little rock peabody little rock

Transcription

little rock peabody little rock
Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung
und Selektionsentscheidungen:
SAL-Bulletin Nr. 131
März 2009
Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick
Die mit Unterstützung durch die DFG an der Otto‑Friedrich‑Universität Bamberg
gegründete Forschergruppe BiKS («Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und
Formation von Selek­tionsentscheidungen im Vor‑ und Grundschulalter») betrachtet
unter einer längsschnittlichen Perspektive bildungsrelevante Entwicklungsprozes‑
se im Vor‑ und Grundschulalter. Fokussiert werden die beiden in diesem Zeitraum
bedeutsamen Übergänge vom Elementar‑ in den Primarbereich und vom Primar‑
in den Sekundarbereich.1
Dr. Jutta von
Maurice & Prof Dr.
Sabine Weinert,
Forschergruppe
BiKS,
Otto-FriedrichUniversität
Bamberg
Referat gehalten
an der SAL-Tagung
vom 14.11.2008
Famili e
Entw icklung
Kompetenzen
schulrelevante
Vorstellungen &
Entscheidungen
Kindergarten & Schule
Pädagogische Perspektive
Abbildung 1: Grundfragestellung von BiKS im Überblick
Im Rahmen der BiKS-Studie stehen Bedingungen und Prozesse der Kompe­
tenzentwicklung und ‑förderung sowie der Entscheidungsformierung im Mittel‑
punkt der Betrachtung. Berücksichtigt wird nicht nur deren Zusammenspiel, son‑
dern auch die Abhängigkeit dieser Prozesse von Lebens‑ und Lernbedingungen
sowohl in institutionellen als auch in familiären Kontexten. Schliesslich werden
auch die Beziehungen zwischen den Akteuren in den verschiedenen Kontexten
(Kindergarten, Schule, Familie) einbezogen (vgl. Abbildung 1). Dieses multipers‑
pektivische Herangehen erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit:
Aus psychologischer Perspektive werden sowohl Fragen des Zusammenhangs
zwischen verschiedenen Kompetenzbereichen als auch nach deren Entwicklungs‑
bedingungen und Veränderungsverläufen gestellt. Relevant ist es dabei, sich auch
mit Vorhersagen über mögliche Risiken in der weiteren Entwicklung der Kinder zu
1 Dieser Beitrag enthält eine aktualisierte, gekürzte Fassung der BiKS-Darstellung durch von Maurice et al. (2007).
Die vorliegende Arbeit ist entstanden im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten
interdisziplinären Forschergruppe BiKS (Leitung: Prof. Rossbach, Prof. Artelt, Prof. Blossfeld, Prof. Faust, Prof. Wei‑
nert; Fördernummer FOR 543). Wir danken den an der Studie teilnehmenden Kindern, Erzieher/-innen und Eltern
für ihre Teilnahme und allen im Rahmen der Datenerhebungen eingesetzten Studierenden für ihre engagierte Mit‑
arbeit.
5
Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick
SAL-Bulletin Nr. 131
März 2009
befassen. Im Vordergrund stehen dabei die Entwicklung sprach­licher und nichtsprachlicher Kompetenzen sowie Aspekte des Erwerbs von Fähigkeiten der Selbst‑
steuerung.
•
In der pädagogischen Perspektive geht es speziell darum, das Zusammen‑
wirken von strukturellen und prozessbezogenen Merkmalen von Bildungs‑
institutionen (wie Kindergarten und Schule) einerseits und entsprechenden
Merkmalen des Elternhauses andererseits auf die kognitiv-sprachliche Kom‑
petenzentwicklung zu untersuchen. Auch hier ist somit die Frage bedeutsam,
welche Kompetenzen erfasst werden, stellen sie doch sowohl die abhängige
Variable von Umweltwirkungen als auch die Basis für die Anpassung der päd‑
agogischen Arbeit an den jeweiligen Entwicklungsstand des Kindes dar.
•
In der soziologischen Perspektive schliesslich stehen vor allem Fragen der
Formation von Bildungsentscheidungen im Vordergrund. Kompetenzmessun‑
gen sind in diesem Kontext von besonderer Bedeutung, um analysieren zu
können, welche Faktoren – unabhängig von objektiv messbaren Kompetenzen
auf Seiten der Kinder – diese wichtigen Weichenstellungen im Bildungssystem
und in den individuellen Bildungskarrieren beeinflussen.
Spezielle Berücksichtigung finden unter allen diesen Perspektiven Fragen der so‑
zialen Herkunft sowie des Migrationsstatus der Familien (zu den Effekten von sozi‑
aler Herkunft und Migration auf die Bildungsbeteiligung und die Schülerleistungen
bei Kindern mit Migrationshintergrund vgl. etwa Baumert, Watermann & Schümer,
2003; Duncan, Yeung, Brooks-Gunn & Smith, 1998; Hart & Risley, 1995; McLoyd,
Aikens & Burton, 2006).
1.
Hintergrund und Fragestellungen der BiKS-Studie
Hintergrund der in BiKS thematisierten Fragestellungen sind Befunde internati‑
onaler Schulleistungsuntersuchungen der vergangenen Jahre, die zwei zentrale
Defizite des deutschen Bildungswesens in das Bewusstsein der breiten Öffentlich‑
keit gerückt haben: Zum einen weisen Schüler/‑innen an deutschen Schulen im
internationalen Vergleich einen unerwartet niedrigen Kompetenzstand auf. Dies
gilt insbesondere in den unteren Leistungsgruppen und über verschie­dene Kom‑
petenzbereiche (Leseverständnis, Mathematik, Naturwissenschaften) hinweg. Zum
anderen sind bezogen auf soziale Herkunft und Nationalität bzw. Migrationsstatus
besonders ausgeprägte Disparitäten in der Bildungsbeteiligung und im Kompetenzerwerb offenkundig geworden.
