Film und Psychoanalyse: Die gute Gewalt
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Film und Psychoanalyse: Die gute Gewalt
DJANGO UNCHAINED Film und Psychoanalyse Film und Psychoanalyse: Die gute Gewalt 45 Gewalt im Film, und vor allem im Fernsehen, ist ein großes Diskussionsthema. In unserer neuen Staffel zur Filmpsychoanalyse wollen wir nicht dumpfe Gewaltfilme zeigen, sondern die subtileren Aufforderungen zur handgreiflichen Konfliktlösung, die das gehobene Erzählkino präsentiert. Filme, die, ohne unbedingt in Exzessen zu baden, uns moralisch den Kopf verdrehen. Die zugleich erheben und verrohen – und dieses Paradox bemerken. Im Dunkel des Zuschauerraums nähren sie unsere Wünsche nach schneller Durchsetzung, verführen uns zur negativen Grandiosität der schmutzigen Lösung – zeigen aber zugleich, dass das Abgewehrte, das Böse, Kranke, Perverse, das besiegt und umstandslos erledigt werden muss, Ausgeburt unserer eigenen Phantasien ist. Julia Kristeva nennt dieses Andere, von dem wir nicht lassen können, das »Abjekt«, das mit Ekel und Abscheu aus dem eigenen Körper Ausgestoßene. Das Paradox der guten Gewalt, die uns der Film als Lösung vorgaukelt, besteht darin, dass sie eben nicht funktionieren kann (sonst wird sie gleich wieder abjekt). Das sollten wir idealerweise schon im Kino merken – spätestens aber, wenn wir wieder draußen sind. Merken wir es nicht, so hat die Verführung nachhaltig gewirkt, und wir kommen an die Grenze zur Manipulation. Aus manchen Filmen dieser Staffel kommen wir mit subtil veränderten Überzeugungen. Darüber wollen wir in offener Diskussion mit dem Publikum sprechen. Also nicht lange gefackelt: Film ab! Andreas Hamburger Dirty Harry | USA 1971 | R: Don Siegel | B: Harry Julian und Rita M. Fink, John Milius | K: Bruce Surtees | M: Lalo Schifrin | D: Clint Eastwood, Andrew Robinson, Harry Guardino, Reni Santoni, John Vernon, John Mitchum | 102 min | OmU | Auf der Jagd nach einem psychopathischen Serienkiller überschreitet der lakonische, zynische Cop, Inspektor Callahan – »Dirty Harry« genannt, weil er notorisch für »dreckige Polizeiaufgaben« geholt wird – serienweise Gesetze und Regeln, foltert den Tatverdächtigen für ein Geständnis über den Aufenthaltsort seines Opfers, verachtet Homosexuelle und Hippies und erweist sich als ein ähnlicher Außenseiter wie sein Widersacher. Der Film machte Clint Eastwood in seiner berühmtesten Rolle endgültig zum Weltstar und wurde zum Vorläufer berühmter lonely cop-Filme wie der DIE-HARD-Reihe mit Bruce Willis. Die zwiespältige Anti-Helden-Figur löste heftige kontroverse Reaktionen bei Publikum und Presse aus, verstieß mit ihrer konservativen, anti-liberalen Haltung dezidiert gegen den Zeitgeist und erfüllte doch zugleich die Sehnsüchte einer von Kriminalität und dem Vietnam-Trauma gezeichneten Kultur nach geradliniger, anti-autoritärer und lustvoll-gewalttägiger Durchsetzung von Gerechtigkeit und Rache. ▶ Sonntag, 26. Oktober 2014, 17.30 Uhr | Einführung: Eva Friedrich und Mathias Lohmer Film und Psychoanalyse Volver (Zurückkehren) | Spanien 2006 | R+B: Pedro Almodóvar | K: José Luis Alcaine | M: Alberto Iglesias | D: Penélope Cruz, Carmen Maura, Lola Dueñas, Blanca Portillo, Yohana Cobo, Chus Lampreave, Antonio de la Torre | 121 min | OmU | »Almodóvars großes Talent besteht darin, seine Zuschauer Wege beschreiten zu Django