Mit Unterschieden leben - Diakonisches Werk in Niedersachsen
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Mit Unterschieden leben - Diakonisches Werk in Niedersachsen
Mit Unterschieden leben Diakonie 2013 Diakonisches Werk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers e.V. Profil Positionen Perspektiven 2 Diakonie 2013 Profil, Positionen, Perspektiven Mit Unterschieden leben Liebe Leserinnen, liebe Leser, als Anbieter sozialer Leistungen in vielen Bereichen ist die Arbeit der Diakonie zu einem unverzichtbaren Bestandteil unseres Sozialstaates geworden. Den vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Diakonie herzlichen Dank für den Einsatz im Dienste des Nächsten! Zwischen der Diakonie und dem Land Niedersachsen hat sich über viele Jahre hinweg eine partnerschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickelt. Wir möchten diese Zusammenarbeit auch zukünftig fortsetzen und gerne weiter intensivieren. Dieser Jahresbericht beschäftigt sich vornehmlich mit dem Thema „Inklusion“. „Nicht ohne uns über uns“ muss das Leitmotiv von Teilhabe und Partizipation werden. Es ist auch das Leitmotiv der neuen Landesregierung, um dem Ziel eines inklusiven Niedersachsen deutlich näher zu kommen. Seit den neunziger Jahren sprechen wir von dem Paradigmenwechsel in der Politik für und mit Menschen mit Behinderungen. Einiges ist schon erreicht worden, der große Durchbruch aber steht noch aus. Der verfassungsrechtlich garantierte Diskriminierungsschutz, ein in weiten Teilen vorbildhaftes Rehabilitations- und Teilhaberecht sowie die Gleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder sind geschaffen, aber unsere ganz alltägliche Lebensumwelt ist noch längst nicht für alle Menschen offen, zugänglich und verständlich. Nach wie vor sind zu viele öffentliche Straßen sowie Verkehrseinrichtungen für Menschen mit Behinderungen nicht selbstständig nutzbar, einige Behörden und sonstige öffentliche Angebote nicht für alle frei zugängig. Das selbstverständliche Einbeziehen aller in unseren Alltag verlangt uns einiges ab. Viel zu oft noch bestimmen Ausgrenzungsprozesse unser Leben; die Schule ist ein Beispiel dafür. Mitunter gibt es Ängste, dass lernschwache Mitschüler das Niveau der Klasse senken könnten, dass stark verhaltensauffällige Kinder unsere eigenen zu sehr stören könnten oder besonders intensiv betreuungsbedürftige Kinder mit schweren oder mehrfachen Behinderungen zu viel Aufmerksamkeit der Pädagogen binden. Es ist Sache des Staates, für tragfähige Rahmenbedingungen in den Kitas und Schulen zu sorgen, aber es ist unser aller Sache, uns diesem neuen Miteinander gegenüber aufgeschlossen zu zeigen. Wenn Kinder und Jugendliche ihre Ängste und Vorbehalte in Kita und Schule abbauen, werden sie auch als Erwachsene unkomplizierter mit den Menschen umgehen können, die in mancher Hinsicht so ganz anders sind als sie selbst. Ein tolerantes und sich gegenseitiges Wertschätzen von Alt und Jung, von Menschen mit und ohne Behinderung, von den bei uns lebenden Menschen aller Nationalitäten, von Menschen mit verschiedenen Einstellungen zur Sexualität und von Menschen mit verschiedenen Glaubensrichtungen eröffnet die Chance für eine kulturell bunte, tolerante und anregende Gesellschaft. Wichtige Ziele der Niedersächsischen Landesregierung sind deshalb Toleranz, Akzeptanz, selbstverständliches Miteinander und gesellschaftliche Strukturen, in denen sich alle mit ihren jeweiligen Besonderheiten einbringen und mit dabei sein können. Um dem Ziel wirklicher Inklusion in möglichst allen Lebensbereichen in Niedersachsen näher zu kommen, erarbeitet eine Kommission, in der viele Menschen mit Behinderungen zu Wort kommen sollen, konkrete Vorschläge. Darüber hinaus wird sich ein interministerieller Arbeitskreis intensiv mit der Umsetzung der UN-Konvention beschäftigen. Dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen wird in beiden Gremien eine zentrale Rolle zukommen. Er ist Bindeglied zwischen der Landesregierung und den einschlägigen „Nichtregierungsorganisationen“, daneben wünsche ich mir aber auch viel direkten Kontakt zwischen der Landesregierung und den betroffenen Menschen und Organisationen. In dem Gelingen dieser Vernetzung liegt schon ein entscheidender Aspekt für eine erfolgreiche Verwirklichung der Inklusion in Niedersachsen. Lassen Sie uns alle gemeinsam daran arbeiten, dass in Niedersachsen möglichst alle Menschen mit Behinderungen selbstbestimmt in unserer Mitte leben können. Stephan Weil Niedersächsischer Ministerpräsident Diakonie 2013 Profil, Positionen, Perspektiven Inhalt 2Diakonie 2013 5Editorial 6 Eine Sehnsucht wohnt in uns – Kirche und Diakonie in gesellschaftlichen Inklusionsprozessen 12Diakonie und Gesellschaft 13 Zwischenruf: Höchste Zeit, umzusteuern! 15 Zwischenruf: Inklusion, ja aber… 16 Mitten drin – Tagesförderstätte in lebendiger Nachbarschaft 18 „Ich bin entscheidend” – Selbstbestimmt leben 21 Junge Pflege – Das Katharina-von-Bora-Haus in Osnabrück 22 Wohnen kann man lernen – Ambulant unterstütztes Wohnen in Osterode 24 Im eigenen Haus mit Inklusion anfangen: Beirat von Menschen mit Behinderung 26 Dasein und nicht verlassen werden – Palliativ- und Hospizkultur 28 Entdeckungsreisen – Inklusion leben im PETRIHAUS 32 Gemeinsamkeit trotz Unterschieden – Solidaritätstafel 2012 34 Mit Herz für Kinder und ihre Familien – Zukunft(s)gestalten 36 Im Wartezimmer Deutschlands – DiaMiPA 40 Auf die Plätze und Straßen gehen – Inklusion in der Wohnungslosenhilfe 42 Es wächst zusammen, was zusammen gehört: Kirchengemeinden und Diakonie 44 Gemeinde inklusiv – Petrusgemeinde Barsinghausen 46 „Wellcome“ und „Frühe Hilfen“ 48 Was ist schon Inklusion? Inklusive Familienfreizeit 50 Soziale Netzwerke nutzen für Suchtkranke und Angehörige 52 Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung in evangelischen Kindertageseinrichtungen 54 Gedanken zur Inklusion in der Jugendhilfe 56 Freiwillige im FSJ und BFD in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen 58 „All-inclusive“? Entwicklungszusammenarbeit von Brot für die Welt 62 Einfach für alle – Barrierefreiheit im Internet 65Diakonie und Politik 65 Haben Menschen mit Behinderungen ein Recht auf Inklusion? 68 Schule und Inklusion 70 Ein Anfang ist gemacht – Zum Arbeitsrecht in Diakonischen Einrichtungen 72Diakonie und Kirche 72 Noch nicht eingeführt und schon veraltet? Unternehmerische Mitbestimmung in der Diakonie 74 Kirche ist nicht nur Dienst um den Altar – Acht Jahre Loyalitätsrichtlinie der EKD 76 Schützenswert – Neuerungen im kirchlichen Datenschutzrecht 78Diakonie und Geld 78 Damit das „Wir“ gelingt – Aktion Mensch und Inklusion 80Publikationen 83Zahlen und Fakten 83 Eine lohnende Sache – Mitgliedsbeiträge und Fördermittel 84 Zahlen und Fakten 86 Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung 2012 88Organisationsdiagramm 90Adressen 3 4 Diakonie 2013 Profil, Positionen, Perspektiven Diakonie 2013 Profil, Positionen, Perspektiven 5 Editorial Sehr geehrte Damen und Herren, schon oft haben wir in unserem Jahresbericht vom Zusammenwachsen der Diakonischen Werke in Niedersachsen berichtet. Immer wieder hat es Schritte der Annäherung gegeben, die wir hier vorgestellt haben. Seit 2007 hat es eine stufenweise Entwicklung gegeben: Aus der losen Konferenz Diakonischer Werke in Niedersachsen (KDWN) wurde 2007 die Diakonie in Niedersachsen als Arbeitsgemeinschaft mit eigenem Koordinationsbüro. 2010 wurde der Verein „Diakonie in Niedersachsen“ gegründet, der für die Diakonischen Werke die spitzenverbandlichen Aufgaben auf Landesebene übernommen hat. Und jetzt steht der nächste Schritt bevor: Der Jahresbericht, den Sie in der Hand halten, wird voraussichtlich der letzte Jahresbericht sein, den das Diakonische Werk der Landeskirche Hannovers e.V. herausgibt. Wenn alles wie geplant abläuft, wird zu Beginn des Jahres 2014 durch den Zusammenschluss der Diakonischen Werke Braunschweigs und Hannovers und durch Anbindung der Diakonischen Werke Schaumburg-Lippe e.V. und der Reformierten Kirche das „Diakonische Werk in Niedersachsen e.V.“ (DWiN) gegründet. Nach dreijährigen Verhandlungen ist es gelungen, sich zwischen den beteiligten Diakonischen Werken und ihren Landeskirchen auf einen gemeinsamen Rahmen für ein gemeinsames Diakonisches Werk zu einigen. Die Diakonie im Oldenburger Land wird sich leider nicht am DWiN beteiligen. Mit ihr wird eine Vereinbarung geschlossen, die eine Zusammenarbeit in den bisherigen Aufgabengebieten des DiN e.V. weiterhin ermöglicht. Vieles davon wurde in den letzten Jahren bereits erprobt und mit zunehmendem Erfolg durchgeführt. Von daher beginnen wir am 1. Januar 2014 auch nicht bei Null. Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit (zum Beispiel die Spendenaktion in der Adventszeit mit dem Kooperationspartner Hit Radio Antenne Niedersachsen), bei der Begleitung der Fachverbände und der Koordination der Zusammenarbeit in der Freien Wohlfahrtspflege ist ein gutes Miteinander gewachsen. Das DWiN ist eine neue Stufe der vertrauensvollen Zusammenarbeit, in dem wir hoffentlich viele Jahre erfolgreich zusammenwirken werden. Davon sind wir überzeugt. In den nächsten Monaten werden die Kirchen in ihren Synoden und Gremien und die Diakonischen Werke auf den Mitgliederversammlungen die notwendigen Entscheidungen treffen, um das Diakonische Werk in Niedersachsen zum 1. Januar 2014 zu gründen. Bis dahin war es ein langer Weg. Wir sind sicher, dass wir mit dem DWiN für unsere Mitglieder, für den Verband als politischem Akteur, für die Mitarbeitenden in den Diakonischen Werken und besonders für die Menschen, für die wir uns gemeinsam mit den diakonischen Einrichtungen in Niedersachsen einsetzen, weiter auf einem guten Weg sind und noch besser vorankommen werden. Bitte unterstützen Sie uns dabei. Ihre Das DWiN nimmt nicht nur spitzenverbandliche Aufgaben wahr, es ist auch das alleinige Diakonische Werk der Landeskirchen Braunschweigs und Hannovers und übernimmt Aufgaben der Diakonischen Werke der Landeskirche Schaumburg-Lippe und der Reformierten Kirche. Zudem werden alle diakonischen Träger der beteiligten Landeskirchen Mitglieder in dem neuen Werk. Mit dem neuen Konstrukt wird eine einheitliche Mitgliederberatung sichergestellt, die Abstimmungsverfahren werden vereinfacht und die Diakonie wird deutlich an politischem Gewicht gewinnen. Dr. Jörg Antoine Stellvertretender Direktor Dr. Christoph Künkel Direktor 6 Diakonie 2013 Profil, Positionen, Perspektiven Eine Sehnsucht wohnt in uns Kirche und Diakonie in gesellschaftlichen Inklusionsprozessen „Tief in uns wurzelt eine Sehnsucht“ – an dieser Stelle machte der Pastor immer eine bedeutungsvolle Pause und setzte dann fort: „ … dass Frieden sei.“ Ich habe den Tonfall, mit dem er diese Worte in jedem Sonntagsgottesdienst vor dem Friedensgruß sprach, nie vergessen: „ … dass Frieden sei.“ Die Sehnsucht nach Frieden ist die Sehnsucht nach Einheit, besser noch, nach Einigkeit. Die aber ist eher die Ausnahme als die Regel. Das Motto dieses Heftes lautet „Mit Unterschieden leben“. Auch darin ist die Sehnsucht nach Einigkeit enthalten. Nach Verständigung. Auch nach Frieden. Zugleich aber wird der Finger in eine dauerhaft schmerzhafte Wunde gelegt: Wir sind und wir bleiben unterschiedlich. Nicht nur als Männer und Frauen, als Junge und Alte, als Menschen mit Eigenheiten, Eigenarten und anderen Einschränkungen. Das sind äußerlich erkennbare Unterschiede. Die werden weitaus größer, wenn es darum geht, uns als Persönlichkeiten zu beschreiben, die auf je ihre eigene Weise denken, fühlen, handeln, von eigenen Überzeugzungen getragen oder betrogen werden. Wie können wir mit diesen Unterschieden leben? „Inklusion!“ So hallt heute die Antwort durch alle Straßen, Gremien und Medien. Selten hat ein Fremdwort eine derart steile Karriere hingelegt. Nicht nur in der Diakonie, sondern in der Politik, in Debatten vom Bundestag bis zur UN. Inklusion, wörtlich übersetzt „Einschluss“, ist undenkbar, wenn man nicht ihren Zwilling mitdenkt, die Exklusion. Noch brauchen und nutzen wir beide Begriffe. Beide bleiben in fataler Weise aufeinander angewiesen. Wer von Inklusion sprechen will, muss von Exklusion sprechen und umgekehrt. Die Bibel wusste das schon immer, auch wenn sie weder Inklusion noch Exklusion als Begriffe kannte. Sie stellt jedoch schon in den Urgeschichten vom Anfang der Bibel (Gen 1-11) dar, zu welchen Konsequenzen es führen kann, wenn Menschen nicht mit ihren Unterschieden leben können – oder wollen. Weil ihre Feuer unterschiedlich brennen, erschlägt Kain seinen Bruder. Kain flieht in die Fremde und merkt dort erst recht, dass er sich von anderen unterscheidet. Leben kann er mit diesen Unterschieden nur, weil Gott ihm ein Schutzzeichen eingebrannt hat, das Kainsmal, das den Ausgestoßenen in der ihm fremden Umwelt schützt. Offenbar ist der Gott dieser Urgeschichten selbst ein Gott, der Unterschiede nicht nur bejaht, sondern mit ihnen leben kann und will. Er ist als Schöpfer der Urheber jeder nur denkbaren Vielfalt. Da aber alles Geschaffene in Gott seine Herkunft hat, findet es in ihm auch seine Einheit. Die christliche Trinitätslehre verankert den Gedanken von Sehnsucht nach Einheit bei gleichzeitiger Unterschiedenheit voneinander im Gottesgedanken selbst: Den drei Seinsweisen Gottes werden unterschiedliche Werke wie Schöpfung, Erlösung und Heiligung zugeordnet – allerdings nie ohne dabei zu betonen, dass die Werke der Heiligen Dreieinigkeit nach außen unteilbar sind. Diakonie 2013 Profil, Positionen, Perspektiven „Mit Unterschieden leben“ Das Motto dieses Jahresberichts erläutert die Perspektive, in denen wir als Diakonisches Werk, als Diakonie unserer hannoverschen Landeskirche Inklusion begreifen und verstehen wollen. Auch wenn Diakonie immer Idealisten braucht, sind wir keine Träumer. Wir werden, was Gott ist, nicht sein: eine Liebe, die Unterschiede in sich selbst bleibend und unaufhebbar integriert und darin zugleich einig ist. Aber der Weg ist uns gewiesen: Als Ebenbilder Gottes sollen und können wir versuchen, mit unseren Unterschieden zu leben. Dabei stellt sich automatisch die Frage nach dem Verhältnis von bejahter Unterschiedlichkeit und nötiger Einheit. Welche Unterschiede können wir als Reichtum bejahen? Welche können wir ertragen? Welche sprengen das Gefühl zusammenzugehören? Diese Fragen liegen näher als wir denken, und ihre Antwort ist oft sehr viel komplexer als vermutet – falls es überhaupt eine gibt. Zum Beispiel: „Dienstgemeinschaft“ Aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen ist Dienstgemeinschaft ein „Kampfbegriff“, der verschleiere, dass es auch in der Diakonie ein (unversöhnliches?) Gegenüber von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gäbe. Demgegenüber haben die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt vom 20. November 2012 in der Auseinandersetzung 7 von Kirche und Diakonie auf der einen und der Gewerkschaft ver.di auf der anderen Seite eindrucksvoll bestätigt, dass Kirche und Diakonie nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht haben, ihr Leitbild von einer Dienstgemeinschaft zu leben. Der Begriff verweist auf gemeinsames Leben. Dieses wird präzisiert als Dienst, dem sich alle verpflichtet wissen, unabhängig von ihren unterschiedlichen Aufgaben. Dieser Dienst vereint alle zu einer Gemeinschaft. Doch so wie der Begriff von Dienstgemeinschaft bis heute strittig ist, ist es in steigendem Maß auch die Praxis. „Mit Unterschieden leben“ – dies muss sich gerade auch in der Entwicklung von gemeinsam getragenen Überzeugungen innerhalb einer diakonischen Einrichtung zeigen. Unsere Gesellschaft hat sich zunehmend und mit immer höherem Tempo ausdifferenziert. Dieser Prozess nimmt ständig an Fahrt auf. Immer weniger gelingt es, Lebenswelten miteinander zu verknüpfen. Wer kennt sich in den jeweils aktuellen Entwicklungen der Pop- und Rockkultur noch aus? Rock, Pop, Schlager – das war gestern. Auch die Unterscheidung von House, Techno, Hip-Hop und Gothic genügt bei weitem nicht mehr. Ich gestehe, dass ich mich da restlos ausgeklinkt habe. Restlos ausgeklinkt haben sich aber auch viele Mitmenschen aus einer christlichen Deutungsgemeinschaft des Lebens. Geburt und Tod, Krankheit und Glück werden heute nicht mehr automatisch in den Horizont des Glaubens, erst recht 8 Diakonie 2013 Profil, Positionen, Perspektiven nicht des christlichen Glaubens gestellt. Für manche gestaltet sich das Leben auch gut ohne jede Religion. Religiös unmusikalisch zu sein ist ja nicht nur das Schicksal von berühmten Philosophen wie Habermas. In Kirche und Diakonie hat das unmittelbare Auswirkungen darauf, wie wir mit den Unterschieden zwischen uns als Dienstgemeinschaft leben. Gemeinschaft stellt sich nicht notwendig und automatisch dadurch ein, dass Menschen im selben Betrieb arbeiten. Biblisch-diakonische Bildungsangebote werden angesichts der größer werdenden Unterschiede in Gesellschaft und Einrichtungen immer wichtiger werden. Wer in Kirche und Diakonie mitarbeitet, soll wissen, mit welchen Deutungsmöglichkeiten unsere Tradition zum Beispiel Krankheit und Exklusion begegnet. Aus Information kann mehr werden. Wissen. Eine geteilte Überzeugung. Ein gemeinsam gelebter Glaube. Gemeinsam motiviertes Handeln. Dienstgemeinschaft. Sie kann nicht mehr selbstverständlich vorausgesetzt werden (wenn sie das je konnte). Dafür muss man etwas tun. Kirche und Diakonie werden sich fragen lassen müssen (und die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugunsten des Leitbildes Dienstgemeinschaft hat auch dafür einen kräftigen Impuls gegeben), wie sie bereit sind, im Zusammenwirken von Mitarbeitenden und Leitenden eine gelebte Dienstgemeinschaft zu befördern. Das ist nicht nur eine Frage der Ressourcen. Das ist eine Frage des von der Gesellschaft erwarteten Alleinstellungsmerkmals diakonischer und kirchlicher Aktivitäten. Unser Auftrag ist der Dienst am Nächsten. Wie aber ist es bei den Unterschieden aller in Kirche und Diakonie Tätigen um die Auftragsgewissheit bestellt? Auf Bundesebene haben wir uns an der Ausarbeitung von biblisch-diakonischen Bildungsangeboten für Mitarbeitende in der Diakonie beteiligt. Im September 2013 wird eine Arbeitshilfe dazu erscheinen. Nun wird es darauf ankommen, dieses Angebot für unsere diakonischen Einrichtungen fruchtbar zu machen. Zugleich stellt sich die Frage, in welcher Weise von Mitarbeitenden eine Identifikation mit den Grundüberzeugungen einer kirchlichdiakonischen Einrichtung erwartet werden kann. Bislang war dafür die Kirchenmitgliedschaft ausschlaggebend. Die ist ein freiwilliger und wichtiger Ausdruck für eine religiöse beziehungsweise weltanschauliche Haltung. Zugleich aber müssen sich Einrichtungen und Kirche verstärkt darum bemühen zu verdeutlichen, welche Erwartungen sich damit für den Arbeitsalltag verbinden. Zur Ausgestaltung einer gelebten Dienstgemeinschaft gehört eine Rechenschaft darüber, wie ein Dienst diakonisch-kirchlich ausgestaltet werden soll und kann. Um diesen Perspektivwechsel einzuleiten, erscheint die Überarbeitung der sogenannten Loyalitätsrichtlinie der EKD zwingend. Es geht um eine intensivere Wahrnehmung dessen, dass wir „in und mit Unterschieden leben“. Diakonie 2013 Profil, Positionen, Perspektiven 9 Unterschiede sind immer auch ein Reichtum – nicht zuletzt deshalb, weil sie einen selbst und den eigenen Lebensentwurf in Frage stellen. Zum Beispiel: Wohlfahrtsverbände und Subsidiarität Subsidiarität ist ein Fremdwort, dem – verglichen mit dem in rasantem Tempo populär gewordenen Fremdwort Inklusion – das umgekehrte Schicksal droht: Es wird zunehmend weniger verstanden. Dabei handelt es sich um ein Grundprinzip unseres Sozialstaats und ist der Sache nach im Grundgesetz verankert. De facto ist es mit Inklusion, einem Leben mit Unterschieden, verwandt. Sieht das Subsidiaritätsprinzip doch vor, dass in Fragen der Ausgestaltung von Sozialpolitik nicht der Staat, sondern Akteure der Zivilgesellschaft die handelnden Subjekte sein sollen. Schon die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben gefordert: Die unterschiedlichen Grundüberzeugungen in der deutschen Gesellschaft sollen ihren Ausdruck darin finden, dass Bürgerinnen und Bürger zwischen sozialen Angeboten wählen können, die von weltanschaulich unterschiedlich ausgerichteten Trägern angeboten werden. Seit Mitte der Neunziger Jahre wird dieses politisch gewollte und beförderte Sozialstaatsprinzip grundsätzlich unterlaufen. Vermeintlich durch den Zwang, untereinander und mit privaten Anbietern in einen Wettbewerb zu treten. Der wird, das ist mittlerweile hinlänglich bekannt, auf dem Rücken der Mitarbeitenden und ihrer Löhne ausgetragen. Es wird immer schwieriger, in diesem Kostenwettbewerb die spezifische Qualität der unterschiedlichen Angebote auszubilden. Dies führt zugleich dazu, dass die Wohlfahrtsverbände – zusammengeschlossen in der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (LAG FW) – einander nicht mehr nur als Wettbewerber mit unterschiedlichen Qualitätsangeboten, sondern als Konkurrenten um Marktanteile und zunehmend auch um Fachpersonal begegnen. Ihre bislang bewährte Einigkeit trotz der bejahten Unterschiedlichkeit wird zunehmend brüchig – zur „klammheimlichen“ Freude von öffentlichen Kostenträgern und Kassen. Die Orientierung am wirtschaftlichen Erfolg ist jedoch in Fragen der Sozialpolitik eine inhumane Sackgasse. Wo es nur um Geld und Profit geht, wird niemand an Leib und Seele gesund, arbeitsfähig oder in Würde gepflegt. Zusammen mit der Caritas verstärken wir unsere Aktivitäten, die Unterschiede in unserer Gesellschaft öffentlich zu machen, Benachteiligungen anzuprangern und Verbesserungen für Ausgegrenzte zu erreichen. Das reicht von der Solidaritätstafel in Hannovers Georgstraße über eine Sozialcharta für Niedersachsen, die zur Bundestagswahl erscheint, bis hin zu den vielfältigen Initiativen in Gemeinden und Kirchenkreisen, die durch die Initiative Zukunft(s)gestalten unterstützt werden. „Mit Unterschieden leben“ entscheidet sich letztlich daran, ob wir diese Unterschiede wahrnehmen und gelten lassen. Das kostet Geld. Aber das Geld soll für Menschen und nicht für Profite eingesetzt werden. Hier muss Politik umsteuern und die Gesellschaft neu denken lernen – zur Not auch durch eine neue Konjunktur von Fremdworten wie Subsidiarität und gemeinnützigen Wohlfahrtsverbänden. 10 Diakonie 2013 Profil, Positionen, Perspektiven Zum Beispiel: Neue Sozialpartnerschaften Unsere industrialisierte, computerisierte, globalisierte (und was der Bezeichnungen mehr sind) deutsche Gesellschaft hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten nicht nur funktional immer weiter ausdifferenziert. An vielen Stellen werden Brüche sichtbar: Brüche zwischen Armen und Reichen, zwischen Hoch- beziehungsweise Höchstqualifizierten und Bildungsfernen, zwischen Landbevölkerung und zunehmender Verstädterung, zwischen Einheimischen und Zugewanderten. Damit werden zwei Fragen dringlicher: Wie kann und wird unsere Gesellschaft diese Unterschiede noch ertragen? Wo finden die gesellschaftlichen Gruppen noch zueinander und nehmen einander wahr und ernst? Was wird die gemeinsame Basis unseres Gemeinwesens sein? Immer mehr Menschen spüren: Geld kann man nicht essen. Anders gesagt: Wir müssen uns jenseits der ökonomischen Gesetze in neuer Weise miteinander verbünden – über die bislang trennenden Unterschiede hinweg. Das setzt voraus, das man die eigenen Anliegen und Traditionen kennt und benennt – und zugleich offen ist für die Anliegen und Traditionen anderer gesellschaftlicher Gruppen. Dem stehen zwei Megatrends gegenüber: Die Traditionsvergessenheit auf der einen Seite geht mit der Forderung nach einer vermeintlichen Neutralität auf der anderen Seite einher. Beides führt nicht dazu, dass man sich wirklich miteinander befasst. Man muss sich selbst und das Gegenüber kennen, um Gemeinsames zu identifizieren, um „mit Unterschieden zu leben“. Kirche und Diakonie konnten es sich lange leisten, gesellschaftliche Prozesse aus einer Position der allgemeinen Akzeptanz und damit der Stärke heraus mitzugestalten. Das hat sich geändert und ist keineswegs nur zu unserem Nachteil. Unterschiede sind immer auch ein Reichtum – nicht zuletzt deshalb, weil sie einen selbst und den eigenen Lebensentwurf in Frage stellen. So haben wir uns in der Diakonie in Niedersachsen auf den Weg gemacht, gemeinsam mit den Gewerkschaften eine Möglichkeit neuer Sozialpartnerschaft zu suchen und zu finden. Einfach ist das nicht. Zu lange hat man auf beiden Seiten auf eingehendere Kontakte und Wahrnehmung verzichtet. Auch hier zeigt sich, dass es sich nicht von selbst versteht, „mit Unterschieden zu leben“. Dazu bedarf es, wie bei jedem Inklusionsprojekt, klarer Impulse und Aufforderungen. Wir setzen uns dafür ein, gemeinsam zu „kirchengemäßen Tarifverträgen“ zu kommen. Schon dieser Begriff zeigt die Diakonie 2013 Profil, Positionen, Perspektiven spannungsvolle Einheit im gemeinsam verantworteten Umgang mit Unterschieden. Tarifverträge, die wir in Kirche und Diakonie, zumindest in Niedersachsen, nicht kannten, sollen kirchengemäß sein, was wiederum für die Gewerkschaften Neuland ist. Wenn es am Ende gelingt, auf diesem Weg auch noch zu einem „Tarifvertag Soziales“ zu kommen, haben alle gewonnen: die Gewerkschaften und die Einrichtungen von Diakonie und anderen Verbänden mit ihren Mitarbeitenden, besonders aber die Menschen, für die wir in den Wohlfahrtsverbänden da sind. Neue Sozialpartnerschaften, wenn auch rechtlich gesehen anderer Natur, zeigen sich zunehmend auch in Kirchengemeinden und Kirchenkreisen. In komplexer werdenden gesellschaftlichen Konstellationen und bei zunehmender Individualisierung kann eine Einrichtung oder Initiative allein weit weniger bewirken, als wenn sie sich mit anderen zusammenschließen. So sind Tafeln und Sozialkaufhäuser entstanden, die weit über die Grenzen einer Kirchengemeinde hinaus Menschen zur Mitarbeit anziehen. Mitarbeitende aus der Kommunalverwaltung, aus Vereinen und Diakonischen Werken haben ihre Kompetenzen miteinander verknüpft, um Projekte wie Schularbeitenhilfe oder Patenschaften für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz zu initiieren. 11 Aus einem „mit Unterschieden nebeneinander her leben“ wird ein „mit Unterschieden gemeinsam handeln“. Nicht immer ist das – wie gern und reichlich oberflächlich behauptet wird – verbunden mit der Erfahrung, dass Unterschiede bereichern. Oft sind Unterschiede auch belastend und schwer erträglich. Das haben Inklusionsbemühungen mit „Toleranz“, dem Thema des EKD-Lutherjahres 2013 – (von lat. tolerare: daran leiden, dass der andere nicht meiner Meinung ist) gemeinsam. Dennoch sind gerade die Versuche, „mit Unterschieden zu leben“ verheißungsvoll und gelingen oft. Am Anfang jeden Gottesdienstes sagte der Pastor immer: „Tief in uns wurzelt eine Sehnsucht … “ und sagte dann: „ … dass Frieden sei.“ Dieser Perspektive bleiben wir verpflichtet. Gern, fröhlich und kreativ – und auch erfolgreich, wie die Berichte dieses Heftes belegen. Dr. Christoph Künkel ist Direktor des Diakonischen Werkes der Landeskirche Hannovers 12 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft 13 Zwischenruf: Höchste Zeit, umzusteuern! „Für Behinderte sind Fachleute zuständig“, so meinen viele Christinnen und Christen. Deshalb gebe es ja viele große Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen – zwar ohne ihre Angehörigen, aber dafür mit Fachleuten. Doch: Wie kann ein Mensch in einer Sondereinrichtung lernen, an der Gesellschaft teilzuhaben, ja aktiv mitzuwirken? Ich spreche nicht davon, dass Menschen mit Behinderungen „dabei sein“ dürfen, zum Beispiel im Konfirmandenunterricht oder als Mitglied des gemeindlichen Leitungsgremiums. Ich spreche von aktiver Mitgestaltung und Verantwortung. Von Teilhabe, Inklusion. Nicht länger von „Behindertenhilfe“. Das ist eine Frage von Menschenrechten. Die sind unverbrüchlich und gelten universal. „Als Menschenrechte lassen sich ganz allgemein jene Rechte definieren, die unserer Natur eigen sind und ohne die wir als menschliche Wesen nicht existieren können. Die Menschenrechte und die grundlegenden Freiheiten erlauben uns, unsere menschlichen Eigenschaften, unsere Intelligenz, unsere Begabungen und unser moralisches Bewusstsein voll zu entwickeln und zu gebrauchen und unsere geistigen und sonstigen Bedürfnisse zu befriedigen“, führen die Vereinten Nationen aus. Zu diesen Bedürfnissen gehört neben dem nackten Überleben und der Unversehrtheit der Person auch die gesellschaftliche Teilhabe – für alle Menschen in allen Lebenssituationen. Wer da ist, gehört dazu. Unrecht ist es, einer Person oder Personengruppe Menschenrechte zu entziehen. Auch klar. Das „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ ist ein sehr konkretes internationales Dokument. Diese „UN-Behindertenrechtskonvention“ hat in Deutschland Gesetzeskraft. Das möchte ich sehen, dass gesetzliche Rechte – zum Beispiel über Urlaubsregelungen oder die Rente oder das Hochschulwesen – für ganze Menschengruppen in Frage gestellt werden. Wir würden uns zu Recht energisch wehren. Es ist Zeit, die Gesetze für und mit behinderten Frauen, Männern und Kindern vollständig umzusetzen. In Deutschland und vielen anderen Ländern haben Kirchen Anteil daran, dass Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen beschnitten wurden und werden, indem sie systematisch in Sondereinrichtungen ausgegliedert werden: Besondere Wohnstätten, besondere Werkstätten, besondere Schulen, oft diakonisch getragen, an besonderen Orten. Barrierefreiheit, Wohnen, Lernen, Arbeiten, Partnerschaft, Gesundheit – all diese Lebensfelder haben für Menschen mit Behinderungen zu oft ausgrenzende Strukturen, mit denen die Mehrheitsgesellschaft sich aus vielen Gründen arrangiert. Es ist Zeit, diese Aussonderung komplett zu beenden! Das geht nicht einfach mit einer Ansage, zum Beispiel an Lehrkräfte an Regelschulen oder Erzieherinnen in Kindertagesstätten: „Ihr seid jetzt einfach für alle da!