Forum 6: Verlockungen des extremen Salafismus für junge Männer

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Forum 6: Verlockungen des extremen Salafismus für junge Männer
Verlockungen des extremen Salafismus für
junge Männer
Bernd Ridwan Bauknecht
Islam Sunniten, Schiiten,
Islamismus
Zaiditen, Drusen, teilw. Aleviten… Salafisten, al-Qaida, IS…
Koran
Offenbarung
Verfassung
Sunna
Brauch
Lebensweise (Pflicht)
Scharia
Werteordnung
ethisch-moralisch
Jihad
politisch-gesellschaftlich
Anstrengung als Gläubiger Kampf
auf verschiedenen Ebenen
Islam
Gesetz
Religion offen für
Auslegung und Vielfalt
zur Dursetzung der
eigenen Islamauffassung
Ideologie
der Moderne
geschlossenes Weltbild
Jugendkultur
Protestkultur
Identitätsfindung
Salafismus
(Ideologie
der
Moderne)
Radikalisierung
Spiritualität
Religion
Kennzeichen des Salafismus
-
Lehrer-Schüler-Netzwerke statt hierarchische Organisationen
Totalitätsanspruch (intolerant gegen andere Strömungen im Islam )
Herabwürdigung Andersgläubiger
Antischiitisch, gegen Sufismus, Degradierung von Juden- und Christentum
Gegen Volksislam (z.B. Gräberbesuche, Heiligenverehrung…
Avantgarde (fühlen sich als errettete Gruppe)
Dualistisches Weltbild (Tauhid – Shirk, Gut gege Böse…
Sendungsbewusstsein, Eifererkollektiv
(Wortwörtliche) Teil-Rezeption des Koran, Ablehnung von Metaphorik
Gegen Philosophie, gegen traditionelle und kulturelle Einflüss (bid‘a)
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit
Ungeklärtes Frauenbild , benachteiligte gesellschaftliche Stellung der Frau
Antidemokratisch
Le e i „ i ht- usli is he “ Gesells hafte ur u ter de Aspekt der
da‘ a (Mission)
Salafismus ietet Juge dli he …
…ei e feste tra sze de tale Bezugspu kt u d
Orientierung
…ei e erei fa hte reduktio istis he theologis he Lehre
und somit Klarheit
…Orie tieru g: strikt ritualisierter Alltag halal – haram)
…das Gefühl, Teil ei er „höhere spirituelle Sa he“zu sein
…e otio ale )uflu htsorte, Netz erke
…Gefühl der Glei hheit u ter de Multieth ie
…Akzepta z ei es jede ei zel e Mitglieds
Gründe religiös begründeter Radikalisierung
-
Aufwertung des Selbstwertgefühls
Abgrenzung
Sehnsucht nach Gemeinschaft
Sehnsucht nach Spiritualität
Wissensdurst
Gerechtigkeitsempfinden
Opferrolle
Diskriminierungserfahrung
Lebenskrisen
individuell
Gegennarrative
Salafisten su he „Lü ke “ z . Ta us i der Gesells haft, die sie
mit ihrer Ideologie füllen (Opferrolle, Angst, Sexualisierung,
Kri i alität… .
Ihr Vorteil: Anknüpfung der Ideologie an Teile traditionalistischen
Islamverständnisses?!
Gegennarrative entwickeln:
1) IRU
2) Community
3) Internet
4) Schule (politische Bildung)
Bernd Ridwan Bauknecht
Verlockungen des extremen Salafismus für junge Männer
Zwischen Islam und Islamismus – Vorbemerkung
Der Islam ist neben Christen- und Judentum eine der drei monotheistischen
Offenbarungsreligionen und analog zu diesen ebenso offen für Vielfalt und
Auslegung.
Der Arabist Thomas Bauer fordert in seinem Buch „Die Kultur der Ambiguität“ (Berlin
2011) zu Recht dazu auf, sich der klassischen Korangelehrsamkeit zu besinnen.
