Schneller Umrüsten von Gummi- Spritzgießmaschinen

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Schneller Umrüsten von Gummi- Spritzgießmaschinen
PRAXIS
PRACTICE
Schneller Umrüsten von GummiSpritzgießmaschinen
Sicherheitstechnik Das sukzessive Umrüsten von Produktionsmaschinen auf moderne Sicherheitstechnik
ist in der Industrieautomatisierung alltäglich. Beim Retrofit von Gummi-Spritzgießmaschinen für das
Herstellen von hochwertigen Gummidichtungen wurde auch im Sinne der aktuellen Maschinenrichtlinie
die Sicherheitstechnik an die neuen Anforderungen angepasst. Gelöst wurde dies mit einer standardisierten Sicherheitslösung auf Basis eines modularen Sicherheitssystems. Der Vorteil, jede Maschine, ob groß
oder klein, hat dann einen standardisierten Aufbau, wodurch zudem das Umrüsten beschleunigt wird
und die Instandhaltungsabteilung von der so gewonnenen Übersichtlichkeit profitiert.
H
Bilder: alle Siemens
ochwertige Gummidichtungen
kommen unter anderem aus Leverkusen. Dort hat die SKF
Sealing Solutions ein Produktionswerk
für Hightech-Produkte, die zum Großteil in der Automobilindustrie zum Einsatz kommen. 22 Gummi-Spritzgießmaschinen zwischen 90 t und 320 t
Schließkraft sind dort im Dreischichtbetrieb im Einsatz. Nun war es an der Zeit,
die Steuerungstechnik einer Verjüngungskur zu unterziehen, um in Bezug
auf Handhabung und Verfügbarkeit die
gewünschte Zukunftssicherheit sicher
zu stellen. „Dabei mussten wir auch im
Sinne der aktuellen Maschinenrichtlinie die Sicherheitstechnik an die neuen
Anforderungen anpassen“, berichtet
Jürgen Schwerdfeger aus der Fertigungsentwicklung bei SKF Sealing Solutions. Zur Auswahl standen drei Möglichkeiten: Fehlersichere Steuerung
plus Kommunikation über Profisafe,
modulares Sicherheitssystem mit AsisafeKommunikation beziehungsweise modulares Sicherheitssystem mit klassischer Parallelverdrahtung und Profibus-Kommunikation zur Maschinensteuerung. Asisafe ist einfach im Aufbau
und über das CTT2-Protokoll gibt es die
Möglichkeit Diagnosedaten kostengünstig an die überlagerte Steuerung zu
übertragen. „Wir haben uns dennoch
für letztere Variante entschieden, weil
der Gesamtaufbau mit Parallelverdrahtung für unseren Anwendungsfall besBild 1: 22 Gummi-Spritzgießmaschinen werden zur Herstellung von Hightech-Dichtungen
eingesetzt.
Autoren
Michael Schreiter, ist bei Siemens Factory
Automation in Köln tätig.
Bruno Bettmer, ist im Vertrieb bei Siemens
Digital Factory in Köln tätig.
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ser passt und gleichermaßen erweiterte
Steuerungs- sowie Diagnosefunktionen
zu bieten hat.“ Was das bedeutet, erklärt sich folgendermaßen: Zentrale
Komponente der neuen Sicherheits-
technik ist das Modulare Sicherheitssystem (MSS) Sirius 3RK3 von Siemens. An das Advanced-Basisgerät lassen sich rechts bis zu neun Erweiterungsmodule – fehlersicher und
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Bild 2: In Verbindung mit
dem Modulare Sicherheitssystem (MSS) kann die hydraulische Druckerzeugung
ohne großen Aufwand mit
in die Sicherheitstechnik
integriert werden.
Standard – anreihen. Für die ProfibusKommunikation kann auf der linken
Seite ein entsprechendes Zusatzmodul
ergänzt werden. „Dadurch erreichen
wir für jede Maschine – groß oder klein
– einen standardisierten Aufbau; einerseits beschleunigt das die Umrüstung,
andererseits profitiert die Instandhaltungsabteilung von der so gewonnenen
Übersichtlichkeit“, erklärt Jürgen
Schwerdfeger.
Hohe Schalthäufigkeit kein Problem
Entscheidend für das letztendlich gewählte Umrüstkonzept war das Abwägen von Vor- und Nachteilen der drei
Sicherheitslösungen in Verbindung mit
einer tatkräftigen Unterstützung durch
den Gerätelieferanten. Vorausgegangen
waren Tests, die die hohe Flexibilität
und Leistungsfähigkeit der MSS-Variante bestätigt haben. Ein wesentlicher
Aspekt war für die Leverkusener die
Fähigkeit zur Systemdiagnose der Geräte. So werden beim MSS Testimpulse
nach einem bestimmten Algorithmus
auf die Sensorik gegeben und so deren
ordnungsgemäße Funktion bestätigt sowie ein eventueller Querschluss bzw.
Kurzschluss diagnostiziert.