Unchained | USA 2012 | R+B: Quentin Tarantino | K: Robert Richardson | D: Jamie Foxx, Christoph Waltz, Leonardo DiCaprio, Kerry Washington, Samuel L. Jackson | 180 min | OmU | Dr. King Schulz, eine eigentümliche Mischung aus Zyniker und Idealist, angeblich Zahnarzt, mit Worten ebenso geschickt wie mit dem Colt, geht erfolgreich dem Gewerbe eines Kopfgeldjägers nach. Seine Geschäfte bringen ihn in Kontakt mit dem Sklaven Django, den er kauft und wie versprochen frei gibt, nachdem er mit dessen Hilfe ein Banditentrio zur Strecke gebracht hat. Schulz ist fasziniert von Djangos fast übermenschlichen Talenten und von dessen Treue zu seiner Frau Broomhilda. Er macht ihn zu seinem Partner und beschließt, ihm zu helfen, sie aus den Händen des skrupellosen Sklavenhändlers Calvin Candy wiederzugewinnen. Der Film verlötet Elemente des Italowestern- und Blaxploitation-Genres und unterlegt das Ganze mit einem virtuos zusammengemixten Soundtrack. Die Charaktere werden vielfach comicartig überzeichnet, dennoch oder vielleicht gerade deswegen bleiben wir, die Zuschauer, bis zum tarantinotypisch-splatternahen Finale intensiv emotional beteiligt. ▶ Sonntag, 21. Dezember 2014, 17.00 Uhr | Einführung: Matthias Baumgart und Irmgard Nagel 46 lassen, auf die sie sich sonst nie trauen würden. Seine Erzählstrategien besitzen eine heikle Verführungskraft, die es schwer macht, augenblicklich ein moralisches Urteil zu fällen.« (Gerhard Midding) Das trifft auf VOLVER in besonderer Weise zu. Almodóvar, der schwule Regisseur, liebt die Frauen, und weil er sie nicht begehrt, filmt er ohne Anzüglichkeit Blicke in pralle Dekolletees und auf wiegende Hüften. Er feiert den unwiderstehlichen Charme des Überlebenswillens seiner Protagonistinnen aus drei Generationen, bis hin zur Rückkehr aus dem Totenreich. Inzest, Missbrauch, Tod und Trauer, Totschlag, Krebs und Aufopferung, Ausbeutung und Arbeitslosigkeit, Gespenstisches neben rührender Alltäglichkeit, und der Sieg der Menschlichkeit durch Mitgefühl. Der einzige Mann, ein dumpf die Frauen befingernder Nichtsnutz, wird entsorgt, die anderen Väter ruhen von Anfang an unter schweren marmornen Grabplatten. ▶ Sonntag, 23. November 2014, 17.30 Uhr | Einführung: Katharina Leube und Heidi Spanl Amour (Liebe) | F 2012 | R+B: Michael Haneke | K: Darius Khondji | D: Jean-Louis Trintignant, Emmanuelle Riva, Isabelle Huppert, Alexandre Tarraud, William Shimell | 125 min | OmU | Anne und Georges sind beide über 80 Jahre alt. Das kultivierte Ehepaar lebt in einer herrschaftlichen Altbauwohnung in Paris. Nach einem Schlaganfall kommt Anne aus dem Krankenhaus halbseitig gelähmt zurück. Georges kümmert sich liebevoll um sie, obwohl er damit an die Grenzen seiner Belastbarkeit stößt. Mit fast perverser Perfektion zeigt Haneke den Verfall des alternden Körpers und das quälende Verlöschen des Geistes. Die Qual wird von beiden Seiten erlebt und gezeigt. Die Zuschauer verwickelt der Film in eine chirurgische Operation am offenen Herzen der Liebesbeziehung. Leidenschaftslos präpariert Haneke den unmerklichen Übergang zum gewaltsamen Ende. Beethovens »Bagatelle«, eines der seltenen Musikstücke im Film, verrät programmatisch, wie auch der Zuschauer das tragische Ende erleben wird: als moralische Bagatelle. ▶ Sonntag, 18. Januar 2015, 17.30 Uhr | Einführung: Vivian Pramataroff-Hamburger und Andreas Hamburger