Rizinus-Öl - Gesundheit
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Rizinus-Öl - Gesundheit
Rizinus-Öl, ein altes und umstrittenes Hebammenmittel Bachelor Thesis Janine Studer Patricia Arnold Berner Fachhochschule Fachbereich Gesundheit Studiengang BSc Hebamme Bern, 09. August 2010 Rizinusöl INHALTSVERZEICHNIS 1 Abstract ........................................................................................................... 4 2 EINLEITUNG .................................................................................................... 5 3 4 5 6 7 8 2.1 Das alte Hebammenrezept ................................................................... 5 2.2 Rizinusöl in den Lehrbüchern............................................................... 6 Zielsetzung, Fragestellung Und Eingrenzung............................................... 7 3.1 Zielsetzung .............................................................................................. 7 3.2 Fragestellungen: ..................................................................................... 7 3.3 Eingrenzung ............................................................................................ 7 Grundlagen ..................................................................................................... 8 4.1 Wissenschaftliche Literatur zum Rizinus-Cocktail ............................ 8 4.3 Geburtsauslösung und Wehenbeginn .............................................. 10 4.4 Das Rizinusöl – ein Phytotherapeutikum ........................................ 11 4.5 Der Wehen-Cocktail und die Einnahme ........................................... 12 4.6 Der Alkohol im Cocktail ....................................................................... 13 4.7 Wirkt er denn – der Rizinus-Cocktail? .............................................. 13 4.9 Kompetenzen der Hebammen ........................................................... 16 4.10 Darf die Hebamme Rizinusöl verordnen oder empfehlen? ......... 17 METHODE.......................................................................................................19 5.1 Arbeitsfeld der freipraktizierenden Hebamme ................................. 19 5.2 Methode der Datenerhebung ............................................................. 20 5.3 Methode der Datenauswertung.......................................................... 22 5.4 Methode der Implementierung ........................................................... 22 ERGEBNISSE .................................................................................................23 6.1 Arbeitssetting der freipraktizierenden Hebammen ......................... 23 6.2 Evaluation und Rücklaufquote der Fragbogen ................................ 25 6.3 Beschreibung der Befragten ............................................................... 26 6.4 Kategorisierung der Ergebnisse der offenen Fragen ..................... 26 Diskussion .....................................................................................................44 7.1 Diskussion der empirischen Erhebung und der Literatur............... 44 7.2 Diskussion der Implementierung und Projektplanung .................... 49 Schlussfolgerung ..........................................................................................52 8.1 9 Empfehlungen für die Praxis .............................................................. 52 Literaturverzeichnis .......................................................................................54 2 Rizinusöl 10 Abbildungsverzeichnis..................................................................................59 11 Abkürzungsverzeichnis.................................................................................60 12 ANHANG .........................................................................................................61 12.1 Praxisinstrument Merkblatt ................................................................ 61 3 1 ABSTRACT Einleitung: Die Gabe von Rizinusöl hat eine lange Tradition. Mit zunehmender Technisierung der Geburt ist die Anwendung in Vergessenheit und in Verruf geraten, aber heute wird der Rizinus-Cocktail wieder vermehrt thematisiert. Meist wird das Öl im ausserklinischen Bereich angewendet, darum stellen sich die Fragen: Wann empfehlen die freipraktizierenden Hebammen den Rizinus-Cocktail und welche Erfahrungen machen sie? Welche Evidenzen können aus der Literatur herausgearbeitet werden? Welche Handlungsempfehlungen können für die Praxis gemacht werden? Das Ziel dieses Praxisprojektes ist, die Ergebnisse in Form eines Algorithmus darzustellen, welcher in die Praxis implementiert werden kann. Methode: Das Design war eine Survey. Es wurden Fragebogen an 135 deutschsprechende freipraktizierende Hebammen in der Schweiz, welche Haus-, Beleg-, oder Geburtshausgeburten begleiten und dem Berufsverband angehören, verschickt. Diese wurden in Balkendiagrammen ausgewertet. Die Implementierung erfolgt in einer bestehenden Intervisionsgruppe von freipraktizierenden Hebammen. Ergebnisse: 78 Fragebogen konnten ausgewertet werden. 60 Befragte wenden den Rizinus-Cocktail an, im Gegensatz zu 18 Befragten, die den Cocktail nicht anwenden. Die meistgenannte Indikation ist die Terminüberschreitung. Keine der Hebammen hat eine Uterusruptur oder eine vorzeitige Plazentalösung erlebt. Eine höhere Anzahl von mekoniumhaltigem Fruchtwasser wurde beschrieben, wobei hier nicht mit Sicherheit gesagt werden kann ob dies aufgrund des Rizinusöls aufgetreten ist. Schlussfolgerung: Die Wirkung des Rizinusöls wurde mit Studien von Knauss et al (2007), Schilcher (2007) und Azahri et al (2006) nachgewiesen. Auch die Ergebnisse der Befragung zeigen dass, wenn eine Indikation besteht, Kontraindikationen ausgeschlossen wurden, der Bishop- Score über 6 ist, die Frau informiert entscheiden kann, das Rezept mit Aprikosensaft und Alkohol gemischt wird und die Einnahme zu Parasympathikus-Zeiten erfolgt, die Geburtsauslösung mit Rizinus-Cocktail eine adäquate alternative Methode zur Geburtsauslösung sein kann. Es wurde ein Algorithmus entwickelt welcher die Praxis unterstützen soll die genannten Kriterien zu beachten und einzuhalten, dieser kann in die Praxis implementiert werden. Schlüsselwörter: Rizinus-Cocktail, Anwendung Rizinus-Cocktail, freipraktizierende Hebammen, Wehenauslösung Rizinusöl 2 EINLEITUNG 2.1 Das alte Hebammenrezept Tinkturen, Öle und Salben sind die ältesten und treuesten Begleiter der Hebammen. Die meisten Hebammen trugen einen Beutel (Rösslin, 1513) mit Kräutern bei sich. Die Kenntnisse über deren Wirkung war immer ein Teil der Hebammentradition. Dies kann auch mit der Berufsbezeichnung in Verbindung gebracht werden. Laut Strack (2006) unterstreicht der Name „Hebamme“ eine kulturelle und spirituelle Bedeutung. Die Übersetzung „Hebamme“ in der holländischen, englischen und französischen Sprache ist sinnhaft für „weise Frau“, in Norwegen bedeutet „Hebamme“ so viel wie Erdenmutter. Die Geschichte zeigt also die Verbundenheit mit Naturheilmitteln der Hebammen. Auch Tew (2007) beschreibt die Geburt als Frauensache. Ebenfalls erwähnt sie dass viele Hebammen sehr kräuterkundig waren. Dieses Wissen wurde von Generation zu Generation mündlich weitergegeben. Die Hebammen sahen sich gezwungen, die Kräuter heimlich zu verabreichen, denn es sollte nicht der Verdacht entstehen, als Kräuterhexe zu arbeiten. Die Wirkungsweise der Kräuter wurde kaum dokumentiert. Zu gross war die Angst vor der vom Katholizismus geprägten Hexenverfolgung (I. Stadelmann, persönliche Mitteilung, 25. Mai 2010). Die Wandlung des Hebammenberufes vollzog sich im 20. Jahrhundert und wird von Tew (2007) und Strack (2006) als paradox beschrieben. Die Ausbildung wurde nun von männlichen Geburtshelfern übernommen. Rockstaub (zitiert in Strack, 2006) äusserte, dass durch diese Entwicklung die Hebammenkunst zum Entbindungshandwerk verkam. Es entwickelte sich eine Geburtsmedizin und so gebären heute in der Schweiz rund 97% der Frauen im Spital. Wagner (2001) beschreibt, dass es bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht gelungen ist, die Vorteile der medikalisierten und technischen Geburt zu nutzen, ohne dass es zu geburtshilflichen Exzessen führt. Information und Bildung wird als erste mögliche Lösungsstrategie erwähnt (Wagner, 2001), was auch die Statistik des Hebammenverbandes Schweiz stützt. Im Jahr 2008 gab es in der Schweiz 3347 Geburten (von gesamt 76„691 Geburten), welche von Hebammen im Spitalexternen oder im Belegsystem begleitet wurden. Die Bildung der ausserklinisch betreuten Frauen liegt im Niveau Fachausweis bis höhere Fachausbildung. Der Trend in der Geburtshilfe geht langsam wieder Richtung natürliche Gesundheit, Work-Life-Balance und Eigenverantwortung (I. Stadelmann, persönliche Mitteilung, 25. Mai 2010). Immerhin 33% von 31„000 befragten Menschen in Deutschland („statistica“, n.d.) achten bei einer Medikamenteneinnahme wieder vermehrt auf natürliche Alternativen. Stadelmann (2007) und Schilcher, Kamerer & Wegener (2007) bestätigen, dass in der 5 Rizinusöl heutigen Gesellschaft das Interesse an Naturheilmitteln wieder steigt. Mit dieser steigenden Beliebtheit von Naturheilmitteln wird die Hebamme wieder vermehrt mit der Frage nach dem Wehen-Cocktail mit Rizinusöl konfrontiert. Trotz dieser positiven Entwicklung zurück zu einer alten Hebammentradtion, der Kräuterheilkunde, scheidet das alte Rezept „Wehen-Cocktail“ die Geister der Berufsfrauen. Viele verschiedenste Rezepturen zum Rizinus-Cocktail sind vorhanden, und ebenso viele unterschiedliche, gerade kontroverse Meinungen darüber gibt es. Während die einen Hebammen von diesem Wehen-Wundermittel schwärmen, haben andere Kolleginnen mit dem RizinusCocktail Wehenstürme, Uterusrupturen und Sturzgeburten erlebt. In der Diskussion mit freipraktizierenden Hebammen zeigte sich, dass bezüglich Anwendungen und Empfehlungen sehr unterschiedliche Meinungen vorhanden sind. 2.2 Rizinusöl in den Lehrbüchern In der Fachliteratur ist sehr wenig über die Einsatzmethode, die Wirkungsweise oder Anwendungen von Rizinusöl beschrieben. Auffallend ist ebenfalls, dass spezifische Hebammenliteratur im Allgemeinen nicht von der Anwendung des Rizinus-Cocktails abrät. Im Gegensatz dazu die ärztliche Fachliteratur, in der die alternativen Methoden zur Wehenförderung mit einem Satz abgehandelt werden. „Den historischen Massnahmen zur Geburtseinleitung, wie z.B. Fasten, Durchführung von Scheidenspülungen und heissen Bädern, Einlagen von Laminarstiften etc., kommt heute keine Bedeutung mehr zu“ (Schneider, Husslein & Schneider, 2006, S. 673). Schwangere wünschen und bevorzugen oftmals eine natürliche Methode zur Wehenförderung (Mändle & Opitz-Kreuter, 2007), wobei auch der Rizinuscocktail als gute Möglichkeit dargestellt wird. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass noch zu wenige Evidenzen dazu existieren, welche die positiven Rückmeldungen der Hebammen und Schwangeren untermauern (Mändle & Opitz-Kreuter, 2007). Zum selben Ergebnis kommt der Bund deutscher Hebammen (2005). Und trotzdem wird auch hier wieder auf die Erfahrungen der Hebammen hingewiesen, die von diesem Mittel überzeugt sind und dieses auch regelmässig anwenden. Stadelmann (2005) und Gruber & Gruber (2006) empfehlen, den Rizinuscocktail erst dann einzunehmen wenn es zu einer Terminüberschreitung kommt. Denn dieser wirkt meist nur, wenn der Geburtsbeginn kurz bevor steht und das Kind bereit ist, auf die Welt zu kommen. 6 Rizinusöl 3 ZIELSETZUNG, FRAGESTELLUNG UND EINGRENZUNG 3.1 Zielsetzung Das Ziel der empirischen Befragung ist es, die erfahrene Wirkung des Rizinusöls bei der Anwendung und die darauffolgende Wirkung bezüglich Geburtsverlauf, Komplikationen und Outcome zu erfassen. Aus der wissenschaftlichen Literatur sollen Evidenzen zur Einnahme des RizinusCocktails erarbeitet werden. Für das Praxisprojekt ist eine evidenzbasierte Handlungsanweisung für die Anwendung von Rizinusöl das Ziel. Dies soll den Anwendungszeitpunkt, die Mischung, sowie mögliche Kontraindikationen enthalten. Es soll den freipraktizierenden Hebammen im Berufsalltag eine evidenzbasierte Entscheidung ermöglichen. Aufgrund der Zielsetzung, der Literatur, den Aussagen der Hebammen und um eine optimale Betreuung der Frau zu ermöglichen, wurden folgende Fragen gestellt. 3.2 Fragestellungen: Wann empfehlen die freipraktizierenden Hebammen den Rizinus-Cocktail und welche Erfahrung bezüglich der Wirkung machen sie? Welche Evidenzen zur Einnahme können aus der wissenschaftlichen Literatur herausgearbeitet werden? Welche Handlungsempfehlungen können für die Praxis gemacht werden? 3.3 Eingrenzung Der Rizinus-Cocktail gehört zu den alternativen Methoden der Wehenförderung. Weitere Möglichkeiten für eine Wehenförderung sind nicht Bestandteil dieser Arbeit. Auch wird auf die medikamentöse Einleitung nicht eingegangen. Die Wehenförderung mit dem Rizinus-Cocktail betrifft eine Schwangerschaft zwischen der 37. und 42. Woche. Auf die Mischung und das Anwendungsrezept des Cocktails wird im theoretischen Bezugsrahmen näher eingegangen. Eine weitere Eingrenzung betrifft das Setting. Der Schwerpunkt wird auf die freiberuflichen Hebammen in der Schweiz gelegt, welche zum jetzigen Zeitpunkt anerkannt in der Geburtshilfe arbeiten und Mitglied im Schweizerischen Hebammenverband (SHV) sind. 7 Rizinusöl 4 GRUNDLAGEN 4.1 Wissenschaftliche Literatur zum Rizinus-Cocktail Um die wissenschaftliche Literatur zu bearbeiten und Evidenzen zum Rizinus-Cocktail zu finden, wurde folgendes Vorgehen durchgeführt. Im Zeitraum von März bis April 2010 wurde in den Datenbanken von Pubmed, Cochrane Collaboration, Medline, Cinahl Studien und Reviews zum Rizinus-Cocktail, zur Wehenauslösung und dem Tätigkeitsfeld der Anwendung gesucht. Es wurden folgende Keywords benutzt: „castor oil“ und „induction of labour“. Fünf passende Studien, ein Review und ein Case Report wurden gefunden. Die Studien wurden nach dem Analyseraster der Berner Fachhochschule für Gesundheit (Loos, 2010) bearbeitet und anschliessend mittels dem Bewertungssystem der Hierarchie der wissenschaftlichen Evidenzen (Stahl, 2008) eingeteilt. 