Kardiologie
Transcription
Kardiologie
Februar 2011 Diagnostic Update Fallbericht Von Kollegen für Kollegen Kardiologie: Mitralklappeninsuffizienz von Dr. P. Holzhauer, Tierklinik Werl Nt-proBNP als Entscheidungskriterium für die weitere kardiologische Aufarbeitung von Patienten im Stadium B2 Signalement und Vorbericht In der Klinik wurde ein 13-jähriger, unkastrierter ZwergschnauzerRüde vorgestellt. Er zeigte seit einigen Monaten eine Leistungseinbuße, die sich u. a. in schneller Ermüdung, reduzierter Bewegungslust und vermehrtem Schlafbedürfnis äußerte. Weitere Symptome, wie Husten, Hecheln, Inappetenz, abdominale Umfangsvermehrung, Lahmheiten, etc., wurden nicht festgestellt. Klinische Chemie ALT 112 U/l (Referenzbereich 10-100 U/l) AP 436 U/l (Referenzbereich 23-112 U/l) Na/K/Cl obB Weitere klin.-chem. Parameter obB Cardiopet® proBNP 1987 pmol/l Beurteilung für den Bereich >1800 pmol/l: Die Wahrscheinlichkeit, dass die klinischen Symptome (d. h. respiratorische Symptome und/oder Leistungsintoleranz) durch eine Herzinsuffizienz bedingt sind, ist hoch. Eine weitere kardiologische Aufarbeitung des Patienten wird empfohlen. Weitere kardiologische Aufarbeitung Klinische Untersuchung Ernährungszustand: gut bemuskelt, Rumpf tailliert Konjunktiven/Schleimhäute: blass-rosa, glatt und glänzend KFZ: <2 Sekunden Nasenspiegel: trocken Maulhöhle/Zähne: obB Hautturgor: erhalten Hustenreflex Kehlkopf: auslösbar Herzfrequenz: 86 Schläge/min, regelmäßig, abgesetzt, kräftig Herznebengeräusche:systolisches Herzgeräusch Grad I-II/VI über der Mitralklappe Puls: regelmäßig, kräftig, kein Pulsdefizit Atemfrequenz: 18 Atemzüge/min., ggr. inspiratorisch verschärft Abdomenpalpation: ohne Dolenz ist eine Abgrenzung der Organe möglich, kein Hinweis auf Flüssigkeit oder Umfangsvermehrungen Körpertemperatur: 38,3°C Körpergewicht: 10 kg Labordiagnostische Untersuchung Hämatologie o.b.B. Röntgenuntersuchung Die latero-laterale Thoraxaufnahme zeigte einen VHS (vertebral heart score) von 11,5 WK und eine linksatriale Vergrößerung mit Verlust der cranialen Taillierung im Übergang von rechtem Atrium zu rechtem Ventrikel. Der Bronchienstamm war angehoben, die Hauptbronchien divergierend und das Mitraldreick verkleinert. Es lag ein mäßiges peribronchioläres alveoläres Ödem vor, die Lungenvenen waren geringgradig verbreitert. Latero-laterale, rechtsanliegende Thoraxaufnahme Dorso-ventrale Thoraxaufnahme Die dorso-ventrale Thoraxaufnahme zeigte eine linksatriale und linksventrikuläre Vergrößerung, sowie divergierende Hauptbronchien (O-leged Cowboy) über dem linken Atrium. Echokardiographische Untersuchung Anschallung von rechts: Dimensionsmessungen im B-Mode LVAW d 6,7 mm (Norm 5,8 - 6,9 mm) LV d 32,6 mm (Norm 21,5 - 33,2 mm) VS d 8,2 mm (Norm 7,3 - 8,5 mm) LA 29,6 mm (Norm 11,8 - 27,2 mm ) Teichholz-Studie LV im B-Mode Wandbewegung des linken Ventrikels normal Milde Vergrößerung des linken Atriums Messung der EPSS im M-Mode Milde vergrößerte EPSS durch die Insuffizienz der Mitralklappe ...und im B-Mode Vergrößerung des linken Atriums im Verhältnis zur Aorta Messung der Dimensionen von LA und AO im M-Mode... Messung der Kreisverkürzung im B-Mode Hyperechogene Papillarmuskeln mit teilweise hyperechogener linksventrikulärer Außenwand Anschallung von links: Darstellung des LA, der Mitralklappe und des LV im B-Mode in der Systole Mild erweitertes linkes Atrium, an den Klappenspitzen verdickte Mitralklappe Darstellung des Blutflusses an der Mitralklappe in