“ Nein, für die Förderung behinderter Kinder und Jugendlicher sind Team-Unterricht, gute Fortbildungen und angepasste Gruppengrößen nötig. Also Menschen, die fachlich fit und bezahlt arbeiten können – für behinderte Menschen wie für nicht behinderte gleichermaßen. 14 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Wir sparen viel Geld, indem wir umverteilen: weg von Sondereinrichtungen hin zu einer Gesellschaft für alle. Und es ist nötig, über Geld zu sprechen. Auch über kirchliches Geld. Damit auch behinderte Menschen dazu gehören und ihre Familien nicht länger alleingelassen sind und vor der schmerzlichen Entscheidung stehen: Angemessene, gesicherte Förderung oder soziale Teilhabe. Ja, das ist zuerst anstrengend und kostet Geld. Wir sparen aber auch viel Geld, indem wir umverteilen: weg von Sondereinrichtungen hin zu einer Gesellschaft für alle. Wir müssen also institutionskritisch fragen, ob wir an den richtigen Stellen Geld ausgeben. Mitwirkung, Inklusion wird nicht durch Aussonderung gefördert, sondern durch Teilhabe. Hier hinken wir der gesetzlichen Wirklichkeit stark nach. Handeln auseinander. Ich meine, Kirche und Diakonie müssen mit aller Kraft umsteuern! Gemeinden müssen sich öffnen für Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen. Ihre krassen Erfahrungsdefizite überwinden: „Wir haben hier doch gar keine Behinderten!“ So kann nur denken, wer nicht hinsehen will. Gemeinden müssen Eingänge umbauen. Zeiten anpassen. Müssen rausgehen aus ihren eigenen vier Kirchenwänden. Und sich der Lebenswirklichkeit behinderter Menschen stellen. Kirchen in Norwegen, den Niederlanden oder in Texas zeigen, dass das zuerst schwer ist, aber auch, wie es geht und richtig gut für alle wird. So werden wir überrascht feststellen: Menschen jeder Lebenslage können einander zu Botinnen und Boten der Liebe Gottes werden. Alle Menschen. Es ist billig, von der Gotteskindschaft jedes Menschen zu sprechen, wenn nicht gleichzeitig die Teilhaberechte für alle Menschen verwirklicht werden. Sonst klaffen Reden und Prof. Dr. Hanna Löhmannsröben ist Superintendentin im Kirchenkreis Wolfsburg-Wittingen und war bis 2012 Professorin für Heilpädagogik im Studiengang Soziale Arbeit an der Evangelischen Fachhochschule Berlin Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft 15 Zwischenruf: Inklusion, ja aber … Der Begriff „Inklusion“ ist unmittelbar mit der UN-Behindertenrechtskonvention verknüpft, auch wenn er in der offiziellen deutschen Übersetzung der Bundesregierung gar nicht auftaucht. In der Übersetzung wird weiterhin der Begriff Integration genutzt. Lediglich eine inzwischen weit verbreitete und anerkannte Schattenübersetzung manifestierte diesen Begriff auch in der politischen Landschaft. Heute ist das Schlagwort Inklusion auch in der Politik und öffentlichen Diskussion angekommen. Inhaltlich und praktisch bleibt Inklusion ein heißes Eisen, an dem sich niemand die Hände verbrennen möchte. Einerseits stellt sich vielen Großeinrichtungen und Verbänden die Frage danach, wie weit sie sich jetzt aus dem Fenster hängen: Entwickeln sie Inklusion als neue Gesamtstrategie ihres Arbeitens oder handelt es sich nur um ein gerade populäres Konzept, dass als nicht umsetzbar in kurzer Zeit wieder von der nächsten Idee abgelöst wird? Auf der anderen Seite möchte natürlich niemand als „Inklusionsgegner“ dastehen. Denn gegen eine gerechte Beteiligung aller Menschen am Leben kann man nichts sagen. Mal angenommen, es hätten sich alle darauf geeinigt, unter Inklusion Teilhabe zu verstehen, entstehen weitere Fragen: Wem nützt Inklusion eigentlich? Was ist ihr Preis? Welche Chancen stehen welchen Risiken gegenüber? Das sind Fragen, die wir nur beantworten können, wenn wir uns noch einmal ernsthaft mit unserer eigenen Haltung auseinandergesetzt haben. Wie ist meine Position im Spannungsfeld zwischen Fürsorge und Selbstbestimmung? Hat jeder ein volles Recht auf Selbstbestimmung, oder gibt es Grenzen, die die Selbstbestimmung eingeschränken müssen – bei Menschen, die sich beispielsweise nicht allein mit gesunden Lebensmitteln versorgen können, oder bei der Aufnahme von Kindern mit ADHS in Klassen mit nur einer Lehrkraft ohne Zusatzausbildung? Was bedeutet der Paradigmenwechsel für mich in meiner eigenen Lebenssituation? Menschen mit Behinderungen bilden die Gruppe, an der Inklusion als gesamtgesellschaftliches und politisches Thema im Moment festgemacht wird. Gleichzeitig wird schon zu diesem Zeitpunkt sehr deutlich, dass die Auseinandersetzung mit Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen auch anderen zu Gute kommt. Inklusion umzusetzen wird nicht leicht. Das Beispiel des Niedersächsischen Inklusionsgesetzes, das zum 1. August dieses Jahres die inklusive Schule eingeführt hat, zeigt das sehr deutlich: Hier geht es nicht nur um die Einbindung von Menschen mit Behinderungen in das bestehende Schulsystem, sondern es ist vielmehr ein Infragestellen des bestehenden Bildungssystems insgesamt. Das tut weh, erfordert Aufwand. Dennoch: Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die die große Chance in sich birgt, gemeinsam daran zu arbeiten, wie wir in Zukunft miteinander leben wollen. Ralph Büsing ist Dozent für Auszubildende in der Heilerziehungspflege mit inklusivem Schwerpunkt am Annastift Berufsbildungswerk 16 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Mitten drin Tagesförderstätte in lebendiger Nachbarschaft Mitte März 2013 wurde im hannoverschen Stadtteil List Eröffnung gefeiert. Die Tagesförderstätte der Annastift Leben und Lernen gGmbH für Menschen mit wesentlicher Behinderung stellte sich offiziell der Öffentlichkeit vor. Mittlerweile ist die neue Einrichtung bestens in die Nachbarschaft integriert. Gute Stimmung im Kreativbereich der Tagesförderstätte Zur Eröffnungsfeier kamen viele, die schon einmal vorher hereingeschaut hatten: Nachbarn, Freunde und Angehörige, der Pastor der nahen Kirchengemeinde, Geschäftsleute, Stadtteilpolitiker und sogar der Bürgermeister. Sie freuten sich über die schönen hellen Räume, in denen zuvor ein eher verwinkelter Drogeriemarkt seine Waren angeboten hatte. Besonders angetan waren die Besucherinnen und Besucher aber von der offenen Atmosphäre im neuen „Zentrum für Arbeit, Bildung und Teilhabe“ – davon zeugen etliche Eintragungen in das Gästebuch. Großes Lob für die Initiative des Annastiftes, mit einer Tagesförderstätte für Menschen mit Behinderung in einen lebendigen Stadtteil zu gehen, kam von Bürgermeister Bernd Strauch. Alle Menschen, jung, alt oder mit Behinderungen, gehörten zur Stadtgesellschaft, betonte der Bürgermeister und lobte: „Ich freue mich wirklich riesig, dass diese Tagesförderstätte entstanden ist und vielleicht auch zum Vorbild für andere wird!“ In der „Tafö“ ist aber nicht nur an Feiertagen gute Stimmung. Auch wer die Einrichtung an einem Werktag besucht, kann erleben, dass das Konzept aufgeht. Selbstverständlich ist das ehemalige Ladengeschäft komplett barrierefrei und rollstuhlgerecht. Eine große Rampe, die von vorbeikommenden Kindern gerne für Übungen mit Skateboard und Roller benutzt wird, führt von der Straße in den großzügigen Eingangsbereich. Alle Räume sind in warmen Gelbtönen gehalten, große Fenster zur Straße und zur begrünten Terrasse lassen viel Licht hinein. Der Besucher wird freundlich begrüßt, zum Beispiel von Sabrina Schmidt. Die 24-Jährige gehört zu den knapp 20 Beschäftigten der Tafö und ist dort unter anderem für die Erfassung von Kundenaufträgen zuständig. Seit ihrer Geburt querschnittsgelähmt, bedient sie den Computer mit einer Mundspange und legt dort Listen an. Auch wenn die Tafö kein Geschäft ist und keine Gewinne erwirtschaften muss – gearbeitet wird hier schon. Dienstleistungen wie die Digitalisierung von Fotos und Schallplatten sowie Büroarbeiten gehören dazu. In einer Kreativwerkstatt werden Dekogegenstände hergestellt und zum Kauf angeboten. „Wir betreten mit diesem Projekt Neuland“, erklärte Dr. Ulrich Spielmann, Geschäftsführer der Annastift Leben und Lernen gGmbH, bei der Eröffnung. „Wir wollen hier deutlich mehr als Beschäftigung bieten. Wir wollen ein Teilhabe-Zentrum im Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft 17 Maher Badaoui (rechts) digitalisiert Schallplatten im Kundenauftrag Stadtteil sein.“ Dass das zu gelingen scheint, dafür sprechen sowohl das große Interesse der Nachbarschaft als auch die Begeisterung der Beschäftigten für den neuen Standort. Die meisten der Beschäftigten, die im Laufe des Frühjahres zur „Tafö“ kamen, arbeiteten vorher in der Tagesförderstätte des Annastiftes in Mittelfeld, einem ruhigeren Stadtteil am Rande Hannovers. „Die Beschäftigten waren hier zunächst auf Probe,“ erklärt die Fachgruppen-Leiterin der Tafö, Andrea Breitling, „aber alle haben mittlerweile gesagt, dass sie bleiben möchten.“ Auch Bärbel S. gehört zu denen, die „umgezogen“ sind. Sie hat einen Schlaganfall erlitten, lebt in ihrer eigenen Wohnung in der List und freut sich, dass sie nun einen kürzeren Weg hat. Für Maher Badaoui gibt es noch einen anderen Grund, warum er sich für die Einrichtung in Zentrumsnähe entschieden hat: „Hier ist einfach mehr los!“ sagt der 25-Jährige, der die Mittagspause der Tafö gerne nutzt, um mit seinem Rolli die Läden in der Umgebung anzufahren. Er lebt in einer Wohngruppe des Annastiftes in Mittelfeld und kommt bei gutem Wetter selbstständig mit der Stadtbahn in die List. Andrea Breitling ist besonders begeistert von der Resonanz im Stadtteil: „Ich habe anfangs gedacht, ich müsste sehr viel tun, damit uns Menschen aus dem Stadtteil besuchen,“ berichtet sie, „aber sie sind von Beginn an von selber gekommen!“ Regelmäßige Kunden und sogar einige Ehrenamtliche, die sich in der Tafö engagieren wollen, habe man schnell gewinnen können. Das Nachbarschaftscafé, das einmal monatlich stattfindet, wird ebenfalls bestens angenommen. Und auch die Politik zeigt Engagement: Bei einer Stadtteilbegehung mit Beschäftigten, Mitarbeitenden und Vertretern des Bezirksrates stand im Mittelpunkt, an welchen Stellen etwa noch Bordsteinkanten abgesenkt werden müssen, damit sich die Beschäftigten der Tafö ungehindert in der Umgebung bewegen können. Eine gute Voraussetzung für echte Teilhabe. Ines Goetsch ist freie Journalistin und Mitarbeiterin in der Öffentlichkeitsarbeit des Diakonischen Werkes der Landeskirche Hannovers 18 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft „Ich bin entscheidend”1 Selbstbestimmt leben Recht auf selbstbestimmtes Leben Inklusion, Selbstbestimmung und gesellschaftliche Teilhabe prägen die Diskussionen in der Behindertenhilfe seit den neunziger Jahren und zunehmend auch in anderen Hilfefeldern, zum Beispiel der Altenpflege. Deutlich wird, dass Hilfen immer stärker aus der Nutzersicht zu beurteilen sind. Selbstbestimmung und Selbsttätigkeit sind leitende Ziele in der Behindertenpädagogik und der Pflege. Ein selbstbestimmtes Leben ist durch fünf Lebensbereiche charakterisiert: Befriedigung von Grundbedürfnissen Unabhängigkeit im Fühlen und Denken Selbstakzeptanz und Selbstvertretung Gleichwertigkeit in den Begegnungen Kontrolle über das eigene Leben Speziell in den beiden Lebensbereichen „Gleichwertigkeit in den Begegnungen“ und „Kontrolle über das eigene Leben“ sind die freie Wahl des Wohnumfeldes, des Arbeitsplatzes, die Teilnahme am öffentlichen Leben, Wahl der Begleitpersonen, Regelung der eigenen Angelegenheiten und andere für die Arbeit mit Menschen mit Behinderung und Pflegebedürftigen von maßgeblicher Bedeutung für die Autonomie der auf Assistenz angewiesenen Personen. Durch das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung und das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) wurden die Rechte auf Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung deutlich gestärkt. Das Grundgesetz schützt die freie Entfaltung der Persönlichkeit unbeeinflusst von den geistigen oder körperlichen Fähigkeiten des Einzelnen; dies gilt zum Beispiel auch für Menschen mit hohem Pflegebedarf. Vor diesem Hintergrund hat die Debatte um die Wahl des Wohnortes und damit verbunden auch über die Art der Hilfen deutlich an Dynamik gewonnen. Im Bereich der Behindertenhilfe sei hier beispielhaft die Umwandlung von stationären Angeboten in ambulante Betreuungsformen genannt. Im Bereich der Altenpflege hat das Pflegeneuausrichtungsgesetz spezielle Fördermöglichkeiten für neue Wohnformen wie zum Beispiel Pflegewohngemeinschaften eröffnet. Das geplante Bundesteilhabegesetz sieht weitere Schritte vor, um das Recht auf Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung zu stärken. Mit diesen Entwicklungen sind die Träger von Einrichtungen und Diensten der Diakonie deutlich herausgefordert und reagieren mit vielfältigen neuen und veränderten Angeboten. Dabei ergeben sich zum Teil jedoch unerwartete Problemstellungen: Auch wenn Politik und Öffentlichkeit ohne Widerspruch die Entwicklung nach Verwirklichung von Selbstbestimmung und Selbstständigkeit in der Behindertenhilfe und Altenpflege einfordern, tun sie sich doch in der konkreten Umsetzung schwer damit. Motto des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung für Menschen mit Behinderung 1 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Beispiele dafür gibt es genügend: Seit fast sechs Jahren wird über die rechtlichen Voraussetzungen zur Gründung von Pflegewohngemeinschaften gestritten, ohne das bis heute eine rechtssichere Lösung im niedersächsischen Heimrecht verabschiedet worden ist. Bis zum Einschreiten der neuen Sozialministerin Rundt gab es nach Auskunft des niedersächsischen Sozialministeriums nicht einmal einen Änderungsbedarf im aktuellen Heimrecht. In der Praxis bedeutet das, dass in Niedersachsen in den vergangenen Jahren kaum Pflegewohngemeinschaften neu gegründet worden sind und schon bestehende um ihren Bestand fürchten müssen. Die lange überfällige Gesetzesänderung soll nun spätestens 2014 erfolgen. Streit um Kostenvorbehalt Ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 18. Mai 2011 hat Ansprüche eines Menschen mit Behinderung gegenüber der Krankenversicherung zur Kostenübernahme eines Sportrollstuhles, um im Sportverein aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, abgewiesen: „Zudem kann aus den 19 Regelungen der UN-Konvention kein subjektiv-öffentliches Recht des Einzelnen abgeleitet werden, ein konkretes und der persönlichen Mobilität dienendes Hilfsmittel von einem bestimmten Leistungsträger verlangen zu können“ (BSG Urteil vom 18. Mai 2011). Sollte sich diese Rechtsauffassung durchsetzten, besteht auch Grund zur Annahme, dass der Kostenvorbehalt gemäß Paragraph 13 SGB XII Bestand hat, nach dem ambulante Leistungen nicht finanziert werden, wenn „eine Leistung für eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar und eine ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist.“ Dieser Vorbehalt benachteiligt die Menschen mit hohem Hilfebedarf gegenüber Menschen mit geringerer Behinderung bei der Selbstbestimmung ihres Lebensmittelpunktes. Als reinen Zynismus müssen wohl Äußerungen von kommunalen Kostenträgern beurteilt werden, die die Wahlfreiheit von Soziallleistungen betonen: Niemand wäre zu einem Heimaufenthalt gezwungen. Die Annahme der Sozialleistung ist freiwillig. Somit könne der Wohnort weiterhin frei gewählt werden. Die Diakonie fordert deshalb ausdrücklich, den Kostenvorbehalt gemäß Paragraph 13 SGB XII zu streichen. 20 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Budgetierung birgt Gefahren Kritisch zu hinterfragen ist auch die in den Vorschlägen der Arbeits- und Sozialministerkonferenz zum Bundesteilhabegeld deutlich erkennbare Ausrichtung einer Hilfe im Sinne einer Wettbewerbsorientierung, verbunden mit einer deutlichen Kontroll- und Wirkungsorientierung. Der Dienstleistungscharakter von Hilfeleistungen stärkt auf den ersten Blick den Nutzer der Hilfen. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Dienstleistungscharakter sozialer Hilfen findet deshalb kaum statt. Dienstleistungen sind aber nicht per se nutzerfreundlich und schon gar nicht bedarfsdeckend. Die Idee der Kostenträger auf den Nenner gebracht lautet: „Die Nutzer der Hilfe kaufen zukünftig die Hilfe selber ein. Das Budget für die Dienstleistung wird aber unabhängig vom Bedarf festgelegt.“ Anschließend wird sehr genau geprüft, ob die Ausgaben auch zweckentsprechend getätigt wurden. Offen oder zumindest unterschwellig wird unterstellt, dass die Einrichtungen und Dienste Ressourcen verschwenden oder nicht wirtschaftlich arbeiten. Durch eine effizientere Kontrolle soll im Sinne der Nutzer mehr Wirtschaftlichkeit in der Hilfe erzielt werden. Dies mag für einen Teil der Nutzer von sozialen Dienstleistungen auch zutreffen, speziell wenn die Zahlung von „persönlichen Budgets“ mit Anreizen für die Nutzer verbunden ist. Für Menschen in Krisen, mit komplexem oder hohem Hilfebedarf wird der Einkauf von zum Teil existenznotwendigen Hilfen aber zu erheblichen Problemen und Einbußen an Hilfeleistung führen. Die Leistungsempfänger sollen mehr, die Leistungserbringer weniger über das bestimmen, was an Hilfe erbracht wird. Das kann Selbstbestimmung befördern, darf aber nicht zur Privatisierung von Problemlagen und damit verbunden den Rückzug institutioneller und gesellschaftlicher Verantwortung führen. Selbstbestimmung und Selbstständigkeit zu ermöglichen bedeutet nicht den Verzicht auf professionelle Hilfen. Autonomie bedeutet nicht, auf notwendige Assistenz und Unterstützung zu verzichten, möglicherweise aus falsch verstandener Scham. Fatal wäre der Gedanke: „Wenn ich Hilfe annehme, fehlt es mir an Autonomie.“ Die Träger von Einrichtungen und Diensten sind gefordert, gegen den unterschwelligen Vorwurf von „Sozialarbeit und Pflege sind Ausdruck von Fremdbestimmtheit“ anzugehen. Denn das Gegenteil ist richtig: Professionelle Hilfen mit ausreichenden Ressourcen, die genügend Personal, Material und Gebäude beinhalten, sind die Grundvoraussetzung, damit Menschen mit Behinderung und Pflegebedürftige solange wie möglich selbstbestimmt und selbsttätig leben können. Für die Diakonie bleibt neben aller Notwendigkeit, Hilfen wirtschaftlich und transparent zu erbringen, das wichtigste Ziel, den Menschen die Hilfe zukommen zu lassen, die im Einzelfall notwendig ist, um in den oben genannten Lebensbereichen Selbstständigkeit und Selbsttätigkeit zu ermöglichen. Und zwar unabhängig von der Schwere der Behinderung oder dem Alter. Jörg Reuter-Radatz ist Bereichsleiter für Gesundheit, Pflege und Rehabilitation im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft 21 Junge Pflege Das Katharina-von-Bora-Haus in Osnabrück Wer durch einen Unfall oder schwere Krankheit in jüngeren Jahren schwer pflegebedürftig wird, musste bisher oft in eine Altenhilfeeinrichtung ziehen. Das bedeutet, sich in einem Umfeld wiederzufinden, in dem fast alle Menschen über 80 Jahre alt sind und die Versorgung und Betreuung der Pflegebedürftigen somit auf diesen Kreis zugeschnitten ist. Da oft ein hoher Anteil der Bewohner demenzerkrankt ist, fallen viele Mitbewohner zudem als Gesprächspartner aus. Für junge pflegebedürftige Menschen, die eine lange Lebensspanne in einer Einrichtung verbringen müssen und nur eine geringe bis gar keine geistige Einschränkung haben, ist auch der Wechsel in der Bewohnerschaft durch Versterben eine starke Belastung. Für junge Pflegebedürftige bietet deswegen das Katharina-von-Bora-Haus in Osnabrück eine eigene Wohngruppe an. Mit dem Wechsel in die Trägerschaft des Diakoniewerks Osnabrück im Jahr 2009 stand fest, dass das Katharina-von-BoraHaus nach vierzigjährigem Bestehen eine grundlegende Sanierung erhalten würde. Zu diesem Zeitpunkt waren in den verschiedenen Altenhilfeeinrichtungen des Diakoniewerkes schon etliche jüngere Menschen mit Pflegebedarf untergebracht und es war der Wunsch entstanden, für diesen Personenkreis eine eigene Wohngemeinschaft zu gründen. Im neuen Anbau des Katharina-von-Bora-Haus ergab sich die Möglichkeit, konkret für diese Gruppe zu planen. Entstanden ist eine Wohneinheit für 18 Menschen mit 16 Einzelzimmern und einem Doppelzimmer. Selbstbestimmtheit, Selbständigkeit und Beteiligung sind die Leitlinien, anhand derer das Konzept für diesen Bereich entwickelt wurde. Das bedeutet für die bauliche Gestaltung, dass jeder Bewohner sein Zimmer frei einrichten kann: Es wird zwar hausseitig die Standardausstattung angeboten, der Bewohner kann aber von der Wandfarbe über die Gardine bis zur Möblierung sein Zimmer selbst ausgestalten. Herzstück der Wohngruppe ist die Wohnküche, die sich in der Mitte der Wohngruppe befindet: Hier bilden Küche, Esszimmer und Wohnzimmer in baulicher Einheit den Mittelpunkt des täglichen Lebens. Die barrierefreie Ausgestaltung der Küchenzeile macht allen die Hausarbeit leichter. Kaffeemaschine und Getränke sind immer erreichbar und jeder Bewohner hat sein Fach, um seine Lieblingstasse jederzeit in Reichweite zu haben. Auch Fernseher und Internetanschlüsse gehören zur Ausstattung. Die zwei großen Balkone werden so intensiv wie die Wohnküche genutzt. Die eigentliche Besonderheit und zugleich Herausforderung im Bereich der Jungen Pflege ist die Ausgestaltung der Pflege, Betreuung und Unterstützung im täglichen Leben. Von Bewohnern und Mitarbeitenden gewünscht ist eine weitgehende Autonomie der Wohngruppen-Bewohner: Aufstehen, Versorgt werden, Teilnahme an Gemeinschaft – alles soll stattfinden, wie es täglich passt. Mitsprache ist gewünscht von allen Beteiligten – Sofakissen ja oder nein, ein rauchfreier Balkon ja oder nein, und auch, wo der Ketchup zu stehen hat. Die Moderation des Gruppengeschehens ist so notwendig wie die Klärung von Grenzen und Möglichkeiten der Individualität in einer Wohngruppe. Die Rückmeldungen unserer Bewohner der Wohngruppe geben uns Recht: Sie sind froh, hier ein fröhliches und lebendiges Zuhause gefunden zu haben. Der Bedarf an anwesender Begleitung ist deutlich höher, als es die Pflegesätze vorsehen. Auch die Unterstützung bei der aktiven Teilnahme am öffentlichen und gesellschaftlichen Leben ist für junge Pflegebedürftige in einer höheren Intensität notwendig: Begleitung zu Open-Air-Konzerten oder zum Besuch bei der Familie sieht der Pflegesatz nicht vor. So ein hohes Maß an Kommunikation und Betreuung ist mit den Finanzierungsmöglichkeiten der Pflegeversicherung nicht zu leisten. Es wird nur mit zusätzlichen Leistungen der Eingliederungshilfe möglich sein, dieses Angebot dauerhaft zu gewährleisten. Sabine Weber ist Geschäftsführerin im Diakoniewerk Osnabrück gGmbH 22 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Wohnen kann man lernen Ambulant unterstütztes Wohnen in Osterode „Eigentlich hat mir das keiner zugetraut!“ Florian Mues lacht. „Und jetzt ziehe ich in meine eigene Wohnung!“ Florian ist 23. Er arbeitet in der Gruppe Gebäudetechnik der Harz-WeserWerkstätten in Osterode. Er fand, es sei an der Zeit, von zu Hause auszuziehen. Aber seine Eltern und andere Bekannte hatten Bedenken. Sie schlugen ihm vor, in eine Wohngruppe zu ziehen. „Das wollte ich aber nicht“, sagt Florian. „Ich will nicht nur ein eigenes Schlafzimmer haben, sondern auch eine Küche und ein Bad. Und in meinem Wohnzimmer will ich meine Ruhe haben.“ Da hörte er von der Möglichkeit des Probewohnens beim Ambulant Unterstützten Wohnen (AUW) in Osterode. Die Harz-Weser-Werkstätten haben eine kleine Einzimmerwohnung angemietet. Wer das selbstständige Wohnen ausprobieren möchte, kann sie für einige Wochen nutzen und wird vom AUW der Harz-Weser-Werkstätten unterstützt. Die Mitarbeiterinnen haben viel Erfahrung im Umgang mit jungen Leuten, die auf eigenen Füßen stehen wollen. Sabine Oppermann kümmerte sich zunächst intensiv um Florian, damit er Vertrauen zu ihr entwickeln und über alle Sorgen und Fragen mit ihr sprechen konnte. Schnell stellte sie fest, dass zwei Treffen in der Woche reichten. Darüber hinaus konnte Florian tagsüber beim AUW anrufen, wenn er ein Problem hatte: „Das habe ich zu Anfang oft gemacht“, gibt er zu. „Da ging die Balkontür nicht zu oder im Flur brannte das Licht nicht oder so, dann habe ich sie gefragt.“ So hat Florian in den zwölf Wochen, die er in der Probewohnung leben konnte, viel von dem gelernt, was man wissen muss, wenn man eine eigene Wohnung hat: wie man vernünftig einkauft und gesund kocht, wie man sauber macht und Ordnung hält, wie man Wäsche wäscht und Müll trennt und vieles mehr. Und siehe da: Wenn seine Eltern ihn besuchen, sehen Ich will nicht nur ein eigenes Schlafzimmer haben, sondern auch eine Küche und ein Bad. Und in meinem Wohnzimmer will ich meine Ruhe haben. Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft sie, dass er in der Lage ist, einen eigenen Haushalt zu führen. Florian ist ein geselliger Mensch. Da war es zu Anfang sehr ungewohnt, allein in einer Wohnung zu leben. Aber dann hat er angefangen, Kontakte aufzubauen. Und ansonsten beschäftigt er sich mit seinem PC, vielen DVDs und seiner Gitarre. Jetzt hat er eine Wohnung in der Osteroder Innenstadt gefunden, die ihm gefällt. Das ist auch in Osterode nicht so einfach. Viele Vermieter sind skeptisch, wenn sie hören, dass jemand eine Wohnung sucht, der Unterstützung benötigt. Zum anderen dürfen die Wohnungen einen bestimmten Mietpreis nicht übersteigen. Florian ist froh, dass es geklappt hat, und freut sich darauf, seine Wohnung nach seinen Vorstellungen einzurichten. Sabine Oppermann wird ihm dabei noch eine Weile mit Rat und Tat zur Seite stehen und ihn auch später regelmäßig unterstützen. 23 sicher sind, ob sie mit dem Alleinwohnen zurechtkommen. Manche stellen fest, dass ihnen das zu einsam ist, aber viele wechseln nach der Probezeit in eine eigene kleine Wohnung. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des AUW der Harz-WeserWerkstätten beraten und unterstützen ihre Klienten, die nach SGB IX oder SGB XII Anspruch auf solche Leistungen haben. Nicht nur, wenn der Auszug aus dem Elternhaus ansteht, sondern auch bei der Suche nach einer Tagesstruktur oder Arbeit, beim Verkehr mit Ämtern und Behörden, bei der Freizeitgestaltung, bei Arztbesuchen und Therapien und bei allerlei Alltagsproblemen. Art und Umfang der Unterstützung werden vorher genau abgesprochen und auf die Bedürfnisse des Einzelnen abgestimmt. Etwa 100 Menschen werden mittlerweile im Landkreis Osterode auf diese Weise in eigenen Wohnungen unterstützt und begleitet, damit sie leben können, wo und wie sie möchten. Wohnen kann man lernen! Die kleine möblierte Probewohnung kann dann vom nächsten Bewerber genutzt werden. Viele wollen ausprobieren, wie es ist, alleine zu leben, egal ob sie aus der Familie oder aus einer Wohnstätte kommen. Das Probewohnen ist nicht Voraussetzung, um Unterstützungsleistungen des AUW zu erhalten, erweist sich jedoch als sinnvoll bei Menschen, die sich nicht Ute Augat ist Referentin für Öffentlichkeitsarbeit in den Harz-Weser-Werkstätten Osterode 24 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Leichte Sprache Im eigenen Haus mit Inklusion anfangen Jetzt gibt es einen Beirat von Menschen mit Behinderung im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers Der Beirat im Bild von links nach rechts. In der hinteren Reihe: Jan Sanner, Andrea Strobel-Brunke, Sascha Jansen, Christine Voigt, Jasmin Graff und Ariane Severijnse. In der vorderen Reihe: Britta Lesemann und Inge Kruppa. „Nichts ohne uns über uns“ Das fordert das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Die Forderung richtet sich an die ganze Gesellschaft mit ihren Gemeinschaften und Einrichtungen. Das Diakonische Werk findet das richtig und gut. Jetzt stellt sich die Frage, wie wir selbst im Diakonischen Werk Inklusion leben können. Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft 25 Zum Beispiel: Zu den Aufgaben des Beirates gehören: Mit einem Beirat der Menschen mit Behinderung für die Arbeit in unserem Landes-Verband. Weil Inklusion bedeutet, dass alle Menschen dazu gehören. D ie Beratung und der Austausch mit den Mitarbeitenden im Bereich Behinderten-Hilfe. Dieser Beirat wurde nun in der Diakonie Hannover gegründet. Den Beirat wird erst einmal für drei Jahre geben. Der Beirat setzt sich zusammen aus: D er Beirat sammelt wichtige Themen, mit denen er sich genauer beschäftigen möchte. Die Satzung des Diakonischen Werkes und die Satzung des Fach-Verbands Diakonische Behinderten-Hilfe in Niedersachsen gibt es jetzt in Leichter Sprache. 4 Menschen mit Behinderung und ihren Assistenz-Personen, 1 Pädagogin oder einem Pädagogen, dem Bereichs-Leiter für Gesundheit, Rehabilitation und Pflege, der Referentin des Referates Behinderten-Hilfe im Diakonischen Werk. „Ich engagiere* mich im Beirat, damit ich anderen Menschen helfen kann. Jeder soll normal behandelt werden. Es sollte ein Gesetz geben zur Inklusion, an das sich alle halten müssen. Denn reden kann man viel.