4.2 Terminüberschreitung und deren Bedeutung Wenn das Thema Rizinus-Cocktail in der Praxis angesprochen wird, liegt meistens das Problem einer Terminüberschreitung zu Grunde. In der Praxis trifft die Hebamme sehr häufig auf schwangere Frauen über dem errechneten Entbindungstermin. Die Literatur (Stahl, 2007) zeigt ebenfalls, dass nur ungefähr vier Prozent der Kinder am errechneten Entbindungstermin zur Welt kommen. Was eine Terminüberschreitung, sowie der Begriff Übertragung bedeutet, wird nun genauer erläutert. Übertragung bezeichnet die Überschreitung des errechneten Geburtstermins um 14 Tage und mehr. Die Schwangerschaft dauert also länger als 42 vollendete Wochen beziehungsweise 295 Tage post menstruationem an. Bei einer Schwangerschaft, die im Zeitraum vom 282. bis zum 294. Tag post menstruationem beendet wird, spricht man von verlängerter Tragzeit (Mändle & Opitz-Kreuter, 2007). Bei den Begriffen Terminüberschreitung und Übertragung gibt es immer wieder Probleme mit der Definition, da sie als Synonyme verwendet werden. Enkin et al. (2006) weist darauf hin, dass es zu Verwirrungen führt, wenn klinisch der Begriff Terminüberschreitung mit dem Übertragungssyndrom (Dysmaturität) assoziiert wird, jedoch eine simple Aussage bezüglich eines zeitlichen Abstandes in der Schwangerschaft bedeutet. Auch nach Schneider et al. (2003) spricht man erst bei ≥42 Schwangerschaftswochen (SSW) von einer Abweichung der Norm. Laut Enkin et al. (2006) kommt eine Übertragung von 8 Rizinusöl mehr als 42 vollendeten SSW, je nach Literatur und untersuchter Population, in 4 bis 14 % der Fälle vor. Der Berechnung des voraussichtlichen Entbindungstermins kommt eine wichtige Bedeutung zu. Denn damit lassen sich unnötige Interventionen bei einer Schwangeren ohne Übertragung verhindern. Nach den Guidelines der schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) (Hohlfeld, Drack, Primavesi, Schneider & Vogel, 1999) gibt es von der 39 0/7 bis zur 40 6/7 Schwangerschaftswoche keinen Anlass zur expliziten Überwachung oder Geburtseinleitung, wenn keine Risiken vorliegen. Ab der 41 0/7 SSW wird eine Überwachung empfohlen und das weitergehende Management mit dem Paar besprochen. Die Bedeutung der Terminüberschreitung für die Frau muss durch die Hebamme herauskristallisiert werden. Das weitere Management bei der Terminüberschreitung hängt von den persönlichen Ressourcen der Frau und ihrer Familie, sowie der klinischen Untersuchung ab. Mögliche Auswirkungen auf den Fetus in Folge einer Schwangerschaftsverlängerung sind vielfältig und werden meist durch die Funktion der Plazenta bestimmt (Schneider et al., 2003). Eine Verminderung der Fruchtwassermenge ist ein früher Hinweis auf eine beginnende Plazentainsuffizienz. Als Folge eines Oligohydramnion wird möglicherweise eine Kompression der Nabelschnur verursacht, was zu einer schweren intrauterinen Asphyxie bis hin zum intrauterinen Fruchttod führen kann. Geburtsstress und Mekoniumaspiration sind für den Fetus grosse Bedrohungen, welche mit einer hohen Mortalität und Langzeitmorbidität verbunden sind (Schneider et al., 2003). Laut Enkin et al. (2006) und der SGGG (2002) ist eine routinemässige Einleitung vor der 41 0/7 Schwangerschaftsdauer jedoch nicht gerechtfertigt. Ab der vollendeten 41. Schwangerschaftswoche soll den Frauen, welche sich für eine Einleitung entscheiden, die bestmögliche verfügbare Form der Einleitung angeboten werden (Enkin et al., 2006). Somit kann davon ausgegangen werden, dass eine Terminüberschreitung bis zur 42. Schwangerschaftswoche eine Normvariante darstellt. Ein regelmässiger Kontakt soll zwischen der Hebamme und der Schwangeren bestehen um Ängste, Unsicherheiten und Wünsche anzusprechen. Weiter soll die Hebamme adäquat, wachsam und evidenzbasiert ihre Befunde erheben, je nach Situation eine Zusammenarbeit mit einem Facharzt suchen, sowie die Frau und ihren Partner bezüglich der Terminüberschreitung aufklären und informieren. 9 Rizinusöl 4.3 Geburtsauslösung und Wehenbeginn Das Praxisproblem der Terminüberschreitung führt zu weiterem Erklärungsbedarf. Denn die Terminüberschreitung steht in direktem Zusammenhang mit einer fehlenden Geburtsauslösung. Was dazu führt, dass eine Geburt in Gang kommt oder eben nicht und welche Faktoren das gesamte Geschehen beeinflussen, wird nachfolgend beschrieben. Die Auslösung der Geburt wurde wissenschaftlich noch nicht restlos aufgeklärt. Verschiedene Faktoren wie mechanische, nervale, fetale Impulse, der fetomaternale Grenzbereich und der Elektrolythaushalt beeinflussen den Geburtsbeginn. Es gibt verschiedene Definitionen zervixwirksamen und wann die regelmässigen Geburt Wehen beginnt. haben Das jedoch Einsetzen alle von Definitionen gemeinsam. Zum Ende der Schwangerschaft spielen sich einige Veränderungen im Körper ab. Die Ansprechbarkeit der Uterusmuskulatur auf Oxytocin steigt und auch die Menge an Oxytocin im Körper nimmt zu (Mändle & Opitz-Kreuter, 2007). Es gibt eine Veränderung in der fetalen Hypophysen-Nebennieren-Achse, welche eine unterstützende Funktion für die Geburtseinleitung hat (Coad & Dunstall, 2007). Der fetomaternale Grenzbereich, welcher aus Dezidua, Plazenta, Chorioamnion und Zervix besteht, reguliert die Erhaltung und Geburtsauslösung der Schwangerschaft mittels verschiedener Mediatoren. Regelmässige Wehen, welche ein Zeichen für den Geburtsbeginn sind, werden als wiederkehrende Kontraktionen der Uterusmuskulatur definiert (Mändle & Opitz-Kreuter, 2007). Das Myometrium besteht aus glatter Muskulatur und beinhaltet Muskelfasern mit verschiedenen Verläufen (Coad & Dunstall, 2007). Die Wehendauer, die Anzahl der Wehen innerhalb einer bestimmten Zeitspanne, die Wehenpausen und das Verhalten der Frau sind zentrale Aspekte bei der Beobachtung und Beurteilung von Wehen (Mändle & Opitz-Kreuter, 2007). Der Uterus besteht aus einem aktiven oberen Teil, bestehend aus Fundus und Corpus uteri und einem passiven unteren Teil, unteres Uterinsegment und muskelarme Zervix. Bei der Wehentätigkeit kommt es zur Kontraktion des Uterus, daraus folgt eine intrauterine Druckerhöhung. Das Kind weicht in Richtung des geringsten Widerstandes aus, zur Zervix. Die Muskelfasern des Corpus uteri kehren nach einer Kontraktion nicht mehr in ihre ursprüngliche Länge zurück. Somit wird Zug, Distraktion genannt, am unteren Uterinsegment ausgeführt. Dies führt zur Dilatation des Muttermundes (Mändle 10 Rizinusöl & Opitz-Kreuter, 2007). Diese Reifung kann mittels Erhebung des Bishop-Scores beobachtet werden. Erfasst werden Portiolänge (grösser als 2 cm, 1 cm, verstrichen), Konsistenz (derb, mittel, weich), Lage (sakral, mediosakral, zentriert), Muttermund (geschlossen, 1 cm, 2 cm, 3 cm) und Höhenstand (über interspinal, interspinal, unter interspinal) nach Mändle & Opitz-Kreuter (2007). Dieses gesamte komplexe Geschehen setzt nach Schneider et al. (2003) einen Vorbereitungsprozess voraus, welcher in seinem Ablauf genetisch programmiert ist. Ursachen für eine fehlende Geburtsauslösung lassen sich in verschiedenste Kategorien unterteilen von genetisch determiniert über morphologisch-anatomisch, sowie biochemische Defekte in den Achsen Hypothalamus-Nebennierenrinde-Plazenta, Eihäute-Zervix, Myometrium- Dezidua, aber auch durch exogene Einflüsse, wie Umweltgifte (Schneider et al., 2003). In das komplexe Geschehen kann jedoch eingegriffen werden. Nach Hösli, Lapaire und Voekt (2009) gibt es über 20 verschiedene Methoden einer Geburtseinleitung und Wehenauslösung. Ein grosser Anteil davon sind medikamentöse Methoden, welche nicht weiter in dieser Arbeit behandelt werden. Daneben gibt es mechanische, sowie pflanzliche Massnahmen, zu welcher das Rizinusöl gehört. 4.4 Das Rizinusöl – ein Phytotherapeutikum Seit vielen Jahren kennen Hebammen Pflanzen und Mittel, welche sie in der Geburtshilfe anwenden. Insbesondere das Rizinusöl wird zur Geburtsauslösung immer wieder erwähnt. Um Rizinusöl anzuwenden, braucht es Wissen bezüglich der Wirkung. Das Rizinusöl gehört in die Gruppe der Phytotherapeutika. Die Begriffsdefinition der Phytotherapie (Schilcher et al., 2007) ist folgende: Heilung, Linderung und Vorbeugung von Krankheiten bis hin zu Befindungsstörung durch Arzneipflanzen. Moderne Phytotherapie ist keine „Alternative-Medizin“, sondern ein Teil der heutigen naturwissenschaftlich orientierten Schulmedizin. Das Rizinusöl (Ricini oleum) wird aus dem Samen der Pflanze Ricinus communis (Wunderbaum) gewonnen. Die gereinigten und geschälten Samen werden bei ca. 40 Grad Celsius kalt gepresst, entschleimt, entsäuert und wasserdampfbehandelt. Es wirkt laxierend, hemmt den Einstrom von Flüssigkeit und Elektrolyten und fördert die Wasserausscheidung. In Gegenwart von Gallenflüssigkeit wird durch Lipasen Rizinolsäure aus dem Glyzerid freigesetzt, die dann über die Freisetzung von Prostaglandin E2, eine Verstärkung der Aktivität der Stickstoffmonoxid-Synthetase und Hemmung der Adeninukleotid-Transferase die Darmmotorik anregt. Prostaglandine der 11 Rizinusöl E-Reihe hemmen die Resorption und steigern die Sekretion von Wasser und Elektrolyten im Darm von Menschen (Schilcher et al., 2007). Bereits im Mittelalter wurde Rizinusöl bei Uterusleiden angewandt. Im Lehrbuch der biologischen Heilmittel von Madaus (1938) wird die wehenfördernde Wirkung des Öls beschrieben (Madaus zitiert in Stadelmann, 2007). Dass die resorbierte Ricinolsäure über eine Anregung der Prostaglandin-Biosynthese im Pfortaderbereich zu einer Kontraktion des schwangeren Uterus führt, sowie eine Wirkung zwischen zwei bis vier Stunden eintritt, wird ebenfalls beschrieben (Blascheck et al., 2008). Das Rizinusöl wird als Massnahme für eine Geburtsauslösung nicht pur eingenommen. Rizinusöl ist eines der wenigen Öle, das vor allem durch Ethanol sehr gut emulgiert wird. Was dies für eine Einnahme bedeutet und was der bekannte Rizinus-Cocktail beinhaltet, wird anschliessend beleuchtet. 4.5 Der Wehen-Cocktail und die Einnahme Wird der Begriff „Wehen-Cocktail“ in Google eingegeben, werden ungefähr 20„000 Ergebnisse angezeigt. In der heutigen Zeit holen sich viele Schwangere und ihre Partner Informationen aus dem Internet. In Foren, auf Schwangerschafts-Webseiten und in persönlichen Blogs ist der Begriff Wehen-Cocktail allgegenwärtig. Dazu natürlich die verschiedensten und vielfältigsten Rezepte. Diese reichen von der Mischung mit Tee, Sirup, Saft, bis zur Zugabe von Eisenkraut oder homöopathischen Mitteln. Der Alkohol im Cocktail ist wichtig, damit Saft und Öl emulgieren können. Der am häufigsten genannte Rizinus-Cocktail enthält zwei Esslöffel Rizinusöl, 250 ml Fruchtsaft und Alkohol. Die Empfehlung einen kaliumhaltigen Saft (beispielsweise Aprikosensaft) beizumischen, hilft, den Kaliumverlust durch die abführende Wirkung zu verringern und ist laut Stadelmann sehr wichtig (I. Stadelmann, persönliche Mitteilung, 25. Mai 2010). Auch der Einnahmezeitpunkt wird vielfältig beschrieben. Stadelmann (2007) empfiehlt die Einnahme zur Parasympathikus-Zeit, also gegen den Abend. Denn zum parasympathischen Anteil gehören die inneren Funktionen wie Kreislauf, Verdauung, Atmung, Stoffwechsel und Uterus. Ein verstärkter Blutfluss Richtung Darm und Haut, die Stimulation von Drüsensekretion und Peristaltik sowie die Senkung der Herzfrequenz gehören zu den Wirkungen, die durch das parasympathische System ausgelöst werden (Coad & Dunstall, 2005). Das parasympathische System ist in den 12 Rizinusöl Abend- und Nachtstunden dominant. Dann werden die aktiven Anteile des Menschen gedrosselt, der Körper verdaut, reguliert und erholt sich. Die Wichtigkeit von Ethanol im Cocktail wurde bereits im vorigen Abschnitt erwähnt. Einerseits ist der Alkohol hilfreich für die Emulgation, andererseits existiert auch die Annahme, dass durch den Alkoholanteil die bekannte abführende Wirkung des Rizinusöls eingedämmt werden kann. 4.6 Der Alkohol im Cocktail Es besteht die Annahme, dass die Kombination von Alkohol und Rizinusöl die Durchblutung verbessert. Damit soll eine bessere Resorption und Wehenanregung ermöglicht, und die abführende Wirkung durch geringere Darmreizung vermieden werden (Stadelmann, 2007). Sekt enthält 8 bis 14 % Alkoholgehalt und Cognac (Weinbrand) hat bis zu 38 Volumenprozent. Dies sind die beiden meistgenannten Alkoholsorten in den Rezepten. Alkohol führt im Körper zu einer Vasodilatation der peripheren Blutgefässe. Dies führt zu einer schnelleren Darmpassage und vermindert so Diarrhö. Durch Zucker (Fruchtsaft) und Kohlenstoffdioxid (zum Beispiel im Sekt) wird die Durchblutung zusätzlich gesteigert, was ein begünstigender Faktor für die Alkoholaufnahme ist (I. Stadelmann, persönliche Mitteilung, 25. Mai 2010). Studien oder Artikel zur Bestätigung dieser Annahme wurden nicht gefunden. Diese einmalige Alkoholeinnahme hat auf das Kind keine schädliche Wirkung (I. Stadelmann, persönliche Mitteilung, 25. Mai 2010). Laut den Lehrbüchern der Chemie, den Begründungen für die Mischung und den Einnahmezeitpunkt, sowie dem Bekanntheitsgrad spricht alles für den Rizinus-Cocktail. Aber welche Erfahrungen bezüglich der Wirkung für eine Geburtsauslösung gemacht und beschrieben wurden, wird im nächsten Abschnitt thematisiert. 4.7 Wirkt er denn – der Rizinus-Cocktail? Kommt es also zu einer Terminüberschreitung einer gesunden Schwangeren, besteht nach Einverständnis der Frau die Möglichkeit, die Geburt mit dem Rizinus-Cocktail auszulösen. Allerdings wird die Wirkung des Rizinus-Cocktails in den Studien sehr unterschiedlich beschrieben. Der Review von Kelly, Kavanagh & Thomas (2001) beschäftigt sich mit alternativen Methoden zur Geburtseinleitung, wie mit der Rizinus-Cocktail-Methode, mit 13 Rizinusöl Einläufen oder heissen Bädern. Da nur eine Studie verwendet werden konnte, waren die Resultate nicht eindeutig zu bewerten. Die Methode wurde beschrieben, die Qualität der Studie ebenfalls. Als einziger signifikanter Unterschied wurde nach der Einnahme von Rizinusöl vermehrt Nausea festgestellt. Der Review wurde im Evidenzlevel Drei eingeteilt, die Studie wurde mit einer kleinen Stichprobe durchgeführt, die Qualität der Methode war nicht valide. Auch Azhari, Pirdadeh, Lotfalizadeh & Shakeri (2006) prüften kontrolliert und randomisiert die Wirkung vom Rizinus-Cocktail bei schwangeren Frauen am Termin (Analyse Anhang 13.5.1). Es zeigte sich ein signifikanter Unterschied bezüglich des Bishop-Score, welcher in der Rizinus-Cocktail-Gruppe innerhalb 24 Stunden höher war, als in der Kontrollgruppe ohne Intervention. Die Studie wurde sorgfältig und randomisiert durchgeführt, ein signifikanter Unterschied konnte festgestellt werden. Die Studie erhält trotz kleiner Teilnehmerzahl Evidenzlevel Eins. Auch Knauss, Strunz, Wöckel & Reister (2009) untersuchten in einer prospektiven, randomisierten Untersuchung (Evidenzlevel Eins) die Wirkung des Rizinus-Cocktails im Vergleich zu Prostaglandinen (Analyse Anhang 13.5.2). Der Indikationsgrund war eine Terminüberschreitung. Die Resultate zeigten, dass der Cocktail bei Mehrgebärenden als Alternative zu Prostaglandine angesehen werden kann, allerdings bei Erstgebärenden keinen signifikanten Einfluss auf den Geburtsbeginn hat. Mit unerwünschter Wirkung beschäftigt sich vor allem der Case Report von Sicuranza & Figueroa (2002), welcher sich mit einem Fall einer Uterusruptur nach Einnahme von 5 ml Rizinusöl befasst. Es wurde festgestellt, dass in den meisten Studien über Rizinusöl, Frauen mit Status nach Sectio nicht einbezogen wurden. Somit kann abschliessend gesagt werden, dass aufgrund dieses Expertenberichtes, im Evidenzlevel Vier, weitere Studien nötig sind. Insbesondere bei Frauen nach vorgegangener Sectio. Ebenso befasst sich die Studie von Vonau, Motzet & Stenzel (2004) retrospektiv mit der unerwünschten