Fischoperationen
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Fischoperationen
20. JANUAR 2013 Preis Fr. 4.20 Euro 4.20 LAUBERHORN Das grosse Debakel unserer Ski-Nati DJ ANTOINE Das Erfolgsgeheimnis des Schweizer Popstars Seite 27 Seite 41 27. Jahrgang, Nr. 3 / www.sonntagszeitung.ch AZA 8021 Zürich Redaktion: 044 248 40 40 · Abo-Service: 044 404 64 40 «Ökofaschisten»: Chefdiplomat attackiert Zuwanderungs-Gegner Migros-Chef Bolliger: Preise werden steigen FOTO: KEY ZÜRICH Kehrtwende im Schweizer Detailhandel: «Bei den Preisen dürften wir die Talsohle erreicht haben», sagt Migros-Chef Herbert Bolliger im Interview mit der SonntagsZeitung. «Ich rechne dieses Jahr mit stabilen oder leicht steigenden Preisen.» Es sei absehbar, dass diverse Produkte teurer würden. WIRTSCHAFT SEITE 55 Harsche Kritik an Staatssekretär Rossier wegen Angriff auf Ecopop-Initianten VON DENIS VON BURG BERN Yves Rossier, Staatssekretär im Aussendepartement (EDA), bezeichnete an einer CVP-Veranstaltung die Initianten der Volksinitiative «Stopp der Überbevölkerung» als «Ökofaschisten». Nun stellen CVP-Politiker Rossiers Eignung als Chefunterhändler im Algerien: 23 Geiseln und 32 Entführer getötet EDA und Chef des diplomatischen Korps infrage. Aussenpolitikerin Kathy Riklin sagte nach Rossiers Auftritt: «Ein Staatssekretär, der sich zu solchen Äusserungen hinreissen lässt, ist ein politisches Risiko für die Schweiz.» Andere CVP-Politiker raten Aussenminister Didier Burkhalter, über eine Absetzung Rossiers nachzudenken. Man könne nicht sicher sein, dass er sich in internationalen Verhandlungen beherrschen könne. Der Vorfall ereignete sich am vorletzten Freitag im Rahmen eines Fraktionsseminars der CVP in Flüeli-Ranft zur Europapolitik. Dort warnte Rossier als Referent die CVP vor europapolitischen Experimenten wie dem EWR. Es ständen ohnehin schwierige Abstimmungen an. In diesem Zusammenhang kritisierte Rossier auch die Ecopop-Initiative, die eine rigorose Beschränkung der Einwanderung und damit die Kündigung der Personenfreizügigkeit mit der Europäischen Union fordert. SEITE 3 AIN AMENAS Bei der Geiselnahme in einer Gasförderanlage nahe Ain Amenas (Foto) wurden mindestens 55 Menschen getötet. Gestern stürmte ein Armeekommando die Anlage. Derweil jagen Franzosen Islamisten in Mali – die Reportage. NACHRICHTEN SEITE 8 Jagd auf Osama Bin Laden: Was wirklich geschah WASHINGTON Zum Start des Spielfilms «Zero Dark Thirty» über die Suche nach Osama Bin Laden hat die SonntagsZeitung rekonstruiert, wie der meistgesuchte Terrorist der Welt aufgespürt wurde. Und welche Rolle FOKUS SEITE 15 die Folter dabei spielte. HIER WIRD EIN GOLDFISCH OPERIERT G LO S S E Wer kennt ihn nicht? – «ICH!» – «ICH AUCH NICHT!» – «WENKENNICHNICH?» – Jetzt wartet doch ab, Kinder! Also: Wer kennt ihn nicht – den Paten? Don Corleone? – «KLAR!» – «KENNWIRJADOCH!» – Dann seid still und lasst mich ausreden, Kinder! Don Corleone ist nämlich Italienisch und bedeutet so viel wie «Der Götti von Corleone». Corleone ist aber kein Bub, sondern ein kleines Städtchen im Süden von Italien, in Sizilien. – «OOHHH!» – «ECHT?» – Das Städtchen gibt es nicht bloss im Film, sondern ganz richtig in Wirklichkeit. Dort lebt eine Bürgermeisterin, die Leoluchina Savona heisst. Leoluchina Savona ist eine sehr mutige Frau. Denn sie hat etwas getan, was in Corleone noch niemand getan hat – wegen der Omertà und der Angst vor der Mafia. Sie hat sich ganz offiziell und öffentlich bei allen Opfern von Gewalttaten entschuldigt, die in vielen, vielen Jahren von den Menschen ihrer Gemeinde, den Mafiosi, verübt worden sind. «Ich bitte um