Blutungen in der 2. Schwangerschaftshälfte

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Blutungen in der 2. Schwangerschaftshälfte
Blutungen in der 2. Schwangerschaftshälfte
1. Definition und Häufigkeit
Unter diese Definition fallen alle Blutungen ab 20 SSW, diese sind mit 2-10% relativ häufig und
können zu schweren mütterlichen und kindlichen Komplikationen führen. Die beiden häufigsten
Ursachen sind die Plazenta praevia und die vorzeitige Plazentalösung.
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Plazenta praevia: Darunter versteht man die teilweise oder vollständige Implantation der Plazenta im unteren Uterinsegment. Es gibt verschiedene Grade einer Plazenta praevia:
- Plazentatiefsitz: Plazentarand ≤ 5cm vom inneren MM entfernt.
- marginalis: Die Plazenta reicht an den inneren MM heran
- partialis: Die Plazenta bedeckt den inneren MM teilweise
- totalis: Vollständige Bedeckung des inneren Muttermundes
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Vorzeitige Plazentalösung: Es gibt verschieden Grade einer vorzeitigen Plazentalösung:
- vollständig: Vollständige Ablösung der Plazenta von der Uterushaftfläche, keine mütterliche
Perfusion der Plazenta mehr.
- teilweise: Nur teilweise Ablösung der Plazenta von ihrer Haftfläche, Versorgung des Fetus je
nach Grösse der Haftfläche noch gewährleist. Ein Hämatom kann sich zentral oder randständig entwickeln, im letzteren Fall mit einer Blutung nach aussen.
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Vasa praevia: Insertio velamentosa der Nabelschnur im Bereiche des unteren Uterinsegments
mit frei über die Eihäute laufenden Gefässen. Bei spontanem Blasensprung oder Amniotomie
kann es zu Gefässzerreissung mit lebensbedrohlicher kindlicher Blutung kommen.
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Uterusruptur: Verschiedene Formen:
- komplett: Vollständige Zerreissung der Uteruswand mit Eröffnung des viszeralen Peritoneums, Fetus und ev. Plazenta liegen in der freien Bauchhöhle.
- gedeckt: Dehiszenz einer Uterusnarbe nach vorheriger Operation ohne offene Verbindung
mit der Bauchhöhle. Da die Dehiszenz ohne Beschwerden einhergeht auch "stille Ruptur"
genannt.
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Fetomaternale Blutung: Übertritt von fetalem Blut in den mütterlichen Kreislauf durch ein
Trauma oder spontane rezidivierende Blutungen.
2. Häufigkeit
In der Spätschwangerschaft treten in 2-10% aller Schwangerschaften Blutungen auf, davon sind
2-3% schwer (> 800ml Blutverlust). Die Plazenta ist in 40-70% aller Fälle für die Blutung verantwortlich.
Eine Plazenta praevia tritt in 0.3-0.5% aller Schwangerschaften auf (20% totalis, 30% partialis,
50% Plazentatiefsitz). Eine vorzeitige Plazentalösung tritt in 0.2-2.6% aller Schwangerschaften
auf. Die Uterusruptur tritt mit einer Häufigkeit von 1:1500 Geburten auf.
3. Ätiologie und Pathogenese
Die primären Ursachen einer vorzeitigen Plazentalösung oder einer Plazenta praevia sind meistens
unbekannt, doch gibt es eine Reihe von Risikofaktoren.
