Grippe Impfstoffherstellung in Einweg

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Grippe Impfstoffherstellung in Einweg
Jahrbuch 2007/2008 | Genzel, Yvonne; Reichl, Udo | Grippe Impfstoffherstellung in Einw eg-Bioreaktoren
Grippe Impfstoffherstellung in Einweg-Bioreaktoren
Influenza Virus Vaccine Production in disposable bioreactors
Genzel, Yvonne; Reichl, Udo
Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme, Magdeburg
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Die Angst vor einer möglichen Influenza-Pandemie hat dazu geführt, dass die Entw icklung von alternativen
Produktionsmöglichkeiten gegenüber dem klassischen Prozess mit einer Vermehrung der Viren in bebrüteten
Hühnereiern beschleunigt w urde. Die Arbeitsgruppe ,Upstream Processing’ hat den Einsatz von neuen Einw egBioreaktoren für die
Influenza- Impfstoffherstellung mit zw ei verschiedenen Säugerzellen umfassend
analysiert. Diese Bioreaktoren ermöglichen ein schnelles und einfaches Erw eitern der Produktionskapazität im
Falle einer Pandemie.
Summary
Discussion on preparedness for a possible influenza pandemic is still ongoing. Authorities and public interest
have now accelerated the development of alternative production systems to the classical egg-based
production. New disposable bioreactors have been evaluated in the upstream processing group using different
analytical tools comparing the influenza virus production w ith tw o different mammalian cells. These bioreactors
show a potential for fast and simple up-scaling of production capacities in case of a pandemic.
Grippe Impfstoffe, Politik & Pandemiepläne
Das Thema Grippe, speziell Vogelgrippe, hat die Medien und Öffentlichkeit in den letzten Jahren immer w ieder
beschäftigt. Die Angst vor einer möglichen Pandemie flammt kurzzeitig auf, um dann w ieder durch andere
Themen in den Hintergrund gedrängt zu w erden. Aber neben den saisonalen Influenza-Epidemien bleibt das
Risiko einer Pandemie eine ständige Bedrohung und viele W issenschaftler in Forschung und Industrie sind
bestrebt, adäquat für den Ernstfall vorbereitet zu sein. Daher sind in den letzten Jahren vor allem in den USA
öffentliche Gelder vergeben w orden, um alternative Produktionssysteme zu der klassischen Vermehrung der
Viren
in
Hühnereiern
zu
fördern.
Inzw ischen
haben
die
meisten
Impfstoffhersteller
eine
zw eite
Produktionsschiene mit Säugerzellen entw ickelt und neue Anlagen zur Produktion von Influenza-Impfstoffen in
Bioreaktoren w urden in Betrieb genommen. Analog zu dem klassischen Prozess mit Hühnereiern w erden
Grippeviren in Säugerzellen vermehrt, die freigesetzten Viren als Lebendimpfstoff (mit abgeschw ächten Viren)
oder als inaktivierte Viren aus der Kulturbrühe aufgereinigt und zum Endprodukt w eiterverarbeitet. Die
Entw icklung alternativer Methoden, w ie die Produktion der Virushülle oder einzelner Virusproteine in
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Insektenzellen, Bakterien oder Hefen w ird ebenfalls intensiv verfolgt. Daneben ist die Herstellung von
antiviralen Medikamenten zur aktiven Bekämpfung einer Grippe, w ie Tamiflu, auch w eiterhin aktuell. So hofft
man, nicht nur für einen kleinen Teil der W eltbevölkerung eine Abw ehr gegen Influenzaviren zu haben.
Gegenüber anderen biotechnologischen Produkten gelten bei der Entw icklung von Herstellungsverfahren für
Impfstoffe besondere Anforderungen:
- das Produkt ist für einen gesunden Patient bestimmt und Nebenw irkungen w erden nicht akzeptiert
- gesunde Patienten sehen zunächst keine Notw endigkeit für eine Behandlung (Impfmüdigkeit)
- das Produkt ist ein Massenprodukt und muss billig, stabil (Lagerung) und einfach zu verabreichen sein
- bei einem Impfstoff w ie Influenza muss die Produktion sehr flexibel sein, da jedes Jahr andere Viren mit leicht
anderen Charakteristika hergestellt w erden müssen
- im Falle einer Pandemie muss in kürzester Zeit sehr viel Produkt hergestellt w erden.
