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81 – 120 www.manz.at EF-Z [ Zeitschrift für Ehe- und Familienrecht ] Beiträge 85 Von der Betrauung mit der Obsorge nach ABGB und JWG Wojciech Jaksch-Ratajczak 89 Wrongful Conception die Zweite – (k)ein Ende in Sicht Dagmar Hinghofer-Szalkay und Claudia Hirsch Rechtsprechung (Auswahl) 91 Keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Inkognitoadoption 98 Detektivkostenersatzanspruch „ohne erotische Grundlage“ oder die Aufklärungspflicht des störenden Dritten 102 Unterhaltspflichtige im Schuldenregulierungsverfahren und deren Unterhaltsbemessungsgrundlage 104 Verwirkung von Ehegattenunterhalt 113 Psychotherapeuten und das Erbe ihrer Patienten 113 „Hinausekeln“ des Ehegatten beraubt diesen nicht seines gesetzlichen Vorausvermächtnisses Muster 115 Trennungsvereinbarung Susanne Beck che esentli Das W n Blick e auf ein Checkliste 118 Wann sind LebensgefährtInnen anspruchsberechtigte Angehörige im SV-Recht? Rotraut Leitner Serviceteil 119 Sozialversicherung – aktuelle Werte Mai 2007 03 Redaktion Edwin Gitschthaler Constanze Fischer-Czermak Johann Höllwerth ISSN 1819-1509 [ABSTAMMUNG Anmerkung: Die leibliche Mutter eines unehelichen Kindes erklärte nach einschlägiger Belehrung am 27. 5. 2005 ihre Zustimmung zu einer Inkognitoadoption, sie machte außerdem von ihrem „Schweigerecht“ nach § 163 a Abs 1 letzter HS ABGB Gebrauch. Nach Belehrung über die Rechtsfolgen erklärte sie am 27. 1. 2006 gegenüber dem Richter, die Freigabe zur Adoption wohl überlegt zu haben und mit dieser einverstanden zu sein. Der Antrag des JWT auf Bewilligung der Adoption wurde vom ErstG wegen des in Art 7 UN-KRK verankerten Rechts des Kindes, seine Eltern zu kennen und von ihnen betreut zu werden, abgelehnt. Das RekG bestätigte diese Entscheidung, der OGH gab dem RevRek des JWT Folge und bewilligte die Adoption. Unstrittig ist das Vorliegen der tatbeständlichen Voraussetzungen einer Inkognitoadoption (§ 180 a Abs 1, § 181 Abs 1 Z 1 iVm § 181 Abs 2 3. Fall und § 163 a Abs 1 letzter HS ABGB, § 88 AußStrG idgF). Fraglich ist die von den Vorinstanzen monierte grundsätzliche Unzulässigkeit der Inkognitoadoption als Rechtsinstitut. Das Kind hat ein Grundrecht auf Kenntnis seiner eigenen Abstammung. Dieses Recht wird aus Art 8 Abs 1 EMRK abgeleitet. Eingriffe in dieses Recht müssen sich an Art 8 Abs 2 EMRK messen lassen. Demnach ist dem Kind Gelegenheit zu geben, Informationen über seine Abstammung zu erhalten. Die KRK ist in Österreich nicht unmittelbar anwendbar. Art 7 KRK enthält darüber hinaus keinen durchsetzbaren Anspruch; das „Recht“ des Kindes auf Kenntnis der Eltern (und Betreuung durch sie) wird nach Art 7 Abs 2 KRK nur „soweit möglich“ zuerkannt.1) Gem § 37 Abs 1 und 2 PStG idgF hat das Kind nach Vollendung des 14. Lebensjahres das Recht, selbständig Einsicht in die Personenstandsbücher zu nehmen, woraus es ua Namen, Wohn- und Geburtsort der Eltern (jedenfalls der Mutter) entnehmen kann (zur familienrechtlichen Verfahrensfähigkeit s § 104 Abs 1 AußStrG). Zweck der Inkognitoadoption ist nach Rsp und Lehre die Wahrung des Interesses der Adoptiveltern und des Adoptivkindes auf Geheimhaltung ihrer Daten EF-Z [2007] 03 UND ADOPTION] (Namen und Wohnort), welche den leiblichen Eltern nicht bekannt zu geben sind: Zum einen sollen die Adoptiveltern vor unerwünschten Einmischungen seitens der leiblichen Eltern geschützt werden. Zum anderen soll das Kind die Möglichkeit haben, in einer sicheren und harmonischen Umgebung, die der Entwicklung seiner Persönlichkeit förderlich ist, aufzuwachsen. Der Gesetzgeber geht somit vom Leitbild aus, dass leibliche Eltern sich in der Regel einmischen würden und der Kontakt der leiblichen Eltern mit dem Kind dessen Persönlichkeitsentwicklung stören könnte. Dem steht gegenüber, dass die leiblichen Eltern nach entsprechender