oder Bestellung durch MSW; Zwischenevaluation des Vorhabens nach einer Laufzeit von drei Jahren Grundlegende Vorgaben In der Regel Schule der Sekundarstufe I In der Regel gebundener Ganztag, ausnahmsweise offene, flexible Angebote bestehender Schulen Bezeichnung Gemeinschaftsschule der Sekundarstufe I; Gemeinschaftsschule der Primarstufe und der Sekundarstufe I, Gemeinschaftsschule der Sekundarstufe I und der Sekundarstufe II Projektgruppe Einrichtung einer Projektgruppe beim Ministerium für Schule und Weiterbildung (MSW) kooperativer Form (Einrichtung von schulformspezifischen Bildungsgängen) Erreichbarkeit aller für die Sekundarstufe I vorgesehenen Abschlüsse (Anerkennung der Abschlüsse muss gesichert sein) Eigene gymnasiale Oberstufe oder Kooperation mit Gymnasium oder einer anderen Gemeinschaftsschule mit Sekundarstufe II, und/oder Gesamtschule und/ oder Berufskolleg, das den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife ermöglicht Abitur nach neun Jahren (G9); bei herausragenden Leistungen Übergang nach der Sekundarstufe I in die Qualifikationsphase möglich 66 Schulgröße, Klassengröße Antrag auf Teilnahme an dem Schulversuch Für eine Gemeinschaftsschule sind vier Parallelklassen pro Jahrgang wünschenswert, mindestens erforderlich sind drei Parallelklassen pro Jahrgang (Sicherung wohnortnaher Beschulung im ländlichen Raum). Einbindung in anlassbezogene Schulentwicklungsplanung einschließlich vorangegangener förmlicher Elternbeteiligung. Standardisierte Bausteine für die Schulentwicklungsplanung, Formblätter für die Elternbeteiligung und ein Muster für einen Kooperationsvertrag zwischen Schulträgern werden entwickelt. Mindestklassengröße bei Errichtung: 23 Schülerinnen und Schüler statt der gesetzlich ansonsten vorgesehenen Mindestklassengröße von 28 Schülerinnen und Schüler Klassenfrequenzhöchstwert beträgt für die integrative Form 25; in der kooperativen Form ab Klasse 7 zur Erreichung vertretbarer Klassengrößen 29. Der Klassenfrequenzrichtwert beträgt 24 Schülerinnen und Schüler. Diese Werte orientieren sich an der Hauptschule. Sie tragen der Heterogenität der Schülerschaft Rechnung und berücksichtigen, dass in der Gemeinschaftsschule unterschiedliche Schulformen zusammenwachsen. Lehrerarbeitszeit Die Lehrkräfte haben unabhängig von ihrem Lehramt eine Pflichtstundenzahl von 25,5. Dies entspricht der Pflichtstundenzahl an der Gesamtschule und am Gymnasium. Besoldungsstruktur Sie orientiert sich an der Bewertung der Ämter an Gesamtschulen: Verpflichtung zur überregionalen Abstimmung der Schulentwicklungsplanung (regionaler Konsens im Sinne der Herstellung des Benehmens, regionale Zusammenarbeit). Der Versuchsantrag ist abzulehnen, wenn eine Bestandsgefährdung einer Schule eines anderen Schulträgers durch die Errichtung eintritt. Eine solche Bestandsgefährdung liegt vor, wenn die konkurrierende Schule des Nachbarschulträgers voraussichtlich unter die für die betreffende Schulform zur Fortführung grundsätzlich erforderliche Mindestzügigkeit fällt. Die Erreichbarkeit einer Hauptschule bzw. eines Hauptschulbildungsgangs in zumutbarer Entfernung muss gewährleistet sein. Die Bildung von Teilstandorten nach § 83 Abs. 4 SchulG ist möglich. In Ballungsgebieten müssen sich Gesamtkonzepte auf die einzelnen Stadtteile beziehen. Im Rahmen der Schulentwicklungsplanung ist darzulegen, wie die Leistungsheterogenität der Schülerschaft in dem Planungszeitraum von fünf Jahren gesichert werden kann. Nachweis ausreichenden und geeigneten Schulraums. Vorlage eines pädagogischen Konzepts, das die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler sichert. Als Eingangsämter können der Gemeinschaftsschule A-12-Stellen (gehobener Dienst) und A-13-Stellen (höherer Dienst; bis zu 33 v. H.) zugewiesen werden. Für die Schulleiterinnen und Schulleiter sind – je nach Ausbauzustand der Schule – Ämter der Besoldungsgruppe A 15, A 15 mit Zulage und A 16 vorgesehen. Als allgemeine Beförderungsämter ergeben sich für die Lehrkräfte des gehobenen Dienstes die Besoldungsgruppe A 13 und für den höheren Dienst die Besoldungsgruppen A 14 und A 15. Ab einem bestimmten Ausbauzustand werden darüber hinaus spezifische Beförderungsämter zur Verfügung gestellt entsprechend der Ausbringung vergleichbarer Funktionen an Gesamtschulen. Auswirkungen auf den Haushalt/Lehrerstellenberechnung für die Gemeinschaftsschule Stellenzuschlag in Höhe von 0,5 Stunden je Klasse je Woche wegen des erhöhten Differenzierungs-/Förderbedarfs „Versuchszuschlag“ in Höhe von 0,5 Stellen pro Schule wegen des erhöhten Schulentwicklungsaufwands Zusätzliches Fortbildungsbudget in Höhe von 2.500 ¤ pro Schule wegen des erhöhten Fortbildungsbedarfs Der gemeinsame Unterricht von behinderten und nicht behinderten Schülerinnen und Schülern soll im Modellversuch an mindestens einer Schule exemplarisch erprobt werden. Hierzu ist ein entsprechendes pädagogisches Konzept vorzulegen. 67 (B)„Auf dem Weg zur Gemeinschaftsschule?“ Ein Leitfaden für Schulen und Gemeinden, die sich am Schulversuch „Längeres gemeinsames Lernen – Gemeinschaftsschule“ beteiligen wollen (Stand: 10. Dezember 2010) Sehr geehrte Damen und Herren, jedes Kind hat das Recht darauf, dass seine Stärken und Schwächen, seine Einzigartigkeit in der Schule gesehen und berücksichtigt werden. Derzeit gelingt eine optimale Förderung jedes Kindes nur unzureichend. Wir müssen daher alles tun, um die Leistungen und Chancen aller Kinder zu verbessern. Besonders begabte Kinder brauchen genauso individuelle Förderung wie Schülerinnen und Schüler mit besonderem Unterstützungsbedarf. Zu viele Talente bleiben unerkannt oder werden nicht gefördert. In vielfältigen Lerngruppen sind die Chancen für diese Förderung am besten. Wenn leistungsstärkere Kinder in der Klasse etwas erklären, nutzt das beiden Seiten: Die Kinder, die noch nicht so weit sind, lernen etwas dazu, und die Kinder, die schon weiter sind, verfestigen oder erweitern ihr Wissen. Die demografische Entwicklung in Verbindung mit der sich wandelnden Schulabschlussorientierung der Eltern zwingt uns zum Handeln. Vor allem in ländlichen Regionen zeigen sich Probleme: Um ein wohnortnahes, umfassendes Schulangebot zu ermöglichen, brauchen wir hier eine Schule, die zusammenwächst und die alle weiterführenden Bildungsangebote in dieser Schule verankert, und zwar unter Einschluss gymnasialer Standards. Alternative Schulangebote gewinnen aber auch in den Ballungszonen an Bedeutung. Auch hier sind Bildungsangebote gefragt, die gymnasiale Standards enthalten und damit klare Perspektiven für einen späteren Erwerb der allgemeinen Hochschulreife aufweisen. In dieser neuen Schule, der Gemeinschaftsschule, die wir ab dem Schuljahr 2011/12 im Rahmen eines