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Plazenta praevia: Es sind die folgenden prädisponierende Faktoren bekannt:
- Anzahl vorausgegangener Curettagen (Interruptiones)
- Anzahl vorausgegangener Sectiones
- ältere Multipara
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- Zwillingsschwangerschaften
- Kokain
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Vorzeitige Plazentalösung: Veränderungen im Bereich der kleinen arteriellen Gefässe der
Dezidua sind verantwortlich für eine Ansammlung von Blut zwischen Dezidua und Chorion,
welche den Prozess der Ablösung begünstigt. Die Versorgung des Fetus wird einerseits durch
die verminderte Durchblutung der Plazenta, andererseits durch die Kompression des intervillösen Raums beeinträchtigt. Zusätzlich kann Plazentargewebe zerstört werden. Kleine Blutungen
können selbst zum Stillstand kommen, grössere Hämatome führen zur weiteren Ablösung der
Plazenta. Die Blutung kann sich entlang der Eihäute nach aussen (vaginale Blutung), durch das
Einreissen der Eihäute nach innen (blutiges Fruchtwasser) oder ins Myometrium bis zum Peritoneum (Couvelaire-Uterus) ausbreiten, was die Kontraktilität des Uterus vermindert.
Prädisponierende Faktoren einer vorzeitigen Plazentalösung umfassen:
- Trauma: Schlag, äussere Wendung, Amniozentese, Chordozentese, Fetoskopie
- Druck/Volumenschwankung: Amniotomie, Punktion Hydramnion, Geburt des ersten Zwillings
- Uterusanomalie: Plazentationsstörung durch Myom oder Uterusmissbildung
- Extrem kurze Nabelschnur: Nach Blasensprung/Tiefertreten des Kopfes mechanischer Zug
- Hypertonie der Mutter: Schweregrad der Hypertonie und Häufigkeit der Lösung korrelieren
- Vorzeitiger Blasensprung: VBS kombiniert mit Hypertonie ergeben ein erhöhtes Risiko
- Nikotinabusus: Deziduanekrosen, kein eindeutiger Zusammenhang mit Lösung gefunden
- Multiparität: Risiko steigt mit der Parität, v.a. bei rasch aufeinanderfolgenden Schwangerschaften
- Mangelernährung: Intrauterine Wachstumsretardierung assoziiert mit vorzeitiger Lösung
- Kokain: Vasoaktive Wirkung von Kokain begünstigt Plazentalösung
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Eröffnungsblutung bei drohender Frühgeburt: Abgang von blutig tingiertem Schleim bei
Eröffnung der Zervix ("Zeichnen").
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Uterusruptur: Die häufigste Ursache ist eine vorangegange Operation am Uterus.
- Sectio: Rupturrisko je nach Schnittführung am Uterus (Längsschnitt 3-4% vs. 0.25% bei
isthmischem Querschnitt)
- Myomenukleation (auch laparoskopisch)
- Operation bei Uterusanomalien
- Spontanrupturen bei Lageanomalien oder Kopfbeckenmissverhältnis (v.a. Mehrgebärende)
- Traumatisch: Unfall, ärztliche Interventionen
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4. Symptomatik und klinische Leitsymptome
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Plazenta praevia: Schmerzlose Blutung ohne Wehentätigkeit bei völligem Wohlbefinden. Ev.
auslösende Faktoren (Geschlechtsverkehr, vaginale Untersuchung). Häufig intermittierende,
leichte Blutungen ("annoncierende Blutungen"). In 10% begleitende Lösung, deshalb ev. vielschichtige Symptomatik.
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Vorzeitige Plazentalösung: Symptomatik von Grösse und Lokalisation des Hämatoms abhängig. Typisch sind plötzlich einsetzende starke abdominale Schmerzen, in der Hälfte begleitet von tachysystolischer Wehentätigkeit und erhöhtem Uterustonus. Innere Unruhe, Schwäche, Ängstlichkeit, Durst und Übelkeit bis zum Vollbild des Schocks mit Tachykardie, schwachem Puls, kaltschweissiger Haut, Blässe oder Zyanose. Klinisch findet sich das Bild eines akuten Abdomens mit Schock. Uterine Dauerkontraktion ("Tetanus uteri") mit vaginaler Blutung
(bei 80%).
Dunkle vaginale Blutung, bei schweren Formen nicht gerinnend. Seröser Flüssigkeitsabgang
(Serum aus Koagel) kann mit Fruchtwasserabgang verwechselt werden.
NB: In 20-30% ist eine vorzeitige Plazentalösung asymptomatisch bzw. kann nur indirekt diagnostiziert werden.
