Film und Psychoanalyse: Die gute Gewalt

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Film und Psychoanalyse: Die gute Gewalt
DJANGO UNCHAINED
Film und Psychoanalyse
Film und Psychoanalyse: Die gute Gewalt
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Gewalt im Film, und vor allem im Fernsehen, ist ein großes Diskussionsthema. In unserer neuen Staffel zur
Filmpsychoanalyse wollen wir nicht dumpfe Gewaltfilme zeigen, sondern die subtileren Aufforderungen
zur handgreiflichen Konfliktlösung, die das gehobene
Erzählkino präsentiert. Filme, die, ohne unbedingt in
Exzessen zu baden, uns moralisch den Kopf verdrehen.
Die zugleich erheben und verrohen – und dieses Paradox bemerken. Im Dunkel des Zuschauerraums nähren
sie unsere Wünsche nach schneller Durchsetzung, verführen uns zur negativen Grandiosität der schmutzigen
Lösung – zeigen aber zugleich, dass das Abgewehrte,
das Böse, Kranke, Perverse, das besiegt und umstandslos erledigt werden muss, Ausgeburt unserer
eigenen Phantasien ist. Julia Kristeva nennt dieses
Andere, von dem wir nicht lassen können, das »Abjekt«,
das mit Ekel und Abscheu aus dem eigenen Körper
Ausgestoßene. Das Paradox der guten Gewalt, die uns
der Film als Lösung vorgaukelt, besteht darin, dass sie
eben nicht funktionieren kann (sonst wird sie gleich
wieder abjekt). Das sollten wir idealerweise schon im
Kino merken – spätestens aber, wenn wir wieder draußen sind. Merken wir es nicht, so hat die Verführung
nachhaltig gewirkt, und wir kommen an die Grenze zur
Manipulation. Aus manchen Filmen dieser Staffel kommen wir mit subtil veränderten Überzeugungen. Darüber wollen wir in offener Diskussion mit dem Publikum
sprechen. Also nicht lange gefackelt: Film ab!
Andreas Hamburger
Dirty Harry | USA 1971 | R: Don Siegel | B: Harry
Julian und Rita M. Fink, John Milius | K: Bruce Surtees
| M: Lalo Schifrin | D: Clint Eastwood, Andrew Robinson,
Harry Guardino, Reni Santoni, John Vernon, John Mitchum | 102 min | OmU | Auf der Jagd nach einem psychopathischen Serienkiller überschreitet der lakonische, zynische Cop, Inspektor Callahan – »Dirty Harry«
genannt, weil er notorisch für »dreckige Polizeiaufgaben« geholt wird – serienweise Gesetze und Regeln,
foltert den Tatverdächtigen für ein Geständnis über den
Aufenthaltsort seines Opfers, verachtet Homosexuelle
und Hippies und erweist sich als ein ähnlicher Außenseiter wie sein Widersacher. Der Film machte Clint
Eastwood in seiner berühmtesten Rolle endgültig zum
Weltstar und wurde zum Vorläufer berühmter lonely
cop-Filme wie der DIE-HARD-Reihe mit Bruce Willis.
Die zwiespältige Anti-Helden-Figur löste heftige kontroverse Reaktionen bei Publikum und Presse aus, verstieß mit ihrer konservativen, anti-liberalen Haltung dezidiert gegen den Zeitgeist und erfüllte doch zugleich
die Sehnsüchte einer von Kriminalität und dem Vietnam-Trauma gezeichneten Kultur nach geradliniger,
anti-autoritärer und lustvoll-gewalttägiger Durchsetzung von Gerechtigkeit und Rache.
▶ Sonntag, 26. Oktober 2014, 17.30 Uhr | Einführung:
Eva Friedrich und Mathias Lohmer
Film und Psychoanalyse
Volver (Zurückkehren) | Spanien 2006 | R+B: Pedro
Almodóvar | K: José Luis Alcaine | M: Alberto Iglesias |
D: Penélope Cruz, Carmen Maura, Lola Dueñas, Blanca
Portillo, Yohana Cobo, Chus Lampreave, Antonio de la
Torre | 121 min | OmU | »Almodóvars großes Talent
besteht darin, seine Zuschauer Wege beschreiten zu
Django Unchained | USA 2012 | R+B: Quentin Tarantino | K: Robert Richardson | D: Jamie Foxx, Christoph
Waltz, Leonardo DiCaprio, Kerry Washington, Samuel L.