Schulversuchs erproben, werden die Schülerinnen und Schüler in der fünften und sechsten Jahrgangsstufe gemeinsam unterrichtet. Die Planung des Unterrichts orientiert sich an den Lehrplänen aller Schulformen, insbesondere auch des Gymnasiums. Der Schulträger entscheidet mit allen Beteiligten, wie es nach der sechsten Klasse weitergeht: Lernen alle gemeinsam weiter oder werden die Schulformen durch verschiedene Zweige abgebildet? Die Landesregierung ist offen für die verschiedenen Ansätze, solange es pädagogisch sinnvolle Lösungen sind. Diese Lösungen werden vor Ort erarbeitet. Wichtig ist dabei, dass von einer Gemeinschaftsschule der bruchlose Übergang in die Sekundarstufe II möglich ist. Eltern müssen von Beginn an wissen, wo ihr Kind später eine Oberstufe besuchen und das Abitur erwerben kann. Als Ganztagsschule bietet die Gemeinschaftsschule durch ihre größeren Zeitfenster Raum für eine andere Kultur des Lernens mit zusätzlichen Bildungs- und Freizeitangeboten. Sie ist ein ganztägiger Lern- und Lebensort, an dem die Schülerinnen und Schüler ihre Potenziale entfalten können. Die Landesregierung will alle Kinder zu besseren Abschlüssen führen, mehr Chancengerechtigkeit herstellen und der Einzigartigkeit unserer Kinder gerecht werden. Dafür sieht die Landesregierung in der Ermöglichung von Gemeinschaftsschulen einen entscheidenden Schritt. Der vorliegende Leitfaden soll die Akteure vor Ort bei ihren Planungen unterstützen. Er richtet sich daher gleichermaßen an die Schulen, indem die Eckpunkte der pädagogischen Konzeption der Gemeinschaftsschule aufgezeigt werden, als auch an die Schulträger, denen die Einbettung der Gemeinschaftsschule als eine Möglichkeit für die regionale Schulentwicklungsplanung dargestellt wird. Sylvia Löhrmann Ministerin für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen 68 Pädagogische Leitidee Die Ergebnisse der internationalen Schulleistungsstudien haben unter anderem deutlich gemacht, dass durch längeres gemeinsames Lernen ein Bildungssystem gerechter und leistungsstärker gestaltet werden kann. Dass längeres gemeinsames Lernen in heterogenen Lerngruppen sinnvoll ist, belegen Ergebnisse der IGLU-Grundschulstudie. Die Befunde zeigen, dass es bei der Verteilung der Kinder auf die verschiedenen Schulformen nach der Klasse 4 erhebliche Überlappungen zwischen den Leistungen gibt. Kinder aus bildungsfernen Schichten besuchen bei gleichen Leistungen vergleichsweise seltener als Schülerinnen und Schüler aus bildungsnahen Schichten einen höherwertigen Bildungsgang. Mit der Stärkung des gemeinsamen Lernens soll erreicht werden, dass möglichst viele Kinder ihr Leistungspotenzial voll entfalten können. Die Gemeinschaftsschule ist daher eine Schule für alle Kinder mit unterschiedlichen Biografien und Begabungen. Um eine Gemeinschaftsschule besuchen zu können, bedarf es keiner „Bringschuld“ der Kinder. Alle sind willkommen. Ausgehend von der Annahme, dass Kinder am Ende der Grundschulzeit die dort erwarteten Kompetenzen in individueller Ausprägung auf unterschiedlichen Niveaus entwickelt haben, werden sie dort abgeholt, wo sie stehen. Die individuellen Potenziale – kognitiv, sozial und personal – bilden den Ausgangspunkt für die weiteren Lernprozesse. In der Gemeinschaftsschule lernen Schülerinnen und Schüler mit günstigen Lern- und Entwicklungsvoraussetzungen und auch besonderen Begabungen gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern, deren Kompetenzen und Fähigkeiten noch nicht so weit entwickelt sind. Langsam lernende Schülerinnen und Schüler und solche, die schneller lernen oder besondere Begabungen aufweisen, sollen individuell und gezielt gefördert werden. Damit baut die Gemeinschaftsschule einer in vielen Fällen falschen frühzeitigen Zuordnung zu einem bestimmten Bildungsgang vor. Im Verlauf des Besuchs der Gemeinschaftsschule werden die Stärken der Kinder und Jugendlichen durch zunehmend differenzierende Angebote ausgebaut und ihre Schwächen abgebaut. Dies kann besonders gut gelingen, wenn über den Unterricht hinaus mehr Zeit zur Verfügung steht. Die Gemeinschaftsschule ist daher eine Schule für alle Kinder mit unterschiedlichen Biografien und Begabungen. Als Schule mit in der Regel gebundenem Ganztag bietet sie mehr Zeit und Raum für individuelle Förderung und trägt somit zu einer Verbesserung der Bildungschancen bei, auch im Zusammenspiel mit unterschiedlichen Professionen und außerschulischen Partnern. An der Gemeinschaftsschule führt der Weg innerhalb von neun Jahren zum Abitur, besonders leistungsstarke Schülerinnen und Schüler können durch individuelle Lernzeitverkürzung das Abitur nach acht Jahren erreichen. Gemeinschaftsschulen können auch gemeinsamen Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderungen anbieten. Pädagogische Konzeption Ein Auswahlverfahren beim Übergang von der Grundschule zur Klasse 5 findet nicht statt. Im Rahmen der Kapazität werden alle angemeldeten Kinder aufgenommen. Im Sinne der Zielsetzung des Modellversuchs ist darauf zu achten, dass heterogen zusammengesetzte Lerngruppen gebildet werden können. Die Gemeinschaftsschule knüpft an die Erziehungsarbeit der Grundschule an. Neben der Vermittlung von Wissen greift sie die vielfältigen Anlässe für Erziehung auf, die sich aus Unterricht und Schulleben heraus entfalten. Unterricht, Erziehung und Schulleben schaffen verbindliche gemeinsame Lern- und Lebensbezüge. Bildung, Erziehung, individuelle Förderung und soziales Lernen werden in der pädagogischen Konzeption miteinander verzahnt, um Kindern mehr Bildungsqualität und bessere Chancen zu ermöglichen. Jeder Antrag auf Errichtung einer Gemeinschaftsschule muss ein pädagogisches Konzept enthalten mit Aussagen insbesondere zu den folgenden Aspekten: Lehren und Lernen (Lehrereinsatz, Lerngruppen, Unterrichtsorganisation) Ganztagskonzept Sicherstellung der individuellen Förderung und Förderung einer Lernkultur Kompetenzorientierung Gewährleistung auch gymnasialer Standards Inhaltliche Schwerpunkte in den Doppeljahrgangsstufen 5/6, 7/8 und 9/10 Fachliche und überfachliche Lernangebote einschließlich der Fremdsprachen- und Wahlpflichtangebote Maßnahmen und Formen der Differenzierung Fortführung in der Sekundarstufe II in einer eigenen Oberstufe oder durch verbindliche Kooperation Ausgestaltung der Leistungsnachweise und der Leistungsbewertung Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung Interne Evaluationsverfahren 69 Der Unterricht orientiert sich in allen Jahrgangsstufen auch an gymnasialen Standards, sodass auch ein späterer Eintritt in die gymnasiale Oberstufe curricular unterstützt wird. Die Planung des Unterrichts orientiert sich an den Lehrplänen aller Schulformen, insbesondere auch des