Heilige Stadt Jerusalem
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Heilige Stadt Jerusalem
HEIlIgE Stadt JERUSalEM | cITIES & DESTINATIONS Heilige Stadt Jerusalem Minirock und Schläfenlocken uriel Kashi, Reiseleiter für israel Individuelle Einzel- und Gruppenführungen in Jerusalem und Israel Organisation und Durchführung von Studienreisen und Touren durch ganz Israel Private Landausflüge für Kreuzfahrt-Reisende www.reiseleiter-israel.de J Foto © Uriel Kashi erusalem, die Heilige Stadt. Sie ist das Ziel zahlreicher Pilger weltweit, ein Ort zwischen Religionen, Kriegen und Kulturen. Uriel Kashi, Reiseleiter in Israel, zeigt seinen Gästen aber auch ein anderes Jerusalem. Das, in dem Christen, Moslems und Juden nebeneinander und miteinander leben und sich arrangieren. Das Jerusalem, in dem im selben Laden T-Shirts mit »Free Palestine!«Aufdruck, Motiven der israelischen Armee, von Jesus und von Popstars ausliegen. Er zeigt die Heilige Stadt mit Kirchen, Moscheen und Schreinen und die Stadt, in der die etwa eine Million Einwohner täglich ihren Geschäften nachgehen. Synagogen, Kirchen und Moscheen Jerusalem beherbergt weit mehr als 1.000 Synagogen, über 150 Kirchen und rund 70 Moscheen. Der Felsendom, jener berühmte islamische Schrein mit der goldenen Kuppel, baut sich auf dem Tempelberg auf: dem Ort, an dem der Tradition nach mit dem »Schöpfungsstein« der Beginn der Welt liegt, an dem Kain seinen Brudermord an Abel beging und wo Abraham seinen Sohn Isaak beinahe geopfert hätte. Hier ruhte das zentrale Heiligtum der Juden, hier standen einst ihr erster und ihr zweiter großer Tempel. Die Klagemauer ist einer seiner letzten Überreste – nicht einmal 500 Meter vom Felsendom entfernt. Und nahe dem Fuße des Berges führt die Via Dolorosa, die von Christen als Leidensweg Jesu verehrt wird, zur Grabeskirche; seiner letzten Ruhestätte. »Es ist dieses Zusammenleben der Religionen, was mich an Jerusalem beeindruckt«, erklärt Uriel Kashi seine Liebe zur Stadt. »Am Freitag bin ich in der Altstadt, höre die Kirchenglocken, sehe muslimische Pilger auf den Tempelberg gehen und Juden an der Klagemauer beten, während sich Christen auf der Straße bekreuzigen.« Er selbst ist in einer jüdischen Familie aufgewachsen. Später studierte er Jüdische Geschichte in Berlin und Jerusalem. »Man assoziiert mit der Stadt oft nur den Konflikt der Religionen, aber das ist im Alltag weit weniger dominant. Die Medien konzentrieren sich in ihrer Darstellung auf den Konflikt und die Extremisten. Doch das ist sehr einseitig. Eigentlich kommen die meisten Leute gut miteinander aus.« Zwischen Kirchenglocken und Gesang des Muezzins, zwischen Klagemauer, Felsendom und Ritterspielen zeigt Reiseleiter Uriel Kashi die Heilige Stadt. Und er zeigt das Jerusalem, in dem Juden, Christen und Muslime ihre vielfältigen Kulturen leben TexT: susaNN leDeReR Foto © www.goisrael.de, Noam Chen 64 NR. 2/2014 Und das ist nötig angesichts der enormen Zahl von Heiligtümern in der Stadt. In seiner Tour »Wo geht’s hier bitte zu Gott?« gibt Kashi Besuchern einen Überblick. Die Klagemauer und die Ausgrabungen darunter, der Tempelberg (meist von außen, denn die Einlasszeiten sind sehr begrenzt) mit Felsendom und al-Aqsa-Moschee – und die Grabeskirche, das bedeutendste Heiligtum der Christen. ▶ NR. 2/2014 65 | cITIES & DESTINATIONS Fotos © www.goisrael.de, Noam Chen HEIlIgE Stadt JERUSalEM Heiligtum der Juden Es sind Zeugnisse aus drei Jahrtausenden Geschichte, Religion und Kriegen. Nach ihrem Auszug aus Ägypten siedelten die Israeliten in Kanaan. Die zwölf biblischen Stämme brachten ihre Religion mit, den ersten Monotheismus unter ihrem Gott Jahwe. König David vereinte rund tausend Jahre vor Christus die zwölf Stämme und ließ sich zwischen ihnen in Jerusalem nieder. Als er die Bundeslade hierher bringen ließ, machte er Jerusalem zur Heiligen Stadt. Noch heute ist die Stelle auf dem Tempelberg, an der die zehn Gebote in ihrer Truhe ruhten, der heiligste Ort für die Juden. »Darum werden religiöse Juden den Tempelberg nicht betreten«, fügt Reiseleiter Kashi hinzu. Der Tempel, den Davids Nachfolger Salomon Mitte des 10. Jahrhunderts vor Christus bauen ließ, wurde zu Beginn des 6. Jahrhunderts vor Christus vom babylonischen König Nebukadnezar zerstört, von den Israeliten wieder aufgebaut und 70 nach Christus durch die Römer erneut zerstört. Seither zeugt nur noch die Klagemauer von seiner einstigen Pracht. Religiöse Stätten in Jerusalem: Klagemauer, Felsendom mit vergoldeter Kuppel, Grabeskirche (außen und innen) (v.l.n.r.) 66 NR. 2/2014 Foto © iStock.com/paulprescott72 »Der Ort des Allerheiligsten, wo die Bundeslade lag, durfte nur vom Hohepriester einmal im Jahr betreten werden. Und weil dieser Ort auf dem Tempelberg nicht mehr ausgemacht werden kann, meiden orthodoxe Juden den Hügel ganz.