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Zeichnungsblutung: Mit Wehen und reifem Zervixbefund einhergehend, schleimig-blutig.
DD: Plazentarandblutung: Stärkere Blutung bei noch unreifem Zervixbefund.
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Uterusruptur: Bei einer drohenden Uterusruptur erhöht sich die Wehenfrequenz bis zum Wehensturm ("Tetanus uteri"), die Wehen sind sehr schmerzhaft ("als ob etwas zerreissen würde"), innere Unruhe und Angstzustände. Es gibt keine Erholungsphasen in einer Wehenpause.
Stark druckschmerzhaftes unteres Uterinsegment, auch ausserhalb der Wehentätigkeit. Geburtsstillstand bei im Beckeneingang fixiertem vorangehenden Kindsteil.
Aufsteigen der "Bandl-Furche" (Kontraktionsring an der oberen Grenze des unteren Uterinsegments) über Nabelhöhe, ev. zusätzlich Hämaturie.
Bei einer eingetretenen Uterusruptur findet sich ein Abfall der fetalen Herzfrequenz und ein
schlagartiges Aufhören der Wehentätigkeit. Charakteristischer Gegensatz zwischen der aussergewöhnlich starken und schmerzhaften Wehentätigkeit und dem plötzlichen Sistieren der
Wehen, die Schwangere hat das Gefühl, "dass etwas zerrissen ist". Ausbildung einer abdominalen Abwehrspannung (ev. verzögert). Schocksymptomatik. Vaginale Blutung unterschiedlichen Ausmasses. Der vorangehende Teil ist wieder leicht aus dem Becken abschiebbar, das
Kind lässt sich direkt durch die Bauchdecken palpieren. Sicherung der Diagnose sonographisch.
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Vasa praevia Blutung: Starke vaginale Blutung meistens nach Amniotomie oder Blasensprung, rasche Hypoxie des Feten.
5. Spezielle Diagnostik
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Klinik: BD, Puls, Atmung, Hautfarbe, Urinausscheidung (Schock?). Abdomenpalpation (Fundusstand, Uterustonus, schmerzhafte Uteruspalpation)
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Vaginale Untersuchung (nach sonographischem Ausschluss einer Plazenta praevia):
Spekulum (Blutungsstärke, Farbe, Koagula, Fruchtwasser). Palpation der Zervix.
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Ultraschall: Plazentalokalisation sonographisch, da sich die Plazentalage im Verlaufe der
Schwangerschaft verändert (Rate an tiefliegender Plazenta vor 24 SSW 30%, bei 24 SSW 18%
und am Termin nur noch 3%). Vor allem von vaginal lässt sich der Bezug von Plazenta zu innerem Muttermund genau festlegen.
Im Falle eine vorzeitigen Plazentalösung lässt sich nur in der Minderzahl der Fälle das Hämatom
darstellen, da dieses eine ähnliche Echogenität wie die Plazenta aufweist. Vor allem in der akuten Phase lässt sich das Hämatom oft nicht darstellen, erst wenn sich dieses innert 1-2 Wochen
verflüssigt, wird es sichtbar. Ein zweiter Grund für die niedrige Entdeckungsrate ist die Tatsache, dass die meisten Lösungen klein (< 10% der Haftfläche) und an der Peripherie der Plazenta lokalisiert sind. Zuletzt können sich organisierende Hämatome mit Myomen oder einer abnormal dicken Plazenta verwechselt werden.
Mit dem Farbdoppler und neueren Geräten kann hier die diagnostische Ausbeute in Zukunft
vielleicht gesteigert werden, auch bei der Darstellung von Vasa praevia.
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Labordiagnostik: Hb, Blutbild inkl. Tc, Gerinnungsstatus, ev. clot observation test, D-Dimere
(Fibrinspaltprodukte), Fibrinogen; 4-stündliche Verlaufskontrollen bis zur Geburt (oder häufiger
bei klinischer Verschlechterung)
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6. Risiken für Mutter und Kind
Die Risiken für Mutter und Kind sind von Ursache und Schwere der Blutung sowie von der Grunderkrankung abhängig.