Gymnasiums. Gymnasium/Realschule/Hauptschule) ist eine Entscheidung, die der Schulträger unter Beteiligung der Schulkonferenz vor Ort trifft. Kompetenzorientierter Unterricht und Aufgaben der Lehrkräfte Der Fokus der Gemeinschaftsschule liegt auf dem längeren gemeinsamen Lernen und einer konsequenten individuellen Förderung im Anschluss an eine weiterhin vierjährige Grundschule. Damit einher geht eine veränderte Sichtweise auf das Lehren und Lernen in der Gemeinschaftsschule. Lernen wird verstanden als aktiver, situativer und konstruktiver auf Kompetenzerwerb ausgerichteter Prozess, in dem die Schülerinnen und Schüler – unter Einbeziehung der in der Grundschule erworbenen Fähigkeiten – anwendbares Wissen erwerben und so ihre Kompetenzen erweitern. Dazu brauchen die Kinder und Jugendlichen gute Lernanleitungen, gute Aufgabenstellungen, klare Instruktionen und eine begleitende Unterstützung. In einem kompetenzorientierten, gut strukturierten Unterricht hat die Lehrkraft unter anderem die Aufgaben, eine ansprechende Lernumgebung zu gestalten, interessante Lernaufgaben zu stellen, Selbstlern- und Gruppenlernprozesse anzubahnen, individuelles Lernen zu beobachten und zu dokumentieren, Aufgaben nach Neigungen und Niveau zu differenzieren, Rückmeldungen zu Lernprozessen und Ergebnissen zu geben. In der integrierten Form kann der Wahlpflichtbereich ab Klasse 7 die folgenden Schwerpunkte anbieten: Zweite Fremdsprache Naturwissenschaften/Informatik Arbeitslehre Musik/Kunst Sozialwissenschaft/Ökonomie Technik Sport Neben dem verpflichtenden Angebot der zweiten Fremdsprache müssen mindestens zwei weitere dieser Schwerpunkte angeboten werden. Der Unterricht in der Gemeinschaftsschule ist der individuellen Förderung verpflichtet. Dazu gehört der reflektierte Einsatz von Maßnahmen der inneren und äußeren Differenzierung: In der Doppeljahrgangsstufe 5/6 wird das gemeinsa- Unterrichtsorganisation und Unterrichtsinhalte me Lernen der Grundschule mit Binnendifferenzierung fortgeführt. Ab der Doppeljahrgangsstufe 7/8 erfolgt – in der Regel unter Beibehaltung der Klassenverbände – eine erste Schwerpunktsetzung durch unterschiedliche Anforderungsebenen in den Kernfächern sowie in einem neu gestalteten Wahlpflichtbereich (zweite Fremdsprache, Wirtschaft, Naturwissenschaften, Arbeitslehre, erste Praktika …). In der Doppeljahrgangsstufe 9/10 erfolgt eine zweite Schwerpunktsetzung durch abschlussbezogene Profilbildung – nach Entscheidung der Schulkonferenz durch Bildung entsprechender Profilklassen oder durch modulare Angebote – unter anderem unter Einbeziehung von Praktika. Am Ende der Klasse 10 werden alle Abschlüsse der Sekundarstufe I vergeben. Bei entsprechenden Leistungen wird die Übergangsberechtigung in die gymnasiale Oberstufe erteilt. Die Doppeljahrgangsstufe 5/6 führt die Arbeit der Grundschule weiter in heterogenen Klassenverbänden, allerdings mit dem in der Sekundarstufe I notwendigen verstärkten Fachlehrereinsatz. Die Stundentafel der Gemeinschaftsschule umfasst in der Doppeljahrgangsstufe 5/6 die Fächer und das Stundenvolumen des Gymnasiums. Werden im weiteren Verlauf ab Klasse 7 oder später schulformspezifische Bildungsgänge eingerichtet (kooperative Form), sind die Stundentafeln der jeweiligen Schulformen maßgeblich. Dabei kann die Schule auch gemeinsame bildungsgangübergreifende Angebote organisieren. Ob die Gemeinschaftsschule weiter mit heterogenen Klassenverbänden und je nach Fach mit innerer oder auch äußerer Differenzierung in Fachleistungskursen arbeitet oder mit zwei oder drei festen Bildungsgängen (beispielsweise Gymnasium und Realschule und Hauptschule als gemeinsamer Bildungsgang oder Werden ab Klasse 7 oder später getrennte Bildungsgänge eingerichtet, entscheiden die Eltern nach Beratung durch die Schule über die Wahl des Bildungsgangs. Analog zu den Regelungen in § 13 der APO S I kann diese Entscheidung nach einem Jahr auf Antrag der Eltern korrigiert werden, wenn die Leistung nicht dem Bildungsgang entspricht. Bei einer positiven Leistungsentwicklung empfiehlt die Versetzungskonferenz den Eltern den Wechsel in den jeweils höheren Bildungsgang. Ab Klasse 6 lernen alle Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule eine weitere moderne Fremdsprache. Wenn diese Sprache bis zum Ende der Sekundarstufe I 70 mit insgesamt mindestens 14 Wochenstunden fortgeführt wird, sind die Bedingungen für die zweite Fremdsprache für die gymnasiale Oberstufe erfüllt. Als Alternative kann ab Klasse 7 ein anderes Wahlpflichtfach (naturwissenschaftlich, technisch, musisch-künstlerisch oder Ähnliches) gewählt werden. Die Gemeinschaftsschule kann weitere Fremd-sprachen (zum Beispiel Latein) ab Klasse 8 und in der gymnasialen Oberstufe anbieten. Die in der Gemeinschaftsschule erreichbaren Abschlüsse richten sich nach den geltenden Bildungsstandards und werden auf die gleiche Weise vergeben wie in den übrigen Schulformen, das heißt auf der Basis von Leistungsbewertung mit Ziffernnoten, von Kurs- bzw. Bildungsgangzugehörigkeit und von Ergebnissen zentraler Prüfungen. Dabei zählen nur die erbrachten Leistungen des Einzelnen; die Organisationsform (integrierte oder kooperative Form) der Gemeinschaftsschule ist dabei nicht relevant. Der mittlere Schulabschluss mit Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe ermöglicht den Übergang in die gymnasiale Oberstufe. Führt die Gemeinschaftsschule eine eigene Oberstufe, ist diese vergleichbar mit den gymnasialen Oberstufen an Gymnasien und Gesamtschulen. Die Vergleichbarkeit der Schulleistungen wird auch durch die Teilnahme an den Lernstandserhebungen gesichert. Da die Bedingungen der Kultusministerkonferenz für die gegenseitige Anerkennung von Schulabschlüssen eingehalten werden, ist ein Schulwechsel in eine andere Schulform und auch in ein anderes Bundesland sowohl während der Sekundarstufe I (zum Beispiel bedingt durch Wohnortwechsel) als auch nach Abschluss der Sekundarstufe I möglich. Die Gemeinschaftsschule stellt dazu ein bundesweit anerkanntes Überweisungszeugnis mit der Berechtigung für den Besuch einer bestimmten Schulform bzw. ein Abschlusszeugnis aus. Maßgeblich ist die jeweils erbrachte Schulleistung. Schulorganisatorische Rahmenbedingungen Wünschenswert sind für die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule in der Sekundarstufe I vier oder mehr parallele Züge, mindestens erforderlich ist die Dreizügigkeit. Die Mindestklassengröße bei Errichtung beträgt 23 Schülerinnen und Schüler. Der Klassenfrequenzhöchstwert beträgt für die integrative Form 25. In der kooperativen Form ab Klasse 7 beträgt der Klassenfrequenzhöchstwert 29. Dieser Wert ermöglicht vertretbare Klassengrößen und berücksichtigt, dass in der Regel auch in der kooperativen Form bestimmte