1. Einleitung Ziel dieser Arbeit ist es, das Kuriosum Manga innerhalb

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1. Einleitung Ziel dieser Arbeit ist es, das Kuriosum Manga innerhalb
1. Einleitung
Ziel dieser Arbeit ist es, das Kuriosum Manga innerhalb der populären Kultur und der
Medienkulturwissenschaft vorzustellen und durch eine Interpretation eine vorläufige, mediale
Kenntnis seinerseits zu sichern. Basis dieses Konzeptes bilden die erworbenen theoretischen
Kenntnisse innerhalb der Medienkulturwissenschaft, wie die Untersuchung des Quellentextes
Luxus von Judith Park. Bevor aber mit der Analyse des ausgewählten Mangas begonnen wird,
bekommt
man
eine
kurze
Zusammenfassung
über
das
Populäre,
die
Medienkulturwissenschaft, wie über die Termini, die in den Kapiteln auftauchen werden.
Der Begriff des Populären geht im Deutschen bis auf das 17. Jahrhundert zurück. Die
neue Sensation wurde allerdings ambiguitär verstanden: Populär als volksbezogen,
„pöbelhaft“, aber auch verlogen.1 Mit dem Beginn des Buchdrucks begann man das Populäre
positiv zu verstehen.2 C. Bürger fasste die Rolle des Populären als „das Siegel der
Vollkommenheit“ zusammen.3 Dieses bedeutete allerdings auch konsequent, dass alles, was
unter die Kategorie unpopulär fällt, nicht in den Kanon hereintreten kann.4 Durch diese
Ästhetisierung des Begriffs tritt eine Spaltung zwischen dem Guten, Schönen und dem
Trivialen, Kitschigen innerhalb der Literatur auf.5 Das wichtigste Prinzip, laut Bürger ist,
dass die „anthropologische Gleichheit der Menschen“ ein „allgemeines Geschmacksurteil“
ermöglicht.6 Die Theologie wird mit der Aufklärung synthetisiert (Johann Christoph Greiling,
1805) und für pädagogische Zwecke eingesetzt.7
Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts erhoben sich auch die Gegenstimmen zur
Popularisierung.8 Schiller bestreitete die Existenzberechtigung des Populären angesichts der
Entfremdung der Kunst in der Gegenwartskultur, wo Prutz (1843-1929) die kulturelle
Sonderentwicklung, den sozialen Teilbereich des Populären zu erfasste.9
In der gegenwärtigen Position ist Adornos These über die ‚Kulturindustrie’ ein
besonders starker Gegenpol, welche das Wesen des Populären unter der Interpretation des
Profitierens stellt oder als die Stabilisierung des Bestehenden durch die Hilfe der
1
fVgl. Hans-Otto Hügel: Populär. In: Hans-Otto Hügel (Hg.): Handbuch Populäre Kultur. Begriffe,
Theorien und Diskussionen. Stuttgart: J.B. Metzler 2003, S. 342.
2
Vgl. ebda.
3
Vgl. ebda.
4
Vgl. ebda.
5
Vgl. ebda.
6
Vgl. ebda.
7
Vgl. ebda, S. 343-45.
8
Vgl. ebda, S. 346.
9
Vgl. ebda.
1
Kulturindustrie auffasst.10 Als populär gilt heute die Kultur der Leute (The people), die dem
Kampf der kulturellen Behauptung gegenüberstanden.11
Durch den Separationsmechanismus des Populären und durch die Kulturkämpfe
zwischen
den
jeweiligen
Völkern
entwickelte
sich
eine
Palette
von
medialen
Wahrnehmungsmöglichkeiten, -mischungen innerhalb der herausbildenden Subkulturen. Um
eine deutlichere Übersicht zu verschaffen und das Phänomen der medialen Intergrationen
innerhalb
von
Kulturen
zu
kreieren,
entfaltete
sich
die
Disziplin
der
Medienkulturwissenschaft. Hiebler arbeitete drei spezifische Merkmale dieser Wissenschaft
aus, welche hier kurz behandelt werden.12 Medienkulturwissenschaft kann als ein Fachbereich
innerhalb der Kulturwissenschaft betrachtet werden.13 Medien integrierten sich innerhalb der
Kultur, um das Wissen auf der möglichst einfachsten und erfolgreichsten Art zu übertragen.14
Im Laufe der Geschichte bildeten sich diese Mittel zu solchen konzeptionellen Erweiterungen
aus, welche nicht unbeachtet gelassen werden können. 15 Ihre Auswirkungen innerhalb der Art
und Weise der Wissensübergabe in den multikulturellen Integrationen, wie ihr maßloser
Globalisierungseffekt bieten die Möglichkeit der kritischen Betrachtung, wie die der
Besondersheitsexpandierung positiver Art.16
Den
Aufgabenbereich
der
Medienkulturwissenschaft
unterteilt
Hiebler
in
Medienepistemologie und Medientheorien.17 In der mediengeschichtlichen Auffassung
definiert er in der Medientechnikgeschichte 5 Zeitalter, das der Oralität (Zeit der Mythen), der
(Hand-)Schrift, das des Buchdrucks, das Zeitalter der analogen Medien (Photographie,
Telefon, Phonograph, etc.) und das der digitalen Medien.18 Medientheorie bezieht sich vor
allem auf die Beschreibungsproblematik der Einzeldisziplinen von Darstellungsformen
innerhalb der Medienkulturwissenschaft.19 Das Einbeziehen naturwissenschaftlicher und
technologischer Kenntnisse innerhalb kulturwissenschaftlicher, wie die Grenzenöffnung von
10
Vgl. Hans-Otto Hügel: Populär (2003).
Vgl. ebda, S. 347.
12
jVgl. Heinz Hiebler: Mediengeschichte. Medientheorie im Kontext der Medienkulturwissenschaft. In:
Elisabeth List und Erwin Fiala (Hg.): Interdisziplinäre Kulturstudien. Grundlagen der
Kulturwissenschaften. Band 1. Graz: Kulturwissenschaften AG, Geisteswissenschaftliche Fakultät der
Karl Franzen Universität 2001, S. 218.
13
Vgl. ebda.
14
Vgl. ebda.
15
Vgl. ebda, S. 219-220.
16
Vgl. ebda, S. 221.
17
Vgl. ebda.
18
Vgl. ebda, S. 222-224.
19
Vgl. ebda, S. 224.
11
2
Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaften, ergeben, dass die Kulturwissenschaft durch das
Auftauchen der Dazwischenliegenden selbst medialisert wurde.20
Im Bereich der Mangas sind die oben erwähnten Begriffe von Notwendigkeit um mit
der späteren Interpretation anzufangen. Jedoch muss man hier vorerst klären, worauf das Wort
Manga referiert beziehungsweise, welche Termini hier noch auftauchen werden. Manga ist
ein Kompositum aus den Kanjis (dt. japanische Schriftzeichen für Begriffe) man (jap. 漫21)
und ga (jap. 画22). Der erste Teil bedeutet „ziellos, zusammenhanglos“ manchmal auch
„verzerrt“, während die zweite Hälfte sich auf „Bild“ bezieht. Somit bedeutet das Ganze ein
„zusammenhangloses Bild“, welches kaum etwas mit der eigentliche Assoziation des
modernen Mediums Manga zu tun hat. Das Ziellose hängt allerdings nicht mit dem Bild
zusammen, sondern referiert auf die später erwähnten Sprechblasen, welche durch ihre
Texterscheinungen zur Erschaffung von Verwirren gezwungen sind. Für die Bezeichnung des
Manga-Zeichners wird in der Arbeit der Ausdruck Mangaka verwendet, chibi (jap. ちび23)
für die Verkleinerungsform (egal um welche Struktur es handelt), wie auch der Begriff des
Otakus (jap. オタク24) oder Fujoshi (jap. 腐女子25), auf Deutsch Manga-, Anime26-Fans
(männlicher oder weiblicher Art) oder Manga-Leser, Anime-Zuschauer.
Wie schon erwähnt, wird das Basiswerk eines der populärsten Werke Judith Parks
sein: Luxus. Jedoch wird die Analyse dieses Werkes einige Kapitel später folgen, denn um die
Interpretation medienkulturwissenschaftlich durchzuführen ist die Kenntnis des medialen
Entfaltungsbildes der Mangas von enormer Wichtigkeit. Im Nachfolgenden wird also über
den geschichtlichen Hintergrund geschrieben.
20
Vgl. Heinz Hiebler: Mediengeschichte (2001), S. 225-230.
