Risikoprüfung bei Mitralinsuffizienz (<1MB)

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Risikoprüfung bei Mitralinsuffizienz (<1MB)
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Risikoprüfung bei Mitralinsuffizienz
Dr. David Hürlimann
Oberarzt, Klinik für Kardiologie USZ
Die Mitralinsuffizienz ist nach der Aortenstenose die zweithäufigste Herzklappenerkrankung. Mittels moderner
Echokardiographie lassen sich heute
selbst kleinste Klappenundichtigkeiten nachweisen. In bis zu 70% der
Bevölkerung mit normaler Mitralklappe kann eine minimale Insuffizienz mittels Doppler nachgewiesen
werden, man spricht daher von einer
«physiologischen» Mitralinsuffizienz.
Eine mindestens leichte Insuffizienz
kann bei ca. 20% gefunden werden.
Eine grössere Studie ermittelte eine
Prävalenz einer mittelschweren Mitralinsuffizienz von 1.9%, einer schweren
von 0.2%.
Mechanismen/Ätiologie:
Der Mitralklappenapparat stellt eine
komplexe anatomische und funktionelle Einheit dar, welche sich aus Mitralsegeln, Mitralanulus, Sehnenfäden, Papillarmuskeln und der angrenzenden
Segmente des linken Ventrikels zusammensetzt. Eine normale Klappenfunktion ist abhängig von einer normalen
Anatomie und Anordnung dieser Ele-
mente, sowie der Geometrie und Funktion des linken Ventrikels. Daraus ergeben sich verschiedene Ätiologien der
Mitralinsuffizienz. Liegen anatomische
Abnormalitäten der Mitralsegel oder
des subvalvulären Apparates vor, spricht
man von einer primären Mitralinsuffizienz. Beispiele dafür sind die myxomatöse Degeneration der Segel welche zu
Prolaps und Sehnenfadenruptur führen
kann, rheumatische und postendokarditische Veränderungen, sowie kongenitale Anomalien wie ein Cleft. Von
sekundärer oder funktioneller Mitralinsuffizienz spricht man beispielsweise
bei Koaptationsstörungen bei Papillarmuskeldysfunktion im Rahmen einer
ischämischen Herzkrankheit oder bei
dilatativer Kardiomyopathie, welche zu
einer Verlagerung des Papillarmuskels
und so zu einem «Tethering» (Zurückhalten) des Mitralsegels führt. Eine weitere häufige Ursache einer Mitralinsuffizienz ist die Mitralanulusverkalkung,
welche bei 60-70-jährigen in 20%, bei
80-90-jährigen in 60% nachgewiesen
werden kann. Die häufigsten Ursachen
in der westlichen Welt stellen heute die
ischämische Mitralinsuffizienz sowie
der Mitralklappenprolaps dar, wohingegen rheumatische Veränderungen sehr
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selten geworden sind. Zusätzlich zur
ätiologischen Einteilung muss zwischen
chronischer (obige Beispiele) und akuter Mitralinsuffizienz (z.B. Papillarmuskelabriss im Rahmen eines Myokardinfarktes) unterschieden werden. Letztere
Form ist viel seltener und in der ambulanten Medizin kaum anzutreffen,
weshalb sich die nachfolgenden Ausführungen auf die chronische Mitralinsuffizienz beschränken werden.
Klinische Manifestation/Diagnose:
Bei leichter und mittelschwerer Mitralinsuffizienz sind die Patienten in den
meisten Fällen asymptomatisch, weil es
häufig nur zu einer geringen Volumenbelastung des linken Ventrikels kommt
und die Hämodynamik sowie das Herzminutenvolumen normal bleibt. Selbst
bei schwerer Insuffizienz bleiben Patienten oft über längere Zeit asymptomatisch bis zu dem Zeitpunkt, an dem
es zu einer linksventrikulären Dysfunktion, pulmonaler Hypertonie oder Vorhofflimmern kommt. Die häufigsten
Symptome sind Anstrengungsdyspnoe,
Abgeschlagenheit/Müdigkeit als Resultat einer verminderten Auswurfleistung
und pulmonaler Drucksteigerung, sowie Palpitationen bei Vorhofflimmern.