Informationen über die jew eiligen Herstellungsprozesse und deren Weiterentw icklung w urden von den
Unternehmen in der Regel sehr vertraulich behandelt. Dies hat sich durch die öffentliche Diskussion der
Thematik „Bedrohung durch Infektionskrankheiten“ in den letzten Jahren zumindest zum Teil geändert.
Projekte, gefördert von der „Bill und Melinda Gates Foundation“ w ie zum Beispiel die „International Aids
Vaccine Initiative“ (IAVI), haben Impfstoffhersteller und Forschungseinrichtungen zu gemeinsamen Projekten
zum W issensaustausch bew egt und man hat in den letzten Jahren viele w eitere interessante Entw icklungen
sehen können (u.a. Public Private Partnerships). So w urden neue Zelllinien entw ickelt (Designerzellen) und
neue
Reaktoren
und
Aufreinigungsverfahren
getestet
(Einw eg-Bioreaktoren
und
Einw eg-
Aufreinigungseinheiten).
Welche Zellen produzieren unter welchen Bedingungen die meisten Viren?
Die Produktion von Grippeviren in bebrüteten Hühnereiern w urde vor vielen Jahren zugelassen und hat sich
auch als sicher erw iesen. Der Impfstoff enthält allerdings sehr geringe Restmengen von Eierproteinen, die zu
Allergien führen können. Bei der Produktion von Vogelgrippe-Viren stößt man mit diesem Produktionssystem
natürlich auch auf Grenzen. W ill man nun andere tierische Zellen zur Virusproduktion nutzen, so können diese
nur unter bestimmten Bedingungen zugelassen w erden. Die Zellen müssen z.B. frei von adventiven Agenzien
sein (also frei von bekannten biologisch kontaminierenden Agenzien w ie Mykoplasmen, Viren, Bakteriophagen)
und es muss gezeigt w erden, dass von dem hergestellten Impfstoff kein Risiko bezüglich Krebs oder Prionen
hervorgeht.
So können CHO- oder BHK-Zellen nicht genutzt w erden - beides Zellen, die häufig für die biotechnologische
Herstellung rekombinanter Proteine oder monoklonaler Antikörper verw endet w erden. Zu den für die
Produktion von Humanimpfstoffen zugelassenen Zelllinien gehören zum Beispiel MDCK-, Vero- und Per.C6Zellen. Dabei sind MDCK- und Vero-Zellen in der Regel adhärent, also auf Oberflächen w achsende Zellen von
Hund bzw . grünen Meerkatzen, die ursprünglich aus Nierengew ebe gew onnen w urden. Die humane Zelllinie
Per.C6 gehört zu den so genannten „Designerzellen“, w ächst in Suspension und w urde aus primären
Retinoblasten durch Transfektion mit einem E1- Minigen aus Adenovirus Typ 5 gew onnen.
Welche dieser Zellen nun die beste Zelle für die Etablierung eines bestimmten Impfstoffprozesses ist, hängt
von vielen verschiedenen Parametern ab. Wachstumsmedium und –bedingungen beeinflussen die maximal
mögliche Zellzahl und somit die Virusausbeute. Das Medium w ährend der Virusvermehrung sow ie die
Infektionsbedingungen beeinflussen dann die Produktivität der Zellen. Die Viren müssen an die Zellen
adaptiert w erden und der richtige Infektionszeitpunkt sow ie das optimale Impfverhältnis Virus pro Zelle
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ermittelt w erden. Fehlende Nährstoffe im Medium oder w ährend des Prozesses akkumulierende, inhibitorische
Substanzen haben ebenso einen großen Einfluss auf die Virusausbeute.
Die Arbeitsgruppe ,Upstream Processing’ der Fachgruppe Bioprozesstechnik am Max-Planck-Institut für
Dynamik komplexer technischer Systeme hat sich intensiv mit der Influenza- Impfstoffherstellung in tierischen
Zellen auseinander gesetzt und dazu auf verschiedenen Ebenen (extra- & intrazelluläre Metabolite,
W irtszellproteinantw ort, Zellphysiologie, …) Analytikmethoden etabliert. Dabei w urden MDCK und Vero-Zellen
unter verschiedenen prozessrelevanten Bedingungen verglichen. Durch die umfassende Analytik konnten
zahlreiche Parameter, die Zellw achstum und Virusausbeute entscheidend beeinflussen, identifiziert und
hinsichtlich ihres Einflusses auf den Gesamtprozess genauer charakterisiert w erden [1-2]. Daten zum
Verbrauch von Mediumsbestandteilen (Zucker, Aminosäuren, Sauerstoff), Zellzyklus, Zellw achstum sow ie
Absterben und Infektionsgrad, Virusausbeute
(aktiv und inaktiv), programmierter Zelltod (Apoptose),
Glykosylierungsmuster des Virusproteins Hämaglutinin oder die Proteinantw ort der W irtszellen stehen nun zur
Verfügung und w erden zur Klärung von Fragestellungen hinsichtlich Prozessentw urf und -optimierung w eiter
genutzt.
