Feldversuche zur Ausbreitung von Propan als schweres Gas
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Feldversuche zur Ausbreitung von Propan als schweres Gas
112 promet, Jahrg. 29, Nr. 1- 4, 112-116 (Juni 2003) © Deutscher Wetterdienst 2003 M. HEINRICH, R. SCHERWINSKI Feldversuche zur Ausbreitung von Propan als schweres Gas 1 Vorgeschichte Dieser Bericht schildert Feldversuche aus den Jahren 1983 bis 1993 zur Ausbreitung von Propan, in Mengen wie sie bei einem gravierenden Störfall in einem Propanlager zu erwarten sind. Diese Versuche haben dazu beigetragen, dass eine Richtlinie geschaffen wurde, mit der spektakuläre Unfälle in der Umgebung von Lagern druckverflüssigter brennbarer Gase seitdem vermieden werden konnten. Ausgelöst wurde das erste der beiden zusammenhängenden Forschungs- und Entwicklungsvorhaben (FE) durch einen Auftrag an den damaligen Technischen Überwachungsverein Norddeutschland e. V. (TÜV) zur sicherheitstechnischen Beurteilung eines geplanten großen Flüssiggasterminals an der deutschen Nordseeküste im Jahre 1981. Neben den Prüfungen der Tanks, Armaturen und Leitungen sollte auch die Frage geklärt werden, wie dicht Lagertanks an eine vorhandene Wohnbebauung heranreichen dürfen. Als kritischer Pfad wurde angenommen, dass durch Undichtigkeiten flüssiges Propan ohne Zündung austritt, sich mit der Umgebungsluft vermischt und eine zündfähige Wolke bildet. Wenn dieses Propan-Luftgemisch in den Heizungskeller eines Wohnhauses eintritt, besteht die Gefahr einer Explosion. Mit den üblichen Gauß-Modellen konnte die Ausbreitung der zündfähigen Wolke nicht berechnet werden, weil Propan ein sogenanntes schweres Gas darstellt, bei dessen Verdünnung die Schwerkraft eine besondere Rolle spielt. Während bei passiven (Tracer-) Gasen die Turbulenz der Atmosphäre allein für die Verdünnung sorgt, finden abhängig von dem Dichteunterschied der Schwergaswolke zur umgebenden Luft zwei gegenläufige Prozesse statt: 1. Die Schwerkraft sorgt für eine zusätzliche laterale Verdünnung. 2. An der Obergrenze der Schwergaswolke wird durch den Dichtesprung die Verdünnung reduziert. Ein weiteres Problem zur Bestimmung der Zündentfernung (Abstand zwischen Quelle und der 2,1 % Konzentration des Propans) war die Festlegung der Quellstärken, d. h. der möglichen Austrittsmengen von Propan in einem Störfall. Diese wurden durch zwei Überlegungen eingegrenzt. Das spontane Bersten eines großen Lagertanks kann wegen der zahlreichen und wiederkehrenden Material- und Druckprüfungen durch den TÜV praktisch ausgeschlossen werden. Sehr kleine Löcher oder der Abriss von dünnen Prüfleitungen lassen Propan nur in Mengen austreten, bei denen an der Quelle eine so starke Verdünnung stattfindet, dass der Schwergaseffekt nicht auftritt und die untere Zündgrenze von Propan von 2,1 % unterschritten wird. Ausführliche Überlegungen legten den Bruch eines Rohres mit einem Durchmesser von 50 mm als realistischen Störfall zu Grunde, bei dem je nach den Druckverhältnissen in den Behältern Austrittsmengen von 3-30 kg/s erwartet werden. Zur Abschätzung der Zündentfernung für das geplante Terminal haben wir seinerzeit ein im TÜV entwickeltes einfaches und anschauliches numerisches Gauß-Rechenmodell nach HEINRICH (1998) herangezogen, in das ein zusätzlicher Term eingebaut wurde, mit dem neben der turbulenten Verdünnung in y-Richtung eine von den Dichteunterschieden zu benachbarten Volumenelementen abhängige laterale Vermischung durch die Schwerkraft berücksichtigt wurde. Dieses Modell hatte die Eigenschaft, dass es bei größeren Entfernungen in die übliche Tracergas Ausbreitung überging. Normiert hatten wir es anhand einiger älterer Ausbreitungsexperimente. Obwohl unsere damaligen Berechnungen überraschend gut mit den später im Feldversuch gemessenen Zündentfernungen übereinstimmten, war klar, dass die Kenntnisse über Schwergasausbreitung verbessert werden mussten. Damit gelang es uns, das BMFT zur Finanzierung eines FE zu dieser Problematik zu überzeugen. 