Für das Timing einer chirurgischen Intervention ist es von zentraler Bedeutung den Übergang vom asymptomatischen zum symptomatischen Stadium
zu erfassen, was regelmässige Kontrollen inklusive einer gründlichen Anamnese erforderlich macht.
Die Verdachtsdiagnose einer Mitralinsuffizienz wird initial meist auskultatorisch gestellt. Typischerweise findet
sich dabei ein hochfrequentes, holosystolisches Strömungsgeräusch mit maximaler Intensität über dem Apex, meist
mit Ausstrahlung in Richtung Axilla/
lateral. Es besteht keine gute Korrelation zwischen Lautstärke des Systolikums und Schweregrad der Insuffizienz. Im Falle eines Mitralklappenprolapses findet sich häufig ein mid-systolischer Klick mit/ohne anschliessendem
Systolikum.
Die Doppler-Echokardiographie stellt
die Schlüsseluntersuchung für die
Diagnose und das Management der
Mitralinsuffizienz dar. Neben der Quantifizierung des Schweregrades lassen
sich vor allem auch Aussagen über die
Klappenmorphologie, die Ätiologie der
Insuffizienz sowie die Rekonstruierbar-
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keit der Klappe machen, was für die
Wahl des operativen Therapieverfahrens von grosser Bedeutung ist. Weitere
wichtige Parameter, welche insbesondere für die Indikationsstellung zur
Operation wichtig sind, sind linksventrikuläre Funktion, Grösse des linken Vorhofes sowie pulmonal-arterielle Druckverhältnisse. In den meisten Fällen reicht
eine transthorakale Untersuchung für
die Beurteilung aus. Bei schlechter
Bildqualität oder speziellen Fragestellungen (z.B. Endokarditis) kann aber
eine transösophageale Echokardiographie notwendig werden, welche eine
sehr hohe diagnostische Genauigkeit
aufweist.
Verschiedene Doppler-Techniken erlauben die Abschätzung des Schweregrades der Insuffizienz. Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass keiner der
verfügbaren Parameter perfekt ist und
isoliert für die Beurteilung verwendet
werden soll. Der einfachste Ansatz ist
die Messung der engsten Stelle des
Farb-Doppler Jets, die sogenannte Vena
contracta. Eine weitere Methode ist
PISA (proximal isovelocity surface
area), mit welcher die Fläche des Insuffizienz-Jets (EROA = effective regurgi-
tant orifice area), das Regurgitationsvolumen sowie die Regurgitationsfraktion
berechnet werden können. Die Grösse/
Ausdehnung des Insuffizienz-Jets im
Farb-Doppler ist nicht gut reproduzierbar und hängt stark von der Einstellung
am Echogerät (Gain, Filter etc.) ab. Die
verschiedenen Doppler-Kriterien für die
Diagnose einer schweren Mitralinsuffizienz sind: Vena contracta > 7mm, Regurgitationsfläche (EROA) > 0.4cm2, Regurgitationsvolumen > 60ml / Herzschlag,
Regurgitationsfraktion > 50%. (gemäss
den aktuellen Richtlinien der ASE). All
diese Doppler-Parameter müssen zwingend im Gesamtkontext interpretiert werden. Eine schwere chronische Mitralinsuffizienz findet sich nicht (mit sehr seltenen Ausnahmen) ohne Vergrösserung
des linken Vorhofes und des linken Ventrikels. Beträgt der enddiastolische
Durchmesser des linken Ventrikels <
60mm (ca. 35mm/m2 indexiert) muss
die Diagnose einer schweren chronischen Mitralinsuffizienz ernsthaft hinterfragt werden. Die Beurteilung des
Schweregrades einer Mitralinsuffizienz
bleibt auch heute trotz moderner Technik auch für den erfahrenen Untersucher eine Herausforderung.
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Spontanverlauf/Prognose:
Die besten Daten über den Spontanverlauf bei Mitralinsuffizienz kommen aus
Untersuchungen von Patienten mit Mitralklappenprolaps (MKP) mit / ohne «flail
leaflet» (frei prolabierendes Segment/
Segel z.B. bei Sehnenfadenruptur).