Wirkung des Rizinus-Cocktails. In dieser Studie wurde auch die Wirkung der zusätzlichen Gabe von zwei Tropfen Eisenkrautöl erforscht. Der Eintrag erfolgte in ein sogenanntes „Cocktailbuch“. Retrospektiv wurden die dokumentierten Geburtsverläufe ausgewertet. Es wurde erfasst, dass der Fünf-Minuten-Apgar in der Gruppe ohne Eisenkrautöl über dem Mittelwert lag. Ebenso wurde eine schwache Signifikanz registriert, die bei der Gruppe Rizinusöl mit Eisenkraut eine leicht erhöhte 14 Rizinusöl Anzahl protrahierte Austreibungsphasen, sowie erhöhte Anzahl Periduralanästhesien verzeichnete. Diese Studie zeigte jedoch auch, dass im Vergleich zwischen den Rizinus-Cocktail-Geburten und den eingeleiteten Geburten mit Prostaglandinen die Rizinus-Gruppe weniger Analgetika brauchte. Die retrospektive Vergleichs-Studie wurde in den Evidenzlevel Drei eingeteilt. Die Studie von Boel, Lee, Rijken & Paw (2009) beschäftigt sich mittels einer historischen Kohortenstudie (Evidenzlevel Drei) ebenfalls mit der Sicherheit und Effektivität betreffend der Abgabe des Rizinus-Cocktails. Die Resultate zeigten keinen Einfluss auf die Geburtszeit und auch keine negativen Outcomes für Mutter und Kind. Bezüglich der Vorlieben und der Zufriedenheit der Wehenförderung der Frauen macht Knauss et al. (2009) folgende Aussage. Mittels eines Fragebogens erhob Knauss et al (2009) die Zufriedenheit der randomisierten Frauen bezüglich der Intervention. Auffallend war, dass die Akzeptanz, unabhängig vom Resultat, der Methode Rizinusöl gegenüber pharmakologischen Mitteln um einiges grösser war. Um ein Gesamtbild der Evidenzen aufzuzeigen, wurden ebenfalls Leitlinien gesucht. Das National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) hat Evidenzen zum Rizinus-Cocktail in der Guideline Induction of Labour zusammengefasst. Die NICEGuideline (2008) empfiehlt Rizinusöl zur Wehenauslösung nicht, es fehlen weitere Studien für eine evidenzbasierte Empfehlung. Die Guidline wurde im Jahr 2008 erstellt, die Studie von Knauss et al (2009) wurde nicht integriert. Die Leitlinie erhält das Evidenzniveau Eins b, nach dem deutschen Leitlinien Bewertungsinstrument (DELBI) („Versorgungsleitlinien“ n.d.) eine ausdrückliche Empfehlung der Leitlinie. Die Settings der aufgeführten Studien betreffen insbesonders den stationären Bereich. Häufig wird der Rizinus-Cocktail in der häuslichen Geburtshilfe als Möglichkeit der Wehenauslösung empfohlen. Deshalb wurde eine Studie über das Anwendungsumfeld miteinbezogen. 4.8 Wo wird der Rizinus-Cocktail angewendet? Bezüglich Anwendung von Rizinus-Cocktail im Arbeitsfeld gibt die Studie von McFarlin, Gibson, O‟Rear & Harman (1999) Anhaltspunkte, welche die amerikanischen Hebammen befragt, ob sie natürliche Substanzen für die Wehenstimulation benutzen. 500 amerikanische Hebammen vom Verband American College of Nurse-Midwives 15 Rizinusöl (ACNM) haben an dem Survey teilgenommen. Jede 50. Hebamme der Liste wurde dafür ausgewählt. Daraus resultierte dass, die meisten freipraktizierenden, sowie ein grosser Anteil der Spitalhebammen Rizinusöl benutzen. Hebammen welche pflanzliche Mittel anwenden sind im Schnitt jünger (43 bis 45 Jahre) und arbeiten signifikant mehr in spitalexternen Settings. Die Gründe der Anwendung sind vielfältig. Folgende Gründe wurden oft angegeben: weniger invasiv, Möglichkeit für spitalexternes Setting, billiger, Tradition. Die deskriptive Studie wurde in das Evidenzlevel Drei eingeteilt. Von McFarlin et al. (1999) wird beschrieben, dass in Amerika der Rizinus-Cocktail gehäuft im spitalexternen Bereich genutzt wird. Hauptsächlich auch um eine Einleitung im Spital zu umgehen. Aber liegt die Betreuung einer Schwangerschaft über dem Termin noch in Hebammenhände? Und wie sieht das Kompetenzprofil diesbezüglich aus? Darauf wird im nächsten Abschnitt näher eingegangen. 4.9 Kompetenzen der Hebammen Im Jahr 1972 und 1973 wurde vom internationalen Hebammenverband und der internationalen Vereinigung von Geburtshilfe und Gynäkologie (FIGO) zum ersten Mal „Hebamme“ formal definiert. In den 90er Jahren wurde die Berufsbeschreibung vom internationalen Hebammenverband (ICM), der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und FIGO anerkannt. Diese wurde 2005 übersetzt, vom schweizerischen Hebammenverband (SHV) angenommen und 2007 von der Berufskonferenz der Hebamme angepasst. Das Profil umschreibt die Berufsdefinition der Hebamme, das Geburtshilfeverständnis und die Kompetenzen in zehn zentralen Punkten. Enkin et al. (2006), Mändle & Opitz-Kreuter (2007) und Schneider et al. (2003) sind sich einig, dass eine Schwangerschaft bis zur 42 0/7 Schwangerschaftswoche als verlängerte Tragzeit gilt und in den meisten Fällen eine Normvariante darstellt. Die Situation gehört also in das Kompetenzprofil der Hebamme. Die Hebamme beobachtet wachsam und gewissenhaft, erhebt Befunde adäquat und begründet eine Zusammenarbeit mit Fachpersonen. In Sachen der Arzneimittelabgabe ist das Kompetenzprofil der Hebamme sehr allgemein. Die konkreten Kompetenzen hinsichtlich der Verordnung oder Empfehlung von pflanzlichen und chemischen Substanzen, auf welche die Hebamme im Berufsalltag immer wieder trifft, sind im Gesundheitsgesetz verankert. 16 Rizinusöl 4.10 Darf die Hebamme Rizinusöl verordnen oder empfehlen? Auch Phytotherapeutika müssen den Grundanforderung der Arzneimittelgesetze im Hinblick auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit genügen. Obwohl das Rizinusöl nicht verschreibungspflichtig ist, ist es trotzdem ein Arzneimittel und darf in seiner Wirkung nicht unterschätzt werden. Rizinusöl ist auf der Liste der homöopathischen und anthroposophischen Heilmittel von Swissmedic (2010) aufgeführt. Es darf nur oral eingenommen werden und gehört zur Abgabekategorie „D“, was gemäss Swissmedic und dem Bundesamt für Gesundheit eine Abgabe nach einer Fachberatung bedeutet. Im Artikel 27 der Arzneimittelverordnung des Bundesrats steht folgendes: Als für die Anwendung verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Rahmen ihrer Berufsausübung genügend ausgebildet gelten: a. diplomierte Hebammen,… Diese Personen bedürfen für die Anwendung verschreibungspflichtiger Arzneimittel einer Bewilligung des Kantons, in dem sie den Beruf ausüben. Der Kanton bestimmt die Arzneimittel, welche die Personen nach Absatz 1 anwenden dürfen. Er sorgt für eine regelmässige Aufsicht durch eine geeignete Medizinalperson“ (Arzneimittelverordnung, 2001, S. 13). In den meisten Kantonen existiert eine Arzneimittelliste für die freipraktizierende Hebamme. Die Liste wird durch den Kantonsapotheker erstellt und überprüft und muss durch den Gesundheitsdirektor bewilligt werden. Folgende Beispiele lassen die grossen kantonalen Unterschiede der freiberuflichen Hebammen erkennen. Im Kanton Luzern ist das Rizinusöl in der Arzneimittel-Liste aufgeführt („Kantonsapotheker“, 2001). Der Kanton St. Gallen führt es auf seiner Arzneimittelverordnung nicht auf und im Kanton Aargau ist die Abgabe von Arzneimitteln durch Hebammen nicht erlaubt. Nach Artikel 27 ist es allerdings legitim, dass Hebammen das Rizinusöl nach einer Beratung empfehlen oder mit Zustimmung der Frau verabreichen dürfen. Vor einer Selbstmedikation der Frau sei hier aber ausdrücklich gewarnt. Viele Voraussetzungen für eine Empfehlung des Rizinus-Cocktails sind in den letzten Abschnitten beschrieben worden. In der Hebammentätigkeit stehen aber auch die Wünsche und Ansichten der Frau im Mittelpunkt. Um eine Empfehlung für eine Einnahme des Rizinus-Cocktails zu machen, ist eine vollständige Anamnese und eine ganzheitliche Information der Frau von Bedeutung. 17 Rizinusöl 4.11 Hebammendiagnosen und informierte Entscheidung Um die Situation der Frau ganzheitlich zu erfassen, erscheint der Problemlöseprozess sinnvoll. Nach dem Prozess der Hebammenarbeit von Georg & Cignacco (2006), führt die Hebamme zuerst ein Assessment durch. Sie fragt im Gespräch nach Ressourcen der Frau und ihrer Familie. Befunde werden erhoben, die Hebamme beobachtet gewissenhaft und gibt der Frau und ihrem Partner Raum für Fragen und plant Zeit für Gespräche ein. So wird die physische, psychische und soziale Situation aufgenommen. Es wird dann durch die Hebamme eine Diagnose gestellt, welche kurz, prägnant und fachlich fundiert ist und die relevanten Probleme und Ressourcen der aktuellen Situation mit einbezieht. Dann formuliert die Hebamme das Ziel und bespricht mit der Frau Massnahmen, um dieses Ziel zu erreichen. Die Massnahmen werden durchgeführt und dokumentiert. Nach der Durchführung erfolgt die Evaluation, ob das Ziel erreicht werden konnte und wie die Frau die Massnahmen empfunden hat. Dieses Modell professionalisiert und hebt die Qualität der Hebammenarbeit. Ebenso sorgt es für Transparenz gegenüber dem Verband und den Kostenträgern. Insbesondere mit der Einführung der Diagnosis Related Groups (DRG) im Jahr 2012 wird es zunehmend von Bedeutung sein, die Hebammenarbeit ganzheitlich zu dokumentieren und die Kunst des Begleitens von Frauen und ihren Familien beweisen zu können. Im Prozess der Hebammenarbeit ist die informierte Entscheidung ein wichtiger Bestandteil. Die Hebamme darf der Frau nicht Massnahmen und Interventionen aufdrängen. Im Gesundheitsgesetz der verschiedenen Kantone wird auf die Aufklärungspflicht des behandelnden Personals hingewiesen. Der internationale Ethik-Kodex für Hebammen (Schweizerischer Hebammenverband, „n.d.“) beschreibt unter dem ersten Punkt, dass die Hebamme das Recht der Frau, informiert zu sein, respektiert und unterstützt. Die Hebamme fördert die Bereitschaft der Frau die Verantwortung für die Entscheidung zu übernehmen. Bei der Entscheidungsfindung der Frau und ihrem Partner für die Einnahme des Rizinus-Cocktails, ist eine informierte Entscheidung sehr wichtig. Hierbei sind verschiedene Punkte zu beachten, zum einen die wissenschaftliche Evidenz. Dem Paar müssen mit einfachen Worten die Erkenntnisse aus der Wissenschaft beschrieben werden. Diesbezüglich ist es auch wichtig, transparent in Bezug auf die 18 Rizinusöl Ergebnisse zu sein. Zum anderen ist es von Bedeutung, dass die Fachperson das nötige Wissen hat, um Studien zu verstehen und kritisch zu würdigen. Nur so kann sie die Evidenz weitervermitteln. Weiter muss bei der entscheidenden Person nachgefragt werden, ob das Gesagte verstanden wurde. Ebenfalls muss die Entscheidungsfreiheit klar der Frau und ihrem Partner überlassen werden (Gaissmaier, 2009). Die Frau soll also über die Vor- und Nachteile des Rizinus-Cocktails informiert werden, um so eine eigene Entscheidung bezüglich der Einnahme treffen zu können. Die Akzeptanz der Frau ist so in den meisten Fällen gewährleistet und unterstützt damit einen positiven Bezug zum Geburtsbeginn. Nach Brailey (2008) beinhaltet das Konzept „informed choice“ die zwei folgenden wichtigen Punkte, Frauen haben das Recht auf Information und das Wissen, was mit ihrem Körper passiert. Die Frau entscheidet darüber, was mit ihr geschieht. Nach Brailey (2008) gibt es Techniken, wie Frauen über Risiken aufgeklärt werden können zum einen das visualisieren von Risiken, dies bedeutet nicht von hohen oder niedrigen Risiken sprechen und das Finden eines gemeinsamen Nenners, der das Risiko in positiver und negativer Auswirkung beschreibt. Die informierte Entscheidung ist ein wichtiger Bestandteil des Hebammenhandwerks. Ohne Information hat die Frau keine Entscheidungsmöglichkeit. Es ist von ethischer Bedeutung und im schweizerischen Gesundheitsgesetz verankert, dass jede Frau das Recht auf Information und auf eine eigene Entscheidung über sich und ihren Körper hat. 5 METHODE Im vorliegenende Praxisprojekt wurde, wie in der Fragestellung beschrieben, der Schwerpunkt der Implementierung einer Anwendungsempfehlung Rizinus-Cocktail bei den freiberuflichen Hebammen gelegt. In diesem Setting gibt es unterschiedliche Möglichkeiten von Arbeitsformen und Angeboten. 5.1 Arbeitsfeld der freipraktizierenden Hebamme Die Erhebung des Arbeitssettings der freipraktizierenden Hebamme (fpH) wurde bei einer Intervisionssitzung von sechs freipraktizierenden Hebammen erörtert. Die Themen der Gesundheitspolitik, der Berufszufriedenheit und der Qualität wurden direkt mit den Hebammen diskutiert. Weitere Informationen, auch bezüglich der Organisation des Verbandes, konnten auf der Homepage des SHV („Schweizerischer 19 Rizinusöl Hebammenverband“, n.d.) recherchiert werden. Die Verfasserinnen begleiteten in der Freizeit und der unterrichtsfreien Studienzeit freipraktizierenden Hebammen und sind so mit dem Arbeitsalltag etwas vertraut. 5.2 Methode der Datenerhebung Für die Erhebung bezüglich den Erfahrungen des Rizinus-Cocktails fiel der Entscheid für eine Survey. Laut Cluett & Bluff (2003) sind die Surveys sehr strukturiert und führen deshalb zu einer objektiven Analyse. Der Nachteil ist die Abhängigkeit, Motivation, sowie Fähigkeiten der Teilnehmer. Der Fragebogen (siehe Anhang 12.1) wurde nach Cluett & Bluff (2003) konzipiert. Er besteht aus einer Zusammenstellung von standardisierten und halboffenen Fragen bezüglich den gemachten Erfahrungen mit Rizinusöl. Der finanzielle Aufwand setzt sich aus dem Brief-Porto zum Verschicken der Fragebogen, sowie den frankierten Rückantwort-Couverts zusammen. Der Umfang des Fragebogens wurde so konstruiert, dass er in ungefähr 15 bis 20 Minuten auszufüllen ist. Gemäss Treecs, (1986) zitiert in Cluett & Bluff (2003), liegt dies im Bereich einer guten Akzeptanz der Teilnehmer. Im Begleitbrief wurden Ziel und Zweck der Datenaufnahme, sowie Informationen über die Durchführenden und die Fragestellung mitgeteilt. Ebenso wurden die Hebammen gebeten, den Fragebogen möglichst innerhalb von sieben Tagen zurückzusenden. Aufgrund des vorgegeben Zeitplans, wurde das Problem „Abwesenheit einer Hebamme“ in Kauf genommen. Ebenso konnte nicht überprüft werden, ob alle Fragebogen angekommen sind. Im Brief wurde den Hebammen für die Mitarbeit gedankt, sowie die Möglichkeit geboten, auf Wunsch über die Resultate informiert zu werden. Der Fragebogen wurde nach den ethischen Prinzipien (gemäss Schweizerischem Berufsverband der Krankenpflege SBK , 1998) nochmals evaluiert. Im Begleitbrief wurde umfassend über das Ziel, sowie die Datenerhebung und -analyse informiert. Somit wird das Prinzip Würde, welches umfassende Information beinhaltet, erfüllt. Fragebogen und Brief wurden neutral geschrieben, um die Befragten nicht zu beeinflussen. Die Autonomie, sowie Gutes tun, wurde erfüllt, weil die Befragten freiwillig und unabhängig von Zeitpunkt und Zeitbudget den Fragebogen ausfüllen konnten oder eben nicht. Die Daten wurden anonym erhoben. Wer weitere Ergebnisse wünschte, konnte eine E-Mail-Adresse angeben, was auch unter einem Pseudonym möglich ist. Eine Limitation bezüglich Gerechtigkeit ist aufgrund der Sprache erfolgt. Die Fragebogen wurden vor allem deutschsprechenden Hebammen zugeschickt. In die Westschweiz gingen zwei Fragebogen, in die Südschweiz gar keiner. 