Verzeihung für das Blut, das vergossen wurde», hat sie gesagt. Und die Mafia solle aufhören mit ihren schmutzigen Geschäften. – «VERRÄTERIN!» – «JA GENAU!» – Philipp!! Christophe! Setzt euch sofort wieder hin und haltet endlich den Latz! PETER SCHNEIDER WETTER ALPHA Zuerst freundlich, trocken, dann Niederschläge aus Westen, Temperaturen um 2 Grad. 87 Kaderstellen-Angebote FOTO: MICHELE LIMINA Tschuldigung ZÜRICH Ein komplettes Ärzteteam ist angetreten, um Traugottli einen Tumor zu entfernen. Traugottli ist ein Goldfisch – und mit seinen 10 Jahren ein Risikopatient. Dementsprechend vorsichtig gehen OP-Leiter Professor Hatt (l.) vom Zürcher Tierspital, Tierärztin Wyss mit dem Laser und eine Helferin, die den Infusionsschlauch führt, bei dem 29 Gramm schweren narkotisierten Patienten zu Werke. SEITE 63 Asyl-Ausweisungen: Höchster Stand seit zehn Jahren ZÜRICH/BERN Neues Hoch bei den Asyl-Ausweisungen auf dem Luftweg: Im Jahr 2012 führten Bund und Kantone 13 801 kontrollierte Ausreiseflüge durch. Damit hat sich die Zahl seit 2008 mehr als verdoppelt und befindet sich auf dem höchsten Stand seit dem Ende der Balkankriege. Die hohe Zahl der Ausreisen stellt insbesondere den Flughafen Zürich vor grosse Probleme: Die für die Rückführungen benötigte Infrastruktur ist überlastet. Die kantonalen Sicherheitsdirektoren der Flughafenkantone haben deshalb entschieden, dass künftig zehn Prozent mehr Asylbewerber über Bern, Basel und Genf ausfliegen sollen. Die Details werden in den kommenden Monaten ausgearbeitet. SEITE 5 Geheimtreffen: Burkhalter redet mit Norwegen über EWR ZÜRICH Aussenminister Didier Burkhalter trifft kommende Woche am Weltwirtschaftsforum in Davos seinen norwegischen Amtskollegen Barth Eide, wie die SonntagsZeitung aus dem norwegischen Aussenministerium erfahren hat. Das Thema: die Beziehung der Schweiz zur Europäischen Union. Gemäss involvierten Kreisen soll am Gespräch die Frage behandelt werden, ob und wie die Schweiz an bestehende Institutionen andocken könnte, ohne dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), geschweige denn der EU, beitreten zu müssen. Für diese Lösung könnte die Schweiz Norwegen als Brückenbauer brauchen. Beide Länder sind Mitglieder der Europäischen Freihandelszone (Efta). SEITE 53 20. JANUAR 2013 Wissen Unter Eis leben Seite 64 Auf Mikrobensuche im See tief unter einem Antarktisgletscher Trickreich leben Seite 66 Wie Tiere die Gesetze der Physik nutzen & Multimedia GESUND LEBEN FÜR DIE LEINWAND LEBEN Empfehlungen werden kaum beachtet Ein ETH-Professor ist Meister der Spezialeffekte SEITE 65 SEITE 69 Kompliziert leben Seite 68 Neue TV-Standards sind oft schwer verständlich 63 Ein Goldfisch auf dem OP-Tisch Von Ultraschall über Laser-Operation bis zur Reha – auch Fische profitieren von der Hightech-Medizin Der narkotisierte Traugottli während der Operation: Über den Infusionsschlauch bekommt er Wasser, gelöstes Backpulver und ein Betäubungsmittel VON MARTINA FREI (TEXT) UND MICHELE LIMINA (FOTOS) Traugottli schlingert. «Er ist jetzt am Einschlafen», sagt JeanMichel Hatt, Direktor der Klinik für Zoo-, Heim- und Wildtiere am Zürcher Tierspital. Dann kippt der 29 Gramm leichte Goldfisch zur Seite. Das Betäubungsmittel in seinem Bassinwasser wirkt. «Gut narkotisiert und bewässert könnte man einen Fisch theoretisch stundenlang auf den Operationstisch legen», erklärt Hatt. Aufgrund seines Alters von zehn Jahren sei Traugottli jedoch «ein Risikopatient. Wir müssen schnell arbeiten», brieft Hatt seine Kollegin Fabia Wyss, die sich in Chirurgenmanier die Hände wäscht. Vorsichtig hebt er den Patienten aus seinem Plastikbecken