“ Das sagt Sascha Jansen, ein Mitglied im Beirat. *Engagieren bedeutet, sich freiwillig für eine Sache einsetzen. Jasmin Graff ist Referentin für Behindertenhilfe im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers Übersetzung: Andrea Strobel-Brunke, Büro für Leichte Sprache, Diakonie Himmelsthür Geprüft von: Helga Hinkelmann 26 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Dasein und nicht verlassen werden Auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Altenpflege mit Palliativ- und Hospizkultur Er sitzt mit großem Ernst vor seinem Breiteller. Den Löffel hält er fest in der Hand. Und dann beginnt der kleine Kerl zu essen. Man sieht es ihm an, dass er Hunger hat und dass es ihm schmeckt. Aber es ist mühselig, den Löffel richtig zu halten. Immer wieder rutscht der Brei vom Löffel, läuft ihm am Hals runter, kleckert auf sein Lätzchen. Und doch lässt er sich nicht beirren. Zu gut schmeckt der süße Brei. Eltern und Großeltern kennen diese Szene. Nicht immer können sie da zusehen. Sie korrigieren und helfen liebevoll, manchmal auch ein wenig ungeduldig. Welch ein Gegensatz zu einer ähnlichen Szene aus dem letzten Abschnitt unseres Lebens: Es fällt ihr schwer, den Löffel zu halten. Aber sie ist froh, noch am Tisch zu sitzen, den einen oder anderen Gesprächsfaden auffangen und selber noch etwas sagen zu können. Aber die Suppe wird immer mehr zum Problem. Die Hand zittert. Um ihren Teller bilden sich Flecken. Sie hat es doch gekonnt, hatte in feinen Lokalen gegessen, hatte es sich schmecken lassen. Von der Seite spürt sie den Blick der Nachbarin. Warum schafft die das mit ihren 95 Jahren noch? Und sie selber? Keiner hilft. Es ist auch keiner zum Helfen da. Wäre es nicht doch besser, auf dem Zimmer zu essen? Da wäre sie allein, keiner schaute zu. Aber da wäre sie wirklich allein. Jeden Mittag verstärkt sich das Gefühl der Beschämung und der Traurigkeit in ihr. Es ist ein schwerer Weg, den viele hochbetagte Menschen gehen müssen. Die körperlichen Kräfte schwinden, die Beweglichkeit des Geistes lässt nach, Krankheiten müssen ertragen werden. Was einmal an Frische und Lebendigkeit vorhanden war, weicht einem allmählichen Prozess des Zurückziehens und Abschiednehmens. Die Lebenswelt um sie herum verliert ihre Bedeutung, Begegnungen und Kontakte werden weniger. Noch bleiben die Erinnerungen an frühere Begegnungen. Aber sie entschwinden allmählich, entfernen sich wie im Nebel. Viele hochbetagte Menschen gehen diesen Weg, begleitet von ihren Angehörigen, oft aber auch allein. Aber irgendwann ist die Grenze erreicht. Es geht nicht mehr ohne Vollzeitpflege. Wenn sie nun in unsere Altenhilfeeinrichtungen kommen, gilt es, unsere alten und pflegebedürftigen Menschen in ihrer letzten Lebensphase so zu betreuen, dass sie geborgen leben und getröstet sterben können. Der Ruf des sterbenden Menschen: „Verlass mich nicht, wenn ich schwach werde“ (Psalm 71,9) wird gehört von Angehörigen, Pflegenden, Ärztinnen und Ärzten, Seelsorgerinnen und Seelsorgern und von den Leitungen unserer Heime. Unsere Einrichtungen leisten intensive Pflege, und alle Mitarbeitenden stellen ihre berufliche Profession in den Dienst an alten Menschen. Wenn die Vitalkräfte nachlassen, wenn Körper und Geist schwach werden, braucht der hochbetagte Mensch die Nähe von Menschen, die ihm Geborgenheit geben. Dasein und nicht verlassen werden ist ein hoher Anspruch an alle Pflegenden. Unsere Aufgabe ist es, den zu betreuenden Menschen wie mit einem Mantel zu bergen, zu schützen und zu trösten. Wir sehen in der palliativen Begleitung von alten, kranken und sterbenden Menschen in stationären Alteneinrichtungen eine große Herausforderung für die Gesellschaft. Denn immer Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft 27 mehr Menschen verbringen ihre letzte Lebenszeit in Alteneinrichtungen und sterben dort. Unsere Pflegeheime entwickeln sich zu Hospizen, zu Orten intensiver Pflege und zu Sterbeorten, in denen alte Menschen in Würde und guter Begleitung sterben dürfen. in stationären Alteneinrichtungen begonnen und soll in weiteren Regionen der Landeskirche etabliert werden. Neun Einrichtungen mit 20 Teilnehmenden waren bisher beteiligt. Sie werden durch den Deutschen Evangelischen Verband für Altenarbeit und Pflege e. V. (DEVAP) zertifiziert. Darum ist es eines der vorrangigen Ziele der nächsten Jahre, eine zukunftsfähige Altenpflege mit dieser Abschiedsperspektive zu entwickeln. In unserer Hospiz- und Palliativarbeit setzen wir hier Schwerpunkte, um die Implementierung von Palliativkompetenz und Hospizkultur in Pflegeeinrichtungen zu stärken. Besondere Bedeutung kommt dabei den Pflegenden zu. Es gilt dafür zu sorgen, dass sie Zeit haben für Zuwendung in der Pflege, sich fortbilden können, Entlastung durch begleitende Gespräche bekommen und Wertschätzung aus Kirche, Gesellschaft und Politik erfahren. Aus diesem Grund wollen das Diakonische Werk und die Landeskirche in einem gemeinsamen Projekt Das Ziel, dem alten Menschen in seiner letzten Lebensphase bestmögliche Lebensqualität zu erhalten, lässt sich mit dem ganzheitlichen Konzept der palliativen Begleitung realisieren. Es berücksichtigt neben der Linderung von Schmerzen und anderen qualvollen Symptomen auch psychische, soziale, spirituelle, ethische und rechtliche Aspekte der Begleitung. Weitere Basisfortbildungen sind landesweit in diesem und in den nächsten Jahren vorgesehen. d ie Qualifikation der Mitarbeitenden stärken durch Basisfortbildungen für Pflegeteams in palliativer Begleitung, d ie Vernetzung zu Hospiz- und Palliativgruppen und deren Ehrenamtlichen fördern, d ie Einbindung von Ehrenamtlichen und die Stärkung der Seelsorge ausbauen. Das Projekt hat in Göttingen mit einer 40-stündigen Inhouseschulung „Palliative Begleitung alter Menschen“ für Pflegeteams Christa Gerts-Isermeyer ist Referentin für Hospizund Palliativarbeit im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers 28 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Entdeckungsreisen Inklusion leben im Eltern-Kind-Zentrum PETRI HAUS Gemeinsame Entwicklung „Wir haben soundso viele Kinder mit Behinderungen in unserer Kita, soundso viele Eltern haben einen Migrationshintergrund – genau das wollen wir nicht: Menschen zählen und in Schubladen stecken. Denn Inklusion ist doch genau das Gegenteil, nämlich gar nicht erst zu fragen, wo die Menschen unterschiedlich sind“, erklärt Verena Küttner, Leiterin des PETRI HAUS in Göttingen Alt-Grone. Seit 2008 leitet die Erzieherin das ElternKind-Zentrum im sozial schwachen Göttinger Bezirk Alt-Grone. Die Stadt Göttingen hatte das Haus gebaut und die Trägerschaft für ein stadteilnahes Eltern-Kind-Zentrum an die Kirchengemeinde St. Petri gegeben, da diese bereits gut in den Stadtteil integriert war. Heute nehmen jede Woche mehr als 250 Familien an den verschiedenen Angeboten teil, 48 Kinder besuchen die Kita des Hauses. Seit dem ersten Tag dabei ist russisch-stämmige Isolde Wirt mit ihren beiden Kindern Kevin und Jennifer: „Mein Sohn hat hier einen Kindergartenplatz bekommen. Am Anfang war ich sehr zurückhaltend, ich sprach kaum Deutsch und traute mich nicht, mit anderen zu reden. Doch die offene und freundliche Art der Mitarbeitenden hier hat mir Mut gemacht: Ich habe immer Hilfe bekommen, viele Freundschaften geschlossen. Und ich habe im PETRI HAUS Deutsch gelernt.“ Isolde Wirt hat gemeinsam mit ihren Kindern an vielen Angeboten des PETRI HAUS teilgenommen: an der musikalischen Früherziehung, am Elternfrühstück, auf einer Familienfreizeit auf dem Schulbauernhof und beim „Zumba“. Besonders beliebt bei ihren Kindern ist die Möglichkeit, ihren Geburtstag als Piratenparty oder Prinzessinnenfest in den Räumen des Eltern-Kind-Zentrums zu feiern – auf Wunsch mit Unterstützung durch eine Erzieherin. „Dieses Angebot kommt bei Eltern und Kindern sehr gut an. Die engen Wohnungen in den Hochhäusern und Wohnblöcken hier in Alt-Grone bieten oft nur wenig Platz zum Toben und Spielen bei einem Kindergeburtstag. Mittlerweile ist die Nachfrage so hoch, dass sogar Menschen aus ganz anderen Stadtteilen bei uns Geburtstag feiern wollen“, erzählt Verena Küttner. Das PETRI HAUS ist im Stadtteil Alt-Grone und in Göttingen selbst stark vernetzt – mit den Schulen, Kitas und Familienbildungsstätten in der Nachbarschaft, mit dem Diakonischen Werk Göttingen, der Kirchenkreissozialarbeit und dem Symphonieorchester. Die einzelnen Angebote für die Menschen aus Alt-Grone entwickeln die 39 Mitarbeitenden des PETRI HAUS gemeinsam mit den Bürgern im Stadtteil: „Bei uns wird nicht nur Kuchen gebacken oder mal ein Beet im Garten angelegt, sondern Kinder und Eltern sollen ihre eigenen Ideen einbringen“, so Küttner. Ein Schwimmkurs für muslimische Frauen oder Sportangebote als Ausgleich zum Alltag in den engen Wohnungen wurden beispielsweise von Eltern angeregt. Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft 29 Hüftschwung für mehr Selbstbewusstsein Isolde Wirt hat im PETRI HAUS nicht nur ihre Sprachkenntnisse erweitert, sondern auch so gut Bauchtanz gelernt, dass sie ihn mit Kindern beim Sommerfest vortanzen konnte. „Früher hätte ich mich das nie getraut! Und durch das gemeinsame Üben hat sich auch mein Verhältnis zu den Kindern geändert, zum Beispiel duzen mich jetzt alle“, sagt die hübsche Mutter. Ihre Bauchtanz-Lehrerin war eine andere Mutter aus dem Stadtteil, die aus Palästina stammt und die „Rucksackgruppe“ zur Förderung der Sprachkompetenzen von Eltern und Kinder leitet. Die Rucksackgruppe ist ein inklusives Angebot per se: Bei Treffen im PETRI HAUS sprechen Kinder und Eltern, die meisten sind Frauen, über verschiedene Themen. Anschließend bekommen die Mütter die beim Treffen verwendeten Materialien mit nach Hause – in ihrer Muttersprache auf Türkisch, Russisch, Kurdisch, Arabisch usw. Mit dem Angebot sollen die Sprachkenntnisse verbessert werden. „Viele Eltern sprechen nur gebrochen Deutsch und kommunizieren mit ihren Kindern in diesem Deutsch statt in ihrer Muttersprache. Die Folge ist, dass ihre Kinder so Deutsch mit einer falschen Grammatik und kaum ihre Muttersprache lernen. Mit dem Rucksack-Angebot werden die Eltern angeregt, den Kindern eine Sprache zu 100 Prozent beizubringen – und zwar zuerst ihre Muttersprache“, beschreibt Corinna Kern, Heilpädagogin im PETRI HAUS. Konflikten führen, werden behandelt. „Wir hatten in der Rucksackgruppe beispielsweise die Möglichkeit, das Fest zum Abschluss des Ramadan, das Zuckerfest, kennenlernen zu dürfen. Interessant war auch das Thema Sexualkunde und der unterschiedliche Umgang damit. Das Zusammenleben im PETRI HAUS bedeutet für uns vor allem, von uns gegenseitig zu lernen. Wir entdecken uns, lernen voneinander und akzeptieren uns“, meint Corinna Kern. Corinna Kern, Heilpädagogin Verena Küttner, Leiterin des Eltern-Kind-Zentrums Der Austausch in der Rucksackgruppe geht aber über die Förderung der Muttersprache und der Deutschkenntnisse hinaus. Auch Themen, die im gemeinsamen Alltag im multikulturellen Stadtteil immer wieder auftauchen und andernorts zu Isolde Wirt, Mutter aus der Nachbarschaft (v.l.n.r) 30 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Während die Kinder mit Freude Sandstein bearbeiten, tauschen sich Jeden Donnerstag gibt es Musikalische Früherziehung ihre alleinerziehenden Mütter aus im PETRI Haus Early-Excellence-Ansatz Diese positive Grundhaltung gegenüber allen Menschen, allen Kulturen und allen Ansichten beschreibt das pädagogische Konzept des „Early Excellence“. Margy Whalley entwickelte das Konzept in den achtziger Jahren für die Arbeit mit Teenie-Müttern und ihren Kindern in einem sozial schwachen Viertel in Großbritannien. Die Stadt Göttingen hatte Early Excellence bereits als frühkindliches Leitkonzept für das PETRI HAUS vorgegeben, keine der Mitarbeitenden war jedoch vorher mit der Anwendung vertraut. „Early Excellence bedeutet, die individuellen Stärken jedes Kindes zu sehen und diese zu fördern. Zum Beispiel muss ich nicht zu einem Kind sagen: Du bist zu schüchtern. Sondern ich sage: Du kannst noch mutiger werden. Dabei werden die Eltern immer miteinbezogen, sie gelten als die Erziehenden an erster Stelle“, fasst Verena Küttner das Konzept zusammen. Was aber, wenn Eltern und Erziehende ganz unterschiedliche Ansichten haben? „Das kommt natürlich vor. Für uns in der pädagogischen Arbeit bedeutet das, auch zuzulassen, dass die Eltern manchmal eben besser wissen, was ihr Kind braucht“, so Küttner. „Wir selbst bleiben nach diesem Konzept auch als Pädagogen immer Fragende und Lernende“, ergänzt Heilpädagogin Corinna Kern. Unterstützung für ihre Arbeit nach Early Excellence erhalten die Pädagogen, die nach einem normalen Betreuungsschlüssel in der Kita arbeiten, durch gegenseitigen Austausch und Supervision. Das Eltern-Kind-Zentrum begegnet mit seinem Angebot dem veränderten Bedarf an Bildungsangeboten für Kinder, Eltern und Familien. Der gesellschaftliche Druck auf die Eltern nimmt zu, im Beruf wird noch mehr Mobilität und Flexibilität gefordert, es gibt immer mehr Alleinerziehende. „Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann wäre das die bundesweite Einführung des Early-Excellence-Ansatzes. Er gibt Menschen das Gefühl: ‚Schön, dass du da bist‘. Das macht Kinder und Familien zu selbstbewussten Teilnehmern einer Gesellschaft. Genau das brauchen wir als Mittel auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft“, so Verena Küttner. Maike Lukow ist Referentin für Öffentlichkeitsarbeit im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft 31 Inklusion ist, gar nicht erst zu fragen, wo die Menschen unterschiedlich sind. Evangelische Familienzentren in der Landeskirche Hannovers Insgesamt 40 evangelische Familienzentren gehören zur Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Sie befinden sich in allen Teilen der Landeskirche mit regionalen Schwerpunkten in Hannover, Wolfsburg, Stadt und Landkreis Osnabrück und Göttingen. Etwa 90 Prozent sind aus der konzeptionellen Weiterentwicklung von evangelischen Kindertageseinrichtungen entstanden, die anderen Familienzentren gingen aus der familienbezogenen Arbeit von Kirchengemeinden hervor. Familienzentren in evangelischer Trägerschaft verknüpfen im Kern vier Aufgaben und Angebote: Bildungs- und Erziehungsarbeit mit Kindern, Bildungsarbeit mit Eltern, Beratungsangebote und Begegnungs- und Austauschmöglichkeiten für Eltern, insbesondere durch Eltern- oder Familiencafés. Solche Eltern- und Familiencafés sind oft Treffpunkte, die der Selbsthilfe dienen. Häufig entstehen hier Anknüpfungsmöglichkeiten für Beratungsangebote der Kirchengemeinden, Kirchenkreise und im Gemeinwesen. Genau diese Verknüpfung mit der familienbezogenen kirchengemeindlichen Arbeit unterscheidet evangelische Familienzentren von Einrichtungen anderer Träger. Weil sich die Angebote für Eltern auch an Familien richten, deren Kinder nicht in der Kindertageseinrichtung sind, öffnen sich die Einrichtungen in den Sozialraum hinein und können so zu einem bedeutsamen Teil des Gemeinwesens werden. In knapp 25 Prozent der evangelischen Familienzentren basiert die pädagogische Arbeit wie im PETRI HAUS Göttingen auf dem Early-ExellenceAnsatz (EEC). Zum Konzept Early Excellence gehört eine besonders intensive Arbeit mit den Eltern im Sinne einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft. 2010 haben sich die Familienzentren unter Federführung des Diakonischen Werkes der Landeskirche Hannovers in der Konferenz evangelischer Familienzentren zusammengeschlossen. Zweck der Konferenz sind der Fachaustausch, die gegenseitige Information über Entwicklungen auf kommunaler und Landesebene sowie die Fortbildung. Um bestehenden und sich entwickelnden evangelischen Familienzentren eine Orientierung für die inhaltiche und strukturelle Ausrichtung zu geben, wurden im letzten Jahr unter Beteiligung von Einrichtungsverantwortlichen Qualitätskriterien und Profilmerkmale entwickelt, die zunächst im Sinne einer Selbstverpflichtung angewendet werden. Susanne Witte ist Referentin für Partizipation und Familienzentren im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers 32 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Gemeinsamkeit trotz Unterschieden Solidaritätstafel 2012 Mit unserer Solidaritätstafel am 15. September 2012 mitten in der Fußgängerzone in Hannover wollten wir ein Zeichen setzen für die Bedeutung von Solidarität in unserer Gesellschaft. Gemeinsam mit dem Caritasverband für die Diözese Hildesheim, dem Diakonischen Werk Stadtverband Hannover, dem Diakonieverband Hannover-Land und dem Caritasverband Hannover führten wir diese Veranstaltung zum zweiten Mal nach 2010 durch. Die Diakonie erlebt in ihren örtlichen Beratungsstellen und Einrichtungen tagtäglich die Lebenssituation von armen und benachteiligten Menschen. Sehr deutlich nehmen wir die Zunahme von Armut und sozialer Ausgrenzung sowie die Grenzen der staatlichen finanziellen Unterstützung wahr. In den letzten Jahren hat sich besonders der Anteil von älteren Menschen erhöht, die um Rat und Hilfe nachfragen. Armut im Alter wird für zunehmend mehr Menschen zur Lebensrealität. Trotz der deutlichen Zunahme der Armutsquote im letzten Jahr in Niedersachsen bleibt das Thema Armut ein Tabu. Gerade ältere Menschen schämen sich oft, die ihnen zustehende finanzielle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Zu groß sind die Hemmungen, Anträge zu stellen und sich als bedürftig zu offenbaren: „Was könnten die Nachbarn sagen, wenn sie merken, dass ich Sozialhilfe erhalte?“ Armut ist aber für die meisten Menschen nicht nur ein materielles Problem, sondern arm zu sein bedeutet auch, an vielen Dingen nicht teilhaben zu können. Beim gemeinsamen Essen verschwinden die Grenzen zwischen den Menschen, man sieht sein Gegenüber am Tisch als Nachbar, kommt miteinander ins Gespräch und erlebt vielleicht zum ersten Mal, dass ein wohnungsloser Mensch, dessen „Zuhause“ die Bank in der Fußgängerzone ist, ein interessanter und spannender Gesprächspartner sein kann. Die vielen unterschiedlichen Begegnungen der Menschen an der Tafel machen den einzigartigen Charakter unserer Solidaritätstafel aus. So setzt diese Aktion, die neben dem gemeinsamen Essen von einem bunten Musik- und Informationsprogramm eingerahmt wird, ein wichtiges Zeichen für das menschliche Miteinander auch bei zunehmender Armut in der Bevölkerung. Egal ob arm oder reich, jeder Mensch hat seinen ganz persönlichen Wert. Diese Erkenntnis bringt dem auf Sozialleistungen angewiesenen Menschen zwar nicht mehr Geld in die Tasche, aber sie stärkt sein Selbstwertgefühl und vermittelt ihm trotz seiner schwierigen Lage das Gefühl, dazuzugehören und teilzuhaben an unserer Gesellschaft. Wir brauchen mehr solcher Orte der Begegnung in unserer Kirche. Die Solidaritätstafel setzt ein wichtiges Zeichen, dabei darf es aber nicht stehen bleiben. Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Gut 1.000 Menschen kamen zu Tisch Viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer trugen zum Gelingen der Solitafel bei Forderungen von Diakonie und Caritas zur Solidaritätstafel 2012: Ein Leben in Würde – ob mit oder ohne Arbeit, ob alt oder jung Jeder Mensch muss vor Armut geschützt werden: Bedarfsorientierte Grundsicherung und Bekämpfung des Niedriglohnsektors, zum Beispiel durch Anhebung von Regelsätzen und die Festlegung von Mindestlöhnen. Es darf keine Armut im Alter geben. Reichtum muss der ganzen Gesellschaft zugute kommen. Deshalb brauchen wir eine faire Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik, verbunden mit der Solidarität zwischen den Generationen. Kinder müssen unabhängig von den Einkommensverhältnissen ihrer Eltern gerechte Chancen erhalten, qualifizierte Bildung und Ausbildung zu erlangen. Gesundheitsversorgung muss sich an den unterschiedlichen Lebenslagen der Betroffenen ausrichten. Besonders ältere Menschen dürfen nicht von Leistungen ausgeschlossen werden. Der Solidaritätsgedanke muss weiterhin fest im deutschen Gesundheitssystem verankert bleiben. Alle Menschen müssen sich sicher sein können, dass sie im Falle einer existentiellen Gefährdung im Alter, durch Krankheit oder Pflegebedürftigkeit auf die notwendigen Hilfeleistungen durch die Solidargemeinschaft zählen können. Martin Fischer ist Bereichsleiter für Offene Soziale Arbeit im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers 33 34 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Mit Herz für Kinder und ihre Familien Der Kleiderladen Wunstorf ist ein inklusives Projekt von Zukunft(s)gestalten 129,44 Euro pro Monat steht nach geltendem Hartz IV-Regelsatz einer vierköpfigen Familie mit zwei Kindern unter 13 Jahren an Kleidungsgeld zu. In Niedersachsen leben außerdem rund 500.000 Menschen, die im sogenannten Niedriglohnsektor für ihre Arbeit so schlecht bezahlt werden, dass sie teilweise zusätzliche Unterstützung beantragen müssen. Auch bei ihnen ist das Geld knapp – für eine neue Winterjacke oder neue Sportschuhe ist oft kein Geld da. Der Kleiderladen Wunstorf ist ein Projekt der Initiative „Zukunft(s)gestalten“ der gut erhaltene Kleidung zu einem niedrigen Preis anbietet. Er spricht damit Familien aus allen Schichten an. wir nicht immer neuwertig kaufen“, erzählt eine sechsfache Mutter, die ursprünglich aus Rumänien stammt und fast täglich in den Kleiderladen kommt. „Bei uns muss man sich nicht ausweisen, wenn man hier für seine Kinder oder sich selbst einkaufen will. Keiner wird stigmatisiert, der Laden ist für alle offen“, sagt Uwe Bönki. Der Frührentner engagiert sich freiwillig im Kleiderladen. Täglich kommen Menschen, die ihre Kleidung abgeben, 30 bis 50 Personen kaufen täglich als Kunden ein. Ingelore Westhoff leitet den Kleiderladen, Inge Alvers (rechts) hilft ehrenamtlich Alle Kleidungsstücke und Möbel in dem Kleiderladen sind Spenden. Täglich werden gebrauchte Kleidungsstücke abgegeben. Viele sind gut erhalten, was nicht mehr in gutem Zustand ist, wird aussortiert. Auch wenn der Laden von Anfang an gut besucht war, steigt der Umsatz beständig an. Mittlerweile sind die Räume für den hohen Andrang zu klein geworden, Anfang Juni 2013 zog der Kleiderladen in die Nachbarräume. Eine Markenjeans noch mit Preisschild aus dem Jeansladen, ein neuwertiger Anorak oder gut erhaltene Turnschuhe – im Kleiderladen Wunstorf finden Kunden Bekleidung für Kinder und Erwachsene. „Ich habe eine sehr große Familie. Da geht oft etwas kaputt, wir brauchen ständig etwas Neues. Das können Seit Dezember 2011 ist der Kleiderladen geöffnet, der aus einer Initiative des Kirchenkreises, der Stadt, Diakonischem Werk, der Tafel, dem Jobcenter und der Volkshochschule entstanden ist. Das Ziel: Es soll verhindert werden, dass Menschen wegen ihrer Kleidung ausgegrenzt werden. Das trifft besonders Kinder und Jugendliche. „Die Resonanz ist wirklich sehr groß. Da ist es großartig, dass wir dank vieler Ehrenamtlicher jeden Werktag lange Öffnungszeiten haben“, so Ingelore Westhoff, die als Sozialpädagogin den Kleiderladen leitet. Mit ihr arbeiten 23 Ehrenamtliche und drei Ein-Euro-Kräfte. Sie nehmen die Kleidung an, sortieren, beraten die Kunden und verkaufen. Inklusion wird so auch durch die Mitarbeitenden selbst gelebt. „Ich bekomme ALG II und wollte einfach nicht zu Hause bleiben. Ich habe mich für den Kleiderladen als Ein-EuroArbeitsplatz entschieden: Hier kann ich mich einbringen, wir sind alle freiwillig hier und die Stärken und Schwächen von allen werden berücksichtigt. Das ist toll!“, meint Sabine Müller*. Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft 35 Zukunft(s)gestalten wird Initiative der DIAKONIEHilfe Nicht alle kommen nur, um Kleidung zu kaufen. Mit einer Sitzecke bietet der Kleiderladen auch die Möglichkeit zum Austausch bei Kaffee und Kuchen. Ein Angebot, das häufig genutzt wird. „Der Kleiderladen ist für viele Menschen wie eine Insel. Es kommen viele Alleinstehende, immer wieder bilden sich kleine Gesprächsrunden. Ein Wohnungsloser beispielsweise holt sich hier fast jeden Abend zwei Kannen Tee, um die Nacht zu überstehen. So ist der Laden nicht nur etwas für Menschen mit kleinem Portemonnaie, sondern auch für die, die gebeutelt sind vom Leben“, beschreibt Ingelore Westhoff. Die Kleidungsstücke werden zu Preisen zwischen drei und zehn Euro verkauft. Auf einer Doppelstange hält der Kleiderladen ständig auch kostenlose Kleidungsstücke bereit für Menschen, die am Limit leben und gibt inzwischen auch eine gute Zusammenarbeit mit dem örtlichen Krankenhaus. Werden alleinstehende Menschen ohne Besitz ins Krankenhaus eingeliefert, stellt der Kleiderladen kostenlos eine Grundausstattung für die Patienten zusammen. Momentan wird der Kleiderladen durch verschiedene Träger und die Aktion Zukunft(s)gestalten finanziell gefördert. Ab Ende 2014 soll er sich selbst tragen. Ingelore Westhoff sieht in sozialen Läden eine gute Ergänzung zu staatlicher Unterstützung. „100 bis 200 Euro mehr SGB IIBezüge wären sicherlich wünschenswert, sind aber derzeit wohl nicht umsetzbar. Ich finde es wichtig, dass Kirche und Diakonie auch Verantwortung übernehmen“, ist sie überzeugt: „Der Kleiderladen ist ein Projekt mit Herz. Hier tun Menschen etwas für Menschen. Der Kleiderladen ist ein Ort für Menschen, wo sie einfach „sein können“ und Austausch mit anderen haben. Das gilt für unsere Mitarbeitenden wie für die Kunden.“ *Name von der Redaktion geändert. Wir leben in einem reichen Land. Wir haben genug zu essen, zu trinken, Arbeit, eine Gesundheitsversorgung und ein Dach über dem Kopf. Doch das hat nicht jeder. Rund 16 bis 20 Prozent aller Kinder in Niedersachsen gelten als arm, das heißt rund 200.000 Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen leben mit ihren Familien unter der Armutsgrenze. Sie haben weniger Geld als andere Kinder. Und sie haben weniger Chancen: Auf Erfolge in der Schule, Ausbildung und im Beruf. Auf Entwicklung, Sport und Kultur. Zukunft(s)gestalten ist eine Initiative gegen Armut von Kindern in Niedersachsen. Sie wird von der Landeskirche Hannovers und dem Diakonischen Werk getragen. In bisher 275 Projekten engagieren sich Haupt- und Ehrenamtliche in Kirchengemeinden gegen materielle Not und Bildungsarmut. Seit 1. Januar 2013 ist Zukunft(s)gestalten Teil der Spendenmarke DIAKONIEHilfe. So wie Zukunft(s) gestalten hat sich die DIAKONIEHilfe dem Kampf gegen Armut verschrieben. Auch vorher schon war die Diakonie der Landeskirche Trägerin von Zukunft(s)gestalten. Die Landeskirche Hannovers und das Diakonische Werk wollen durch die Zusammenführung eine einheitliche Markenführung schaffen und gleichzeitig mehr Unterstützer gewinnen. Heike Krause ist Referentin für Soziale Beratung im Kirchenkreis und für die Initiative „Zukunft(s)gestalten – Allen Kindern eine Chance“ 36 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft 37 Im Wartezimmer Deutschlands DiaMiPA berät Menschen ohne geklärten Aufenthaltsstatus In Deutschland leben nach Schätzungen etwa eine Million Menschen ohne Papiere. Mindestens genauso viele befinden sich in schwebenden Verfahren zum Aufenthaltsrecht. Nicht zu wissen, ob sie bleiben dürfen, allein oder mit der ganzen Familie abgeschoben werden – das ist zermürbend. Bei DiaMiPA, der Diakonischen Migrationsberatung für Personen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus, finden sie Unterstützung. Wenn Nino Merabishvili zum Arzt oder auf eine Party geht, fürchtet sie vor allem eine Frage: „Und, was machst du so?“ Die klassische Smalltalk-Frage lässt die junge Georgierin immer wieder schlagartig wahrnehmen, wie ihre Lage als Mensch mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus ist: „Wenn jemand fragt, was arbeitest du, was ist dein Beruf, dann kann ich nur sagen: Nichts. Ich bin krank, ich finde keine Arbeitsstelle, kann nicht studieren, keine Ausbildung machen, die eine Deutsche machen will.“ Merabishvili kam vor 2,5 Jahren nach Hannover, um als Au-Pair ein Jahr in einer Gastfamilie in Garbsen zu arbeiten. Doch nach einem knappen Jahr erkrankte sie schwer an Lymphdrüsenkrebs. Sie hat eine gute Heilungschance – doch nur, wenn sie in Deutschland bleibt und im deutschen Gesundheitssystem behandelt werden kann. DiaMiPA beraten lassen, sind auf legale Weise über die deutschen Grenzen gekommen, hatten ein Visum und haben erst dann ihren Aufenthaltsstatus verloren, beispielsweise weil sie ihre Arbeitsstelle verloren oder sich von ihrem Ehepartner getrennt haben. Sie haben jedoch die Möglichkeit, einen regulären Aufenthaltsstatus, beispielsweise als Studierende, zu beantragen. Das heißt, sie halten sich nicht unerlaubt in Deutschland auf, sondern wechseln zwischen legalem und illegalem Aufenthaltsstatus. Sobald ein Antrag gestellt ist, wird man vom deutschen Staat registriert. „Natürlich gibt es auch diejenigen, die durch Schlepper nach Deutschland einreisen und genau planen, wie sie bleiben können. Viele Menschen, die zu uns kommen, haben aber bereits Anträge auf Asyl oder Abschiebungshindernisse gestellt oder lassen sich dazu beraten. Damit dürfen sie sich offiziell in Deutschland aufhalten“, erklärt Ziegler. Die meisten haben gute Chancen auf ein Bleiberecht. Doch das Warten auf die Entscheidung der Behörden dauert lang. „Diese Duldung oder Fiktionsbescheinigung wird oft immer wieder verlängert, sodass sich die Menschen in einem oft jahrelangen Schwebezustand befinden. Diese Kettenduldungen sind ein nervenzehrendes Bewerbungsverfahren – und zwar über Jahre.