20 Rizinusöl Die Fragebogen wurden an 135 deutschsprechende Hebammen, welche dem Schweizerischen Hebammenverband angehören, verschickt. Somit konnte eine möglichst grosse Stichprobe erreicht werden. Die Bedingung an die 135 Hebammen war, dass sie Begleitung von Hausgeburten, Beleggeburten oder Geburtshausgeburten im Angebot haben. Die Datenerhebung wurde innerhalb von zwei Wochen durchgeführt. Um die grundlegende Frage, ob die Hebammen den Rizinus-Cocktail empfehlen würden und welche Erfahrungen sie diesbezüglich gemacht haben, wurde der Fragebogen so aufgebaut, dass die erste Frage wegweisend für das nachfolgende Vorgehen war. Es wurde gefragt, ob die befragte Hebamme den Rizinus-Cocktail bei schwangeren Frauen anwendet. Sie konnte dies mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten und wurde dann in die entsprechende Spalte geleitet. In der Spalte für die Antwort „Ja“ wurde weiter erörtert, ab welcher Schwangerschaftswoche, bei welchen Indikationen, bei welchen geburtshilflichen Kriterien sie den Rizinus-Cocktail empfehlen. Diese Antworten, sowie die weiteren offenen Fragen nach Kontraindikationen, der Grund der Anwendung, den Erfahrungen und Rezepten konnten angekreuzt werden. In der Spalte für die Antwort „Nein“ wurde gefragt, warum der Rizinus-Cocktail nicht angewendet wird und was sich ändern müsste, damit der Cocktail angewendet wird und welche Erfahrungen die Befragten damit gemacht haben. Auch hier konnten im ersten Teil die Antworten angekreuzt werden und die Erfahrungen und die gewünschten Änderungen mussten durch die Befragten beschrieben werden. Am Schluss des Fragebogens wurde nach den Jahren an Berufserfahrung und die Berufserfahrung als freiberufliche Hebamme sowie das Tätigkeitsfeld (Hausgeburten, Beleggeburten, Geburtshausgeburten) gefragt. Auch die jährliche Geburtenzahl der einzelnen Hebamme war Bestandteil der Befragung. An einer Intervisionssitzung wurde der Fragebogen durch die freipraktizierenden Hebammen (FPH) als Testlauf ausgefüllt. Die Fragen wurden von allen Beteiligen verstanden. Laut den Hebammen ist die Struktur übersichtlich. Der Zeitaufwand für das Ausfüllen wurde auf 15 bis 20 Minuten geschätzt. Einzig die Frage nach Kontraindikation führte zu Diskussionen. Beim Fragebogen des Testlaufs wurden unter der Kategorie Kontraindikationen Möglichkeiten zum Ankreuzen gegeben. Als erstes wurde besprochen, ob ein pathologisches Cardiotokogramm nicht auch zu den 21 Rizinusöl Kontraindikationen gehöre. Dies führte zu Argumentationen über weitere Anwendungseinschränkungen. Aufgrund dessen wurde entschieden, diese Frage offen zu gestalten. So musste sich jede Befragte selber überlegen, ob es für sie Kontraindikationen gibt. Die Hebammen waren der Meinung, dass alle Aspekte angesprochen seien und haben es nicht abgelehnt bestimmte Fragen zu beantworten (Checkliste nach Cluett & Bluff, 2003). 5.3 Methode der Datenauswertung Die Datenauswertung erfolgt mittels deskriptiver Statistik. Nach Polit, Tatano Beck & Hungler (2004) sind dies insbesondere Häufigkeitswerte. Nach Schnyder (D. Schnyder, persönliche Mitteilung 02. Juni 2010) sind die erhobenen Daten qualitativer Art, da sie Häufigkeiten von Antworten darstellen. Um die Daten der angekreuzten Antworten besser zu organisieren, wurden sie mit Prozentzahlen in Balkendiagramme eingefügt, dadurch werden die Häufigkeiten der Antworten sichtbar gemacht. Die Antworten der Kontraindikation Analysestil und gemachten durchgeführt (Polit et Erfahrungen al., 2004). wurden Die mittels Autorin redaktionellem entwickelte ein Kategorienschema, um die Daten zu sortieren und zu organisieren. Nach Mayring (2003) wird dieses Kategorienschema Klassifizierung genannt. Diese Klassifizierung ist ein zentraler Punkt und muss nachvollziehbar sein. Ebenso müssen die Ergebnisse gemäss den Gütekriterien Reliabilität, Validität und Objektivität eingeschätzt werden können. Das Kategorienschema soll von einer weiteren Person analysiert und die Ergebnisse verglichen werden (Mayring, 2003). Die Analyse der Daten erfolgt nach Mayring (2003) durch folgende drei Punkte: Zusammenfassung, Explikation (Verständniserweiterung durch einzelne Zitate) und Strukturierung. 5.4 Methode der Implementierung Cluett & Bluff (2003) zeigen bedeutsame Kriterien auf, um Ergebnisse in der Praxis zu implementieren. Die Autonomie beschreibt Cluett & Bluff (2003) als zentrale Voraussetzung um evidenzbasiertes Wissen in der Praxis einzuführen. Weiter benötigt es für die Umsetzung eine Reflektion der Thematik, sowie das persönliche Wissen und die Erfahrungen diesbezüglich. Um eine optimale Implementierung zu ermöglichen, braucht es Zeit. Denn die traditionelle Praxis wird nicht von heute auf Morgen verändert. Nach Cluett & Bluff (2003) müssen zur Einführung von evidenzbasiertem Wissen Aus-, Fort- und Weiterbildungen organisiert werden. 22 Rizinusöl Die Durchführung wird ähnlich dem Projektmanagement gemäss Leitfaden Projektmanagement des Kantons Bern und nach Rycroft-Malone (2002) gestaltet: Projektimpuls oder Reflexion der Hebammenarbeit, die Vorbereitungsphase entspricht der Datensammlung bezüglich der Evidenz der Thematik. Anschliessend folgt die Planung der Implementierung mit den Inhalten: Ergebnis, Qualität sowie Zeit und Aufwand/Kosten. Die Realisierungsphase zeichnet sich durch Anwendung der evidenzbasierten Ergebnisse in der Praxis aus. Anschliessend folgt die Evaluationsphase. Die Evaluation beruht auf den Fragen der Wirkung, des Prozess und der Struktur. Nach Behrens & Langer (2006) sind die meisten Implementierungen mit einem Kreislauf gleichzusetzen. Gemäss Cluett & Bluff (2003) und Behrens & Langer (2006) gibt es in der Praxis Chancen und Risiken für eine erfolgreiche Implementierung. Hindernisse wie in eine fehlende transparente Kommunikation, das Festhalten an der traditionellen Praxis oder ausbildungs- und umfeldbedingt müssen berücksichtig werden (Cluett & Bluff, 2003). Nach Kitson et al. (zitiert in Behrens & Langer 2006) hängt eine erfolgreiche Implementierung an den folgenden drei Faktoren, Güte der Evidenz, Strukturen der Organisation und der Facilitatoren ab. 6 ERGEBNISSE Um die Ergebnisse der Befragung besser in den gesamten Kontext zu stellen, wird zuerst auf das Berufsfeld der freipraktizierenden Hebamme eingegangen. 6.1 Arbeitssetting der freipraktizierenden Hebammen Der schweizerische Hebammenverband beschreibt die Tätigkeitsfelder in den Empfehlungen für die Freiberuflichkeit wie folgt, von Beratung zur Familienplanung, Schwangerschaftskontrollen, auch von Risikoschwangerschaften über Geburtsvorbereitung, natürliche Geburtsbegleitung und Betreuung im Wochenbett. Es gibt verschiedene Arbeitsmodelle und –formen für die Hebamme. Sie kann nur selbständig tätig sein oder auch zu einem Teil selbständig und zum anderen Teil angestellt. Die Hebamme kann sich einer Hebammenzentrale angliedern, im Belegsystem arbeiten, Hausgeburten oder Geburtshausgeburten durchführen. Die gesetzlichen Grundlagen zur Freiberuflichkeit sind im Krankenversicherungsgesetz festgehalten. Jeder Kanton führt dazu eigene Gesundheitsgesetze. Weiter braucht die 23 Rizinusöl Hebamme für die Berufsausübung eine Berufsausübungsbewilligung, sowie eine Zahlstellenregisternummer vom Dachverband der Krankenkassen (Santesuisse). Für die Versicherung, sowie die berufliche Vorsorge und Sozialleistungen ist die Hebamme selber verantwortlich. Die meisten freipraktizierenden Hebammen sind Mitglied im schweizerischen Hebammenverband. Der Verband wurde 1894 gegründet, zählt knapp 2500 Mitglieder und besteht aus den Organen Zentralvorstand, 13 Sektionen, Präsidentinnenkonferenz und Revisionsstelle („Schweizerischer Hebammenverband“, n.d.). Der Verband agiert nach innen und aussen, national, kantonal und regional. Er setzt sich für einen modernen und attraktiven Hebammenberuf mit hoher Qualität ein. Die Sektionen arbeiten sehr autonom. Sie führen eigene Mitgliederversammlungen durch, organisieren sich regional und sorgen für den Austausch untereinander und mit dem Verband. Weiter führen sie Qualitätszirkel. In diesen Zirkeln bearbeiten Hebammen (jeweils 4 bis 15 Mitglieder) vom Verband genehmigte Themen. Somit werden neue Evidenzen und Leitlinien geschaffen, die die Qualität und den Austausch unter den Hebammen verbessern soll. Da die Hebamme eine Leistungserbringerin im Gesundheitswesen ist, ist die fpH stark von der Gesundheitspolitik und den daraus folgenden Beschlüssen abhängig. Trotz des Spardruckes des Bundes mit direkten Folgen auf die Bedingungen der Hebammen in der Freiberuflichkeit, zeigt doch der Bericht des schweizerischen Gesundheitsobservatoriums, dass an den Hebammen nicht gespart werden soll – im Gegenteil, Hebammen in der freiberuflichen Tätigkeit arbeiten kosteneffizient mit einer qualitativ optimalen Leistung. Die Kundinnenzufriedenheit ist hoch und medizinische Eingriffe sind seltener (Schweizerisches Gesundheitsobservatorium Obsan , 2007). Trotz dieser erwiesenen Qualität geraten die Hebammen zunehmend unter Druck. Der Vertrag zwischen dem schweizerischen Hebammenverband und dem Konkordat der schweizerischen Krankenversicherer ist seit dem Jahr 1995 unverändert. Die Tarifleistungen erfuhren in den letzten Jahren keinen Teuerungsausgleich. Die steigende Berufserfahrung wird nicht entschädigt. Die Auszahlung von Wartgeld wird von Kanton zu Kanton sehr unterschiedlich gehandhabt und liegt in der Hand der Gesundheitsdirektoren. Auch kann die gesamte Präsenzzeit von 24 Stunden und sieben Tagen in der Woche nicht abgerechnet werden. Mit der Einführung der Diagnosis Related Group (DRG) wird es nochmals Veränderungen in der Hebammenlandschaft der Schweiz geben. Und wie sich diese auf die fpH auswirken, ist unklar. 24 Rizinusöl Da die freipraktizierende Hebamme meist alleine unterwegs ist, wurde ein bestehendes Gefäss für die Implementierung des Praxisprojektes gesucht. In der Zentralschweiz treffen sich alle vier bis sechs Wochen sechs freipraktizierende Hebammen zu einer Intervision. Die Intervisionsgruppe hat einen genauen Ablauf für ihre kollegiale Beratung. Für die Beratung wird zweieinhalb Stunden eingeplant. Die Rollen werden an der vorherigen Sitzung geklärt. Die Beratungsführung übernimmt die Moderation. Eine weitere Rolle ist die Fallgeberin. Die Fallgeberin bereitet einen Fall vor und erläutert diesen an der Intervisionssitzung. Die Beraterinnen hören zu und äussern dann ihre Ideen, welche Fragen sich ihnen stellen oder welche Handlungen sie in dieser Situation ausführen würden. In einer Diskussion wird der Fall reflektiert und mögliche andere Schritte und Handlungen werden formuliert. Zum Abschluss wird von allen ein Feedback zum gesamten Ablauf gegeben. Im persönlichen Gespräch mit den Hebammen wurde die Wichtigkeit für eine hohe qualitative und evidenzbasierte Arbeit der einzelnen freipraktizierenden Hebamme deutlich. Die befragten sechs Hebammen der Intervisionsgruppe arbeiten nach den Qualitätsstandards des schweizerischen Hebammenverbandes. Durch den Austausch der Intervisionsgruppe decken sie einen Teil der vom Verband vorgeschriebenen Ausund Weiterbildung ab. Die Verpflichtung zum Ausfüllen der Statistik ist ein weiteres Instrument der Qualitätssicherung. Zwei Hebammen der Gruppe haben ihr persönliches Leitbild notiert. Eine Hebamme führt zusammen mit vier anderen Hebammen ein Geburtshaus. Dort sind ebenfalls Leitlinien und Standards formuliert. Allen Berufsfrauen ist eine optimale Betreuung der Frau ein grosses Anliegen. Die Reflektion von Fallsituationen ist ihnen deshalb sehr wichtig. Die Hebammen der Intervisionsgruppe sind sehr interessiert an der wissenschaftlichen Arbeit und neuer Evidenz. Sie sind selber aktiv im Internet auf der Suche nach neuen Forschungsresultaten. 6.2 Evaluation und Rücklaufquote der Fragbogen Innerhalb von vierzehn Tagen wurden 84 Fragebogen von 135 zurückgeschickt. Bei sechs Fragebogen wurden beide Teile, also Ja und Nein, angekreuzt. Da früher der Rizinus-Cocktail benutzt wurde, aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr, oder der 25 Rizinusöl Rizinus-Cocktail wurde nur ein- oder zweimal angewendet während zehn Jahren. Diese Fragebogen wurden nicht in die Auswertung mit einbezogen, da keine eindeutige Richtung zu erkennen war. Die Antworten unterscheiden sich aber nicht von denen, die in die Auswertung einbezogen wurden. Die gesamte Anzahl der ausgewerteten Fragebogen beträgt 78 (n=78). Die Ergebnisse der offenen Fragen wurden von den zwei Autorinnen kategorisiert und in die folgenden Kategorien eingeteilt: Anwendungszeitpunkt/Kontrolle/Hebammenbetreuung, Wirkung, Nebenwirkung, Einnahmezeitpunkt, sowie Zusatzanwendungen. 60 befragte Hebammen wenden den Rizinus-Cocktail an. Im Gegensatz zu 18 Befragten, die den Rizinus-Cocktail nie oder nicht mehr anwenden. 6.3 Beschreibung der Befragten Die Hebammen, die befragt wurden, haben im Schnitt 18 Jahre Berufserfahrung, davon 12.4 Jahre freiberuflich. Die durchschnittliche jährliche Geburtenzahl beläuft sich auf 27 Geburten. 24 der befragten Hebammen begleiten nur Hausgeburten, 12 betreuen nur Beleggeburten, zwei Hebammen arbeiten nicht mehr freiberuflich, sondern im Spital. 26 Hebammen begleiten Haus- und Beleggeburten. Fünf Hebammen bieten Hausgeburten an und arbeiten gleichzeitig in einem Teilzeitpensum im Spital. Neun Hebammen arbeiten im Geburtshaus. 6.4 Kategorisierung der Ergebnisse der offenen Fragen Die Ergebnisse wurden mittels der im Kapitel 5.3 beschriebenen Methoden ausgewertet. Die Ergebnisse der offenen Antwortfragen wurden von den 2 Autorinnen kategorisiert. Die Ergebnisse wurden von beiden Autorinnen nach Wirkung, Nebenwirkung, Anwendungszeitpunkt/Kontrolle, Zusatzanwendungen sortiert. Eine Autorin führte Einnahmezeitpunkt zusätzlich die und Kategorie Hebammenbetreuung auf. Für die andere Autorin gehörten diese Antworten in die Kategorie Anwendung/Kontrolle. Nach einer Diskussion wurde die Kategorie Anwendung/Kontrolle mit dem Begriff Hebammenbetreuung ergänzt. Die Validität und Reliabilität der Kategorien wurden überprüft. Aufgrund der Konstruktion des Fragebogens waren die weiteren Kategorien wie Schwangerschaftswoche, Indikation, Kontraindikation und Gründe und Kriterien zur Abgabe klar vorgegeben. 26 Rizinusöl 6.5 Empfehlung des Rizinus-Cocktails in der Praxis Die Befragten, die den Rizinus-Cocktail anwenden, verabreichen ihn zwischen der 37. und der 42. Schwangerschaftswoche. Eine Hebamme hat angegeben, dass sie den Cocktail ab der 37. Woche empfiehlt. Elf Befragte empfehlen ihn ab dem errechneten Geburtstermin, 22 geben den Rizinus-Cocktail ab der vollendeten 41. Schwangerschaftswoche, für 12 Hebammen ist der richtige Zeitpunkt ab zehn Tagen über dem errechneten Termin (ET), eine Hebamme gibt 12 Tage über dem ET an und 12 empfehlen den Cocktail ab der 42. Schwangerschaftswoche (Abb. 1). Die Indikationen für eine Verabreichung des Rizinus-Cocktails sind vordergründig die Terminüberschreitung, welche alle Befragten angegeben haben, und ein vorzeitiger Blasensprung ohne Wehen (27 Personen). Auch der Wunsch der Frau ist für die Befragten eine wichtige Indikation. 