Online im Internet: http://www.japanmagyarszotar.hu/index.php (31.01.2012).
22
Ebda.
23
Ebda.
24
Ebda.
25
Ebda
26
Animes sind japanische Animationsserien oder -Filme.
21
3
2. Die (R)Evolution in der manga-medialen Entwicklung
Der Begriff der Medienkulturwissenschaft steht in einem sehr engen Bezug zu
Mangas, zu der Manga-Subkultur. Die Komponente Medien bezieht sich nicht nur auf die
Pluralform des Mangas, aber auch auf die mediale Vielfalt dieses Phänomens, welches in den
später folgenden Kapiteln detaillierter veranschaulicht wird. Zunächst wird der Begriff
Medienkultur(wissenschaft) näher untersucht, um die Geburtsursache dieses Kapitels zu
begründen.
Kultur inkorporiert ein solches Wertsystem, welchem jedes einzelne Volk auf der Welt
unterlegen ist und ihre Moralen als das Absolute betrachten kann. Jede Kultur entsteht dank
eines
Entwicklungsprozesses.
Sie
bildet
sich
langsam
nach
oben
und
sucht
Verbindungspunkte um sich, um andere an sich zu knüpfen. So wird sie zu einem Netzwerk,
das ein Zentrum hat und welches Adern umschlingen. Was zeigt dieses? Einerseits kann man
feststellen, dass dieses System aus mehreren Elementen besteht und somit keine massenhafte,
homogene Form hat. Andererseits ist abzuleiten, dass die Fortentwicklung zweierlei wäre:
erstens durch das Langsame, Stufenhafte, also durch Evolution und zweitens durch das
Radikalverwirklichte, durch Revolution. Die Evolution nimmt durch ihre Länge vieles von der
Zeit in Anspruch, bildet aber eine stabilere Säule, auf die sich die zukünftigen
Generationssteine festsetzen können, im Gegensatz zum revolutionäreren Verfahren. Ihr
Ablauf erfolgt durch das Freilassen ungebändigter Energien und ermöglicht dadurch einen
leistungsgeschwinden Aufbau, dieses entsteht jedoch auch durch eine Raschmethodik mit
weniger Präzision.
Zeit, Geschichte sind die Maßgeber, die diese Kreislaufglieder verbinden. Obwohl ihre
Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft sehr oft nicht eindeutig perzipiert werden mag,
besonders in Bezug auf das Revolutionäre, doch bestimmen sie am Ende wie es war, ist und
wird. So auch die Kultur und die, die Begleiterscheinung der Medien. Medien sind
Reflexionswesen der Kultur und existieren ohne dieses Umarmende nicht, wie auch
umgekehrt, denn Kultur kann ohne ihre Medien nicht am Leben erhalten werden, egal ob es
nun Sprache, Radio, Höhlenmalereien, Computer, Handys oder Mangas sind. Ihre Geschichte
ist immer das, was ihre Kultur ausmacht, also dass, was sie ausmacht.
4
2.1. Die Geschichte der Mangas
Die frühesten bekannten Zeugnisse der „Ur-Manga-Zeichenkunst“ stammen aus dem
8. Jahrhundert.27 Die Abbildungen fand man im Houryuuji Tempel in der Stadt Nara (im
Herzen Japans)28 auf der Rückseite von Deckenbalken29.30 Die Werke waren von Menschen
und Tieren, die wahrscheinlich von sich langweilenden Bauarbeitern und Schreibern
gezeichnet wurden.31
Im 12. Jahrhundert erscheinen auch die ersten papiernen Werke, die EmakiSchriftrollen (jap. 絵巻32).33 Thematisch stellten sie verschiedene Tiere34 anthropomorphisiert
dar, die neben ihrer klerikalen Tätigkeit auch in weltlichen Szenen erschienen. 35 Die
Bilderrollen bestanden allerdings nicht aus vereinzelten Bildern, sondern aus einer Folge von
Bildern und bedeckten eine Zeichenfläche von beinahe 30 Metern.36 Da der Erzählermodus in
den Bildern verankert wurde, befanden sich auch sehr wenige schriftliche Äußerungen auf
den Bögen.37 Die wohl bekanntesten sind die parodischen Choujuugiga 38 (jap. 鳥獣戯画39)
oder auf Deutsch die „Tierkreaturen“ vom Abt Soujou Toba (1053-1140).40
Ein Jahrhundert später verschob sich die Inhaltsebene auf die Welt der Götter und
Dämonen (youkai; jap. 妖怪41), deren Gesichter an den Tempelwänden auf das Volk
niederschauten.42 Diese Motive übertrug man seit dem 16. Jahrhundert (Edo-Ära; 1542-1616)
auch auf Holzschnitte43. Dabei schnitzten die Künstler die Bilder in Holzblöcke, die sie mit
27
fVgl. Brigitte Koyama-Richard: One Thousend Years of Manga. Paris: Flammarion 2007, S. 10-11.
Online im Internet: http://vilagcsodai.webatu.com/azsia/budhacsarnok.html (31.01.2012).
29
Siehe Anhang: Bild 1.
30
Vgl. Koyama-Richard: One Thousend Years of Manga (2007), S. 12-13.
31
Vgl. ebda, S. 13.
32
Online im Internet: http://www.japanmagyarszotar.hu/ (31.01.2012).
33
Vgl. Koyama-Richard: One Thousend Years of Manga (2007), S. 14-17.
34
Es ist anzunehmen, dass die chinesischen Tierzeichen (Ratte, Ochse, Tiger, Hase, Drache, Schlange,
Pferd, Schaf, Affe Vogel, Hund und Eber) einen grossen Einfluss auf diese Darstellungen übten, jedoch
gab es immer wieder Ausnahmen durch Zeichnungen von Fröschen oder Katzen.
35
Vgl. Koyama-Richard: One Thousend Years of Manga (2007), S. 16-18.
36
Vgl. ebda, S. 18-20.
37
Vgl. ebda, S. 20.
38
Siehe Anhang: Bild 2. In dieser Geschichte ist die Moral, dass nicht immer der Stärkste den Tag für
sich hat. Der kleine Frosch hat den Hasen auf den Boden geworfen, während einer seiner „Kameraden”
sich lachend, vor Tränen, auf den Boden wirft, gleichzeitig ein anderer vor Freude Dampf aus seinem
Mund bläst.
39
Online im Internet: http://www.japanmagyarszotar.hu/ (31.01.2012).
40
Vgl. Koyama-Richard: One Thousend Years of Manga (2007), S. 14-15.
41
Online im Internet: http://www.japanmagyarszotar.hu/index.php. (17. 03. 2011).
42
Vgl. Koyama-Richard: One Thousend Years of Manga (2007), S. 20-21.
43
fSiehe Anlage: Bild 3. Der Gouverneur der Mäuse bittet den Weisen von Kiyomizu eine Frau für ihn
zu finden, so dass er menschlichen Nachwuchs in die Welt setzen kann. Er trifft auf eine wunderschöne
28
5
Farben versahen und sie wie einen großen Stempel auf einer Fläche abdrucken konnten.44
Diese Technik ermöglichte eine schnellere und breitere Produktion von Bildern, die sich
rasch, landesweit verbreiteten45.46
Im späten 17. Jahrhundert erschien die neue Stilrichtung, Ukiyo-e47 ((jap. 浮世絵48),
die die japanischen Holzschnittmeister49 entwickelten.50 Der Begriff stammt aus dem
Buddhismus und bedeutet so viel wie „Bilder der fließenden Welt“.51 Die Thematik der
Bilderwelt erweiterte sich durch die Darstellungen des alltäglichen Lebens, wie auch dreiste
und erotische Szenenzeichnungen.52 Zu den größten Ukiyo-e Malern zählte Katsushika
Hokusai53 (1760-1849), der zum ersten Mal den Begriff "Manga" verwendete und populär
machte. Seine "Hokusai-Manga", die von 1814 bis 1815 in 15 Bänden erschienen,54 könnte
man allerdings nicht mit den heutigen Formen der Mangas vergleichen. Sie entsprechen eher
den modernen Manga-Artbooks (Siehe später: Aizouban).
Die sogenannten Toba-e55 (jap. 鳥羽絵56) entwickelten sich im frühen 18.
