Zweitwohnungssteuer - bei Eltern gemeldeter Student muss keine

Transcription

Zweitwohnungssteuer - bei Eltern gemeldeter Student muss keine
This page was exported from - Rechtsanwälte Kotz
Export date: Fri Jan 13 11:38:01 2017 / +0000 GMT
Zweitwohnungssteuer - bei Eltern gemeldeter Student muss keine am Studienort
zahlen
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Az.: 6 B 11579/06.OVG Beschluss vom 29.01.2007
In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen?kommunaler Steuern hier: aufschiebende Wirkung hat der 6.?Senat des
Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 29.?Januar 2007beschlossen:
Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Mainz vom 24.?November 2006 -?3 L 916/06.MZ?- wird die
aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Zweitwohnungsabgabenbescheid der Antragsgegnerin vom
14. Dezember 2005 angeordnet.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren beider Rechtszüge auf jeweils 219,59?? festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde ist begründet.
Dem Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Zweitwohnungsabgabenbescheid der
Antragsgegnerin vom 14.?Dezember 2005 anzuordnen, ist stattzugeben. Das private Interesse des Antragstellers an der Anordnung
des Suspensiveffektes des Rechtsbehelfs geht dem öffentlichen Interesse der Antragsgegnerin am sofortigen Vollzug des
angegriffenen Abgabenbescheides ausnahmsweise vor. Die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der abgabenrechtlichen
Heranziehung des Antragstellers überwiegen derart, dass dessen Erfolg im Hauptsacheverfahren deutlich wahrscheinlicher ist als
sein Unterliegen (vgl. OVG RP, AS 18, 381 ff.). Der angefochtene Abgabenbescheid, bei dem es der Sache nach um einen
Zweitwohnungssteuerbescheid geht, kann sich nämlich auf keine tragfähige Rechtsgrundlage stützen, weil die
Zweitwohnungsabgabensatzung der Antragsgegnerin vom 11.?März 2005 die rechtlichen Voraussetzungen der steuerlichen
Heranziehung nicht vollständig regelt (a) und eine systemkonforme Behebung dieses Mangels durch Auslegung der Satzung
zulasten des Personenkreises, dem der Antragsteller angehört, die verfassungsrechtlich vorgegebenen Grenzen der steuerrechtlichen
Typisierungsfreiheit überschreitet (b).
a)?Die Zweitwohnungsabgabensatzung der Antragsgegnerin regelt die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Heranziehung zur
Zweitwohnungssteuer nicht abschließend, so dass die Rechtsgrundlage dem abgabenrechtlichen Rechtssatzvorbehalt nur bedingt
genügt. Zwar finden sich im Satzungstext Festsetzungen zum Abgabengegenstand (§?1), zum Begriff der Wohnung (§?2 Abs. 4)
einschließlich der Zweitwohnung (§ 2 Abs. 1) sowie zum Innehaben eines solchen Gegenstandes (§?3 Abs. 1), die belegen, dass der
Satzungsgeber insoweit keine eigenständige abgabenrechtliche Begrifflichkeit entwickelt, sondern sich im Wesentlichen an der
Terminologie des Melderechtes orientiert hat. Ob er mit dieser Normierungstechnik seiner Verpflichtung zur exakten
rechtssatzmäßigen Umschreibung der Tatbestandsmerkmale ?Innehaben einer Zweitwohnung" gerecht geworden ist, mag schon im
Hinblick auf den Steuergegenstand, hier der fehlenden Kongruenz von Neben- und Zweitwohnung, zweifelhaft erscheinen (vgl.
Winkler, Problemfragen bei der Erhebung der Zweitwohnungssteuer aus der Sicht Studierender, KStZ 2007, 5 ff. [11]). Dies kann
im vorliegenden Fall aber dahingestellt bleiben, weil die rechtlich gebotene vollständige Umschreibung des Steuertatbestandes die
begriffliche Einbeziehung der Merkmale ?Innehaben einer Erstwohnung" voraussetzt, an der es hier fehlt. Denn wenn nach der
Vorstellung des Satzungsgebers Gegenstand der Steuererhebung das Innehaben einer Zweitwohnung ist, dann gehört schon aus
Gründen der begrifflichen Logik zum Steuertatbestand hinzu, dass der Abgabenpflichtige sich zugleich eine Erstwohnung leistet.