24 geben an, den Rizinus-Cocktail auf Wunsch der Gebärenden abzugeben. Drei der Hebammen geben an den Cocktail in der Latenzphase oder bei einer Wehenschwäche zu verabreichen. Drei Personen geben den Rizinus-Cocktail ab, wenn ein Hausgeburtswunsch besteht und eine Einleitung im Spital droht (Abb. 2). Bei den geburtshilflichen Kriterien zur Abgabe des Rizinus-Cocktails wurde von allen Befragten die Terminüberschreitung angegeben. 30 Personen geben als wichtiges Kriterium die Zervixreife an. Auch die Parität wird als wichtig erachtet, wobei 45 Hebammen angeben, den Rizinus- Cocktail an Primi- und Multiparas abzugeben. Fünf Hebammen geben den Cocktail an Mehrgebärende ab, während niemand den Rizinus-Cocktail ausschliesslich an Erstgebärende abgibt (Abb. 3). Abbildung 1: (relative Häufigkeit %) Ab welcher SSW kann der Rizinus-Cocktail empfohlen werden Ab der 37. SSW Ab Termin Ab der 41. SSW Ab Termin + 10 Tage Ab Termin + 12 Tage Ab der 42. SSW 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 27 Rizinusöl Abbildung 2: (relative Häufigkeit %) Indikation für eine Empfehlung zur Rizinus-Cocktail-Einnahme Wehenschwäche Terminüberschreitung Wunsch der Frau Latenzphase Blasensprung ohne Wehen bestehender Einleitungstermin 0% 20% 40% 60% Abbildung 3: 80% 100% 120% (relative Häufigkeit %) Kriterien für eine Empfehlung zur Einnahme des Rizinus-Cocktails Terminüberschreitung Zervixreife Primipara Multipara Primi- und Multipara 0% 20% 40% 60% 80% 100% 120% 28 Rizinusöl Für 56 der Befragten gibt es Kontraindikationen gegen die Verabreichung des RizinusCocktails. Nur vier Personen haben angegeben, dass für sie keine Kontraindikationen bestehen. 23 Hebammen geben an, dass ein vorangegangener Kaiserschnitt oder eine frühere Operation an der Gebärmutter gegen eine Gabe von Rizinusöl spricht. Bei einem unreifen Vaginalbefund geben 16 Befragte an, den Rizinus-Cocktail nicht zu verabreichen, da dies zu keinem guten Ergebnis führe. Auch ein regelabweichender oder regelwidriger Schwangerschaftsverlauf wird von 10 Hebammen als Kontraindikation angesehen. Darunter sind verschiedene Krankheitsbilder und Risikofaktoren wie Gestationsdiabetes, Beckenendlagen, Zwillingsschwangerschaft, Fehleinstellungen, Oligohydramnion oder schwangerschaftsinduzierte Hypertonie zu verstehen. Acht Befragte geben an, dass bei einem auffälligen Herztonmuster des Kindes ebenfalls auf eine Gabe von Rizinusöl verzichtet werden soll. Auch eine schnelle vorangegangene Geburt wird als Kontraindikation von vier Hebammen angegeben. Für sechs Personen ist die Abneigung der Frau gegen Rizinusöl ein wichtiges Kriterium. Zehn Hebammen geben an, auf die Grösse des Kindes zu schauen. Folglich wird bei klein wie auch gross geschätzten Kindern der RizinusCocktail nicht verabreicht. Bereits Kontraindikation angegeben. Ebenfalls bestehende Kontraktionen werden als wird auf die Energiereserven der Frau geachtet. Wenn die Frau stark erschöpft ist, wird der Rizinus-Cocktail nicht empfohlen (Abb. 4). Die Rezepte, die verwendet werden, sind sehr unterschiedlich. Es wurden insgesamt 25 verschiedene Rezepte beschrieben. Auch hier bestehen Gemeinsamkeiten. 40 der Befragten nehmen Rizinusöl, Alkohol (Cognac, klarer Schnaps oder Sekt) und Fruchtsaft (Aprikosen- oder Orangensaft) und mischen diesen zu einem Cocktail. Einzig die Dosierung der verschiedenen Zutaten ist verschieden. Sie unterscheidet sich von zwei Esslöffeln bis 150 ml Rizinusöl. Die Alkoholmenge ist fast immer mit der gleichen Menge wie das Rizinusöl bemessen. Mit dem Fruchtsaft wird das Glas aufgefüllt, so dass ungefähr 3 dl des Gemisches entstehen. Zwei Personen verwenden das oben beschriebene Rezept, empfehlen aber anschliessend einen heissen Kaffee zu trinken, da die Wärme die Wirkung des Cocktails unterstütze. Weiter geben fünf Hebammen eine Verveine-Essenz zum Cocktail hinzu. Diese soll zusätzlich wehenauslösend wirken. Auch Mandelpüree wird von drei Befragten hinzugemischt. Dieses dient der besseren Emulgation der Zutaten. Eine Hebamme hat angegeben nur Rizinusöl ohne Zusätze zu verwenden. Zwei Befragte mischen zwei Esslöffel Rizinusöl mit 2 dl Aprikosensaft, geben dies der Frau zu trinken und wiederholen den Vorgang nach einer halben Stunde, sowie nach einer Stunde. Eine Hebamme hat beschrieben, 29 Rizinusöl dass sie die besten Erfahrungen gemacht hat, indem sie das Rizinusöl als Bauchmassage verwende. Eine andere Hebamme mischt einen Teelöffel Rizinusöl in ein Müesli, welches die Frau dann morgens zu sich nimmt (Abb. 5). Die Erfahrungen bezüglich der Wirkung welche die Hebammen mit dem Rizinusöl machen, sind ebenfalls sehr unterschiedlich. 22 der Befragten beschreiben, dass wenn die „Zeit reif ist“ der Rizinus-Cocktail eine sehr effektive Methode ist, um die Geburt in Gang zu bringen. Auch bei einem reifen vaginalen Befund machen 16 Personen positive Erfahrungen mit der Anwendung des Cocktails. Im Gegensatz dazu beschreiben drei Befragte, dass es bei einem unreifen Vaginalbefund meist zu keinen portiowirksamen Wehen kommt und die Frau für die spätere Geburt zu erschöpft ist. Sechs Hebammen machen die Erfahrung, dass bei Mehrgebärenden der RizinusCocktail wirksamer ist als bei Erstgebärenden. Es wird als sehr wichtig erachtet, dass eine Indikation gegeben ist. Beispielsweise wird eine geplante Spitaleinleitung bei Hausgeburtswunsch von 45 Hebammen als wichtige Indikation angegeben. Von keiner Reaktion bis zu einer schnellen Geburt ist ebenfalls eine Beschreibung die zehn Befragte angegeben haben. Heftige Wehen sind ebenfalls von sechs Hebammen beschrieben worden. Eine Hebamme hat die Erfahrung gemacht, dass der RizinusCocktail bei schlanken Frauen oft sehr schnell wirke. Nach einem spontanen Blasensprung ohne Wehen wird von vier Hebammen angegeben, dass sie sehr gute Erfahrungen gemacht haben (Abb. 6). Auch wurde erhoben, warum die befragten Hebammen das Rizinusöl verwenden. Zehn Hebammen haben nur gute Erfahrungen gemacht. Fünf Hebammen versuchen mit dem Rizinus-Cocktail einen „Anstupf“ für die Geburt zu geben. Weitere fünf Hebammen möchten mit dem Rizinus-Cocktail und der Anwendung im häuslichen Bereich die Eigenverantwortung der Frau stärken und miteinbeziehen. 45 der befragten Hebammen hoffen mit der Gabe des Rizinus-Cocktails eine Einleitung im Spital zu verhindern. (Abb. 7) 30 Rizinusöl Abbildung 4: (relative Häufigkeit %) Kontraindikation für eine Einnahme des Rizinus-Cocktails schnelle frühere Geburt Status nach Sectio keine physiologische Schwangerschaft unreifer Befund suspektes CTG/HT Abneigung der Frau andere 0% 10% 20% Abbildung 5: 30% 40% 50% (relative Häufigkeit %) Rezepte für den Rizinus-Cocktail Rizinusöl, Alkohol, Fruchtsaft Rizinusöl, Aprikosensaft, Wiederholung nach 30 Min. + 1Std. reines Rizinusöl Rizinusöl, Alkohol, Fruchtsaft, dann 1 Tasse heisser Kaffee Rizinusöl, Alkohol, Fruchtsaft, Verveine-Essenz Rizinusöl, Alkohol, Fruchtsaft, Mandelpüree Rizinusöl für Bauchmassage Rizinusöl mit Müesli 0.0% 20.0% 40.0% 60.0% 80.0% 31 Rizinusöl Abbildung 6: (relative Häufigkeit %) Erlebte Wirkungen nach der Einnahme des Rizinus-Cocktails keine zervixwirksame Wehen bei unreifem Befund bessere Wirkung bei Mehrparas schlechtere Wirkung bei Primiparas heftige Wehen Wehen erhalten eine gute Dynamik bei reifem Vaginalbefund gute Erfahrung Wirkung 4-6 Std. nach der Einnahme Geburtsbeginn von keine Reaktion bis schnelle Geburt Geburtsbeginn wenn Uterus wehenbereit 0.0% 5.0% 10.0% 15.0% 20.0% 25.0% 30.0% 35.0% 40.0% Abbildung 7: (relative Häufigkeit %) Warum wird der Rizinus-Cocktail empfohlen? Spitaleinleitung verhindern Eigenverantwortung fördern Anstupf für die Geburt gute Erfahrungen 0.0% 10.0% 20.0% 30.0% 40.0% 50.0% 60.0% 70.0% 80.0% Auch Nebenwirkungen werden mehrfach beschrieben. So wird von zwei Hebammen angegeben, dass der Rizinus-Cocktail zu Dauerdurchfall führen kann. Auch vermehrtes mekoniumhaltiges Fruchtwasser wird angegeben. Allerdings wird hier erklärt, dass die Hebammen nicht mit Sicherheit sagen können, ob die Ursache für das grüne Fruchtwasser der Rizinus-Cocktail ist. Eine wichtige Nebenwirkung, die angegeben 32 Rizinusöl wird, ist der Abfall der Herztöne. Zwei Personen haben dies erlebt. So ist es auch für zehn der Befragten wichtig, regelmässig die Herztöne des Ungeborenen zu kontrollieren. Eine unerwünschte Wirkung ist auch der Wehensturm der von zwei Personen beschrieben wird. Bezüglich Übelkeit und Erbrechen wird von zwei Hebammen angegeben, dass dies nur bei der Gabe von purem Rizinusöl der Fall ist, aber beim Cocktail nie erlebt wurde (Abb. 8). Der Zeitpunkt der Abgabe des Rizinus-Cocktails ist ebenfalls so unterschiedlich wie die Rezepte. Einzig die Zeit, bis die Wirkung eintritt, wird sehr einheitlich mit 4 bis 6 Stunden beschrieben. Zwei Hebammen beschreiben, dass sie den Rizinus-Cocktail nie nachts empfehlen, sondern immer morgens nach dem Aufstehen. Dies mit der Begründung, dass die Frauen eine ruhige, erholsame Nacht haben und ausgeruht sein sollen für die bevorstehenden Wehen. Im Gegensatz dazu empfehlen zwei andere Hebammen den Cocktail spätabends vor dem Schlafengehen einzunehmen. Somit kann der Parasympathikus seine Wirkung dazutun und die Wehen können gegen den Morgen beginnen. Wiederum beschreiben zwei Hebammen den idealen Einnahmezeitpunkt um 5 Uhr morgens, da zu dieser Zeit die Darmtätigkeit effektiver zu arbeiten beginnt. Auch die Latenzphase wird als guter Zeitpunkt angegeben, damit die Wehen eine bessere Dynamik erhalten und so die Geburtswehen effektiv werden (Abb. 9). Als Zusatz zur Gabe des Rizinus-Cocktails wird Wärme und Bewegung als unterstützendes Faktoren beschrieben. So geben vier Hebammen an, dass sie nach Einnahme des Rizinus-Cocktails ein warmes Bad oder eine Wärmeflasche fürs Bett empfehlen. Zwei Hebammen empfehlen vor und nach der Einnahme einen Spaziergang zu machen um die Darmtätigkeit anzuregen. Fast alle Befragten erachten es als sehr wichtigen Punkt, die Frau eingehend über die Einnahme und die Wirkung des Cocktails zu informieren und sie nach der Einnahme auch zu begleiten. Es wird angegeben, dass so die Eigenverantwortung der Frau gefördert werden kann und sie somit dem Mittel auch eine höhere Akzeptanz entgegenbringt. Auf keinen Fall sollte die Frau ohne Beratung und Betreuung den Rizinus-Cocktail einnehmen. Dies wird von 20 Hebammen so angegeben (Abb. 10). 33 Rizinusöl Abbildung 8: (relative Häufigkeit %) Erlebte Nebenwirkungen nach Rizinus-Cocktail Diarrhoe Nausea durch Rizinusöl Herztonabfall Mekoniumhaltiges Fruchtwasser Wehensturm 0.0% 1.0% 2.0% 3.0% Abbildung 9: 4.0% 5.0% 6.0% 7.0% (relative Häufigkeit %) Empfehlung des Einnahmezeitpunktes des Rizinus-Cocktails nicht in der Nacht Abend Spätabends Morgens Latenzphase 0.0% 0.5% Abbildung 10: 1.0% 1.5% 2.0% 2.5% 3.0% 3.5% (relative Häufigkeit %) Anwendungszeitpunkt, Kontrolle und Hebammenbetreuung nach der Einnahme wenn Spitaleintritt bevorsteht Indikation muss bestehen nach spontanem Blasensprung Latenzphase nicht ohne Beratung regelmässige Herztonkontrolle 0.0% 5.0% 10.0% 15.0% 20.0% 25.0% 30.0% 35.0% 40.0% 45.0% 34 Rizinusöl 6.6 Keine Empfehlung des Rizinus-Cocktail in der Praxis 18 Hebammen haben angegeben, dass sie den Rizinuscocktail nicht oder nicht mehr verwenden. 12 Befragte haben schlechte Erfahrungen gemacht und drei Personen haben keine Erfahrung mit der Anwendung des Rizinusöls. Eine Abneigung haben 12 Hebammen, wobei drei beschreiben, dass sie den Rizinus-Cocktail als eine zu massive Massnahme empfinden. Drei Personen haben negative Artikel gelesen, für vier Befragte ist die Wirkung zu wenig steuerbar und weitere vier haben eine grundsätzliche Abneigung gegen eine Einleitung. Für fünf Personen ist die Anwendung nicht evidenzbasiert und sie benutzen den Cocktail aus diesem Grund nicht (Abb. 11). Für zehn Hebammen wären Evidenzen zur Anwendung des Rizinus-Cocktails sehr wichtig, damit sie sich für eine Anwendung entschliessen würden. Auch klare Kriterien zur Anwendung wären für eine Befragte zentral. Zwei Hebammen hätten gerne mehr Erfahrungswerte, die die positive Wirkung des Rizinus-Cocktails bestätigen würden. Für fünf Hebammen ist klar, dass sie den Rizinus-Cocktail nie anwenden würden und zwei Befragte würden es begrüssen, wenn grundsätzlich keine Einleitungen mehr durchgeführt werden müssten (Abb. 12). Die Erfahrungen der Hebammen sind auch hier ganz unterschiedlich. Drei Personen haben erlebt, dass die Frauen Dauerdurchfall bekommen haben. Ineffektive Wehen werden von vier Personen angegeben. Auch erlebt wurde von fünf Befragten, dass überhaupt keine Reaktion eintrat. Eine lange Eröffnungsperiode ist ebenfalls eine Erfahrung, die drei Hebammen gemacht haben. Drei Personen haben erlebt, dass es zu einer Sturzgeburt gekommen ist. Ebenfalls wurde von zwei Befragten beschrieben, dass sie einen Herztonabfall des Kindes bei der Geburt erlebt haben. Auch Übelkeit wird von zwei Personen als Nebenwirkung angegeben. Zwei Hebammen erlebten einen Wehensturm, wie auch mekoniumhaltiges Fruchtwasser. Eine Befragte hat gelesen, dass der Rizinus-Cocktail vermehrte Blutungen hervorrufen kann. Drei der Befragten haben keine Erfahrungen im Umgang mit dem Rizinus-Cocktail (Abb. 13). 35 Rizinusöl Abbildung 11: (relative Häufigkeit %) Warum wird der Rizinus-Cocktail nicht empfohlen? schlechte Erfahrung keine Erfahrung Abneigung nicht evidenzbasiert 0.0% 20.0% 40.0% 60.0% Abbildung 12: 80.0% (relative Häufigkeit %) Was müsste sich ändern, damit der Rizinus-Cocktail angewendet würde? Evidenzen keine Antwort Erfahrungswerte keine Einleitung Kriterien 0% 10% 20% 30% 40% Abbildung 13: 50% 60% (relative Häufigkeit %) Erfahrene Nebenwirkungen nach Anwendung des Rizinus-Cocktails Dauerdiarrhoe ineffektive Wehen keine Reaktion lange Eröffnungsperiode keine Erfahrungen Sturzgeburt Abfall der Herztöne Nausea Wehensturm vermehrte Blutung Mekoniumhaltiges Fruchtwasser 0.0% 5.0% 10.0% 15.0% 20.0% 25.0% 30.0% 36 Rizinusöl 6.7 Vergleich zwischen SOLL- und IST-Zustand Anhand der empirischen Befragung wurde ersichtlich, dass ein grosser Teil (77%) der freiberuflichen befragten Hebammen den Rizinus-Cocktail als mögliche Alternative verwenden und empfehlen. Für 18 der befragten Hebammen ist es kein Mittel der Wahl, weil sie schlechte Erfahrungen oder eine persönliche Abneigung gegen den Rizinus-Cocktail haben. Die meisten Hebammen (36.7%) empfehlen den Rizinus-Cocktail ab der 41. Schwangerschaftswoche, was auch gleichzeitig die meistgenannte Indikation darstellt (Terminüberschreitung). Dabei achten 91% der Befragten auf Kontraindikationen, Status nach Sectio wurde von den Hebammen 23 Mal angegeben. In Bezug auf die Rezeptur, den Cocktail mit Alkohol und Fruchtsaft zu mischen, decken sich die Antworten zum grossen Teil (66.6%) mit der Literaturempfehlung nach Stadelmann (2007). Bezüglich des Fruchtsafts wird nochmals auf den Kaliumgehalt aufmerksam gemacht. Aprikosensaft enthält fast dreimal so viel Kalium, wie der häufig genannte Orangensaft bei der Cocktailmischung. 