Sniping in Online-Auktionen - Digitale Bibliothek Braunschweig
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Sniping in Online-Auktionen - Digitale Bibliothek Braunschweig
Digitale Bibliothek Braunschweig Sniping in Online-Auktionen Ralf Peters Chjristian Schmeißer Veröffentlicht in: Multikonferenz Wirtschaftsinformatik 2012 Tagungsband der MKWI 2012 Hrsg.: Dirk Christian Mattfeld; Susanne Robra-Bissantz Braunschweig: Institut für Wirtschaftsinformatik, 2012 http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00048384 Digitale Bibliothek Braunschweig Sniping in Online-Auktionen Ralf Peters Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Wirtschaftsinformatik und Operations Research, 06108 Halle (Saale), E-Mail: [email protected] Christian Schmeißer Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), 06108 Halle (Saale), E-Mail: [email protected] Abstract In Online-Auktionen werden Gebote oft gezielt kurz vor Ende der Auktion abgegeben. Diese als Sniping bezeichnete Bietstrategie hat zum Ziel, einen starken Preisanstieg durch wechselseitiges Überbieten zu vermeiden. Obwohl Sniping in Online-Auktionen häufig auftritt, konnten bisherige empirische Untersuchungen keine statistisch gesicherten Preiseffekte nachweisen. Die vorliegende Analyse zeigt die Profitabilität von Sniping anhand einer empirischen Studie und untersucht mögliche Wirkungszusammenhänge anhand statistischer Merkmale. 1 Einleitung Online-Auktionen haben zumeist eine Laufzeit von mehreren Tagen. Allerdings werden Gebote oft nur wenige Sekunden vor dem Auktionsende abgegeben, um den Zuschlag zu einem möglichst geringen Preis zu erhalten. Dieses sogenannte Sniping hat sich in den letzten Jahren zu einer weit verbreiteten Verhaltensweise und damit quasi zu einer „best-practice“-Strategie entwickelt. Obwohl die weite Verbreitung von Sniping dessen Profitabilität nahelegt, wurde in bisherigen Analysen bislang noch kein statistisch gesicherter Nachweis für diesen Zusammenhang erbracht (siehe hierzu [4], [6], [8] sowie [20]). Die in diesem Aufsatz vorgestellte Analyse untersucht die Profitabilität von Sniping anhand von Daten der Auktionsplattform eBay und überprüft, welcher Zusammenhang zwischen Sniping und einer Preisveränderung existiert. Im folgenden Abschnitt wird zunächst ein Überblick zum Stand der Forschung über Sniping gegeben. Anschließend wird die empirische Analyse beschrieben. Danach folgt die Darstellung der Ergebnisse. Hier wird zunächst der statistische Zusammenhang zwischen Sniping und einer Preisreduktion untersucht. Anschließend werden verschiedene Wirkungszusammenhänge anhand statistischer Merkmale diskutiert. Der Beitrag schließt mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick. http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00048384 Digitale Bibliothek Braunschweig 2 2 Ralf Peters, Christian Schmeißer Stand der Forschung In bisherigen empirischen Untersuchungen hat sich gezeigt, dass die Häufigkeit der Gebote stark von der Restlaufzeit einer Online-Auktion abhängt. Eine Häufung der Gebote ist dabei vor allem in der Endphase der Auktionen zu beobachten. In einer Studie von Bajari und Hortaçsu [2] erfolgen mehr als die Hälfte aller Gebote in den letzten 10% der Auktionszeit. In einer weiteren Untersuchung zeigen Ockenfels und Roth [11], dass etwa 12% aller Gebote in den letzten zehn Sekunden von eBay-Auktionen abgegeben werden. Einen