“ „So wie Frau Merabishvili treffe ich viele Menschen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus hier in der Migrationsberatung erst, wenn sie sich bereits entschlossen haben, einen Antrag zu stellen und damit den Status der „Menschen ohne Papiere“ zu verlassen. Oft sind die Menschen sehr krank, sind schwanger und auf ärztliche Versorgung angewiesen“, berichtet Fiona Ziegler, Mitarbeiterin im Projekt DiaMiPA. „Illegale“ so werden Menschen ohne Aufenthaltsstatus oft bezeichnet und damit stigmatisiert. Doch das ist diskriminierend und rechtlich falsch: Fast alle der Menschen, die sich bei Aus diesen Ländern kommen Menschen, die sich bei DiaMiPA beraten lassen 38 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Mein Glaube hilft mir, hier durchzuhalten. Ich bin nicht faul, ich will gesund werden, ich will arbeiten, ich will in diesem Land bleiben. Dafür muss ich weiterkämpfen. Belastender Schwebezustand Nino Merabishvili lebt seit 1,5 Jahren mit einer sogenannten Fiktionsbescheinigung, die die Ausländerbehörde Menschen für einen begrenzten Zeitraum erteilt, wenn sie einen Antrag auf eine Aufenthaltsgenehmigung gestellt haben. Diese Bescheinigung bedeutet kein Aufenthaltstitel, sondern lediglich die Bestätigung, dass ein Antrag gestellt wurde. „Ich esse nicht, arbeite nicht, schlafe nicht. Es ist schlimm, nicht zu wissen, wie es weitergeht“, sagt Merabishvili leise. Während sie auf eine Bearbeitung ihres Antrags auf der Ausländerbehörde wartet, versucht sie mit Unterstützung von DiaMiPA, ihr Leben zu meistern. Gerade hat DiaMiPA Nino geholfen, ihre erste eigene Wohnung zu finden. Über ein Jahr hatte die 27-Jährige in einem Zimmer einer Bekannten aus der Kirchengemeinde gewohnt. „Mit einem ungeklärten Aufenthaltsstatus befindet man sich in einem Teufelskreis: Wer als Ausländer in Deutschland eine Wohnung sucht, muss nicht nur einen Erwerbsnachweis oder Sozialbescheid vorzeigen, sondern auch seinen Aufenthaltsbescheid. Die Erteilung aber über das Aufenthaltsrecht hängt wiederum vom Grad der Integration ab: Hat die Antragstellerin eine Arbeit, hat sie eine Wohnung. Und einen Arbeitsplatz bekommt man ja sowieso nur, wenn es keinen Deutschen, Migranten mit Aufenthaltserlaubnis oder EU-Bürger gibt, der die Arbeit machen will“, weiß Fiona Ziegler. Während der Prüfungsverfahren haben viele der Antragstellenden Anspruch auf Sozialleistungen, im ersten Jahr der Duldung ist Arbeiten ganz verboten. Erst dann dürfen Geduldete selbst einen Arbeitsplatz oder Ausbildungsplatz suchen und erst danach einen Antrag auf Arbeitserlaubnis stellen. Einige engagieren sich darum ehrenamtlich. Etwa zehn Personen suchen jede Woche regelmäßig die Beratung auf, es gibt nur eine andere vergleichbare Anlaufstelle in Hannover. Die Finanzierung des Projekts DiaMiPA steht immer wieder auf der Kippe. Die Personalkosten sind hoch, gegenwärtig unterstützen das Diakonische Werk, die Malteser, das Friederikenstift, die Niedergerke-Stiftung und die Stadt Hannover das Projekt, teilweise mit nur sehr kleinen Anteilen. DiaMiPA als starke Schulter Damit Nino Merabishvili in Deutschland bleiben kann, braucht sie immer wieder ein Attest vom Arzt, das bestätigt, dass sie schwer krank ist und ihre Abschiebung die Heilung gefährden würde. „Ich hatte hier in Deutschland die schlimmste Zeit in meinem Leben, als ich Krebs bekommen habe. Meine Au-PairFamilie hat mich fallengelassen, als ich krank wurde. Sie sagten, sie bräuchten ein Au-Pair, das arbeiten kann. Doch was andere Menschen für mich getan haben, wie sich mich gepflegt und versorgt haben, ist überwältigend gewesen. Ich bin sehr dankbar dafür.“ Sie habe sehr gute Heilungschancen, erfuhr Nino zusammen mit der Diagnose Lymphdrüsenkrebs, doch leider umfasse ihre Versicherung als Au-Pair die Behandlung nicht. Sie müsste darum 30.000 bis 40.000 Euro selbst aufbringen. Eine utopische Summe für die junge Frau, deren Eltern und Bruder sie nicht einmal besuchen konnten, seit sie in Deutschland und krank ist. DiaMiPA erfährt über Ninos Freunde und Bekannte von ihrer Situation und besorgt ihr einen kostenlosen Platz im Friederikenstift. Der Pfarrer ihrer Gemeinde findet ein Zimmer zur Untermiete für die junge Frau und organisiert einen Besuchsdienst aus Gemeindemitgliedern, die für sie kochen und sie in der schweren Zeit der Chemotherapie pflegen. Die Arbeit von DiaMiPA basiert auf großem Vertrauen. Es kostet die Menschen oft große Überwindung, zu DiaMiPA zu kommen und sich beraten zu lassen. Auch wer seinen Partner heiraten will oder ein Kind bekommt, ist oft überfordert von den bürokratischen Hürden, obwohl eindeutig ist, dass man so, zumindest vorüberge- Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft 39 Leben im Verborgenen: Menschen ohne Pass und Papiere hend, ein Aufenthaltsrecht bekommt. Unterstützung wünschen sich viele der Beratungssuchenden vor allem in rechtlichen Angelegenheiten, medizinischer Versorgung oder beim Ausfüllen von Behördenanträgen und Briefe schreiben. Einmal in der Woche berät Fiona Ziegler auch in den Räumen der Malteser Migranten Medizin. „Wer ein sogenannter Drittstaatler ist, dem können wir fast immer helfen, seine Situation zu verbessern. Sehr bedrückend ist hingegen die Situation der Bürger aus armen EU-Staaten, die sich ein neues Leben in Deutschland aufbauen wollen. Es kommen immer mehr Menschen aus Polen, Bulgarien, Rumänien, Italien und Griechenland. Da sind die Hilfsmöglichkeiten sehr begrenzt“, bedauert sie. Immer wieder wird die Sozialpädagogin mit dem Vorwurf konfrontiert, ihre Arbeit in der Migrationsberatung würde letztlich darauf zielen, Menschen nach Deutschland einzuschleusen. Ziegler kontert dann entschlossen: „Die Menschen sind nun einmal hier. Damit müssen wir umgehen.“ Was, wenn Nino Merabishvilis Antrag auf eine Aufenthaltsgenehmigung abgelehnt wird? „Mein Glaube hilft mir, hier durchzuhalten. Ich bin nicht faul, ich will gesund werden, ich will arbeiten, ich will in diesem Land bleiben. Dafür muss ich weiterkämpfen“, sagt Nino mit fester Stimme. DiaMiPA und Fiona Ziegler werden sie dabei unterstützen. Maike Lukow ist Referentin für Öffentlichkeitsarbeit im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers Ein Leben ohne Papiere in Deutschland ist weder wünschens- noch erstrebenswert. Dennoch leben Menschen unter dieser Voraussetzung. Sie sind unauffällig, versuchen zu verbergen, dass sie keinen genehmigten Aufenthalt haben. Sie unterstützen ihre Kinder, damit sie nicht auffallen. Konflikten gehen sie aus dem Weg. Unterstützung fordern sie nicht ein, sie versuchen, alles allein und unauffällig zu regeln. Menschen ohne Pass und Papiere leben in Deutschland ohne Schutz. Sie sind der Willkür von Mitwissern, zum Beispiel Vermietern oder Arbeitgebern ausgesetzt, die zu hohe Mieten fordern, sie ausbeuten oder sie um ihren Lohn betrügen können. Kirchen, Diakonie und gesellschaftliche Gruppen weisen seit langem auf diese Missstände hin und setzen sich für ihre Beseitigung ein. Das Diakonische Werk der Landeskirche Hannovers fördert darum DiaMiPA, das als Hilfsprojekt nur durch Spenden finanziert wird. Die Diakonie setzt sich für Menschen ohne Papiere ein, um „Illegalität“ zu vermeiden und zu beenden d en Zugang zur medizinischen Versorgung zu ermöglichen Schul- und Kindergartenbesuch zu befördern Zugang zu Rechten und den Opferschutz zu verbessern eine zeitlich befristete Unterkunft und materielle Nothilfe zu gewähren mit Seelsorge und Beratung den Menschen beizustehen. Wolfgang Reiter ist Referent für Migration im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers 40 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Auf die Plätze und Straßen gehen Inklusion in der Wohnungslosenhilfe Im jüdischen Talmud gibt es die Frage, was größer sei, die Auferstehung von den Toten oder der Regen. Der Regen sei größer, so lautet die Antwort, mit der Begründung: Der Regen sei für alle da, für Gerechte und Ungerechte, die Auferstehung dagegen nur für die Auserwählten. Was ist größer, könnte man heute fragen, die Möglichkeiten der Einbeziehung (Inklusion) oder die Gefahr des Ausschlusses (Exklusion). Man könnte wieder antworten wie im Talmud: Die Gefahr der Exklusion ist größer, sie betrifft alle. Von der Möglichkeit der Einbeziehung haben hingegen nur wenige etwas. In der Wohnungslosenhilfe der Diakonie gibt es daher einen eher kritischen Gebrauch des Begriffes „Inklusion“. Traditionell geht es in diesem Arbeitsbereich zunächst darum, Ausschluss zu vermeiden, Ausschlussgefahren zu benennen und willentlichen oder unwillentlichen Ausschluss rückgängig zu machen: Ausschluss der Menschen von Bildung, Arbeitsmöglichkeiten, vom Wohnungsmarkt, von Sozialleistungen und vom Recht. An welche Ausschlussmechanismen denken wir in der Wohnungslosenhilfe, wenn wir von Exklusion reden? Da sind zunächst Menschen, die eine schlechte Ausbildung haben, deshalb keine Arbeit finden, keine Familie gründen können und schließlich keine Wohnung mehr bezahlen können. Dann sind da Menschen, die ihre Situation nicht ertragen und zu Alkohol und Drogen greifen und ihren Ausschluss selbst befördern. E s gibt Menschen, die mit ihrem Geld nicht auskommen, Schulden machen und nicht mehr kreditwürdig sind. Vermieter machen oft eine Vermietung abhängig von einer positiven Kreditauskunft. So wird es schwer, eine Wohnung zu finden. Andere Menschen haben ihre Sozialleistungsansprüche verloren aufgrund angeblich oder tatsächlich mangelhafter Mitwirkung bei der Arbeitsvermittlung. Etwa 1000 Menschen leben in Niedersachsen Tag und Nacht auf der Straße. Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Welche Möglichkeiten gibt es hier zu helfen? 41 Die Menschen müssten in Ausbildungs- und Beschäftigungsprogramme einbezogen werden können. Leider sind die spezialisierten Ausbildungsprogramme in den letzten Jahren eingestellt worden. Die Arbeitsvermittlung bezieht sich lieber und erfolgreicher auf arbeitsmarktnahe Bedarfsgruppen. Ausgegrenzte Menschen leiden unter ihren Ausschlusserfahrungen, die immer traumatisch sind. Oftmals betäuben sie sich mit Drogen oder Alkohol und geraten in einen Teufelskreis. Um „trocken“ zu werden braucht man eine Perspektive, die oft nicht vorhanden ist. Die Diakonie betreibt landesweit Einrichtungen mit 1200 stationären Plätzen und betreut ambulant noch einmal 1600 Menschen, die wohnungslos waren. Zusätzlich sind 4100 Menschen in kommunalen Not- und Dauerunterkünften untergebracht. Hinzu kommen Zahlen, die man nur schätzen kann: Etwa 1000 Menschen leben in Niedersachsen Tag und Nacht auf der Straße. Viele werden von Räumungsklagen bedroht, werden aus Krankenhäusern und Gefängnissen in eine ungesicherte Wohnsituation entlassen, Frauen flüchten vor familiärer Gewalt in Frauenhäuser. Mit unseren Angeboten erreichen wir nicht alle Menschen, die uns brauchen und die von Exklusion betroffen sind. Wenn man erst einmal Schulden gemacht hat, befindet man sich in einem weiteren Dilemma. Auf dem freien Wohnungsmarkt findet man niemanden, der einem vertraut. In Städten, in denen bezahlbarer Wohnraum knapp ist, werden Kreditauskünfte verlangt, die man nicht liefern kann. Obdachlosigkeit verfestigt sich. Schließlich machen sich Passivität und Resignation breit. Die Menschen hören auf zu kämpfen. Sie nehmen ihre Termine beim Jobcenter nicht mehr wahr und landen als Bettler auf der Straße. Hinter all diesen Inklusionsangeboten wirken tief im Inneren unserer Gesellschaft zentrifugale Kräfte, die Menschen zunächst an den Rand drängen und dann ausschließen. Wir müssen über diese Kräfte reden, die den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährden. Dazu müssen wir auf die Plätze und Straßen gehen. Wir dürfen unsere Augen nicht verschließen vor der Armut, die wir dort sehen. Wir müssen die Ursachen erkennen und uns dafür einsetzen, dass die Armen nicht noch ärmer werden. Peter Szynka ist Referent für Wohnungslosenhilfe im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers 42 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Es wächst zusammen, was zusammen gehört Kirchengemeinden und Diakonie zum Raumprinzip. Weg von der Zentralisierung hin zur Regionalisierung. Weg von der Komm- hin zur Gehstruktur, weg von der Defizit- hin zur Ressourcenorientierung, weg vom Planstellenkarussell der Hauptamtlichkeit hin zu neuen Formen der Kooperation zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen... Wenn wirklich in diesem Paradigmenwechsel nicht Kinder, Jugendliche, alte Menschen, Pflegebedürftige, kinderreiche Familien, Alleinerziehende, Arbeitslose und Hartz IV-Empfänger auf der Strecke bleiben sollen, dann müssen Kirchengemeinden und Caritas-Verbände neue Formen der Kooperation und Kommunikation entwickeln.“ Bundesbauminister Ramsauer präsentiert das Projekt „Kirche findet Stadt“ im Januar 2012 in Berlin Dass Kirche und Diakonie Hand in Hand arbeiten, ist eigentlich selbstverständlich. Unter dem Stichwort „Gemeinwesendiakonie“ hat diese Zusammenarbeit aber in der letzten Zeit neue Aktualität gewonnen: Kirchengemeinden und diakonische Dienste kooperieren stärker miteinander. Sie orientieren sich gemeinsam an den Lebenslagen der Menschen vor Ort, um einen funktionierenden Sozialraum zu gestalten – natürlich mit weiteren Akteuren. Um die Zwillinge „Kirche“ und „Diakonie“, die irgendwann kurz nach der Geburt getrennt worden sind, auch wieder begrifflich näher zusammen zu rücken, wird seit Ende 2007 der Begriff „Gemeinwesendiakonie“ verwendet. Wieso eine Gemeinwesendiakonie angesichts gesellschaftlicher Entwicklungen nötig ist, beschreibt Rolf Peter Löhr, ehemaliger Leiter des Deutschen Instituts für Urbanistik: „Weg vom Fall- hin Das taten die evangelische und katholische Kirche gemeinsam mit ihren Wohlfahrtsverbänden Diakonie Deutschland und Deutscher Caritasverband: Um die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände als Trägerinnen der integrierten Stadtteilentwicklung zu etablieren, gründeten sie für die Jahre 2011 bis 2013 das ökumenische Projekt „Kirche findet Stadt“ (KfS). Jetzt läuft das Projekt aus. Regionalknoten St. Paulusgemeinde Burgdorf Für Kirche findet Stadt wurden Projekte von Kirchengemeinden und Wohlfahrtsverbänden gesucht, die sich auf innovative Weise in die Entwicklung von Dörfern, Stadtteilen und Städten einbringen. Aus über 125 Bewerbungen wurden 36 kirchliche Referenzstandorte ausgewählt. Unter diesen wurden 12 sogenannte Regionalknoten identifiziert: Projekte, die verstärkt begleitet wurden. Regionalknoten in Niedersachsen wurde die Evangelischlutherische St. Paulus-Kirchengemeinde Burgdorf mit ihrem Konzept „Kirchengemeinde auf dem Weg zum Familienzentrum“. Besonders interessant für die teilnehmenden Projekte an Kirche findet Stadt ist die Vernetzung mit anderen Projekten, Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft 43 Kirche findet Stadt – ein ökumenisches Projekt zur Förderung der Stadtentwicklung die den Blick über den eigenen Tellerrand und gegenseitiges Lernen ermöglicht. Was für den einen selbstverständlich ist, kann so für den anderen zur zündenden Idee werden. Besonders wichtig war es uns auch, in Zusammenarbeit mit dem Diakonischen Werk Hannovers in einer Projektgruppe neue Ideen im Bereich „Gemeinwesendiakonie“ zu geben. So fand zum Beispiel im Februar 2012 in Burgdorf ein Impulstag statt, an dem über 40 Teilnehmende aus anderen Kirchengemeinden der Landeskirche Hannover sich zum Thema Gemeinwesenorientierung und Gemeindediakonie informierten. Es wurde auch der Impuls „nach oben“ zurückgegeben, indem das Bundesbauministerium und Bundesverbände von Caritas und Diakonie durch die Referenzstandorte von der Arbeit vor Ort erfuhren. Diese Entwicklung muss weitergehen: Als wir in unserer Kirchengemeinde vor über zehn Jahren den diakonischen Blick neu gelernt haben, war dies eine Initialzündung für einen stetigen, qualitativen Gemeindeaufbau, der vielfältige Früchte trägt. Wenn Gemeindehäuser leer bleiben, kann man sie natürlich abreißen – oder aber mit den Menschen vor Ort Wege zu dem suchen, was sie im Lichte des Evangeliums wirklich brauchen. Matthias Paul ist Pastor in der Kirchengemeinde St. Paulus Burgdorf Im Bereich der Landeskirche Hannovers waren für „Kirche findet Stadt“ die St. Paulus-Kirchengemeinde in Burgdorf und die Martin Luther-Kirchengemeinde in Hildesheim-Drispenstedt Referenzstandorte. Weil „Kirche findet Stadt“ viel Aufmerksamkeit erregt hat, konnte das Thema Gemeinwesendiakonie entscheidend weiterentwickelt werden. So sind das Diakonische Werk der Landeskirche und das Haus Kirchlicher Dienste dabei, gemeinsam ein Konzept zu erstellen, um Kirchenkreise und Kirchengemeinden in der Umsetzung von Gemeinwesen-Projekten zu unterstützen. Auch mit der bundesweiten Unterstützung soll es weitergehen, wie Johannes Stockmeier, Präsident der Diakonie Deutschland, bei der Abschlussveranstaltung der Projektphase im Februar zusicherte: „‚Kirche findet Stadt‘ ist heute als Projektphase zwar abgeschlossen, aber die Arbeit an der Ausrichtung kirchlicher und diakonischer Arbeit ist damit nicht beendet. Nun gilt es, Aufgebautes zu bewahren und geschaffene Strukturen mit Leben zu füllen. Auf Bundesebene wird dazu eine Transferstelle Gemeinwesendiakonie eingerichtet, die in enger Kooperation mit dem Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (SI), dem Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie Deutschland – Evangelischer Bundesverband die Kernaufgaben der Vernetzung und qualitativen Weiterentwicklung übernehmen wird.“ Martin Fischer ist Bereichsleiter für Offene Soziale Arbeit im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers 44 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Gemeinde inklusiv Petrusgemeinde Barsinghausen Petrushof Barsinghausen Küster Freed Janßen bringt das Siegel Diakonische Gemeinde an Wer auf das Gemeindezentrum Petrus in Barsinghausen zuläuft, der sieht auf den ersten Blick wenig Auffälliges. Eine Kirche in Zeltform, ein Gemeindezentrum aus den Siebzigern, eine neu angebaute Krippe mit Freigelände. Und doch ist diese Gemeinde ein Sonderfall – und das ist positiv gemeint. In der Gemeinde ist vielfältiges diakonisches Leben: Sie hat Angebote für Kinder und Familien, für Senioren und für interkulturelle Begegnung. Sie bietet Sozialberatung und einen offenen Mittagstisch an, eine regionale Pflegekoordination und Pflegeberatung, und auch ein Mehr-Generationen-Internetcafé gehört dazu. „gesundende Menschen“. So eine Sprache fordert zum Nachdenken und Umdenken auf: Gerade wir Christen leben ja von der Hoffnung, dass nichts so bleiben muss, wie es ist. Wir glauben, dass es keinen noch so dunklen Tunnel gibt, an dessen Ende nicht auch wieder Licht aufscheint. Es macht also schon etwas aus, ob man von „den Kranken“ oder „den Bedürftigen“ redet, von „den Gesundwerdenden“ oder einfach „den Menschen“. Allein diese Vielfalt wäre schon Grund genug gewesen, der Gemeinde das Siegel „Diakonische Gemeinde“ zu verleihen. Denn sie bringt unterschiedliche Generationen zusammen, beteiligt die betroffenen Menschen und vernetzt sich im Quartier mit anderen Partnern: mit dem Diakonischen Werk des Kirchenkreises, mit der politischen Gemeinde, der Arbeitsagentur oder mit der Wohnungsgesellschaft vor Ort. Doch noch ein weiteres Engagement ist herausragend und nach meiner Wahrnehmung in der Landeskirche Hannovers nahezu einmalig: Links und rechts des Gemeindezentrums entstand im Jahr 2011 der „Petrushof“, eine Wohnanlage und Tagesstrukturstätte für psychisch gesundende Menschen. Schon die Wortwahl signalisiert ihren inklusiven Charakter: Doch nicht nur in der Sprache, sondern auch im Handeln setzt die Petrusgemeinde den Gedanken der Inklusion um. Sie bringt die unterschiedlichen Menschen ins Gespräch und lädt sie zum Leben miteinander ein. 23 Frauen und Männer mit seelischen Problemen leben in der Wohnanlage. Sie und weitere Menschen aus der Region besuchen die angeschlossene Tagesstrukturstätte und werden dort auf ihrem Weg der Gesundung therapeutisch begleitet. Das Ziel ist, dass die Bewohnerinnen und Bewohner wieder selbstbestimmt und selbstständig ihr Leben gestalten können. Begleitet werden sie dabei von 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Ergotherapeutinnen und Krankenschwestern mit Zusatzqualifikationen und weiteren Professionen. Auch eine 24-Stunden-Rufbereitschaft ist eingerichtet. Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Im Rahmen des Projektes „WIG – Wohnen in Gemeinschaft“, einer Kooperation des Familienzentrums mit einer Wohnungsbaugesellschaft und dem Verein für Gemeindediakonie Barsinghausen, ist es außerdem gelungen, Wohneinheiten für Menschen des Petrushofes zu gewinnen. Sie können so ambulant in einer freieren Wohn- beziehungsweise Betreuungsform leben. Ein neues Projekt nimmt sich die Kirchengemeinde für den Herbst 2013 vor: Sie möchte in einer Wohnung unweit der Kirche einen Laden einrichten, in dem neben Snacks und Getränken selbst hergestellte Textil- und Holzwaren angeboten werden sollen. Die Mitarbeitenden des Ladens werden psychisch gesundende Menschen sein, die so ein Training in der Kundenbetreuung und im Verkauf absolvieren können. 45 Ja, es gab im Vorfeld der Planung des Petrushofes auch Widerstände, von Anwohnern und besorgten Eltern, die ihre Kinder täglich zur Krippe im Familienzentrum bringen. Ihre Sorgen konnten durch viele Gespräche und eine transparente Projektvorbereitung überwunden werden. Die Gemeinde lud zu Diskussionsrunden ein und später auf die Baustelle. Sie nahm die Bedenken ernst und ging auf Vorurteile ein. Mittlerweile leben alle miteinander, nehmen und geben einander Anteil. Nicht nur im Gottesdienst, sondern auch im Alltag oder bei Festen, Konzerten und anderen Veranstaltungen, die in den Räumen des Gemeindezentrums stattfinden, lernen sich die Menschen kennen: Einheimische und Menschen mit Migrationshintergrund, Reiche und Arme. Und nun auch Gesundende und Gesunde. Siegel diakonische Gemeinde Bereits 2006 und 2007 wurde das „Siegel diakonische Gemeinde“ in einem Auswahlverfahren verliehen. Zur Förderung und Anerkennung diakonischer Arbeit in Kirchengemeinden wird seit 2012 das Siegel diakonische Gemeinde vom Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers auf Antrag einer Kirchengemeinde und mit Befürwortung der Superintendentur vergeben. Wichtige Kriterien für die Siegelvergabe sind: das diakonische Profil ist im Gemeindekonzept verankert und die Aktivitäten und Initiativen sind in der Gemeinde vernetzt. Die Arbeit geschieht nach den diakonischen Grundsätzen der „Hilfe zur Selbsthilfe“ und der Beteiligung von Betroffenen. Ehrenamtliche werden für diakonisches Engagement gewonnen, angeleitet und fortgebildet. Die diakonischen Aktivitäten und Initiativen sind so konzipiert, dass Menschen verschiedener Alters- und Bezugsgruppen zusammengeführt werden, sich kennen und verstehen lernen und füreinander eintreten. Die diakonischen Aktivitäten sind auf Effektivität und Nachhaltigkeit ausgerichtet und arbeiten zur Erreichung dieses Ziels mit anderen kirchengemeindlichen oder diakonischen Einrichtungen, Trägern und Verbänden zusammen. Das Siegel wird für fünf Jahre beziehungsweise für die Dauer des Projektes zugesprochen. Im Rahmen der Visitation der Kirchengemeinde soll festgestellt werden, ob die Gemeinde die Voraussetzungen erfüllt, als diakonische Gemeinde das Siegel zu führen. Sven Quittkat ist Referent für diakonische Theologie im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers 46 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft „wellcome“ und „Frühe Hilfen“ Seit sechs Jahren setzt die Schwangerenberatungsstelle im Diakonischen Werk Hittfeld und Winsen Ehrenamtliche aus dem Projekt „wellcome“ ein. Interview Wann kommen die „wellcome“-Engel bei Ihnen zum Einsatz? Wo sehen Sie die Grenzen der Einsätze? Ines Appel: Wir bieten den Familien, die sich bei uns beraten lassen, verschiedene Unterstützungsangebote an. Dazu gehören auch Einsätze unserer Ehrenamtlichen aus dem Projekt „wellcome“. Wenn wir den Eindruck haben, dass es nach der Geburt des Kindes besonders anstrengend beziehungsweise belastend für die jungen Eltern werden könnte, beispielsweise, wenn die Mutter alleinerziehend ist, eine Familie neu zugezogen ist und keine Angehörigen oder Freunde in der Nähe hat oder eine Mehrlingsgeburt ansteht, dann schlagen wir Besuche unserer „wellcomeEngel“ vor. Ines Appel: Unsere Ehrenamtlichen erhalten Schulungen, Reflektionsgespräche und Fortbildungen, zum Beispiel in Erster Hilfe und im Umgang mit Konfliktsituationen. Dies und ihre eigene Erfahrung reicht in den meisten Fällen auch aus. Wenn zum Beispiel der Säugling sehr viel schreit, wissen unsere Ehrenamtlichen, wo in der Nähe ein spezieller Kinderarzt oder eine Schreiambulanz zu finden ist. Und wir wählen natürlich im Vorfeld nur Familien aus, die wir für diese Form der Unterstützung geeignet halten. In absehbar schwierigeren Familiensituationen vermitteln wir andere fachliche Hilfen. Wer sind die „wellcome“-Engel und wie unterstützen sie die Familien? Ines Appel: Wir haben vor allem ältere Frauen, die sich in diesem Bereich engagieren. Das kommt auch sehr gut in den Familien an. Die Ehrenamtlichen werden als eine Art Ersatz-Großmutter meist sehr gut akzeptiert – von allen Familienmitgliedern. Die „wellcome-Engel“ gehen ein- bis zweimal pro Woche für zwei bis drei Stunden in die Familien. Dort spielen sie dann mit den Geschwisterkindern, begleiten die Mütter zu Arztbesuchen – das ist besonders bei Müttern von Mehrlingen eine große Hilfe – oder sie gehen mit dem Säugling auch einmal eine halbe Stunde spazieren, damit die Mütter einmal verschnaufen können. Oft geht es aber auch darum, den jungen Eltern einfach zuzuhören oder mit kleinen praktischen Tipps zur Seite zu stehen. Viele unserer „wellcome-Engel“ sind erfahrene Mütter. Ines Appel ist Mitarbeiterin in der Schwangerenberatung im Diakonischen Werk Hittfeld und Winsen Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft 47 „wellcome“ Eine bewährte Form der „Frühen Hilfen“ Regionale Informationen im Internet Im Januar 2012 trat das Bundeskinderschutzgesetz in Kraft und im November 2012 die niedersächsischen Fördergrundsätze. Der aktive Schutz von Kindern sollte gestärkt werden durch frühe Hilfen und verlässliche Netzwerke. Die Netzwerke dienen der optimalen Zusammenarbeit von verschiedenen Institutionen, zum Beispiel Beratungsstellen, Jugendämtern und Einrichtungen des Gesundheitswesens. „Frühe Hilfen“ ist inzwischen zu einem Fachbegriff geworden, der vom Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) ausführlich beschrieben wird. Kurz gesagt: Frühe Hilfen unterstützen Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder. Frühe Hilfen zielen darauf ab, Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern und Eltern in Familien frühzeitig und nachhaltig zu verbessern. „wellcome“ ist moderne Nachbarschaftshilfe „wellcome“ ist moderne Nachbarschaftshilfe für Familien nach der Geburt eines Kindes. Viele Familien erleben die erste Zeit mit einem Baby wie auf einem fremden Planeten. Weit und breit ist keine Hilfe in Sicht – die eigene Familie lebt nicht „um die Ecke“, die Nachbarschaft ist noch unbekannt und der Urlaub des Vaters ist zu Ende. Doch Mütter brauchen gerade in dieser ersten Zeit mit dem Baby kleine Auszeiten und Unterstützung. Damit aus der großen Freude über das Baby kein Stress wird, verhelfen die ehrenamtlichen „wellcome-Engel“ zu kleinen Pausen, in denen die Mütter wieder Kraft schöpfen können. In Niedersachsen gibt es insgesamt 31 „wellcome“-Standorte. Davon sind 25 in evangelischer Trägerschaft in Familienbildungsstätten und in den Schwangerenberatungsstellen der Diakonischen Werke. Diese Arbeit wird auch mit Kollektenmitteln gefördert. Damit sich Familien und Fachleute über das Angebot der Frühen Hilfen in ihrer Region informieren können, wurde vom Land Niedersachsen das Internetportal www.fruehe-hilfenniedersachsen.de entwickelt, das im April 2013 von Sozialministerin Cornelia Rundt offiziell eröffnet wurde. An der Entwicklung war auch das Referat Familienhilfe des Diakonischen Werkes der Landeskirche Hannovers als Vertreter der Evangelischen Aktionsgemeinschaft für Familienfragen in Niedersachsen (eaf) und für die Diakonie in Niedersachsen beteiligt. Das Spektrum der Angebote richtet sich an Eltern und Kinder ab Beginn der Schwangerschaft bis zum Grundschulalter. Sind Eltern auf der Suche nach dem Austausch mit anderen Eltern, wollen sie sich beispielsweise über Schwangerschaftskurse oder Babymassage erkundigen oder eine Ansprechperson zu Fragen der Entwicklung ihres Kindes suchen – hier hilft ein Blick auf die neue Internetseite, auf der Anbieter ihre Angebote tagesaktuell einstellen. Eva-Maria Zabbée ist Referentin für Familienhilfe im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers 48 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Was ist schon Inklusion? Erfahrungen während einer inklusiven Familienfreizeit der Evangelischen Familien-Bildungsstätte Hildesheim „Hallo, hallo, hallllloooooo“ – ein Junge springt auf mich zu, er überschreitet alle Distanz- und Abstandsregeln, die wir kennen. Er steht mit seiner Nase direkt an meiner Nase. Voller Freude schreit er: „Hallo, Hallllooooooo“. Währenddessen rasselt er mit Kleiderbügeln. Nicht nur ich bin leicht erschrocken, sondern auch alle anderen im Raum. Höflich weise ich ihn darauf hin, einen Schritt zurück zu gehen und erwidere freundlich „Hallo“. ließ, was Inklusion wohl bedeuten könnte. In den Osterferien ging es mit 8 Familien nach Kotzenbüll an der Nordsee auf den Mars-Skipper Hof. Als Teilnehmer fuhren 16 Kinder und 14 Erwachsene mit, zusammen mit sechs Betreuerinnen. Die Freizeit war für behinderte und nichtbehinderte Kinder und Erwachsene und deren Familien ausgeschrieben. Es gab keine Altersbeschränkung für die Kinder, sodass Kinder im Alter von 3 Monaten bis 15 Jahren mitfahren konnten. Diese geschilderte Situation war die erste und gleichzeitig eindrücklichste, die uns auf dem Kennenlerntreffen für eine Familienfreizeit mit Eltern, Kindern und Freizeit-Team erahnen In der aktuellen Debatte um das Thema Inklusion geht es oft um das Schulsystem. Die Evangelische Familien-Bildungsstätte Hildesheim hat es sich zum Ziel gesetzt, neue Wege inklusiver Bildungsarbeit zu beschreiten und Erfahrungen im nicht-schulischen Kontext über Freizeitangebote zu machen. „Inklusion kann am besten durch Handeln und Praxis, und weniger über Gespräche und Debatten erlebbar gemacht werden“, so die Überzeugung der Projektleiterin Katharina Günter. Nach einem halben Jahr Planung konnte in Kooperation mit der Fachhochschule Ostfalia bereits eine erste konkrete Maßnahme starten: eine fünftägige, inklusive Familienfreizeit in den Osterferien 2013. Aber was war nun über die sehr gemischte Teilnehmerstruktur hinaus das inklusive an der Freizeit? Die Äußerung eines Vaters steht hier exemplarisch für die in der Freizeit gemachten Erfahrungen. Sein Sohn hat das Down-Syndrom, er kennt sich aus mit Freizeiten und auch im Umgang mit anderen behinderten Kindern. Der Junge aus dem Eingangsbeispiel überschritt auch bei ihm alle Nähe- und Distanzgrenzen. Nun wusste er nicht, wie er sich verhalten sollte. Abweisen? Nein, der Junge kann doch nichts dafür… Also, sich selber weiter unwohl fühlen? Der Vater erzählt weiter. „Mein Sohn hat mir gezeigt, was zu tun ist. Er hat ihn einfach zurückgewiesen und ist weiterhin ohne Hemmungen mit ihm umgegangen.“ Der Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Vater ist erstaunt: „Mein Sohn muss mir zeigen, dass ich mit diesen Jungen ‚normal‘ umgehen kann und keine Angst oder gar Hemmungen haben muss?