und legt ihn auf den Operationstisch. Eine Tierarzthelferin schiebt dem betäubten Traugottli den Infusionsschlauch ins Maul. In der Infusion ist Wasser aus seinem Aquarium, das mit genau dosiertem Betäubungsmittel plus Backpulver versetzt ist. Letzteres bewirkt, dass die Lösung nicht zu sauer wird. Traugottli schluckt im Sekundentakt. Zusätzlich träufelt die Helferin Narkoselösung auf seine linke Kieme. Etwas verloren liegt der rund zehn Zentimeter kleine Goldfisch auf dem Operationstisch. Er ist einer von schätzungsweise sieben Millionen Zierfischen in der Schweiz. In den letzten Jahren sind immer mehr Fischbesitzer bereit, in medizinische Abklärungen zu investieren. Salbe auf die Wunde und eine Antibiotika-Spritze ins Filet Seit zwei Jahren habe Traugottli diesen immer grösser werdenden Tumor an der Schwanzflosse, berichtet seine Besitzerin Heike Botha. In letzter Zeit schränke ihn das in der Bewegung ein. Das Gewicht der einen Zentimeter grossen Geschwulst zieht das kleine Tier nach unten, «er musste mehr schwadern, um gegenzusteuern». Der Goldfisch ermüdete. Immer wieder legte er sich zum Erholen auf den Aquariumsboden. Um ihm Erleichterung zu verschaffen, entschloss sich Botha zur Operation. Mit einem Laser trägt die Tierärztin Fabia Wyss vorsichtig die Geschwulst ab. Sie komplett auszuschneiden, sei nicht ratsam. «Dann wäre die Schwanzflosse kaputt und die Wirbelsäule verletzt», erklärt Hatt. Fünf Minuten dauert der Eingriff, zwei Minuten die Nachbehandlung: desinfizierende Salbe auf die Wunde und eine Antibiotika-Spritze «ins Filet». Dann setzt Hatt Traugottli behutsam in einen Eimer mit Wasser – vertrautes Wasser aus dem heimischen Aquarium. Das ist für den Patienten am bekömmlichsten. Die Fischbesitzerin hat extra 12 Liter davon mitgebracht. Hatt hält den noch betäubten Fisch in seiner Hand, bis dieser allmählich aus der Narkose erwacht. Eine halbe Stunde später schwimmt Traugottli wieder. «Er wirkt noch etwas müde, aber es geht ihm gut», sagt Heike Botha. Die nächste Woche bekommt der Goldfisch ein Antibiotikum ins Futter gemischt und täglich etwas Salbe auf die Wunde. Zusätzlich hat Botha den Salzgehalt im Aquariumwasser erhöht. Dies beugt Wundinfektionen vor. Nachdem sie ihren Hund vor Jahren einschläfern lassen musste, wollte sie kein Tier mehr, mit dem sie eine enge Beziehung eingehen würde. Also schaffte sich Botha drei Goldfische an. Doch die Rechnung ging nicht auf. «Traugottli lebt jetzt seit acht Jahren bei mir. Zuerst habe ich gedacht, ich lasse ihn einschläfern. Aber ich hänge an ihm», bekennt die Tierhalterin. Mit der Zeit entwickle man auch zu Fischen eine Beziehung. «Sie freuen sich zum Beispiel, wenn die Sonne in ihr Aquarium scheint.» Traugottli sei unter den drei Fischen immer der «Underdog» gewesen. Der Eingriff, hofft Botha, werde ihm noch ein paar beschwerdefreie Jahre bringen. Die Lebenserwartung eines Zucht-Goldfischs beträgt in der Regel 10 bis 20 Jahre. «Auch Patienten wie dieser Goldfisch haben einen emotionalen Wert», findet Hatt. «Eine Schildkröte, die 80 Jahre alt wird, kann Ihnen viel länger ans Herz wachsen als ein Hund.» Bisher lassen aber erst wenige Fischbesitzer ihre Tiere hier operieren. Hinzu kommen Fische aus dem Zoo Zürich. Etwa fünf solcher Eingriffe, die rund 160 Franken kosten, finden jährlich am Zürcher Tierspital statt. Verletzungen durch Katzen oder scharfe Steine im Teich In der Koi-Klinik Langenthal dagegen stehen Fischoperationen regelmässig auf dem Programm. Offiziell wird sie erst im März eröffnen, doch bereits jetzt sind die 15 Becken mit Patienten oder – streng davon getrennt – Überwinterungsgästen belegt. Im Hauptberuf verkauft Klinikbesitzer Marco Stauffer Koi in allen Farben und Grössen. Der günstigste kostet 35, der teuerste über 10 000 Franken. «Ein Koi lebt 15 bis 20 Jahre. Ich will auch nach dem Kauf einen Service bieten», begründet er seine Motivation. Mit «Fishdoc» Ralph Knüsel als Belegarzt und der 100 Meter entfernten Kleintierpraxis Gelbe Pfote offeriert Stauffer hier umfassende Patientenbetreuung. «Als Fischtierarzt steht man oft an einem Teich und denkt: Schade, dass man nicht mehr machen kann», sagt Knüsel. In der KoiKlinik habe er viel mehr Möglichkeiten: Transportservice, Röntgen, Ultraschall, selbst gebauter Fisch-Operationstisch, Reha. Nebst Infektionen durch Bakterien, Viren, Parasiten oder Pilze gehören Verletzungen durch Katzen oder scharfe Steine im Teich zu den häufigsten Problemen bei Zierfischen. Auch Prellungen bei zu wildem Ablaichen und Tumore sind bei Koi häufig. Kleinere Eingriffe erledigt Knüsel jeweils direkt vor Ort. Grössere führt er in der Klinik durch. «Kürzlich haben wir einem Koi eine handballgrosse Zyste aus dem Bauch entfernt. Es ist erstaunlich, wie schnell sich die Tiere erholen. Eine halbe Stunde später schwimmen sie, als wäre nichts gewesen.» Heute macht Knüsel die Wundkontrolle bei dem etwa 60 Zentimeter langen Tier: Auf der schön FORTSETZUNG AUF SEITE 64 WissenAntarktis 64 20. JANUAR 2013 Eisgekühltes Leben MELDUNGEN Rotstift gibt schlechte Sympathiewerte COLORADO SPRINGS Die Farbe des Korrekturstifts hat einen Einfluss auf das Ansehen des Lehrers aus der Sicht des Schülers, berichten Forscher in «The Social Science Journal». Bei roten Korrekturstiften wurde das Lehrer-Schüler-Verhältnis im Vergleich mit blauen Stiften als schlechter eingestuft. Die Soziologen hatten 199 Studenten mit Rot- oder Blaustift korrigierte Aufsätze vorgelegt und befragten sie nach den Merkmalen des fiktiven Lehrers. Kot kann schwere Darminfektion heilen AMSTERDAM Es klingt unappetitlich, doch für Menschen, die an einer Infektion mit dem Darmkeim Clostrodium difficile leiden, kann eine sogenannte Fäkal-Transplantation Wunder bewirken. Im Rahmen einer klinischen Studie verschwanden bei 15 von 16 Behandelten die schweren Symptome wie Durchfall, Fieber und Bauchkrämpfe, nachdem sie Kot (und damit die Darmflora) eines gesunden Spenders erhalten hatten. Zum Vergleich: Antibiotika heilten nur jeden vierten Behandelten. Forscher suchen im antarktischen Whillans-See tief unter dem Gletscher nach Mikroben A N TA R K TIS Südpol EL L S W O RT H � S EE W H IL L A N S � S EE EIS� W O STO K � S EE SCHELF McMurdo-Station 1000 km SoZ Huwi Rätselhafte Schnabelwale gefährdet SAN DIEGO Über keine andere Gruppe von Walen ist so wenig bekannt wie über die Schnabelwale. Sie leben weit draussen in den Ozeanen und verbringen viel Zeit tauchend. Nun haben US-Forscher erstmals Langzeit-Beobachtungsdaten veröffentlicht. Demnach hat die Zahl der Schnabelwale von 1991 bis 2008 im Pazifik abgenommen. Möglicherweise, spekulieren die Forscher, seien Sonartests der Navy und Schiffslärm für den Rückgang verantwortlich. Chinas «kleine Kaiser» sind auffällig CLAYTON (AUS) Chinesische Einzelkinder, sogenannte kleine Kaiser, sind weniger risikobereit, misstrauischer, unzuverlässiger, pessimistischer, weniger gewissenhaft und scheuen eher den Wettbewerb als Kinder, die mit Geschwistern aufgewachsen sind. Das berichten Forscher in «Science». Sie liessen 400 Einwohner Pekings, die teils vor, teils nach Einführung der Ein-Kind-Politik geboren wurden, eine Reihe Gruppenspiele durchführen und analysierten das Verhalten. Amerikanisches Wissard-Team