In Deutschland prägt vor allem auch der Übergang in den Sekundarbereich, der
vom gegliederten Schulsystem dominiert ist, die Bildungskarrieren und den Kom‑
petenzerwerb der Schüler/‑innen. Jedoch sind der zu diesem Zeitpunkt erreichte
6
Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick
SAL-Bulletin Nr. 131
März 2009
Kompetenzstand und die damit verbundene Entscheidung für einen bestimmten
Bildungsgang bereits Resultat kumulativer Entwicklungs‑ und Förderungsprozes‑
se sowie vorhergehender Entscheidungen, wie etwa über den Zeitpunkt der Ein‑
schulung. Auf den Wechselbeziehungen zwischen Entwicklungs‑, Förderungs‑ und
Entscheidungsprozessen liegt ein Schwerpunkt der BiKS‑Forschergruppe, da diese
bislang in ihrer Gesamtheit nur unzureichend untersucht wurden. Wie Kindergarten
und Schule die Prozesse des Kompetenzerwerbs und der Entscheidungsformation
im Einzelnen beeinflussen – unterstützen oder eventuell sogar behindern –, ist bis‑
her theoretisch und empirisch ebenso wenig aufbereitet wie die Frage, ob und wie
die Institutionen bildungsstufenübergreifend zusammenarbeiten. Schliesslich ist
das Zusammenspiel der institutionellen mit den familiären Umwelten noch weitge‑
hend ungeklärt. Die zentralen Fragen der BiKS-Forschergruppe sind damit:
• Wie entwickeln sich kognitive und sprachliche Kompetenzen über die Jahre?
• Wie können Familie, Kindergarten und Schule als massgebliche Umwelten der
heranwachsenden Kinder die Entwicklung der Kinder nachhaltig fördern?
• Nach welchen Gesichtspunkten treffen Eltern, Erzieher/-innen sowie Lehr­
personen die Bildungsentscheidungen (wie Einschulungs- oder Übertritts‑
entscheidungen)? Wie stabil oder veränderbar sind Bildungspräferenzen und
Bildungsentscheidungen über die Zeit?
• Wie kommen soziale Benachteiligungen in Schulkarrieren zustande? Wie
gross sind die sozialen Unterschiede in den Bildungsentscheidungen, insbe‑
sondere wenn das Niveau der Fähigkeiten und Fertigkeiten der Kinder berück‑
sichtigt wird?
Eine derartige Orientierung auf Prozesse und Verläufe des Kompetenzerwerbs, sei‑
ne Förderung und die Entscheidungsformierung sowie die Berücksichtigung ver‑
schiedener Kontexte, in und zwischen denen diese Prozesse stattfinden, zeitigen
auch spezifische inhaltlich‑methodische Konsequenzen:
• eine Fokussierung auf Kompetenz‑ und Entscheidungsverläufe sowie auf die
Kumulation von Erfahrungen in verschiedenen Kontexten und damit die kon‑
sequente Umsetzung eines Längsschnitt-Ansatzes bei der Datenerhebung
und ‑analyse,
• die Betrachtung von Personen in ihren Umwelten und dabei die Fokussierung
auf familiäre und institutionelle Umwelten und
• einen Multimethoden-Ansatz mit Berücksichtigung von qualitativen und quan‑
titativen Erhebungsinstrumenten.
7
Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick
SAL-Bulletin Nr. 131
März 2009
2. Der Untersuchungsansatz
Die BiKS-Forschergruppe ist an den Bildungsprozessen von Kindern im Alter von
drei bis zwölf Jahren interessiert, die mit den Übergängen vom Kindergarten in die
Grundschule und von der Grundschule in den Sekundarbereich zentrale Passagen
im Bildungswesen bewältigen (zur Bedeutsamkeit des Vorschul- und Schulalters
vgl. etwa Kuhn & Siegler, 2006; Rossbach & Weinert, 2008; Schneider, 2004; Stern,
2005). Im Gegensatz zu vielen anderen wichtigen Studien aus dem Bereich der Bil‑
dungsforschung, die eine ausgewählte Altersgruppe im Sinne eines Fotos betrach‑
ten, begleitet die BiKS-Studie die Entwicklung der Kinder in einem Längsschnitt
über eine festgelegte Zeitspanne hinweg und kann damit Veränderungen und Ent‑
wicklungsverläufe in dieser Zeitspanne im Sinne eines Films dokumentieren und
Aufschlüsse über mögliche Wirkgefüge geben.
Übergang in Sekundarschule
Einschulung
Längsschnitt
BiKS-8-12
Längsschnitt
BiKS-3-8
Primarbereich
Elementarbereich
1.
Kindergartenjahr
2.
3.
Kinder- Kindergarten- gartenjahr
jahr
1.
Schuljahr
2.
Schuljahr
3.
Schuljahr
Sekundarbereich
4.
Schuljahr
5.
Schuljahr
7.
6.
Schul- Schuljahr
jahr
Abbildung 2: Die betrachteten Übergänge der BiKS-Längsschnitte
Die betrachtete Altersspanne wurde im Erhebungsdesign in zwei Panelstudien
auf­geteilt, die jeweils die Zeit vor, während und nach den Übergängen fokussieren
(vgl. Abbildung 2):
• Im ersten Längsschnitt BiKS‑3‑8 werden Kinder vom Eintritt in den Kindergar‑
ten bis zum Ende der zweiten Klassenstufe untersucht; damit wird die Phase
rund um die Einschulungsentscheidung thematisiert.
• Im zweiten Längsschnitt BiKS‑8‑12 werden Kinder von der dritten Klassen‑
stufe über den Übergang in die Schulen des Sekundarbereichs hinaus bis zur
siebten Klassenstufe be­gleitet; dabei wird insbesondere die Formation der
Entscheidung zwischen den ver­schiedenen weiterführenden Schulformen be‑
leuchtet.
8
Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick
SAL-Bulletin Nr. 131
März 2009
Innerhalb beider Längsschnitte BiKS‑3‑8 und BiKS‑8‑12 wird das Zusammenspiel
zwischen kindlicher Kompetenzentwicklung und familiärer sowie institutioneller
Umwelt thematisiert (vgl. etwa Griffin & Morrison, 1997; Hayes, Palmer & Zaslow,
1990; Howes et al., 2008; Leseman, Scheele, Mayo & Messer, 2007; Pianta et al.,
2005; Sylva et al., 2004; Tabors, Snow & Dickinson, 2001; Tietze, 1998). Das Indivi‑
duum ist nach dem bioökologischen Modell von Urie Bronfenbrenner eine «wach‑
sende dynamische Einheit» (Bronfenbrenner, 1981, S. 38), die zwar einerseits von
der Umgebung beeinflusst wird, aber andererseits auch aktiv die Umgebung beein‑
flusst und verändert. Nach diesem Grundsatz der Reziprozität ist das Kind nicht nur
Produkt, sondern ebenso auch Gestalter seiner eigenen Umwelt. Die Umwelt wird
dabei als eine Abfolge wechselseitig aufeinander einwirkender Strukturen darge‑
stellt, sich dynamisch verändern und sich immer wieder – vor allem bei zentralen
Übergängen (z.B. Übergang vom Kindergarten in die Schule) – verschieben.