« Abgesehen von der Klagemauer, der westlichen Stützmauer des Tempelbergs. »Hier kommt man dem ehemaligen Tempel am nächsten, ohne ins Heiligtum zu treten. Die Mauer hat für Juden höchste religiöse Bedeutung.« Beispielsweise kann man die Bergpredigt nur verstehen, wenn auch der jüdische Diskurs zur Zeit des zweiten Tempels präsent ist.« Den bringt der Judaist seinen Gästen je nach Bedarf näher. Während sie ihre eigenen Kirchen und Heiligtümer schufen – die Grabeskirche wurde im 4. Jahrhundert auf Verlangen des ersten christlichen römischen Kaisers Konstantin erbaut –, ließen die Christen den Tempelberg zu Großteilen in Trümmern. Erst mit der Einnahme durch die Muslime wurde der Hügel wieder bebaut. Mohammeds letzte Reise Inzwischen überlässt der Staat Israel die Verwaltung des Tempelbergs den Moslems. Denn nach der Zerstörung des zweiten Tempels und ihrer Stadt Jerusalem zerstreuten sich auch die letzten Israeliten ins weltweite Exil, die Diaspora. Derweil entdeckten auch Christen und Moslems die Stadt für sich. Der Dornenweg von Jesus christus Jesus Christus war ein Sohn des jüdischen Volkes. Geboren in Bethlehem, wurde der Rabbiner während eines Aufenthalts in Jerusalem von den Römern für seine aufrührerischen Predigten festgenommen. Hier begann seine Via Dolorosa, sein Leidensweg. Auch den zeigt Uriel Kashi, und er führt in die Grabeskirche. Hier wird heute der Ort des Hügels Golgota vermutet, auf dem Jesus gekreuzigt wurde. Hier befand sich die Grabeshöhle Jesu, hier fand die Auferstehung statt. »Etwas, worin sich meine religiösen und nicht-religiösen Urlaubsgruppen unterscheiden, ist die Vorstellung von Jesus als historischer oder religiöser Figur«, so Uriel Kashi. »Aber ich brauche immer den jüdischen, religiösen Hintergrund, um Jesus als Person zu verstehen. Ende des 7. Jahrhunderts bauten Herrscher der islamischen Dynastie der Umayyaden den Felsendom mit seiner berühmten, goldüberzogenen Kuppel. Der Dom ist jedoch keine Moschee, sondern ein Schrein, der in achteckigen Grundmauern eingerahmt ist. Eine Inschrift unterhalb der Kuppel verrät, was dieser Berg den Muslimen bedeutet. »Gepriesen sei der, der mit seinem Diener (Mohammed) bei Nacht von der heiligen Kultstätte (Mekka) nach der fernen Kultstätte (Jerusalem) ... reiste ...« (17. Sure des Korans). Es ist die »nächtliche Reise« Mohammeds, die hier beschrieben wird. Zum Tempelberg soll er auf einem geflügelten, menschenköpfigen Pferd geflogen sein, um von dort aus in den Himmel zu steigen und mit den drei großen Propheten Abraham, Mose und Jesus zu beten. Die al-Aqsa-Moschee ergänzte zu Beginn des 8. Jahrhunderts als Gebetshaus die islamischen Anlagen auf dem Tempelberg. Dennoch: Jerusalem ist nur die drittheiligste Stadt im Islam. »Sie hat nicht so eine große religiöse Bedeutung wie Mekka und Medina«, weiß Israel-Experte Kashi. »Jerusalem hat für die Muslime besonders in den letzten hundert Jahren an Bedeutung gewonnen. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts war die Stadt ein kleines Bergdorf mit ein paar tausend Einwohnern. Erst als man merkte, dass jemand anderes wieder Interesse an Jerusalem hat, wurde das Bewusstsein für den Ort geschärft.« ▶ NR. 2/2014 67 Cities & Destinations | Heilige Stadt Jerusalem Heilige Stadt Jerusalem | Cities & Destinations Geteilte Stadt Jerusalem Diese anderen waren die Juden. 