Klassische Gelehrte sahen in der die Mehrdeutigkeit des Korans eine inspirative
Herausforderung. Der Koran spricht nicht nur in verschiedenen Reimformen sondern
auch mit einer geballten Metaphorik, die gelegentlich die Rätselhaftigkeit geradezu
sucht. Im damaligen textlichen und lebensweltlichen Umfeld war Mehrdeutigkeit
etwas Normales und Erstrebenswertes.
Der klassische Gelehrte ging davon aus, dass Vieldeutigkeit eine Gnade Gottes ist,
da diese der Natur des Menschen entgegen kommt. So sei Variantenlosigkeit gar
unnatürlich und Vieldeutigkeit könne Erleichterung für den Einzelnen bedeuten,
Ansporn für die Wissenschaft sein und letztendlich erlaube erst Vielfalt, dass
Widerspruchsfreiheit zum Kriterium der Wahrheit werden könne.
Weder im Koran noch in der Prophetenüberlieferung finden sich Hinweise zur
konkreten Herrschaftsausübung. Die überwiegende Mehrzahl der Muslime sieht in
der Demokratie die ideale Regierungsform (Vgl. Religionsmonitor 2015,
Bertelsmann-Stiftung). Die Scharia (šarīʿa, „Weg“) gilt als das sogenannte
„Islamische Recht“. Aufgabe der Scharia ist zunächst nichts anderes, als den
Gottesbezug zwischen Mensch und Gott zu definieren, ähnlich dem Nomi-natio dei
im Grundgesetz, wonach auf „Gott“ als diejenige für den Menschen unverfügbare
Instanz verwiesen wird, vor der er Verantwortung tragen muss. Die islamische
Gelehrsamkeit hat für die Scharia „klassische fünf Güter“ definiert. Diese sind der
Schutz des Lebens, des Eigentums, der Vernunft (Bildung), des Glaubens und der
Familie. Scharia definiert zunächst also Normen des Religiösen, die sowohl zeitlich
und örtlich stark variieren können.
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Zum Teil als Antwort auf die Moderne fand der Islamismus mit attraktiven
Eindeutigkeitsangeboten Gehör. Die charakteristische Intoleranz von Ideologien zeigt
sich im Islamismus daran, dass deren Vertreter die genaue Bedeutung einer jeden
Koransure kennen, die Echtheit einer jeden Prophetenüberlieferung (ḥadīṯ) genau
beurteilen können, das Leben des Propheten und seiner Gefährten bestens zu
rekonstruieren wissen und so über die letztendliche Deutungshoheit verfügen.
Klassische Gelehrte ebenso wie viele heutige Theologen sehen in diesem Anspruch
auf Eindeutigkeit und absolute Wahrheit eine Anmaßung gegenüber der Religion und
dem Schöpfer selbst.
Verlockungen des Salafismus für Jugendliche
„Beim Islamismus handelt es sich um Bestrebungen zur Umgestaltung von
Gesellschaft, Kultur, Staat oder Politik anhand von Werten und Normen, die als
islamisch angesehen werden.“ (Tillman Seidensticker, Islamismus, München 2014)
Hierzu gehört die Distanzierung von Teilen der eigenen religiös-politischen
Geschichte. Denn die gewachsene und zur Vielfalt neigende religiöse Tradition hat
nach islamistischer Sicht die islamische Welt in die Misere der Gegenwart geführt.
Nunmehr soll die „Souveränität Gottes“ ins Werk gesetzt werden. Die Religion wird
verabsolutiert und soll das individuelle, gesellschaftliche und staatliche Leben
durchdringen. Doch hier entsteht ein entscheidender Knackpunkt: denn wer
interpretiert und entscheidet, was göttliche Intension ist.
Gerade für Jugendliche scheint heute die vereinfachte reduktionistische theologische
Lehre, wie sie in salafistischen Kreisen vielfach vertreten wird, reizvoll. Denn sie
verspricht vermeintliche Klarheit, Orientierung und Heil. Zumal sie sich selbst in das
Licht der absoluten Wahrheit setzt.