Bei optimaler Prozessführung scheinen sich die Ausbeuten der verschiedenen Zellen letztendlich nicht so sehr
zu unterscheiden. W ichtiger ist es eher, nun mehrere Möglichkeiten zur Virusproduktion zu besitzen, Vor- und
Nachteile der jew eiligen Systeme besser zu verstehen und im Falle einer Pandemie flexibel auf diese
zurückgreifen zu können.
Einweg-Bioreaktoren – neue Möglichkeiten für schnelles und einfaches Produzieren?
Vor einigen Jahren w urde die bestehende Bioreaktortechnik überdacht. Anstelle von Edelstahl- oder GlasRührkesseln
als
Standardreaktor
w urden
Kultivierungsbeutel
aus
Polyethylen,
ähnlich
zu
Bluttransfusionsbeuteln, vorgestellt. Diese w erden auf einer beheizbaren Platte hin- und herbew egt, bei
Bedarf begast und nach einmaligem Gebrauch entsorgt[3], siehe Abbildung 1.
Einweg-Bioreaktor der Firma Wave Biotech mit 2
Kultivierungsbeuteln (je 1 L Arbeitsvolumen): Die Metallschale ist
temperierbar und bewegt sich vor und zurück, sodass sich die
Flüssigkeit in den Beuteln mit einer Wellenbewegung hin- und
herbewegt. Zu- und Abluftfilter sowie die Möglichkeit Proben zu
nehmen sind im zertifizierten sterilen Beutel integriert.
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Zunächst w ar eine Anw endung in der Gentherapie angedacht, w obei zu behandelndes Patientenmaterial in
jew eils einen eigenen sterilen, zertifizierten Beutel überführt und anschließend w ieder zurück in den Patienten
gebracht w erden sollte. Interessant könnten diese Reaktorsysteme auch für die Produktion von teuren
Produkten aus der Zellkultur zum Beispiel mit kleinem Produktvolumen und häufig w echselnder Produktpalette
sein. Denn dabei könnten lange Standzeiten durch Reinigung und Sterilisation und die bei EdelstahlRührkesseln notw endige, aber aufw endige Zulassungsprozedur umgangen w erden.
Heute
haben
sich
diese
Reaktoren
in
vielen
biotechnologischen
und
pharmazeutischen
Prozessen
durchgesetzt und w erden in Maßstäben von 0,5 bis 500 L Arbeitsvolumen genutzt. Der Gedanke des Einw egBioreaktors w urde zudem w eiterentw ickelt und so sind nun w eitere Reaktortypen bis hin zum Einw egRührkessel auf dem Markt. Die Medienvorlagebehälter sind inzw ischen ebenso meist Einw egbeutel und auch in
der Aufarbeitung (zum Beispiel bei Klärung und Konzentrierung, aber auch beim Einsatz chromatographischer
Verfahren) w erden mehr und mehr Einw egsysteme entw ickelt. Der Grundgedanke dabei ist die zukünftige
Entw icklung kompletter „plug-and-play“ Einw eg-Produktionsanlagen. Noch ist man hinsichtlich des Maßstabs
möglicher Prozesse begrenzt und bestehende Edelstahl-Anlagen w erden sicher nicht ersetzt. Auch ist das zur
Herstellung der Beutel verw endete Polyethylen nicht so innert w ie Edelstahl. Damit könnten bei langen
Prozesszeiten bei ungeeigneten Flüssigkeiten bzw . Medien Plastikbestandteile oder Weichmacher in das
Produkt gelangen bzw . Mediumsbestandteile oder Produkte unspezifisch an die Beuteloberfläche binden und
so nicht zur Verfügung stehen.
Die
Arbeitsgruppe
,Upstream Processing’ hat nun diesen neuen Reaktortypen für die Produktion von
Grippeviren genutzt und mittels der bestehenden umfassenden Analytik der Arbeitsgruppe einen Vergleich
zum klassischen Rührkessel durchgeführt [4].