Jahrhundert.57 Formal waren sie zusammengeheftete Folgen von Holzschnitten, die bedruckt
waren und die eine kontinuierende Handlung erzählten.58 Eine Entwicklunsgstufe im Bezug
zu den heutigen Original-Versionen der Mangas war, dass zu den Bildern schon Textpartikel
hinzugefügt wurden.59 Inhaltlich versprühten sie eine satirische, witzige Atmosphäre,
wodurch sie im 19. Jahrhundert zur meist gelesenen Lektüre wurden. 60
Prinzessin, die er heiratet. Das Paar lebt seine Tage glücklich, bis der Gouverneur entdeckt, dass seine
Frau auch nur eine Maus ist. Die unglückliche Mäusin schneidet ihre Haare ab (ein Zeichen für ihren
Verzicht auf irdisches Leben) und geht zum Tempel des Koya Berges um zu beten.
44
Vgl. Koyama-Richard: One Thousend Years of Manga (2007), S. 20-22.
45
fDie schnellere Reproduktion eines Gemäldes oder Bildes verkürzte zwar die zeitliche Dauer, aber
laut Benjamins Begriff der Aura, geht dieser sogleich auch zeitlich, wie reproduktiv im Ort verloren.
46
Vgl. Koyama-Richard: One Thousend Years of Manga (2007), S. 23.
47
Bemerkenswert ist hier, dass Gustav Klimts (1862-1918) Goldhintergründe an die Ukiyo-e
Stilrichtung erinnern.
48
Online im Internet: http://www.japanmagyarszotar.hu/index.php (31.01.2012).
49
Das Motiv des Holzschnittes taucht auch in dem ersten Teil von Walter Benjamins Das Kunstwerk im
Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit auf. Mit der Erscheinung dieses Mediums ist die
Graphik zum ersten Mal graphisch reproduzierbar geworden.
50
Vgl. Koyama-Richard: One Thousend Years of Manga (2007), S. 24.
51
Vgl. ebda, S. 24-27.
52
Vgl. ebda, S. 28-29.
53
Siehe Anhang: Bild 4-5.
54
Vgl. Koyama-Richard: One Thousend Years of Manga (2007), S. 30-32.
55
Siehe Anhang: Bild 6.
56
Online Im Internet: http://www.japanmagyarszotar.hu/index.php (31.01.2012).
57
Vgl. Koyama-Richard: One Thousend Years of Manga (2007), S. 32.
58
fVgl. ebda, S. 34-36.
59
Vgl. ebda, S. 34.
60
Vgl. ebda, S. 36.
6
Zwischen dem 17. und der Mitte des 19. Jahrhunderts isolierte sich Japan fast völlig
von der Welt auf Anordnung der Militärherrscher.61 Nach dem Ende der Edo-Periode oder der
Shogun-Zeit drangen sich westliche Techniken, wie auch Kunstformen, neue Drucktechniken,
aber vor allem Karikaturen der Sozialkritik62 wie der Politik in das Land ein.63 Seit 1862
gründeten die Verlage der Briten und der Franzosen satirische Zeitschriften, wie den Tokyo
Punch, deren Zeichnungen eine inspirierende Grundlage für die japanischen Mangaka
boten.64 Vor allem aber ist hier die künstlerische Begegnung mit den US-amerikanischen
Comic Strips zu erwähnen, die in dieser Zeit in Zeitungen häufig übersetzt wurden, aber auch
in japanischer Eigenproduktion abgedruckt worden sind.65 Das erste Zeichenwerk, welches
wir als Vorgänger der Mangas bezeichnen können, ist die Geschichte Tagosaku to Mokube no
Tokyo kenbutsu66 von Rakuten Kitazawa (1876-1955), erschienen im Jahr 1902, mit dessen
Namen auch die Gründung der ersten japanischen Schule für Manga und Karikaturen zu
verknüpfen ist. 67
Während des zweiten Weltkrieges mussten viele Verlage wegen Papiermangel die
Produktionen einstellen.68 Das Leben der Mangaka wurde von der japanischen Regierung
bestimmt;69 sie lösten ihre Zeichnergruppen auf und schlossen sie in eine Vereinigung, die
ihre Mangas für die propagandistischen Zwecke des Staates einsetzten.70
Nach dem zweiten Weltkrieg etablierten sich neue Verlage in Japan, dank der
finanziellen Unterstützung der Vereinigten Staaten.71 Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts
angefangen, stieg die Zahl der Mangaka immer mehr an.72 Dies ist allerdings einem
Phänomen, oder konkreter formuliert, einem der wohl berühmtesten Mangaka zu verdanken:
Osamu Tezuka (1928-1989).73 Der junge Medizinstudent ließ in seiner Kunst seine
Begeisterung
von
französischen
wie
deutschen
61
Stummfilmen,
wie
von
Disney-
Vgl. Koyama-Richard: One Thousend Years of Manga (2007), S. 36-37.
Siehe Anhang: Bild 7. Rakuten, Kitazawa: Modernes Mädchen. Ein rebellierendes 17-jähriges
Mädchen erschiesst einen Ausländer, weil er sich weigerte ihr zu zahlen. Der Journalist am Rande des
Bildes schreibt: „Wenn man auf ein japanisches Mädchen in westlicher Kleidung trifft, kann man sich
nicht davon abhalten an dieses zu denken!”
63
Vgl. Koyama-Richard: One Thousend Years of Manga (2007), S. 39-40.
64
Vgl. ebda, S. 36-38.
65
Vgl. ebda, S. 39.
66
dt. Tagosaku und Mokube besichtigen Tokio. Siehe Anhang: Bild 8.
67
Vgl. Koyama-Richard: One Thousend Years of Manga (2007), S. 40-45.
68
Vgl. ebda, S. 45-53.
69
Vgl. ebda, S. 53.
70
Vgl. ebda.
71
Vgl. ebda, S. 53-60.
72
Vgl. ebda, S. 62-64.
73
Vgl. ebda, S. 63-64.
62
7
Zeichentrickfilmen aus.74 Sein im Jahr 1946 erschienenes Werk, „Die neue Schatzinsel“
enthielt sehr viele experimentalische Elemente, aus denen sich später die moderne MangaIndustrie entfaltete.75 Tezukas Mangaka-Laufbahn überflog eine Strecke von 40 Jahren. Zu
seinen weltweit berühmtesten Mangas gehören Astro Boy76, wie Kimba, der weiße Löwe77.78
Seine Fans zeichneten ihn zum Verdienst seiner langjährigen Arbeit mit dem Titel „Gott des
Manga“ aus.79
2.1. Mangas in Deutschland
Die Subkultur der Mangas etablierte sich in Deutschland erst in den 1990er Jahren,
obwohl auch früher schon Manga-Serien erschienen waren, wie Barfuß durch Hiroshima.
Eine Bildergeschichte gegen den Krieg (Rowohlt 1982), Heine. Dichter der Liebe und
Revolution (Goethe-Handlung 1988) und Japan GmbH (Norman Rentrop 1989).80 Die erste
Serie, die vollständig erschien, war Akira (seit 1991). 81
Die Rezeption der Mangas wurde nach der westlichen Leserichtung (von links nach
rechts) reflektiert und nebenbei erschienen sie in größeren Albenformaten, die über weniger
Seiten verfügten.821996 gelang der Durchbruch mit Akria Toriyamas Dragon Ball83 im
Originalformat.84 Mehrere Verlage haben sich herausgebildet, Carlsen Comics, Tokyo Pop,
Planet Manga (Panini) um nur einige zu nennen, die über 800 Mangas jährlich publizierten.85
In Deutschland setzten sich Manga-Magazine jedoch nicht durch, so ist heute nur Daisuki
vom Carlsen Verlag bestanden geblieben.86 Seit dem Manga-Boom von 1995 bis 2000
verzehnfachte sich der Umsatz des Verlags und zwei Jahre später vervierfachte er sich
74
Vgl. Koyama-Richard: One Thousend Years of Manga (2007), S. 66-67.
Vgl. ebda, S. 69.
76
Siehe Anhang: Bild 9.
77
Die Erstaustrahlung des Animes in Ungarn war im Jahr 1992 auf RTL.
78
Vgl. Koyama-Richard: One Thousend Years of Manga (2007), S. 65-70.
79
Vgl. ebda, S. 71.
80
dVgl. Online im Internet: http://www.mangaka.de/index.php?page=manga_in_deutschland
(31.01.2012).
81
Vgl. ebda.
82
fVgl. ebda.
83
In Ungarn erstmals 1997-98 ausgestrahlt worden, auf RTL.
84
fVgl.
Online
im Internet: http://www.mangaka.de/index.php?page=manga_in_deutschland
(31.01.2012).
85
Vgl. ebda.
86
Vgl. ebda.