36.6 % der Befragten äussern, dass wenn der Uterus „wehenbereit“ ist, es zu einem Geburtsbeginn kommt. Knauss et al. (2009) bestätigt ebenfalls, dass mit reifer Zervix der Rizinus-Cocktail als adäquate, alternative Methode zur konventionellen Einleitungsmethode betrachtet werden darf. Dies spiegelte sich auch in den meisten Fragebogen wieder, denn die Hebammen verwenden den Rizinus-Cocktail häufig, um eine Einleitung im Spital zu verhindern. In der Review von Kelly et al. (2001) wird als häufigste Nebenwirkung Nausea angegeben. Gemäss empirischem Teil beobachteten zwei Hebammen, welche Rizinusöl empfehlen, nach Einnahme von purem Rizinusöl Nausea. Der Review von Kelly et al. (2001) macht keine Angaben, wie das Rizinusöl eingenommen wurde. Zwei Berufsfrauen begründen, mit der Nebenwirkung Übelkeit, ihre Abneigung gegenüber dem Rizinus- Cocktail. Diesbezüglich ist unklar, mit welcher Rezeptur sie die Nausea erlebt haben. Bezüglich der weiteren Nebenwirkungen wurde mekoniumhaltiges Fruchtwasser mit 6.6% am meisten genannt. Unklar ist, ob dies auf den RizinusCocktail zurückzuführen ist. Der Einnahmezeitpunkt wird sehr unterschiedlich genannt, ebenso die Zusatzanwendungen. Ausser bei Stadelmann (2007) findet sich in der Literatur keine exakte Empfehlung bezüglich des Einnahmezeitpunktes. Die Erfahrungen mit dem Rizinus-Cocktail sind vielfältig. Interessant war, dass 55.5% der Befragten, welche den Rizinus-Cocktail nicht empfehlen, mit eindeutigen 37 Rizinusöl Evidenzen bereit wären, den Rizinus-Cocktail in ihrer Praxis zu empfehlen oder anzuwenden. 6.8 Konsequenzen und Veränderungsbedarf Der empirische Teil dieser Arbeit hat gezeigt, dass in der Praxis der Umgang mit dem Rizinus-Cocktail in vielen Teilen mit der gesammelten Evidenz übereinstimmt und ähnliche Erfahrungen gemacht werden. Einige grundlegende Details werden jedoch nicht einheitlich angewendet. So beispielsweise die reife Zervix, das Rezept und der Einnahmezeitpunkt. Diese Punkte können für den Erfolg des Rizinus-Cocktails und somit für ein positives Geburtserlebnis für die Frau von Bedeutung sein. Der Veränderungsbedarf wird vor allem in den Rezepturen, dem Einnahmezeitpunkt und der Wichtigkeit der reifen Zervix gesehen. Die ganzheitliche Beratung der Hebammen ist ein weiterer zentraler Punkt. Die Einnahme des Rizinus-Cocktails vor dem Termin und auf Wunsch der Frau soll nicht empfohlen werden. 6.9 Massnahmen zur Veränderung Im Prozess dieser Arbeit wurde aufgezeigt, wie viel Bedeutung der informierten Entscheidung zukommt. Um dieser Bedeutsamkeit Rechnung zu tragen und in die Praxis zu integrieren, wurde im Verlauf der Bearbeitung dieser Thesis beschlossen, ein Merkblatt (siehe Anhang 12.2) für die Frau zu erarbeiten. Die Frau muss über die Vorund Nachteile, sowie die Evidenzen des Rizinus-Cocktails aufgeklärt werden. Die Gestaltung eines Merkblattes für die Frau würde die Aufklärung für die Hebammen erleichtern und auch die Eigenverantwortung der Frau fördern. Gleichzeitig hat die Frau ein Instrument, in Ruhe über diese Möglichkeit nachzudenken und sich zu entscheiden. Allgemeine Informationen über das Rizinusöl und die Herstellung sind in diesem Merkblatt enthalten. Weiter sind die Wirkung des Öls und eine Ausführung der Vor-, aber auch den möglichen Nachteilen aufgelistet. Folgende Studien wurden zur Untermauerung der Evidenz zitiert: Knauss et al. (2009) welcher das Rizinusöl als adäquate, alternative Methode bei Mehrpara beschreibt, wie auch Azhari et al. (2006), Boel et al. (2009), welche keine signifikante ungünstige Outcomes erwiesen haben. Des Weiteren wurde die Einnahme bezüglich Mischung des Cocktails und der Einnahmezeitpunkt erklärt und begründet, sowie weshalb die Zugabe von Eisenkrautöl nicht zu empfehlen ist. Für die Hebammen wurde ein Algorithmus erstellt, welcher folgende Wege aufzeigt: 38 Rizinusöl Abbildung 14: Algorithmus Anamnese durchführen Kontraindikationen: - Frühgeburt - HELLP - Mehrlinge - Diabetes gravidarum, Typ I und Typ II - chronische Darmerkrankungen - Status nach Operationen am Uterus - Verdacht auf fetale Kompromitierung (IWUR) - Alkoholabusus - intrauteriner Fruchttod - schnelle frühere Geburt - Lageanomalien Keine Kontraindikationen ≥ 40. SSW <40.SSW Durchführung Bishop-Score Befund 0 Punkte 1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte Portio >2cm 1cm verstrichen - Konsistenz derb mittel weich - Lage sakral mediosakral zentriert - Muttermund geschlossen 1 cm 2 cm 3 cm Höhenstand über ISP ISP unter ISP - Bishop Score ≥6 Bishop Score <6 Herztonkontrolle Suspekte, pathologische Herztöne Physiologische Herztöne Keine Empfehlung des Rizinus-Cocktails Rizinus-Cocktail kann empfohlen werden Besprechung von Alternativen, Kontaktaufnahme im interdisziplinären Team Merkblatt mit der Frau besprechen und abgegeben 39 Rizinusöl Während der Implementierungsphase füllt die Hebamme zusätzlich ein Instrument (siehe Anhang 12.3.1) aus, um die Erfahrungen mit dem neuen Merkblatt und dem Algorithmus zu dokumentieren und zu evaluieren. Einerseits werden die Fakten, wie Gravität und Parität, Termin gesammelt, anschliessend wird der Bishop-Score erhoben. Dann werden die Wirkungen und Nebenwirkungen dokumentiert. Anschliessend wird die Dauer der Latenzphase, die Dauer der Eröffnungsphase, Austreibungsphase und Nachgeburtsphase aufgeschrieben. Nach der Geburt werden folgende Parameter ebenfalls mit dem Instrument dokumentiert: Apgar, Blutverlust, Komplikationen (Herztonabfall, mekoniumhaltiges Fruchtwasser). Im Nachgespräch soll erhoben (siehe Anhang 12.3.2) werden, ob die Frau genügend über die Anwendung und die Wirkung des Rizinus-Cocktails informiert war und ob die Verantwortung für die Entscheidung mithilfe des Merkblattes gut gefällt werden konnte. Ebenfalls werden Bemerkungen der Frau bezüglich zusätzlicher Informationen, Wünsche und Erlebtem mit der Einnahme des Rizinus-Cocktails erfasst. 6.10 Beschreibung des Projektplans Folgende Ziele muss der Projektplan zur erfolgreichen Implementierung in der Praxis erfüllen: Der Rizinus-Cocktail soll in der Praxis einheitlich und evidenzbasiert empfohlen werden. Gegenüber kontroversen Aussagen kann sachlich und mit fachlich fundierten Argumenten diskutiert werden. Die Frau soll in den Prozess einbezogen werden und informiert entscheiden können. Die interne Evidenz (Bedürfnisse, Erwartungen, Assessment) und die externe Evidenz (erwartete Wirkung aus wissenschaftlichen Studien) soll miteinander verknüpft werden (Behrens & Langer, 2006). Das Konzept der Implementierung erfolgt nach Rycroft-Malone et al. (2002), sowie dem Berner Leitfaden für Projektplanung (Röthlisberger & Picciati, 2008). Beide Autoren erachten die Vorbereitungsphase als wichtig für den gesamten Verlauf. Werden die Berufsfrauen in die Themensuche integriert und das Thema in der Praxis als wichtig erachtet, steigt das Interesse einer Implementierung neuer Evidenz. Ebenso spielt nach Rycroft-Malone et al. (2002) die Qualität der Evidenz eine Rolle. Die Qualität wird nicht nur aus Studien belegt, sondern auch durch Experten- und 40 Rizinusöl Expertinnenwissen. Wie Cluett & Bluff (2003) und Rycroft-Malone et al. (2002) erwähnen, ist der Kontext für die Implementierung von Bedeutung. Die Autonomie ist bestimmend für eine Einführung neuer Massnahmen (Cluett & Bluff, 2003). Es kann somit davon ausgegangen werden, dass fpH in ihrem autonomen Arbeitsfeld offen und bereit sind, qualitative Evidenz anzuwenden. Die Rollen der Projektteilnehmer müssen in der Einstiegsphase geklärt werden. Das Organigramm im Implementierungsgefäss der Intervisionsgruppe verläuft flach. In einem ersten Schritt erheben die Autorinnen den IST-Zustand im Umgang mit dem Rizinus-Cocktail im freiberuflichen Tätigkeitsfeld. Nach der Reflexion folgen in einem zweiten Schritt die Erarbeitung von Forschungsresultaten und das Einholen von Expertenberichten. Es wird nach Studien und Evidenzen aus verschiedenen Datenbanken im Internet gesucht. Ebenso wird in der Bibliothek recherchiert und mit Experten und verschiedenen Fachgremien gesprochen. Eine Präsentation für den Austausch mit der Intervisionsgruppe wird vorbereitet. Die Präsentation wird in einer Intervisionssitzung vorgestellt. Es werden drei weitere Hebammen aus dem freiberuflichen Tätigkeitsfeld, im Sinne eines Begleitgremiums, welches kritisch hinterfragt und diskutiert, eingeladen. Gemeinsam werden nun Möglichkeiten für Praxisinstrumente besprochen und bearbeitet. In einem dritten Schritt werden die Praxis- und Evaluationsinstrumente in einer Intervisionssitzung vorgestellt. Nun werden anhand der drei Dimensionen nach Kitson et al. (1998) zitiert in Behrens & Langer (2006) die erarbeiteten Inhalte (Güte der Evidenz), der Organisationskontext und die Facilitatoren nochmals geprüft. Ein gemeinsamer Besuch bei einer kräuterkundigen Hebamme mit Garten soll die Wertschätzung verdeutlichen und einen weiteren Wissenszuwachs ermöglichen. Nach diesem gemeinsamen Tag steht der Startpunkt für die Anwendung der Instrumente in der Praxis. Um den Austausch unter den Hebammen und mit den Autorinnen zu erleichtern, was nach Röthlisberger & Picciati (2008) zu einem grösseren Erfolg der Implementierung führt, wird von den Autorinnen ein einfaches Internetforum erstellt. Es bietet Unterstützung und Begleitung und klärt fortlaufende Fragen. 41 Rizinusöl Auch der Faktor Evaluation ist sehr wichtig. Die Ergebnisse der Evaluation sind bedeutsam für die Praxis, sowie für die anwendenden Hebammen. Da so eine Wertschätzung gegenüber den gemachten Erfahrungen in der Praxis gezeigt wird. (Rycroft-Malone et al., 2002). Es wird mit den folgenden vier Stufen evaluiert: Wirkung, Erfassung der Situation bei und nach der Anwendungsempfehlung (Instrument für Praxis siehe Anhang 12.3.1) Prozess, Veränderung in der Beratung und der informierten Entscheidung durch die Handlungsempfehlung (Instrument siehe Anhang 12.3.2) Struktur, Veränderungen im freiberuflichen Tätigkeitsfeld der Hebamme durch die Projektimplementierung (Instrument siehe Anhang 12.3.3) Kosten-Nutzen (Instrument siehe Anhang 12.3.3) Das Ausfüllen des Evaluationsbogens bezüglich der Wirkung bei und nach der Anwendung und die Prozessfragen über das Merkblatt erfolgt nach jeder Empfehlung für den Rizinus-Cocktail in der Praxis. Nach sechs Monaten füllt die Hebamme die eigene Reflexion zu den Struktur-, Prozess- und Kosten-Nutzen-Fragen aus. Unabhängig von der Anzahl der Anwendungen in der Praxis werden die Resultate an der Intervisionssitzung diskutiert und allfällige Veränderungen vorgenommen. Die Resultate der Evaluation müssen nach der Auswertung wieder in die Praxis integriert werden. Eine Veröffentlichung des gesamten Projektes in einer hebammenspezifischen Fachzeitschrift wäre eine Möglichkeit, die erarbeiteten Inhalte weiteren Hebammen zugänglich zu machen. 42 Rizinusöl 6.11 Projektplan Abbildung 15: Projektplan Mt: Woche 1 Woche 2 Woche 3 Woche 4 Projektimpuls Hintergrundwissen aktivieren Studien und Reviews lesen durch die Autorinnen Intervisionssitzung Fallbesprechungen im Zusammenhang mit der Einnahme des RizinusCocktails, Intervisionsgruppe und Autorinnen Gemeinsamer Entscheid für das Projekt: Erhebung IST-Zustand bezüglich des RizinusCocktails im freiberuflichen Tätigkeitsfeld durch Autorinnen Einbezug von verschiedenen anderen Fachgremien, ApothekerIn, PhytotherapeutikerIn, ChemikerIn, Ärzteschaft durch die Autorinnen, Kontakte der berufserfahrenen Hebammen nutzen Erarbeitung der wissenschaftlichen Literatur Erarbeitung der wissenschaftlichen Literatur Erarbeitung der wissenschaftlichen Literatur Präsentation der wissenschaftlichen Evidenz in der Intervisionsgruppe Erarbeitung Dokumentations- und Evaluations-Instrumente in gemischten Arbeitsgruppen, Hebammen und Autorinnen Erarbeitung Dokumentations- und Evaluations-Instrumente in gemischten Arbeitsgruppen, Hebammen und Autorinnen Gemeinsamer Besuch bei kräuterkundigen Hebamme, weiter Inputs zu Phytotherapeutika für Intervisionsgruppe und Autorinnen, Wertschätzung und Wissenszuwachs Anwendung des Instrumentes in der Praxis 1 Reflexion Thema „Rizinus-Cocktail“ in der Intervisionsgruppe 2 3 Drei Hebammen aus der Freiberuflichkeit werden eingeladen 4 5 6 612 Vorstellung der Praxisinstrumente, Evaluationsinstrument und Internetforum in der Intervisionssitzung Einrichtung eines Forums zum Austausch von Erfahrungen durch Autorinnen Handlungsanweisung Rizinus-Cocktail in der Praxis Reflexion mittels PraxisevaluationsInstrumente Anwendung der Instrumente in der Praxis durch freipraktizierende Hebammen, Austausch über Internetforum Anwendung der Instrumente in der Praxis durch freipraktizierende Hebammen, Austausch über Internetforum Evaluation des Prozesses durch die Autorinnen, Erkenntnisse werden im Forum ausgetauscht. Intervisionssitzung bezüglich Erfahrungen, Wertschätzung spüren lassen, Erfahrungen und Erkenntnisse ernst nehmen. Evaluation und Dokumentation der Ergebnisse der Evaluations-Instrumente durch Autorinnen Evaluation und Dokumentation der Ergebnisse der Evaluations-Instrumente durch Autorinnen, Besprechung der Resultate an der Intervisionssitzung Anwendung des Algorithmus in der Praxis durch die freipraktizierenden Hebammen Veröffentlichung durch Autorinnen, damit möglichst viel freipraktizierende Hebammen davon profitieren können Anwendung des Algorithmus in der Praxis Anwendung und damit eine Veränderung der traditionellen Hebammenpraxis Ab 12 43 Rizinusöl 7 DISKUSSION 7.1 Diskussion der empirischen Erhebung und der Literatur Geschichtlich gesehen, hat die Gabe von Rizinusöl eine lange Tradition. Mit zunehmender Technisierung der Geburt ist die Anwendung teilweise in Vergessenheit und in Verruf geraten. Da heute der Trend langsam wieder zurück zur ganzheitlichen und naturnahen Medizin geht, wird die Frage nach dem Rizinus-Cocktail wieder vermehrt gestellt. Gleichzeitig steigt die Liste der Indikationen für eine Geburtseinleitung, welche auch immer öfters praktiziert wird (Hösli, Lapaire & Voekt, 2009). Mit 77 % der Befragten, welche im empirischen Teil dieser Arbeit den Rizinus-Cocktail in der Praxis anwenden, wird die Aussage von Stadelmann (2007) bestärkt. Die Frauen wenden sich also wieder vermehrt Naturheilmitteln zu und suchen gemeinsam mit den Hebammen Möglichkeiten, eine Einleitung im Spital zu umgehen (gemäss über 40% der befragten Hebammen im empirischen Teil dieser Arbeit). Es gibt mehr als 20 verschiedene Einleitungsmethoden. Aber keine kann die Erwartungen seitens der Schwangeren sowie dem geburtshilflichen Team ganzheitlich erfüllen. Eine optimale Methode wäre, eine Geburt innerhalb einer bestimmten Zeit, eine geringe Rate an Komplikationen, mütterliche Zufriedenheit und Wirtschaftlichkeit (Hösli et al., 2009). Von den oben genannten Kriterien sprechen folgende