Deren nähere sprachliche Qualifizierung erweist sich dabei umso dringlicher, je spezieller und gegenstandsferner das Vokabular
beschaffen ist, dessen sich der Satzungsgeber zur Kennzeichnung der Zweitwohnung bedient. Dass die Vorstellungen des
Satzungsgebers über das Innehaben einer Erstwohnung zum Tatbestand der Zweitwohnungssteuererhebung gehören, leitet sich
ferner aus dem Sinn und Zweck der Steuerpflicht ab. Durch diese finanzielle Last soll nämlich nur der getroffen werden, dessen
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihm den Aufwand gestattet, gleichzeitig zwei Wohnungen zu unterhalten (vgl. BVerfGE 65, 325
[345 ff.]; BVerwG, Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 5). Unter welchen Voraussetzungen das Vorliegen eines solchen
Sachverhaltes angenommen werden kann, bedarf mithin der normativen Festlegung, weil das Innehaben einer Erstwohnung unter
Aufwandsgesichtspunkten keinesfalls als steuerlich neutral eingestuft werden kann (a.A. Meier, Juhre, Aktuelle Probleme im
Zusammenhang mit der Erhebung der Zweitwohnungssteuer bei Studierenden, KStZ 2005, 167 ff. [169]).
An einer solchen satzungsrechtlich eindeutigen Festlegung des steuerlichen Erstwohnungsbegriffs fehlt es hier. Der Satzungsgeber
lässt es vielmehr dabei bewenden, den steuerrechtlichen Wohnungsbegriff in §?2 Abs. 4 Satz 1 der Satzung als Ergebnis der
Output as PDF file has been powered by [ Universal Post Manager ] plugin from www.ProfProjects.com
| Page 1/3 |
This page was exported from - Rechtsanwälte Kotz
Export date: Fri Jan 13 11:38:01 2017 / +0000 GMT
Kombination von Elementen des melderechtlichen Wohnungsbegriffs (§?11 Abs. 5 Satz 1 MRRG) und des abgabenrechtlichen
Wohnsitzbegriffs (§?8 AO) zu qualifizieren. Im Übrigen definiert er den abgabenrechtlichen Begriff der Zweitwohnung in strikter
Anlehnung an den melderechtlichen Begriff der Nebenwohnung (§?12 Abs. 3 MRRG) und äußert sich in §?3 Abs. 1 dazu, unter
welchen Voraussetzungen die Zweitwohnung im Sinne der Satzung ?innegehabt" wird.
b)?Welche Vorstellungen den Satzungsgeber bezüglich des Innehabens einer Erstwohnung geleitet hätten, wenn er diesen
Sachverhalt einer Normierung unterzogen hätte, kann unter diesen Umständen nur durch eine extensive systemkonforme Auslegung
der bestehenden Satzungsbestimmungen ermittelt werden. Dabei liegt es nahe, anzunehmen, dass der Normgeber der
Zweitwohnungssteuer sich an den Maßstäben des Melderechtes nicht nur partiell, bezüglich des Innehabens einer Zweitwohnung,
sondern umfassend orientiert hätte und er demgemäß auch die nicht normierten, aber regelungsbedürftigen Tatbestandsmerkmale in
diese Systematik einbezogen hätte. Wenn sich sonach das Innehaben der Zweitwohnung aus den melderechtlichen Verhältnissen
über die Nebenwohnung ableiten lässt, wird man als mutmaßlichen Regelungswillen des Satzungsgebers unterstellen können, dass
er eine tatbestandliche Koordination auch zwischen der melderechtlichen Hauptwohnung und der abgabenrechtlichen Erstwohnung
angestrebt hätte. Als Inhaber einer Erstwohnung stellt sich folgerichtig derjenige dar, dessen melderechtlichen Verhältnisse die
Beurteilung der Wohnung als Erstwohnung bewirken.
Eine dergestalt ergänzte Zweitwohnungssteuersatzung verstieße jedoch in ihrer Anwendung auf den Personenkreis, dem der
Antragsteller angehört, gegen den in Art.?3 Abs. 1 GG angelegten Grundsatz der Steuergerechtigkeit (vgl. BVerfGE 49, 343 [360
f.]). Denn die in einer solchen Satzungsergänzung zum Ausdruck kommende Vorstellung, dass die melderechtlichen Verhältnisse
von Haupt- und Nebenwohnung uneingeschränkt auf die steuerrechtlichen Tatbestände von Erst- und Zweitwohnung übertragbar
seien, entfernt sich jedenfalls bei der zweitwohnungssteuerrechtlichen Veranlagung der Personengruppe der Studierenden, die am
elterlichen Wohnsitz mit Hauptwohnsitz gemeldet sind und am Studienort eine Nebenwohnung gemietet haben, soweit von den
sozialen Gegebenheiten und dem Rechtfertigungszweck der Zweitwohnungssteuer, dass dieser Mangel nicht durch die Befugnis des
Satzungsgebers zur abgabenrechtlichen Pauschalierung und Typisierung zu kompensieren ist. Die steuerrechtlichen Vorteile der
Typisierung stehen nämlich in keinem rechtlichen Verhältnis zu der Ungleichheit der steuerlichen Belastung, die mit der
Typisierung notwendig verbunden ist (vgl. BVerfGE 31, 119 [130 f.]).