weiteren Einfluss auf den Zeitpunkt der Gebotsabgabe hat die Form des Auktionsendes. Dabei lässt sich zwischen Auktionen mit festem Ende und solchen mit einem Countdown unterscheiden, bei denen bei Geboten kurz vor Auktionsende die Restlaufzeit verlängert wird. Ockenfels und Roth [11] zeigen, dass in Auktionen mit festem Ende etwa 20% aller Gebote innerhalb der letzten Stunde abgegeben werden. In Auktionen mit flexiblem Ende beträgt dieser Anteil lediglich 7%. Der Zeitpunkt der Gebotsabgabe hängt ebenfalls von der Erfahrung eines Bieters ab. Wilcox [19] zeigt, dass erfahrene Bieter später bieten als unerfahrene. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen Ariely et al. [1] in einer experimentellen Arbeit. Ein breites Forschungsfeld beschäftigt sich mit der Motivation der Bieter, Sniping durchzuführen. Dabei wird in der Literatur der mit Sniping in Verbindung gebrachte Effekt einer Preisreduzierung unterschiedlich erklärt (siehe hierzu [3] S. 461ff.). Die verschiedenen Begründungen lassen sich thematisch in die „beste“ Antwort auf inkrementelles Bieten, das Reduzieren des Bieterwettbewerbs, den Schutz vor Manipulationen, die Bewahrung der Möglichkeit, in Alternativauktionen zu bieten sowie die Vermeidung von Auktionsfieber gruppieren. Den Ausgangspunkt für Sniping bildet das wechselseitige Überbieten konkurrierender Auktionsteilnehmer. In einem derartigen inkrementellen Bietprozess lässt ein hinreichend spätes SnipingGebot den Konkurrenten keine ausreichende Reaktionszeit, wobei die für ein weiteres Gebot nötige Reaktionszeit hier unter anderem durch die Latenzzeiten des Internet bei der Datenübertragung bestimmt ist. Diese Strategie ist vor allem gegenüber unerfahrenen Konkurrenten erfolgreich, selbst wenn diese viel höhere Zahlungsbereitschaften besitzen und wird beispielsweise von Ockenfels und Roth [11] als Erklärung für das Auftreten von Sniping gegeben. Die internen Bietagenten der Online-Auktionshäuser bieten Schutz vor dieser Sniping-Strategie, falls der Bieter als Maximalgebot seine maximale Zahlungsbereitschaft angibt. Ein anderer Erklärungsansatz für Sniping betrachtet den Informationsaustausch zwischen den konkurrierenden Bietern im Rahmen ihrer Gebote. Hierbei wird angenommen, dass ein Bieter umso besser gestellt ist, je weniger Informationen er von sich preisgibt und je mehr Informationen von anderen Bietern veröffentlicht werden (vgl. [17] S. 40). In Auktionen, die sich dem CommonValue-Model zuordnen lassen, wird dieser Zusammenhang mit dem von Milgrom und Weber [10] aufgestellten Linkage-Principle erklärt. Dieses besagt, dass sich der Auktionspreis mit der http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00048384 Digitale Bibliothek Braunschweig Multikonferenz Wirtschaftsinformatik 2012 3 Menge der den Bietern zur Verfügung gestellten Informationen erhöht. Für Auktionen, die dem Independent-Private-Model entsprechen, stützt sich Rasmusen [13] auf die Annahme, dass sich die Zahlungsbereitschaft erst im Verlauf der Auktion vollständig ausbildet. Da das Konkretisieren der Zahlungsbereitschaft dem Bieter Kosten verursacht, erfolgt dies erst, sobald der Auktionsverlauf es notwendig macht. Sniping zielt darauf ab, diesen Prozess auf Seiten konkurrierender Bieter nicht anzustoßen. Ein weiterer Erklärungsansatz betrachtet den Schutz vor Manipulationen wie Phantomgeboten und Shilling. Schindler [15] beschreibt dazu ein „Moral-Hazard“-Problem des Online-Auktionshauses, das mit der Nutzung der internen Bietagenten entsteht. Online-Auktionshäuser sind aufgrund ihrer Gebührenstrukturen an hohen Auktionspreisen interessiert. Da die Bieter dem Bietagenten ihre Zahlungsbereitschaft offenbaren, besteht für das Online-Auktionshaus die Möglichkeit zu Phantomgeboten, die den Auktionspreis erhöhen. Anhand von Sniping können die Bieter den Einsatz derartiger Phantomgebote erschweren. Roth und Ockenfels [14] sowie Wang et al. [18] betrachten in ähnlicher Weise die Gefahr von inkrementellen Shilling-Geboten seitens des Verkäufers. Sniping bietet auch hier eine Strategie, die Informationen zurückhält und damit die Zeit für eine derartige Manipulation verkürzt (vgl. [18] S. 3). Peters und Severinov [12] interpretieren Sniping als eine Strategie, die es dem Bieter ermöglicht, in Alternativauktionen zu bieten. Durch die Abgabe eines frühen Gebots entstehen dem Bieter Opportunitätskosten aus der Wahrscheinlichkeit, dass in einer späteren Auktion das gleiche Gut zu einem geringeren Preis verfügbar ist (vgl. [12] S. 236). Infolgedessen wird vermutet, dass Sniping insbesondere bei Gütern mit hoher Substituierbarkeit Vorteile bietet. Eine weitere Erklärung basiert auf der Annahme, dass Bieter anhand von Sniping ein „Auktionsfieber“ vermeiden möchten. Unter Auktionsfieber wird das Verhalten eines Bieters verstanden, der sich in den wettbewerblichen Bietprozess so hineinsteigert, dass sich seine Zahlungsbereitschaft erhöht, obwohl er perfekte Informationen besitzt (vgl. [9] S. 90). In Befragungen von Bietern, die Sniping durchgeführt haben, wurde spätes Bieten oft als bewusste Strategie zur Vermeidung eines „Bieterkrieges“ angegeben (vgl. [14] S. 1100). 3 3.1 Empirische Analyse Untersuchungsmethodik Das Ziel der empirischen Analyse ist die Ermittlung der Profitabilität von Sniping sowie die Untersuchung von Wirkungszusammenhängen zwischen verschiedenen Merkmalen der Auktionen und dem Einsatz von Sniping. Die Analyse verwendet Daten des Online-Auktionshauses eBay, die über eine Schnittstelle per Internet gewonnen wurden. Das Kriterium der Profitabilität von Sniping wird als erfüllt betrachtet, falls sich in den Sniping-Auktionen anhand statistischer Hypothesentests ein signifikant geringeres Preisniveau zeigt. Der Vergleich erfolgt anhand des einseitigen Wilcoxon-Rangsummentests (siehe hierzu [5] S. 131ff.). Dieser Test überprüft, ob zwei mindestens ordinal skalierte Verteilungen gleiche zentrale Tendenzen aufweisen. Ein Vorteil dieses nicht-parametrischen Tests besteht darin, dass keine Kenntnisse über Verteilungsparameter der untersuchten Stichprobe benötigt werden. So kann ohne zusätzliche Restriktionen eine einheitliche Analyse der verschiedenen Stichproben-Segmente erfolgen. Die Annahme der Alternativhypothese des Wilcoxon-Rangsummentests zeigt dabei jeweils Unterschiede zwischen zwei Auktionsgruppen auf Basis eines gegebenen http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00048384 Digitale Bibliothek Braunschweig 4 Ralf Peters, Christian Schmeißer Signifikanzniveaus. Auf Grundlage der Irrtumswahrscheinlichkeiten von 10%, 5% und 1% werden signifikante Unterschiede entsprechend durch *, ** und *** ausgewiesen. Den Ausgangspunkt der Analyse bildet die Identifikation von Sniping-Geboten. In der Literatur werden Sniping-Gebote dadurch charakterisiert, dass sie kurz vor Auktionsende