Jackson | 180 min | OmU | Dr. King Schulz, eine eigentümliche Mischung aus Zyniker und Idealist, angeblich
Zahnarzt, mit Worten ebenso geschickt wie mit dem
Colt, geht erfolgreich dem Gewerbe eines Kopfgeldjägers nach. Seine Geschäfte bringen ihn in Kontakt
mit dem Sklaven Django, den er kauft und wie versprochen frei gibt, nachdem er mit dessen Hilfe ein Banditentrio zur Strecke gebracht hat. Schulz ist fasziniert
von Djangos fast übermenschlichen Talenten und von
dessen Treue zu seiner Frau Broomhilda. Er macht ihn
zu seinem Partner und beschließt, ihm zu helfen, sie
aus den Händen des skrupellosen Sklavenhändlers
Calvin Candy wiederzugewinnen. Der Film verlötet Elemente des Italowestern- und Blaxploitation-Genres und
unterlegt das Ganze mit einem virtuos zusammengemixten Soundtrack. Die Charaktere werden vielfach
comicartig überzeichnet, dennoch oder vielleicht gerade deswegen bleiben wir, die Zuschauer, bis zum tarantinotypisch-splatternahen Finale intensiv emotional
beteiligt.
▶ Sonntag, 21. Dezember 2014, 17.00 Uhr | Einführung:
Matthias Baumgart und Irmgard Nagel
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lassen, auf die sie sich sonst nie trauen würden. Seine
Erzählstrategien besitzen eine heikle Verführungskraft,
die es schwer macht, augenblicklich ein moralisches
Urteil zu fällen.« (Gerhard Midding) Das trifft auf VOLVER in besonderer Weise zu. Almodóvar, der schwule
Regisseur, liebt die Frauen, und weil er sie nicht
begehrt, filmt er ohne Anzüglichkeit Blicke in pralle
Dekolletees und auf wiegende Hüften. Er feiert den unwiderstehlichen Charme des Überlebenswillens seiner
Protagonistinnen aus drei Generationen, bis hin zur
Rückkehr aus dem Totenreich. Inzest, Missbrauch, Tod
und Trauer, Totschlag, Krebs und Aufopferung, Ausbeutung und Arbeitslosigkeit, Gespenstisches neben
rührender Alltäglichkeit, und der Sieg der Menschlichkeit durch Mitgefühl. Der einzige Mann, ein dumpf die
Frauen befingernder Nichtsnutz, wird entsorgt, die anderen Väter ruhen von Anfang an unter schweren
marmornen Grabplatten.
▶ Sonntag, 23. November 2014, 17.30 Uhr | Einführung:
Katharina Leube und Heidi Spanl
Amour (Liebe) | F 2012 | R+B: Michael Haneke | K:
Darius Khondji | D: Jean-Louis Trintignant, Emmanuelle
Riva, Isabelle Huppert, Alexandre Tarraud, William Shimell | 125 min | OmU | Anne und Georges sind beide
über 80 Jahre alt. Das kultivierte Ehepaar lebt in einer
herrschaftlichen Altbauwohnung in Paris. Nach einem
Schlaganfall kommt Anne aus dem Krankenhaus halbseitig gelähmt zurück. Georges kümmert sich liebevoll
um sie, obwohl er damit an die Grenzen seiner Belastbarkeit stößt. Mit fast perverser Perfektion zeigt Haneke den Verfall des alternden Körpers und das quälende Verlöschen des Geistes. Die Qual wird von beiden Seiten erlebt und gezeigt. Die Zuschauer verwickelt der Film in eine chirurgische Operation am
offenen Herzen der Liebesbeziehung. Leidenschaftslos
präpariert Haneke den unmerklichen Übergang zum
gewaltsamen Ende. Beethovens »Bagatelle«, eines der
seltenen Musikstücke im Film, verrät programmatisch,
wie auch der Zuschauer das tragische Ende erleben
wird: als moralische Bagatelle.
▶ Sonntag, 18. Januar 2015, 17.30 Uhr | Einführung:
Vivian Pramataroff-Hamburger und Andreas Hamburger