Ein Fertigungsentwickler ergänzt:
„Nach den Vorgaben der Schalthäufigkeit normaler Sicherheits-Schaltgeräte
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hätten wir diese vermutlich nahezu alle 2
bis 3 Jahre austauschen
müssen.“ Denn die
überwachten Schutz- türen werden in der
Gummidichtungs-Herstellung häufig geöffnet
und geschlossen. Der
Praktiker kommentiert:
„Wir verwenden grundsätzlich nur elektronische Ausgänge, dann
bekommen wir gemäß
EN ISO 13849-1 keine
Probleme mit der Schalthäufigkeit der Sicherheitstechnik.“
Die Not-Halt-Taster
und überwachten Türkontakte plus Verriegelung werden direkt auf das Sirius 3RK3 verdrahtet.
Dieser klassische Ansatz kann schnell
umgesetzt werden und unterstützt eine
wichtige Forderung: Die Instandhaltung kann einfach und selbstständig ein
Fehlerbild lokalisieren und wenn notwendig schnell beheben. Dies ist besonders wichtig bei einem 24/7 Produktionsprozess. Programmiert wird mithilfe
der Software MSS ES von Siemens,
wobei die Einstellungen über einen
USB-Adapter oder per Profibus-Kommunikation auf das Gerät übertragen
werden. „Auch dabei erweist sich die
gewählte Lösung als serviceorientiert“,
freut sich Jürgen Schwerdfeger. Denn
das Sicherheitsprogramm wird auf einen steckbaren, wiederbeschreibbaren
Speicherbaustein geladen. Im Servicefall lässt sich dieser einfach nach unten
abziehen, in das neue MSS-Gerät wieder einstecken und die Sicherheitstechnik arbeitet weiter.
Komplexe Sicherheitskreise
in der Software
Vor allem die hohe Flexibilität, die mit
dieser Sicherheitstechnik-Lösung einhergeht, hat den Praktiker überzeugt.
Es gibt zahlreiche Eingänge, die zweikanalig verdrahtet werden, um letztendlich den Performance Level PLe gemäß
ABSTRACT
Fast retrofitting of rubber
injection molding machines
The successive changeovers of production
machinery to modern safety technology is
commonplace in industrial automation.
During retrofit of rubber injection molding
machines for the production of high-quality rubber gaskets, the safety technology
has been adapted to the new requirements in the sense of the current Machinery Directive. This problem was solved
with a standardized security solution
based on a modular safety system.
The advantage of each machine, whether
large or small, has a standardized design,
which also retooling is accelerated, benefiting the maintenance department of clarity thus obtained. The central component
of the new safety technology is the modular safety system (MSS) 3RK3 Siemens Sirius. Leave at the Advanced Base unit right
up to nine expansion modules - fail-safe
and standard - baying. For the Profibus
communication can on the left side an appropriate add-on module to be supplemented. Is programmed using the MSS ES
software from Siemens, the settings via a
USB adapter or via Profibus communication to the device are transmitted.
EN ISO 13849-1 zu erreichen. In der
Software lassen sich die Ein- und Ausgänge komfortabel zu komplexen Abschalt- und Freigabekreisen verschalten. „Mit reiner Hardwareverdrahtung
wäre ein solcher Funktionsumfang
überhaupt nicht darstellbar gewesen“,
bekräftigt der Leverkusener Fachmann.
Selbst in Bezug auf Platzbedarf, Kosten und Installationsaufwand gewinnt
die moderne Lösung gegenüber konventionellen Lösungen. Eine konventionelle Sicherheitstechnik hätte viele
unterschiedliche Einzelmodule erfordert, mindestens einen Tag mehr Verdrahtungsaufwand bedeutet und mehr
Planungszeit erfordert – abgesehen von
den höheren Kosten.
Ebenso wichtig war auch der um die
Hälfte reduzierte Platzbedarf des MSS
gegenüber einer konventionellen Sicherheitstechnik. Durch die Tatsache,
dass die neue Lösung in den vorhandenen Bauraum im Schaltschrank passen
muss, war das im Entscheidungsprozess
ein weiterer wesentlicher Aspekt. Die
gesamte Modernisierungslösung ist auf
zwei Trägerplatten montiert, die über
jeweils vier Schrauben schnell im
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zeugung ohne großen Aufwand mit in
die Sicherheitstechnik integriert werden: Beim Öffnen der Schutztür schaltet das Sicherheitsventil, das sich direkt
hinter der verstellbaren Druckpumpe
befindet, fehlersicher ab und entlastet
die Hauptdruckleitung in den Tank. Die
Schaltstellung des Ventils wird digital
ins MSS zurückgeführt. Zusätzlich kann
die Pumpe direkt aus der Steuerung
über das MSS ein- oder ausgeschaltet
werden.
Modulares Sicherheitssystem
mit Profibus
Bild 3: Im Dreischichtbetrieb werden hier Millionen von Hightech-Produkte gefertigt, die zum
Großteil in der Automobilindustrie zum Einsatz kommen.
Schaltschrank fixiert werden können.