Es konnte gezeigt w erden, dass der Einw eg-Bioreaktor in seiner simpelsten Konstellation ohne pH- oder
Sauerstoffregelung als „plug-and-play“ System zur Herstellung von Impfstoffen nutzbar ist. Zudem w urde die
Möglichkeit gezeigt, adhärente Zellen auf Mikrocarriern in diesem Reaktorsystem zu kultivieren. Es w urden
zunächst Mikrocarrierkonzentrationen von 2 und 4 g/L genutzt und dabei sogar höhere Zellzahlen als im
Rührkessel erreicht (350 MDCK Zellen/Mikrocarrier gegenüber 250 MDCK Zellen/Mikrocarrier). Für die
w ichtigsten Metabolite (Glukose/Laktat, Glutamin/Ammonium, Glutamat) w urden ähnliche Verläufe gefunden
w ie im geregelten Rührkessel (Abb. 2A). Insbesondere w urden in beiden Reaktorsystemen vergleichbare
Virusausbeuten erreicht (Abb. 2B). Letztendlich konnte der Prozess sow ohl in serum-haltigem als auch in
serum-freiem Medium erfolgreich durchgeführt w erden, für MDCK als auch für Vero-Zellen in 1 und 10 L
Arbeitsvolumen.
Vergleich des Zellwachstums (0-96 h) und der Influenzaproduktion
(96-168 h) (A/Equi2/Newmarket 1/93 H3N8) in MDCK- Zellen im
klassischen Rührkessel (5L STR, ▲) und im Einweg-Bioreaktor (1L
Wave, ■): (A) Glucose Konzentration (lila) und Laktat
Konzentration (grün); (B) Glutamat Konzentration (blau) und Virus
Titer (rosa). (Fehlerbalken geben die relative Standardabweichung
der Messmethode an.)
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Für einen anderen Impfstoffprozess (Nerz Enteritis Virus) konnte in Zusammenarbeit mit IDT Biologika GmbH
gezeigt w erden, dass durch die Nutzung dieser Einw egreaktoren die Ausbeute des bestehenden Prozesses
verbessert und - durch Wegfall der bisherigen zeit- und personalintensiven Herstellung in Rollerflaschen erheblich vereinfacht w erden kann [5]. Welche Scherkräfte bei der Wellenbew egung des Mediums in diesen
Einw egreaktoren auf die Zellen w irken und w arum mehr Zellen auf einem Mikrocarrier Platz haben als im
Rührkessel w ird momentan in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Strömungsmechanik und Strömungstechnik
der Otto-von-Guerricke Universität Magdeburg mittels Modelle für die Flüssigkeitsdynamik - „computational
fluid dynamics“ (CFD) - untersucht.
Zusammengefasst bleibt festzustellen, dass Einw eg-Bioreaktorsysteme in ihrer einfachsten Konstellation
(ohne pH- und Sauerstoffregelung) eine Influenza-Impfstoffherstellung in einem Maßstab bis zu 500 L pro
Reaktor ermöglichen. Dies
könnte
im Falle
einer Pandemie
mit einem schnellen Bedarf an großen
Produktionskapazitäten eine interessante Option auch für die Länder sein, die bisher keinen Impfstoff
produzieren.
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[1] Genzel, Y . and U. Reichl:
Vaccine production - state of the art and future needs in upstream processing
Methods in Biotechnology : Animal Cell Biotechnology - Methods and Protocols 24, 457-473 (2007)
[2] Genzel, Y ., M. Fischer, U. Reichl:
Serum-free influenza virus production avoiding washing steps and medium exchange in large-scale
microcarrier culture
Vaccine 24 (16), 3261-3272 (2006)
[3] Genzel, Y ., C. Dietzsch, U. Reichl:
Disposable bioreactor for cell culture using wave-induced agitation
Cytotechnology 30, 149-58 (1999).
[4] Genzel, Y ., R.M. Olmer, B. Schäfer and U. Reichl:
Wave microcarrier cultivation of MDCK cells for influenza virus production in serum containing and
serum-free media
Vaccine 24, 6074-6087 (2006).
[5] Hundt, B., C. Best, N. Schlawin, H. Kastner, Y . Genzel and U. Reichl:
Establishment of a Mink Enteritis Vaccine Production Process in Stirred-Tank Reactor and Wave
Bioreactor Microcarrier Culture in 1 - 10 L scale
Vaccine 25, 3987-3995 (2007).
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