der Systole mit PW-Doppler Deutliches Insuffizienzflussprofil in der Systole mit 3 m/sec Darstellung der Strömungsverhältnisse an der Mitralklappe mit Farb-Doppler in der Systole Turbulenzen (grün) und Rückfluss (blau) in das linke Atrium in der Systole bei geschlossener Mitralklappe EKG-Untersuchung Messungen in Abl. Einthoven II (Referenzbereiche in Klammern) P-Welle 0,04 sec (0,04 sec) P-Welle 0,6 mV (0,4 mV) PR-Intervall 0,06 sec (0,06 sec) QRS-Komplex 0,04 sec (0,05 sec) R-Zacke 1,6 mV (2,5 mV) ST-Segment-Abweichung >0,2 mV Senkung (<0,2 mV Senkung) T-Welle < 25 % der R-Zacke-Höhe, pos. (< 25 % der R-Zacke-Höhe, pos., neg., biphasisch) Diagnose Bei dem Patienten wurde eine moderate Mitralklappeninsuffizienz, Stadium B2 (ACVIM Consensus Statements) diagnostiziert. Es handelt sich um eine strukturelle Herzerkrankung ohne oder mit beginnender klinischer Symptomatik, jedoch mit hämodynamisch signifikantem Rückfluss sowie radiologischen und echokardiographischen Anzeichen wie Linksherzvergrößerung und Vorhofvergrößerung. Differentialdiagnosen Subaortenstenose (SAS) Bei der Subaortenstenose handelt es sich um eine kongenitale Missbildung der Aortenklappe. Klinische Symptome sind Leistungseinbuße, Schwäche bei Anstrengung und Synkopen. Respiratorische Symptome eines Linksherzversagens (Dyspnoe, Husten) sind möglich. Charakteristisch ist ein schwacher und kleiner Puls. Der Auskultationsbefund ist links ein systolisches Herzgeräusch im Bereich der Herzbasis. Bei Hunden mit ggr. SAS können die röntgenologischen Veränderungen eines Lungenödems milde ausfallen oder fehlen. Die Echokardiographie zeigt eine linksventrikuläre Hypertrophie mit subaortaler Verengung. Desweiteren können eine Dilatation der Aorta ascendens, eine Verdickung der Aortenklappe und eine linksatriale Vergrößerung mit Hypertrophie auftreten. Die Dopplerechokardiographie kann systolische Turbulenzen sichtbar machen und hohe systolische Ausflussgeschwindigkeiten an der Aorta nachweisen. Häufig kommt es zu einer Mitralregurgitation.9 Ausschluss: Vorberichtlich gab es keine Auskultationsbefunde im Welpenalter. Bis zur Erstvorstellung lagen nur geringgradige klinische Symptome vor. Der Puls war physiologisch und das systolische Herzgeräusch war links am Apex auskultierbar. Morphologische Veränderungen im linksventrikulären Ausflusstrakt lagen nicht vor, das Flussprofil und die Flussgeschwindigkeit an der Aorta waren physiologisch. Physiologisches Dopplerflussprofil an der Aorta Mitralklappendysplasie Bei der Mitralklappendyplasie handelt es sich um eine kongenitale Missbildung der Mitralklappe. Sie tritt am häufigsten bei großen Hunderassen auf. Echokardiographisch sind morphologische Veränderungen, u. a. verdickte oder verkürzte Klappensegel, Prolaps der Klappensegel, nach oben verlagerte oder missgebildete Papillarmuskeln und eine übermäßige Dilatation des Klappenanulus, sichtbar. Die funktionelle Störung liegt in der klinisch relevanten Klappenregurgitation. Sobald die ventrikuläre Füllung behindert wird, erhöht sich der linksatriale Druck und ein Lungenödem kann entstehen. Klinische Folgeerscheinungen sind Leistungsinsuffizienz, respiratorische Symptome eines Linksherzversagens (Dyspnoe, Husten), Inappetenz und Vorhofarrhythmie. Am linken Apex ist ein systolisches Herzgeräusch auskultierbar. Röntgenologisch sind eine Vergrößerung des linken Atriums und eine Dorsalverlagerung des Stammbronchus charakteristisch.9 Ausschluss: Der Hund ist ein Zwergschnauzer