Aufklärung auf die Bekanntgabe der Daten und somit auf einen Kontakt zu dem Kind verzichten. Der Gesetzgeber räumt dem Adoptivkind ab seinem vollendeten 14. Lebensjahr das selbständige Recht zur Einsichtnahme in die Personenstandsbücher ein. Unter Vorlage seiner Geburtsurkunde, welche auch das Geburtsdatum und den Geburtsort erwähnt, kann das Kind im Prinzip problemfrei die leiblichen Eltern (bzw zumindest seine leibliche Mutter) ausforschen und somit sein Recht auf Kenntnis seiner wahren Abstammung, welches Bestandteil des Persönlichkeitsrechts ist, wahrnehmen. Freilich setzt dies voraus, dass das Kind über die Adoption überhaupt informiert wurde. Bis zum vollendeten 14. Lebensjahr ist auch das Interesse der leiblichen Mutter nach Unterbindung des Kontakts mit ihrem (leiblichen) Kind gewahrt. Mit dieser Interessenabwägung wird im Allgemeinen, und auch nach Ansicht des OGH, ein Gleichgewicht zwischen den divergierenden Interessen aller Beteiligten hergestellt. Ob das RekG tatsächlich nicht berücksichtigt hat, dass die faktische Durchsetzung des Informationsrechts von der entsprechenden Aufklärung des Kindes abhängt, mag dahingestellt bleiben. Diese realen Grenzen liegen etwa auch auf Seiten des Vaters vor, der nicht um seine Vaterschaft weiß. Der Unterschied zwischen einer Inkognitoadoption und einer Regeladoption liegt Ü 1) Verschraegen, Die Kinderrechtskonvention 73, 76. Ü Keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Inkognitoadoption 93 EF-Z [A B S T A M M U N G Ü 94 UND ADOPTION] eben darin, dass bei erstgenannter Adoption bewusst auf die Datenübermittlung (und den Kontakt) verzichtet wird. Die vom OGH erwähnte „offene Adoption“, welche seit Jahren in der Adoptionsforschung empfohlen wird, dient nach modernen Forschungserkenntnissen dem Kindeswohl; und dem steht – zumindest in abstracto – schon qua Definition die Inkognitoadoption entgegen. Freilich müsste diesbezüglich wohl der Gesetzgeber eingreifen; nach bestehender Rechtslage ist die vorliegende Entscheidung zutreffend. Eine kleine Bemerkung zur sog „einseitig funktionierenden Geheimhaltung“ der Inkognitoadoption sei noch erlaubt: Die Einseitigkeit bestehe darin, dass lediglich den leiblichen Eltern eine Beschlussausfertigung zuzustellen sei, welche keinen Hinweis auf Namen und Wohnort der Adoptiveltern enthält. Allerdings handelt es sich – sowohl bei der Inkognitoadoption als auch bei der ihr gleichrangigen Regeladoption (§§ 182 ff ABGB)2) – nach österreichischem Recht wohl nur um eine „adoptio minus plena“, denn das adoptierte Kind bleibt gegenüber seinen leiblichen Eltern subsidiär unterhaltspflichtig (§ 182 a Abs 2 ABGB) und es wird von ihnen auch subsidiär beerbt (§ 182 b Abs 2 ABGB). Ü Widerruf einer Adoption nach anonymer Geburt Nur wenn diese ihre Unterhaltspflicht gegenüber dem leiblichen (unmündigen) Kind gröblich vernachlässigt haben, erlischt der Unterhaltsanspruch, ansonst ist das Adoptivkind, soweit es über Vermögen verfügt und seinen Lebensunterhalt nicht gefährdet, unterhaltspflichtig. Zu diesem Zeitpunkt dürfte denn auch die einseitig funktionierende Geheimhaltung nicht mehr wirken, denn es wären wohl zumindest jene Daten freizugeben, welche eine wirksame Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs der leiblichen Eltern ermöglichen, weil sie sonst der Allgemeinheit zur Last fielen. Zweck der Inkognitoadoption kann es nach dem Gesetz nämlich nicht sein, dass eine (subsidiäre) Unterhaltspflicht an einem (vorangehenden!) Verzicht auf Kontakt scheitert. Damit wäre ein Gleichgewicht zwischen den Interessen der Beteiligten einerseits und jenen der Allgemeinheit mE nicht mehr gewährleistet. Bea Verschraegen 2) Siehe etwa Verschraegen, Kleiner Streifzug durch das österreichische Adoptionsrecht, in FS Schwab, Perspektiven des Familienrechts (2005) 1481 (1492 ff). EF-Z [2007] 03