Diese Daten lassen sich nur sehr
beschränkt auf andere Formen (ischämische Mitralinsuffizienz, funktionelle
Mitralinsuffizienz bei LV-Dilatation)
übertragen. Die Prävalenz des MKP unter Verwendung der aktuellen Ultraschalltechnik wird auf 0.6 bis 2.4%
geschätzt. Der Spontanverlauf ist im allgemeinen gut, es können jedoch Komplikationen auftreten. Die meisten Daten entstammen einer Studie aus dem
Olmsted County, Minnesota, in welcher
850 Patienten mit einem MKP im Mittel
für 5.4 Jahre nachverfolgt wurden. Es
zeigte sich, dass das Vorliegen einer
mittelschweren oder schweren Mitralinsuffizienz (echokardiographisch) der
wichtigste prädiktive Faktor für die kardiovaskuläre Mortalität war. Ein weiterer primärer Faktor war die eingeschränkte linksventrikuläre Funktion
(EF < 50%). Sekundäre Risikofaktoren,
welche prädiktiv für die kardiovaskuläre Morbidität waren, sind: leichte
Mitralinsuffizienz, linksatriale Dimension > 40mm, «flail leaflet», Vorhofflimmern und Alter > 50 Jahre. Daraus ergeben sich folgende prognostische Gruppen:
- Niedriges Risiko: Kein primärer, 0-1
sekundärer Risikofaktor: gute Prognose, 10-Jahres Mortalität 5%, was
derjenigen einer Vergleichspopulation entspricht. Die kardiovaskuläre
und MKP abhängige Morbidität betrug 0.5, resp. 0.2%/Jahr.
- Mittleres Risiko: Kein primärer, = 2
sekundäre Risikofaktoren: 10-Jahres
Mortalität vergleichbar mit Kontrollpopulation, jedoch höhere Rate der
kardiovaskulären und MKP abhängigen Morbidität: 6.2, resp. 1.7%/Jahr.
- Hohes Risiko: 1 primärer Risikofaktor: erhöhte Gesamt- und kardiovaskuläre Mortalität (4.5, resp. 3.4% /
Jahr) und erhöhte kardiovaskuläre
und MKP abhängige Morbidität (18.5,
resp. 15%/Jahr)
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Die kombinierte 5-Jahres Mortalität/
Morbidität in der Patientengruppe mit
niedrigem/mittleren/hohem Risiko und
Alter < 50 Jahren betrug 1% / 22%/ 49%.
Bei älteren Patienten (> 50 Jahre) zeigt
sich eine deutlich Zunahme der Morbidität/Mortalität insbesondere in der
Gruppe mit hohem Risiko (3% / 26% /
66%).
In einer prospektiven Studie mit 460 Patienten (Durchschnittsalter 63 Jahre,
LVEF = 70%, 80% mit MKP, durchschnittliches Follow-Up 2.7 Jahre) wurden Patienten mit einer schweren Mitralinsuffizienz definiert als Regurgitationsfläche (EROA) > 40mm2, mit solchen mit einer EROA < 20mm2 verglichen. Die Ersteren zeigten eine deutlich
erhöhte Gesamtmortalität (RR 2.90),
kardiale Mortalität (RR 5.21) und Auftreten kardialer Ereignisse (RR 5.66). Daraus ergab sich eine 5-Jahres Gesamtmortalität von 42% vs. 9% sowie einer
kardialen Mortalität von 36% vs. 3% im
Vergleich der zwei Gruppen. Diese Ergebnisse Unterstreichen die prognostische Bedeutung des Schweregrades
der Mitralinsuffizienz.
Das Auftreten eines «flail leaflet» beschleunigt die Progression der Mitralinsuffizienz deutlich. Es wird geschätzt,
dass ca. 10% der Patienten mit MKP im
Verlauf des Lebens eine Klappenoperation benötigen.
Medikamentöse Therapie:
Es existieren keine Studien, die zeigen,
dass eine vasodilatatorische Therapie
bei asymptomatischen Patienten mit
chronischer Mitralinsuffizienz günstig
wirkt und wird daher auch nicht empfohlen (Ausnahme Patienten mit arterieller Hypertonie).
Bei symptomatischen Patienten führt
eine akute Nachlastsenkung (z.B. Nitroprussid, Hydralazin) zur Verminderung
des linksventrikulären Füllungsdruckes
und zur Zunahme des Herzminutenvolumens.