•
Im Mittelpunkt stehen das einzelne Kind und seine Kompetenzen. Aufgrund
der herausgehobenen Bedeutung der Sprache für die Ausformung, Nutzung
wie auch Vermittlung von Kompetenzen und inhaltlichem Wissen liegt ein Un‑
tersuchungsschwerpunkt auf den sich entwickelnden sprachlichen Fähigkei‑
ten und Fertigkeiten der Kinder sowie auf dem Erwerb kognitiv‑sprachlicher
Selbststeuerung bzw. deren Vorläuferfähigkeiten und ‑fertigkeiten. Zusätzlich
werden Indikatoren für frühe Literacy, kognitive Problemlösefähigkeiten und
mathematische Kompetenzen erhoben. Schliesslich werden auch Merkmale
der kindlichen Persönlichkeit wie etwa Interessen und Sozialverhalten über
entsprechende Fragebogen einbezogen.
•
Als wichtigste Bezugspersonen des Kindes werden die Eltern befragt. Dabei
stehen zum einen Wahrnehmungen und Einschätzungen der kindlichen Kom‑
petenzen sowie die Eltern‑Kind‑Interaktionen im Zentrum des Forschungs‑
interesses, zum anderen aber auch elterliche Merkmale wie pädagogische
Orientierungen und soziodemographische Kennwerte wie Bildungsabschlüs‑
se, Sozial‑ und Migrationsstatus. Ebenfalls erfasst werden die Wohn‑ und Le‑
bensbedingungen der Familie.
•
Zum dritten werden auch Erzieher/‑innen bzw. Lehrer/‑innen hinsichtlich ih‑
rer pädagogischen Orientierungen befragt sowie um kindbezogene Einschät‑
zungen gebeten. Dabei sind Erzieher/‑innen sowie Lehrer/‑innen ihrerseits
Teil der globaleren Kontexte Kindergarten und Schule, die etwa durch spezi‑
fische Kompositionen von Kindmerkmalen, pädagogische Anregungsqualität
oder Expertiseniveau beschrieben werden können. Die beteiligten Einrichtun‑
gen werden zudem hinsichtlich ihrer pädagogischen Prozessqualität im insti‑
tutionellen Alltag beobachtet und eingeschätzt.
9
Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick
SAL-Bulletin Nr. 131
März 2009
•
Schliesslich ist es durch den Vergleich zweier Bundesländer möglich,
die Wirkung etwa der rechtlichen Übertrittsregelungen auf die Bildungs­
entscheidungen der Eltern und die Entwicklung der Kinder abzuschätzen.
3.
Die Stichprobe des Längsschnitts BiKS-3-8
Das Stichprobendesign des Längsschnitts BiKS‑3‑8 sieht eine mehrfach geschich‑
tete Zufallsstichprobe mit disproportionaler Schichtung nach Bundesland (Bayern
und Hessen), Stadt/Land, Migrationshintergrund, Gruppenzahl und Zahl der Ein‑
mündungsschulen vor (zur Stichprobenziehung vgl. Kurz, Kratzmann & von Mau‑
rice, 2007).
Es konnten 97 Kooperationskindergärten in Bayern und Hessen für eine Teilnahme
gewonnen werden. Diese lassen sich wie folgt charakterisieren:
• Träger der Einrichtungen: 39.2% katholisch, 19.6% evangelisch, 32.0% Stadt/
Gemeinde, 9.3% Sonstige;
• Geschlecht des pädagogischen Fachpersonals: 2.1% männlich, 97.9% weib‑
lich;
• Anzahl der Berufsjahre der Gruppenleitung: im Schnitt 15 Jahre (variierend
zwischen 0.3 und 40.0 Jahren);
• Anzahl der Kinder in einer Gruppe: im Schnitt 24.3 Kinder (variierend zwischen
9.0 und 30.0 Kindern pro Gruppe);
• Quote der Kinder mit Migrationshintergrund in der Gruppe: im Schnitt 24.6%
Kinder mit Migrationshintergrund (variierend zwischen einer Quote von 0.0%
und 100%).
Die Auswahl der Kinder in den Kooperationseinrichtungen orientierte sich an den
Einschulungsregelungen, die sich zwischen Bayern und Hessen auch durch die dort
jeweils vorgegebenen Altersgrenzen unterscheiden. In den 97 ausgewählten Kin‑
dergärten haben sich 547 Familien, deren Kinder zum Schuljahr 2008/2009 schul‑
pflichtig wurden, für eine Teilnahme an der BiKS-Studie bereit erklärt (Geburts‑
fenster Bayern: 01.10.2001 bis 31.10.2002; Geburtsfenster Hessen: 01.07.2001 bis
30.06.2002). Die Kinder und ihre Familien lassen sich wie folgt beschreiben:
• Alter: im Schnitt 3;8 Jahre zum ersten Messzeitpunkt (variiert zwischen 2;10
und 4;9 Jahren);
• Geschlecht der Kinder: 51.7% Jungen, 48.3% Mädchen;
• Für den Alltag des Kindes in erster Linie zuständig: 94.9% Mütter; 5.1% Väter;
• Familiensituation: 91.1% verheiratet oder in fester Partnerschaft, 8.9% allein‑
erziehend;
• Geschwistersituation: 23.0% Familien mit Einzelkind, 51.7% Familien mit zwei
10
Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick
•
SAL-Bulletin Nr. 131
März 2009
Kindern, 25.3% Familien mit mehr als zwei Kindern;
Migrationshintergrund: 78.2% autochton deutsch, 21.8% Migrationshinter‑
grund.