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Plazenta praevia: Für die Mutter besteht das Risiko einer Verblutung im irreversiblen Kreislaufschock. Dank heutiger medizinischer Möglichkeiten liegt die mütterliche Mortalität <0.1%.
Durch den ineffizienten Verschluss von venösen Gefässen im unteren Uterinsegment infolge
schlechter Kontraktilität kann es zu starken postpartalen Blutungen kommen, ebenfalls besteht
ein erhöhtes Risiko für eine Luftembolie und für aszendierende Infektionen.
Das fetale Risiko bei einer Plazenta praevia liegt vor allem in der Frühgeburtlichkeit im Falle einer vorzeitigen Entbindung. Ebenfalls liegt bei 16% eine Wachstumsretardierung vor, vor allem bei wiederholten Blutungen während der Schwangerschaft. Die mütterliche Anämie und
Hypovolämie kann zu fetaler Hypoxie und Fruchttod führen. Die perinatale Mortalität liegt bei
4-8%.
Das Wiederholungsrisiko einer Plazenta praevia beträgt 4-8%.
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Vorzeitige Plazentalösung: Das mütterliche Risiko liegt primär beim hypovolämischen
Schock, in 10% tritt eine disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) auf.
Eine verstärkte postpartale Blutung wird entweder durch die Gerinnungsstörung oder durch
die Atonie des Couvelaire-Uterus verursacht. Die mütterliche Mortalität liegt bei 1%, der Tod
kann durch den massiven Blutverlust oder die DIC mit Nierenversagen und Verblutung hervorgerufen werden. Bei Rhesuskonstellation kann eine Sensibilisierung der Mutter erfolgen.
Die perinatale Mortalität wird je nach Schweregrad der Lösung mit 10-67% angegeben, die
Hälfte der Kinder versterben bereits intrauterin. Die Haupttodesursachen sind fetale Hypoxie,
Verblutung und Frühgeburtlichkeit. Die Mortalität hängt eng mit dem Geburtsgewicht zusammen, bei > 2500g überleben bereits 98% der Kinder.
Eine intrauterine Wachstumsretardierung wird in bis zu 80% gefunden. Fetale Blutungen können zu Anämie und selten zu Gerinnungsstörungen beim Feten führen.
Das Wiederholungsrisiko nach vorzeitiger Plazentalösung beträgt 5-17% und steigt auf 25%
nach 2-maliger Plazentalösung.
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7. Management
Antepartale Blutungen sind in Stärke und Verlauf unvorhersehbar und es kann innert kürzester
Zeit zu schwersten mütterlichen und kindlichen Komplikationen kommen. Eine rasche Hospitalisierung in ein Zentrum mit der Möglichkeit einer intensivmedizinischen Betreuung von Mutter und
Kind ist notwendig.
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Allgemeine Massnahmen: Unabhängig von der Blutungsursache initial bei allen Schwangeren gleich:
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Klinische Untersuchung:
- Puls, Blutdruck, Atemfrequenz
- Schockzeichen (Unruhe, Blässe, kaltschweissige Extremitäten)
- Abdomenpalpation (Fundusstand, Wehentätigkeit, Schmerzen, Dauertonus)
- vaginale Spekulumuntersuchung (Blutungsstärke und -ursache)
- Zervixbefund (nicht bei Plazenta praevia)
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Allgemeine therapeutische Massnahmen:
- i.v.-Zugang (grosslumig)
- Blutentnahme (Blutbild, Gerinnung, Leberfunktion, Elektrolyte)
- Bestellung von Ec-Konzentraten
- Volumensubstitution
- Atemwege freihalten, ev. O2-Gabe über Maske
- Ultraschall
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Spezielles Vorgehen gemäss der Ursache
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Plazenta praevia: Je nach Situation kann aktiv oder abwartend vorgegangen werden
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Aktiv: Bei lebensbedrohlicher Blutung ist unabhängig vom Gestationsalter die Sectio
indiziert, bei Placenta praevia totalis kann diese auch < 24 SSW notwendig sein.