auf dem Weg zum Bohrloch: «In der dunklen Kälte lebt wohl eine Mikroben-Gemeinschaft» VON JAMES GORMAN In unberührten Süsswasserseen tief unter dem antarktischen Eis suchen gleich drei Forscherteams nach Zeichen von Leben. Aber nur eines der Teams, das US-amerikanische, hat eine reelle Chance, die seit langem dort vermuteten Mikroben zu identifizieren, bevor die Kälte der diesjährigen Bohrsaison in knapp einem Monat ein Ende setzen wird. Die Briten mussten wegen technischer Probleme schon an Weihnachten aufgeben, die Russen werden ihre Proben erst zu einem späteren Zeitpunkt analysieren können. Das US-Team ist letztes Wochenende nach zweiwöchiger Fahrt von der McMurdo-Forschungsstation bei der Bohrstelle über dem Whillans-See angekommen (siehe Karte). Dieser befindet sich etwa 800 Meter unter dem gleichnamigen Gletscher. Läuft alles wie geplant, könnte das Team schon in ein paar Wochen über allfällige Funde berichten. John Priscu von der Montana State University, der Leiter des Projekts Wissard (Whillans Ice Stream Subglacial Access Re- search Drilling), ist jedenfalls zuversichtlich: «Es deutet alles darauf hin, dass dort unten in der dunklen Kälte eine Mikroben-Gemeinschaft lebt.» Die zwei anderen Projekte, das britische und das russische, wollen Seen anzapfen, die beide mehr als drei Kilometer unter der Gletscheroberfläche liegen: der Wostok-See (Russland) und der Ellsworth-See (GB). Allen drei unterirdischen Seen ist gemeinsam, dass die dort vermuteten Lebewesen nur von Mineralien und der Wärme des Erdinnern leben können – die Sonne fällt als Energielieferantin weg. Zwar kennt man auch aus der Tiefsee Organismen, die nicht auf die Fotosynthese angewiesen sind, doch tiefe Süsswasserseen hat bislang noch niemand erforscht. In der Antarktis gibt es etwa 400 unterirdische Seen Am Wostok-See haben die Russen zehn Jahre lang versucht, das 3,5 Kilometer dicke Gletschereis zu durchbohren, um an das Süsswasser zu gelangen, das Tausende von Jahren von der Umwelt abgeschirmt war. Letzte Saison, kurz vor Ende, ist es ihnen dann geglückt. Sie mussten allerdings wegen der Witterungsbedingungen in Wostok, wo mit minus 89 Grad Celsius die kälteste Temperatur auf der Erde gemessen wurde, gleich danach heimkehren. Diese Saison sind sie zurück, um Proben vom Seewasser zu nehmen, das von der Seeoberfläche durch das Bohrloch nach oben gedrungen ist. Allerdings werden sie diese Proben erst nach der Saison in Russland analysieren können. Zudem haben sie nur Proben von einem einzigen Ort des riesigen Sees, der fast halb so gross ist wie die Schweiz. Das US-amerikanische Projekt unterscheidet sich vom russischen und britischen in mehreren Punkten. So ist der Whillans-See kleiner und weniger tief als der Wostok- oder der Ellsworth-See, und er wird schneller nachgefüllt von anderen Wasserquellen unter dem Eis; er ist ein Becken im Fluss unter dem Eis. Wasser fliesst ständig in den See und aus dem See in den Ozean. Während das Wasser im Wostok-See alle 10 000 Jahre und das im Ellsworth-See alle 700 Jahre ersetzt wird, beträgt diese FOTO: NYT Zeitspanne im Whillans-See nur etwa 10 Jahre. Auch der wissenschaftliche Zugang ist ein anderer. Das WissardProjekt setzt auf ein torpedoförmiges, etwa 75 Zentimeter grosses Tauchboot. Es wird über eine anderthalb Kilometer lange Leine ferngesteuert und soll den unterirdischen See mit all seinen Zuund Abflüssen vermessen. Mit diesen Daten wollen die Forscher unter anderem besser verstehen, wie sich die Gletscher in der Antarktis bewegen und warum einige Gebiete an Gletschermasse zulegen, während andere Eis verlieren. In der Antarktis