Massnahmen der Stichprobenpflege sind im Rahmen des Längsschnitts BiKS‑3‑8
von entscheidender Bedeutung, da das Feld in diesem über mehrere Jahre laufen‑
den, eng getakteten Design stark belastet wird: So erstrecken sich die Kompeten‑
zerhebungen in manchen Ein­richtungen auf bis zu zehn Tage, die – obgleich sie bei
den Kindern sehr beliebt sind – den Kindergartenalltag häufig durcheinanderbrin‑
gen. Zudem sind die Beobachtungen in den Einrichtungen für die Erzieher/‑innen
oftmals ungewohnt. Auch die Bearbeitung der Fragebögen ist relativ aufwendig
und keineswegs selbstverständlich. Eltern stimmen einer Befragung im privaten
häuslichen Umfeld zu und geben teils sehr persönliche Auskünfte. Dass Teile der
Eltern-Kind-Interaktion dabei auf Video aufgenommen werden, stellt für manche
Eltern eine ernst zu nehmende Schwelle dar. Schliesslich sind auch die Fragebo‑
genverfahren für die Eltern sehr umfangreich, zumal einige von ihnen den Umgang
mit schriftlichem Material wenig gewohnt sind.
Vor diesem Hintergrund wurde ab dem Zeitpunkt der Kontaktaufnahme sehr viel
Wert auf eine persönliche Ansprache der Teilnehmer/‑innen und den Aufbau eines
vertrauensvollen Verhältnisses zu den BiKS-Mitarbeiter/-innen gelegt. Ein solches
vertrauensvolles Verhältnis ist gerade bei der Durchführung von Längsschnittstudi‑
en unverzichtbar, um den Teilnehmer/‑innen Rückmeldungen zu geben und sie zu‑
gleich zu motivieren, auch weiterhin an der Studie teilzunehmen. Dass bei der «Pfle‑
ge» der Stichprobe auch die klassischen Massnahmen wie etwa Incentives (kleine
Geschenke an den Erhebungsterminen, Weihnachtspost), Ausgabe von schriftlichen
Informationsmaterialien oder die Ausrichtung von Informationsveranstaltungen er‑
griffen wurden, trägt ergänzend zur Bindung der Studienteilnehmer/‑innen bei.
Unabhängig von der intensiven Betreuung aller Studienteilnehmer/‑innen sind Ver‑
änderungen der Stichprobe über die Zeit nicht zu vermeiden. Zunächst sind dabei
Stichprobenausfälle und deren Gründe zu betrachten. Von den Kooperationskinder‑
gärten sind bis zur Welle 6 drei Einrichtungen ausgefallen. Die Gründe hierfür wa‑
ren in einem Fall die Schliessung des Kindergartens und in zwei Fällen hatten alle
Kinder der BiKS-Stichprobe den Kindergarten verlassen. Auf Familienebene sind
bis Welle 6 insgesamt 82 Familien (15.0%) ausgefallen (vgl. Tabelle 1). Die Gründe
hierfür waren vorwiegend der Wechsel des Kindergartens (z.B. durch Umzug) und
nur selten kein weiteres Interesse an der Studie oder sonstige Gründe.
11
Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick
Tabelle 1: SAL-Bulletin Nr. 131
März 2009
Entwicklung der BiKS‑3‑8-Stichprobe über die Kindergartenphase hinweg
Erhebungszeitpunkt 1
Erhebungszeitpunkt 2
Erhebungszeitpunkt 3
Erhebungszeitpunkt 4
Erhebungszeitpunkt 5
Erhebungszeitpunkt 6
(Herbst 2005)
(Frühjahr 2006)
(Herbst 2006)
(Frühjahr 2007)
(Herbst 2007)
(Frühjahr 2008)
Kindergärten
97
(100.0%)
97
(100.0%)
97
(100.0%)
97
(100.0%)
95
(97.9%)
94
(96.9%)
Familien
547
(100.0%)
542
(99.1%)
533
(97.4%)
502
(91.8%)
480
(87.8%)
465
(85.0%)
Nach Schuleintritt konnten 21 der durch Kindergartenwechsel ausgefallenen Fami‑
lien wieder in die Studie aufgenommen werden, so dass in der Grundschule noch
486 (88.8%) der Kinder der Startstichprobe unter­sucht werden können.
Die relativ geringen Ausfälle auf Einrichtungsebene sind dabei nicht als Konstanz
der befragten Personen zu interpretieren, da ein Wechsel der in dem Längsschnitt
befragten Personen hier nicht immer vermieden werden konnte. So blieben zwar
in 86.6% der Fälle die Einrichtungsleitungen und in immerhin noch 74.2% der Fälle
die Gruppenleitungen über die gesamte Kindergartenphase hinweg stabil, in den
verbleibenden Fällen kam es jedoch zu einem ein- oder auch mehrmaligen Wech‑
sel der von uns befragten Personen, was für die Analyse von Längsschnittdaten
zu zusätzlichen Schwierigkeiten führt – allerdings der realistischen Situation von
Kindern in Kindergärten entspricht.
Schliesslich wirkt sich auch die Art der eingesetzten Verfahren (Fragebogen, Be‑
obachtung usw.) unmittelbar auf den Datenrücklauf und damit die Vollständigkeit
der erhobenen Daten aus. Die BiKS-Studie zeichnet sich durch die Kombination
von verschiedenen Erhebungsinstrumenten und -verfahren aus. Während in allen
Verfahren, die im persönlichen Kontakt eingesetzt werden – Kompetenzmessungen
der Kinder, Eltern-Interviews (inklusive Beobachtung) und Erzieher/‑innen-Inter‑
views – durchgängig eine hohe Teilnahmequote erreicht werden konnte, geht der
Rücklauf in den schriftlichen Verfahren – Eltern-Fragebogen und Erzieher/‑innenFragebogen – über die Erhebungszeitpunkte hinweg deutlich zurück.
Ausfälle im Längsschnitt und unvollständiger Datenrücklauf sind in der empiri‑
schen Forschung unvermeidbar. Beide sind jedoch problematisch, da diese zu ei‑
ner kontinuierlichen Reduzierung der Datenlage führen, was die Basis für unsere
Analysen schmälert. Überdies sind die Ausfälle häufig nicht zufällig und unsyste‑
matisch, sondern selektiv. Wenn etwa im Laufe einer Studie Eltern aus besonderen
12
Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick
SAL-Bulletin Nr. 131
März 2009
Bevölkerungsgruppen gehäuft nicht weiter teilnehmen, können Auswertungen der
späteren Erhebungswellen nicht mehr auf die Gesamtheit der ursprünglich teilneh‑
menden Familien übertragen und die Ergebnisse entsprechend verzerrt werden.