Fächer und Lernangebote bildungsgangübergreifend unterrichtet werden. Der Klassenfrequenzrichtwert beträgt 24 Schülerinnen und Schüler. Auf dieser Basis wird auch die Stellenzuweisung berechnet. Diese Werte orientieren sich an denen der Haupt- schule. Sie tragen der Heterogenität der Schülerschaft Rechnung und berücksichtigen, dass in der Gemeinschaftsschule unterschiedliche Schulformen zusammenwachsen. Da die Gemeinschaftsschule als Schule für eine oder mehrere Gemeinden eingerichtet wird, soll sich die Aufnahmekapazität an den zu erwartenden Anmeldungen aus dem Gebiet, für das die Schule von dem oder den Schulträgern vorgesehen ist, orientieren. Kinder aus diesem Gebiet haben einen Anspruch auf Aufnahme. Sind darüber hinaus im Rahmen der festgelegten Kapazität Plätze frei, können nach Entscheidung der Schulleiterin oder des Schulleiters auch Kinder aus benachbarten Regionen aufgenommen werden. Die Gemeinschaftsschule gewährleistet gymnasiale Standards. In größeren Gemeinschaftsschulen werden in der Regel so viele Schülerinnen und Schüler die Qualifikation zum Übergang in die Oberstufe erreichen, dass eine eigene gymnasiale Oberstufe eingerichtet werden kann. Bei geringerem Schüleraufkommen kann der Erwerb der allgemeinen Hochschulreife auch im Rahmen einer verbindlichen Vereinbarung mit einer anderen Gemeinschaftsschule mit Sekundarstufe II, einer Gesamtschule, einem Gymnasium oder einem Berufskolleg, das den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife ermöglicht, sichergestellt werden. Wichtig ist, dass Eltern bereits bei Anmeldung zur Gemeinschaftsschule Klarheit darüber erhalten, unter welchen Bedingungen und wo ihr Kind später eine Oberstufe besuchen und das Abitur erwerben kann. Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule erwerben die allgemeine Hochschulreife (Abitur) bei entsprechender Qualifikation nach neun Jahren (G9). Bei herausragenden Leistungen ist nach der Sekundarstufe I auch der Übergang in die Qualifikationsphase möglich. Für die Gemeinschaftsschule können bestehende Schulgebäude, am besten Schulzentren, aber auch nicht zu weit voneinander entfernt liegende Schulgebäude, genutzt werden. Die Gemeinschaftsschule kann nach pädagogischen Gesichtspunkten auch auf vorhandene Gebäude aufgeteilt werden, zum Beispiel Klassen 5/6, 7–10 und die Oberstufe in je einem eigenen Gebäudeteil (Dependancen). Gemeinschaftsschulen sind in der Sekundarstufe I gebundene Ganztagsschulen mit einem Lehrerstellenzuschlag von 20 Prozent. Das muss bei der Auswahl und gegebenenfalls beim Ausbau der Schulgebäude berücksichtigt werden. Zu jeder Gemeinschaftsschule, die den Ganztag anbietet, gehören eine Mensa und Räume für den gebundenen Ganztag. Bei Dependancelösungen sind diese Voraussetzungen auch für die einzelnen Standorte maßgeblich. 71 Kollegium und Schulleitung In der Gemeinschaftsschule arbeiten Lehrkräfte mit Lehrämtern der Sekundarstufen I und II gemeinsam in einem Kollegium zusammen. In der gymnasialen Oberstufe unterrichten ausschließlich Lehrkräfte mit dem Lehramt für die Sekundarstufe II. Unabhängig von ihrem Lehramt beträgt die Pflichtstundenzahl für alle Lehrkräfte einheitlich 25,5 Stunden pro Woche. Dies entspricht der geltenden Unterrichtsverpflichtung für Lehrkräfte an Gesamtschulen und Gymnasien. Die Besoldung der Lehrkräfte an Gemeinschaftsschulen orientiert sich an der Bewertung der Ämter an Gesamtschulen. Als Eingangsämter können sowohl Stellen des gehobenen Dienstes (A 12) als auch bis zu 33 Prozent Stellen des höheren Dienstes (A 13) zugewiesen werden. Als allgemeine Beförderungsämter ergeben sich für die Lehrkräfte des gehobenen Dienstes die Besoldungsgruppe A 13 und für die Lehrkräfte des höheren Dienstes die Besoldungsgruppe A 14 und A 15. Ab einem bestimmten Ausbauzustand werden außerdem analog zur Ausbringung vergleichbarer Funktionen an Gesamtschulen spezifische Beförderungsämter zur Verfügung gestellt. Für Schulleiterinnen und Schulleiter sind – je nach Ausbauzustand der Schule – Ämter der Besoldungsgruppe A 15, A 15 mit Zulage und A 16 vorgesehen. Für stellvertretende Schulleiterinnen und Schulleiter ergeben sich Ämter der Besoldungsgruppe A 14 mit Zulage, A 15 und A 15 mit Zulage. Für die Akzeptanz der Gemeinschaftsschule mit Blick auf die Gewährleistung gymnasialer Standards ist es wichtig, dass bereits in der Sekundarstufe I Lehrkräfte mit der Qualifikation für die Sekundarstufe I und II eingesetzt werden können. Darüber hinaus soll ein Leitungsmodell entwickelt werden, bei dem Lehrkräfte unterschiedlicher Schulformen in der Schulleitung zusammenwirken. Leitungskräfte aus Schulen, die wegen der Gründung der Gemeinschaftsschule auslaufen, sollen Leitungsaufgaben in der Gemeinschaftsschule übernehmen können. Im Zuge der Errichtung und des Aufbaus der Gemeinschaftsschule und des Auslaufens einer oder mehrerer Schulen wird den Lehrkräften der auslaufenden Schulen die Option einer Versetzung an die Gemeinschaftsschule angeboten. Ein automatischer Übergang ist nicht vorgesehen. Für die Lehrkräfte und die Schulleitung werden vor Einrichtung und in der Aufbauphase der Gemeinschaftsschule Fortbildungsmaßnahmen angeboten. Sie sollen sicherstellen, dass ein gemeinsames Schulverständnis entsteht, ein Schulprogramm entwickelt und die fachbezogenen Unterrichtsangebote und Differenzierungsformen ge- meinsam gestaltet werden können. Darüber hinaus soll mit der Fortbildung die Entwicklung von Angeboten außerhalb des Unterrichts, in der Ganztagsschule und in Vernetzung mit anderen örtlichen Jugend- und Bildungsangeboten gefördert werden. Im Rahmen des Schulversuchs erhalten die teilnehmenden Schulen wegen des erhöhten Schulentwicklungsaufwands einen „Versuchszuschlag“ von 0,5 Stellen pro Schule und wegen des erhöhten Differenzierungs- und Förderbedarfs einen zusätzlichen Stellenzuschlag von 0,5 Stunden pro Klasse. Die Gemeinschaftsschule in der regionalen Schulentwicklung Rückläufige Schülerzahlen und gravierende Veränderungen bei der Wahl der weiterführenden Schulen haben erhebliche Auswirkungen auf das regionale Schulangebot in den Sekundarstufen. Während Gymnasien vergleichsweise stabil nachgefragt werden und Gesamtschulen sogar erhebliche Anmeldeüberhänge verzeichnen und damit im Bestand nicht gefährdet sind, beträgt die Übergangsquote in die fünften Klassen der Hauptschulen inzwischen nur noch 13,3 Prozent. Damit können vielerorts nicht mehr die Bedingungen für einen geordneten Schulbetrieb nach den Landesvorgaben erfüllt werden. Realschulen konnten über längere Zeit den Schülerrückgang und die höheren Übergangsquoten zum Gymnasium durch verstärkten Zugang von Kindern, die traditionell Hauptschulen besuchen, auffangen. Inzwischen sind die Schülerzahlen