“ So gab es viele Situationen des Miteinander-Lernens. In der Auswertung der Freizeit stellte sich heraus, dass das gemeinsame Miteinander und Erleben entscheidend dazu beiträgt, behinderte Menschen nicht als „Aussätzige“ zu begreifen, sondern als Menschen wie du und ich. Das lässt uns rückfragen: Wenn wir soviel voneinander lernen können, warum sollte das in getrennten Institutionen geschehen? Die Evangelische Familien-Bildungsstätte plant auch in Zukunft die Durchführung von inklusiven Familien-Freizeiten. Die Nachfrage ist hoch, die erste Erfahrung war einzigartig und macht Freude auf mehr. 49 Familienfreizeiten Familien sind heute vielfältigen Belastungen ausgesetzt. Der nebenstehende Bericht zeigt deutlich, dass Familienfreizeiten Zeiträume für neue Erfahrungen und Impulse eröffnen. Sie ermöglichen den Erfahrungsaustausch und die Reflektion mit Eltern. Auf Familienfreizeiten erfahren Eltern und Kinder gemeinsam positive Erlebnisse und suchen gemeinsam nach neuen Wegen im Zusammenleben. Das Land Niedersachsen fördert Familienfreizeiten, in denen Ehe-, Familien-und Erziehungsfragen sowie Fragen der gesundheitlichen Vorsorge behandelt werden. Über die eaf – Evangelische Aktionsgemeinschaft Niedersachsen wurden in diesem Jahr 75 Anträge von unseren Mitgliedern, zum Beispiel Kirchengemeinden, Diakonischen Werken in den Kirchenkreisen oder Familienbildungsstätten für Familienfreizeiten gestellt. Das Land Niedersachsen fördert auch Familienerholungsurlaube für Familien mit geringem Einkommen, um ihnen eine gemeinsame Erholung zu ermöglichen. Anträge können Familien über die örtlichen Diakonischen Werke einreichen. Katharina Günter ist Projektleiterin für inklusive Bildungsarbeit in der Evangelischen FamilienBildungsstätte Hildesheim Eva-Maria Zabbée ist Geschäftsführerin der Evangelischen Aktionsgemeinschaft für Familienfragen in Niedersachsen und Referentin für Familienhilfe im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers 50 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Soziale Netzwerke nutzen Selbsthilfe für Suchtkranke und Angehörige Mitarbeitende der Suchthilfe bei der Fortbildung „Soziale Netzwerke Helma Thiemann und Peter Müller probieren soziale Netzwerke aus für Interessierte aus der Selbsthilfe“ Das Suchthilfesystem in Niedersachsen ist im deutschlandweiten Vergleich quantitativ und qualitativ sehr weit ausgebaut. Zur Diakonie in Niedersachsen gehört etwa die Hälfte der stationären und ambulanten Hilfeangebote für Menschen mit Suchterkrankungen. und teilweise noch durch die Teilnahme an Gruppen(therapie) sitzungen ergänzt wird. Auch im Selbsthilfebereich findet die Beratung und Begleitung eher im Einzelgespräch (face-toface-Setting) statt, wobei die regelmäßigen Gruppentreffen das Kernangebot darstellen. Neben dem professionell ausgebauten Hilfesystem mit Prävention, Beratung und Behandlung kann sich die diakonische Suchthilfe in Niedersachsen auf drei Selbsthilfeverbände stützen: Blaues Kreuz in Deutschland – Landesverband Niedersachsen, Landesverband Niedersachsen des Blaues Kreuzes in der Evangelischen Kirche e.V. und Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe – Landesverband Niedersachsen e.V. Dieser Beratungs- und Behandlungsablauf hat in den letzten Jahrzehnten in den Beratungsstellen dominiert und wird auch in den nächsten Jahren voraussichtlich der typische Ablauf bleiben. Doch im Sinn der Inklusion ist es erforderlich, über weitere Zugänge zum Hilfesystem für Suchtkranke und ihre Angehörigen nachzudenken. Es müssen Barrieren beseitigt werden, die hilfesuchenden Menschen den Zugang zum etablierten Hilfesystem erschweren oder sogar verwehren. Hierbei können die sozialen Netzwerke im Internet, die in den vergangenen Jahren eine rapide Weiterentwicklung erfahren haben, eine Möglichkeit bieten. Suchthilfe-Beratung im Wandel Traditionell finden Beratungen und Interventionen der professionellen Suchthilfe und Suchtselbsthilfe am Telefon und im persönlichen Gespräch statt. Auf den telefonischen Erstkontakt zur inhaltlichen und terminlichen Vorabstimmung folgt ein Beratungsgespräch und weitere sich daraus ergebende Interventionen. Das gesamte System ist aufgebaut als ein Vier- bis Sechsaugenkontakt, der sich in der Regel während der gesamten Beratungs- und Behandlungsphase durchzieht Noch vor fünf Jahren haben wir Diskussionen darüber geführt, ob wir Informationen künftig nur noch papierlos, zum Beispiel per E-Mail, zur Verfügung stellen sollten. Damals haben wir diese Überlegung verworfen, weil nur ein Bruchteil aller Menschen, die Hilfe gesucht haben, per E-Mail erreichbar waren. Die relativ hohen Druck- und Portokosten wurden weiter in Kauf genommen. In den letzten zwei Jahren hat sich Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft 51 Zur Diakonie in Niedersachsen gehört etwa die Hälfte der niedersächsischen stationären und ambulanten Hilfeangebote für Menschen mit Suchterkrankungen. dieser Trend umgekehrt: Mittlerweile versenden wir nur noch in Ausnahmefällen auf Wunsch Programm- und Informationsbroschüren postalisch; alle weiteren Informationen werden per E-Mail beziehungsweise als Download-Angebot über unsere Homepage ausgetauscht. vorgestellt. Die Teilnehmenden diskutierten dabei unter anderem, ob die Anwendungen von Blogs zur vertieften Debatte über Einzelthemen, die Präsentation über Facebook-Seiten oder die Informationsweitergabe über Twitter eine angemessene Weiterentwicklung für Selbsthilfeverbände darstellen können. Nicht nur die Evangelische Landesarbeitsgemeinschaft für Suchtfragen (ELAS) in Niedersachsen, sondern fast jede Beratungs- und Behandlungsstelle der Diakonie und jeder Selbsthilfeverband haben inzwischen eigene Websites, über die sie Informationen über die Institutionen, die Angebote und die Zugänge zu Suchthilfe und Suchtselbsthilfe anbieten. Parallel dazu wurde bundesweit ein Online-Beratungsnetz für die unterschiedlichen diakonischen und kirchlichen Hilfsangebote aufgebaut, unter anderem auch für die Suchtberatung. Viele Teilnehmer erkannten, dass zunächst eine eigene intensive Auseinandersetzung mit den interaktiven Internetangeboten, den Möglichkeiten und Grenzen erforderlich ist. In jedem Selbsthilfeverband wird Überzeugungsarbeit geleistet werden müssen, um andere Mitglieder für die Kommunikation in sozialen Medien zu gewinnen. Da die Betreuung solcher Angebote zeit- und personalintensiv ist, muss sie als Beratungsangebot von einer breiten Interessentenzahl gestützt werden. Um in diesem Zusammenhang Überforderung zu vermeiden, sollte geprüft werden, ob künftig internetbasierte Angebote gemeinsam betreut werden. Als Organisationsplattform könnte der ELAS als Fachverband die Koordination übernehmen. Doch E-Mailversand und Homepagepräsentationen sind eindimensionale Mitteilungen vom Anbieter zum Empfänger. Das Internet bietet inzwischen viele Möglichkeiten der interaktiven Kommunikation. So ermöglicht das Online-Beratungsportal für Kirche und Diakonie auch einen in der Regel geschützten Schriftwechsel. Über Fachthemen tauschen sich Menschen im Internet auch oft in sogenannten Foren aus. Hier werden Hilfeangebote von Menschen mit vertieften Fachkenntnissen für Interessierte gemacht. Solche Foren gibt es natürlich auch zur Information und Beratung für die Menschen, die unter Suchterkrankungen leiden. Wie die Sucht(selbst)hilfe soziale Netzwerke nutzen kann Auf einer Fortbildung zum Thema „Soziale Netzwerke für Interessierte aus der Selbsthilfe“ wurden Anfang Mai 2013 unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten des Social Web Die beschriebenen Internetangebote können eine sinnvolle Ergänzung zum bisher fast ausschließlich stattfindenden face-to-face-Setting der Beratung sein. Besonders Menschen mit Handicaps bekommen so einen besseren Zugang zum Suchthilfesystem. Inwieweit dadurch auch Behandlungen und Therapien möglich werden können, bleibt abzuwarten. Roland Johannes ist Referent für Suchtfragen und Straffälligenhilfe im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers 52 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung Inklusive Praxisentwicklung in evangelischen Kindertageseinrichtungen Alle Kinder sind gleich Alle Kinder sind gleich. Jedes Kind ist besonders. Geht es um elementare Bedürfnisse wie Bindung, Kontakt zu Gleichaltrigen, Nahrung, Liebe und Anerkennung, sind sie gleich. In der Einzigartigkeit, den Stärken und Schwächen und ihren Lebenswelten unterscheiden sie sich. In den evangelischen Kindertageseinrichtungen treffen Kinder, Eltern und pädagogische Fachkräfte mit unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft, aber oft auch mit ähnlichen Familienkulturen und Wertvorstellungen aufeinander. Sie spiegeln sowohl die gesellschaftliche Vielfalt als auch die sozialen Ungleichheiten wider. Im Elementarbereich begleitet uns der Begriff Inklusion schon seit vielen Jahren und hat durch verschiedene Veranstaltungen, etwa beim Fachtag 2006 „Von der Integration zur Inklusion – ein Paradigmenwechsel?“, zu einer Diskussion und fachlichen Auseinandersetzung an der Basis geführt. Durch die UN-Behindertenrechtskonvention hat diese Entwicklung einen weiteren Schub erhalten. Einige Initiativen zur Inklusion gehen davon aus, dass sie auf unterschiedlichen Ebenen gleichzeitig ansetzen müssen. Sowohl auf der subjektiven Ebene (Haltung und Einstellungen) als auch auf der institutionellen (zum Beispiel in Kindertageseinrichtungen) und auf der gesellschaftlichen Ebene (zum Beispiel in Kirchengemeinden) seien Analysen des Gegebenen notwendig, um einen Veränderungsbedarf bestimmen und konkrete Veränderungen vornehmen zu können. Auch in unserer Landeskirche gibt es darüber einen Diskussionsprozess, zum Beispiel in der Landessynode und deren Ausschüssen „Diakonie und Arbeitswelt“ und „Bildung“. Daraus entstand das Konzept einer berufsbegleitenden Qualifizierung für Leitungskräfte zur „Fachkraft für inklusive Prozesse“. Diese wird von den Evangelischen Fachschulen Osnabrück im Auftrag und in Kooperation mit dem Diakonischen Werk der Landeskirche durchgeführt. Barrieren beim Spielen und Lernen verhindern In den evangelischen Kindertageseinrichtungen geht es darum, Barrieren beim Spielen und Lernen für alle Kinder auf ein Minimum zu reduzieren. Inklusion erfordert von den Mitarbeitenden, die Kindertageseinrichtung so zu gestalten, dass sich Kinder mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen erfolgreich miteinander entwickeln können. Inklusion vermeidet Ausgrenzung von Anfang an. Im Gegensatz zur Integration ist ihr Ziel nicht die Anpassung des Individuums an die Gesellschaft, sondern die Veränderung des Systems. So verstanden gibt es keine Kinder mit Behinderungen, sondern nur behindernde Strukturen. Schulungen für pädagogische Leitungskräfte Die Inhalte der Qualifizierung orientieren sich stark an dem Konzept der „vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung“. Diskriminierungen sollen bereits in den Kindertageseinrichtungen angesprochen und Gegenstrategien dazu entwickelt werden. Dieser Ansatz geht davon aus, dass bereits kleine Kinder Vorurteile und Vorstellungen über andere Menschen haben – sei es aus Kinderbüchern, Filmen oder der Werbung. Kinder brauchen deshalb pädagogische Fachkräfte, die Einseitigkeiten erkennen und intervenieren können. „Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung“ ist ein pädagogischer Ansatz aus den USA („Anti-Bias-Approach“), der auf deutsche Verhältnisse übertragen wurde. Er soll die Kinder unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft darin unterstützen, ihre Lebenswelt zu verstehen und zu gestalten. Von den Fachkräften fordert er, Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft dass sie sich möglicher Einseitigkeiten bewusst machen, die ihre Einrichtung und die pädagogische Praxis prägen. Vielfalt als Bereicherung verstehen Es ist vorgesehen, dass die Absolventinnen und Absolventen der Fortbildungen ihre erworbene Fachkompetenz auf der Ebene des Kita-Verbandes oder Kirchenkreises weitergeben, indem sie Prozesse initiieren und unterstützen und den Ansatz der Inklusion in die Praxis tragen. Neben Impulsen in Leitungskreisen, Arbeitsgruppen oder Teambesprechungen werden auch Studientage stattfinden, in denen der inklusive Ansatz und die damit verbundenen Werthaltungen erarbeitet werden können. Vielfalt ist Bereicherung – durch die Qualifizierung setzt das Diakonische Werk ein Zeichen zur Umsetzung inklusiver Prozesse. Der Weg hin zu einer inklusiven Gesellschaft erfordert von allen, auch von Kindertageseinrichtungen und Kirchengemeinden, die Erweiterung ihrer Fähigkeiten und Kompetenzen mit dem Ziel, dass sich Einrichtungen künftig ihren Nutzerinnen und Nutzern anpassen – und nicht anders herum. Sigrid Sternitzke ist Referentin für Inklusion im Referat Kindertageseinrichtungen im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers 53 54 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Gedanken zur Inklusion in der Jugendhilfe Manfred (Name geändert) ist nicht ganz einfach. Man könnte auch sagen, er ist sehr schwierig. Und er kann ohne Hilfsmittel oder Hilfestellung kaum alleine laufen. Seine Beine sind seit der Geburt verkrümmt und er hat spastische Lähmungen, die den Bewegungsablauf beeinträchtigen. Wenn Manfred nicht gut drauf ist – und das kommt häufiger vor, beschimpft und beleidigt er jede Person, die in seiner Nähe ist, in übler Weise. Gelegentlich wirft er dann auch mit Gegenständen. Es fällt ihm sehr schwer, sich wieder zu beruhigen. Anfangs war Manfred in der Grundschule. Er ist nicht dumm, vielleicht sogar etwas klüger als der Durchschnitt. In den ersten Schuljahren versuchten Lehrer, Eltern und Mitschüler mit seinen unkontrollierten Wutausbrüchen klarzukommen. Doch als er älter wurde, ging das nicht mehr. Seine Eltern wollten zwar, dass Manfred möglichst ganz „normal“ wie alle Gleichaltrigen behandelt wurde, aber sein Verhalten führte immer häufiger zu einer Eigen- und Fremdgefährdung. Das Problem waren nicht die körperlichen Beeinträchtigungen, sondern sein zunehmend unberechenbares Verhalten. Auch für Manfreds Eltern wurden diese Verhaltensweisen und ihre Folgen schließlich eine zu große Belastung. Sie brauchten dringend Hilfe und Unterstützung, für Manfred und auch für sich selbst. Deshalb kam der Junge zwischenzeitlich sogar einige Male in die Psychiatrie. Von Mitarbeitenden dort wurde den Eltern auch empfohlen, gemeinsam mit dem Jugendamt nach einer geeigneten Einrichtung für Manfred zu suchen, in der er angemessen betreut und gefördert werden könne. Manfred war 12 Jahre alt, als das Jugendamt im Rahmen der Hilfen zu Erziehung mit ihm und seinen Eltern schließlich eine geeignete Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung fand. Manfred und seine Eltern lernten Einrichtung und Mitarbeiterinnen kennen und entschieden sich für das Heim. Dort gab es auch eine Förderschule für emotionale und soziale Entwicklung, die Manfred besuchen konnte. In den ersten sechs Monaten wurde er von einer Pädagogin aus dem Heim in die Schule begleitet. Manfred ist jetzt seit mehr als vier Jahren in der Jugendhilfeeinrichtung. Er fährt regelmäßig nach Hause zu seinen Eltern, und in einem Teil der Ferien machen sie gemeinsam Urlaub. Die gemeinsamen Zeiten können sie genießen – meist sogar ohne Streit. Mit der Schule klappt es immer noch nicht so gut, aber es gibt Fortschritte. Manfred hat gelernt, seine Ausbrüche besser zu kontrollieren und aufgestaute Energie auch mal in der Sporthalle abzulassen. Es ist nicht alles gut, aber es gibt Veränderungen, die zum Wohl von Manfred und seinem Verhältnis zu seinen Eltern geführt haben. Wird es bei der „großen Lösung“ der Inklusion keine Kinderund Jugendhilfeeinrichtungen und keine Förderschulen mehr geben? Sind Kinderheime ein Regelsystem oder eine Spezialeinrichtung? Wie wird man dann Kindern und Jugendlichen wie Manfred helfen? Brauchen wir nicht weiterhin „verschiedene“ Einrichtungen und Schulen, weil Menschen verschieden sind – und weil „es normal ist, verschieden zu sein“? Ralph Hartung ist Referent für Jugendhilfe im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft 55 56 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Freiwillige im FSJ und BFD in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen „Ich habe jetzt mehr Geduld mit Menschen“ Im aktuellen Jahrgang leisten 364 Männer und Frauen ein Freiwilliges Soziales Jahr und 183 einen Bundesfreiwilligendienst in Einrichtungen des Diakonischen Werkes der Landeskirche Hannovers. Die Hälfte von ihnen arbeitet in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Sie leisten ihren Freiwilligendienst in Wohn- und Betreuungseinrichtungen, in Tagesförderstätten, in Werkstätten, Förderschulen, integrativen oder heilpädagogischen Kindertagesstätten oder in der individuellen Schwerbehindertenbetreuung. Ihre Aufgaben sind vielfältig: Sie unterstützen Menschen bei der Bewältigung ihres Alltags, in den Werkstätten, bei der Grundpflege, bei hauswirtschaftlichen Tätigkeiten oder bei der Freizeitgestaltung und ermöglichen ihnen dadurch die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. So sind sie Begleitende bei Konzert- oder Theaterbesuchen, unterstützen bei der Teilnahme an Sportveranstaltungen und manchmal fahren sie auch mit in den Urlaub. Nur rund acht Prozent der Freiwilligen bewerben sich direkt für einen Dienst in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen. Erst die Beratung durch Referentinnen und Referenten und die Begegnung mit Freiwilligen oder Ehemaligen im Diakonischen Werk sowie Hospitationen haben sie ermutigt, sich auf diese Arbeit einzulassen. Bereut hat diese Entscheidung aber kaum eine Freiwillige oder ein Freiwilliger. Über 90 Prozent äußern im Anschluss an den Einsatz, dass die Arbeit sie persönlich bereichert und auch verändert habe. Eine von ihnen ist Ann-Kathrin Bruns (21). Sie arbeitet in der Tagesförderung im Haus Herzogin-Elisabeth in der Diakonie Himmelstür in Wildeshausen. Sie sagt über ihre Arbeit, dass sie ihr Spaß macht, dass es viel zu tun gibt und die Kolleginnen und Kollegen nett sind. Einen besonders schönen Moment erlebte sie, als eine Bewohnerin mit ihr Kartoffeln schälen lernte und einen anderen, als ihr eine Bewohnerin eine selbst genähte Tasche zu Weihnachten schenkte. Aber Ann-Kathrin Bruns erinnert sich auch an schwierige Situationen, wenn es viel Stress oder körperliche Übergriffe gab und die psychische Belastung hoch war. Sie sagt über das, was sie persönlich in diesem Jahr verändert hat: „Geduld habe ich nun mit allen Menschen und ich kann jetzt gärtnern!“ „Ich bin überrascht, wie normal diese Arbeit für mich geworden ist“ Auch Lydia Kost (20) hatte anfangs andere Wünsche hinsichtlich ihrer Einsatzstelle. Jetzt ist sie Freiwillige im Taubblindenzentrum in Hannover-Kirchrode im Wohnheim für Erwachsene. Sie begleitet die Bewohner zu Einkäufen, achtet auf ihre Termine, unterstützt bei Hilfebedarf und reicht gemeinsam mit anderen Mitarbeitenden das Essen an. Auch die Begleitung in den Urlaub gehört zu ihren Tätigkeiten. Sie sagt: „Ich bin wirklich überrascht, wie normal die Einsatzstelle für mich geworden ist. Und auch Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft wie normal es ist, mit Menschen mit Behinderung zu arbeiten.“ Schwierige Situationen gab es am Anfang, als sie noch nicht gut mit den Bewohnern kommunizieren konnte und die Bewohner mit Unverständnis reagiert haben. Heute gehören die Momente der Kontaktaufnahme mit den Bewohnern zu den schönen Momenten und sie erfährt Freude, Offenheit und Dankbarkeit. Das hat auch sie verändert. In der gleichen Einrichtung arbeitet auch Ester Richter (23). Sie hat sich gezielt für ein FSJ in diesem Arbeitsbereich beworben: Dafür hat sie ihr Studium als Gebärdensprachdolmetscherin unterbrochen. Im Wohnheim kann sie ihre bisher erworbenen Kenntnisse einsetzen und erweitern. Sie sagt: „Wenn Besuch kommt, der weder Gebärden noch Lormen (Tastalphabet für Taubblinde) kann oder auch unterwegs bei Einkäufen oder im Restaurant übersetze ich.“ Auch die Post lormt sie für die Bewohner. Schöne Momente erlebte sie bei einem Ausflug in den Serengeti-Park. Sehr berührt hat sie, als sie den verlorenen geglaubten Hut einer Bewohnerin wiedergefunden hatte. „Sie hat sich so gefreut, dass sie mich umarmt hat“, sagt Ester Richter. Bei mehr als der Hälfte der Freiwilligen hat der Freiwilligendienst auch Auswirkungen auf die Berufswahl. Für einige ist es auch eine Möglichkeit zu überprüfen, ob der bisher angestrebte Arbeitsbereich der richtige ist. Im Freiwilligeneinsatz entstanden Freundschaften Max Zietz (20) ist FSJler in der Annastift Lernen und Leben gGmbH in Hannover. Er arbeitet in der individuellen Schwerbehindertenbetreuung und ist in der persönlichen Assistenz für einen Bewohner zuständig. Er erlebte, dass sich aus dieser Tätigkeit Freundschaften entwickeln können. Bereits vor Beginn des FSJ 57 war für ihn klar, dass er Heilerziehungspfleger werden möchte. Er ist einer der wenigen, die sich direkt für einen Freiwilligendienst in diesem Arbeitsfeld beworben haben. Über seine Arbeit sagt er: „Ich bin an der Arbeit gereift und habe gemerkt, dass Menschen – ob sie eine Behinderung haben oder nicht – im Grunde genommen gleich sind.“ Der Freiwilligendienst hat ihn darin bestärkt und bestätigt, dass er auf dem richtigen Weg ist. Am 1. Oktober 2013 wird er eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger beginnen. Eine Konkretisierung seiner beruflichen Ziele gab es durch das FSJ bei Sven Gänsler (20). Er arbeitet im Emil-Isermeyer-Haus in Osterwald, einer Einrichtung der Diakonie Himmelstür für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung. Sein Berufswunsch Erzieher zu werden, stand schon zu Beginn fest. Mit dem FSJ wollte er die Wartezeit auf einen Schulplatz überbrücken. Mit dieser Entscheidung ist er sehr zufrieden. Die Direktheit und Unbeschwertheit der Bewohner im Umgang miteinander gehören für ihn zu den positiven Erfahrungen. Er wünscht sich jetzt, nach seiner Ausbildung in einer integrativen Kindertagesstätte arbeiten zu können. Christine Vetter ist Referentin für Freiwilligendienste im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers 58 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft „All-inclusive“? Entwicklungszusammenarbeit von Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst Mit Unterschieden leben – Entwicklungszusammenarbeit inklusiv gestalten Inklusionsdebatten in Deutschland bedeuten Diskussionen um Schulformen und Lehrpersonal, Beiräte und „Leichte Sprache“. Was aber bedeutet die Vision einer inklusiven Gesellschaft, wenn man sie auf entwicklungspolitische Zusammenhänge überträgt? Geschlechtergerechtigkeit in Indien, Armutsbekämpfung im Kongo, Beistand für verfolgte Menschenrechtsanwälte – Menschen weltweit zu unterstützen, die ausgegrenzt, diskriminiert und benachteiligt werden, damit sie sich selbst aus ihrer Situation befreien können, ist das Kernanliegen von Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst. Ziel ist eine globale Gesellschaft aller Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit und Gemeinsamkeit. Eine Gesellschaft, in der keiner benachteiligt wird und alle gleichberechtigt sind – egal welcher Herkunft, Hautfarbe, Religion, sozialer Schicht, Geschlecht. Brot für die Welt setzt sich nachdrücklich für die Teilhabe von Menschen an Prozessen der Entwicklung ein, damit jeder einen gleichberechtigten Teil der Gesellschaft bildet. Die Millenniums-Entwicklungsziele, die im Jahr 2000 auf einem UN-Gipfel von mehr als 189 Ländern beschlossen wurden, vereinbaren, den Anteil der Weltbevölkerung, der unter absoluter Armut und Hunger leidet, bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) von 2006 fordert unter anderem, Menschen mit Behinderungen in internationale Entwicklungsprogramme einzubeziehen und für sie zugänglich zu machen (Artikel 32). Aber: Eine umfassende Gesamtstrategie „Entwicklungszusammenarbeit inklusiv gestalten“ mit konkreten Maßnahmen fehlt bei staatlichen wie nicht-staatlichen Akteuren. Auch bei Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst liegt bisher noch keine umfassende Strategie „Inklusion“ vor. Aber das Hilfswerk befindet sich in einem Prozess zur Umsetzung der UN-BRK bei der Projektförderung und im Werk selbst. Doch ist Inklusion nur, was explizit als solche bezeichnet wird? Die Einbeziehung und Stärkung der Rechte gerade von marginalisierten, unterprivilegierten und armen Menschen ist ein Kernanliegen von Brot für die Welt. Das Leitbild von Brot für die Welt ist seit der Gründung der Aktion 1959 immer beteiligungsorientiert „Hilfe zur Selbsthilfe“: Vom Beginn seiner Arbeit an agiert das kirchliche Hilfswerk ohne eigenes wirtschaftliches oder missionarisches Interesse. Nur partnerschaftliche Programme, die vor Ort geplant und durchgeführt Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft werden und in allen Schritten die Bevölkerung miteinbeziehen, werden darum bei der Mittelvergabe berücksichtigt. Ziel ist das Empowerment der Menschen in den Ländern vor Ort, also die Stärkung zur Selbstverantwortung, damit sie eigenverantwortlich und selbstbestimmt für ihre Anliegen eintreten können. Wie die Partnerorganisationen an Prozessen teilhaben können, damit es sich um eine wirklich partizipatorische Partnerschaft handelt, wird bis heute immer wieder im Dialog mit den Partnern diskutiert. Durchaus als „inklusiv“ zu bezeichnen ist auch der seit der Gründung geltende Ansatz, Projekte weltweit nach der herrschenden Not und Zweckhaftigkeit zu fördern – unabhängig von der Religions- oder Konfessionszugehörigkeit der Menschen, die von den Projekten profitieren. Die Frage nach der Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern in Entwicklungsprozessen ist ebenfalls Aufgabe einer inklusiven Entwicklungszusammenarbeit. Ab den achtziger Jahren nahm Brot für die Welt die Frage von „Frauen und Entwicklung“ strategisch in den Blick. 1992 wurden die 59 „Wege zu einer frauengerechten Entwicklungszusammenarbeit“ beschlossen, die ausdrücklich eine „frauengerechte Entwicklung“ forderten. Seit 1995 beschäftigt sich ein Gender-Begleitausschuss mit Fragen der Geschlechtergerechtigkeit bei Brot für die Welt. Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst arbeitet mit Projektpartnern in Afrika, Asien, Mittel- und Südamerika und Osteuropa zusammen. Auch in der Projektförderung wird bereits inklusiv gearbeitet und gezielt Projekte unterstützt, die die Inklusion von Menschen mit Behinderung fördern und sich für ihre Rechte einsetzen. Ein Beispiel ist das Ecumenical Disability Advocates Network (EDAN). EDAN setzt sich als Netzwerk unter dem Dach des Weltkirchenrats für Inklusion, die Rechte von Menschen mit Behinderungen und die aktive Beteiligung von Menschen mit Behinderung im sozialen, spirituellen und wirtschaftlichen Leben ein. So fördert es den Dialog innerhalb der Kirchen und ihrer theologischen Ausbildung zu Inklusion. Wie inklusive Projektarbeit aussieht, zeigt auch die Zusammenarbeit mit dem „Heilpädagogischen Zentrum“ in Russland. Bis die Rechte von Menschen mit Behinderungen auf allen Ebenen in Russland und der Föderation wahrgenommen werden, ist es noch ein weiter Weg. 60 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Projektbeispiel Heilpädagogisches Zentrum in Russland – Advocacy-Arbeit für die Rechte von Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen Geschlossene Heime, keine Förderung individueller Kompetenzen, keine Arbeitsmöglichkeiten – die Situation von Menschen mit Behinderungen in Russland ist oft prekär und menschenunwürdig. Die Organisation „Heilpädagogisches Zentrum“ setzt sich darum als Partnerin von Brot für die Welt unter anderem mit Lobby- und Advocacy-Arbeit für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Russland ein. „Da Russland kein Entwicklungsland nach OECD-Maßstäben ist, legen wir bei der Förderung von Projekten dort besonderen Wert auf einen rechtebasierten Ansatz, der zum Ziel hat, benachteiligte Bevölkerungsgruppen insgesamt in ihren Rechten zu stärken“, erklärt Susanne Müller, Referentin für Europa bei Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst. Das entspräche auch dem Wunsch des russischen Partners. kulturellem Leben. Zur Zeit der Sowjetunion nahmen Menschen mit Behinderungen faktisch nicht am öffentlichen Leben teil. Erst seit der Jahrtausendwende weisen Politiker und Medien zunehmend auf die notwendigen Verbesserungen der Lebenssituation der Menschen mit Behinderungen hin. Doch Meinungsumfragen zeigen, dass in der russischen Gesellschaft noch immer eine große soziale Distanz zwischen Menschen ohne und mit Behinderung herrscht. Menschen mit Behinderungen werden stigmatisiert. Besonders die Wahrnehmung von Menschen mit Behinderungen als gleichberechtigter Teil der Zivilgesellschaft, der selbstbestimmt für seine Rechte eintritt, fehlt. In Russland leben mehr als 13,3 Millionen Menschen mit Behinderungen, 500 000 von ihnen sind Kinder. Viele sind von Armut betroffen und haben nur einen eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsversorgung, Rehabilitationsmaßnahmen und Die Organisation „Heilpädagogisches Zentrum“ gründete sich 1989 als Selbsthilfegruppe betroffener Eltern, die sich für Rehabilitation und heilpädagogische Maßnahmen für ihre Kinder einsetzten. Viele der Eltern sind alleinerziehende Frauen, deren Männer sie und ihre Kinder überdurchschnittlich oft verlassen. Aufgrund fehlender Betreuungsangebote müssen sich die Mütter meist allein um ihr Kind kümmern, können keiner regelmäßigen Arbeit nachgehen und sind damit von Armut bedroht. Das Heilpädagogische Zentrum setzt sich darum für ambulante Betreuungsformen, Schulbesuch und heilpädagogische Rehabilitationsmaßnahmen ein. Die Nichtregierungsorganisation (NGO) Sehen und tasten… Hören und Entspannen… Für die eigenen Rechte eintreten Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft gründete dafür beispielsweise das führende Zentrum auf dem Gebiet der Heilpädagogik in Russland. Sehr schwierig ist auch die Situation erwachsener Menschen mit Behinderungen in Russland. Sie haben keine Möglichkeit auf Ausbildung oder Arbeit und werden oft in Altenpflegeheime abgeschoben. Besonders marginalisiert werden Menschen mit geistigen Behinderungen: Sie werden von der Gesellschaft isoliert und in ihren Rechten diskriminiert. Familien werden gedrängt, ihre geistig behinderten Kinder in sogenannten Psycho-Neurologischen Instituten unterzubringen und die Vormundschaft an die Heimleitungen zu übertragen. Wer eine geistige Behinderung hat, wird in Russland als nicht rechts- und geschäftsfähig eingestuft. Das bedeutet, Menschen mit geistiger Behinderung haben nicht das Recht, ihre Wohnform frei zu wählen, sich selbst Kleidung oder Lebensmittel zu kaufen oder eine Familie zu gründen. „Bis vor einigen Jahren galt das Thema Leben mit Behinderung in Russland allein als Angelegenheit der Familie. Wer keine Familie hatte, kommt eben in ein staatliches Heim, das an Anstalten erinnert, wie es sie früher auch in Deutschland gab. Die Teilnahme am sozialen Leben, eine individuelle Förderung, gar die Aussicht auf einen Beruf – all das gibt es in diesen staatlichen Heimen nicht“, so Susanne Müller. Erst vor kurzem habe das Schicksal eines vierzehnjährigen Jungen in einem solchen russischen Heim erschüttert. Er war auf 25 Kilo abgemagert und konnte nur durch den Einsatz einer couragierten Pflegerin vor dem Hungertod gerettet wurde. Das Heilpädagogische Zentrum setzte sich mit Kampagnen für die Stärkung der Rechte von Menschen mit Behinderungen ein und drängte durch jahrelange Lobbyarbeit auf die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention. Im Mai 2012 ratifizierte die russische Staatsduma unter Präsident Dmitri Medwedew die UN-Behindertenrechtskonvention schließlich – nicht zuletzt auch aufgrund des zivilgesellschaftlichen Drucks, den das Heilpädagogische Zentrum, gemeinsam mit dem von ihm initiierten landesweiten Netzwerk von 850 NGOs, ausgeübt hat. Die NGO wird häufig als Experte und Berater von der Duma, ihren Arbeitsgruppen und auf föderaler Ebene eingeladen. Um 61 die Konvention konkret umzusetzen, macht das Heilpädagogische Zentrum viele Vorschläge zu Gesetzen, die in wichtigen Gremien aufgenommen werden. Damit Menschen mit Behinderung ihr Recht auf Bildung und Rehabilitation durchsetzen können, bietet das Heilpädagogische Zentrum zusätzlich eine Rechtsberatung an. Was nach der Ratifizierung der UN-Konvention zu tun ist Die Ratifizierung ist als erster Schritt für eine inklusive russische Gesellschaft zu bewerten: Denn die Umsetzung der Konvention mit Entwicklung von Gesetzen, Rechtsnormen und langfristigen Strategien, beispielsweise in der Sozialwirtschaft, liegt an vielen Stellen brach. Zudem sind hohe Kosten mit der Verwirklichung der Normen verbunden, sodass zivilgesellschaftliche Akteure fürchten, dass den Forderungen der Konvention nur teilweise nachgekommen wird. „Bis die Rechte von Menschen mit Behinderungen auf allen Ebenen in Russland und der Föderation wahrgenommen werden, ist es noch ein weiter Weg“, schätzt Susanne Müller. „Trotz Fortschritten auf staatlicher Ebene durch Forderungen von Politikern ist die Umsetzung oft von Desinteresse, fehlendem Kooperationswillen und fehlendem Rechts- und Fachwissen auf Seiten der gesetzgebenden Organe und der zuständigen Behörden geprägt.