Nach dem Ende der bipolaren kapitalistisch-kommunistischen Welt wurden
vergleichbare „fundamentalistische“ Strömungen im Judentum, Christentum und
Hinduismus festgestellt. Dabei ähneln sich die inhaltlichen Elemente: überzeitliche
Heilsgewissheit für die Anhänger der eigenen Religion, ein Gut-Böse-Dualismus,
angeblich buchstabengläubige Bindung an einen Schriftkanon und totalitäre Visionen
in Anlehnung an eine idealisierte Urgesellschaft.
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Aber nicht die Ideologie sondern das soziale Angebot steht für die meisten
Jugendlichen im Vordergrund. Die Gemeinschaft der Salafisten bietet
Orientierungshilfen, eine reduktionistische theologische Lehre, einen ritualisierten
Alltagsrahmen, emotionale Zufluchtsorte, das Gefühl, einer ‚höheren spirituellen‘
Sache zu dienen und die Anerkennung eines jeden einzelnen Mitgliedes.
Neben dem bipolaren Weltbild und dem eschatologischen Heilversprechen ist es vor
allem das Einstehen für Gerechtigkeit und das Gemeinschaftsgefühl, das
Jugendliche anspricht. So stellen gemeinsame Freizeitaktivitäten und mehrtägige
Islamseminare, in denen auch rituelle Abläufe erprobt werden, eine wichtige
Erfahrungsebene dar, um ein tiefergehendes Gemeinschaftsgefühl zu erleben.
Bei der Arbeit mit Jugendlichen zeichnet sich teilweise ab, dass manche das
Verhalten der Elterngeneration zur Mehrheitsgesellschaft als devot wahrnehmen.
Zur Kompensation der daraus resultierenden Kränkung dient der Salafismus als
Protest und Provokation. Er ist die z. Zt. vielversprechendste Möglichkeit, um auf sich
aufmerksam zu machen. Der Salafismus bedient sich hierbei keineswegs des
Traditionalismus sondern neuzeitlicher jugendkultureller Aspekte: Kaftan,
Pluderhose, Käppi und Bart versprechen heute eben mehr Aufmerksamkeit als ein
grüngefärbter Irokesenhaarschnitt.
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Zitate
„Islam bedeutet Hingabe, Hingabe an Allah im wahrsten Sinne des Wortes. Ein
Muslim, der immer noch freien Willen hat, der muss Angst haben. […] Allah liebt den
Muslim, der sagt: Wir hören und wir gehorchen. Allah liebt keine streitsüchtigen
Menschen.“ Abou Nagie
„Wir lieben für Allah und wir hassen für Allah. Wir lieben nicht für eine Nation, eine
Hautfarbe oder eine Partei, nein, nur für Allah. […] Zusammenhalt und Zugehörigkeit
gilt den Leuten, die Allah folgen – und Feindschaft und Nichtzugehörigkeit gilt den
Leuten, die nicht Allahs Weg folgen.“ Abu Dujana
„Bei uns brennt es innerlich, weil die Wahrheit in uns brennt. Und diese Wahrheit, die
muss raus – koste es, was es wolle und egal wie gefährlich es für uns ist. Und wir
wissen, dass die Amerikaner eine große Tradition darin haben, Leute, die die
Wahrheit sagen, zu eliminieren.“ Pierre Vogel alias Abu Hamza
„Schwestern, ihr habt eine Verantwortung genauso wie die Männer. Haltet euch an
die Grenzen Allahs. Was ist das, wenn eine Frau Kopftuch trägt und ist am chatten.“
Abu Jibriel
„Syrien blutet, meine lieben Geschwister im Islam. Und Syrien versinkt im Blut. Die
gesegnete Erde Allahs, die Erde des iman, die Erde des Glaubens, versinkt im Blut.
[…] Dieser Kampf, der dort begonnen hat, ist die Vorbereitung für das Ende der Zeit.