Bei reifem Kind wird auch bei geringgradiger Blutung die Sectio rasch durchgeführt.
Da mit verstärkten Blutungen bei der Kindsentwicklung und der Lösung der Plazenta
zu rechnen ist, soll die Sectio in Allgemeinnarkose durchgeführt werden.
Die Inzision am Uterus soll sonographisch geplant werden und nach Möglichkeit nicht
transplazentar erfolgen, sie erfolgt wie üblich transversal. Muss durch die Plazenta gegangen werden, soll dieser Schritt rasch erfolgen, um den kindlichen Blutverlust gering
zu halten. Als Alternative kann auch der Plazentarand aufgesucht werden, bevor die
Fruchthöhle eröffnet wird, wobei hier eine intrauterine Asphyxie durch die Ablösung
der Plazenta provoziert wird.
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Durch die verminderte Kontraktionsfähigkeit des unteren Uterinsegments kommt es zu
verstärkten Blutungen aus dem Plazentabett. Gelingt die lokale Blutstillung nicht, können die aszendierenden und deszendierenden Äste der A. uterina umstochen werden.
Weiters können intrauterine Nalador-Injektionen oder als ultima ratio die Ligatur der A.
ilica interna bzw. die Hysterektomie durchgeführt werden.
Liegt gleichzeitig eine Placenta accreta vor, steigt die Rate der Blutungskomplikationen.
Wichtig ist bei einem entsprechenden Verdacht die genügende Bereitstellung von EcKonzentraten sowie die Patientenaufklärung (Hysterektomie). Ein besonders grosses Risiko liegt vor bei Vorderwandplazenta und St.n. Sectio.
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Vaginale Entbindung: Bei tiefreichender Plazenta oder Placenta praevia marginalis
kann mit Tiefertreten des Kopfes nach Amniotomie und Syntocinon-Stimulation die
Blutung sistieren. Wichtig ist bei angestrebter vaginaler Entbindung die Sectiobereitschaft bzw. die grosszügige Durchführung der Sectio bei zunehmender Blutung.
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Abwartendes Vorgehen: Bei geringer Blutung und Frühgeburtlichkeit ist primär ein
expektatives Vorgehen indiziert. Unter Bettruhe sistiert die Blutung häufig, bei Placenta
praevia marginalis wird vielleicht später die vaginale Entbindung möglich.
Falls eine Wehentätigkeit besteht wird eine Tokolyse und Lungenreifung durchgeführt,
wobei zuerst eine Plazentalösung ausgeschlossen werden muss.
Bei Hb < 8g/l müssen Ec-Konzentrate verabreicht werden, diese müssen auch laufend
bereit gehalten werden. Regelmässige Blutbild-Kontrollen.
Regelmässige CTG-Überwachung des Feten.
Nach Sistieren der Blutung über mehrere Tage und Abschluss der Lungenreifung kann
die Schwangere ambulant weiterbetreut werden, falls die Schwangere im Bedarfsfall
innert 15-30 Minuten das Spital aufsuchen kann und keine Plazenta praevia totalis vorliegt. Andernfalls stationäre Überwachung bis zur Geburt.
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Vorzeitige Plazentalösung: Das Management ist abhängig vom Schweregrad der Lösung,
dem Zustand der Mutter und dem Kind sowie dem Gestationsalter.
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Aktiv: Bei bereits abgestorbenen Feten wird die vaginale Entbindung nach Amniotomie
und Syntocinon-Stimulation angestrebt. Im Falle eines Couvelaire-Uterus ist dessen Kontraktilität beeinträchtigt und bei einer Überstimulation besteht das Risiko einer Ruptur.
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Bei lebendem Kind steht die vaginale Entbindung nur in Ausnahmefällen zur Diskussion
(normales CTG und rascher Geburtsverlauf). Bei geringradiger Lösung (Grade 0 und 1)
kann unter Sectiobereitschaft auch eine Geburtseinleitung mit Prostaglandinen versucht
werden. Wichtig sind die kontinuierliche Überwachung und die Vermeidung einer Überstimulation.