Punkte für den Rizinus-Cocktail. Bezüglich der Wirkung konnte nach Knauss et al. (2009) nachgewiesen werden, dass der Rizinus-Cocktail als alternative Einleitungsmethode angesehen werden kann. Schilcher et al. (2007) bestätigt ebenfalls, dass eine Wirkung des Rizinusöls nach zwei bis vier Stunden im Körper zu beobachten sei. Die Ricinolsäure setzt Prostaglandine der Gruppe E frei, welche auf die glatte Muskulatur wirken. Dies löst insbesondere im Uterus und Darm Kontraktionen aus. Die geburtsauslösende Wirkung wird von Knauss et al. (2009) in einer sorgfältig, randomisierten Studie vor allem bei reifer Zervix nachgewiesen. Allerdings beobachtete Azahri et al. (2006), mit kleiner Probandenzahl, dass bei der Rizinusöl-Gabe eine schnellere Reifung der Zervix innerhalb von 24 Stunden sichtbar war. Obwohl die Wirksamkeit vom Rizinus-Cocktail immer wieder diskutiert wird, kann rein chemisch im Körper eine Ausschüttung von Prostaglandinen 44 Rizinusöl bestätigt werden. Wenn nun der Uterus bereit ist für eine Geburtsauslösung, kann eine Geburt mit dem Rizinus-Cocktail durchaus in Gang gebracht werden. In der Befragung sind verschiedene Nebenwirkungen erwähnt worden, die Hebammen nach Anwendung des Rizinus-Cocktails erlebt haben. So beispielsweise mekoniumhaltiges Fruchtwasser oder Herztonabfälle (siehe Abbildung 8). Knauss et al. (2009) beschreibt, dass in ihrer Studie bezüglich mütterlichem Outcome, CTG-Auffälligkeiten, mekoniumhaltigem Fruchtwasser, fetales Outcome und Verlegung in eine Kinderklinik kein Unterschied erfasst wurde, ob mit dem Rizinus-Cocktail oder mit konventionellen Prostaglandinen eingeleitet wurde. In der Studie von Azhari et al. (2006) wird sogar beschrieben, dass in der Kontrollgruppe die Inzidenz von mekoniumhaltigem Fruchtwasser dreimal höher war, als in der Gruppe die Rizinusöl eingenommen hatte. Dies wird auch in unserer Befragung deutlich. In den Ergebnissen der Befragung konnten die Hebammen, die vermehrt mekoniumhaltiges Fruchtwasser erlebt haben, nicht mit Sicherheit sagen, dass dies aufgrund des eingenommenen Rizinus-Cocktails der Fall war. In der Gruppe, die den Rizinus-Cocktail nicht oder nicht mehr anwendet, wurde als Nebenwirkung auch Nausea erwähnt. Azhari et al. (2006) beschreibt, dass es in Bezug auf Übelkeit und Erbrechen während der Geburt keinen signifikanten Unterschied zwischen der Gruppe, die Rizinusöl eingenommen hat und der Kontrollgruppe, gibt. Der Review von Kelly et al. (2001) widerlegt diese Aussage allerdings. Der empirische Teil dieser Arbeit zeichnet ein ähnliches Bild. Eine Möglichkeit diese widersprüchlichen Aussagen zu erklären, könnte beim Erörtern der Ursache liegen. Während die einen Hebammen die Nausea klar als Nebenwirkung des Rizinus-Cocktails definieren, sehen andere Hebammen den Prozess der Geburt an sich als Ursache für die Übelkeit. Husslein und Egarter (Schneider et al., 2006) beschreiben, dass es bei einer Einleitung mit Prostaglandin oder Oxytocin zu einer Hyperstimulation des Uterus oder auch zu Herztonabfällen kommen kann. Man kann also sagen, dass gewisse Nebenwirkungen, unabhängig von den angewendeten Mitteln, unter Umständen in jedem Fall bei einer Einleitung entstehen können. Dies zeigt auf, dass der Rizinus-Cocktail auf keinen Fall mehr Nebenwirkungen oder Komplikationen verursacht als Medikamente, die im Spital gebräuchlich sind. Dies zeigt aber auch die Wichtigkeit auf, dass bei einer Anwendung 45 Rizinusöl des Rizinus-Cocktails eine Hebamme die Schwangere betreuen und überwachen muss. Der Case Report von Sciuranza & Figueroa (2002) beschreibt eine Uterusruptur nach Einnahme von fünf Millilitern Rizinusöl. Der empirische Teil zeigte, dass von keiner befragten Hebamme, welche den Rizinus-Cocktail verwendet, eine Uterusruptur oder eine vorzeitige Plazentalösung erlebt wurde. Hebammen welche den Rizinus-Cocktail nicht anwenden, verweisen auf Artikel oder gehörte Geschichten, in welchen eine Uterusruptur nach Gabe von Rizinusöl erfolgte. Wenn die Kriterien für eine Gabe oder Empfehlung des Rizinus-Cocktails eingehalten wurden, konnten in der wissenschaftlichen Literatur keine ungünstigen Outcomes erwiesen werden. Der Case Report von Sciuranza & Figueroa (2002) beschäftigt sich mit einem Fall, wo Rizinusöl nach vorgegangener Sectio eingenommen wurde. Insbesondere über die Wirkung bei Status nach Operationen am Uterus fehlen weitere Studien und Evidenzen. Denn dies war in den meisten Studien ein Ausschlusskriterium. Husslein und Egarter (Schneider et al., 2006) schreiben, dass eine Geburtseinleitung bei Zustand nach Sectio keine absolute Kontraindikation darstellt, das Risiko einer Uterusruptur aber eindeutig erhöht ist, und je nach Verlauf der Naht sogar als absolute Kontraindikation angesehen werden muss. Da meist nicht nachvollzogen werden kann wie die Naht am Uterus selbst verläuft, sollte man grundsätzlich bei einer Frau, die bei einer vorgängigen Geburt einen Kaiserschnitt hatte, keine Gabe des Rizinus-Cocktails in Betracht ziehen. Wenn keine Risikofaktoren bestehen, ist die Uterusruptur an sich sehr selten bei einer Geburtseinleitung zu beobachten. In den Niederlanden trat nach eingeleiteter Geburt in 1.1 bis 1.5 % der Fälle eine Uterusruptur ein (Stark, 2009). Laut Husslein (Schneider et al., 2006) entstehen Uterusrupturen meistens bei nicht gerechtfertigter Anwendung. Was wiederum darauf hinweist, dass die Indikationsstellung bei der Gabe von wehenfördernden Mitteln ein sehr zentraler Punkt ist und die Verabreichung des Rizinus-Cocktails nur nach gründlicher Abklärung aller Kontraindikationen und geburtshilflich relevanten Aspekten, wie den Bishop-Score, welcher gleich oder mehr als sechs Punkte erreichen muss, erfolgen soll. Auch die vorzeitige Plazentalösung wurde in der Befragung der Hebammen als Nebenwirkung genannt. Hebammen welche kein Rizinusöl verwenden, begründeten dies mit der Gefahr einer vorzeitigen Plazentalösung. Die meisten geben an, davon gehört oder gelesen zu haben. In der Literatur wird angegeben, dass meistens keine eindeutige Ursache für eine vorzeitige Plazentalösung gefunden werden kann. Auch bei den prädisponierenden Faktoren wird die medikamentöse Geburtsauslösung nicht 46 Rizinusöl genannt (Schneider et al., 2006, Mändle & Opitz-Kreuter, 2007). In den bearbeiteten Studien wurden keine Angaben gefunden, die eine höhere Rate von vorzeitigen Plazentalösungen nach Gabe von Rizinusöl, bestätigen würden. Das Rizinusöl gehört unbestritten zu den wirtschaftlichsten Einleitungsmethoden. 50 ml werden in der Apotheke für vier Franken verkauft. Da das Rizinusöl eigentlich als Rohstoff gehandelt wird, ist die Herstellung einfach und günstig. Es steckt keine grosse Pharmaindustrie hinter dem Produkt Rizinusöl. Es gibt jedoch noch andere wirtschaftliche Überlegungen im direkten Bezug zur Hebammenarbeit. Die Hebamme führt die Beratung, die Information, sowie die Empfehlung für einen Rizinus-Cocktail im Rahmen einer normalen Schwangerschaftskontrolle durch. Sie hat keine Möglichkeit, wie die Berufsgruppe der Ärzte und Ärztinnen, ein Rezept auszustellen, um das Öl allenfalls zu verkaufen und zusätzlich noch Taxpunkte in Rechnung zu stellen. Daher stellt sich die Frage, ob es denn für die Hebamme wirtschaftlich ist, den Rizinus-Cocktail überhaupt zu empfehlen. Nach dem Motto „nützt es nichts – schadet es nicht“ könnte die Hebamme jeder Frau den pflanzlichen Rizinus-Cocktail empfehlen, ohne umfassende Informationen, ohne Beratung und nachfolgende Betreuung. Das Berufsethos der Hebammen verbietet ein solches Vorgehen. Jede Hebamme hat den Anspruch einer Frau eine umfassende und ganzheitliche Betreuung zukommen zu lassen. Doch Politiker und Krankenkassen fokussieren sich hauptsächlich auf Zahlen und ökonomische Ergebnisse. Dabei kann mit dem richtigen Wissen bezüglich der Anwendung und mit Zeit für ein Gespräch und eine Beratung einen positiven und physiologischen Geburtsverlauf erwirkt werden. Dies wiederum würde einen Spitaleintritt und die kostspielige Einnahme von Medikamenten verhindern. Der Obsanbericht (2007) bestätig nämlich, dass Hebammen kostengünstig, mit hoher Qualität und zur vollen Zufriedenheit ihrer Klientinnen arbeiten. Es wäre für die Krankenkassen also von Vorteil, wenn sie die Hebammenarbeit fördern würden. Als Vision bestände eine Möglichkeit, dass die Hebammen genaue Posten abrechnen könnten. Somit müsste altes und neues evidentes Hebammenwissen, Beratungen, Tipps und Tricks nicht mehr unter dem allgegenwärtigen Begriff „Kontrolluntersuchung Schwangerschaft“ für 51 Taxpunkte abgerechnet werden. Die Taxpunkte werden vom Kanton festgelegt und bewegen sich um einen Franken (Plus/Minus fünf bis zehn Rappen) pro Taxpunkt. Die Hebammen sollten die Möglichkeit erhalten, ihre Arbeit in detaillierten Posten abrechnen zu können. Was wiederum einen Beleg für die erfolgte Leistung wäre. 47 Rizinusöl Bezüglich der Zufriedenheit mit der Einleitungsmethode ist gemäss Knauss et al. (2009), die mütterliche Zufriedenheit bei der Anwendung des Rizinus-Cocktails höher als bei konventionellen Einleitungsmethoden, und dies interessanterweise unabhängig von der Wirkung des Rizinus-Cocktails. Dies wird auch in der Praxis so erlebt. Die Frauen assoziieren den Cocktail nicht mit einem medizinischen Eingriff. Die Schwangere kann den Rizinus-Cocktail in ihrer Küche mit ihr bekannten Zutaten und Materialen mixen. Dies steigert die Akzeptanz der Schwangeren gegenüber dem Rizinus-Cocktail. Was wiederum eine höhere Gefahr für eine Selbstmedikation birgt. Dieses Vorgehen setzt natürlich eine informierte Entscheidung voraus. Dadurch ist die Frau aufgeklärt und die Akzeptanz und Entscheidungsfreiheit haben einen positiven Einfluss auf das Vorgehen, sowie das Geburtserlebnis. Gleichzeitig wird das Kohärenzgefühl gestärkt. Eine adäquate und ganzheitliche Hebammenbegleitung wird als sehr wichtig erachtet. Die Möglichkeit der Geburtsauslösung nach dem Termin kann im gemeinsamen Gespräch und in der Beratung diskutiert werden. Die Frau nimmt ihre Eigenverantwortung, unterstützt durch die Hebamme, wahr und kann somit, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, selber über den Einnahmetag des Rizinus-Cocktails entscheiden. Nach Green, Coupland & Kitzinger (1990) wurde erwiesen, dass die Zufriedenheit der Frauen höher ist, wenn sie in den Prozess der Entscheidung und des weiteren Vorgehens miteinbezogen werden. Betreffend der Rezeptur erwies Vonau et al. (2004) eindeutig, dass eine Beimischung von Eisenkrautöl ein schlechteres Resultat für das Kind darstellt. Auch Stadelmann (2007) weist explizit darauf hin. Stadelmann (persönliche Mitteilung, 25. Mai 2010) begründet ihr Rezept folgendermassen: Der Alkohol sorgt für eine schnellere Darmpassage, aufgrund der vom Alkohol ausgelösten Vasodilatation, wird vom Darm mehr Flüssigkeit resorbiert und dadurch wird ein massives Abführen verhindert. Zum Alkoholkonsum in der Schwangerschaft ist allgemein zu sagen, dass mögliche Fehlbildungen durch Alkohol entscheidend vom Zeitpunkt des Einwirkens abhängen. Es gibt sehr kontroverse Diskussionen zum Thema Alkohol in der Schwangerschaft und dem entsprechend verschiedene Empfehlungen. Das UK Royal College of Obstetricians (zitiert in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA), 2002) sagt, dass bei einem Konsum von weniger als 120 g Alkohol pro Woche für das Kind keine negativen Auswirkungen zu erwarten sind. 120 g Alkohol entsprechen ungefähr 170 ml hochprozentigem Alkohol. Stadelmann empfiehlt 20 bis 30 ml Schnaps in den Cocktail beizumischen. Es gibt keine Untersuchungen, welche sich von gewissen Alkoholsorten Vorteile versprechen. Folglich kann man davon ausgehen, 48 Rizinusöl dass bei einem Rezept mit 20- 30ml Rizinusöl, 20- 30ml Schnaps und dies aufgefüllt mir 2- 3dl Aprikosensaft, keine Gefahr für das Kind besteht. Der Aprikosensaft im Cocktail soll einen möglichen Kaliumverlust, der durch Durchfall verursacht wird, verhindern. Kaliummangel kann zu einer Störung der neuromuskulären Erregungsleitung führen. Dadurch kann es zu einer Muskelschwäche im Körper kommen (Schäffler & Menche, 1999). Die Muskelaktion des Uterus würde auf diese Art ebenfalls beeinträchtigt werden. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, Aprikosensaft bei der Mischung des Cocktails zu gebrauchen und nicht wie oftmals üblich Orangensaft. Orangensaft enthält drei Mal weniger Kalium als Aprikosensaft. Die Konstitution der Frau ist diesbezüglich nicht ausser Acht zu lassen. Da es keine einheitliche und genaue Programmierung der Wirkung des Rizinusöls im Körper gibt, kann die Gabe durchaus mit Diarrhö und Nausea korrelieren und kräfteraubend sein, was den weiteren Geburtsverlauf und den Geburtsmodus stark beeinflusst. 7.2 Diskussion der Implementierung und Projektplanung Die Implementierung von wissenschaftlicher Literatur in der Hebammenpraxis wird von Dörpinghaus & Schröter (2005) mit einem jungen Zweig an einem alten Baum verglichen. Der alte Hebammenbaum ist durch vielfältige Erfahrungen, reiche Tradition und einer langen Geschichte gekennzeichnet. Dörpinghaus & Schröter (2005) erachten es als bedeutsam, dass der Transfer zwischen den neuen Evidenzen und dem alten Hebammenwissen gelingt. Insbesondere deshalb ist es wichtig, dass Implementierungsprozesse sorgfältig geplant, die Anliegen und Themen der Praxis aufgenommen und die Evidenz in einem gemeinsamen Weg erarbeitet und eingeführt werden. Die Implementierung in einem Gefäss durchzuführen, macht in diesem Arbeitsfeld Sinn. Der Austausch und Kontakt der Hebammen untereinander ist wesentlich für den folgenden Prozess. Im Mittelpunkt jeder Entscheidung steht die Frau, welche informiert entscheiden darf. Es ist nicht zu vergessen, dass auch die Frau für die Implementierung eine Rolle spielt. Und deshalb ist nach Stahl (Bund deutscher Hebammen, 2005) auch die beste verfügbare Evidenz unter Umständen bei einer bestimmten Frau nicht umsetzbar oder sogar ungeeignet. Das heisst, dass die beste wissenschaftliche Evidenz nicht allein für evidenzbasiertes Arbeiten ausreicht. Es braucht weiterhin die Erfahrung der Hebamme, sowie die Präferenzen der Frau. 49 Rizinusöl Ein Internetforum einzurichten, wäre ein weiterer Schritt in die Zukunft der Vernetzung der Hebammen. Es ist bereits möglich, dass schwangere Frauen diverse Daten über die Entwicklung des Ungeborenen über verschiedene Mobiltelefon-Programme abrufen können. Visionen und Ideen zur weiteren Vernetzung der Hebammen untereinander und mit den Frauen sind gefragt. Bei einer optimalen Implementierung werden die genauen und evidenzbasierten Kriterien für eine Gabe vom Rizinus-Cocktail in der Praxis eingehalten. Nach Knauss et al. (2009) ist der Rizinus-Cocktail zur Wehenauslösung eine adäquate alternative Methode. Als Folge einer evidenzbasierten Gabe des Rizinus-Cocktails könnten Spitaleinweisungen nach erfolglosen Versuchen der Wehenauslösung zu Hause mit Rizinusöl gesenkt werden. Im weiteren Kontext könnte dies sogar eine Möglichkeit sein, weitere Kosten im Gesundheitswesen einzusparen. Dies setzt voraus, dass das evidenzbasierte Vorgehen der Einnahme des Rizinus-Cocktails unter Hebammenbetreuung weiteren Frauen als Möglichkeit angeboten wird. 7.3 Limitationen Die Ergebnisse sprechen nun sehr für die Einnahme des Rizinus-Cocktails. Doch trifft man immer auch Frauen, die schlechte Erfahrungen gemacht haben. Frauen, die mit massiver Diarrhö und Nausea zu kämpfen hatten und deren anschliessender Geburtsmodus durch die Einnahme beeinflusst wurde. Interessant wäre diesbezüglich eine weitere Datenerhebung. Insbesondere im Kontext der Einnahme wie beispielsweise mit welchen Zutaten, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem BishopScore die Frauen den Rizinus-Cocktail eingenommen haben. Über die nachgewiesene Wirkung und die empfohlene Kontrolle der Herztöne, sowie über die Nebenwirkungen Nausea und Diarrhö, kann diskutiert werden, ob eine Wehenförderung mit Rizinusöl zu Hause wirklich eine adäquate Methode ist. Insbesondere auch die Frage, wie die Weiterbetreuung aussieht und welche Möglichkeiten die Hebamme hat, wenn die Schwangere Nebenwirkungen wie Nausea und Diarrhö erlebt. Durch die informierte Entscheidung wird die Schwangere bereits im Vorfeld über die Nebenwirkungen aufgeklärt, was die Frau auf Möglichkeiten vorbereitet, jedoch keine Garantie ist, dass keine Nebenwirkungen auftreten. Die Hebamme muss im Voraus mögliche Verläufe mit der Frau thematisieren und Therapiemöglichkeiten aufzeigen. 