erfolgen, wobei jedoch keine einheitliche Definition des relevanten Zeitintervalls existiert. In der vorliegenden Analyse werden Gebote in den letzten zehn Sekunden einer Auktion als Sniping interpretiert. Um den Einfluss des Zeitintervalls von zehn Sekunden auf die erzielten Ergebnisse zu prüfen, wird eine ergänzende Sensitivitätsanalyse vorgenommen. Sniping liegt in einer Auktion genau dann vor, falls innerhalb der letzten zehn Sekunden mindestens ein Gebot erfolgt. Erfolgen mehrere Gebote innerhalb dieser Frist, so können sich darunter auch Gebote befinden, die nicht aus dem Motiv des Sniping heraus erfolgen, sondern als Reaktion auf ein Sniping-Gebot ausgelöst wurden. Dies gilt insbesondere für Gebote des internen Bietagenten der Auktionsplattform, die jedoch anhand des Zeitstempels der initialen Gebotsabgabe eindeutig identifiziert werden können. Ein Sniping-Gebot führt daher nicht zwangsläufig zum Gewinn der Auktion, sondern kann durch ein Gebot des internen Bietagenten auf der Auktionsplattform oder eines anderen Snipers überboten werden. Im Ergebnis können damit drei Gruppen von Auktionen unterschieden werden, die in Bild 1 dargestellt sind. Diese umfassen Auktionen, in denen ein Sniping-Gebot gewinnt (ASG), Auktionen, in denen Sniping nicht zum Gewinn der Auktion führt (ASkG) und Auktionen, in denen kein Sniping stattfindet (AoS). Bild 1: Gliederung der Auktionsgruppen Die Auswertung der Ergebnisse erfolgt segmentiert nach Ländern und Auktionsgütern. Um belastbare Ergebnisse zu erhalten, wird die Mindestanzahl zweier zu vergleichender Mengen auf jeweils 30 Auktionen festgelegt. Die Segmente, die diese Anforderung nicht erfüllen, werden bei den Ergebnissen gesondert ausgewiesen. 3.2 Datengrundlage Die in der Analyse verwendeten Daten wurden zwischen Januar und März 2011 über eine Schnittstelle des Online-Auktionshauses eBay per Internet bezogen. Dabei handelt es sich um Auktionsdaten aus verschiedenen Produktkategorien der landesspezifischen Webseiten für Deutschland und die USA. Es werden ausschließlich so genannte chinesische Auktionen, d. h. offene, aufsteigende Auktionen, die dem englischen Auktionsformat ähneln, betrachtet. Als Produktkategorien werden das „IPad 16GB 3G“, das „IPad 32GB 3G“, das „IPad 64GB 3G“, das PC-Spiel „Sims 3“, das „Parfüm Chanel Mademoiselle“ sowie „Windows 7 Professional“ untersucht. Um den Einfluss unbeobachteter Heterogenitäten in der Analyse möglichst gering zu halten, sind die Produktkategorien in Hinblick auf eine starke Homogenität der betroffenen http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00048384 Digitale Bibliothek Braunschweig Multikonferenz Wirtschaftsinformatik 2012 5 Auktionsgüter gewählt. Dazu zählen gleichartige Ausführungen, Qualitäten, Mengen und Zustände. Es werden nur Auktionen betrachtet, die in der Landeswährung erfolgten und deren Artikelzustand mit „neu“ gekennzeichnet ist. Auktionen, die nicht exakt dem geforderten Auktionsobjekt entsprechen, da sie beispielsweise eine mehrfache Anzahl oder die Kombination von Produkten betreffen, werden nicht betrachtet. Der Datenbestand wird darüberhinaus um für die Analyse störende Informationen bereinigt. So werden Auktionen mit einem Manipulationsverdacht aufgrund unplausibler Endpreise ausgeschlossen. Dazu zählen Auktionen, in denen extrem hohe Endpreise erreicht wurden und die zwei höchsten Bieter nach der Auktion nicht mehr im Auktionshaus angemeldet waren. Außerdem werden IPad-Auktionen mit Endpreisen über 1.000€ sowie unter 200€ entfernt. Nach der Bereinigung stehen für die Analyse insgesamt 2.980 Auktionen von 2.155 Verkäufern zur Verfügung. 