Der Umgang mit solchen Problemen stellt eine Herausforderung dar, für die in der
Wissenschaft allerdings inzwischen eine Reihe von Verfahren und Vorgehensweisen
entwickelt wurden, die es erlauben, aussagefähige Analysen durchzuführen.
4. Die Erhebungen im Längsschnitt BiKS-3-8
Während der Kindergartenphase wurden an insgesamt sechs Messzeitpunkten in
jeweils halbjährlichen Abständen Erhebungen in den Kindergärten und in den Fa‑
milien durchgeführt. Innerhalb der Studie BiKS‑3‑8 werden verschiedene quanti‑
tative und qualitative Verfahren kombi­niert; es kommt ein Multimethoden-Ansatz
zum Einsatz. Die eingesetzten Erhebungsinstrumente umfassen:
•
Kompetenzmessungen: Die Erfassung der Kompetenzen der Kinder ist ein
wesentlicher Bestandteil des Forschungs­designs der BiKS-Forschergrup‑
pe. Die Kinder der BiKS‑3‑8-Stichprobe wurden in halbjährlichen – ein Teil
der Kinder in jährlichen – Abständen in den Kindergärten in den Bereichen
Grammatik, Wortschatz, nonverbale Kompetenzen, verbales Gedächtnis und
spezifische vorwissensabhängige Fertigkeiten getestet. Dabei kam eine um‑
fangreiche Batterie standardisierter Testverfahren zum Einsatz, die sowohl
grundlegende, eher bildungsunabhängige Fähigkeiten als auch bildungsab‑
hängige Fertigkeiten und sowohl nonverbale als auch sprachgebundene Auf‑
gaben umfasst. Dabei wurde besonderer Wert darauf gelegt, dass Teilfähigkei‑
ten und spezifische Fertigkeiten differenziert erhoben werden und nicht in sog.
«Omnibus-Massen» in einer bunten Mischung einfliessen, da diese mit einer
eher geringen analytischen Schärfe einhergehen, und damit nicht mehr offen
legen, durch welche Stärken und Schwächen und welche Interaktionen und
Kompensationen die Leistung hervorgebracht wird. Letzteres aber ist bedeut‑
sam, wenn man an Wirkanalysen und Ansatzpunkte für Förderungen denkt. In
der Ausgangsmessung im Herbst 2005 wurden die rezeptiven und produkti‑
ven grammatischen Fähigkeiten der Kinder über die Subtests Morphologische
Regelbildung, Verstehen von Sätzen und Enkodieren semantischer Relationen
aus dem Sprachentwicklungstest für 3-5jährige Kinder (SETK 3-5, Grimm,
2001) erfasst. Der Wortschatz im engeren Sinne (hier: rezeptiver Wortschatz)
wurde mit einer deutschen Forschungsversion des Peabody Picture Vocabu‑
lary Test (PPVT, Dunn & Dunn, 1997, deutsche Forschungsversion, Rossbach,
Tietze & Weinert, 2005) erhoben, der Wortschatz im weiteren Sinne (hier: As‑
pekte des aktiven Wortschatzes) mit dem Subtest «Rätsel» aus der Kaufman
Assessment Battery for Children (K-ABC, Melchers & Preuss, 2003). Zur Er‑
13
Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick
SAL-Bulletin Nr. 131
März 2009
fassung der nonverbalen Kompetenzen der Kinder wurden die Subtests «Ana‑
logien» und «Kategorien» des Snijders-Oomen nonverbalen Intelligenztest für
2-5jährige Kinder (SON-R 2½-7, Tellegen, Winkel, Wijnberg-Williams & Laros,
2005) und der Subtest Handbewegungen (nonverbale Gedächtnisspanne) aus
der K-ABC verwendet, während die vorwissensabhängigen Fertigkeiten mit
den Subtests «Rechnen» und «Gesichter und Orte» aus der K-ABC und das
verbale Gedächtnis mit den Subtests «Phonologisches Arbeitsgedächtnis»
aus dem SETK 3-5 und «Zahlennachsprechen» aus der K-ABC erfasst wurden.
14
•
Elternbefragungen: Bei den Eltern kam ein umfangreiches Befragungs­
instrumentarium zum Einsatz: Das zentrale Instrument der Elternbefragung
wurde als Computer Assisted Personal Interview (CAPI) konzipiert und diente
der Befragung in den Themenbereichen Soziodemographie, Migration und In‑
tegration, Entwicklungsprobleme und Gesundheit sowie Betreuungsgeschich‑
te des Kindes. Hier wurde auf die computergestützte Befragungsvariante zu‑
rückgegriffen, da auf diese Weise eine individuelle oder gruppenbezogene
Anpassung der jeweiligen Fragen möglich ist. Neben diesen Befragungen,
die im jährlichen Abstand bei den Eltern zu Hause durchgeführt wurden, be‑
arbeiteten die Eltern halbjährlich einen schriftlichen Fragebogen und proto‑
kollierten über einige Tage die Art der täglichen Interaktionen mit dem Kind
(Aktivitätenliste).
•
Beobachtungen in der Familie: Die Interaktion zwischen den Eltern (i.d.R. die
Mutter) und dem Kind wurde im häuslichen Setting beobachtet. Zum Einsatz
kam die «Familien-Einschätzskala» (FES; Kuger, Pflieger & Rossbach, 2005),
mit deren Hilfe die bereichsspezifische Anregungsqualität im Rahmen einer
halbstandardisierten Bilderbuchsituation eingeschätzt wird, sowie die stan‑
dardisierte Spielsituation «Kodiersystem Eltern-Kind-Spiel» (KEKS; Ebert &
Weinert, 2007), die vor allem die sprachliche und (meta)kognitive Anregung in
Eltern-Kind-Interaktionen abdeckt. Darüber hinaus wurde der Anregungsge‑
halt in den Familien mit einer modifizierten Version der «Home Observation
for the Measurement of the Environment» (HOME; Bradley & Caldwell, 1984)
eingeschätzt.