Wichtig ist die Überwachung der mütterlichen Gerinnung, vor allem bei langer Geburtsdauer ist die Mutter durch eine Gerinnungsstörung gefährdet.
Bei höhergradiger Lösung mit fetaler Beeinträchtigung muss nach Stabilisierung der mütterlichen Kreislaufsituation rasch eine Sectio erfolgen, da ansonsten die Prognose für das
Kind verschlechtert wird. Bei einer primären Sectio ist die perinatale Mortalität deutlich
geringer als bei einem vaginalen Geburtsversuch (16% vs., 52%).
Bei starker mütterlicher Beeinträchtigung (Schock, Gerinnungsstörung, abdominale
Schmerzen) und unreifer Zervix soll auch bei totem Kind rasch eine Sectio durchgeführt
werden. Bei Couvelaire-Uterus mit schlechter Kontraktilität kann ev. eine Hysterektomie
notwendig werden.
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Abwartend: Bei Frühgeburtlichkeit kann expektativ vorgegangen werden, wenn dabei
die Prognose für den Feten verbessert wird und die Mutter nicht zusätzlich gefährdet
wird. Dies betrifft Fälle mit geringer Lösung (Grade 0 und 1), geringer Schmerzsymptomatik, stabilen mütterlichen Kreislaufverhältnissen und normalem CTG.
Stationäre Überwachung; wichtig ist der Ausschluss einer Wachstumsretardierung und
das Vorliegen einer normalen Fruchtwassermenge. Doppler-Sonographische Kontrollen
der Nabelschnur-Durchblutung 2x/Woche.
Eine Lungenreifung ist indiziert, die Rolle der Tokolyse wird kontrovers beurteilt.
Wiederholte Blutungen, Schmerzen und Zeichen der fetalen Gefährdung sollen zur Beendigung der Schwangerschaft führen.
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Uterusruptur: Bei drohender Uterusruptur soll nach notfallmässiger Tokolyse rasch eine
Sectio durchgeführt werden.
Bei eingetretener Uterusruptur ist eine Blitz-Sectio über eine mediane Unterbauchlaparotomie indiziert, einerseits um Zeit zu sparen und andererseits genügend Platz für die Explorati-
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on des Abdomens nach Entfernung des Kindes zu haben. Je nach Uteruswunde kann diese
primär versorgt werden, in schweren Fällen (Blutung, ausgedehnte Zerreissungen) kann auch
die Hysterektomie notwendig sein.
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Vasa praevia: Die Blitz-Sectio ist die einzige Chance, den Verblutungstod des Kindes abzuwenden.
8. Therapie der Komplikationen
Als Komplikationen können sich hämorrhagischer Schock und Gerinnungsstörung ausbilden.
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Hämorrhagischer Schock: Bei einem Blutverlust > 1000ml ist mit dem Auftreten eines
Schockzustandes zu rechnen. Vor allem bei vorzeitiger Plazentlösung wird der Schweregrad
der Blutung oft unterschätzt.
Es gilt die Faustregel: Blutverlust = Volumen der Blutkoagula x3
Als Folge der Hypovolämie sind vor allem die Durchblutung von Nieren und Plazenta gefährdet.
Überwachung der Kreislaufparameter, stündliche Messung der Urinausscheidung (> 60ml/h).
Bei Blutverlust < 30% Gabe von kolloidalen und Elektrolytlösungen, bei Verlust > 30% EcSubstitution.
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Gerinnungsstörungen: Wichtig ist die Beseitigung der primären Ursache (dh. Uterusentleerung) sowie Volumen- und Erythrozyten-Ersatz.
Thrombozyten-Substitution bei Tc-Zahl < 50'000/mm3. FFP bei Verbrauchskoagulopathie und
Massentransfusion.
Heparin ist bei DIC aufgrund vorzeitiger Plazentalösung kontraindiziert.
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