Richter entscheiden im Ticket-Ärger

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Richter entscheiden im Ticket-Ärger
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Hamburger Abendblatt vom 18. 03. 2006
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WM extra
Rainer Grünberg rg
(c) Axel Springer GmbH Hamburg
Eintrittskarten: Internet-Tauschbörse öffnet am Montag - Probleme bleiben vorerst akut
Richter entscheiden im Ticket-Ärger
HAMBURG - Björn Kracht (33) aus
Essen ist ein ganz normaler Fußballfan,
kein Hooligan. Am 1. Juli will er zum
WM-Viertelfinale nach Gelsenkirchen
fahren. Dafür hat sich der Ingenieur für
880 Euro zwei Tickets gekauft, die ursprünglich 110 Euro kosteten. Weil er
sie im Internetauktionshaus Ebay ersteigerte, weigert sich das WMOrganisationskomitee (OK) beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), die von ihm
gewünschten Namen auf die beiden Eintrittskarten einzutragen. "Wir wollen
den Schwarzmarkt eindämmen und Geschäftemacherei wie diese verhindern",
erklärte OK-Vizepräsident Horst R.
Schmidt.
Die Tickets sind damit für ihren neuen
Besitzer wertlos. Er käme mit ihnen
nicht ins Stadion, falls er in eine der
zahlreichen Einlaßkontrollen geriete.
Kracht zog vor Gericht. Unter dem Aktenzeichen 31C 3120/05-17 verhandelt
jetzt das Amtsgericht Frankfurt am
Main den Fall. Nach der mündlichen
Anhörung will der Richter am 20. April
sein Urteil fällen. Es dürfte grundsätzliche Bedeutung erlangen.
Der Kartenverkauf wird vom DFB
durchgeführt, der Weltfußballverband
Fifa tritt dieses Recht traditionell dem
WM-Gastgeber ab. Die Einnahmen von
rund 220 Millionen dienen dem DFB als
wichtigste Quelle zur Finanzierung der
WM-Organisation (Kosten: rund 460
Millionen Euro). Bisher können WMTickets nur ausnahmsweise mit vorheriger schriftlicher Zustimmung des OK
ihren Inhaber wechseln. Zur Abwicklung hat das Organisationskomitee (OK)
auf Druck von Verbraucherschützern im
Internet unter www.FIFAworldcup.com
eine Tauschbörse installiert. Das Online-Portal wird am Montag eröffnet.
Eintrittskarten können dort an das OK
zurückgegeben werden, wenn diese sich
wieder verkaufen lassen. Auch die begründete Übertragung der personalisierten Tickets an andere Personen ist unter
bestimmten Voraussetzungen, zum Beispiel Krankheit, möglich. Beide Vorgänge sollen pro Karte zehn Euro kosten, ein grundsätzlich gestatteter
Tausch unter Familienmitgliedern und
Verwandten fünf Euro. Mit diesem
Doppelpaß glaubt das OK, die Rechtshoheit an den Stadiontoren zurückzugewinnen. Bereits im September hatte eine
Frau den DFB auf Zustimmung zur
Übertragung ihrer WM-Tickets verklagt
(Aktenzeichen 30 C 2635/05-71). Aufgrund der rechtlichen Hinweise des
Amtsgerichts Frankfurt in der mündlichen Verhandlung hatte der DFB seinen
Widerstand aufgegeben und ersparte
sich damit ein wahrscheinlich für den
Verband negatives Urteil.
Trotz der Einrichtung der Tauschbörse
bewege sich der DFB rechtlich weiter
auf dünnem Eis, sagt der Hamburger
Anwalt Dr. Mirko Wittneben von der
Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek:
"Der Verkauf einzelner Fußballtickets
von privat zu privat ist prinzipiell gesetzlich nicht verboten." Unter einem
unzulässigen Schwarzmarkthandel verstehe man lediglich einen Handel mit
rationierten, mengenmäßig begrenzten
Gütern, der unter Umgehung von Vorschriften über Preise, Steuern und Abgaben betrieben werde. Wittneben: "In
Deutschland gibt es kein Gesetz, das
den Verkauf von Fußballtickets untersagt oder mit besonderen Preisauflagen
oder Steuertatbeständen belastet - im
Gegensatz zu Portugal, wo ein solches
Gesetz vor der Europameisterschaft
2004 extra eingeführt wurde."
Da der DFB das Übertragungsverbot in
Ziffer 3 und 4 seiner Allgemeinen
Ticketgeschäftsbedingungen (ATGB)
zudem einseitig festlege, hält Wittneben
es für angreifbar. Der DFB könne zwar
auf ein berechtigtes Interesse verweisen,
einen Schwarzmarkthandel mit überteuerten WM-Tickets zu unterbinden, mit
dem Interesse des DFB kollidierten indes die des Ticketinhabers. "Dieser
kann zum Beispiel seine Eintrittskarte
wirtschaftlich nutzen wollen", und dieses Recht, so die Auffassung des Sportund Prozeßrechtlers, dürfe ihm nicht
verwehrt werden - auch wenn man als
wahrer Fußball-Fan wenig Verständnis
dafür haben mag, daß Ticketinhaber vor
den Augen derer, die leer ausgegangen
sind, ihre Karten für horrende Preise im
Internet veräußern. Die komplizierte
Prozedur der Tauschbörse schließe zudem eine kurzfristige Ticketübertragung
praktisch aus, ein weiterer gravierender
Nachteil. Auch daß der Ticketinhaber
bei Vorliegen eines sachlichen Grundes
seine Karte nur unentgeltlich übertragen
dürfe, "stellt faktisch eine unbillige Zustimmungsverweigerung dar". Ihm werde damit ein rechtlich nicht haltbarer
Vermögensverzicht abverlangt. Wittnebens Resümee: "Es sprechen letztlich
gewichtige Argumente dafür, daß das
Übertragungsverbot Kartenbesitzer unangemessen benachteiligt und deshalb
unwirksam ist." Der Anwalt geht davon
aus, daß der DFB Fans wie Kracht den
ersteigerten Stadionbesuch letztlich
nicht verwehren kann.
(rg)
Abbildung: Tickets sind gefragt, können
aber nur schwer getauscht werden.
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