In Verbindung mit der Vorkonfektionierung der Steuerungs- und Sicherheitstechnik wird Zeit bei der Umrüstung
gespart: Auf Platte 1 befinden sich CPU
plus Analogtechnik, auf Platte 2 ist die
digitale Peripherie plus Sicherheitstechnik montiert.
Geschützt wird das MSS mithilfe der
elektronischen Sicherung Sitop PSE
200U von Siemens, Nürnberg, für vier
Verbraucherabzweige pro Modul. Diese
Schutzgeräte für 24-V-Abzweige lassen
sich selektiv einstellen und reagieren
sehr flink. Sie ersetzen damit Schmelzsicherungen und ermöglichen die zuverlässige Überwachung der Sicherheitsschaltgeräte bezüglich Überlast
und Kurzschluss. Dabei lässt sich jeder
Ausgang über Potentiometer zwischen
0,5 A und 3 A bzw. 3 A und 10 A fein
einstellen. Selbst ein Fern-Reset von
zentraler Stelle aus ist damit möglich.
Anwender direkt aus dem Prozessabbild
der Eingänge abgegriffen werden. Aufgrund der 64-Bit-Datenpakete in Sende- und Empfangsrichtung lassen sich
auch Zusatzfunktionen im Modularen
Sicherheitssystem 3RK3 verarbeiten
wie zum Beispiel das Quittieren über
das HMI (Human Machine Interface)
oder das Schalten der Hydraulikpumpe
in der Zentralhydraulik.
„Für unseren Anwendungsfall sind
das zusätzliche Vorteile, die überaus
praktisch sind“, betont Jürgen Schwerdfeger. In Verbindung mit dem MSS
kann nun die hydraulische Drucker-
TECHNIK IM DETAIL
Modulares Sicherheitssystem
Das MSS besteht aus den Systemkomponenten:
Zentralmodule: MSS Basic; MSS Advanced; MSS ASIsafe; Erweiterungsmodule;
Interfacemodul; Diagnosemodul; Parametrier-Software und Zubehör.
■ Einsatzgebiete:
■ Schutztür-Überwachung und Zuhaltung
- Parametrierbar je nach Betriebsart
(Normal-, Service- oder Fehlerfall).
■ Muting - Überwachung der Zufahrtswege für den Transport von Materialien
zur Weiterbearbeitung in einen oder
aus einem Gefahrenbereich. Einerseits
Personen beim Eindringen in den Gefahrenbereich vor Schaden schützen
und andererseits die Materialien ungehindert passieren lassen.
■
Einfacher Anschluss möglich
Auch das MSS kann über die Steuerung
direkt gesteuert werden. In dem standardisierten Aufbau für das Retrofit der
Gummi-Spritzgießmaschinen kommt
eine Simatic S7-1500 mit der CPU
1516-3 PN/DP zum Einsatz. Diese besitzt zwei Ethernet-Schnittstellen, eine
für Profinet-Basisfunktionen und eine
für die Profinet-IO-Kommunikation.
Über die zusätzliche Profibus-Schnittstelle erhält die Steuerung Diagnosemeldungen des MSS ohne zusätzlichen
Programmieraufwand. Die Erstellung
besonderer Funktionsbausteine ist dabei unnötig, die Daten können vom
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Die sukzessive Modernisierung von
Gummi-Spritzgießmaschinen bei SKF
Sealing Solution hat gezeigt, dass mit
dem Modularen Sicherheitssystem Sirius 3RK3 ein flexibles und komfortables
Umrüsten möglich ist. Nach eingehender Planung hat sich die Variante mit
Profibus-Kommunikation als geeignetste Lösung erwiesen. Übersichtlicher
Aufbau, hohe Flexibilität, geringer
Platzbedarf und schnelle Installation
waren dabei die wichtigsten Aspekte
der Entscheidung.
Mit einem standardisierten Aufbau
lässt sich die Sicherheitstechnik nach
den hohen Anforderungen der Europäischen Maschinenrichtlinie ohne großen Aufwand individuell anpassen.
Aufgrund der Profibus-Kommunikation lassen sich einerseits gewisse Funktionen wie das Zu- und Abschalten der
hydraulischen Verstellpumpe über die
Steuerung durchführen. Andererseits
erhält die Steuerung wichtige Diagnoseinformationen aus dem MSS. Damit
passt sich die Sicherheitstechnik mit
ihrem einfachen und übersichtlichen
Aufbau in die Steuerungsumgebung
mit ein. Schließlich ist die Modernisierung der Steuerung Ausgangspunkt für
die sukzessive Umrüstung der Maschinen gewesen. Durch den modularen
Aufbau von Sicherheitstechnik und
Standardautomatisierung auf zwei vorkonfektionierten Trägern kann die Umrüstung bedarfsabhängig sehr rasch erfolgen. Jürgen Schwerdfeger fasst zusammen: „Diese Sicherheitslösung ist
einfach, kompakt und flexibel, so dass
man wirklich von einem klasse Ergebnis sprechen kann.“
■
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Siemens AG, Köln,
Tel. +49 (0) 221 576-3327
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