50 Rizinusöl Falls der „worst case“ (massiver Durchfall mit Elektrolytenverlust, Nausea, Erschöpfung der Frau) eintrifft, wird eine Spitaleinweisung unumgänglich. Bei einem weniger heftigen Durchfall oder Nausea, bestehen auch für die Hebamme im freiberuflichen Tätigkeitsfeld Möglichkeiten zur Linderung. Wie zum Beispiel durch Bouilloneinnahme, Aprikosensaft, oralem Flüssigkeitsersatz zur Verhinderung einer Elektrolytentgleisung, sowie mit Aromen, Akupunktur oder Wickeln. Bei einer sorgfältigen Hebammenbegleitung, einer adäquaten Anamnese und dem Ausschliessen von Kontraindikationen, sowie durch eine reife Zervix, kann eine Wehenförderung mit dem Rizinus-Cocktail im häuslichen Bereich nicht als untragbares Risiko betrachtet werden. Mit der Statistik des Hebammenverbandes konnte aufgezeigt werden, dass sich vor allem Frauen mit einem höheren Bildungsniveau für eine Betreuung bei der freipraktizierenden Hebamme entscheiden. Da die Erhebung hauptsächlich bei fpH durchgeführt wurde, können die Ergebnisse nicht auf die gesamte Population übertragen werden. Somit ist unklar, wie hoch die Akzeptanz von Frauen aus anderen Kulturkreisen gegenüber dem Naturheilmittel Rizinusöl ist. Ob fremdsprachige den Inhalt des Merkblattes verstehen, wie eine Kommunikation für eine informierte Entscheidung möglich ist, sowie die persönlichen und kulturellen Werte und Haltungen gegenüber der Schul- und Komplementärmedizin wurde nicht erfasst. Aufgrund des Designs gibt es weitere Limitationen. Da nur deutschsprechende Hebammen, die mehrheitlich in der Deutschschweiz praktizieren, befragt wurden, konnte die Situation in der Romandie und dem Tessin nicht erfasst werden. Es kann nicht abschliessend gesagt werden, wie Hebammen aus der Westschweiz und der Südschweiz den Rizinus-Cocktail in der Praxis nutzen. In einer weiteren Untersuchung müsste die Erhebung verfeinert werden und insbesondere die genauen Erfahrungen von verschiedenen Fällen und Geburtsverläufen erhoben werden. Durch die Implementierung in der Intervisionsgruppe, wird nur ein kleiner Teil der freipraktizierenden Hebammen erreicht. Eine Möglichkeit mehr Berufsfrauen anzusprechen wäre, die Resultate zu publizieren. Einerseits könnten dadurch mehr Hebammen erreicht werden, andererseits jedoch würden der Kontakt und der Austausch, was wichtig ist, um die traditionelle Praxis wirklich zu verändern, fehlen. 51 Rizinusöl 8 SCHLUSSFOLGERUNG Aufgrund der Stichprobe und der Rücklaufquote sowie der Tatsache, dass fast alle deutschsprechenden fpH, welche Geburten durchführen in die Befragung eingeschlossen wurden, kann davon ausgegangen werden, dass 77 % der Hebammen den Rizinus-Cocktail empfehlen. Es ist den Hebammen allerdings wichtig, den Rizinus-Cocktail nur nach Abklärung von Indikation und Kontraindikation zu empfehlen. Ebenso erachten sie die Begleitung und Kontrolle durch die Hebamme als wichtigen Bestandteil. Dies umfasst insbesondere auch die Herztonkontrolle des Ungeborenen. Keine der freipraktizierenden Hebammen, welche den Rizinus-Cocktail empfiehlt, erlebte eine Uterusruptur oder eine vorzeitige Plazentalösung. Aus der wissenschaftlichen Literatur konnten einige Punkte herausgearbeitet werden. Es ist von Bedeutung das Rizinusöl mit Alkohol und einem kaliumhaltigen Saft (Aprikosensaft) zu mischen. Ebenso wird nach Knauss et al (2009) die Methode den Rizinus-Cocktail bei Mehrgebärenden als alternative Massnahme zur Wehenauslösung anzuwenden, bestätigt. Bezüglich unerwünschten Outcomes konnte keine Studie ein abschliessendes Fazit aufzeigen. Eine erfolgreiche Implementierung bedarf genügend Zeit, guter Planung und genügend Ressourcen. Wenn die Aufgaben klar verteilt sind, die Kommunikation wertschätzend gestaltet wird und die Teammitglieder miteinbezogen werden, können Forschungsresultate in die Praxis umgesetzt werden. 8.1 In Empfehlungen für die Praxis der Anamnese müssen Kontraindikationen (Frühgeburt, HELLP-Syndrom, Mehrlinge, Diabetes, chronische Darmerkrankungen, Operationen am Uterus, Alkoholabusus, Verdacht auf fetale Kompromitierung, intrauteriner Fruchttod, Lageanomalien, schnelle frühere Geburt) genau erfasst und dokumentiert werden. Für die Empfehlung des Rizinus-Cocktails muss eine Indikation vorliegen. Die Frau muss mittels informierter Entscheidung über das Vorgehen, sowie über Vorund Nachteile aufgeklärt werden. 52 Rizinusöl Der Bishop-Score muss erhoben werden. Für eine Empfehlung des Rizinus-Cocktails muss die Punktzahl gleich oder mehr als sechs Punkte betragen. Die Herztöne sollen ein physiologisches Muster aufweisen. In der Praxis soll das Grundrezept mit Rizinusöl und dem Beifügen von Alkohol und Aprikosensaft angewandt werden. Die Frau soll den Rizinus-Cocktail nicht als Selbstmedikation einnehmen. Das Rizinusöl darf in seiner Wirkung nicht unterschätzt werden, nur weil es in die Gruppe der Phytotherapeutika gehört. Weitere Forschungen bezüglich der Einnahme nach Uterusoperationen und der Einnahme und Wirkung, wenn möglich mittels randomisierten Designs sind nötig. Somit kann gesagt werden: Wenn eine Indikation zur Geburtsauslösung besteht, Kontraindikationen ausgeschlossen wurden, die Reife der Zervix vorhanden ist, die Frau informiert entscheiden kann, das Rezept mit Aprikosensaft und Alkohol gemischt wird und die Einnahme zu Parasympathikus-Zeiten erfolgt, ist die Geburtsauslösung mit dem Rizinus-Cocktail eine adäquate alternative Methode. Denn altes Hebammenwissen ist ein Schatz, den es zu bewahren gilt und der zusammen mit neuen Evidenzen die Berufspraxis bereichert. 53 Rizinusöl 9 LITERATURVERZEICHNIS Azhari, S., Pirdadeh, S., Lotfalizadeh, M., Shakeri, MT. (2006). Evaluation of the effect of castor oil on initiating labor in term pregnancy. (Electronic version). Journal Saudi Med, 27(7),1011-4. Arzneimittelverordnung. (2001). Schweizerisches Bundesgesetz. Retrieved May 12, 2010, from http://www.admin.ch/ch/d/sr/8/812.212.21.de.pdf Behrens J., Langer, G. (2006). Evidence-based Nursing and Caring. Bern: Verlag Hans Huber. Blascheck, W., Ebel, S., Hilgenfeldt, U., Holzgrabe, U., Rechling, J., Schulz, V., Barthlott, W., Höltje, H. (2008). Hagers Handbuch der Drogen und Arzneistoffe. Berlin, Springer. Boel, M., Rijken, M., Paw, M., Pimanpanarak, M., Tan, S., Singhasivanon P., Nosten F., McGready R. (2009). Castor oil for induction of labour: not harmful, not helpful. (Electronic version). 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International Journal of Gynecology and Obstetrics: 75(1)25-37. 58 Rizinusöl 10 ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abb 1: Ab welcher SSW kann der Rizinus-Cocktail empfohlen werden ............. 28 Abb 2: Indikation für eine Empfehlung zur Rizinus-Cocktail-Einnahme ............. 29 Abb 3: Kriterien für eine Empfehlung zur Einnahme des Rizinus-Cocktails ........ 29 Abb 4: Kontraindikation für eine Einnahme des Rizinus-Cocktails .................... 32 Abb 5: Rezepte für den Rizinus-Cocktail ........................................................... 32 Abb 6: Erlebte Wirkungen nach der Einnahme des Rizinus-Cocktails ................ 33 Abb 7: Warum wird der Rizinus-Cocktail empfohlen?......................................... 33 Abb 8: Erlebte Nebenwirkungen nach Rizinus-Cocktail...................................... 35 Abb 9: Empfehlung des Einnahmezeitpunktes des Rizinus-Cocktails ................ 35 Abb 10: Anwendungszeitpunkt, Kontrolle und Hebammenbetreuung nach der Einnahme ................................................................................ 35 Abb 11: Warum wird der Rizinus-Cocktail nicht empfohlen? ................................ 37 Abb 12: Was müsste sich ändern, damit der Rizinus-Cocktail angewendet würde? ............................................................................... 37 Abb 13: Erfahrene Nebenwirkungen nach Anwendung des Rizinus-Cocktails ..... 37 Abb 14: Algorithmus ............................................................................................ 40 Abb 15: Projektplan ............................................................................................. 41 59 Rizinusöl 11 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ACNM American College of Nurse- Midwives AP Austreibungsphase DELBI Deutsches Leitlinien Bewertungsinstrument DRG Diagnosis Related Group EP Eröffnungsperiode ET Errechneter Termin FG Frühgeburt FIGO Fédération Internationale de Gynécologie et d'Obstétrique fpH freipraktizierende Hebamme HELLP Haemolysis, Elevated Liver enzyme, Low Platelet IUFT intrauteriner Fruchttod IMC International Confederation of Midwives IUWR intrauterine Wachstumsretardierung LP Latenzphase NICE National Institute for Health and Clinical Excellence PP Plazentarperiode SBK Schweizerischer Berufsverband der Pflegefachfrauen und –männer SGGG Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe SHV Schweizerischer Hebammenverband SSW Schwangerschaftswoche VBS vorzeitiger Blasensprung WHO World Health Organisation 60 Rizinusöl 12 ANHANG 12.1 Praxisinstrument Merkblatt Merkblatt für die Schwangere zur Einnahme des Rizinus-Cocktails Das Rizinusöl (Ricini oleum) wird aus dem Samen der Pflanze Ricinus communis (Wunderbaum) gewonnen. Es wirkt auf die glatte Muskulatur im Körper, welche unter anderem im Magendarm-Trakt und im Uterus vorkommt. Durch verschiedene Vorgänge im Körper, die von der Einnahme des Rizinusöls hervorgerufen werden, wird Prostaglandine ausgeschüttet. Dies ist ein Hormon, welches als wehenauslösend gilt. Dadurch wird der Uterus stimuliert, sich zusammenzuziehen und es werden Wehen ausgelöst. Da das Rizinusöl wie oben schon erwähnt auf die glatte Muskulatur wirkt, kann es zu starkem Durchfall kommen. Aus diesem Grund wird das Rizinusöl mit Alkohol und Aprikosensaft vermischt. Durch den Alkohol emulgieren das Öl und der Aprikosensaft miteinander und zusätzlich soll damit die abführende Wirkung durch geringere Darmreizung vermieden werden, so dass es zu weniger starkem Durchfall führt. Der Aprikosensaft hat einen sehr hohen Kalium-Gehalt und ist darum ein Mittel der Wahl für die Cocktailmischung, denn bei Durchfall verliert der Körper mehr Kalium als sonst und dieses muss ersetzt werden. Wichtig bei der Einnahme des Rizinus-Cocktails ist, dass Sie von einer Hebamme betreut werden und den Rizinus-Cocktail nicht auf eigenen Wunsch einnehmen (Vonau et al 2004). Denn es müssen auch verschiedene Risikofaktoren einbezogen werden. Zum Beispiel, ob schon einmal eine Operation an der Gebärmutter vorgenommen wurde (Kaiserschnitt, Curettage, Myomentfernung) oder ob bei Ihnen sonstige Risikofaktoren bestehen, wie zum Beispiel ein erhöhter Blutdruck. Da in den meisten Studien Frauen die vorgängig einen Kaiserschnitt hatten oder andere Risikofaktoren aufzeigten, aus den Studien ausgeschlossen wurden, hat man zu diesen Punkten keine eindeutigen Ergebnisse, um sagen zu können, dass der Rizinus- Cocktail ohne Risiko verabreicht werden kann (Vonau et al 2004, Boel et al 2009, Azhari et al 2006). Ebenfalls sollte nach der Einnahme des Cocktails, eine Hebamme Ihre Betreuung übernehmen und regelmässig die Herzaktivität des Kindes überprüfen. In seltenen Fällen kann es zu einem Abfall der Herztöne kommen, obwohl nicht eindeutig bewiesen werden kann, dass dies aufgrund des Rizinus-Cocktails geschehen ist. 61 Rizinusöl Der Zeitpunkt der Einnahme ist auch ein Punkt, der beachtet werden muss. Grundsätzlich ist zu sagen, dass der Cocktail nicht vor dem errechneten Geburtstermin eingenommen werden sollte, da Studien (Knauss et al 2009) zeigen, dass die Wirkung bei einer nicht geburtsbereiten Gebärmutter eher schlecht ist. Auch hier ist es zentral, dass eine Hebamme vor der Verabreichung des Rizinus-Cocktails eine vaginale Untersuchung durchführt, um zu sehen, ob der Gebärmutterhals schon „reif“ ist und auf die Einnahme des Cocktails ansprechen würde. Der Cocktail sollte am späten Abend oder vor dem Schlafengehen eingenommen werden. In der Nacht arbeitet der Darm vermehrt und so kann eine optimale Resorption (Aufnahme) des Cocktails stattfinden kann. Die Wirkung setzt erfahrungsgemäss ungefähr vier bis sechs Stunden nach der Einnahme ein, so verspürt man die ersten Symptome meist am frühen Morgen. Auf das Kind hat die Einnahme des Rizinus-Cocktails, laut der Studie von Boel et al (2009) keine negativen Auswirkungen. Es wird beschrieben, dass teilweise vermehrt grünes Fruchtwasser aufgetreten ist, allerdings kann auch hier nicht mit Gewissheit gesagt werden, dass dies aufgrund des Rizinus- Cocktails geschehen ist oder schon zu einem früheren Zeitpunkt. Bei Fragen oder Anliegen wenden Sie sich an Ihre betreuende Hebamme. Literaturangaben: Azhari, S., Pirdadeh, S., Lotfalizadeh, M., Shakeri, MT. (2006). Evaluation of the effect of castor oil on initiating labor in term pregnancy. (Electronic version). Journal Saudi Med, 27(7):1011-4. Boel, ME., Lee, SJ., Rijken, MJ., Paw, MK., Pimanpanarak, M., Tan, SO., Singhasivanon P., Nosten F., McGready R. (2009). Castor oil for induction of labour: not harmful, not helpful. (Electronic version). Aust N Z J Obstet Gynaecol, 49(5):499-50 Knauss, A., Strunz, K., Wöckel, A., Reister, F. (2009). Geburtseinleitung mit Rizinusöl- Ergebnisse der Ulmer Rizinus- Studie. (Electronic version). Die Hebamme, 22: 216- 218 Vonau, M., Motzet, K., Stenzel, S.(2004). Wehencocktail mit Rizinusöl – eine schnelle und sichere Alternative? (Electronic version) Die Hebamme: 17:220-22 62