[…]Dort kämpft die gesamte Menschheit und Europa gegen die Muslime. […]
Derjenige, der seine Geschwister im Stich lässt, Allah wird ihn im Stich lassen. […]
Schande über ihn, der sich einen Mann nennt. Walahi, Schande über euch.“
Abu Abdullah
„Mancher Muslim hier sagt, trotz des vielen Leids der Muslime auf der Welt: ‚Wir sind
hier in Europa. Was kümmern uns die Anderen.‘ Wer das sagt, walahi, ist nicht weit
von kufr (Unglaube) entfernt. Wenn er nicht schon ein kafir (Ungläubiger) ist.
Abgesehen davon ist er wahrscheinlich ein Zwitter oder eine Frau oder irgendwas.
Wenn er kein Schamgefühl, keine Männlichkeit besitzt. Eine Muslima wird
vergewaltigt und er sagt, was kümmert mich das.“
Muhammad Mahmoud
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Salafismus - Prävention
1) www.ufuq.de
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Mitreden! DVD mit Filmbegleitheft, Polizeiliche Kriminalprävention, Zentrale Geschäftsstelle,
Stuttgart (hier handelt es sich um identisches Material zu „Wie olle ir le e ?“; nur
reduziert auf drei Filme) (empfehlenswert),
www.polizei-beratung.de/medienangebot/medienangebot-details/detail/200.html
2) www.bpb.de (aktuell)
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3) www.andi.nrw.de ezieht si h auf „Isla is us“, et as älter
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4) www.schule-ohne-rassismus.org
„Prä e tio spaket: Isla is us, Salafis us, Musli fei dli hkeit“
(Islam und Schule, Islam und Ich)
5) http://www.zwischentoene.info/
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(Georg Eckert Institut)
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Telefon: 0228/77 61 50 und 0228/77 61 60, [email protected]
www.bamf.de
BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) , Nürnberg
Tel. (0911) 943 43 43 (Mo-Fr 9-15), E-Mail: [email protected]
Bernd Ridwan Bauknecht, Islam- und Sozialwissenschaft M.A., Lehrer für Islamischen Religionsunterricht an öffentlichen
Schulen, Mitglied der Deutschen Islam Konferenz und des dialogforum nrw, [email protected]; www.bernd-ridwanbauknecht.de
Salafismus - Prävention
LITERATUR
Literatur zu Salafismus
Sammelbände
Said/Fouad (Hg.), Salafismus. Auf der Suche nach dem wahren Islam.
Freiburg/Breisgau 2014
Schneiders, Torsten Gerald (Hg.), Salafismus in Deutschland. Ursprünge und
Gefahren einer islamisch-fundamentalistischen Bewegung, Bielefeld 2014
Monografien, Artikel
Clement/ Dickmann, Jugendarbeit mit Jugendlichen in neo-salafistischen Gruppen.
In: Migration und Soziale Arbeit, Ausgabe 01, 2015, S. 67-75
Hummer/Logvinov, Gefährliche Nähe – Salafismus und Dschihadismus in
Deutschland, 2014
Kiefer/Ceylan, Fundametalistische Strömungen und Radikalisierungsprävention,
Wiesbaden 2013
Kraetzer, Ulrich, Salafisten. Bedrohung für Deutschland?, München 2014
Said, Behnam T., Islamischer Staat, Bonn 2015 (bpb)
Steinberg, Guido, Al-Qaidas deutsche Kämpfer, Bonn 2014 (bpb)
Literatur zum Islam:
- Hartmut Bobzin, Der Koran. Eine Einführung. C.H.Beck, Aufl. 7, München
2007
- Harmut Bobzin, Mohammed, C.H. Beck, Aufl. 4, München 2011
- Heinz Halm, Der Islam. Geschichte und Gegenwart. C.H.Beck, Aufl. 4,
München 2004
- Thomas Bauer, Die Kultur der Ambiguität. Eine andere Geschichte des Islams.
Berlin 2011.
- Angelika Neuwirth, Der Koran als Text der Spätantike. Ein europäischer
Zugang. Berlin 2010.
Bernd Ridwan Bauknecht, Islam- und Sozialwissenschaft M.A., Lehrer für Islamischen Religionsunterricht an öffentlichen
Schulen, Mitglied der Deutschen Islam Konferenz und des dialogforum nrw, [email protected]; www.bernd-ridwanbauknecht.de