75
8
nochmals.87 Dank dieser zahlfaktenreichen Motivierung traten immer mehr Manga-Autoren
im deutschsprachigen Raum auf, wie Christina Plaka, Judith Park und andere.88
Aufgrund der Verschiedenheiten innerhalb der Manga-Branche, wird dem „die Qual
der Wahl“-Effekt noch mehr Ausdruck verliehen, da der Rezipient zwischen den
verschiedenen Formen und Farben leicht in Verwirrung kommt. Jeder einzelne Manga verfügt
über ein Spezifikum, wie ein Buch. Es ist thematisch, wie auch strukturell nicht egal, welche
Anforderungen des Kunden gerechtfertigt werden. Um eine Klarheit zu verschaffen, kann
man Mangas in zwei größere Kategorien nach der formalen Charakteristik unterbringen: Die
der Qualität und die der Quantität.
Unter Qualität versteht man Eigenschaften wie folgt: Was für Materialien verwendet
wurden um dieses Werk zu drucken, also wie hochwertig es ist, ob es nur schwarz-weisse
Papierblätter sind, oder mehrere Seiten lang mit Farben versehen sind. Beispiele dafür sind
der
Tankoubon,
der
Bunkoubon,
der
Aizouban
und
der
Waidoban.89
Quantität bezieht sich auf die Seitenzahlen, oder grob ausgedrückt, auf die „Dicke des
Mangas“. Doch erwähnenswert ist hier auch, dass diese Klassifizierung nicht nur auf dieser
Ebene besteht, sondern auch auf der Erscheinungssphäre präsent ist, wann oder wie oft ein
Manga oder Mangas erscheinen. Solche sind der Mangazasshi, der Doujinshi und der
Yonkoma. Somit verstehen wir unter Quantität wie lang ein Manga ist und wann sie
erscheint. Unter diesen Formen ist allerdings wichtig den Bunkoban zu spezifizieren, in
welchem Luxus publiziert wurde.
Das kleine, zu den Qualität-dependierenden Genres gehörende, Bunkobon (jap.
文庫本90) ist aufgrund der kompakten Größe (Din A6) ein mobiler Begleitpartner für den
Leser, welches in jede Hosen- und/oder Jackentasche hineinpasst, sich so jeder Zeit bequem
überall lesen lässt.
91
Die neuesten Auflagen der Bunkoubon sind von der Druckqualität her
auch noch viel besser als die vorher beschriebenen Tankou-Formate.92 Häufig sind die
Arbeiten bzw. die Zeichnungen der Mangaka hier wesentlich mehr ausgearbeitet oder sogar
verbessert.93 Bunko-Auflagen, verglichen mit Tankoubon Ausgaben, haben halb soviel
87
fVgl.
Online
im Internet: http://www.mangaka.de/index.php?page=manga_in_deutschland
(31.01.2012).
88
Vgl. ebda.
89
fVgl. ebda.
90
Online im Internet: http://www.japanmagyarszotar.hu/ (31.01.2012).
91
dVgl. Online im Internet: http://www.mangaka.de/index.php?page=mangaformate (31.01.2012).
92
Vgl. ebda.
93
Vgl. ebda.
9
Bände.94 Die als kleinst erschienenen Manga-Romane waren bislang mit nur 8,8 x 11,3 cm,
die sogenannten Chibi-Mangas oder Mini-Bunko und beinhalteten ungefähr ein Kapitel des
Romans.95 Ihre Etablierung konnte sich aber, wie in Japan, auch in Deutschland nicht
durchsetzen.96
3. Das mediale Selbstbewusstsein im Manga Luxus
Vor der eigentlichen Analyse des erwähnten Mangas im Titel dieses Kapitels, muss
man klären, was man unter den Begriff mediales Selbstbewusstsein versteht. Einer der
Hauptbegriffe
in
der
Einleitung
dieser
Arbeit
basierte
auf
den
Begriff
der
Medienkulturwissenschaft. Die Interpretation dieser war nach Hiebler, wie folgt
zusammengefasst: die Medienkulturwissenschaft ist einerseits eine Disziplin innerhalb der
Kulturwissenschaft, aber andererseits, von einer den Fokus wechselnden Perspektive
betrachtet, kann sie auch die Mediatisierung der Kulturwissenschaft verkörpern.97
Wenn ein Alltagsmensch in Europa, besonders in Ost-Europa vor 3 Jahren, aber auch
heute noch mit dem Begriff Manga in Berührung kommt, tritt in ihm ein
Identifikationsprozess auf, welcher ihm flüstert, wie, wo und warum er dieses Wort zu
platzieren hat. Die
Assoziation dazu sehe
dann folgenderweise
Kinderunterhaltung in dem Schleier der Erotik gewickelt.
asiatischen
Landesgebieten
auf,
sondern
eher
98
das
aus: Spartaner
Diese Klassifizierung trat nie in
Gegenteil.
Unterrichtsbücher,
Straßenverkehrszeichen,99 Geschäfte, aber auch Werbungen und andere Konsum- wie
Dienstbranchen gebrauchen die kleinen „Figuren mit großen Augen“ in den Alltagen.
Welches Problem liegt hier also vor, dass die Assoziationen solch eine Dichotomie
aufweisen? Die Antwort ist in dem Ausdruck der Medienkulturwissenschaft verborgen.
Im Kapitel über die geschichtliche Entwicklung über das mediale Dasein der Mangas
wurde erwähnt, dass der Begriff der Medienkulturwissenschaft aus mehreren Komponenten
besteht. Medien + Kultur (+ Wissenschaft), würde die Formel lauten. In diesem Fall ist der
94
fVgl. Online im Internet: http://www.mangaka.de/index.php?page=mangaformate (31.01.2012).
Vgl. ebda.
96
Vgl. ebda.
97
fVgl. Heinz Hiebler: Mediengeschichte. Medientheorie im Kontext der Medienkulturwissenschaft. In:
Elisabeth List und Erwin Fiala (Hg.): Interdisziplinäre Kulturstudien. Grundlagen der
Kulturwissenschaften. Band 1. Graz: Kulturwissenschaften AG, Geisteswissenschaftliche Fakultät der
Karl Franzen Universität 2001, S. 218-230.
98
fVgl. Mori Sadahiko: Kard és Krizantém újrafelfedezése. In: Ruth Benedict und Mori Sadahiko:
Krizantém és Kard. A japán kultúra újrafelfedezése. Budapest: Nyitott Könyvműhely 2006, S. 273.
99
Vgl. ebda, S. 303.
95
10
Begriff teilweise gerechtfertigt, es fehlt aber ein Element um das Gleichnis zu perfektionieren.
Mit dem Schlüssel dazu, sieht das Ergebnis folgendermaßen aus: Medien + Kulturen (+
Wissenschaft) = Manga. Es steigt in einem die Frage auf, warum man das als ein korrektes
Gleichnis nennen kann? Mangas verkörpern im generellen Sinn ein Medium an sich und auch
nur eine Kultur, die des Japanischen. Dieses Argument stimmt jedoch nicht ganz.
Ein Bild ist ein Medium, doch es erscheint in verschiedenen Formen in allen Kulturen.
Eine Sprache ist das wichtigste Werkzeug der Kommunikation zwischen den Völkern,
schriftlich wie auch mündlich. Die Töne, die die Medien der uns umgebenden Umwelt sind
und unsere Wahrnehmung verstärken. Sie alle zusammen sind Medien. Vereinzelt, je ein
Medium. Aber was sind dann Mangas? Die Lösung ist eine Vereinfachung der Konklusion:
Manga ist kein Medium. Manga ist keine Kultur. Manga ist eine Summe von Medien und
Kulturen.
Warum man ihn aber als eine Konstitution von Kulturen und Medien bezeichnen
kann? Weil er all diese Elemente, die oben als Beispiele genannt wurden, in sich selber
integriert hat. Ein Manga verfügt über Bilder, eine (schriftliche) Sprache, wie auch über
(Pseudo)Geräusche. In ihm kooperieren die Medien, die die verschiedenen Menschen, Völker,
Perioden, Kulturen als ihr einzig wahres Mittel zum Ausdruck ihres Wesens, ihrer Identität
charakteristisch eingesetzt haben. Manga oder Mangas übertragen deshalb keine neutralen
Perspektiven, im Gegensatz zur traditionellen, „lichtdurchlässigen“ Definition der Medien.
Sie verpacken ein nicht-kohärentes Ganzes in eine neue Struktur und verkünden es ihrer
Umgebung.