•
Befragungen des pädagogischen Personals: Die wichtigste Informationsquel‑
le zu den institutionellen Variablen stellen im Rahmen der realisierten Befra‑
gungen die Erzieher/‑innen dar. Zu allen Messzeitpunkten wurden daher die
Erzieher/‑innen der ausgewählten Kindergruppen schriftlich zu gruppenspe‑
zifischen Rahmenbedingungen, pädagogischen Konzeptionen, Arbeitsbedin‑
gungen, Erziehungseinstellungen, Einschulungsfragen und migrationsspezi‑
fischen Orientierungen befragt. Bei den ungeraden Erhebungswellen wurden
Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick
SAL-Bulletin Nr. 131
März 2009
jeweils ergänzend Erzieher/‑innen-Interviews durchgeführt, die vor allem
zur Erfassung von Inhaltsbereichen dienten, die eine komplexe Anpassung an
Personengruppen und ihre jeweiligen Antworten erfordern. Zeitgleich mit den
Fragebogen erhielten die beteiligten Erzieher/‑innen zu jedem Messzeitpunkt
für jedes an der BiKS-Studie teilnehmende Kind ihrer Gruppe einen kindbe‑
zogenen Einschätzbogen, mit dessen Hilfe die sozial-emotionale Entwicklung
und die kognitiv-sprachlichen Kompetenzen eingeschätzt wurden. Schliess‑
lich wurden den Erzieher/‑innen zu ausgewählten Messzeitpunkten Listen
vorgegeben, mit denen sie die Aktivitäten an einem oder zwei normalen Kin‑
dergartentagen protokollieren sollten. Als zweite Informationsquelle aus den
Betreuungseinrichtungen wurden die Einrichtungsleitungen zu ausgewählten
Messzeitpunkten schriftlich und mündlich befragt.
•
Beobachtungen im Kindergarten: Neben den Befragungsverfahren kamen
im Kindergarten die «Kindergarten-Skala – Revidierte Fassung» (KES‑R;
Tietze, Schuster, Grenner & Rossbach, 2005) und die «Kindergarten-Skala
Erweiterung» (KES‑E; Tietze, Schlecht & Wellner, 2005) sowie die «Zielkindbeobachtung» (ZiKiB; Kuger, Pflieger & Rossbach, 2006) zum Einsatz. Mit
den Instrumenten KES‑R und KES‑E wird im Rahmen einer standardisierten
Beobachtung die pädagogische Prozessqualität in Kindergruppen live beob‑
achtet und erfasst. Während die KES‑R den Schwerpunkt auf die globale Be‑
treuungsqualität legt, steht mit der KES‑E ein Verfahren zur Verfügung, das
sich vertiefend und bereichsspezifisch auf die Förderung schulischer Vorläu‑
ferfähigkeiten bezieht. Ergänzend wurde in den Gruppen für zwei ausgewählte
Zielkinder die kindspezifische globale und bereichsspezifische Förderqualität
erfasst.
•
Qualitative Interviews: Mit leitfadengestützten Interviews wurden unter an‑
derem Substichproben von Eltern vorzeitig, fristgerecht und verspätet einge‑
schulter Kinder bzgl. ihrer Einschulungsentscheidungen befragt. Auch eine
Gruppe von Eltern mit türkischem Migrationshintergrund wurde aufgrund der
besonderen Situation ihrer Kinder qualitativ befragt. Schliesslich nahmen für
weitere Fragestellungen Erzieher/-innen und Schulleiter/-innen an den qua­
litativen Interviews teil.
Alle Erhebungen in den Einrichtungen und in den Familien wurden von ausführlich
geschulten Mitarbeiter/-innen durchgeführt.
15
Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick
5.
SAL-Bulletin Nr. 131
März 2009
Ausblick
5.1. Übergang vom Kindergarten in die Grundschule
Insgesamt betrachtet ermöglicht das vorgesehene Erhebungsdesign des Längs‑
schnittes BiKS‑3‑8 gezielte Aussagen über die Entwicklung der Kinder in den Be‑
reichen Sprache und Kognition über den Übergang in die nächste Bildungsphase
– vom Kindergarten in die Grundschule – hinweg. Auch die relevanten Bildungs‑
prozesse, die diesen Übergang gestalten, können durch das Erhebungsdesign nicht
nur in der Formation, sondern auch in der Bewährung abgebildet werden.
Wie aus Abbildung 3 zu ersehen, treten die meisten Kinder des Längsschnitts
BiKS‑3‑8 regulär zum Schuljahr 2008/2009 in die Grundschule ein:
Abbildung 3: Übertritt vom Kindergarten in die Grundschule im Längsschnitt BiKS-3-8
Da die BiKS-Forschergruppe sich mit der Verschiedenartigkeit der Entwicklung und
Förderung von Kindern und explizit mit den unterschiedlichen Bildungsentschei‑
dungen befasst, genügt es nicht, im Längsschnitt BiKS‑3‑8 nur die fristgerecht
eingeschulten Kinder weiterzuverfolgen, auch wenn diese den überwiegenden Teil
des Samples repräsentieren. Entsprechend thematisiert die BiKS-Forschergruppe
auch die Entscheidungen für eine Früheinschulung (4.8% der Stichprobe) oder für
eine Rückstellung (4.6% der Stichprobe). In beiden Fällen sind dabei ebenfalls die
Beiträge von Eltern, Kindergarten und Schule in die Modellierung einzubeziehen.
Der Kenntnisstand über die Entwicklung und Förderung von früheingeschulten und
von zurückgestellten Kindern ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt gering (vgl. etwa
Fried, Rossbach, Tietze & Wolf, 1992; Puhani, & Weber, 2007; Rossbach, 2001).
16
Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick
SAL-Bulletin Nr. 131
März 2009
5.2. Das Nationale Bildungspanel
Aktuell wird an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg – in Zusammenarbeit mit
einem bundesweiten Konsortium – eine Studie «Nationales Bildungspanel» (Na‑
tional Educational Panel Study, kurz NEPS) aufgebaut (vgl. zu einer Darstellung
etwa Blossfeld, Doll & Schneider, 2008; Blossfeld, Schneider & Doll, im Druck).