teilweise auch an Realschulen rückläufig. Großstädte können dieser Entwicklung durch die Zusammenlegung von Schulen begegnen. Häufig ist dies allerdings mit einem Verlust des wohnungsnahen Schulangebots verbunden und daher kommunalpolitisch schwer durchsetzbar. Die Bemühungen, durch Ganztagsbetrieb und pädagogische Profilierung Hauptschulstandorte zu stärken, haben trotz engagierter Arbeit der Schulen insgesamt nicht zu einer Stabilisierung der Übergangsquoten geführt. Diese Entwicklung ist nicht auf Nordrhein-Westfalen beschränkt, sondern bundesweit zu beobachten. Die Akzeptanz insbesondere der Hauptschule ist weiter gesunken, immer mehr Schulstandorte sind gefährdet. Kleine Gemeinden, die nur über eine Hauptschule oder eine Hauptschule und eine Realschule verfügen, müssen zu Recht befürchten, in wenigen Jahren kein weiterführendes Schulangebot nach der Grundschule vor Ort anbieten zu können. Dass sich diese Entwicklung auch negativ auf die Gemeinde als Wirtschaftsstandort, als attraktiver Lebensraum für Familien und als kultureller Mittelpunkt auswirken wird, ist abzusehen. Der Versuch, mit der Einrichtung von Verbundschulen aus Hauptschule und Realschule, bei dem in der Regel nicht zwei Systeme zusammengefasst, sondern 72 eine Hauptschule um den Realschulbildungsgang erweitert wurde, „die Schule im Dorf zu lassen“, hat diese Entwicklung nicht stoppen können. Verbundschulen entsprechen nicht dem immer stärker werdenden Trend, Kinder nach der Klasse 4 auf einer weiterführenden Schule anzumelden, die einen bruchlosen Weg zum Abitur zumindest ermöglicht und bereits in den unteren Klassen der Sekundarstufe I gymnasiale Standards anbieten kann. Die Gemeinschaftsschule ist die Antwort auf genau diese Bedarfslage. Die ersten Planungen und Konzepte zur Einführung von Gemeinschaftsschulen sind in kleinen Gemeinden entstanden. Die Landesregierung greift diese Entwicklung auf und verfolgt das Ziel, im größtmöglichen Konsens mit den Betroffenen solche neuen Wege auf der Grundlage eines Schulversuchs zu öffnen. Durch die Erweiterung der Entscheidungsmöglichkeiten zur Errichtung einer Gemeinschaftsschule auf die Ebene der Schulträger wird die Handlungsfähigkeit der Kommunen gestärkt und die Eigenverantwortung der Schulen ernst genommen. Die Errichtung einer Gemeinschaftsschule muss eine langfristig sinnvolle Entwicklung des kommunalen bzw. regionalen Schulangebots ermöglichen. Dies setzt nicht nur eine lokale Schulentwicklungsplanung voraus, sondern erfordert in vielen Fällen eine abgestimmte interkommunale oder regionale Planung. Das gilt vor allem dann, wenn die organisatorischen Voraussetzungen zur Errichtung einer Gemeinschaftsschule nur durch Aufnahme von Schülerinnen und Schülern mehrerer Gemeinden gesichert werden können. Eine kleinere Gemeinde, die mit einem Schüleraufkommen zwischen 100 und 150 Kindern je Jahrgang eine Gemeinschaftsschule als einzige weiterführende Schule im Ort plant und damit eine zu klein werdende Hauptschule und gegebenenfalls eine Realschule ersetzen möchte, kann diese Planung nur realisieren, wenn dieses Schulangebot tatsächlich für eine deutliche Mehrheit der Eltern so attraktiv gestaltet ist, dass auch diejenigen Eltern ihre Kinder dort anmelden, die eine gymnasiale Bildung für ihre Kinder anstreben. Deshalb ist das pädagogische und organisatorische Konzept der Gemeinschaftsschule so gestaltet, dass es alle Bildungswege anbietet, der Vielfalt von Interessen und Neigungen der Kinder entspricht und sie schrittweise und individuell zu den passenden Schulabschlüssen führen kann. Vor Ort kann dieses Konzept nur dann seine volle Wirkung entfalten, wenn es von einem breiten Konsens getragen ist. Sind wesentliche gesellschaftliche Gruppen darüber zerstritten, ob das Angebot einer Gemeinschaftsschule im Ort sinnvoll ist, hat das zwangsläufig eine geringere Akzeptanz des neuen Angebots zur Folge und stellt damit infrage, ob die Schule überhaupt eingerichtet werden kann. Wenn beispielsweise bei einer Jahrgangsbreite von 120 Kindern in der Gemeinde nur 30 Prozent die Gemeinschaftsschule des Ortes besuchen wollen, macht ihre Errichtung keinen Sinn, selbst wenn durch Einpendler die Schülerzahl für eine Dreizügigkeit gerade erreicht werden sollte. Im Antrag auf Errichtung einer Gemeinschaftsschule muss daher schlüssig dargelegt werden, dass die erforderliche Mindestzügigkeit über einen überschaubaren Zeitraum von fünf Jahren gesichert ist. Dazu kann eine anonyme Elternbefragung wichtige Aufschlüsse geben. Wenn sich dies im Anmeldeverfahren nicht bestätigt, kann die Schule nicht errichtet werden. Gerade bei kleinen Gemeinden ist die Konsensbildung mit Nachbargemeinden nicht nur ein formales Erfordernis, sondern auch planerisch sehr wichtig. Es ist nicht sinnvoll, das eigene Schulangebot ohne Berücksichtigung von benachbarten Angeboten zu planen. Alle kleineren Gemeinden haben Ein- und Auspendler. Familien, die im Bereich der Gemeindegrenzen wohnen, erreichen nicht selten die Schulangebote der Nachbargemeinde einfacher als die der eigenen Gemeinde. Hier sinnvolle Bewegungen zu unterbinden wäre kontraproduktiv. Ebenso wäre es auch nicht akzeptabel, das Schulangebot zulasten einer Nachbargemeinde auszuweiten oder zu stabilisieren und damit vorhandene Schulen in ihrem Bestand zu gefährden. Im Idealfall einer überörtlichen Schulentwicklungsplanung werden so viele Schulplätze bereitgehalten, wie Kinder in der Gemeinde wohnen. Dabei werden sich Ein- und Auspendler die Waage halten. Auf dieser Basis kann eine Abstimmung zwischen Nachbargemeinden erarbeitet werden. Dabei ist vor allem der vorhandene Schulraum zu berücksichtigen. In Zeiten rückläufiger Schülerzahlen wäre es kaum vertretbar, auf der einen Seite neuen Schulraum zu bauen, während andernorts qualitativ gute Schulgebäude leer stehen. Kleine Gemeinden, die trotz hoher Akzeptanz des neuen Angebots vor Ort nicht die absoluten Zahlen für die dauerhafte Mindestzügigkeit einer Gemeinschaftsschule erreichen, sollten prüfen, ob sie mit einer benachbarten Gemeinde zusammen das notwendige Schüleraufkommen erreichen können. In diesem Fall können Lösungen mit zwei Standorten, die die Nutzung vorhandener Schulräume ermöglichen, sinnvoll sein. Wichtig ist aber auch in diesem Fall, dass die Erreichbarkeit und die Attraktivität der Schulgebäude so gut sind, dass die Schule tatsächlich angenommen wird. Vor allem in kleinen Gemeinden, die auf hohe Akzeptanz angewiesen sind, reicht ein rein technokratischer Planungsprozess für die Errichtung einer Gemeinschaftsschule nicht aus. Um planerisch zu ermitteln, ob der Bedarf für eine Gemeinschaftsschule am Ort gegeben ist, 73 sollten die Eltern von Grundschülern vor einer Befragung so umfangreich