und gehört damit zu den kleinen Hunderassen. Vorberichtlich zeigte der Patient bis zur Erstvorstellung nur eine geringe Leistungsinsuffizienz. Echokardiographisch waren keine morphologischen Missbildungen erkennbar. Vierkammerblick; linke Anschallung; Darstellung der physiologischen Mitralklappensegel Therapie Bei dem Patienten wurden zur Therapie ein ACE-Hemmer und ein Diuretikum eingesetzt. Vasotop® 1,25 mg 1 x tgl. 1 Tabl. p.o. Dimazon® 10 mg 2 x tgl. ½ Tabl. p.o. Therapierichtlinien für die chronische AV-Klappenerkrankung Patienten ohne Symptome/mit ggr. Symptomen (Stadium B)9 · Aufklärung des Patientenbesitzers über Krankheitsverlauf und frühe Anzeichen eines Herzversagens · Routinemaßnahmen (Messung des Blutdrucks, Röntgen des Thorax und Echokardiographie) und jährliche Kontrollen, normales Körpergewicht, Aufrechterhaltung der Kondition, regelmäßige Anstrengung · Überwachung und Therapie anderer medizinischer Probleme · salzreduzierte Diät · bei Dilatation des LA und/oder des LV ACE-Hemmer und Entwässerung Diskussion Ein Biomarker wird definiert als eine Substanz, die von einem spezifischen Gewebe gebildet wird und im Blut nachgewiesen werden kann.11 Diagnostic Update Fallbericht Die kardiale Bildung und Freisetzung des atrialen natriuretischen Peptids (ANP) und B-Typ-natriuretischen Peptids (BNP) wird hauptsächlich durch Dehnung des Myokards ausgelöst. Bei Hunden mit Herzinsuffizienz sind ANP- und BNP-Blutspiegel erhöht.13 Bei Patienten mit Herzerkrankungen kommt es zu einer Überstimulation des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems. Die natriuretischen Peptide wirken dieser Aktivität durch die Stimulation der Natriurese, die Steigerung der Nierendurchblutung, die Förderung der Diurese und der Vasodilatation, sowie die Stärkung der diastolischen Herzfunktion entgegen. Die zirkulierenden Konzentrationen des atrialen natriuretischen Peptids (ANP) und des B-Typ-natriuretischen Peptids (BNP) sind primär als Reaktion auf eine erhöhte Myokardwandbelastung erhöht.9 Nt-proBNP entsteht, wenn proBNP durch Serumendopeptidasen gespalten wird, um C-BNP zu bilden. Nt-proBNP ist biologisch inaktiv, besitzt aber eine höhere Stabilität als das biologisch aktive C-BNP. Da Nt-proBNP und C-BNP im Verhältnis 1:1 gebildet werden, spiegelt die Messung von Nt-proBNP die im Rahmen einer Herzerkrankung gebildete Menge des aktiven C-BNP genau wieder.9 Wegen der besseren Stabilität und der längeren Halbwertszeit wird Nt-proBNP für den Immunoassay verwendet.3 Eine Bestimmung der Ursache respiratorischer Symptome bei älteren Hunden kleiner Rassen, bei denen Mitralklappenerkrankungen und primäre chronische Atemwegserkrankungen nicht selten kombiniert auftreten, ist schwierig. Eine erhöhte Nt-proBNPKonzentration kann in diesen Fällen hilfreich sein, wenn anamnestische, klinische und radiologische Befunde fehlen oder zweifelhaft sind.4 Die Messung der natriuretischen Peptide im Blut kann in Verbindung mit der klinischen Untersuchung, der Röntgenuntersuchung und der Echokardiographie die Diagnose von Herzerkrankungen unterstützen. Der Nt-proBNP-Assay kann bei der Diagnose okkulter Kardiomyopathien bei geringgradig symptomatischen Hunden hilfreich sein.9 Die Kombination verschiedener Biomarker, wie cTnI (Troponin I) und Nt-proBNP, können bei Hunden mit beginnender Symptomatik u. U. bessere diagnostische Ergebnisse liefern als die Bestimmung des cTnI allein.9 Zwei veröffentlichte Studien evaluieren die Wirksamkeit einer