gibt es rund 400 unterirdische Seen, welche die Bewegung der Gletscher über ihnen beeinflussen. Die Amerikaner wollen zudem auch Proben aus dem Sediment des Seebodens nehmen, um dort nach Spuren von heutigem oder früherem Leben zu suchen. «Wenn man schon ein Loch durch eine so dicke Eisschicht bohrt», sagt der beteiligte Forscher Robin Bell von der Columbia University, «will man so viel wie möglich rausholen.» © «THE NEW YORK TIMES» ÜBERSETZUNG: NIK WALTER 3 FORTSETZUNG VON SEITE 63 Ein Goldfisch auf dem OP-Tisch zugewachsenen Naht wächst an einer Stelle ein verdächtiger brauner Flaum. Knüsel nimmt einen Abstrich, diagnostiziert mithilfe des Mikroskops eine Pilzinfektion und desinfiziert die Stelle mit Malachitgrün. Die Behandlung kostet je nach Aufwand zwischen 500 und 2000 Franken. Darin inbegriffen ist die Beckenmiete von 180 bis 350 Franken monatlich, zuzüglich eines Heizzuschlags bis zu 80 Franken. In wärmerem Wasser heilen viele Erkrankungen bei den wechselwarmen Tieren besser. Ist ein Fisch diesen Aufwand wert? Ja, findet Knüsel und geht an den Rand eines Beckens. Sofort kommen mehrere Koi angeschwommen, einer lässt sich streicheln. Viele Besitzer hätten eine spezielle Beziehung zu ihren Koi. Ausserdem seien sie viel wert. «Da lohnt sich eine Operation auch finanziell.» «Fischhalter sind heute sensibilisierter, wenn ein Fisch krank wird», bestätigt Hans Gonella von der Fischauffangstation in Zürich. Bei Schwarmfischen wie Guppys dagegen sind Behandlungen eine Seltenheit. «Viele Besitzer bemerken dort gar nicht, wenn ein Fisch krank ist. Oft gehen die Tiere einfach ein, dann werden neue gekauft», sagt Gonella. Trotz aller Neuerungen hinkt die Fischmedizin der Heimtiermedizin hinterher. Etliche Infektionen bei Fischen verlaufen noch immer tödlich, die bei Koi häufigen Leber- und Nierentumore sind inoperabel und nicht heilbar, weiss der Fischtierarzt Matthias Escher. Seit 2001 betreibt er eine KoiPraxis im freiburgischen Ulmiz. «Punkto Medikamente hat sich in der Fischmedizin in den letzten 20 Jahren nicht viel getan. Was bei Zierfischen hilft, wissen MEINUNG Martina frei REDAKTORIN Kein Haustier zweiter Klasse Hunde und Katzen bringt man selbstverständlich zum Tierarzt, wenn ihnen etwas fehlt. Aber einen Fisch? Wer das macht, muss mit dem Spott und Unverständnis seiner Mitmenschen rechnen. Fische gelten vielen als Haustiere 2. Klasse. Doch egal, um welche Spezies es sich handelt: Wer sich ein Tier anschafft, ist für dessen Wohlergehen verantwortlich. Das heisst nicht, dass er immer alles tun soll, was medizinisch machbar ist. Aber er muss gut begründen können, warum er einem kranken Tier die Behandlung versagt. Das Argument «Es ist ja nur ein Fisch» zählt dabei nicht. Koi-Klinik (o.), Tierspital: Röntgen- und Lasertechnik für Fische wir mehrheitlich aus Erfahrung. Da gibt es kaum Forschung. Wir hatten einen Behandlungsnotstand.» Vor 2011 gab es hierzulande zum Beispiel kein zugelassenes Medikament zum Einschläfern von Aquarienfischen. «Fischhalter kommen auf alle möglichen Ideen», sagt Escher. Nelkenöl, das früher als Fisch-Narkosemittel benützt wurde, ist noch das harmloseste. Andere frieren ihren Fisch ein, spülen ihn das WC hinunter oder stecken ihn in ein Kuvert und springen zu zweit darauf. Um dem abzuhelfen, haben Escher und sein Kollege Knüsel die wichtigsten Fischmedikamente in der Schweiz registrieren lassen und importieren sie. «Ein Geschäft ist das nicht», so Escher. Von den 6000 Dosen Fishmed Sleep zum Einschläfern beispielsweise werden sie über 2000 entsorgen müssen – sie wurden nicht verkauft, das Verfallsdatum läuft Ende März ab.