Ziel ist es, mehr über zentrale Bildungsprozesse und -verläufe über die gesamte
Lebensspanne zu erfahren. Zentral ist dabei, wie sich Kompetenzen im Lebenslauf
entfalten, wie Kompetenzen Entscheidungsprozesse an verschiedenen kritischen
Übergängen der Bildungskarriere beeinflussen (und umgekehrt), wie und in wel‑
chem Umfang Kompetenzen von Lerngelegenheiten in der Familie, der Gruppe der
Gleichaltrigen und den Lernumwelten Kindergarten, Schule, Hochschule und Be‑
rufsausbildung sowie Weiterbildung beeinflusst werden. Von grosser Bedeutung ist
auch zu klären, welche Kompetenzen für das Erreichen von Bildungsabschlüssen,
welche für lebenslanges Lernen und welche für ein erfolgreiches individuelles und
gesellschaftliches Leben massgeblich sind. Die wesentlichen fünf inhaltlichen Di‑
mensionen umfassen:
• Entwicklung von Kompetenzen im Lebenslauf,
• Bildungsprozesse in lebenslaufspezifischen Lernumwelten,
• soziale Ungleichheit und Bildungsentscheidungen,
• Bildungsprozesse von Personen mit Migrationshintergrund,
• Renditen von Bildung.
Zur Klärung der von NEPS skizzierten Fragestellungen ist es notwendig, dass
Kompetenzentwicklungen nicht nur im Kindergarten und im allgemeinbildenden
Schulsystem, sondern bereits vor Kindergarteneintritt einerseits und auch nach
dem Verlassen des allgemeinbildenden Schulsystems andererseits berücksichtigt
werden. Im Rahmen des Nationalen Bildungspanels werden daher die Bildungsver‑
läufe in acht Bildungsetappen analysiert:
• Neugeborene und Eintritt in frühkindliche Betreuungseinrichtungen,
• Kindergarten und Einschulung,
• Grundschule und Übertritt in eine Schulart der Sekundarstufe I,
• Wege durch die Sekundarstufe I und Übergänge in die Sekundarstufe II,
• gymnasiale Oberstufe und Übergänge in (Fach-)Hochschule, Ausbildung oder
Arbeitsmarkt,
• Aufnahme einer beruflichen Ausbildung und der spätere Arbeitsmarkteintritt,
• (Fach‑)Hochschulstudium und Übergänge in den Arbeitsmarkt,
• allgemeine und berufliche Weiterbildung.
Die methodische Anlage des Nationalen Bildungspanels lässt sich als Multi-Kohor‑
ten-Sequenz-Design beschreiben. In den kommenden Jahren werden verschiedene
Startkohorten mit insge­samt mehr als 60.000 Personen in verschiedenen Alters‑
17
Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick
SAL-Bulletin Nr. 131
März 2009
klassen gezogen. Diese Personen werden über einen längeren Zeitraum regelmä‑
ssig befragt; ebenso finden in festgelegten Abständen Kompetenzerhebungen statt.
Um historische Veränderungen bei der Absolvierung der verschie­denen bildungs‑
relevanten Übergänge dokumentieren und analysieren zu können, werden in späte‑
ren Jahren neue Startstichproben gezogen (Kohortensukzession) und in die Studie
aufge­nommen.
Literatur
18
•
Baumert, J., Watermann, R. & Schümer, G. (2003). Disparitäten der Bildungsbeteiligung und des
Kompetenzerwerbs. Ein institutionelles und individuelles Mediationsmodell. Zeitschrift für Erzie‑
hungswissenschaft, 6, 46-72.
•
Blossfeld, H.-P, Doll, J. & Schneider, T. (2008). Bildungsprozesse im Lebenslauf - Grundzüge der
zukünftigen Bildungspanelstudie für die Bundesrepublik Deutschland. Recht der Jugend und des
Bildungswesens, 3, 321-328.
•
Blossfeld, H.-P, Schneider, T. & Doll, J. (im Druck). Die Längsschnittstudie Nationales Bildungs‑
panel: Notwendigkeit, Grundzüge und Analysepotential. Pädagogische Rundschau.
•
Bradley, M. & Caldwell, R. H. (1984). Home Observation for the Measurement of the Environment.
Little Rock: University of Arkansas.
•
Bronfenbrenner, U. (1981). Die Ökologie der menschlichen Entwicklung. Natürliche und geplante
Experimente. Stuttgart: Klett.
•
Duncan, G. J., Yeung, W. J., Brooks-Gunn, J. & Smith, J. R. (1998). How much does childhood po‑
verty affect the life chances of children? American Sociological Review, 63, 406-423.
•
Dunn, L. M. & Dunn, L. M. (1997). Peabody Picture Vocabulary Test (3rd edition). Circle Pines, MN:
American Guidance Service.
•
Ebert, S. & Weinert, S. (2007). Kodiersystem Eltern-Kind-Spiel (KEKS). Unveröffentlichte For‑
schungsversion. Bamberg: Universität Bamberg.
•
Fried, L., Rossbach, H.-G., Tietze, W. & Wolf, B. (1992). Elementarbereich. In K. Ingenkamp, R. S.
Jäger, H. Petillon & B. Wolf (Hrsg.), Empirische Pädagogik 1970-1990. Eine Bestands­aufnahme
der Forschung in der Bundesrepublik Deutschland. Band 1 (S. 197-263). Wein­heim: Deutscher
Studien Verlag.
•
Griffin, E. A. & Morrison, F. J. (1997). The unique contribution of home literacy environment to
differences in early literacy skills. Early Child Development and Care, 127, 233-243.
•
Grimm, H. (2001). Sprachentwicklungstest für drei- bis fünfjährige Kinder (SETK 3-5). Göttingen:
Hogrefe.
•
Hart, B. & Risley, T. R. (1995). Meaningful differences in the everyday experience of young Ameri‑
can children. Baltimore: Paul H. Brookes.
•
Hayes, C. D., Palmer, J. L. & Zaslow, M. J. (Eds.). (1990). Who cares for America’s children? Child
care policy for the 1990s. Washington, DC: National Academy Press.
•
Howes, C., Burchinal, M., Pianta, R., Bryant, D., Early, D., Clifford, R. & Barbarin, O. (2008). Ready
to learn? Children’s pre-academic achievement in pre-kindergarten programs. Early Childhood
Research Quarterly, 23, 27-50.
•
Kuger, S., Pflieger, K. & Rossbach, H.-G. (2005). Familieneinschätzskala (Forschungsversion).