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Die Effekte einer chronischen vasodilatatorischen Therapie sind hingegen weniger überzeugend, wobei man die
grösste Wirkung bei Patienten mit grossem Ventrikel, schlechter LV-Funktion
und ausgeprägten Symptomen beobachtet. Aufgrund der guten chirurgischen Resultate sollte eine chronische
ACE-Hemmer-Therapie Patienten vorbehalten werden, die für eine Operation
nicht in Frage kommen.
Endokarditis-Prophylaxe:
Das jährliche Endokarditisrisiko bei MKP
wird auf ca. 1/1900 bei Vorliegen einer
auskultatorischen Mitralinsuffizienz und
1/22'000 bei Patienten ohne Insuffizienz geschätzt. Risikofaktoren sind
männliches Geschlecht, Alter, und v.a.
auch eine Verdickung der Segel. Über
viele Jahre wurde daher bei Patienten
mit auskultierbarer Mitralinsuffizienz
eine Endokarditis-Prophylaxe empfohlen. Kürzlich wurde nun alle diesbezüglich verfügbare Evidenz für die neuen
amerikanischen Prophylaxe-Richtlinien
begutachtet und die Experten kamen
überein, dass die aktuelle Datenlage
eine Endokarditis-Prophylaxe nicht rechtfertigt. Dies wurde insbesondere damit
begründet, dass man gesehen hat, dass
in nur gut 40% aller Fälle ein prädisponierendes Ereignis (z.B. Zahnarztbesuch) eruiert werden konnte. Dazu
kommen Resistenzen auf die wiederholt eingesetzten Antibiotika und das
Risiko einer allergischen Reaktion. Des
weitern kamen neuere Studien zum
Schluss, dass nur eine kleine Anzahl
von Fällen effektiv durch eine Prophylaxe verhindert werden können. Leider
besteht aktuell das Dilemma, dass weder die europäischen noch die schweizerischen Fachgesellschaften die Richtlinien erneuert haben. Die schweizerische Gesellschaft für Kardiologie empfiehlt bis zum Erscheinen der revidierten Richtlinien die bisherigen (inkl. den
bestehenden Endokarditisausweisen) zu
verwenden. Da es selten gewichtige
«transatlantische» Differenzen bezüglich kardiologischer Richtlinien gab, ist
davon auszugehen, dass ähnliche Empfehlungen in naher Zukunft auch bei
uns Einzug finden werden.
Verlaufskontrollen:
Asymptomatische Patienten mit leichter Mitralinsuffizienz und fehlenden
Hinweisen für LV-Dilatation, LV-Dysfunktion oder pulmonale Hypertonie sollten
jährlich klinisch kontrolliert werden.
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Eine Echokardiographie ca. alle 5 Jahre
ist ausreichend sofern keine Hinweise
auf eine Progression der Insuffizienz
bestehen. Patienten mit mittelschwerer
Mitralinsuffizienz sollten bei stabiler
Klinik jährlich (Echokardiographie alle
1-2 Jahre) untersucht werden. Bei Patienten mit asymptomatischer schwerer
Mitralinsuffizienz sollte eine Evaluation
inklusive Echokardiographie alle 6 bis
12 Monate erfolgen um allfällige Symptome zu erfassen und eine mögliche
asymptomatische LV-Dysfunktion nicht
zu verpassen. Die Durchführung eines
Belastungstests kann zur Objektivierung von Veränderungen der Leistungsfähigkeit/Symptome nützlich sein, insbesondere wenn die Anamnese schwierig
zu erheben oder nicht konklusiv ist.
Indikationen zur Operation/Operative
Verfahren:
Die Verwendung eines evidenz-basierten Ansatzes in der Behandlung der Mitralinsuffizienz wird erschwert durch das
Fehlen guter Daten bezüglich günstiger
Prädiktoren für den Erfolg einer Operation.
Bei Patienten mit symptomatischer
schwerer chronischer Mitralinsuffizienz
und erhaltener linksventrikulärer Funktion besteht die Indikation zur operativen Sanierung zur Verbesserung der
Symptome und zur Erhaltung der linksventrikulären Funktion. Die Entscheidung ist aber schwieriger bei asymptomatischen Patienten mit schwerer Mitralinsuffizienz. Da der Patient sich gut
fühlt, braucht es gute Evidenz dafür,
dass die Operation die Prognose und
die langfristige Lebensqualität verbessern wird. Zusätzlich müssen die potenziellen Vorteile einer Operation deren
Risiken überwiegen.