“ Maike Lukow ist Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Referat Brot für die Welt in der Landeskirche Hannovers 62 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Einfach für alle Barrierefreiheit im Internet hat nichts mit Behinderung zu tun Barrierefreiheit im Internet schließt Menschen mit und ohne Behinderungen ein. Auch Benutzer mit technischen oder altersbedingten Einschränkungen sind im Internet unterwegs. Und nicht zuletzt sind „Webcrawler“ zu berücksichtigen, mit denen Suchmaschinen den Inhalt einer Seite erfassen. Eine einhundertprozentig barrierefreie Website gibt es allerdings nicht. Da dies aufgrund der unzähligen individuell geprägten Barrieren nicht vollständig erreicht werden kann, spricht man auch von „barrierearm“. Das Diakonische Werk der Landeskirche Hannovers hat sich aber zum Ziel gesetzt, möglichst viele Aspekte einer barrierearmen Website umzusetzen. Dazu gehört auch und vor allem eine sauber programmierte Homepage und ein darauf abgestimmtes Redaktionssystem (CMS). Wir haben uns beim letzten Relaunch (Webseitenneugestaltung) 2011 dazu entschlossen, das von Alexander Selck (Fa. Sethora IT-Dienstleistungen) entwickelte CMS „Synapsis“ einzusetzen, was diesen Anforderungen entspricht. Statistisch gesehen sind Menschen mit Behinderungen überdurchschnittlich häufig im Internet und dabei auf spezielle Aufbereitung der Webangebote angewiesen, die über die übliche Darstellung hinausgehen. Blinde und sehbehinderte Nutzer lassen sich Webseiten per Software vorlesen oder in Brailleschrift ausgeben. Gehörlose oder schwerhörige Menschen, deren erste Sprache Gebärdensprache ist, benötigen auf sie zugeschnittene, besondere Darstellungsformen im Internet. Zusätzlich zu der Berücksichtigung der Belange von behinderten Menschen bedeutet „barrierefrei“, dass ganz allgemein niemandem Barrieren in den Weg gelegt werden sollen. Auch nichtbehinderten Nutzern soll nicht die Pflicht auferlegt werden, beim Abruf von Internet-Angeboten genau dieselbe Hard- und Softwarekonfiguration zu verwenden wie der Autor des Angebots (technische Barrierefreiheit). Neben der Zugänglichkeit (Accessibility) geht es auch um die Plattformunabhängigkeit – ein Internetangebot soll sowohl mit Bildschirm beliebigen Formats als auch mit mobilen Geräten nutzbar sein. Es soll unabhängig vom verwendeten Betriebssystem und von der Software funktionieren. Auch diese Anforderungen haben wir auf unserer Homepage konsequent umgesetzt. Mindestens ebenso wichtig wie die technische Zugänglichkeit ist, dass die Inhalte übersichtlich und in leicht verständlicher Sprache präsentiert werden. Dazu haben wir zunächst unsere Satzung und eine Predigt zur diesjährigen Woche der Diakonie auf unseren Webseiten eingestellt – weitere Texte sollen folgen. Barrierefreiheit umfasst auch, keine übermäßigen, sondern dem Thema angepasste Anforderungen an Bildung, Ausbildung und intellektuelles Niveau zu stellen. Dieser Kontext ist insbesondere für die öffentlich-rechtlichen Webangebote bindend, um die Forderungen nach Gleichberechtigung auch von sprachlich in einem Land gehandicapten Menschen (wie einem Teil der Migranten) zu realisieren. Sie erfasst aber auch die Probleme älterer Menschen, die nicht mit den Möglichkeiten und Methoden moderner Kommunikation aufgewachsen sind, sowie sozial benachteiligter Schichten. Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft 63 Grundlegende Techniken für barrierefreies Internet Grundvoraussetzung für barrierefreie Internetseiten ist der korrekte Einsatz von Webstandards. Die geforderte strikte Trennung von Struktur eines Dokuments und seiner Darstellung erreicht man durch den korrekten Einsatz von „Cascading Style Sheets“ (CSS). Kompromisse beim Design sind nicht nötig. Einige grundlegende Möglichkeiten, wie wir sie auch weitgehend auf unseren Websites einsetzen: Gut strukturierter Text kann von blinden Menschen über eine Braillezeile mit entsprechender Software (Screenreader) gelesen werden. Auch Sehende profitieren beim Durchsuchen und Bearbeiten von Texten, wenn diese gut strukturiert sind. Bilder (oder Text, der in Bildern enthalten ist) sind für Blinde unzugänglich und sollten daher mit einem alternativen Text ergänzt werden. Sehschwache benötigen Skalierbarkeit der Schrift im Browser, um die Schriftgröße an ihre Sehleistung anpassen zu können. Menschen mit einer Seheinschränkung benötigen möglicherweise starke Kontraste und klare Schriften sowie Kontrolle über die Farbe von Schrift und Hintergrund. Für Personen mit einer Farbfehlsichtigkeit, so etwa infolge einer Rot-Grün-Sehschwäche ist es problematisch, wenn Informationen über Farbe allein vermittelt werden. Blinkende oder animierte Texte stellen für Menschen mit einer Sehbehinderung und/oder einer kognitiven Behinderung eine Barriere dar, da sie von den eigentlichen Inhalten ablenken. Personen mit Spastiken oder anderen motorischen Störungen, die keine Maus bedienen können, müssen mit der Tastatur navigieren. Sie bewegen sich (meist mit der Tabulatortaste) durch die Links, Formularelemente und andere aktive Objekte auf der Seite. Damit eine Webseite gut mit der Tastatur bedienbar ist, ist es wichtig, dass die Elemente in einer sinnvollen Reihenfolge angesteuert werden und dass jederzeit deutlich erkennbar ist, welches Element gerade im Fokus ist. Gehörlose Menschen haben oft als erste Sprache Gebärdensprache gelernt. Für sie ist die Schriftsprache eine Fremdsprache und meist schwer verständlich. Auch akustische Inhalte können von gehörlosen Menschen nicht aufgenommen werden. Sie sollten deswegen durch visuell wahrnehmbare Inhalte ersetzt oder von ihnen begleitet werden. Barrierefrei sind für sie Webseiten, die in Gebärdensprache dargestellt werden. Menschen mit kognitiven Behinderungen haben meist Probleme, lange und umständlich formulierte Texte mit schwierigen Schachtelsätzen und Fremdwörtern sowie komplexe Navigationen zu verstehen. Deswegen ist es sinnvoll, Webseiten in so genannter „Leichter Sprache“ zu verfassen oder Übersetzungen in „Leichte Sprache“ anzubieten. 64 Diakonie 2013 Diakonie und Gesellschaft Zugriffszahlen 2012 Richtlinien zur Barrierefreiheit von Online-Inhalten Um das Web barriereärmer zu machen, wurde vom World Wide Web Consortium (W3C, Gremium zur Standardisierung der World Wide Web betreffenden Techniken) die Web Accessibility Initiative (WAI) gegründet. Diese Initiative veröffentlichte 1999 den ersten international anerkannten Standard „Web Content Accessibility Guidelines 1.0“ (WCAG). Die aktuelle Version WCAG 2.0 trat nach mehr als neunjähriger Beratung am 11. Dezember 2008 in Kraft. In Deutschland nutzen vier von fünf Menschen mit Behinderungen das World Wide Web. Zum 1. Mai 2002 ist in Deutschland das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze (Behindertengleichstellungsgesetz – BGG) in Kraft getreten. In diesem Gesetz hat der Bund Regeln zur Herstellung von Barrierefreiheit in der Informationstechnik für seine Verwaltung gesetzt. Damit wurden alle öffentlichen Einrichtungen verpflichtet, ihre öffentlich zugänglichen Internetund Intranet-Angebote grundsätzlich barrierefrei zu gestalten. Eine entsprechende Rechtsverordnung (Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung – BITV) von Bundesinnenministerium und Bundesministerium für Arbeit und Soziales regelt die Maßgaben hierfür. Die Zugriffszahlen auf unserer Internetpräsenz www.diakonie-hannovers.de haben sich im Vergleich zum Vorjahr deutlich erhöht. Das kommt zum einen daher, dass sich das Internet immer mehr zum zentralen Leitmedium entwickelt und zum anderen durch die noch weiter verbesserte Aktualität unserer Homepage. Auch die Verbindung beziehungsweise Verlinkung zur DIAKONIEHilfe und der damit verbundenen Aktivitäten in den sozialen Netzwerken (wie Facebook, Twitter, YouTube und Pinterest) spielt dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Künftig wollen wir noch mehr Inhalt auf diese Plattformen bringen. Jahresergebnisse: 2010: 1.937.071 Zugriffe bei 51.517 unterschiedlichen Besuchern (vor unserem Relaunch) 2011: 2.853.562 Zugriffe bei 53.632 unterschiedlichen Besuchern 2012: 5.203.948 Zugriffe bei 59.567 unterschiedlichen Besuchern Das ist eine Steigerung von 82,37 Prozent gegenüber dem Vorjahr bei den Klickzahlen, bei den unterschiedlichen Besuchern eine Steigerung um 11 Prozent. Das heißt, unsere Besucher bleiben insgesamt länger auf unseren Internetseiten. Die durchschnittliche Verweildauer liegt mit 68 Prozent bis zu 30 Sekunden; 10,6 Prozent bleiben bis zu zwei Minuten auf einer Seite. Wir sind ständig bemüht, die Seiten an diesem Verhaltensmuster auszurichten, visuelle Anreize zu schaffen und die Textlänge dem Nutzerverhalten anzupassen, das heißt, kurze und leicht verständliche Texte einzustellen. Willi Schönamsgruber ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers Diakonie 2013 Diakonie und Politik 65 Haben Menschen mit Behinderungen ein Recht auf Inklusion? „Integration“ und „Inklusion“ sind Begriffe, die vermehrt in der öffentlichen Debatte auftauchen. Aber haben Menschen mit Behinderungen auch ein Recht auf Inklusion? Und wenn ja, wie lässt es sich praktisch umsetzen? Zu diesen Fragen nimmt Frank Garlich, juristischer Referent im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers, Stellung. Vermehrt berichten Medien über Integration und Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Worin unterscheiden sich Integration und Inklusion rechtlich? Garlich: Mit dem Weg von der Integration zur Inklusion ist ein Perspektivwechsel verbunden. Wurde bislang der Begriff der Integration verwendet, so war damit die Einpassung behinderter Menschen in vorhandene Strukturen gemeint. Inklusion bedeutet nun, dass sich die Strukturen den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen anpassen müssen. Es muss insoweit einen entsprechenden Gesetzesrahmen geben. Welche rechtlichen Ursachen begründen den Perspektivwechsel hin zur Inklusion? Garlich: Am 30. März 2007 wurde die UN-Konvention zu den Rechten von Menschen mit Behinderungen ratifiziert. Die Konvention trat in der Bundesrepublik am 26. März 2009 in Kraft. Mit der Behindertenrechtskonvention ist der Begriff der Inklusion in die Debatte eingeführt worden. Aber auch das Grundgesetz stellt in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 fest: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Ergibt sich aus diesen Regelungen heraus ein Recht auf Inklusion? Garlich: Es gibt nicht das Recht auf Inklusion. Die Behindertenrechtskonvention enthält zahlreiche Menschenrechtsnormen. Einzelne dieser Normen geben Menschen mit Behinderung ein eigenes Recht, weil diese Normen eine unmittelbare Wirkung gegenüber Menschen mit Behinderung entfalten. Diese Rechte können von Menschen mit Behinderung auch eingeklagt werden. Im Zweifelsfall müssen die Gerichte darüber entscheiden, welche Inklusionsrechte einklagbar sind. Auch das Grundgesetz schafft nicht ein eigenes spezielles Inklusionsrecht, aber Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG bestimmt, wie Gesetze in Deutschland beschaffen und ausgelegt werden müssen, nämlich so, dass sie Menschen mit Behinderung nicht benachteiligen. 66 Diakonie 2013 Diakonie und Politik Diakonie 2013 Diakonie und Politik 67 Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Was bedeutet das konkret? Garlich: Zum Beispiel wird das „Recht auf eine inklusive Beschulung von Kindern mit Behinderung“ entsprechend der Behindertenrechtskonvention oft als eine Pflicht zur schrittweisen Umsetzung verstanden. Kinder mit Behinderung können deshalb nicht einen Platz auf inklusive Beschulung unmittelbar aufgrund der Behindertenrechtskonvention einklagen. Das Recht auf Bildung kann schrittweise umgesetzt werden, indem es vom Gesetzgeber durch Schaffung eines Gesetzes konkretisiert wird. Das Kind mit Behinderung kann dann aber einen Platz auf inklusive Beschulung einklagen, wenn das entsprechende Bundes- oder Landesgesetz den Zugang zu einer allgemeinen Schule mit inklusiver Beschulung eröffnet. Und wie haben die deutschen Gerichte bislang hinsichtlich eines Inklusionsrechts entschieden? Bislang gibt es in Deutschland kein Gerichtsurteil, in dem die Behindertenrechtskonvention unmittelbar zugunsten eines Menschen mit Behinderung herangezogen wurde. Allerdings gibt es zahlreiche Urteile, in denen bundes- oder landesrechtlichen Regelungen, die im Zusammenhang mit der Behindertenrechtskonvention stehen, entscheidend waren. Auch zogen Gerichte die Behindertenrechtskonvention schon als Auslegungshilfe heran. Zum Beispiel berief sich das Landessozialgericht Sachsen auf die Behindertenrechtskonvention, als ein blindes Kind, das eine allgemeine Schule besuchen wollte, die Finanzierung einer Integrationshelferin beantragte. Das Gericht stellte fest, die Argumentation der Gegenseite widerspreche der Behindertenrechtskonvention. Was ist, wenn Menschen mit Behinderungen nicht klagen wollen. Welche Rechte haben sie dann? Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Grundrechte auch „im Lichte“ der Behindertenrechtskonvention zu interpretieren sind. Damit sind auch Behörden bei ihren Entscheidungen an die Vorgaben der Behindertenrechtskonvention, auch zur Inklusion, gebunden. Wenn es also zum Beispiel innerhalb des vorgegebenen institutionellen Rahmens möglich ist, einem Schüler trotz seiner Behinderung den Zugang zu einer allgemeinen Schule zu eröffnen, dann wäre die Zuweisung zu einer Förderschule nicht nur unzweckmäßig, sondern rechtswidrig. Die Zuweisung zu einer Schule ist stets eine Ermessensentscheidung der Behörde, die eine Abwägung voraussetzt. Die Abwägung hat im Lichte der Behindertenrechtskonvention zu erfolgen. Gegen solche ermessensfehlerhafte Entscheidungen kann ein Widerspruch eingelegt werden. Frank Garlich ist juristischer Referent im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers 68 Diakonie 2013 Diakonie und Politik Schule und Inklusion Gesellschaftliche Teilhabe ersetzt staatliche Fürsorge Das Land Niedersachsen führt die gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderungen stufenweise ein. Auch die Schulen in freier Trägerschaft, also auch die diakonischen Schulen, sind jetzt inklusive Schulen. Das zum Zweck gemeinsamer Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderungen geänderte Niedersächsische Schulgesetz (NSchG) dient der Umsetzung von Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention. Darüber hatte sich die Kultusministerkonferenz am 20. Oktober 2011 verständigt. Der mit dem Gesetz zur Einführung der inklusiven Schule vollzogene und auch von der Diakonie geforderte Perspektivwechsel bezweckt die Beseitigung struktureller Ausgrenzung. Danach soll eine uneingeschränkte gesellschaftliche Teilhabe des Einzelnen die staatliche Fürsorge ersetzen. Schüler, die an der Regelbeschulung „aus eigener Kraft“ nicht teilnehmen können, weil ihre Behinderungen einen Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung brauchen, sollen diesen bekommen, damit an jedem Lernort „qualitativ hochwertiges gemeinsames Lernen“ ermöglicht wird. Das Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfs wird durch Verordnung geregelt. Öffentliche Schulen werden generell zu inklusiven Schulen, aber zunächst noch nicht alle Schulen, weil die Schulträger bis 2018 durch die „Festlegung von Schwerpunktschulen“ noch bestimmen können, an welchen Schulen sie eine inklusive Beschulung ermöglichen wollen. Immerhin muss mindestens eine „allgemeine Schule“ in zumutbarer Entfernung erreichbar sein. Ab dem 1. August 2013 ist die schulische Inklusion Pflicht. Die „allgemeinen Schulen“ müssen von diesem Zeitpunkt an damit beginnen, Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung aufzunehmen, die Grundschulen können schon vorher anfangen. 2018 soll dieser Prozess vollendet sein. Eltern haben Wahlfreiheit Die Eltern haben die Schul-Wahlfreiheit für ihr Kind, und zwar auch hinsichtlich der Entscheidung, ob ihr Kind die Regeloder eine Förderschule besucht. Dieses neue Elternrecht gilt allerdings nicht schrankenlos: Im Kindeswohlinteresse kann die Schülerin oder der Schüler an die Schule einer anderen, für sie oder ihn geeigneten Schulform „überwiesen“ werden (Paragraph 59 Abs. 5 NSchG). Das für die Überweisung maßgebliche Kindeswohlinteresse besteht, wenn seinem individuellen Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung in der Zielschule besser entsprochen werden kann als in der Diakonie 2013 Diakonie und Politik Ausgangsschule. Für die Überweisung braucht die Schule die Zustimmung der Schulbehörde. Schülerfehlverhalten kann bei beiden Schülergruppen gleich sanktioniert werden. Bei ernstlicher Gefährdung anderer oder nachhaltiger und schwerer Beeinträchtigung des Schulbetriebs sowie negativer Zukunftsprognose kann auch zur Förderschule (und auch zurück) überwiesen werden. Der Anregung der Diakonie, die Schulbehörde als Entscheider der Überweisung ausdrücklich im Gesetz zu benennen, ist der Landesgesetzgeber gefolgt. Der weitergehenden DiakonieEmpfehlung, für die Überweisungsentscheidung die Vorbereitung durch ein sachverständig besetztes Gremium (wie bei der Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs) vorzusehen, hingegen nicht. Förderschulen werden sonderpädagogische Förderzentren Die Förderschulen bleiben grundsätzlich bestehen. Sie werden jedoch zugleich sonderpädagogische Förderzentren. Deren Aufgabe ist es, den gemeinsamen Unterricht an den allgemeinen Schwerpunktschulen zu unterstützen und diese zu beraten. Integrationsklassen können weitergeführt werden, bis die betroffenen Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung den jeweiligen Schulbereich verlassen. Der Förderschwerpunkt Lernen in der Primarstufe entfällt. Die Grundschulen bekommen schrittweise eine sonderpädagogische Grundversorgung durch die Förderschullehrerstunden. Förderschullehrer sollen in den allgemeinbildenden Schulbereich kommen, die Lerngruppen sollen verkleinert werden. 69 Schülerinnen und Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung können künftig ihre Schulpflicht auch durch den Berufsschulbesuch erfüllen, die bisherige Förderschulbesuchspflicht ist entfallen. Für noch nicht inklusive Schuljahrgänge kann bei Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs die Förderschulbesuchspflicht aber fortwirken. Die Feststellung des Bedarfs an sonderpädagogischer Unterstützung erfordert bei der Erstellung des Fördergutachtens auch bei Schulen in freier Trägerschaft die Beteiligung einer Förderschullehrerin oder eines Förderschullehrers an einer öffentlichen Schule. Für die Beschulung von Kindern mit geistigen Behinderungen ist der niedersächsische Landesgesetzgeber nach den Erfahrungen mit den Integrationsklassen davon ausgegangen, dass deren Eltern weiterhin eine exklusive Beschulung wünschen. Das betrifft etwa 200 niedersächsische Schülerinnen und Schüler. Sind Schülerinnen oder Schüler auf sonderpädagogische Unterstützung im Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ angewiesen, können sie ihre Schulpflicht auch durch den Besuch einer anerkannten Tagesbildungsstätte erfüllen. Ralf Witte ist Justitiar im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers 70 Diakonie 2013 Diakonie und Politik Ein Anfang ist gemacht Zum Arbeitsrecht in diakonischen Einrichtungen in Niedersachsen Der Streit zwischen der Diakonie und den Gewerkschaften ver.di und Marburger Bund ist bislang eine Auseinandersetzung ohne Gewinner. Ein Grundlagenstreit über Dritter Weg oder Zweiter Weg, über verbindliches Schlichtungsmodell oder Streikrecht, über das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen oder die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften. Der Konflikt wird auf allen Ebenen ausgetragen: in den diakonischen Betrieben, in der Politik, in der Öffentlichkeit und vor den Gerichten. Mit seiner Entscheidung am 20. November 2012 zum Streit um das Arbeitsrecht von Diakonie und Gewerkschaften war das Bundesarbeitsgericht sichtlich darum bemüht, beide Seiten mit ihren gewichtigen Verfassungsrechten zu ihrem Recht kommen zu lassen. Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht gibt den Kirchen das Recht, aus dem Gedanken der Dienstgemeinschaft heraus an die Stelle des Konfliktmodells von Streik und Aussperrung ein Konsensmodell einer paritätisch besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission mit verbindlicher Schlichtung im Dritten Weg zu setzen. Aber das nicht unter Ausschluss der Gewerkschaften, die Gewerkschaften müssen eingeladen sein, in den Kommissionen mitzuwirken. Und die Ergebnisse müssen verbindlich sein. Das Bundesarbeitsgericht hat ein verständiges Urteil geschrieben, das ersichtlich die Parteien an einen Tisch bittet. Kein Grundrecht soll von einem anderen unverhältnismäßig verdrängt werden (Grundsatz der praktischen Konkordanz). Wie geht es nach dem Urteil weiter? Als wir beim Bundesarbeitsgericht in der Mittagspause unseren niedersächsischen Gesprächspartnern von ver.di begegneten, versprachen wir einander: „Egal wie es heute ausgeht, wir müssen eine Form der Zusammenarbeit finden.“ Das Bundesarbeitsgericht hat uns bei diesem Vorhaben mit seinem klugen Urteil sehr geholfen. Denn Streitgegenstand beim Bundesarbeitsgericht waren das Modell der Arbeitsrechtlichen Kommissionen und die kirchengemäßen Tarifverträge wie in der Nordkirche (früherer Bereich von Nordelbien) und in Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Bei den Arbeitsrechtlichen Kommissionen sah das Bundesarbeitsgericht angesichts der faktischen Wahlfreiheit der Dienstgeber über das anzuwendende kirchliche Arbeitsrecht und der Nicht-Beteiligung der Gewerkschaften erheblichen Korrekturbedarf. Die entsprechenden Satzungsbestimmungen unseres Diakonischen Werks Hannovers hat es als unzulässige Wahlfreiheit der Dienstgeber kritisiert. Die Mitgliederversammlung des Diakonischen Werks Hannovers hat diese Satzungsbestimmung entsprechend am Diakonie 2013 Diakonie und Politik 71 Es ist an der Zeit, als Sozialpartner neue Wege zu gehen. 25. Juni 2013 korrigiert. Dagegen sah das Bundesarbeitsgericht die kirchengemäßen Tarifverträge als verfassungsgemäß an. Erkennbar gilt diesem Modell die Sympathie des Bundesarbeits gerichts, weil es in besonderer Weise die Gewerkschaften im Verfahren kirchlicher Arbeitsrechtsregelung auf Augenhöhe beteiligt. Mit dieser deutlichen Bestärkung der kirchengemäßen Tarifverträge hatten wir nicht gerechnet. Grundlage dieses Modells ist zunächst eine kirchengesetzliche Regelung, die diesen Weg des Konsensmodells für die diakonischen Dienstgeber ermöglicht und die Dienstgeber auf diesen Weg verpflichtet. Die Dienstgeber müssen sich dazu in Dienstgeberverbänden organisieren, die mit ver.di einen Grundlagentarifvertrag vereinbaren. In diesen ist wesentlich die Festlegung einer verbindlichen Schlichtung geregelt, die an die Stelle der Arbeitskampfmittel von Streik und Aussperrung tritt. Nach der Anpassung des Kirchenrechts durch die Synode werden dann kirchengemäße Tarifverträge mit der Regelung von Lohnhöhen, Arbeitszeit und so weiter zwischen den Dienstgeberverbänden und den Gewerkschaften geschlossen. Dieses Modell bietet mehrere Vorteile: Bei den Tarifverträgen gelten die Inhalte normativ, das heißt, die Mitarbeitenden können ihre Ansprüche unmittelbar bei Gericht einklagen; der Landesverband muss dann nicht mehr Wächter über die Einhaltung des kirchlichen Arbeitsrechts sein. Und diese Tarifverträge sind anschlussfähig oder ausbaufähig zu einem „Tarifvertrag Soziales“, den wir seit Jahren fordern. Dieser könnte bei einer Anwendungsdichte ab 50 Prozent vom Land Niedersachsen für alle sozialen Dienstleister in Niedersachsen verbindlich als Mindestarbeitsbedingung erklärt werden. Mit diesen Überlegungen sind wir an ver.di herangetreten und konnten uns in einer Prozessvereinbarung auf die gemeinsame Zielstellung „Flächentarifvertrag Soziales in Niedersachsen“ einigen. Dazu muss bis zum 1. April 2014 der novellierte rechtliche Rahmen zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der (privatrechtlichen) Diakonie in Niedersachsen, also das novellierte Arbeitsrechtsregelungsgrundsätzegesetz der EKD, in Kraft gesetzt und auf der Basis des dann geltenden kirchlichen Arbeitsrechts Tarifverträge geschlossen werden. Im Einzelnen stehen noch schwierige Klärungen an – zum Beispiel die Ausgestaltung der Schlichtungsregelung, die weitere Anwendbarkeit der AVR-EKD, der Umgang mit Notlagen von Trägern, die Überführung der Haustarifverträge, die Mitgliedschaft der Dienstgeber im Dienst- geberverband, die Entwicklung des Flächentarifvertrags in Niedersachsen und die Allgemeinverbindlichkeit dieses Flächentarifvertrags. Wichtige Erfolgsfaktoren des neuen Modells kirchengemäßer Tarifverträge sind: Kirchen/Diakonie und Gewerkschaften müssen lernen, sich als Sozialpartner zu verstehen. Beide Seiten haben das Ziel, dass die Sozialwirtschaft in einer Weise refinanziert wird, die eine tarifgemäße Entlohnung ermöglicht. Der Flächentarifvertrag Soziales kann nur Wirklichkeit werden, wenn die anderen Wohlfahrtsverbände sich ihm anschließen können. Das wird nicht gelingen, wenn die Diakonie weiterhin um zehn bis 30 Prozent höher entlohnt als die Wettbewerber aus Privatwirtschaft und Wohlfahrtsverbänden. Eine Annäherung der Lohnhöhen ist notwendig. Ver.di muss sein Versprechen wahr machen, dass die Beteiligung aller Wohlfahrtsverbände in Niedersachsen am Tarifvertrag Soziales einzig von dem Umstieg der Diakonie auf Tarifverträge abhängt. Es ist an der Zeit, als Sozialpartner neue Wege zu gehen. Kirchengemäße Tarifverträge sind eine echte Chance des Miteinanders von Diakonie und Gewerkschaften. Nicht nur die Diakonie ist bei diesem Wagnis gefordert, auch ver.di muss sich auf eine Sozialpartnerschaft einlassen, die im Interesse aller Beteiligten die Gesamtverantwortung im Blick hat. Ein Anfang ist gemacht. Dr. Jörg Antoine ist stellvertretender Direktor des Diakonischen Werks der Landeskirche Hannovers 72 Diakonie 2013 Diakonie und Kirche Noch nicht eingeführt und schon veraltet? Unternehmerische Mitbestimmung in der Diakonie Haben die Mitarbeitenden der Diakonie eigentlich weniger Rechte in der Mitbestimmung als ihre Kolleginnen und Kollegen in den nicht-kirchlichen Betrieben? Die Kirche und die ihr zugeordnete Diakonie fallen bekanntlich nicht unter das Betriebsverfassungsgesetz (Paragraph 118 Abs. 2 BetrVG) An seine Stelle hat die Kirche das Mitarbeitervertretungsrecht aufgestellt. Nutzt die Kirche diese Möglichkeit der eigenen Regelung, um Mitarbeitenden Rechte vorzuenthalten? So lautet zumindest der ständige Vorwurf von ver.di. Ein Blick in die betriebliche