Eine weitere Skepsis kommt jedoch auf: Wenn ein Medium nicht neutral ist, stellt es
den Rezipienten nicht unter einen Einfluss der Unvermeidbarkeit? Diese Frage muss man mit
Ja beantworten. Aber, wie vorhin festgestellt, Manga ist eine Summe von Medien und
Kulturen. Kulturen sind unter einem (inter)medialen Aspekt nicht „rein“, denn sie
determinieren auch die Schemata, die sie auf deren Mitglieder projizieren. Ein Manga ist
dessen bewusst. Er konfrontiert sogar den Rezipienten, durch die Anwendung medialer
Komponenten (internal) wie die eines thematischen Pluralismus (external), mit seinem
wahren Wesen. Dieses markante Spezifikum ist das mediale Selbstbewusstsein der Mangas.
Judith Parks Manga Luxus ist hier ein außergewöhnliches Beispiel, denn die Mangaka
ist zwar asiatischer Abstammung, trotzdem in Deutschland aufgezogen worden. Es ist aber
wohl am individuellsten daran, dass das Werk selber nicht in der Manhwa-Form (koreanischer
11
Manga100) sondern in der original japanischen Version gedruckt ist. Warum dieses Phänomen
von Ungewöhnlichkeit statuiert ist, ist, weil die Otaku-Kultur sehr streng mit der
Kategorisierung von Mangas und Mangaka beziehungsweise von Comics und
Comic-
Zeichnern umgeht, während in Japan alle Arten von Heften zum Begriff Manga zugeordnet
werden, seien es asiatische, europäische, oder amerikanische Genres.
3.1. Das external-mediale Selbstbewusstsein
Wie schon erwähnt zählt Parks intermediale Erzählung zu einer der Aussnahmen
innerhalb der Manga-Szene. Sie widersetzt sich dem Streben, sie in die Sektion der Manhwas
zu setzen. Trotzdem kann man hier nicht von einer Selektion von thematischer Art sprechen.
Luxus zählt zu einem bestimmten Genre, welches innerhalb der Mangas eine Determination
kreiert.
Manga-Medien können inhaltlich schwer sortiert werden, denn die Skala reicht bis ins
Unendliche. Der Grund dafür ist, dass in der Regel amerikanische oder europäische Comics
nur für die männlichen Rezipienten produziert sind, während Mangas mit dieser Regel hier
brechen und ein sogenanntes Dreifach-Sexus erschaffen.
3.1.1. Die Sexus der Genres
Die drei Hauptgenres die die Welt dieser Medien regieren sind der Shounen (jap. 少年
103
), der Shoujo (jap. 少女102 ) und der Ecchi (jap. エッチ
101
).
Die Kanjis verraten schon die wichtigsten Informationen über die drei Gattungen. Der
Kanji 少104 (rji. shou, dt. klein) kommt in beiden Ausdrücken vor und ist somit der
verbindende Punkt, während am Ende der Oberbegriffe die Zeichen wechseln: 年105 als der
Ausdruck für Jahr (rji.106 nen ) und 女107 als der Ausdruck für Frau, Mädchen (rji. onna, jyo).
Zusammengelesen tritt eine spezifizierende Bedeutung bei Shoujo auf (dt. kleines Mädchen)
100
Koreanische Mangas haben eine westliche Lesart, also von links nach rechts, im Gegensatz zu der
japanischen Manga-Form (von rechts nach links).
101
Online im Internet: http://www.japanmagyarszotar.hu/ (31.01.2012).
102
Ebda.
103
Ebda.
104
Ebda.
105
Ebda.
106
Abkürzung für Romaji, die lateinische Schrift der phonetischen Partikel, oder der Wörter.
107
Online im Internet: http://www.japanmagyarszotar.hu/ (31.01.2012).
12
und bei Shounen eine komplette Entlehnung (dt. Junge, Bube). Shounen trägt von der
moralischen Verpackung der Themen das Bedeutendste, obwohl sein Spezifikum dem
Aktionshaften mit ironischen Implantationen gilt. Sie handeln vor allem über Geschichten um
Freundschaft, Mut und Ausdauer, während Shoujo-Mangas die Szenen von Romantik, Liebe
und Glück zur Schau stellen. Ecchi verfügt genderspezifisch über eine viel komplexere
Darstellung. Er bezieht sich im größten Teil auf Erotik, aber kann auch eine zärtliche
Zusammenkunft mit einem Hauch von Tragödie untermalen. Charakteristisch ist noch das
Mixen von Geschlechtern, wie Yaoi (oder boys love), Yuri (oder girls love), doch kann auch
eine Kategorie der Perversität (Hentai) vorhanden sein. Am häufigsten aber überträgt Ecchi
den Rezipienten Fan-Service108.
Diese sind nur Stereotypisierungen der Genres um ein klareres Bild von ihnen zu
bekommen, denn diese Hauptgattungen werden meist mit anderen inhaltlichen Ebenen
vermischt. Supernatural (dt. das Übernatürliche), Krimi, Sport, Kochen, Tanzen, Geschichte,
Kunst, Daily life (dt. Alltagsleben), School life (dt. Schulleben) nur um einige der
Kreuzungsthemen zu nennen.
In Judith Parks Luxus dominieren Shoujo-Spezifika in geringem Maß, doch sie sind
leicht zu entdecken. Eine optisch auffallende Eigenschaft ist schon am Cover 109 (Titelblatt)
erkennbar. Die Hauptfigur Scarlette hat große, leuchtende Augen, lange, geschwungene
Wimpern, einen kleinen Mund und ihm angemessen eine kleine Nase. Ihre Haare reichen
beinahe zu ihrer Hüfte und ihre Glieder wirken gestreckt. Diese Charakteristika gehören der
Typisierung der Bishoujo (jap. 美少女110), also des jungen hübschen Mädchen-Ideals an. Die
Opposition
der
Bishoujo
ist
der
Bishounen
(jap.
美少年111),
welchen
die
anthropomorphisierte Traumpuppe in Luxus vertritt.112 Stilistisch steht Luxus dem Art
Nouveau am nahsten. Die Besonderheiten treten besonders durch die
Rüschenkleidung
Scarlettes wie durch die Anwendung von verschiedenen Funkel-Effekten am Himmel, an
bestimmten Körperstellen (wie Haare, Augen, Lippen, Kleidung) oder sogar innerhalb
einzelner Panelen in emotionaleren Augenblicken.113
108
Szenen, die den Leser aufregen, ihm Vergnügen bereiten.
Siehe Anhang: Bild 10.
110
Online im Internet: http://www.japanmagyarszotar.hu/ (31.01.2012).
111
Ebda.
112
Siehe Anhang: Bild 15-16.
113
Siehe Anhang: Bild 12-13, 18.
109
13
Im Vergleich zu den Shounen sind Shoujo-Mangas viel persönlicher als ihre
maskulinen Relative, die, wie erwähnt, im Zentrum ihrer Handlung Humor und Action haben.
Anhand des Inhalts von Luxus hat der Rezipient, besonders die Rezipientin eine größere
Möglichkeit in Katharsis mit dem Held oder in diesem Fall mit der Heldin zu geraten, denn
die Problematik der Handlung ist Alltagsbezogen, wie Park auch in den Anfang schreibt:
Mit Luxus möchte ich nicht nur eine typische Society-Girl-Geschichte erzählen, sondern auf ein
für mich sehr wichtiges Thema hinweisen. Ich habe gesehen und erlebt, wie sich diese „HighSociety-Szene“ und viel Geld auf Menschen auswirken. Ich erschrecke mich jedes Mal, wenn
ich sehe, wie Menschen zum Teil mit Geld um sich werfen. Diese Menschen schätzen weder
den Wert des Geldes noch irgendwelche anderen Werte!114
Durch die verborgene und sichtbare Menschlichkeit hatte sich Parks Luxus von
stereotypischen Shoujo-Werken entfremdet und verließ auch zugleich die Welt der Dorama,
Daily Soaps und Seifen-Opern. Das Selbstbewusstsein der Charaktere zeigt sich in ihrem
konsequenten moralischen Einfluss auf die LeserInnen und regt sie an, über die ambivalenten
Situationen der Welt nachzudenken.