4 Ergebnisse 4.1 Häufigkeit von Sniping In der Analyse werden in insgesamt 37% der untersuchten Auktionen Sniping-Gebote identifiziert. Die Häufigkeit der Sniping-Gebote variiert deutlich zwischen den verschiedenen Ländern und Kategorien. Bild 2 zeigt, dass in Deutschland in jeder zweiten Auktion Sniping-Gebote auftreten. In den USA sind demgegenüber nur 30% der Auktionen von Sniping betroffen. Bild 2: Anteil der Auktionen mit Sniping-Geboten und erfolgreichen Sniping-Geboten Auch die Erfolgswahrscheinlichkeit, dass eine Auktion mit Sniping auch mit einem Sniping-Gebot gewonnen wird, ist länderspezifisch. Während dies in Deutschland lediglich 56% der Auktionen sind, beträgt der Anteil in den USA 69%. Damit wird Sniping in Deutschland zwar in einem größeren Anteil der Auktionen eingesetzt als in den anderen Ländern, es ist jedoch prozentual seltener erfolgreich. In den verschiedenen Produktkategorien wird Sniping unterschiedlich häufig identifiziert und reicht von 26% (Sims 3) bis zu 40% (IPad 16GB 3G, Windows 7 Professional) der Auktionen. Die länderübergreifende Erfolgswahrscheinlichkeit von Sniping ist demgegenüber für alle Produktkategorien ähnlich und liegt bei ungefähr sechs von zehn Fällen. http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00048384 Digitale Bibliothek Braunschweig 6 Ralf Peters, Christian Schmeißer Insgesamt geben Sniping-Bieter (BS) weniger Gebote ab als Bieter, die kein Sniping betreiben (BoS). Dieser in Tabelle 1 dargestellte Unterschied ist in nahezu allen Segmenten hochsignifikant. Dabei geben 76% der Sniping-Bieter in der jeweiligen Auktion genau ein Gebot ab und verwenden damit eine ausschließliche Sniping-Strategie. Die verbleibenden 24% setzen entweder eine kombinierte Bietstrategie ein oder entscheiden sich erst im Auktionsverlauf für Sniping. Dieser Befund bestätigt tendenziell die Studie von Roth und Ockenfels [14], in der 91% der befragten Sniping-Bieter angaben, ihre Sniping-Strategie schon am Anfang einer Auktion geplant zu haben. Deutschland USA BoS Differenz (BS - BoS) BoS Differenz (BS - BoS) IPad 16GB 3G 1,94 -0,32*** 2,13 -0,29*** IPad 32GB 3G 1,99 -0,49*** 1,96 -0,58*** IPad 64GB 3G 2,02 -0,72*** 2,04 -0,61*** Sims 3 (PC-Spiel) 1,65 -0,07*** (1,93) (1,13***) Parfüm Chanel Mademoiselle 1,76 -0,65*** (2,12) (-0,50) Windows 7 Professional 1,69 -0,43*** 1,87 -0,53*** BS BoS ***/**/* Sniping-Bieter Bieter, die kein Sniping betreiben Annahme der Alternativhypothese nach dem einseitigen Wilcoxon-Rangsummentest auf dem 1/5/10-prozentigen Signifikanzniveau Unzureichende Fallzahl (…) Tabelle 1: 4.2 Durchschnittliche Gebotsanzahl von Sniping-Bietern und Bietern ohne Sniping Profitabilität von Sniping Die weite Verbreitung zeigt die Bedeutung von Sniping als „best-practice“-Strategie. Die grundlegende Motivation für Sniping bildet die Annahme, mit dieser Strategie das Auktionsobjekt im Erfolgsfall zu einem besonders günstigen Preis zu erhalten. Der Vergleich der durchschnittlichen Endpreise zwischen Auktionen mit und ohne Sniping ist für die einzelnen Segmente in Tabelle 2 dargestellt. Dabei zeigt sich in sechs von zehn Segmenten mit ausreichender Fallzahl ein signifikanter Preisunterschied. Vor