Bamberg: BiKS-Forschergruppe der Universität.
Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick
•
Kuger, S., Pflieger, K. & Rossbach, H.-G. (2006). Einschätzskalen der Zielkindbeobachtung (For‑
schungsversion). Bamberg: BiKS-Forschergruppe der Universität.
•
Kuhn, D. & Siegler, R. (Eds.). (2006). Cognition, perception, and language (Handbook of child psy‑
chology, 6th ed., Vol. 2). Hoboken, NJ: Wiley & Sons.
•
Kurz, K., Kratzmann, J. & von Maurice, J. (2007). Die BiKS-Studie. Methodenbericht zur
Stichproben­ziehung. PsyDok [Online], 2007/990. Verfügbar unter: URN: urn:nbn:de.bsz:291-psy‑
dok-9901; URL: http://psydok.sulb.uni-saarland.de/volltexte/2007/990/.
•
Leseman, P. P. M., Scheele, A. F., Mayo, A. Y. & Messer, M. H. (2007). Home literacy as a special
language environment to prepare children for school. Zeitschrift für Erziehungs­wissenschaft, 10,
334-355.
•
McLoyd, V. C., Aikens, N. L. & Burton, L. M. (2006). Childhood poverty, policy, and practice. In K. A.
Renninger, I. E. Sigel, W. Damon & R. M. Lerner (Eds.), Handbook of child psychology (6th ed., Vol
4. Child psychology in practice, pp. 700-775). Hoboken, NJ: Wiley.
•
Melchers, P. & Preuss, U. (2003). Kaufman - Assessment Battery for Children (K-ABC). Deutsch­
sprachige Fassung (6. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.
•
Pianta, R., Howes, C., Burchinal, M., Bryant, D., Clifford, R., Early, D. & Barbarin, O. (2005). Fea‑
tures of pre-kindergarten programs, classrooms, and teachers. Do they predict observed class‑
room quality and child-teacher interactions? Applied Developmental Science, 9, 144-159.
•
Puhani, P. A. & Weber, A. M. (2007). Does the early bird catch the worm? Instrumental variable
estimates of educational effects of age of school entry in Germany. Empirical Economics, 32, 359386.
•
Rossbach, H.-G. (2001). Die Einschulung in den Bundesländern. In G. Faust-Siehl & S. SpeckHamdan (Hrsg.), Schulanfang ohne Umwege. Mehr Flexibilität im Bildungswesen (S. 145-174).
Frankfurt am Main: Grundschulverband - Arbeitskreis Grundschule e.V.
•
Rossbach, H. -G, Tietze, W. & Weinert, S. (2005). Peabody Picture Vocabulary Test (Deutsche For‑
schungsversion des Tests von L. M. Dunn & L. M. Dunn von 1997). Bamberg: Freie Universität
Bamberg.
•
Rossbach, H. G. & Weinert, S. (Hrsg.). (2008). Kindliche Kompetenzen im Elementarbereich: För‑
derbarkeit, Bedeutung und Messung. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung.
•
Schneider, W. (2004). Frühe Entwicklung von Lesekompetenz. Zur Relevanz vorschulischer
Sprachkompetenzen. In U. Schiefele, C. Artelt, W. Schneider & P. Stanat (Hrsg.), Struktur, Ent‑
wicklung und Förderung von Lesekompetenz. Vertiefende Analysen im Rahmen von PISA 2000 (S.
13–36). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
•
Stern, E. (2005). Je früher desto besser? Über Lernstrategien von Vorschulkindern. In Deutscher
Hochschulverband (Hrsg.), Glanzlichter der Wissenschaft. Ein Almanach. (S. 123-129). Saarwel‑
lingen: Lucuis & Lucius.
•
Sylva, K., Melhuish, E., Sammons, P., Siraj-Blatchford, I., Taggart, B. & Elliot, K. (2004). The Ef‑
fective Provision of Pre-School Education Project. Zu den Auswirkungen vorschulischer Einrich‑
tungen in England. In G. Faust, M. Götz, H. Hacker & H.-G Rossbach (Hrsg.), Anschlussfähige
Bildungsprozesse im Elementar- und Primarbereich (S. 154-167). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
•
Tabors, P. O., Snow, C. E. & Dickinson, D. K. (2001). Homes and schools together: Supporting
language and literacy development. In D. K. Dickinson & P. O. Tabors (Hrsg.), Beginning literacy
with language: young children learning at home and school (S. 313-334). Baltimore, MD: Brookes.
•
Tellegen, P. J., Winkel, M., Wijnberg-Williams, B. J. & Laros, J. A. (2005). Snijders-Oomen Nonverbaler Intelligenztest (SON-R 2½-7) (2., korrigierte Aufl.). Göttingen: Hogrefe.
•
Tietze, W. (Hrsg.). (1998). Wie gut sind unsere Kindergärten? Eine Untersuchung zur pädagogi‑
schen Qualität in deutschen Kindergärten. Neuwied: Luchterhand.
SAL-Bulletin Nr. 131
März 2009
19
Die interdisziplinäre Längsschnittstudie BiKS im Überblick
20
SAL-Bulletin Nr. 131
März 2009
•
Tietze, W., Schlecht, D. & Wellner, B. (2005). Kindergarten-Skala Erweiterung. Forschungs­version.
Berlin: Fachbereich Erziehungswissenschaft, Psychologie und Sportwissenschaft, Institut für So‑
zial- und Kleinkindpädagogik der Freien Universität.
•
Tietze, W., Schuster, K.-M., Grenner, K. & Rossbach, H.-G. (2005). Kindergarten-Skala. Revidierte
Fassung (KES‑R). Beltz: Weinheim.
•
von Maurice, J., Artelt, C., Blossfeld, H.-P, Faust, G., Rossbach, H.-G & Weinert, S. (2007).
Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Formation von Selektionsentscheidun‑
gen im Vor- und Grundschulalter: Überblick über die Erhebungen in den Längsschnitten
BiKS-3-8 und BiKS-8-12 in den ersten beiden Projektjahren. PsyDok [Online], 2007/1008. Ver‑
fügbar unter: URN: urn:nbn:de:bsz:291-psydok-10089; URL: http://psydok.sulb.uni-saarland.de/
volltexte/2007/1008/.