informiert werden, dass ihnen eine realistische Einschätzung darüber möglich ist, wie das neue Schulangebot für sie ganz konkret aussehen könnte, welche Schulwege zu erwarten sind und wie das pädagogische Konzept der Schule aussehen soll. Es ist davon auszugehen, dass in größeren Gemeinden, auch bei Errichtung einer Gemeinschaftsschule, die anderen Schulformen weiterhin Bestand haben. Es ist davon abzuraten, eine Gemeinschaftsschule ausschließlich auf der Basis existenzgefährdeter Hauptschulstandorte zu bilden. Damit würde der gewünschte Effekt, die Gemeinschaftsschule als wohnortnahes, umfassendes Angebot für gemeinsames Lernen einzurichten, verfehlt. Vielmehr bietet es sich an, die Gemeinschaftsschule als Stadtoder Ortsteilschule einzurichten, die für die nähere Schulumgebung ein vollständiges und attraktives Schulangebot darstellt. In Konkurrenz zu den anderen weiterführenden Schulen vor Ort muss sie mit ihrem Konzept genügend Attraktivität entfalten. Als eine Schule, die lediglich die Funktion hat, Kinder aufzunehmen, die an bestehenden Realschulen oder Gymnasien keine Chance haben, würde sie mittelfristig unter den gleichen Effekten leiden wie zurzeit die Hauptschulen. Im städtischen Raum ist es daher besonders wichtig, einen geeigneten Standort auszuwählen. Das kann zum Beispiel ein Schulzentrum in zentraler Lage sein, in dem bisher eine Hauptschule und eine Realschule untergebracht waren. Einzeln liegende kleine Hauptschulgebäude sind dagegen in der Regel nicht geeignet. Die Bildung von Dependancen muss im städtischen Raum kritischer gesehen werden als in kleinen Gemeinden. Sie müssen in Konkurrenz zu bestehenden Schulen, die in der Regel in einem Gebäude untergebracht sind, bestehen können. Daher kommt einer fundierten kleinräumigen Schulentwicklungsplanung und insbesondere der Frage einer optimalen Nutzung des Schulraums besondere Bedeutung zu. Umsetzungsschritte Schulträger können ab sofort Anträge auf Errichtung einer Gemeinschaftsschule im Schulversuch zum 1. August 2011 stellen. Der Antrag muss Aussagen zu einer anlassbezogenen umfassenden Schulentwicklungsplanung, zu der geplanten organisatorischen Ausrichtung der Gemeinschaftsschule (Zügigkeit, integrative oder kooperative Form, Fortführung in der Sekundarstufe II) sowie ein pädagogisches Konzept (s. oben) enthalten. Dabei hat der Schulträger eine förmliche Elternbeteiligung durchzuführen und ist verpflichtet, die Planungen mit den betroffenen Nachbarkommunen und mit den in der Gemeinschaftsschule aufgehenden Schulen abzustimmen. Sofern durch die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule eine Bestandsgefährdung einer Schule eines anderen Schulträgers eintritt, ist eine Teilnahme am Schulversuch nicht möglich. Eine solche Bestandsgefährdung liegt vor, wenn die konkurrierende Schule des Nachbarschulträgers voraussichtlich unter die für die betreffende Schulform zur Fortführung grundsätzlich erforderliche Mindestzügigkeit fällt. Die Erreichbarkeit einer Hauptschule bzw. eines Hauptschulbildungsganges in zumutbarer Entfernung muss gewährleistet sein. Anträge sind bei der jeweils zuständigen Bezirksregierung einzureichen. Diese wird auch die Schulaufsicht wahrnehmen und die Schulträger im Vorfeld beraten. Die Genehmigung erfolgt im Rahmen eines Schulversuchs gem. § 25 Abs. 1 und Abs. 4 SchulG durch das Ministerium für Schule und Weiterbildung. Neben einer wissenschaftlichen Begleitung des Schulversuchs ist auch die Einrichtung eines Beirats beim Ministerium für Schule und Weiterbildung vorgesehen. Folgende Unterlagen sind als Hilfestellung für die Antragstellung beigefügt: Anlage 1: Zeitplan Anlage 2: Fragebogen für Eltern – Muster Anlage 3: Gymnasiale Oberstufe/Vereinbarungen 74 Anlage 1: Zeitplan für den Start des Modellvorhabens „Gemeinschaftsschule“ zum Schuljahr 2011/2012 Beratung von Kommunen, die sich am Modellversuch beteiligen wollen Läuft zurzeit Abstimmung mit Nachbarkommunen Oktober/November 2010 Entscheidung der Schulkonferenzen unter Oktober/November 2010 Entscheidung der kommunalen Gremien über Beteiligung an dem Modellversuch November 2010 Antragstellung über die Bezirksregierung an das MSW Eingang im MSW bis 31. Dezember 2010 Entscheidung des MSW über die Teilnahme am Modellversuch (Genehmigung) Bis Mitte Januar 2011 Organisationsentscheidung der Schulträger Bis Anfang Februar 2011 Bestellung einer kommissarischen Schulleitung durch die Bezirksregierung Bis Mitte Februar 2011 (Anmeldeverfahren) Anmeldeverfahren Februar 2011 Organisatorische und pädagogische Vorbereitung des ersten Schuljahres Ab Januar 2011 (Zeitpunkt der Genehmigung) Personalmaßnahmen durch Bezirksregierung Ab Januar 2011 (Zeitpunkt der Genehmigung) Start des Modellvorhabens 7. September 2011 Anlage 2: Erläuterungen zum Muster eines Fragebogens für die Elternbefragung vor Errichtung von Gemeinschaftsschulen Der nachfolgende Fragebogen ist ein Muster, das vom Schulträger entsprechend angepasst werden sollte. Mit der Befragung muss eine ausführliche Information der befragten Eltern über die geplante Gemeinschaftsschule verbunden werden. Der Fragebogen orientiert sich an den Grundsätzen für Elternbefragungen, wie sie in der Rechtsprechung ihren Niederschlag gefunden haben und in Nr. 2.1 Buchstabe a–d des Runderlasses zur Errichtung und Auflösung von weiterführenden allgemeinen Schulen und Berufskollegs vom 6. Mai 1997 (BASS 10-02 Nr. 9), der insoweit auch für die Gründung von Gemeinschaftsschulen anwendbar ist, zusammengefasst sind. Die Befragung sollte sich an die Eltern der vierten (die den Eingangsjahrgang der künftigen Schule bilden würden) und der dritten Grundschulklasse richten. Sie kann auch erweitert werden um die Eltern der ersten und zweiten Grundschulklasse. Eine Hochrechnung des Ergebnisses auf eine fiktive volle Wahlbeteiligung ist zulässig, muss aber vor der Befragung angekündigt werden. 75 Fragebogen für Eltern 1. Muster Mein Kind ist … ein Junge ein Mädchen 2. Mein Kind besucht seit diesem Schuljahr in der Grundschule den dritten Jahrgang (3. Schuljahr) den vierten Jahrgang (4. Schuljahr) 3. Wenn es keine Gemeinschaftsschule in NN geben sollte: An welche Schulform werden Sie das Kind wahrscheinlich anmelden? (Hier können Sie bis zu zwei Antworten ankreuzen.) Hauptschule Realschule Gymnasium Gesamtschule das weiß ich noch nicht 4. Falls es in NN vom nächsten Schuljahr an eine Gemeinschaftsschule gäbe – würden Sie Ihr Kind dort anmelden? ganz bestimmt eher ja eher nein bestimmt nicht Wir danken Ihnen sehr herzlich für Ihre Bemühungen. Über das Ergebnis der Befragung informieren wir Sie so schnell wie möglich. Bitte leiten Sie den ausgefüllten Fragebogen im verschlossenen Umschlag durch Ihr Kind an seine Schule zurück! 