allem bei den IPad-Auktionen in den USA sind hochsignifikante Preisdifferenzen zu beobachten. In Deutschland sind drei Segmente mit signifikanten Preisdifferenzen zu beobachten. USA [in US-$] Deutschland [in €] AoS Differenz (AS - AoS) AoS Differenz (AS - AoS) IPad 16GB 3G 453,66 -11,74** 548,30 -55,92*** IPad 32GB 3G 515,21 -13,75 603,51 -40,47*** IPad 64GB 3G 607,88 -20,77** 696,76 -31,26*** Sims 3 (PC-Spiel) 24,34 1,00 (21,28) (2,34) Parfüm Chanel Mademoiselle 67,37 -0,40 (58,68) (-3,22) Windows 7 Professional 60,90 -2,36* 92,11 5,34 AS Auktionen mit Sniping AoS ***/**/* Auktionen ohne Sniping Annahme der Alternativhypothese nach dem einseitigen Wilcoxon-Rangsummentest auf dem 1/5/10-prozentigen Signifikanzniveau (…) Unzureichende Fallzahl Tabelle 2: Vergleich der durchschnittlichen Endpreise von Auktionen mit und ohne Sniping http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00048384 Digitale Bibliothek Braunschweig Multikonferenz Wirtschaftsinformatik 2012 7 Darauf aufbauend stellt sich die Frage, wie hoch der individuelle Gewinn eines Bieters ist, falls eine Auktion per Sniping-Gebot gewonnen wird. Hierzu wird die Differenz der durchschnittlichen Endpreise der Auktionen, in denen Sniping zum Gewinn führte und denen ohne Sniping, betrachtet. Um den individuellen Gewinn eines Bieters durch Sniping eindeutig bestimmen zu können, werden Auktionen, in denen Sniping nicht zum Gewinn führte, aus der Untersuchung ausgeschlossen. Tabelle 3 zeigt unterschiedlich hohe Gewinne durch Sniping in den verschiedenen Segmenten. Der höchste signifikante Gewinn ist bei den IPad-16GB-3G-Auktionen in den USA zu finden und beläuft sich mit 55$ auf 10% des Auktionspreises. In den untersuchten Auktionen in Deutschland ist ein durchschnittlicher Gewinn von 1% bis 5% zu messen. Insgesamt ist Sniping damit häufig profitabel, führt jedoch nicht immer zu einer Preisersparnis. In zwei Segmenten werden für Sniping sogar höhere Preise ermittelt, wobei allerdings das Signifikanzkriterium nicht erfüllt wird. USA [in US-$] Deutschland [in €] AoS Differenz (ASG - AoS) AoS Differenz (ASG - AoS) IPad 16GB 3G 453,66 -12,40* 548,30 -54,89*** IPad 32GB 3G 515,21 -15,57* 603,51 -36,69*** IPad 64GB 3G 607,88 -8,16 696,76 -35,49*** Sims 3 (PC-Spiel) 24,34 0,58 (21,28) (3,97***) Parfüm Chanel Mademoiselle (67,37) (-1,65) (58,68) (-1,51) Windows 7 Professional 60,90 -2,77** 92,11 7,04 ASG AoS ***/**/* Auktionen mit Sniping-Geboten, die zum Gewinn der Auktion führten Auktionen ohne Sniping Annahme der Alternativhypothese nach dem einseitigen Wilcoxon-Rangsummentest auf dem 1/5/10-prozentigen Signifikanzniveau Unzureichende Fallzahl (…) Tabelle 3: Vergleich des Auktionspreises zwischen Auktionen, in denen Sniper gewonnen haben und Auktionen ohne Sniping 4.3 Sensitivitätsanalyse Im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse wird untersucht, inwieweit die Profitabilität von Sniping von dem zugrunde gelegten Zehn-Sekunden-Intervall abhängt. Dabei wird betrachtet, ob alternative Intervalle von 5, 20, 60 und 120 Sekunden zu ähnlichen Ergebnissen führen. Tabelle 4 stellt die signifikanten Abweichungen der Endpreise zwischen Sniping-Auktionen (AS) und Auktionen ohne Sniping (AoS) in den jeweiligen Segmenten für unterschiedliche Sniping-Intervalle dar. Deutschland 5 IPad 16GB 3G IPad 32GB 3G ** IPad 64GB 3G * 10 20 60 120 5 10 20 60 120 ** *** *** *** *** *** *** *** *** * * ** *** *** *** *** *** ** ** ** * *** *** *** *** (…) (…) (…) (…) (…) (…) (…) (…) (…) (…) ** Sims 3 (PC-Spiel) Parfüm Chanel Mademoiselle Windows 7 Professional ***/**/* (…) 1 Tabelle 4: (…) ** USA * 1 * Annahme der Alternativhypothese nach dem einseitigen Wilcoxon-Rangsummentest auf dem 1/5/10-prozentigen Signifikanzniveau Unzureichende Fallzahl Signifikant höherer Endpreis in Sniping-Auktionen Signifikante Abweichungen der Endpreise für alternative Sniping-Intervalle http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00048384 Digitale Bibliothek Braunschweig 8 Ralf Peters, Christian Schmeißer Es werden in 31 der insgesamt 49 Segmente mit ausreichender Fallzahl signifikante Unterschiede bei den Endpreisen gemessen. Dabei zeigen sich ähnliche Resultate für die verschiedenen Sniping-Intervalle, jedoch auch einige kleinere Abweichungen. 4.4 Wirkungszusammenhänge 4.4.1 Zusammenhang von Sniping und Bieteranzahl Bei der Analyse des Bieterverhaltens zeigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Sniping in einer Auktion mit der Zahl der Bieter zunimmt. Bild 3 stellt diesen Zusammenhang für die erhobenen Auktionen dar. Insgesamt erhöht sich die Sniping-Wahrscheinlichkeit von 10% in Auktionen mit nur einem Bieter auf ungefähr 50% in Auktionen mit mehr als zwölf Bietern. Dieser Anstieg kann durch eine punktbiseriale Korrelationsanalyse bestätigt werden. Dabei zeigt sich ein überwiegend hochsignifikanter und positiver Zusammenhang zwischen der Bieteranzahl und dem Auftreten von Sniping. Dieser empirische Befund lässt sich mit einem einfachen statistischen Urnenmodell vergleichen, in dem Sniping-Bieter und normale Bieter durch zwei Lostypen sniper und normal repräsentiert werden. Die Wahrscheinlichkeit von Sniping in einer Auktion nimmt dann mit zunehmender Bieterzahl zu und beträgt p(n) = 1 - (1 - p(sniper))n. Die hieraus resultierenden statistischen Sniping-Wahrscheinlichkeiten sind in Bild 3 vergleichend für alternative Werte von p(sniper) dargestellt. Im Vergleich zeigt die empirische Sniping-Wahrscheinlichkeit einen flacheren Verlauf als aus dem statistischen Modell zu erwarten ist. Die Sniper treten damit gehäuft in Auktionen mit wenigen Bietern auf und meiden damit Auktionen mit höherer Wettbewerbsintensität. 100% 10% 80% 5% 60% 3% 40% 20% 0% 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Bieteranzahl je Auktion empirische Sniping-Wahrscheinlichkeit Bild 3: theoretische Sniping-Wahrscheinlichkeiten Wahrscheinlichkeit eines Snipers nach Bieteranzahl je Auktion Ein weiterer Zusammenhang besteht zwischen der Höhe des Startpreises und der Anzahl der Bieter einer Auktion. Tabelle 5 stellt diese statistisch hochsignifikante, stark negative Beziehung der beiden Kennzahlen in den untersuchten Segmenten dar. Ein geringer Startpreis attrahiert mehr Bieter, womit indirekt auch die Wahrscheinlichkeit für Sniping zunimmt. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Startpreis und Endpreis lässt sich anhand der Auktionsdaten jedoch nicht feststellen. http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00048384 Digitale Bibliothek Braunschweig Multikonferenz Wirtschaftsinformatik 2012 9 Deutschland USA IPad 16GB 3G -0,51*** -0,81*** IPad 32GB 3G -0,67*** -0,80*** IPad 64GB 3G -0,56*** -0,81*** Sims 3 (PC-Spiel) -0,41*** -0,62*** Parfüm Chanel Mademoiselle -0,49*** -0,48*** Windows 7 Professional -0,47*** -0,60*** ***/**/* Annahme