Therapie mit Angiotensin Converting Enzyme Hemmern (ACEHemmer) bei Hunden im Frühstadium der Erkrankung.7,10 ACE-Hemmer in Kombination mit Diuretika verbessern klinische Symptome und verlängern die Überlebensdauer.2 Therapiekontrolle/Screening Offensichtlich gesunde Hunde mit einer nur geringgradigen Erhöhung eines einzelnen Nt-proBNP-Wertes sollten wiederholt getestet werden.5 Bei dem untersuchten Zwergschnauzer wurden der ACE-Hemmer und die Diurese gemäß der röntgenologischen und echokardiographischen Befunde eingesetzt. Kardiales Troponin I ist im Blutspiegel erhöht bei kongestiver Herzinsuffizienz. Als akutes Diagnostikum ist es 4 Stunden bis eine Woche nach Myokardschädigung nachweisbar.8,12 Nt-proBNP lässt sich länger als 1 Woche im Blut nachweisen. Eine Kombination aus Troponin I und Nt-proBNP ist deshalb eventuell zu empfehlen. Literatur 1)Boswood A. Herzklappenerkrankungen beim Hund. Veterinary Focus 2008; Vol 18 No 3, 25-31 2)BENCH, Pouchelon JL, Martignoni L, et al. The effects of benazepril on survival times and clinical signs of dogs with congestive heart failure: Results of a multicenter, prospective, randomized, double-blinded, placebo-controlled, long-term clinical trial. J Vet Cardiol 1999; 1:7-18 3)Chetboul V, Serres F, Tissier R, Lefebvre HP, Carlos Sampedrano C, Gouni V , Poujol L, Hawa G, Pouchelon JL. Association of plasma N-terminal pro-B-type natriuretic peptide concentration with mitral regurgitation severity and outcome in dogs with asymptomatic degenerative mitral valve disease. J Vet Intern Med 2009; 23:984-994 4)Fine D, DeClue A, Reinero C. Brain natriuretic peptide for discrimination of respiratory distress due to congestive heart failure or primary respiratory disease. Abstr. in Proceedings 25th Annu Forum ACVIM 2007 5)Kellihan H, Oyama M, Reynolds C, et al. Weekly variability of plasma and serum Nt-proBNP measurements in normal dogs. Abstr. in Proceedings. 26th Annu Forum ACVIM 2008 6) Kraft W, Dürr UM, Hrsg. Klinische Labordiagnostik in der Tiermedizin. 6.Aufl., Verlg. Schattauer 7)Kvart C,Haggstrom J, Pedersen HD, et al. Efficacy of enalapril for prevention of congestive heart failure in dogs with myxomatous valve disease and asymptomatic mitral regurgitation. J Vet Intern Med 2002; 16:80-88 8)Mellor J, Mellanby RJ, Baines EA, Villiers EJ, Archer J, Herrtage ME. High serum troponin I concentration as a marker of severe myocardial damage in a case of suspected exertional heatstroke in a dog. Journal of Veterinary Cardiology 2006; Vol8, p 55-62 9) Nelson RW, Couto CG. Innere Medizin der Kleintiere. 2. Dt. Auflage, Verlg. Urban & Fischer München 10)Pouchelon JL, JametN, Gouni V, et al. Effect of benazepril on survival and cardiac events in dogs with asymptomatic mitral valve disease: A retrospective study of 141 cases. J Vet Intern Med 2008; 22:905-914 11)Reynolds C, Oyama M. Biomarker in der Diagnose caniner Herzerkrankungen. Veterinary focus 2008; Vol18 No3 12)Tobias R, Skrodzki M, Schneider M. Kleintierkardiologie kompakt. 1. Aufl. 2008, Schlütersche Verlagsgesellschaft GmbH 13)Vollmer, A. Atrioventrikular-(AV-)Klappenerkrankungen. Kleintierpraxis 2010; 55; Heft 9; 505-522 Vet Med Labor GmbH Division of IDEXX Laboratories IDEXX Vet•Med•Labor Mörikestr. 28/3 D – 71636 Ludwigsburg www.idexx.de Fachberatung Deutschland Tel: 0800 589 25 79 kostenlos Tel: +49 (0)1802 8386 33 Fachberatung Österreich Tel: 0800 20 89 20 6 Cent pro Anruf aus dem dt. Festnetz Fax: +49 (0)7141 6483 555 D564-0111