76 Anlage 3: Muster und Hinweise für eine Vereinbarung „Gemeinschaftsschule“ zwischen verschiedenen Schulträgern bzw. zwischen beteiligten Schulen I. Vereinbarung zwischen verschiedenen Schulträgern Wird eine Gemeinschaftsschule ohne eigene gymnasiale Oberstufe errichtet, bedarf es einer Kooperation mit einem Gymnasium, einer anderen Gemeinschaftsschule mit Sekundarstufe II, einer Gesamtschule oder einem Berufskolleg, das den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife ermöglicht. Befindet sich die Schule mit gymnasialer Oberstufe in anderer Trägerschaft als die Gemeinschaftsschule, muss die Kooperation auch zum Gegenstand einer Verwaltungsvereinbarung zwischen den beteiligten Schulträgern gemacht werden. Folgende Bestimmungen sind zwingend in diese Vereinbarung aufzunehmen: Präambel Die nachfolgende Vereinbarung dient der Sicherstellung der Weiterbeschulung der Absolventinnen und Absolventen der Gemeinschaftsschule der Gemeinde/der Stadt/ des Kreises A, sofern diese die Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe haben. Um dieses Ziel zu erreichen haben der Rat der Gemeinde/ der Stadt/der Kreistag des Kreises A am xx.xx.2010 und der Rat der Gemeinde/der Stadt/des Kreises B am xx.xx.2010 die nachfolgende Vereinbarung geschlossen: Aufnahmeverpflichtung Kommune B verpflichtet sich, Plätze zur Aufnahme der Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule der Kommune A in die gymnasiale Oberstufe/das berufliche Gymnasium der x-Schule bereitzustellen, sofern diese die Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe haben. Schülerfahrkosten Mit Übernahme der Aufnahmeverpflichtung gilt die Schule mit gymnasialer Oberstufe/das berufliche Gymnasium für die aufgenommenen Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule als nächstgelegene Schule im Sinne des § 9 der Schülerfahrkostenverordnung (SchfkVO). Laufzeit der Vereinbarung Die Vereinbarung gilt ab dem Beginn des Schuljahres 2011/2012 und endet mit Ablauf des Schuljahres 2025/2026. II. Vereinbarung zwischen beteiligten Schulen Um die Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaftsschule und der Schule mit gymnasialer Oberstufe (sei es in gleicher oder in anderer Trägerschaft) in pädagogischer Hinsicht mit Leben zu füllen, sollte zwischen den beteiligten Schulen eine Kooperationsvereinbarung gemäß § 4 Abs. 2 SchulG abgeschlossen werden. Sinnvolle Inhalte sind: Kooperation in Fragen des Fachunterrichts durch gemeinsame Fachkonferenzen, Lehrerfortbildungsveranstaltungen, Vereinbarungen zur Weiterführung von Fächern aus der Sekundarstufe I und Ähnlichem, Austausch von Lehrkräften zwischen den beteiligten Schulen im Wege von Teilabordnungen, Beteiligung bei Veranstaltungen außerhalb des Unterrichts, gemeinsame Tagungen von Mitwirkungsgremien etc. Vereinbarungen über die Zusammenarbeit von Schulen bedürfen der Zustimmung der beteiligten Schulkonferenzen (§ 4 Abs. 3 S. 3 SchulG). Das Einvernehmen mit dem Schulträger ist herzustellen, soweit für ihn zusätzliche Kosten durch die Zusammenarbeit der Schulen entstehen (§ 4 Abs. 5 SchulG). 77 (C) Interviewleitfaden für die Dokumentation zum Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschule in Nordrhein-Westfalen Interviewpartner sind: Schulleitungen, Schulaufsicht (Bezirksregierungen), (Ober-)Bürgermeisterin/Bürgermeister in der Funktion als Leiterin/Leiter der Verwaltung und Vorsitzende/Vorsitzender des Rates, Vorsitzende/Vorsitzender des Schulausschusses als politische Vertreterin/Vertreter und teilweise externe Beraterinnen und Berater von Schulentwicklungsplanungsbüros. Interviewleitfaden für die Zielgruppe: Schulleitung 1. Vorgeschichte zum Antrag: Gab es in der Kommune einen spezifischen Grund, eine Gemeinschaftsschule errichten zu wollen? Welche Gründe gab es neben dem veränderten Elternwahlverhalten und über die demografischen Entwicklungen hinaus, die Errichtung einer Gemeinschaftsschule zu beantragen? Wie war die Stimmung in den Kollegien vor dem Antrag und während der Antragstellung? Wie war die Stimmung bei den Eltern zu dem Vorhaben der Gemeinschaftsschule? Gab es Zusammenschlüsse von Interessengruppen? 1.1 Prozess politischer Willensbildung vor Ort: Wie hat der Prozess der politischen Willensbildung vor Ort die Haltung der Lehrkräfte, der Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern zum Schulversuch „Gemeinschaftsschule“ beeinflusst? 1.2 Kommunale Schulentwicklungsplanung: Welche Auswirkung hatte die kommunale Schulentwicklungsplanung auf die Haltung der Lehrkräfte, der Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern zum Schulversuch „Gemeinschaftsschule“? 1.3 Regionale Abstimmungsprozesse und Verfahren der Konsensbildung: Wie haben sich die regionalen Abstimmungsprozesse und das Verfahren der Konsensbildung zwischen den Schulen in den Gemeinden und/oder innerhalb der Gemeinde auf die Haltung der Lehrkräfte, der Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern zum Schulversuch „Gemeinschaftsschule“ ausgewirkt? Wie haben sich die beteiligten Schulen untereinander geeinigt (zum Beispiel im Hinblick auf Gebäude, Schulleitung, Kollegium)? Welche Rolle hat die Bezirksregierung gespielt (war beispielsweise eine Art „Moderation“ nötig)? 1.4 Prozess der Entwicklung des pädagogischen Konzeptes: Gab es Vorbilder für das pädagogische Konzept? Wenn ja, welche und warum? Wer hat das Konzept entwickelt? Welche Schwerpunkte standen warum im Vordergrund? Gab es strittige Punkte? Wenn ja, welche und warum? 1.5 Externe Begleitung und Unterstützung durch Schulaufsicht und/oder Planungsbüros/ Beratungsagenturen: Wer hat warum extern begleitet (Beraterinnen/Berater oder/und Schulaufsicht)? An welcher Stelle im Prozess wurden die externen Begleiterinnen/Begleiter eingebunden? Nur bei Schwierigkeiten oder generell während des ganzen Prozesses? Wurden sie auch bei der Entwicklung des pädagogischen Konzeptes einbezogen? Wie bewerten Sie das (im Nachhinein)? 78 Interviewleitfaden für die Zielgruppe: Schulaufsicht/Bezirksregierung 1. Vorgeschichte zum Antrag: Gab es in der Kommune einen spezifischen Grund, eine Gemeinschaftsschule errichten zu wollen? Welche Gründe gab es neben dem veränderten Elternwahlverhalten und über die demografischen Entwicklungen hinaus, die Errichtung einer Gemeinschaftsschule zu beantragen? 1.1 Prozess politischer Willensbildung vor Ort: Wie haben Sie Einfluss auf den Willensbildungsprozess genommen? Durch (formelle oder informelle) Beratungen? 