der Alternativhypothese nach dem einseitigen Signifikanztest auf dem 1/5/10-prozentigen Signifikanzniveau Tabelle 5: Spearmannsche Rangkorrelationskoeffizienten zwischen Bieteranzahl und Startpreis 4.4.2 Sniping zur Vermeidung von Shilling Eine der Motivationen für Sniping besteht darin, Phantomgebote seitens des Anbieters zu vermeiden. Die Identifikation dieser als Shilling bezeichneten Manipulation wird in der Literatur zumeist anhand von indizienbasierten Verfahren vorgenommen. Für die hier vorgenommene Analyse des Zusammenhanges zwischen Shilling und Sniping wird das Identifizierungsverfahren von Schmeißer und Peters [16] verwendet, das verschiedene Ansätze aus der Literatur mit statistischen Methoden kombiniert. Als Stichprobe werden 445 Verkäufer mit mindestens 30 Auktionen untersucht, von denen anhand des Verfahrens bei 63 Verkäufern Shilling detektiert wird. Mit einem zweiseitigen Wilcoxon-Rangsummentest wird anschließend überprüft, ob sich die durchschnittliche SnipingQuote der Shilling-Verkäufer von der anderer Verkäufer unterscheidet. Das Ergebnis zeigt eine durchschnittliche Sniping-Quote von 40% bei den Shilling-Verkäufern gegenüber einer Quote von 34% bei den anderen Verkäufern und ist signifikant auf einem Fehlerniveau von einem Prozent. Dieser Befund kann ein Indiz dafür sein, dass zumindest ein Teil der Bieter das Shilling der Verkäufer korrekt antizipiert und ihm mit Sniping begegnet. Anzumerken ist, dass das Ergebnis auf wenigen Shilling-Verkäufern basiert und daher weiterer Forschung bedarf. So könnte die erhöhte Sniping-Quote von 40% auch auf eine Unmasking-Strategie des Verkäufers zurückgehen, die fälschlicherweise als Sniping detektiert wird. 5 Zusammenfassung Sniping ist eine in Online-Auktionen weit verbreitete Bietstrategie, die darauf abzielt, den Preisanstieg im Auktionsverlauf abzuschwächen. Die empirische Analyse zeigt, dass Sniping in Abhängigkeit des betrachteten Marktsegments zu durchschnittlichen Preisreduzierungen von bis zu 10% des Auktionspreises führt. Obwohl Sniping in Deutschland besonders weit verbreitet ist, fällt die Profitabilität hier gegenüber den USA vergleichsweise gering aus. Der Analyse liegt ein Sniping-Intervall von zehn Sekunden zugrunde, das sich im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse als unkritisch für die erzielten Ergebnisse zeigt. Als Motivation für Sniping werden in der Literatur verschiedene Erklärungen genannt, die sich empirisch anhand der Auktionsdaten bislang nur schwer voneinander abgrenzen und verifizieren lassen. Die im Anschluss an die Kernfrage nach der Profitabilität angestellte explorative Datenanalyse liefert dazu erste Anhaltspunkte. So kann das statisch überproportionale Auftreten von Sniping in Auktionen mit wenigen Bietern als ein Indiz für das in der Literatur oft genannte http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00048384 Digitale Bibliothek Braunschweig 10 Ralf Peters, Christian Schmeißer Schnäppchenjäger-Motiv interpretiert werden. Auch für das Motiv eines Schutzes vor ShillingGeboten finden sich Indizien. Hier bietet sich ein noch weitgehend offenes Forschungsgebiet, das interessante Ergebnisse erwarten lässt. 6 Literatur [1] Ariely, D; Ockenfels, A; Roth, AE (2005): An experimental analysis of ending rules in internet auctions. RAND Journal of Economics 36(4): 890-907. 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