3.1.2. Integrationsformen
Das zweite Kapitel dieser Arbeit schilderte die historische Entwicklung der MangaMedien. Ihre Funktion wechselte durch die technischen Erneuerungen, von den Ereignissen,
die um sie passierten. Ihre Kultur stieg spontan empor und richtete sich in den Kanon ein. Sie
wurden zum Teil der Kulturindustrie Adornos.115
Die propagandistischen Zwecke der Mangas verschwanden nach dem zweiten
Weltkrieg und die (Um)Erziehung des Volkes trat in den Mittelpunkt. Sie hatten die
Aufgaben Affekte zu erzeugen und nebenbei das Volk zufrieden zu stellen und ihnen ihre
Grenzen gegenüber dem Staat, der Gesellschaft und gegenüber sich selber klarzustellen. Mori
Sadahiko äußert sich wie folgt zu der pädagogischen Methodik:
114
Judith Park: Luxus. Hamburg: Carlsen Verlag 2007, S. 2.
Vgl. Theodor W. Adorno: Résumé über Kulturindustrie. In: Claus Pias [u.a.] (Hg.): Kursbuch
Medienkultur. Die massgeblichen Theorien von Brecht bis Baudrillard. Stuttgart: Deutsche VerlagsAnstalt 1999, S. 202-205.
115
14
…Japaner verurteilen Genüsse nicht. Sie sind keine Puritaner. Sie halten körperliche Freuden
für gute Eigenschaften und aus der Sicht der Erziehung für wertvoll. Genüsse sind
wünschenswert und geschätzt, allerdings müssen sie innerhalb ihres Gebietes gehalten werden.
Sie dürfen nicht in die ernsten Sachen des Lebens gelangen.116
Auf der Metaebene interpretiert man, dass die Kreation der Genres einmal eine starke
Kritik gegen das Ich selber durch eine karikaturistische Erziehung des Einzelnen ausübt und
andererseits parallel einen parodierenden Strang zur Kultur, Gesellschaft und Politik zog.
Diese „Übermoralisierung“ kann man auch in Shoujo-Mangas erkennen (auch in Judith
Parks), wo die epiphanische Begegnung mit dem Mann der Träume im floralischem Stil
umrandet ist (Sterne, Blumen, Funkel, Herzen, usw.). 117 Die Typisierung der perfekten
Beziehung, des perfekten Partners, wie die Planung der Zukunft.
Die japanische Regierung integrierte dieses Phänomen gezielt in das kulturelle
Establishment mit der bewussten pädagogischen Tätigkeit, auch ahnend, dass diese Medien
sich gegen sie wenden können. Deren wahre Intention zeigte sich aber erst, als sie auch in
außernihongischen Gebieten erschienen. Komplette Subkulturen entwickelten sich innerhalb
des Kannons, die aus medienkultureller Sicht von enormer Wichtigkeit sind. In Deutschland
etablierten sich Comikets, Animecons (Anime Conventions), wie neue, manga-anime
orientierte Stilrichtungen im Aussehen (Gyaru, Ulzzang, J-rock, usw.). Die Integration des
alten, verstaubten Wertsystems wurde immer ein neues Äußeres gegeben, denn im
Mittelpunkt stand nicht dass, was einem die Kultur selber vermittelte, sondern immer die
Werte, die von der scheinbar moralischeren Kulturindustrie vermittelt worden.118
Mangas galten lange als nur für Kinder oder nur für Erwachsene geltende Werke, weil
sie zum Teil fehl interpretiert worden. Die wahre Ziel- und auch Umerziehungsgruppe dieser
Werke ist aber die Generation der Adolescents. Diese Gattungen geben ihnen die
Orientierung, die sie auf der Spur des Erwachsenwerdens suchen, denn Mangas übernehmen
eine Rolle in ihrem Leben, die einer Pseudoparentalischen entspricht. Die massenhafte
Reproduktion der Werke, die für jeden erreichbar wird und die Aura ihrer Originalität verliert,
116
Mori Sadahiko: Kard és Krizantém (übersetzt aus dem Ungarischen ins Deutsche) In: Ruth Benedict
und Mori Sadahiko: Krizantém és Kard. A japán kultúra újrafelfedezése. Budapest: Nyitott
Könyvműhely 2006, S. 141.
117
Siehe Anlagen: 14. Bild.
118
fTheodor W. Adorno: Résumé über Kulturindustrie. In: Claus Pias [u.a.] (Hg.): Kursbuch
Medienkultur. Die massgeblichen Theorien von Brecht bis Baudrillard. Stuttgart: Deutsche VerlagsAnstalt 1999, S. 202-205.
15
verspricht den Sprossen der Zukunft eine Zukunft in täuschender Sicherheit,119 dessen sie erst
nur bewusst werden können, wenn sie das Falsche in der eigenen Umwelt, in sich selber
erkennen und die Fähigkeit dieses zu ihrem Vorteil zu verwenden praktizieren.
3.1. Das internal-mediale Selbstbewusstsein
In der Einleitung des dritten Kapitels wurde festgestellt, dass ein Manga nicht als
Medium, sondern als die Summe von Medien betrachtet werden sollte, da er über mehr als ein
Element verfügt, dessen Funktion ins mediale übergeht. Schon Dieter Mersch schrieb von der
Notwendigkeit der Ur-Medien, Wort, Zahl, Bild und Ton, die sich durch die kulturellgeschichtlichen
Wandelungen
in
den
verschiedensten
Entwicklungstendenzen
sich
niedersetzten. 120
Das internal-mediale Bewusstsein inkludiert diese Erscheinungen in sich. Dieses
scheinbare Durcheinander zwischen der Aufnahme solcher Ausdruckshelfer hat eine klar
geprägte Struktur, das im Chaos selber durch die Identifikation des Rezipienten in
Erscheinung tritt. Die Ebenen, auf denen wir uns bewegen, kontrollieren allesamt den Blick
des Manga-Lesers. Doch ob man von einem Leser sprechen kann, liegt hier in Ungewissheit.
3.1.1. Bilder und ihre Rahmen
Bilder sagen bekanntlich mehr als tausend Worte, obwohl ihnen ambivalenter Weise
immer der Rahmen im Weg steht. Durch den Rahmen wird der gemalte Raum aufgefangen
und als ein Ganzes zur Schau gestellt, obwohl es nur ein Teil des Ganzen ist. Das kann man
besonders intensiv in der Bildbeschreibung von Heiner Müller erkennen, wo die Sicht nicht
als eine
komplette Einheit sprachlich dargestellt
werden kann, sondern immer
perspektivisch.121 In Heiner Müllers Schrift fällt noch auf, dass die Perspektive des
Bilderrahmens als eine Umkehrung des Wahrnehmungsaspekts interpretiert wird, während
der Horizont von seiner Rolle als Fluchtpunkt entmachtet wird.122
119
Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In: Rolf
Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser. Walter Benjamin. Gesammelte Schriften. Band 1-2. 3.
Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1990, S. 480-483.
120
dDieter Mersch: Wort, Zahl, Bild und Ton. Schema und Ereignis. In: http://www.momoberlin.de/Mersch_Schema_Ereignis.html (31.01.2012).
121
fVgl. Heiner Müller: Bildbeschreibung In: Joachim Fiedab (Hg.): Stücke. Berlin: Henscherverlag,
1988, S. 478-484.
122
fVgl. Hans Belting: Horizont und Fensterblick. In: Florenz und Bagdad. Eine westöstliche Geschichte
des Blicks. München: C. H. Beck 2008, S. 257- 259.
16
Horizont und Rahmen sind hier als wichtige Begriffe zu erwähnen, bevor mit der
Analyse weiter verfahren wird. Diese zwei stellen Metaphern der Bildkultur dar.123 Der
Rahmen wird mit dem Symbol des Fensters verglichen, wo es Schranken um Hilfe der
subjektiven Wahrnehmung kreiert. Diese erleichtern das Deuten des eigentlich Präsentierten,
doch sie zwingen auch gleichzeitig das Bild und seine Wirklichkeit in einen Papprahmen ohne
Ausgänge oder Erweiterungsmöglichkeiten. So ist das Bild horizontal, verpackt und
übersehbar. In Comics und Mangas gelten diese Separierungsformen auch, doch sie erfüllen
hier einen völlig anderen Zweck, besonders in Mangas.
Das Charakter-Profil am Anfang der Handlung zeigt die Schritte wie die Figur zu ihrer
jetzigen Form gekommen ist und beinhaltet eine Kartei, wo die Daten verzeichnet sind. Dieser
In-medias-res-Einstieg macht die Heldin für den Rezipienten sympathischer und gibt ihm ein
klareres, farbigeres Bild von ihr. Eine Wahrnehmung dieser Art determiniert im Weiteren den
Leser bei der Betrachtung der einzelnen Panelen.
Die „Vergitterung“ der Bilder innerhalb von Judith Parks Heftchen124 trägt eine
spezifische Rolle.125 Sie sind die Gitterstäbe, die die Augenblicke der Handlung festhalten.