1.2 Kommunale Schulentwicklungsplanung: Waren Sie in den Prozess der Schulentwicklungsplanung eingebunden und wenn ja, in welcher Form? 1.3 Regionale Abstimmungsprozesse und Verfahren der Konsensbildung: Welche Rolle haben Sie als Vertreterin/Vertreter der Bezirksregierung gespielt? Wie sind die Lösungen zustande gekommen, informell oder formell in Sitzungen und wie sahen die Lösungen/Kompromisse aus? 1.4 Prozess der Entwicklung des pädagogischen Konzeptes: Welche Punkte im pädagogischen Konzept waren entscheidend für Sie, die Genehmigung des Antrags zu befürworten und warum? Gab es strittige Punkte, wie hat man sich geeinigt? Gab es mehrere Abstimmungsrunden? 1.5 Externe Begleitung und Unterstützung durch Schulaufsicht und/oder Planungsbüros/ Beratungsagenturen: Wie haben Sie die Schulen und Kommunen neben der „reinen“ Beratung noch unterstützt (zum Beispiel durch Supervision, Coaching, Fortbildung, weitere Unterstützungssysteme)? In welchen Situationen war Ihre Unterstützung besonders wichtig? Gab es Konflikte zwischen den Gemeinden und/oder innerhalb der Gemeinde und zwischen den Schulen? Interviewleitfaden für die Zielgruppe: Externe Beratungsagenturen/Schulentwicklungsplanungsbüros 1.2 Kommunale Schulentwicklungsplanung: Wie waren Sie als Beraterin/Berater eingebunden? Welche Aufgaben hatten Sie? Wie beurteilen Sie Ihre Rolle im Nachhinein? Wie hat Ihre Arbeit die Entstehung der Gemeinschaftsschule beeinflusst? 1.3 Regionale Abstimmungsprozesse und Verfahren der Konsensbildung: Welche Aspekte waren wichtig, damit der Prozess zur Entwicklung der Gemeinschaftsschule angestoßen werden konnte (abgesehen von politischen Rahmenbedingungen aus Düsseldorf)? 1.5 Externe Begleitung und Unterstützung durch Planungsbüros/Beratungsagenturen: Wen haben Sie beraten (die Stadt als Schulträger oder auch die Schule selbst)? An welcher Stelle im Prozess wurden Sie eingebunden, nur bei Schwierigkeiten oder generell während des ganzen Prozesses? 79 Interviewleitfaden für die Zielgruppe: (Ober-)Bürgermeisterin/(Ober-)Bürgermeister als Leiterin/Leiter der Verwaltung und Vorsitzende/Vorsitzender des Rates 1. Vorgeschichte zum Antrag: Gab es in der Kommune einen spezifischen Grund, eine Gemeinschaftsschule errichten zu wollen? Wie sah die demografische Entwicklung der Kommune aus? War die Entscheidung, eine Gemeinschaftsschule zu errichten, eine „perspektivische Lösung“ oder gab es einen aktuellen Anlass? Welche Gründe gab es neben dem veränderten Elternwahlverhalten und über die demografischen Entwicklungen hinaus, die Errichtung einer Gemeinschaftsschule zu beantragen? Wie war die Stimmung in den Gremien vor dem Antrag und während der Antragstellung? Wie war die Stimmung bei den Eltern? Gab es zum Beispiel Zusammenschlüsse von Interessengruppen? Wie beschreiben Sie die Stimmung in der Kommune hinsichtlich des Schulversuchs: eher als aufsteigende Gerade oder als Zickzackkurs? Durch welche Kriterien wurde diese Entwicklung beeinflusst? 1.2 Kommunale Schulentwicklungsplanung: Wie hat die kommunale Schulentwicklungsplanung die Entstehung der Gemeinschaftsschule beeinflusst? Wurden Sie als Schulträger bei der kommunalen Schulentwicklungsplanung extern unterstützt? 1.3 Regionale Abstimmungsprozesse und Verfahren der Konsensbildung: Gab es Konflikte zwischen den Gemeinden und/oder innerhalb der Gemeinde und zwischen den Schulen? Welche Rolle hat die Bezirksregierung gespielt? Wie sind Sie zu den Lösungen gekommen, informell oder formell in Sitzungen? Mit welchen Argumenten konnten Kritiker überzeugt werden? 1.5 Externe Begleitung und Unterstützung durch Schulaufsicht und/oder Planungsbüros/ Beratungsagenturen: 1.1 Prozess politischer Willensbildung vor Ort: Gab es Schwierigkeiten und wenn ja, an welcher Stelle? Wie sind Sie zu den Lösungen gekommen, informell oder formell in Sitzungen? Wie sah der „Konsens“ aus (Zwischenergebnisse)? Welche positiven Ergänzungen gab es, welche Abstriche mussten in Kauf genommen werden? Mit welchen Argumenten konnten Kritiker überzeugt werden? Wurden Sie extern unterstützt und begleitet? Wenn ja, an welcher Stelle im Prozess wurden die externen Begleiter eingebunden? Nur bei Schwierigkeiten oder generell während des ganzen Prozesses? Wie bewerten Sie das (im Nachhinein)? Interviewleitfaden für die Zielgruppe: Vorsitzende/Vorsitzender des Schulausschusses als politische Vertreterinnen/Vertreter 1. Vorgeschichte zum Antrag: Gab es in der Kommune einen spezifischen Grund, eine Gemeinschaftsschule errichten zu wollen? Welche Gründe gab es neben dem veränderten Elternwahlverhalten und über die demografischen Entwicklungen hinaus, die Errichtung einer Gemeinschaftsschule zu beantragen? Wie war die Stimmung in den Gremien vor dem Antrag und während der Antragstellung? Wie war die Stimmung bei den Eltern? Gab es zum Beispiel Zusammenschlüsse von Interessengruppen? Wie beschreiben Sie die Stimmungskurve in der Kommune: eher als aufsteigende Gerade oder Zickzackkurs? 1.1 Prozess politischer Willensbildung vor Ort: Gab es Schwierigkeiten und wenn ja, an welcher Stelle? Wie sind Sie zu den Lösungen gekommen, informell oder formell in Sitzungen? Wie sah der „Konsens“ aus (Zwischenergebnisse)? Welche positiven Ergänzungen gab es, welche Abstriche mussten in Kauf genommen werden? Mit welchen Argumenten konnten Kritiker überzeugt werden? 1.2 Regionale Abstimmungsprozesse und Verfahren der Konsensbildung: Gab es Konflikte zwischen den Gemeinden und/oder innerhalb der Gemeinde und zwischen den Schulen? Welche Rolle hat die Bezirksregierung gespielt? Wie sind die Schulen und Gemeinden zu den Lösungen gekommen, informell oder formell in Sitzungen? Mit welchen Argumenten konnten Kritiker überzeugt werden? 80 Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlbewerberinnen und Wahlbewerbern oder Wahlhelferinnen und Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen sowie für die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Eine Verwendung dieser Druckschrift durch Parteien oder sie unterstützende Organisationen ausschließlich zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder bleibt hiervon unberührt. Unabhängig davon, auf welchem Weg und in welcher Anzahl diese Schrift verteilt worden ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner Gruppen verstanden werden könnte. Impressum Herausgeber: Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen Völklinger Straße 49 40221 Düsseldorf Telefon 0211 5867-40 Telefax 0211 5867-3220 E-Mail: [email protected] Internet: www.schulministerium.nrw.de Redaktion: Rainer Michaelis, Friedhelm Jennessen (beide Referat 524) Autorinnen und Konzeption: Nina Braun, Frauke König Foto Titelseite: Alex Büttner Gestaltung: Elke Steinrötter, Visuelle Kommunikation, Düsseldorf Druck: Düssel-Druck & Verlag GmbH, Düsseldorf 81 82 Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen Völklinger Straße 49 40221 Düsseldorf Telefon 0211 5867-40 Telefax 0211 5867-3220 [email protected] www.schulministerium.nrw.de