Die Distanz der satzungsrechtlichen Begrifflichkeit zu den realen Verhältnissen offenbart sich bereits in der Fiktion, dass der in der
elterlichen Wohnung mit Hauptwohnsitz gemeldete Student Inhaber einer abgabenrechtlich relevanten Erstwohnung sei. Als Inhaber
einer Erstwohnung kann nach allgemeinem Sprachgebrauch und gefestigter abgabenrechtlicher Rechtsprechung (vgl. dazu OVG
NRW, Urteil vom 23.?April 1993 -?22 A 3850/92?-, NVwZ-RR 1994, 43 ff. [45 f.]; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5.?Dezember
2002 -?16 K 3699/01?- juris) nur derjenige angesehen werden, dem die rechtliche und tatsächliche Verfügungsbefugnis über die von
ihm als Hauptwohnung genutzten Räumlichkeiten zusteht. Einem die elterliche Wohnung mitbenutzenden Studenten kommt daran
als Besitzdiener aber nicht einmal die tatsächliche Verfügungsbefugnis zu, so dass von einer rechtlichen Verfügungsbefugnis umso
weniger die Rede sein kann (vgl. VG Lüneburg, Urteil vom 16.?Februar 2005 -?5 A 118/04?- juris). Damit unterscheidet sich bei
einem realitätsnahen Maßstab der Personenkreis, der rechtlich und tatsächlich eine Erstwohnung innehat, in wesentlicher Hinsicht
von demjenigen, der als ?Erstwohnungsinhaber" fingiert wird, so dass die abgabenrechtliche Gleichstellung dieser Personengruppen
grundsätzlich unvereinbar mit Art.?3 Abs. 1 GG ist.
Dies gilt in Anbetracht des Zweckes der Zweitwohnungssteuer umso mehr. Sie legitimiert sich nach der höchstrichterlichen
Rechtsprechung (vgl. BVerfGE 65, 325 ff.; BVerwG, Urteil vom 29.?November 1991 -?8 C 107.89?- NVwZ 1992, 1098 f.)
dadurch, dass das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung
(hier: Erstwohnung) einen Zustand kennzeichnet, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der
Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Gemessen daran stellen Studierende, die am Standort der Universität
eine Nebenwohnung unterhalten, diese während des Semesters in Anspruch nehmen, im Übrigen aber vorwiegend Wohnraum in der
elterlichen Wohnung als Teil der Unterhaltsleistungen seitens der Eltern nutzen und dort mit Hauptwohnung gemeldet sind, dadurch
in der Regel keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unter Beweis. Vielmehr muss es nach allgemeiner Lebenserfahrung bei der
Feststellung sein Bewenden haben, dass derjenige, der eine Hauptwohnung zwar nutzt, diese aber nicht als Erstwohnung innehat, im
Sinne der Zweitwohnungssteuer selbst dann keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt, wenn er eine
Nebenwohnung innehat. Die anderenfalls zu verzeichnende abgabenrechtliche Gleichstellung von realem und fiktivem Aufwand hat
nämlich die Verfehlung des Gesetzeszwecks notwendig zur Folge und erweist sich damit als willkürlich.
Die Gesichtspunkte der Typisierung und der Praktikabilität vermögen die Einbeziehung der hier in Rede stehenden Personengruppe
in den Kreis der Abgabenpflichtigen nicht zu rechtfertigen. Denn es handelt sich um eine benachteiligende Typisierung, bei der der
Gestaltungsfreiheit des Normgebers ohnehin enge Grenzen gezogen sind (vgl. BVerfGE 19, 101 [116]). Zudem wird sein Freiraum
Output as PDF file has been powered by [ Universal Post Manager ] plugin from www.ProfProjects.com
| Page 2/3 |
This page was exported from - Rechtsanwälte Kotz
Export date: Fri Jan 13 11:38:01 2017 / +0000 GMT
durch den Abgabenzweck eingeengt, so dass es dem typisierenden Satzungsgeber verwehrt ist, bei der Auswahl der
Steuerpflichtigen zweckwidrig zu verfahren. Auch der Gesichtspunkt der Praktikabilität greift nicht durch. So dürfte die an einem
Wirklichkeitsmaßstab ausgerichtete Feststellung, dass der zur Zweitwohnungssteuer zu Veranlagende tatsächlich zwei Wohnungen
innehat, auf keine unzumutbaren administrativen Schwierigkeiten stoßen. Dass der dabei zu entfaltende Verwaltungsaufwand zu
einer weitgehenden Aufzehrung der steuerlichen Erträge führen könnte, ist nicht ersichtlich, würde andererseits die
Aufrechterhaltung der gleichheitswidrigen Steuerveranlagung auch nicht rechtfertigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §?154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die Wertfestsetzung stützt sich auf die §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG; dabei
legt der Senat wegen des bereits weitgehend abgeschlossenen Studiums des Antragstellers abweichend vom Wertansatz des
Verwaltungsgerichts als steuerlichen Veranlagungszeitraum nur eine Zeitspanne von 2 Jahren und 7 Monaten zugrunde.
Output as PDF file has been powered by [ Universal Post Manager ] plugin from www.ProfProjects.com
| Page 3/3 |