Diese Momentaufnahmen werden dann von den Gutter126 gefolgt, wonach die Kontinuität der
Bildaufnahmen kommt. Diese drei Elemente haben einen zeitlichen Wert für den Rezipienten
in Virilios kinetischer Auffassung127. Der Rahmen und das Bild fangen eine Bewegung des
Geschehens ein und befestigen sie mit der Platzierung im „weißen Kontext“, so ist es nicht
egal, ob ein Bild an der ersten, mittleren, vorletzten, usw. Stelle steht, denn sie modifiziert die
Geschichte im Temporalen, ob es nun in der Gegenwart als Erinnerung heraufbeschworen
wird, in der Jetztzeit geschieht oder in der Zukunft eintreffen wird als Vision. In Parks Manga
wird eine Erneuerung sichtbar, wo ein Geschehen aufgerufen werden kann mit der Absicht, es
als ein In der Vergangenheit-Passierendes wiederzugeben. Dies ist die Methode der
Verdunkelung oder die Vergrauung von den Bilderpanelen als Scarlette einschläft und in die
Sphäre der Träume gerät oder umgekehrt, als sie aufwacht. Diese Methodik wird auch in der
123
fVgl. Hans Belting: Horizont und Fensterblick (2008), S. 258.
fVgl. Hans-Dieter Kübler: Heft/Heftchen. In: Werner Faulstich: Grundwissen Medien. 5. Auflage.
München: Fink 2004, S. 258.
125
Vgl. ebda.
126
dt. Rinnstein, aus dem Englischen
127
fVgl. Paul Virilio: Fahrzeug. In: Claus Pias [u.a.] (Hg.): Kursbuch Medienkultur. Die massgeblichen
Theorien von Brecht bis Baudrillard. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1999.
124
17
Hervorhebung von plötzlichen, meistens dunkel-pingmentierten Gefühlen gebraucht und von
sog. Pattern128 unterstützt.
Das Einschließen des Bildes ist aber in Luxus kein Hindernis, um die Grenzen des
Bildrahmens durchzubrechen.129 Das internal-mediale Selbstbewusstsein verwirklicht sich,
indem der Charakter aus dem gewohnten, determinierten Kontext des Mangakas heraustritt
und ihm bzw. ihr widersprechend die Individualität und Selbstständigkeit zur Geltung bringt.
Das plötzliche Erscheinen eines solchen Panels zeigt eine regelrechte Dominanz, die dem
Charakter der Figur eine zusätzliche Unterstreichung bietet. Es zeigt, dass der Held, die
Heldin oder auch der Nebencharakter der Geschichte von der Persönlichkeit her
entschlossener
wirkt
und
Bereitschaft
zeigt
für
den
Rezipienten
für
seine
Entwicklungsförderung in den Kampf zu gehen, auch wenn er gegen den Willen des
Mangakas handeln mag.
Das wohl Determinierendste in Luxus geriet aber unbemerkt in Vergessenheit. Der
Hintergrund, der die genaue Lokalisierung des Geschehens angibt, bleibt in mehreren Panelen
als ein weißer Fleck oder als eine vereinfachte Version, dessen Ursprung nicht mehr
erkennbar ist. 130 Der blinde Punkt dieser Szenen weist auf die Unnötigkeit dieses Accessoires
hin, denn in dem Mittelpunkt der Handlung steht hier die emotionale Äußerung des
Charakters, was den Background medial verblassen lässt.
Spezifisch für den Begriff Manga wie auch in dem analysierten Werk ist die
sogenannte Chibi-Form der Figuren, wo eine verstümmelte, einfach gezeichnete Abbildung
des Originals dem Leser präsentiert wird. Dieses reflektiert auf die gedankliche Ironisierung
des Charakters selber, wo das mediale Selbstbewusstsein auf ein niedrigeres Niveau fällt,
scheinbar, doch das wird auch als eine bewusste Strategie angewandt, um das traditionelle
Kommunikationsmodell (Sender - Botschaft - Empfänger) zu stören.131
128
Siehe Anhang: Bild 17-18.
Siehe Anhang: Bild 15.
130
Sieh Anhang: Bild 15, 16-18.
131
fVgl. Jean Baudrillard: Requiem für die Medien. In: Claus Pias [u.a.] (Hg.): Kursbuch Medienkultur.
Die massgeblichen Theorien von Brecht bis Baudrillard. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1999, S.
291.-293.
129
18
3.1.2. Das Textuelle und die Leseorientierung
Mangas und Comics nutzen gleichzeitig das Instrument Sprechblase, um den Figuren
die nötige Beschaffenheit des Sprechens zu sichern. Somit kann die Kommunikation
zwischen den Charakteren wie zwischen dem Leser und den Helden des Werkes nur auf
textuell-visuelle Art geschehen.132 Als Konsequenz folgt, dass Wörter oder Wortstücke eine
wesentliche Determination mit sich bringen.
In Parks Luxus bestimmt die Mangaka schon in der Einleitungsrede, was und welche
Folgen
ein
überdosiertes
Nutzen
von
einem
Gut
haben
kann.
…Aber wenn man ehrlich ist, gibt man Geld doch am liebsten für sich selbst aus. Man macht
sich Geschenke, um sich für die harte Arbeit zu belohnen. Oder kauft Champagner, um etwas zu
feiern. Aber…man sollte lieber nicht übertreiben… da man sonst den Boden unter den Füssen
verlieren könnte!133
Der Bestimmungsgrad des Wortes regiert über die Geschehen des Mangas und kommt
einem biblischen Motiv134 nahe, wo die Erschaffung einer neuen Szene erforderlich ist, nach
dem die sprachlichen Elemente das Licht der Welt erblicken. So sind auch die Schreie des
kleinen Mädchens, die Scarlette vom Ertrinken rettet, ein Wendepunkt (Hilfe! Hilfe!135).
Dieses Beispiel ist von anderer Perspektive auch eine Fehlinterpretation des eigentlichen
Rufes. Die Heldin deutet es zwar in der originellen Mitteilungsform, doch referiert es zuerst
auf sich selber (Sie ruft nach Hilfe um das kleine Mädchen zu retten, während das kleine
Mädchen um Hilfe nach der nächsten Person ruft, also nach Scarlette). So tritt wiederum eine
kurzfristige ironische Inkompatibilität des traditionellen Kommunikationsmodells auf.136 Eine
weitere Funktionslücke bietet sich in den Reaktionswörtern der Charaktere, besonders bei
Scarlette („Hn?“, „Hä?“ „He?“ „Ohhhhh!“, „Huch?“, usw.). Obwohl diese Äußerungsformen
die Verständlichkeit zwischen den Kommunikationspartnern zu hindern scheinen, gehört
diese Simplizität zu den direkten Verständigungsmöglichkeiten des Mediums Sprache.
132
fDieter Mersch: Wort, Zahl, Bild und Ton. Schema und Ereignis. In: http://www.momoberlin.de/Mersch_Schema_Ereignis.html (31.01.2012).
133
Judith Park: Luxus. Hamburg: Carlsen Verlag 2007, S. 6.
134
„Am Anfang war das Wort…”
135
Judith Park: Luxus. Hamburg: Carlsen Verlag 2007, S. 44-45.
136
fVgl. Jean Baudrillard: Requiem für die Medien. In: Claus Pias [u.a.] (Hg.): Kursbuch Medienkultur.
Die massgeblichen Theorien von Brecht bis Baudrillard. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1999, S.
291.-293.
19
Die Direktive des Wortes zeigt sich jedoch nicht nur auf dieser Ebene, sondern auch
auf der des Titels und der Namensgebung. Der Titel Luxus wirkt durch die spezifische
Abschlagwahl (das „$“ Zeichen am Ende)137 in solcher Weise bestimmend für den Inhalt des
Mangas, dass sich die materielle Oberflächlichkeit im Zentrum des Geschehens aufhalten
wird. Zwar dauert diese Annahme eine Zeit lang, bis es am Ende zu der moralisierten Version
der Handlung kommt: Wahrer Luxus ist das, was man ein gutes Herz nennt 138. Das
horizontale Betrachten des Titels war nicht die mediale Nachricht, welches übertragen wurde,
denn sie diente dazu, die „Fehlinterpretation“ des Rezipienten zu beschwören, während diese
durch die kontinuierliche Wahrnehmung des Aktes zur Umdeutung führte. Der Name der
Heldin gilt auch als medial-determinierendes Element. Scarlette bedeutet „rot“139 und ist eine
Untermalung ihrer temperamentvollen Persönlichkeit, die sie sogar symbolisch in der
panelischen Umgebung öffentlich trägt und akzeptiert (Halskette). Eine symbolisierte
Kommentierung betrifft auch die Abnahme dieses Schmuckstückes, denn sogleich sie die
originale Bedeutung ihres Namens ablegt, so bekommt sie auch gleichzeitig die Möglichkeit
sich von ihrer „Röte“ zu befreien.