Mitbestimmung entkräftet diesen Vorwurf schnell: Die Kündigung im kirchlichen Bereich bedarf der Zustimmung der Mitarbeitervertretung. Dagegen genügt im Betriebsverfassungsgesetz ein bloßes Anhörungsrecht. Hinzu kommt die Bildung und Finanzierung von Arbeitsgemeinschaften von Mitarbeitervertretungen über die einzelnen Träger/ Holdings hinaus (zum Beispiel für Niedersachsen). Vergleichbares haben die anderen Wohlfahrtsverbände der Sozialwirtschaft oder gar die Gruppe der privaten Träger nicht. Der Vorwurf von ver.di zielt deshalb insbesondere auf die unternehmerische Mitbestimmung, das heißt das Recht zur Entsendung von Mitarbeitenden in die Aufsichtsräte der Träger. Denn auch die gesetzlichen Regelungen der unternehmerischen Mitbestimmung finden bei der Kirche und der ihr zugeordneten Diakonie keine Anwendung. Machen die Mitarbeitenden nun die „gleichen Rechte“ geltend, dann ist nicht viel gefordert. Denn für Körperschaften des öffentlichen Rechts sehen die staatlichen Gesetze keine Mitbestimmung vor und im privatrechtlichen Bereich sind die karitativen und erzieherischen Tätigkeiten und damit das Arbeitsfeld von Diakonie und Wohlfahrtspflege von der unternehmerischen Mitbestimmung ausgenommen. Ausgenommen sind allerdings auch die Gewerkschaften, Parteien und künstlerischen Vereinigungen. Zudem findet die unternehmerische Mitbestimmung keine Anwendung auf Vereine und Stiftungen. Das sind immerhin die Hauptformen der privatrechtlichen Organisation der Diakonie. Auch sonst ist es mit der unternehmerischen Mitbestimmung nicht gut bestellt. Im internationalen Vergleich steht Deutschland mit diesem Modell ziemlich allein da. Transnationale Konzernbildungen verdrängen die unternehmerische Mitbestimmung auch in der Wirklichkeit deutscher Konzerne immer stärker. Die ideologischen Hochzeiten der unternehmerischen Mitbestimmung der siebziger Jahre sind längst nüchternen Analysen der Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Industriestandorts gewichen. Man könnte nun bereits geneigt sein, das Kapitel unternehmerischer Mitbestimmung in der Diakonie zu schließen. Wer setzt schon auf ein Auslaufmodell? Unternehmerische Mitbestimmung hat die Funktion der Kontrolle von Unternehmensmacht, Kooperation von Kapital und Arbeit, Abbau von Fremdbestimmung und Verbesserung des Arbeitnehmerschutzes, das heißt Mitbestimmung bei den Wirtschaftsbedingungen unter denen Unternehmen geleitet werden. Im besten Fall dient sie auch der nachhaltigen Unternehmensausrichtung an Stelle kurzfristiger Profitmaximierung („Schutzschicht vor Heuschrecken“). Von daher erklärt sich auch, warum karitative, erzieherische, politische, künstlerische, wissenschaftliche, koalitionsspezifische und religiöse Träger ebenso wie Ideal-Vereine und Stiftungen generell von der unternehmerischen Mitbestimmung ausgenommen sind. Bei ihnen dominiert nicht ein Kapital- und Dividendeninteresse. Diese Träger sind ausgerichtet an einem ideellen und eben nicht ökonomischen Zweck. Diakonie 2013 Diakonie und Kirche Einziger Anhaltspunkt für unternehmerische Mitbestimmung in der Diakonie kann deshalb nur das eigene Selbstverständnis der Diakonie sein. Der Dienst in der Diakonie ist tätige Nächstenliebe und hat Zeugnischarakter für die Kirche. Wenn Dienstgeber wie Dienstnehmer diesem Auftrag verpflichtet sind, dann müssen auch beide Seiten an der Ausrichtung dieses Auftrags beteiligt sein. Ebenso wie Dienstgeber die Dienstgemeinschaft ermöglichen müssen und nicht anordnen können, so kann auch der Auftrag nicht einseitig vom Dienstgeber interpretiert werden. Vielmehr unterstehen diesem Auftrag alle Dienste der Kirche in gemeinsamer Verantwortung. Gerade in der evangelischen Kirche – mit dem Priestertum aller Gläubigen – können und sollen die Mitarbeitenden an der Konkretisierung dieses Auftrags in diakonischen Einrichtungen auf der Ebene der Strategiefindung im Aufsichtsrat beteiligt sein. Die Gewerkschaften fallen als legitimer Anspruchssteller nach unternehmerischer Mitbestimmung in der Diakonie allerdings gegenwärtig noch aus. Dazu müssten sie sich erst einmal als Teil der kirchlichen Dienstgemeinschaft verstehen. Das geht nicht ohne ein positives Verhältnis zur Kirchenmitgliedschaft. Doch müssen sich Kirche und Diakonie selbst fragen, warum sie nicht die Potenziale der Dienstgemeinschaft aktiv für eine unternehmerische Mitbestimmung der Mitarbeitenden zur Anwendung bringen. Die Dienstgemeinschaft würde dadurch gestärkt. Meine persönlichen Erfahrungen mit Mitarbeitenden in Aufsichtsräten sind positiv. Gerade in der Krise diakonischer Einrichtungen hat sich die Beteiligung der Mitarbeitenden im Aufsichtsrat als vorteilhaft für beide Seiten erwiesen. Die Vertrauensbasis zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer war stärker, die Mitarbeitenden waren besser informiert und konnten die Notwendigkeit der unternehmerischen Entscheidungen besser nachvollziehen. Ich habe auch erlebt, wie die Mitarbei- 73 tenden in einem Aufsichtsrat über eine massive Fehlentwicklung im Unternehmen, die den Bestand des Unternehmens gefährdet hätte, rechtzeitig informiert hatten, so dass der gesamte Aufsichtsrat gegensteuern konnte. Von den diakonischen Trägern des DWH haben zwei Drittel der Träger ein eigenes Aufsichtsorgan. In 17 Prozent der Aufsichtsorgane wirken Mitarbeitende im Aufsichtsrat mit; in der Hälfte der Fälle davon mit Sitz und Stimme. Die Erfahrungen werden überwiegend als positiv bewertet; weiterempfohlen wird die Beteiligung von Mitarbeitenden im Aufsichtsorgan dagegen eher nicht. Das kommende Diakonische Werk in Niedersachsen e.V. (DWiN) setzt auf die positiven Erfahrungen: Im zukünftigen Aufsichtsrat des DWiN ist eine Beteiligung von zwei Vertretern der Mitarbeitenden der Diakonie in Niedersachsen mit Sitz und Stimme vorgesehen. Damit können die Mitarbeitenden mitwirken an der Verantwortung des DWiN für die weitere Entwicklung der Diakonie in Niedersachsen auf Landesebene. Dr. Jörg Antoine ist stellvertretender Direktor des Diakonischen Werks der Landeskirche Hannovers 74 Diakonie 2013 Diakonie und Kirche Kirche ist nicht nur Dienst um den Altar Acht Jahre Loyalitätsrichtlinie der EKD Ein neuer Arzt in einem evangelischen Krankenhaus ist Muslim und setzt für Sonntagmorgen keine Visite an – weil es Gottesdienstzeit ist. Er ist ganz verwundert, als er erfährt, dass seine evangelischen Kollegen um diese Zeit Visite machen. Ein evangelischer Kindergarten hat fast nur noch Kinder mit Migrationshintergrund – vor allem muslimische Kinder. Der Kindergarten überlegt, ob er beim nächsten Mal eine muslimische Erzieher/in einstellen soll. Eine diakonische Einrichtung aus dem Osten Niedersachsens übernimmt eine Jugendhilfeeinrichtung in Sachsen-Anhalt, nur zehn Prozent der Belegschaft sind Mitglieder in der Kirche. Ein engagierter junger Akademiker ist als Zwanzigjähriger aus persönlicher Enttäuschung aus der Kirche ausgetreten. Um die Stelle als Controller in einer diakonischen Einrichtung antreten zu können, müsste er wieder in die Kirche eintreten. Er schwankt und fühlt sich unwohl. Das sind die praktischen Herausforderungen der Loyalitätsrichtlinie. Diakonische Einrichtungen wollen und sollen Profil haben. Ihre Arbeit soll als Dienst der Nächstenliebe, als tätige Verkündigung der Kirche in Erscheinung treten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Dienstgeber und Dienstnehmer, die Hauptberuflichen und die Ehrenamtlichen, sie alle sollen sich von Christus selbst berufen fühlen und sich gemeinschaftlich als Dienstgemeinschaft verstehen. Die Kirchen haben dieses Selbstverständnis auch in die staatliche Rechtsordnung vermitteln können. Die Anti-Diskriminierungsrichtlinie der Europäischen Union und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz Deutschlands erkennen deshalb an, dass die Kirchen zur Anstellungsbedingung machen können, dass jemand Mitglied in einer Kirche ist. Was sonst zu Recht unmöglich ist, bei den Kirchen ist es erlaubt: Die Kirchen sind wie Parteien und Gewerkschaften sogenannte „Tendenzbetriebe“. Sowie Parteien die Parteizugehörigkeit und die Gewerkschaften die Gewerkschaftszugehörigkeit ihrer Angestellten fordern können, so können die Kirchen die Kirchenzugehörigkeit verlangen. Die sogenannte Loyalitätsrichtlinie der EKD von 2005 gibt vor, was das in der Anwendung genau bedeutet: Mitarbeitende in der Leitung, Verkündigung, Seelsorge oder Unterweisung müssen grundsätzlich in der Kirche sein; andere Stellen können ausnahmsweise mit anderen Personen besetzt werden; wer aus der Kirche ausgetreten ist, ist für den kirchlichen Dienst ungeeignet. Kirche, das ist aber nicht nur der Dienst rund um den Altar als Pfarrerin, Küster oder Organist, sondern auch der Gesamtbereich diakonischer Tätigkeit. In Niedersachsen arbeiten allein über 50.000 Menschen in diakonischen Einrichtungen. Die Eingangsbeispiele zeigen, wie schwierig die Einhaltung der Loyalitätsrichtlinie bei zunehmender Säkularisierung und religiöser Pluralisierung der Gesellschaft ist. Und als seinerzeit Frau Özkan als damalige neue Sozialministerin in der Runde der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege fragte, wie bei den Verbänden die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund gelinge, mussten Caritas und Diakonie auf die Besonderheiten ihres Dienstes hinweisen. Dienstgemeinschaft wirkt dann wie ein Integrationshemmnis. Theologen neigen dazu, die sich ergebenden Konfliktlagen situationsgerecht auflösen zu wollen. Das ist aus seelsorger- Diakonie 2013 Diakonie und Kirche 75 licher Perspektive gut nachvollziehbar, rechtlich wird es dann besonders heikel. Denn das Recht braucht Grundsätze und Leitlinien. Die staatlichen Gerichte wollen wissen, ob die Kirchen aus ihrem Selbstverständnis heraus so handeln müssen oder ob sie unberechenbar beziehungsweise willkürlich handeln. Letzteres wäre als Diskriminierung nicht erlaubt. verkündigungsfernen Dienste von den Loyalitätsobliegenheiten aus, gerät der diakonische Dienst schnell zur Zwei-Klassen-Kultur der Dienstgemeinschaft einerseits und der bloß Beschäftigten andererseits. Zudem verlagern sich damit die Schwierigkeiten, wenn die Beförderung ansteht. Dann wird die Kirchenmitgliedschaft zur Pflicht, wenn eine leitende Position vergeben werden soll. Die Rechtsprechung verpflichtet die Kirchen zwar nicht auf ein Modell kirchlichen Selbstverständnisses, sie müssen ihr Verhalten allerdings plausibel machen können. Und wie die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. November 2012 gezeigt hat, ist die Rechtsprechung bereit, dem verfassungsrechtlich garantierten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht einigen Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Das Bundesarbeitsgericht verpflichtet die Kirchen nicht dazu, die Dienstgemeinschaft nur als Gemeinschaft der Kirchenmitglieder zu verstehen. Sie können den Kreis der Dienstgemeinschaft auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diakonischer Unternehmen erweitern. Die Fortentwicklung der Loyalitätsrichtlinie ist ausgesprochen schwierig. Die Einzelfallabwägung ist aus den benannten Gesichtspunkten nicht weiterführend. Wer leichtfertig auf den Kernbegriff des kirchlichen Arbeitsrechts „Dienstgemeinschaft“ insgesamt verzichten will, der sieht sich schnell im normalen Arbeitsrecht ohne kirchlichen Bezug wieder. Und was theologisch naheliegend ist – die Taufe wird durch den Kirchenaustritt nicht widerrufen – ist in der praktischen Konsequenz schwer zu ertragen. Kann für die Kirche glaubwürdig als von ihr mitfinanzierter Botschafter nach außen auftreten, wer sich ihrer Solidarität durch Kirchenaustritt entzogen hat? Nimmt man kurzerhand die Trotz dieser Schwierigkeiten: Eine Revision der Loyalitätsrichtlinie ist unausweichlich. Die Loyalitätsrichtlinie von 2005 ist rechtlich gut durchdacht und steht in Übereinstimmung mit europäischem und nationalem Recht. Für die Praxis der diakonischen Dienste im Jahr 2013 ist die Loyalitätsrichtlinie zu eng gefasst. Die Praxis muss aber dem Kirchenrecht entsprechen, sonst folgt das, was das Bundesarbeitsgericht beim Streikverbot im kirchlichen Dienst bereits vorgeführt hat: Es misst die Kirchen an ihrem eigenen Anspruch. Werden die Kirchen ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht, dann können sie auch anderen nicht ihre Regeln entgegen halten. Es steht also an, kirchliche Norm und kirchliche Praxis wieder in Übereinstimmung zu bringen. Mit dieser schwierigen Frage wird sich die Diakonie Deutschlands intensiv beschäftigen müssen. Das Diakonisches Werk der Landeskirche Hannovers jedenfalls wird sich hier weiter engagieren. Dr. Jörg Antoine ist stellvertretender Direktor des Diakonischen Werks der Landeskirche Hannovers 76 Diakonie 2013 Diakonie und Kirche Schützenswert Neuerungen im kirchlichen Datenschutzrecht Zum 1. Januar 2013 ist die Novelle des Datenschutzgesetzes der Evangelischen Kirche in Deutschland (DSG EKD) in Kraft getreten. Das DSG EKD ist eines der wenigen Gesetze, das die EKD nach Artikel 10 a Abs. 1 der Grundordnung der EKD für alle Gliedkirchen verbindlich und einheitlich regeln kann. Der Geltungsbereich umfasst dabei auch die der Kirche zugeordneten diakonischen Einrichtungen, die es oft mit besonders sensiblen Patienten- und Sozialdaten zu tun haben. Die technische Fortentwicklung im Bereich der elektronischen Datenübermittlung hat im Jahr 2010 zu drei Novellen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) geführt. Das kirchliche Datenschutzrecht ist gehalten, die technischen und rechtlichen Entwicklungen nachzuvollziehen. Dies hat seinen Grund darin, dass der Staat den Kirchen die Meldedaten zulässigerweise nur übermitteln darf, wenn bei der Kirche ausreichende Datenschutzmaßnahmen vorhanden sind. Seit der letzten Novellierung vom 7. November 2002 hat sich sowohl im technischen Bereich als auch im rechtlichen Verständnis für den Datenschutz einiges verändert. Die Bedeutung des Datenschutzes ist stärker in das Bewusstsein der Menschen und der Öffentlichkeit gerückt. Außerdem ist am 9. März 2010 ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs ergangen, das eine Stärkung des Datenschutzes der Bundesrepublik Deutschland verlangt. In dem Urteil wird der Bundesrepublik eine nicht mit der EU-Richtlinie übereinstimmende Umsetzung hinsichtlich der Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der Datenschutzaufsicht vorgehalten. Auch diesen rechtlichen Vorgaben war Rechnung zu tragen. Darüber hinaus liegt seit dem 25. Januar 2012 ein Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Datenschutz-Grundverordnung vor, die nach ihrer Verabschiedung das nationale staatliche Datenschutzgesetz ersetzt. Momentan ist geplant, dass diese Datenschutz-Grundverordnung eine Kirchenklausel enthält, nach der es möglich sein wird, das spezifische kirchliche Datenschutzrecht beizubehalten, sofern es im Einklang mit dem Schutzniveau der EU-Verordnung steht. Vor diesem Hintergrund ist die Novelle, die sich überwiegend am BDSG orientiert, zu verstehen. Dort, wo kirchliche Besonderheiten zu regeln waren, wurden eigenständige Regelungen getroffen. Inhaltlich ist hervorzuheben, dass die Voraussetzungen der Videoüberwachung in Paragraph 7a DSG EKD zur Hilfestellung der Anwender des kirchlichen Datenschutzrechts ausführlich geregelt wurden. Eine Videobeobachtung ist nur Diakonie 2013 Diakonie und Kirche zulässig, soweit sie in Ausübung des Hausrechts der kirchlichen Stelle zum Schutz von Personen und Sachen oder zur Überwachung von Zugangsberechtigungen erforderlich ist. Voraussetzung ist, dass keine schutzwürdigen Interessen des Betroffenen überwiegen. Auf eine Videoüberwachung ist erkennbar hinzuweisen. Während des Gottesdienstes ist eine Videoüberwachung weiterhin unzulässig. Bei der Auftragsdatenverarbeitung wurde in Paragraph 11 Abs. 3 DSG EKD konkretisiert, was in einer Vereinbarung zur Auftragsdatenverarbeitung geregelt werden muss und damit im Wesentlichen die Regelung des Bundesdatenschutzgesetzes übernommen. Die bisherige Verpflichtung kirchlicher Stellen, eine Verfahrensübersicht gem. Paragraph 14 Abs. 2 DSG EKD zu führen, ist gestrichen worden. Hier konnte eine wesentliche Straffung zur Durchführung des Datenschutzes vorgenommen werden. Die Pflege der bisher in Paragraph 14 Abs. 2 DSG EKD vorgesehenen Übersichten verursachte einen hohen Aufwand, der in keinem Verhältnis zu dem Einsichtsrecht des Dritten stand. Hinsichtlich der neuen Regelung zur Rechtsstellung der Beauftragten für Datenschutz gem. Paragraph 18 DSG EKD, die die Funktion der Datenschutzaufsicht haben, bildet das EuGH-Urteil vom 9. März 2010 die Grundlage. Die Beauftragten für Datenschutz sind gemäß Paragraph 18 Abs. 4 DSG EKD in der Ausübung ihres Amtes an Weisungen nicht gebunden und nur dem kirchlichen Recht unterworfen. Die Ausübung des Amtes geschieht in organisatorischer und sachlicher Unabhängigkeit. Für diakonische Einrichtungen besteht nach dem novellierten Paragraph 22 DSG EKD nun eine rechtliche Verpflichtung, 77 einen Betriebsbeauftragten für Datenschutz schriftlich zu bestellen, wenn in der Regel mehr als neun Personen ständig mit der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten beschäftigt sind. Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Paragraph 2 Abs. 1 DSG EKD), zum Beispiel Name, Geburtsdatum, Adresse, Telefonnummer oder der Gesundheitszustand. Die bisherige Soll-Vorschrift zur Bestellung eines Betriebsbeauftragten ist damit zu einer Muss-Vorschrift geändert worden. Die maßgebliche Personenzahl wurde von sechs auf neun angehoben. Die Betriebsbeauftragten unterstützen die diakonischen Einrichtungen bei der Sicherstellung des in ihrer Verantwortung liegenden Datenschutzes, zum Beispiel durch Informationen über datenschutzrechtliche Fragestellungen und Herausgabe von Musterverträgen. Das Diakonische Werk der Landeskirche Hannovers bietet seinen Mitgliedseinrichtungen an, für sie die Aufgaben des Betriebsbeauftragten für Datenschutz wahrzunehmen. Die Einrichtungen entrichten dafür einen Sonderbeitrag an das Diakonische Werk. Ulrike Nickolaus ist Datenschutzbeauftragte im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers 78 Diakonie 2013 Diakonie und Geld Damit das „Wir“ gelingt Aktion Mensch und Inklusion Förderprogramm Inklusion Seit Gründung der „Aktion Sorgenkind“ durch das ZDF und die Wohlfahrtsverbände im Jahr 1964 hat sich das Verständnis von Behinderung grundlegend verändert – weg von der Bedürftigkeitssicht hin zum respektvollen Umgang auf Augenhöhe. Der neue Name „Aktion Mensch“ spiegelt dies seit dem Jahr 2000 wider. Die Aktion Mensch ist nicht nur eine soziale Organisation, deren Geschichte die Menschen ganz eng mit den LoriotFiguren Wum und Wendelin verbinden, sondern auch ein Unternehmen mit 260 Mitarbeitenden und einer knappen halben Milliarde Euro jährlichem Umsatz. Davon fließen mehr als 50 Prozent zurück ins Gemeinwohl, und zwar in die Bereiche der Förderung, der Aufklärung und als Lotteriesteuer an den Staat. Die Aktion Mensch unterstützt jeden Monat bis zu 1.000 soziale Projekte für Menschen mit Behinderungen, Kinder und Jugendliche, Wohnungslose und andere sozial benachteiligte Menschen. Seit der Gründung sind mehr als drei Milliarden Euro an gemeinnützige Vorhaben weitergegeben worden. Der Erfolg der Aktion Mensch resultiert aus dem engen Zusammenwirken von Lotterie, Förderung und Aufklärung unter dem Motto: „Das Wir gewinnt“. Die durch den Losverkauf erzielten Einnahmen ermöglichen nicht nur die Förderung von sozialen Projekten, sondern auch von Kampagnen und Aktionen, die den Gedanken der Inklusion in die Gesellschaft tragen und die Menschen für ein gleichberechtigtes Miteinander sensibilisieren. Die Mitspieler der größten deutschen Soziallotterie – 4,6 Millionen Menschen nehmen regelmäßig teil – wiederum wissen, dass sie mit dem Los nicht nur für sich persönlich etwas gewinnen können, sondern gleichzeitig viele wichtige soziale Projekte unterstützen. Unter Inklusion versteht die Aktion Mensch, dass jeder Mensch vollständig und gleichberechtigt an allen gesellschaftlichen Prozessen teilhaben kann – und zwar von Anfang an und unabhängig von seinen individuellen Fähigkeiten, seiner Herkunft, seines Geschlechts oder seines Alters. Die Aktion Mensch hat zur Forcierung der Inklusion seit 2011 zwei spezielle Förderprogramme aufgelegt. Das Förderprogramm Inklusion fördert vorbereitende Aktivitäten zur Planung eines Inklusionsprojektes mit bis zu 15.000 Euro für bis zu 12 Monate und die Umsetzung inklusiver Projekte mit bis zu 250.000 Euro für bis zu 36 Monate. Die Förderhöhe beträgt jeweils maximal 70 Prozent der förderfähigen Personal-, Honorar- und Sachkosten plus 20 Prozent Verwaltungskostenpauschale. Eine wesentliche Voraussetzung für die Förderung ist die Vernetzung eines Trägers der Behindertenhilfe mit mindestens zwei Partnern aus unterschiedlichen Verbänden, wobei ein Partner außerhalb der Behindertenhilfe wie zum Beispiel in Wirtschaft, Sport und Kultur aktiv ist. Außerdem sind die Menschen mit Behinderungen an den Projekten aktiv zu beteiligen. Förderfähig sind Projekte in den Bereichen Bildung, Arbeit, Freizeit, Wohnen und Barrierefreiheit. Ein Beispiel ist der Aufbau eines Netzwerkes für eine inklusive Stadtteilentwicklung zusammen mit der Gemeinde. Ein Vernetzungsforum dient dazu, die passenden Partner zu finden, das Interesse für Inklusion vor Ort zu wecken und Wissen auszutauschen. Seit 2011 hat die Aktion Mensch bundesweit 139 Planungsaktivitäten und 20 Inklusionsprojekte gefördert. Aktion Meansch/Inklusionskampagne 2012 Förderaktion „Miteinander gestalten“ Das Wir gewinnt Dieses Programm bezuschusst Sach- und Honorarkosten für kleinere Projekte gemeinnütziger Träger mit bis zu 4.000 Euro für die Dauer von einem Tag bis zu einem Jahr. Bei dieser Aktion geht es darum, dass Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam aktiv werden. Gefördert werden auch Projekte, die für, mit und im besten Fall auch von Kindern und Jugendlichen selbst gestaltet werden – in den Bereichen Bildung und Beteiligung, Chancengleichheit und Perspektiven, Zukunft und Gemeinschaft. Im Gegensatz zu allen anderen Fördertöpfen der Aktion Mensch werden bei dieser Förderaktion keine Eigenmittel benötigt. Bisher wurden schon mehr als 2.000 Anträge mit einer Fördersumme von rund sieben Millionen Euro durch die Aktion Mensch bezuschusst. Es ist unbestritten, dass die Umsetzung von Inklusion Geld kostet. Unbestritten ist auch, dass sich jede Investition in Inklusion lohnt, und sei sie noch so klein. Denn von einer inklusiven Gesellschaft profitieren alle Menschen: Menschliche Vielfalt macht den gesellschaftlichen Reichtum aus, denn Menschen sind es, die das Wohl einer Gesellschaft in allen Lebensbereichen prägen. Die Frage des Geldes ist aber nur ein Teilbereich der Thematik Inklusion. Kreative und innovative Ideen zur Inklusion sind gefragt. Und mindestens genauso wichtig ist die Bereitschaft der Gesellschaft, sich auf Inklusion einzulassen. Ein Umdenken in den Köpfen aller Menschen ist ein erster Schritt, um Veränderungen – sei es im Bildungssystem, in der Politik oder in der Arbeitswelt – anzustoßen. Jeder Einzelne kann seinen Beitrag zur Inklusion leisten, damit „das Wir gewinnt“. Weitere Details zu den Förderprogrammen Inklusion, zur Antragstellung und zu bereits bezuschussten Fallbeispielen hält die Homepage der Aktion Mensch unter www.aktion-mensch.de bereit. Für die Mitglieder der Diakonie steht das jeweils zuständige Diakonische Werk als Ansprechpartner zur Verfügung. Susanne Jünke-Mielke ist Referentin für Betriebswirtschaft im Diakonischen Werk der Landeskirche Hannovers 80 Diakonie 2013 Publikationen Publikationen Die kostenpflichtigen Publikationen sind erhältlich bei Angela Neetz, Telefon 0511/3604-286, E-Mail: [email protected] in Niedersachsen Tageseinrichtungen für Kinder Das Kind im Mittelpunkt – Grundsätze für die Arbeit in evangelischen Kindertagesstätten Handbuch Qualitätsmanagement – Leitfaden für die Einrichtung eines Qualitätsmanagement-Systems in Kindertageseinrichtungen (QMSK ®) Das Kind im Mittelpunkt – Arbeitshilfe für evangelische Kindertagesstätten nach den Grundsätzen 06/2010 Handbuch Qualitätsmanagement – Leitfaden für die Einrichtung eines Qualitätsmanagement-Systems in Einrichtungen der Jugendberufshilfe (QMSJ ®) Gott in der Krippe – Religiöse Bildung von Anfang an Leitlinie Schmerzmanagement in der Pflege Beflügeln und verwurzeln – religionspädagogische Arbeitshilfe Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR-K) Das Kind im Mittelpunkt Grundsätze für die Arbeit in evangelischen Kindertagesstätten L GE I SC A N H E V ER N N K I D E Diakonisches Werk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers e.V. T E R G A R Broschüre Grundsätze KiTa RZ.indd 1 05.05.2011 12:36:01 Uhr in Niedersachsen Tageseinrichtungen für Kinder A N N K I N E V ER D Arbeitsgrundsätze KiTa RZ.indd 1 L GE I SC H Diakonisches Werk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers e.V. Das Kind im Mittelpunkt E Arbeitshilfe für evangelische Kindertagesstätten nach den Grundsätzen 06/2010 T E R G A R 23.05.12 14:22 in Niedersachsen Zeit satt. Jesus hatte Gott im Bauch – Posterserie mit Kinderzitaten zu Gott und der Welt Worte der Bibel und Gedanken zum Thema Zeit Zeit satt – Worte der Bibel und Gedanken zum Thema Zeit Diakonie 2013 Publikationen 81 Mitarbeitervertretungsgesetz der Konförderation Evangelischer Kirchen in Niedersachsen Worte der Hilfe Kostenlose Publikationen erhalten Sie über die jeweils angegebenen Fachreferate. Woche der Diakonie 2013 Anregungen für die Gemeindearbeit Diakonie in Niedersachsen www.woche-der-diakonie.de in Niedersachsen Unser Leistungskatalog Mit Unterschieden leben Diakonie Woche der Diakonie 2013 – Anregungen für die Gemeindearbeit Zu beziehen über [email protected] Telefon 0511/3604-286 Was wir können Unser Leistungskatalog Menschlichkeit braucht Ihre Unterstützung. Diakonie. Diakonisches Werk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers e.V. Ebhardtstr. 3 A 30159 Hannover Telefon 05 11 - 36 04 - 0 Telefax 05 11 - 36 04 - 108 E-Mail [email protected] Internet www.diakonie-hannovers.de Was wir können Mit Unterschieden leben Diakonisches Werk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers e.V. Was wir können – Unser Leistungskatalog Zu beziehen über [email protected] Telefon 0511/3604-286 Erste Hilfe bei Überschuldung – Soziale Schuldnerberatung Zu beziehen über [email protected] Telefon 0511/3604-238 Mit wenig Geld den Haushalt managen – eine Handreichung Zu beziehen über [email protected] Telefon 0511/3604-236 Unverzichtbar – Diakonische Beratungsarbeit in der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers Zu beziehen über [email protected] Telefon 0511/3604-238 „Im Mittelpunkt: Familien(zentren)! Zu beziehen über [email protected] Telefon 0511/3604-236 Seminare und Fortbildungen für Alleinerziehende 2013 Zu beziehen nur noch im Downloadbereich www.diakonie-hannovers.de/pages/presse/ publikationen/aktuelle-publikationen/index.html 12 Standards für das Ehrenamt – Checkbögen und Material Zu beziehen über [email protected] Telefon 0511/3604-291 in Niedersachsen Seminare und Fortbildungen für Alleinerziehende 2013 Diakonie für Menschen Diakonisches Werk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers e.V. 82 Diakonie 2013 Publikationen Aus- und Fortbildungen 2013 Seitenthema Mitgliederverzeichnis und Angebotsstruktur des Fachverbandes Diakonische Behindertenhilfe in Niedersachsen Zu beziehen über [email protected] Telefon 0511/3604-209 Spenderinfo Zu beziehen über [email protected] 0511/3604-267 ELAS – Aus- und Fortbildungsangebote 2013 Zu beziehen über [email protected] Telefon 0511/3604-288 Sammeln schenkt Freude · Tipps für Aktive Zu beziehen über [email protected] Telefon 0511/3604-286 1 in Niedersachsen Aus- und Fortbildungsangebote 2013 Diakonie für Menschen Evangelische Landesarbeitsgemeinschaft für Suchtfragen in Niedersachsen 05.02.13 05.02.13 Einführungsveranstaltung für neue Mitarbeitende in evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder 07.02.13 09.02.13 Weiterbildung Krippenberaterin II – Block VIII 07.02.13 08.02.13 Entwicklungsbegleitung konkret -Wahrnehmen – Verstehen – Unterstützen – Teil 2 Von Bis Titel der Veranstaltung 06.03.13 11.03.13 06.03.13 Schulung von ReferentInnen für Einführungsveranstaltungen für neue Mitarbeitende in evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder 06.03.13 Sprachbildung und Sprachförderung – Modul 3 13.03.13 „Das nichts bleibt, das nichts bleibt wie es war…“ Vom Umgang mit Veränderungen Kirchenamt Hildesheim 18.02.13 18.02.13 „Auf die Leitung kommt es an“ – Coachingtag DW HVHS Rastede 11.03.13 11.03.13 In stressigen Zeiten die Lebensqualität erhalten... und selbstverantwortlich auf die eigene Gesundheit achten – Teil 1 22.02.13 DELFI-Plus – Baustein 5 Ostf Aurich 11.03.13 11.03.13 Einführungsveranstaltung für neue Mitarbeitende in evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder Wer? Ort DW Diakonisches Werk Hannover Von Bis Titel der Veranstaltung 11.04.13 12.04.13 DELFI-Plus – Baustein 7 16.04.13 Sammelsurium – Entdecken – Erfinden – Gestalten – Teil 1 15.04.13 Auf einmal ist alles anders: „Der Umgang mit Tod und Trauer in der Kita“ – Religionspädagogischer Fachtag KK Hildesheim-Sarstedt Lü LudwigHarms-Haus, Hermannsburg 15.04.13 DW Lutherheim Springe 15.04.13 Gö Göttingen 16.04.13 Einführungsveranstaltung für neue Mitarbeitende in evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder 17.04.13 Fotoseminar: Beobachten und dokumentieren kindlicher Entwicklung I – Fotografieren, Kameratechnik, Bildarchivierung Von Bis Titel der Veranstaltung Aurich 25.04.13 26.04.13 Eltern und Erzieher im Dialog – Stärkung der Erziehungspartnerschaft durch Videobegleitung – Teil 2 Ostf Aurich Gö Göttingen 29.04.13 30.04.13 Langzeitfortbildung „Kinder bis Drei – Geborgen und frei“ – Teil 3 Gö Göttingen 03.06.13 Hi Lutherheim Springe 02.05.13 03.05.13 Einführung in die kollegiale Beratung… Oder eine kleine Gebrauchsanweisung für gegensetitige Unterstützung in schwierigen Berufssituationen – Teil 1 Gö Göttingen 03.06.13 03.05.13 „Ich halte mal an...