1948 trat die israelische Unabhängigkeitserklärung in Kraft und setzte den Grundstein für den Staat Israel. Die arabischen Länder, die sich um ihre Territorien betrogen fühlten, griffen Israel einen Tag nach der Erklärung militärisch an. Jerusalem fiel wie einst Berlin der Teilung des Landes zum Opfer. Bis 1967 gehörte Westjerusalem zu Israel, Ostjerusalem unterstand den Jordaniern. Im Sechstagekrieg eroberte der jüdische Staat auch die restlichen Stadtgebiete. Der Status Jerusalems gehört zu den schwierigsten Themen in den Friedensgesprächen zwischen Israel und den Palästinensern. Das Zusammenleben zwischen ultra-orthodoxen und säkulären Juden verläuft oft, aber nicht immer spannungsfrei Heute ist Jerusalem geeint. Die Trennung zwischen Religionen und Kulturen ist geblieben – aber in friedlicher Manier. »In Deutschland gab es eine große Diskussion über eine einheitliche Leitkultur, und gleichzeitig ist man stolz auf seine Multikulturalität«, lächelt Uriel Kashi. »In Jerusalem ist man vielleicht etwas offener. Solange man sich an Gesetze und Pflichten hält, lebt jeder seine eigene Kultur.« Fotos © www.goisrael.de, Noam Chen Jerusalem: Tor zu Religionen und Kulturen Die Altstadt von Jerusalem ist seit dem Mittelalter in das armenische, das christliche, das jüdische und das muslimische Viertel geteilt. Hier erleben Besucher hautnah die Kulturen der Stadt. Neben dem Tempelberg ist auch der Ölberg einen Besuch wert. Hier liegt der Garten Gethsemane, in dem Jesus Christus in der Nacht vor seiner Verhaftung betete. Ebenfalls bedeutend ist der Berg Zion, in dem das Grab des Königs David liegen soll. Die Dormitio-Kirche markiert den Ort, an dem die Jungfrau Maria gestorben sein soll. Der übersetzte Name von »Dormitio Mariae« lautet »Mariä Entschlafen«. Einen dunklen Abschnitt der neueren Geschichte zeigt das Holocaust-Museum »Yad Vashem«. Hier bekommen Reisende einen Einblick in die Gräueltaten der Nazidiktatur: aus der Perspektive der Opfer, die nicht die Verbrechen, sondern Verstorbene, Hinterbliebene, Fragen nach Moral, Rechten und Pflichten in Notsituationen in den Mittelpunkt stellen. »Es ist ein Perspektivwechsel, der viele meiner Besucher tief beeindruckt hat«, so Uriel Kashi. »Und er lässt so manches auch in der neueren Geschichte besser verstehen.« 68 NR. 2/2014 In der Heiligen Stadt Die Dormitio-Kirche steht auf jenem Platz, an dem Maria, die Mutter von Jesus, gestorben sein soll 4 Tage in Hotels ab 3 Sternen, Frühstück, DZ, inkl. Flug p.P. ab 508 € magazin.ab-in-den-urlaub.de/66 Hotline: +49 (0)341 65050 83970 (Ortstarif, Mobilfunk abweichend) Natürlich ist dafür auch Respekt vonnöten – und den haben die meisten Jerusalemer. »Wer in das orthodoxe Stadtviertel Mea Shearim geht, muss sich ›züchtig‹ kleiden.« Aber gerade in diesen Vierteln findet Kashi fantastische Beispiele aus der jüdischen Kultur. »Schon wenn man in die Geschäfte blickt. Es liegen keine profanen Bücher auf Hebräisch aus, dafür viele Bücher in Jiddisch – der fast ausgestorbenen Sprache der Juden Osteuropas. Für manchen ultraorthodoxen Juden ist Hebräisch eine so heilige Sprache, dass sie für nichtreligiöse Zwecke tabu sein soll.« Sie sind also präsent in Jerusalem, die streng-orthodoxen Juden. Aber auch hier trifft man viele Schattierungen. Da gibt es mystisch angehauchte und solche, die Mystiker kritisieren. Während ein paar Straßen weiter junge Frauen in Miniröcken Männern hinterhergucken, verbergen die ultra-orthodoxen Mädchen ihre Haare unter Kopftüchern. Drei-Religionen-Metropole Die Einwohner der Stadt nehmen’s pragmatisch. »Die meisten leben kulturell getrennt in ihren eigenen Vierteln. Das hat ganz praktische Gründe: Ich fühle mich einfach wohler, wenn ich Nachbarn habe, die sich am Sabbat nicht daran stören, dass ich mit dem Auto fahre. Es ist einfacher so.« Nicht einmal zu den jährlichen Ritterspielen in der christlichen Altstadt – die einzigen christlichen Ritter, die Jerusalem je sah, waren Kreuzritter gegen die Muslime und Juden – gibt es Auseinandersetzungen. »Aus westlicher Sicht könnte man meinen, es sei makaber. Aber es funktioniert. Die Leute kommen und sind glücklich.« Und das ist es, was Uriel Kashi an Jerusalem so fasziniert. »Jerusalem ist eine unglaublich vielseitige Stadt. Es gibt tausende von Jahren Geschichte, mehrere Religionen und verschiedene Strömungen innerhalb der Religionen. In der Stadt pulsiert ein modernes Kunst-, Kulturund Nachtleben – und das alles auf einer kleinen Fläche.« ■ NR. 2/2014 69