Ein weiteres textuelle oder textuell-direktives Merkmal ist die der Leserichtung. Am
Anfang dieses Kapitels wurde erwähnt, dass Parks Manga zu einer der wenigen Ausnahmen
in der Otaku-Kultur gehört, bei der die Leserichtung nicht nach der original-koreanischen
(oder westlichen) sondern nach der japanischen erfolgt. Diese Linie (von rechts nach links) ist
mit dem Motiv der Sonne verbunden. Schon die Flaggensymbolik der Japaner kennzeichnet
das Befinden des Landes, da Japan das Land der aufgehenden Sonne ist, und der Westen (oder
die USA) das Gebiet der untergehenden Sonne. Diese Sonnensymbolik bestimmt den Verlauf
des Mangas in kulturellem Sinn, denn wo die Sonne ihre Strahlen als erstes auf die Welt
richtet, ist der Ort des Anfangs, so ist rechts (der Osten) die Wiege des Beginnens. Die
westliche Leserichtung140 interpretiert das in einer Spiegelung der Sonnensymbolik. Wo die
Sonne verschwindet, ist nicht der Platz des Tagesendes, sondern der Ort, wo die Strahlen als
letztes hinkommen, wird die Bedeutung erst am wichtigsten, denn das Letzte ist auch der Start
in einem neuen Ersten.
137
Seihe Anhang: Bild 10.
Judith Park: Luxus. Hamburg: Carlsen Verlag 2007, S. 60-61.
139
Vgl. Online im Internet: http://www.thinkbabynames.com/meaning/0/Scarlett (31.01.2012).
138
20
3.1.3. Das Pseudoakustische
Die Wahrnehmungsfähigkeit bezüglich der Künste fokussiert sich in der Visualität, sei
es nun Literatur, Malerei oder Bildhauerei (etc.) auf das Visuelle. Das nahe liegendste Mittel
der Umweltperzeption entfällt in den meisten Fällen jedoch: die Fähigkeit des Gehörs.
Warum aber dieses Phänomen meist immer auf passive Art wahrgenommen wird, liegt an das
Momentane des Akustischen. Schon Mersch schreibt, dass Stimme, Gesang und Musik auf
unterschiedlichen Weisen experimentiert haben um „das Flüchtige“ 141 einzufangen.142
Schließlich gebrauchte man die Universalisierung des Nicht-Greifbaren in der Form von
Notenschrift.143
Eine graphisch ausgefallene Technik des Toneinfangs entwickelten Mangas mit den
sogenannten sound effects144 (dt. Geräuscheffekte) oder kurz sfx. Diese verständlichen
Zeichen sind onomatopoetischer Herkunft und unterstreichen die Geschehnisse, die in den
einzelnen Panelen abspielen. In Luxus tauchen diese zum Beispiel im Bild 14 (Siehe: Anhang)
auf, als die Traumpuppe in den Beutel geworfen wurde. Sound effects skriptualisieren wie
visualisieren in den Heften durch Mimesis145, was ihres medialen Selbstbewusstseins zu
verdanken eine genauere Nachahmung der Welt erlauben lässt. So integrieren sie eine Logik
zwischen den kinetisch-momentanen Darstellungen der Bilder und den Rahmen, wie den
textuellen Einheiten und ihrer direktiven Lesart.
Eine andere Begegnung mit Pseudoakustik repräsentiert ein Partikel des Mangas,
welches ebenfalls nicht sofort auffällt. Auf Bild 15 aus Luxus (Siehe: Anhang) tritt es
besonders hervor, als Scarlette mit den mysteriösen Jungen das erste Mal in Konflikt gerät.
Die Form der Sprechblasen ist bis zur ersten Hälfte der zweiten Seite sanft, man kann
behaupten, sogar in der Statur von Wolken gezeichnet, während diese Gestaltung sich in dem
vorletzten Panel sich verliert, dornig wirkt. Der Effekt, der hier zur Geltung kommt, ist der
sogenannte Schall-Parameter der Sprechblasen. Die Figur, die sich der Sprechblase bedient,
koppelt ihre Persönlichkeit, ihr Temperament an dieses Medium, welches ihre Impulse
spiegelartig reflektiert. Sprechblasen haben mit dieser Voraussetzung die Sicherheit für
141
Vgl. Dieter Mersch: Wort, Zahl, Bild und Ton. Schema und Ereignis. In: http://www.momoberlin.de/Mersch_Schema_Ereignis.html (31.01.2012).
142
Vgl. ebda.
143
Vgl. ebda.
144
Von den us-amerikanischen Comics übernommen.
145
Vgl. Aristoteles: Poetik In: http://www.kerber-net.de/literatur/deutsch/drama/aristote.htm
(31.01.2012).
21
Manga-Charaktere gegeben, sich nicht nur emotional ausdrucksreicher zu äußern, aber auch
in Raum146 und Zeit als auktoriale Person zu betätigen; oder anders formuliert, sich als
Pseudo-Erzähler neben der Mangaka zu behaupten.
4. Zusammenfassung
Ziel dieser Diplomarbeit war, die mediale Independenz der Mangas auf zwei Ebenen,
die des External-medialen und die des Internal-medialen zu präsentieren, am Beispiel von
Judith Parks Luxus mit Hilfe von verschiedenen medienkulturwissenschaftlichen Theorien
von den berühmtesten Theoretikern unserer Zeit.
Es
wurde
eine
geschichtliche
Grundlage
als
einleitende
Quelle
der
Entwicklungshistorie der Manga-Medien erläutert und auf diese in dem darauf folgenden
Kapiteln zurückverwiesen. Das historische Evolutionäre und Revolutionäre spiegelten sich in
Form und Stil, wie in dem interkulturellen Gebrauch des außernihonginischen Einflusses.
Zuletzt wurden Medien der Mangas im heutigen deutschen Sprachgebiet genannt,
kategorisiert, beziehungsweise die Genre-Typisierung von Judith Parks Werk Luxus
vollzogen.
Die mediale Klassifizierung der Mangas, wie schon erwähnt, basierend auf Parks
Luxus wurde aus der Perspektive des thematisch-externalen Selbstbewusstseins und aus der
intermedial-internalen Selbstbewusstseins ausgebaut. Die Einteilung erfolgte innerhalb der
Mangastruktur durch die Separierung von Pikturellem, Textuellem und Pseudoakustischem.
Die Analyse basierte auf Thesen der in dem Literaturverzeichnis genannten Medienkultur-,
und Geisteswissenschaftler, wo das Fazitziehen durch Beispiele aus dem Anhang konkretisiert
wurde.
Das dritte Kapitel wurde angemäß der zweifachen Gliederung in weitere
Subkategorien geteilt, um eine klarere Übersicht der Gliederung zu definieren und auf die
Intermedialität und der externalen Einflussübung näher einzugehen.
146
Siehe Anhang: Bild 15.
22
5. Literaturverzeichnis
Primärliteratur:
Park, Judith: Luxus. Hamburg: Carlsen Verlag 2007.
Sekundärliteratur:
Adorno, Theodor W.: Résumé über Kulturindustrie. In: Claus Pias [u.a.] (Hg.): Kursbuch
Medienkultur. Die maßgeblichen Theorien von Brecht bis Baudrillard. Stuttgart: Deutsche
Verlags-Anstalt 1999, S. 202-208.
Baudrillard, Jean: Requiem für die Medien. In: Claus Pias [u.a.] (Hg.): Kursbuch
Medienkultur. Die maßgeblichen Theorien von Brecht bis Baudrillard. Stuttgart: Deutsche
Verlags-Anstalt 1999, S. 286-293.
Belting, Hans: Horizont und Fensterblick. In: Florenz und Bagdad. Eine westöstliche
Geschichte des Blicks. München: C. H. Beck 2008, S. 257-272.
Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In:
Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser (Hg.): Walter Benjamin. Gesammelte
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Quellen des Anhangs:
Koyama-Richard, Brigitte: One Thousend Years of Manga. Paris: Flammarion 2007.
Park, Judith: Luxus. Hamburg: Carlsen Verlag 2007.
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Anhang
Függelék
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