Die Operationsindikation wird zusätzlich erschwert durch die Vielfalt an Ursachen einer Klappendysfunktion. So
hängt die Prognose von Patienten mit
sekundärer Mitralinsuffizienz im Rah-
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men einer dilatativen Kardiomyopathie
oder ischämischer Genese hauptsächlich von der Grunderkrankung ab und
der Nutzen einer operativen Korrektur
ist zurzeit kontrovers. So können bei
diesen Patienten auch ein reverses Remodelling unter medikamentöser Therapie, eine koronare Revaskularisation
oder allenfalls auch eine kardiale
Resynchronisationstherapie (CRT) den
Schweregrad der Mitralinsuffizienz positiv beeinflussen. Bei Patienten mit einer primären Mitralinsuffizienz, beispielsweise aufgrund eines MKP sind
hingegen die kardialen Probleme alleine durch den vermehrten Rückfluss
über die Mitralklappe bedingt, und können durch eine operative Korrektur oft
mit gutem Ergebnis behoben werden.
Die Entscheidung zur Operation wird
des weitern vom gewählten Operationsverfahren beeinflusst. Die chirurgischen Optionen bestehen aus Mitralklappenersatz (mechanisch oder biologisch) mit/ohne Erhaltung der Chordae sowie der Mitralklappenrekonstruktion (MKR). Die MKR hat verschiedene Vorteile wie die fehlende Notwendigkeit zur oralen Antikoagulation
sowie der Erhalt von Kontinuität und
Geometrie des Klappenanulus, subvalvulären Apparates/Papillarmuskeln. Dieser Erhalt führt dazu, dass die linksventrikuläre Funktion postoperativ erhalten bleibt oder sich gar verbessert. Können die Chordae-Strukturen nicht erhalten werden, kommt es meist zu einem
Abfall der Auswurffraktion um 10% (absolut). Der Erhalt der linksventrikulären
Funktion resultiert in einer niedrigeren
perioperativen Mortalität und verbesserter Langzeitprognose gegenüber dem
Klappenersatz. Eine MKR (heute meist
mittels Anuloplastiering) ist sehr dauerhaft und weist zudem eine sehr niedrige
Reoperationsrate auf. Das ereignisfreie
Überleben wird mit 80-90% nach 5-10
Jahren angegeben. Ist eine MKR nicht
machbar, muss die Klappe nach Möglichkeit unter Erhalt der Chordae ersetzt
werden. Wegen der längeren Lebensdauer wird dazu meist eine mechanische Prothese verwendet, die jedoch
eine gute orale Antikoagulation (INR
2.5 bis 3.5) absolut notwendig macht.
Bioprothesen werden vorwiegend bei
älteren Patienten, bei Kontraindikation
für eine Langzeitantikoagulation oder
bei Endokarditis verwendet.
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Die operative Technik der MKR hat sich
über die vergangenen Jahre stark weiterentwickelt und der Anteil an Patienten, welche für eine Rekonstruktion in
Frage kommen ist stetig gestiegen. Das
Ergebnis einer Rekonstruktion ist jedoch sehr stark abhängig von der Erfahrung des Operateurs und so finden sich
bezüglich Verhältnis von Rekonstruktion zu Ersatz zwischen verschiedenen
Zentren teils grosse Unterschiede. In
erfahrenen Zentren liegt der Anteil an
Rekonstruktionen der Mitralklappe mittlerweile bei nahezu 90%. Aufgrund der
besseren Langzeitergebnisse wird die
Indikation zur Operation bei möglicher
MKR eher grosszügiger gestellt.
Zusammenfassung:
Die Mitralinsuffizienz ist eine häufige Erkrankung und die meisten praktizierenden Ärztinnen und Ärzte werden in der einen oder anderen Form damit im Alltag konfrontiert werden.
Die Echokardiographie ist die Schlüsseluntersuchung für Diagnose, Identifikation der Ätiologie sowie Management. Das Management
der Mitralinsuffizienz hängt sehr stark von der
zugrundeliegenden Ursache ab. Für die symptomatische primäre chronische Mitralinsuffizienz besteht im Allgemeinen eine Operationsindikation. Regelmässige Verlaufskontrollen zur
Erfassung des Übergangs zum symptomatischen Stadium der Erkrankung sind von zentraler Bedeutung.
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