“ – Die berufliche Entwicklung im Blick behalten – Teil 3 Gö Göttingen 03.05.13 DELFI-Plus – Kolloquium und Zertifikatsübergabe Ostf Ort Ort Von Bis Titel der Veranstaltung 29.05.13 29.05.13 Sprachbildung und Sprachförderung – Modul 4 Lü LudwigHarms-Haus, Hermannsburg 05.06.13 SGB IX/XII – heilpäd. Handeln / Milieu DW Lutherheim Springe 04.06.13 Jahrestagung PM-Mentorinnen DW Lutherheim Springe Ort Göttingen 03.06.13 Sammelsurium – Entdecken – Erfinden – Gestalten – Teil 2 Gö 04.06.13 07.06.13 Werkstattgespräche „Religionspädagogin für Leitungen“ August DW RPI Loccum 01.03.13 Einführung in die Religionspädagogik DW RPI Loccum 12.03.13 12.03.13 Einführungsveranstaltung für neue Mitarbeitende in evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder Gö Göttingen 22.04.13 24.04.13 Sprachliche Entwicklung bis zum dritten Lebensjahr und wie wir diese in der Krippe unterstützen können DW noch offen 08.05.13 08.05.13 "Zufrieden und optimistisch lebt es sich gesünder...“ – Erinnern und Auffrischen Gö Göttingen 04.06.13 06.06.13 Den richtigen Ton treffen… und konstruktiv Kritik äußern und annehmen – ein Kunst, die erlernbar ist – Teil 1 Gö Göttingen DW Diakonisches Werk Hannover 25.02.13 25.02.13 Präsentationsveranstaltung der Langzeitfortbildung 2012: „Kinder bis Drei – Geborgen und frei“ Gö Göttingen 14.03.13 15.03.13 Kolloquium Kindergarten – Performative Religionspädagogik – auch ein Modell für evangelische Kitas!? DW RPI Loccum 23.04.13 23.04.13 In stressigen Zeiten die Lebensqualität erhalten… und selbstverantwortlich auf die eigene Gesundheit achten – Teil 2 Gö Göttingen 13.05.13 15.05.13 Langzeitfortbildung für Leitungskräfte Kurs K – 5. KA. DW Lutherheim Springe 05.06.13 05.06.13 Einführungsveranstaltung für neue Mitarbeitende in evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder Lü Jugendherberge Lüneburg Lü Missionarisches Zentrum Hanstedt I 14.03.13 DW Landesturnschule Melle 13.05.13 RPI Loccum 07.06.13 21.02.13 Ostf Aurich 16.04.13 Lü Missionarisches Zentrum Hanstedt I Sta Tagungshaus „Die Freudenburg", Bassum 03.05.13 Ostf Aurich Fortbildungsprogramm 2013 Zu beziehen über [email protected] Telefon 0511/3604-253 Gö Göttingen 26.02.13 27.02.13 Gesunderhaltung am Arbeitsplatz I 15.03.13 DELFI-Plus – Baustein 6 Ostf 24.04.13 Bewegung als Brücke zum Lernen – Langzeitfortbildung Psychomotorik – Block 1 17.05.13 Religionspädagogische Langzeitfortbildung – Kurs R – 4. KW. DW Osn Barnstorf 27.02.13 28.02.13 Umgang mit Problemen und Konflikten im Hortalltag – eine Chance sich weiter zu entwickeln Gö Göttingen 04.04.13 06.04.13 Weiterbildung Krippenberaterin II – Block IX DW Lutherheim Springe 23.04.13 23.04.13 Kindeswohlgefährdung SGB VIII §8a Lü LudwigHarms-Haus, Hermannsburg 13.05.13 14.05.13 Führen und Leiten in Veränderungsprozessen – Teil 1 Ostf Gö Göttingen 28.02.13 01.03.13 Resilienz – Darf es auch noch etwas mehr sein? DW CVJM City-Hotel Hannover 04.04.13 04.04.13 „Kindeswohl schützen – Umgang mit § 8a SGB VIII“ – Studientag für Kita-Teams Hi Kirchenamt Hildesheim 23.04.13 23.04.13 Einführungsveranstaltung für neue Mitarbeitende in evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder Osn Osnabrück 14.05.13 15.05.13 Fotoseminar: Beobachten und dokumentieren kindlicher Entwicklung II – Fotobearbeitung mit PSE 10 Gö Dornum 22.04.13 03.06.13 Wer? 25.02.13 HVHS Rastede 03.05.13 Wer? Göttingen Hi DW 16.04.13 Wer? 2012 07.06.13 „Ich halte mal an...“ – Die berufliche Entwicklung im Blick behalten – Teil 4 Gö Göttingen Aurich 13.06.13 14.06.13 „Krippenarbeit“ was nun? – tun! II DW Lutherheim Springe Sta Tagungshaus 13.06.13 14.06.13 Entwicklungsbegleitung konkret – Wahrnehmen – Verstehen – Unterstützen – Teil 2 Gö Göttingen Osn Haus der Kirche, Osnabrück 13.06.13 13.06.13 Gesunderhaltung am Arbeitsplatz II Lü Missionarisches Zentrum Hanstedt I 13.06.13 13.06.13 Führen und Leiten in Veränderungsprozessen (KK Diepholz, Syke-Hoya) Osn noch offen 14.06.13 Eltern und Erzieher im Dialog – Stärkung der Erziehungspartnerschaft durch Videobegleitung – Teil 3 Ostf Aurich „Die Freudenburg", Bassum Osn Osnabrück 01.03.13 01.03.13 „Ich halte mal an...“ – Die berufliche Entwicklung im Blick behalten – Teil 1 Gö Göttingen 05.04.13 05.04.13 „Ich halte mal an...“ – Die berufliche Entwicklung im Blick behalten – Teil 2 Gö Göttingen 24.04.13 26.04.13 Religion für die Kleinsten – Religionspädagogik für Kinder von 0 bis 3 Jahren DW RPI Loccum 22.05.13 22.05.13 Führen und Leiten in Veränderungsprozessen (KK Osnabrück, Bramsche, Melle-GM-Hütte) DW Lutherheim Springe 04.03.13 05.03.13 Langzeitfortbildung „Kinder bis Drei – Geborgen und frei“ – Teil 2 Gö Göttingen 09.04.13 11.04.13 Mit Eltern im Gespräch sein... und eine partnerschaftliche Zusammenarbeit gestalten – Teil 1 Gö Göttingen 24.04.13 25.04.13 Entwicklungsbegleitung konkret – Wahrnehmen – Verstehen – Unterstützen – Teil 1 Gö Göttingen 23.05.13 23.05.13 In stressigen Zeiten die LebensGö qualität erhalten... und selbstverHerausgeber: antwortlich auf die eigene GeDiakonisches der Ev.-luth. sundheit achten – Teil Werk 3 Gö Göttingen 04.03.13 04.03.13 Einführungsveranstaltung für neue Mitarbeitende in evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder Ostf Aurich 11.04.13 12.04.13 „Krippenarbeit“ was nun? – tun! I DW Lutherheim Springe 24.04.13 24.04.13 Einführungsveranstaltung für neue Mitarbeitende im kirchlichen Dienst Osn Osnabrück 28.05.13 28.05.13 Weiterbildung Krippenberaterin II Ebhardtstraße 3A – Wissensportal-Schulung Impressum: Brot für die Welt 30159 Hannover Göttingen Landeskirche Hannovers DW Stephansstift Hannover 13.06.13 Brot für die Welt 2012/2013 Der ewigen Dürre trotzen www.brot-für-die-welt.de/hannovers Land zum Leben – Grund zur Hoffnung Einstieg in Bildungs- und Lerngeschichten Ort Einführungsheft Einführungsveranstaltung für neue Mitarbeitende in evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder 06.02.13 06.03.13 Aurich Inhaltsverzeichnis Langzeitfortbildung „Kinder bis Drei – Geborgen und frei“ – Teil 1 30.01.13 04.02.13 RPI Loccum Ostf Informationen über das Projekt: 30.01.13 30.01.13 Wer? Beschreibung des Projektes im Projektmagazin 29.01.13 Göttingen DW Eltern und Erzieher im Dialog – Stärkung der Erziehungspartnerschaft durch Videobegleitung – Teil 1 Der ewigen Dürre trotzen Reflexionstreffen der ReferentInnen für Einführungsveranstaltungen für neue Mitarbeitende in evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder Gö Religionspädagogische Langzeitfortbildung – Kurs R – 3. KW. 15.02.13 Informationen über Projekt, Land und Leute 29.01.13 AG Sprachförderkräfte – Teil 1 15.02.13 14.02.13 Gemeindebriefvorlage 29.01.13 Ort 1. „Es wird alles anders bleiben“ – Die offene Arbeit in Veränderungsprozessen 08.02.13 11.02.13 Aurich Projektfotos (Beschreibungen unter Eigenschaften) „Auf die Leitung kommt es an“ 3. Modul Titel der Veranstaltung 08.02.13 Göttingen Powerpoint Präsentation Einführungsveranstaltung für neue Mitarbeitende in evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder 23.01.13 Bis Lutherheim Springe Gö Anregungen für eine Spielekette zum Projekt 17.01.13 22.01.13 21.01.13 Von DW Ostf 2. 17.01.13 21.01.13 Wer? Titel: (c) Christoph Püschner/Brot für die Welt. DELFI-Plus – Baustein 4 Graphik Entwicklungsbegleitung konkret -Wahrnehmen – Verstehen – Unterstützen – Teil 1 Graphische Vorlagen Langzeitfortbildung für Leitungskräfte Kurs K – 4. KA. 18.01.13 Eindruck-Plakate Titel der Veranstaltung 18.01.13 17.01.13 Plakatmotive Diakonisches Werk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers e. V. Bis 18.01.13 17.01.13 Thema: Ernährung Qualität Qualifizierung Fortbildung Von Ideen und Unterrichtsbausteine Fortbildungen 2013 Fortbildungen 2013 14.01.13 3. in Niedersachsen 4. Geschäftsstelle im Diakonisches Werk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers e.V. Verantwortung für das Schicksal früherer Heimkinder übernehmen Zu beziehen über [email protected] Telefon 0511/3604-267 CD-Rom und alle weiteren Materialien zu Brot für die Welt Zu beziehen über [email protected] Telefon 0511/3604-109 Diakonie 2013 Zahlen und Fakten 83 Eine lohnende Sache Mitgliedsbeiträge und Fördermittel im direkten Vergleich Die Mitgliedschaft im Diakonischen Werk ist verbunden mit einem Mitgliedsbeitrag. Im Jahr 2012 war dies ein Betrag in Höhe von insgesamt rund 1,21 Millionen Euro. Der Mitgliedschaftsbeitrag trägt mit rund 16,6 Prozent zur Geschäftsstellenfinanzierung bei. Die Mitgliedschaft im Diakonischen Werk ist mit einer Vielzahl von Vorteilen für die Mitglieder verbunden. Diese können ihre Gemeinnützigkeit von der Mitgliedschaft in einem Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege ableiten, zum Beispiel Umsatzsteuerbefreiungen. Sie nehmen teil am Vorrang der Freien Wohlfahrtspflege (Subsidiaritätsprinzip), können Landesrahmenverträgen beitreten, an Schiedsstellen mitwirken und anderes mehr. Fördermittel 2012 Auch im direkten finanziellen Vergleich haben die Mitgliedseinrichtungen mit ihrer Mitgliedschaft erhebliche Vorteile. Die Mitglieder haben in der Summe im Jahr 2012 aufgrund ihrer Mitgliedschaft Förderungen in Höhe von rund 12,77 Millionen Euro erhalten können. Im Schnitt ergab sich damit für 1,- Euro Mitgliedschaftsbeitrag eine Förderung von rund 10,60 Euro. Neben den oben aufgeführten Fördermitteln, die Sie über das Diakonische Werk für ihre örtlichen Maßnahmen erhalten, hat das Landeskirchenamt über das Finanzausgleichsgesetz (FAG) die diakonische Arbeit für die Suchtberatung und für die Ehe-, Lebens- und Erziehungsberatung im Haushaltsjahr 2012 mit 3,59 Millionen Euro gefördert. Diese Mittel sowie die Förderung der Arbeit der Kindertagesstätten mit rund 21 Millionen Euro unterstützten die diakonische Arbeit vor Ort in erheblicher Weise. Mitgliedsbeiträge 2012 5,0% 9,4% Landeskirchliche 15,3% 52,8% Zuschüsse 6,74 Millionen Euro Soziallotterie 3,44 Millionen Euro Konzessionsabgaben 1,95 Millionen Euro 26,9% Kollekten 642.000 Euro Mitgliedsbeiträge 1,21 Millionen entspricht ca. 9,4 Prozent der Fördermittel 84 Diakonie 2013 Zahlen und Fakten Zahlen und Fakten Die Diakonie ist der soziale Dienst der Evangelischen Kirche. In über 3.000 Einrichtungen und Diensten leistet das Diakonische Werk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers e.V. seine Arbeit in enger Kooperation mit der Landeskirche. Das Diakonische Werk hat 440 Mitglieder. Die Schwerpunkte Kinder und Jugendliche Gesundheit, Pflege und Rehabilitation 625 Kindergärten in evangelischer Trägerschaft mit rund 47.600 Kindern, davon 180 Gruppen für Kinder mit Behinderungen (integrative Gruppen) und 4 Kindergärten mit Einzelintegration sowie 2.600 Krippenplätze in 174 Krippengruppen. Des Weiteren gibt es 87 Kinderspielkreise mit 2.175 Plätzen. Insgesamt sind rund 9.500 Mitarbeitende in den evangelischen Kindergärten beschäftigt. Das Diakonische Werk ist für die Fachberatung und Fortbildung der pädagogischen Fachkräfte und Träger zuständig. 139 Altenheime und Altenpflegeheime mit 11.524 Plätzen 44 Jugendhilfe-Einrichtungen für 2.550 Kinder und Jugendliche (in stationären Einrichtungen und Tagesgruppen) sowie rund 1.000 Kinder, Jugendliche und deren Familien in ambulanten Betreuungsmaßnahmen 12 Evangelische Krankenhäuser mit ca. 3.000 Betten und 8.000 Mitarbeitenden 18 Jugendwerkstätten mit 1.400 betreuten Jugendlichen im Jahr 2012 1.250 Selbsthilfegruppen und -initiativen mit 44.000 Mitgliedern 260 Einrichtungen und Dienste für Menschen mit Behinderungen mit ca. 20.000 ambulanten, teilstationären und stationären Angeboten Die Diakonie und Kirchenkreise unterhalten zusammen 105 Diakonie-Sozialstationen (ambulante Pflegedienste) und 29 Tagespflegeeinrichtungen 4 stationäre Hospize Die Diakonie in Niedersachsen e.V. ist der größte Wohlfahrtsverband in Niedersachsen. Diakonie 2013 Zahlen und Fakten 85 In der Diakonie der hannoverschen Landeskirche sind rund 40.000 Menschen beschäftigt, mehr als 20.000 engagieren sich ehrenamtlich. Offene soziale Arbeit 49 Diakoniegeschäftsstellen (in allen Kirchenkreisen der Landeskirche) Angebote der offenen sozialen Arbeit in Trägerschaft von Kirchenkreisen, Kirchengemeinden oder Vereinen: 68 Beratungsstellen der allgemeinen sozialen Beratung sowie Kurvermittlung 47Schuldnerberatungsstellen 31 Ehe-, Lebens- und Erziehungsberatungsstellen 47 staatlich anerkannte Schwangerschaftskonflikt beratungsstellen 21 Selbsthilfegruppen und Treffpunkte für Alleinerziehende 13Bahnhofsmissionen 3Müttergenesungskureinrichtungen 25 Fachstellen für Sucht und Suchtprävention mit 20 Nebenstellen 5 Anlaufstellen für Straffällige 3 Suchtselbsthilfeverbände mit insgesamt mehr als 200 Selbsthilfegruppen 37 Migrationsfachdienste mit folgenden Angeboten: - Jugendmigrationsdienst - Migrationserstberatung - Integrationsberatung - Flüchtlingsberatung - Diakonische Projekte 31 „wellcome“-Standorte in Niedersachsen: Praktische Hilfen für Familien nach der Geburt eines Kindes 80 Beratungsstellen und Tagesaufenthalte sowie 30 Einrichtungen und Wohngruppen mit zusammen bis zu 2.400 betreuten Wohnplätzen für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten (Wohnungslose, Obdachlose, Straffällige) Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) und Bundesfreiwilligendienst (BFD) im Jahrgang 2012/2013 Im Freiwilligen Sozialen Jahr: Vermittlung, Beratung und Begleitung von 336 jungen Menschen zwischen 16 und 27 Jahren in 136 Einsatzstellen Im Bundesfreiwilligendienst: Vermittlung, Beratung und Begleitung von 265 jungen Menschen zwischen 16 und 27 Jahren in 102 Einsatzstellen Darüber hinaus wurden im Bundesfreiwilligendienst 13 Personen, die älter als 27 Jahre waren, in 13 Einsatzstellen eingesetzt und begleitet. Insgesamt wurden 110 einwöchige Bildungsseminare in 22 Seminargruppen durchgeführt. Von den Kirchensteuern 2012 wird rund jeder zehnte Euro für diakonische Zwecke ausgegeben, insgesamt weit mehr als 40 Millionen Euro. Darüber hinaus findet Diakonie in vielfältiger Weise in den Kirchengemeinden statt: zum Beispiel in Besuchsdiensten, bei Brot für die Welt, in Hospizgruppen, in der Arbeit mit jungen, alten und kranken Menschen sowie in vielfältigen Projekten zur Bekämpfung der Kinderarmut. Stand: 07/2013 86 Diakonie 2013 Zahlen und Fakten Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung 2012 Bilanz Aktiva Anlagevermögen Umlaufvermögen Rechnungsabgrenzung 2012 2011 4.702.821,32 4.661.663,55 13.184.694,65 12.188.728,23 16.488,17 33.531,87 Summe 17.904.004,14 16.883.923,65 Gewinn- und Verlustrechnung Erlöse/Erträge Zuschüsse/Zuweisungen 8.486.802,17 7.913.492,65 Spenden/Kollekten/Sammlungen 1.499.297,821.275.365,49 Mitgliederbeiträge 1.205.828,44 Sonstiges 1.870.368,561.711.321,10 1.130.994,15 Summe 13.062.296,99 12.031.173,39 Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit 253.949,20 Finanzergebnis 148.156,70127.916,26 Jahresüberschuss 402.105,90417.559,89 Entnahmen aus den Rücklagen 100.606,31 118.259,63 -502.712,21 -535.819,52 Einstellung in die Rücklagen Bilanzgewinn 289.643,63 0,000,00 Diakonie 2013 Zahlen und Fakten Passiva 2012 Eigenkapital Sonderposten aus Investionszuschüssen 220.142,88 231.187,28 98.690,14 98.690,14 Sonderposten für noch nicht aufwandswirksam verwendete Spenden und Kollekten 554.036,81 Rückstellungen 510.668,73 1.176.075,49765.352,49 Verbindlichkeiten 10.197.401,7610.017.454,85 Rechnungsabgrenzung 2011 5.651.442,065.249.336,16 Hilfsfonds 87 6.215,00 11.234,00 Summe 17.904.004,1416.883.923,65 Kosten Personal 5.274.173,254.845.315,92 Abschreibungen 155.790,05 116.207,29 Aufwendungen für wohlfahrtspflegerische Zwecke 2.577.045,39 Beiträge 2.817.216,79 376.440,27 376.135,79 Zuschüsse, Einzelhilfen 110.715,04 186.211,61 Sonstiges 3.119.561,642.784.970,26 Summe Spenden/Kollekten 11.613.725,6411.126.057,66 Anteil am Gesamtergebnis 20122011 2012 Anteil am Gesamtergebnis 2011 Kollekten 875.824,70 21,51579.894,44 14,18 DIAKONIEHilfe 182.379,37 4,48227.742,54 5,57 Diakoniesammlung 0,00 0,0015.207,29 0,37 Landesk. Haussammlung 0,00 0,00 3.038,71 0,08 2.933.879,18 72,05 2.774.726,09 67,87 79.859,49 1,96 487.622,58 11,93 Brot für die Welt Diakonie Katastrophenhilfe Summe 4.071.942,74 1004.088.231,65 100 88 Diakonie 2013 Organigramm Diakonisches Werk der Ev.–luth. Landeskirche Hannovers e.V. Telefon: 05 11 - 36 04 + Durchwahl Zentrale: 05 11 - 36 04 - 0 Stand: Juli 2013 Führungsprozesse Vorstand 1 Grundlagen Ziele Konzepte Strategien Direktor Dr. Christoph Künkel. . . . . . . . . . . . . . . . . . -271 Assistenz Diakonische Theologie Sekretariat: Sabine Hübner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -207 Sven Quittkat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -402 bei Führungsprozessen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Leitung: Sven Quittkat. . . . . . . . . . . . . . . . . Reglindis Bloch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maike Lukow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N.N. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Willi Schönamsgruber. . . . . . . . . . . . . . . . . Sozial- und gesundheitswissenschaftliche Kernprozesse (Hilfefeld – spezifische kundenorientierte Prozesse) Fundraising N. N. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brot für die Welt Uwe Becker. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maike Lukow. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Heselmeyer. . . . . . . . . . . . . . . . . -402 -267 -252 -262 -263 -252 -166 -252 -109 Bereichsleitung 1 Bereichsleitung 2 Bereichsleitung 3 Jörg Reuter-Radatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . -254 Angelika Stoffregen . . . . . . . . . . . . . . . . . -255 Martin Fischer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -190 Monique Senten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -191 Bernd Heimberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -265 Cornelia Trapp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -266 Referat Gesundheit Jörg Reuter-Radatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . -254 Angelika Stoffregen . . . . . . . . . . . . . . . . . -255 Referat Familienhilfe und Alleinerziehendenarbeit Eva-Maria Zabbée. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alexandra Hall. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marion Hamann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hannelore Hildebrandt. . . . . . . . . . . . . . . Referat Bildung Ina Seidensticker. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ekkehart Weier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anne Woitha-Klapprott. . . . . . . . . . . . . . . . Marc Weidemann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . -273 -249 -249 -253 Referat Freiwilligendienste Christine Vetter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uta Bauersachs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anita Burkhardt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oliver Fruth-Schünemann. . . . . . . . . . . . . . Inga Gerth. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eckart Henschel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Heistermann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniela Klockgether . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernhard Kreft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lars Mesch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sina Otten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Solsky. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dieter Steinlicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Meyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Wald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gritt Berner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Edith Habermann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . N.N.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicole Schuler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monika Zieba . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -291 -294 -290 -258 -163 -231 -260 -333 -311 -386 -165 -170 -242 -278 -219 -276 -205 -307 -307 -293 Referat Hospiz- und Palliativarbeit Christa Gerts-Isermeyer.. . . . . . . . . . . . . . . -262 Kathrin Röbbeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -200 Referat Pflege Dagmar Henseleit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Pipenbrink. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dagmar Schmidt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Silvia Gebauer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beate Heinrich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -259 -204 -234 -257 -256 Referat Rehabilitation Jasmin Graff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -208 Isabella Hovemeier. . . . . . . . . . . . . . . . . . -209 Projekt Zukunftsfähige diakonische Einrichtungen Christoph Brauner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -405 Referat Migration Wolfgang Reiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reglindis Bloch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Silvia Fischer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Hahmeyer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elsa Schlüter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -235 -297 -236 -238 -268 -241 -288 -283 -241 Referat Soziale Beratung im Kirchenkreis Heike Krause. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -239 Alexandra Hall. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -297 Hannelore Hildebrandt. . . . . . . . . . . . . . . -238 Referat Suchtfragen und Straffälligenhilfe Roland Johannes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -275 Silvia Fischer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -288 Referat Wohnungslosenhilfe Dr. Peter Szynka. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -407 Silvia Fischer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -288 ZBS Niedersachsen – Regionalvertretung Lüneburg Dr. Peter Szynka. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -407 Udo Veleba. . . . . . . . . . . . . . . . . 04131-731853 Referat Jugendhilfe Fachgebiet Hilfen zur Erziehung Ralph Hartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -344 Fachgebiet Jugendberufshilfe Matthias Kreimeyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . -264 Cornelia Trapp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -266 Initiative Zukunft(s)gestalten Heike Krause. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -239 Referat Kindertageseinrichtungen / Landeskirchliche Fachberatung und Fortbildung Regina Struwe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -247 Ulrike Fey-Dorn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -233 Sigrid Sternitzke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -246 Susanne Witte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -274 Cornelia Geyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -248 Erika Brahms. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -273 Gabriela Bunk-Klempel. . . . . . . . . . . . . . . . -168 Karin Kleen . . . . . . . . . . . . . . . . . 0511 3747986 Claudia Koops. . . . . . . . . . . . . . . 04141 778675 Christiane Schrödter. . . . . . . . . 04141 778675 Selbstständige Prozesse Diakonie in Niedersachsen e.V. Helge Johr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -244 Datenschutz Ulrike Nickolaus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -261 Diakonie 2013 Organigramm 89 Vorstand 2 Führungsprozesse Stellvertr. Direktor Dr. Jörg Antoine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -206 Grundlagen Ziele Konzepte Strategien Sekretariat: Sabine Hübner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -207 Controlling Winfried Sautter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -229 Justitiariat Ralf Witte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -230 Bettina Valtr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -251 Qualitätsmanagement Christiane Meiners. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -201 Monique Senten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -191 Koordination Baumaßnahmen u. Sanierung Christian Hacke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -203 Assistenz Unterstützende Prozesse bei Führungsprozessen Betriebswirtschaftliche, juristische und andere Kernprozesse (Hilfefeld – übergreifende kundenorientierte Prozesse) Bereichsleitung 4 Bereichsleitung 5 Administration, Logistik, Service Arvid Siegmann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -381 Iris Bittner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -385 Heike Wiglinghoff.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -400 Ina Wemmer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -403 Christiane Meiners. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -201 Sylvia Grüning. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -202 Referat Mittelvergabe Karin Ehlert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -384 Edith Habermann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . -205 Referat Arbeits- und Tarifrecht Gerhard Krause. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -213 Silke Schrader. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -211 Anke Seifert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -212 Buchhaltung Dagmar Miegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Grothe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Margitta Gwiasda. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andrea Reeh. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Doris Ritterhoff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Referat Rechts- und Fachaufsicht Sylvia Sebbin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Brosch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Krenzien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Röbbeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -383 -382 -173 -200 Referat Betriebswirtschaft Susanne Jünke-Mielke . . . . . . . . . . . . . . . . N.N.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Winfried Sautter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Stüber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -225 -408 -229 -226 Referat Sozial-, Zivil- und Europarecht Frank Garlich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -240 Bettina Valtr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -251 Schiedsstelle Silke Schrader. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -211 Anke Seifert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -212 diaplus-Beratungsgesellschaft mbH Dr. Jörg Antoine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -206 Heike Wiglinghoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -400 -220 -221 -214 -222 -223 EDV Claudia Merten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -227 Personalwesen Andrea Müller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -224 Zentrale Dienste Eva Kost . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Cyrin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Gwiasda. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angela Neetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -286 -298 -295 -298 Ina Wemmer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -403 N.N.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -408 90 Diakonie 2013 Adressen Adressen Diakonie in Niedersachsen e.V. Diakonie in Niedersachsen e.V. Ebhardtstr. 2 30159 Hannover Tel.: 05 11 / 36 04 - 244 Fax: 05 11 / 36 04 - 44 244 [email protected] Vorsitzender des Vorstandes: Dr. Christoph Künkel Stv. Vorsitzender des Vorstandes: Thomas Feld Wolfgang Wagenfeld Geschäftsstellenleiter: Helge Johr Mitglieder des Vereins Diakonie in Niedersachsen e.V. sind die fünf Landesverbände: Diakonisches Werk der Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig e. V. Haus der Diakonie Klostergang 66 38104 Braunschweig Tel.: 05 31 / 37 03 - 000 Fax: 05 31 / 37 03 - 099 [email protected] Vorstand: Anke Grewe Norbert Velten Diakonisches Werk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers e. V. Lutherhaus Ebhardtstr. 3 A 30159 Hannover Tel.: 05 11 / 36 04 - 0 Fax: 05 11 / 36 04 - 108 [email protected] Vorstand: Direktor Dr. Christoph Künkel Postfach 13 80, 26763 Leer Saarstr. 6, 26789 Leer Tel.: 04 91 / 91 98 - 203 Fax: 04 91 / 91 98 - 148 [email protected] Vorsitzender: Pastor Dietmar Arends Diakonisches Werk der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg e. V. Postfach 1603, 26006 Oldenburg Kastanienallee 9 - 11 26121 Oldenburg Tel.: 04 41 / 210 01 - 0 Fax: 04 41 / 210 01 - 99 [email protected] Vorstand: Thomas Feld Uwe K. Kollmann Diakonisches Werk der Ev.-Luth. Landeskirche Schaumburg-Lippe e. V. Bahnhofstr. 16 31655 Stadthagen Tel.: 0 57 21 / 99 30 0 Fax: 0 57 21 / 99 30 66 [email protected] Vorsitzender: Pastor Ekkehard von Kleist Diakonisches Werk der Evangelisch-reformierten Kirche Stellvertretender Direktor Dr. Jörg Antoine Geschäftsführer: Wolfgang Wagenfeld Geschäftsführer: Günter Hartung Diakonie 2013 Adressen 91 Impressum Herausgeber: Dr. Christoph Künkel Diakonisches Werk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers e.V. Ebhardtstr. 3 A 30159 Hannover Telefon 05 11 - 36 04 - 0 Fax 05 11 - 36 04 - 108 [email protected] Internetwww.diakonie-hannovers.de Redaktion: Ines Goetsch, Maike Lukow, Sven Quittkat, Willi Schönamsgruber Gestaltung: Büro Schroeder, Hannover, www.bueroschroeder.com Druck: MHD Druck und Service GmbH Bildnachweis: Diakonisches Werk der Landeskirche Hannovers, Aktion Mensch, Andreea Anca, Katharina Günter, Matthias Paul, Petri Haus Göttingen, Petrus-Kirchengemeinde Barsinghausen, Sabine Weber, Ute Augat, Marcel Domeier, Klaus G. 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