2 Da diese beiden Prozesse von dem Dichteunterschied innerhalb und außerhalb der Wolke abhängen, liegt hier eine Rückkopplung vor, die mit den damals zur Verfügung stehenden Rechenverfahren nicht behandelt werden konnte. Zur Klarstellung muss hier daraufhin gewiesen werden, dass schwere Gase nicht durch ihr Molekulargewicht als solche bezeichnet werden, sondern auch dadurch, dass sie dem obigen Ausbreitungsmechanismus unterliegen.So kann auch Ammoniak, dessen Molekulargewicht niedriger als Luft ist,bei der Freisetzung aus der flüssigen Phase, bei der durch die Verdampfungskälte das entstehende Gas-Luftgemisch schwerer als die umgebende Luft wird,sich bei der Ausbreitung wie ein Schwergas verhalten. Vorbereitungen Nach Durchsicht der entsprechenden Literatur zeigte es sich, dass zu dem damaligen Zeitpunkt nur wenige für uns zugängliche Institutionen auf dem Gebiet der schweren Gase forschten. Die Health and Safety Executive (HSE) in Sheffield/UK hatte Experimente mit dem Ausströmen eines nichtbrennbaren Gases aus einem Zelt durchgeführt, während die Shell LNG (verflüssigtes Erdgas) und LPG (verflüssigtes Propan oder Butan) über See freigesetzt hatte. Eine Unterstützung erhielten wir von den beiden Ansprechpartnern nicht. Von ihren Gasmessgeräten stellten sie nicht einmal Ansichtsexemplare zur Verfügung. promet, Jahrg. 29, Nr. 1- 4, 2003 M. Heinrich, R. Scherwinski: Feldversuche zur Ausbreitung von Propan als schweres Gas Zu Beginn der Versuche standen wir vor folgenden Problemen: • Beschaffung eines etwa 5 ha großen ebenen Geländes weit ab von Siedlungen, • Bau eines Propanlagers mit speziellen Armaturen zur mengenüberwachten Freisetzung aus der flüssigen Phase, • Entwicklung und Bau von Propanmessgeräten, • Beschaffung einer Datensammeleinrichtung, • Beschaffung von meteorologischen Messgeräten, • Aufstellung einer Strategie für die Versuchsabläufe, • Entwicklung von zahlreichen EDV-Programmen zur Datensammlung und Auswertung der Versuchsergebnisse. Bei der Auswahl eines Versuchsgeländes stand uns die Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) zur Seite, die uns ein Gelände der Wehrtechnischen Dienststelle (WTD) der Bundeswehr bei Lathen im Emsland vermittelte. Hier erfuhren wir eine große Unterstützung durch den geophysikalischen Dienst der Bundeswehr insbesondere durch die Mitnutzung eines hohen Mastes für Profilmessungen von Temperatur und Windgeschwindigkeit. Der Nachteil des Geländes war, dass wir es aus Sicherheitsgründen nicht bei allen Windrichtungen benutzen konnten. Außerdem mussten wir es gelegentlich räumen, wenn über unsere Köpfe hinweg Schießübungen stattfanden. Die Gasfreisetzungsanlage wurde nach unseren Vorstellungen von der Firma Elbe-Gas-Anlagen GmbH errichtet und bestand u. a. aus zwei erdgedeckten Tanks zu je 100 m2, die je 90 t druckverflüssigtes Propan aufnehmen konnten. Ein dritter Tank enthielt 100 m2 gasförmigen Stickstoff. Mit dem Druck dieses Tanks wurde der Druckabfall in den Propantanks bei der Freisetzung größerer Mengen kompensiert, um konstante Ausströmraten halten zu können. Über eine 200 m lange unterirdische Rohrleitung wurde das flüssige Propan zu der Freisetzungsstelle geleitet, so dass die Gebäude des Lagers das Windfeld am Freisetzungspunkt nicht veränderten. Die Ausströmraten wurden über kalibrierte Messblenden erfasst und nach unseren Vorgaben über Stellventile in zwei Bereichen von 0 - 10 kg/s und 0 – 70 kg/s gesteuert. Da 1983 keine für einen Feldeinsatz geeigneten Propanmessgeräte zur Verfügung standen, mussten selbst Geräte entwickelt werden. Es wurden zwei Gerätetypen konzipiert. Das Aufwendigere der beiden Typen benutzte die starke Absorptionsbande für Propan bei 3,7 µm. Der Herstellerfirma Sensorlab (München) wurde vorgegeben, dass die Freiluftmessstrecke 0,5 m sein solle. Im nachhinein stellten wir fest, dass diese nicht unbedingt notwendige Vorgabe die Ursache einer Kette von Schwierigkeiten war. Die Länge dieser Absorptionsstrecke machte es erforderlich aus dem Zentrum der starken Bande auf eine Flanke auszuweichen. Dadurch verschlechterte sich das Signal/Rauschverhältnis, weil störende Bestandteile der Propangaswolke, wie Wassertröpfchen und Eiskristalle gegenüber dem gasförmigen Propan zunehmend die angezeigte Absorption bestimmten.Auf diese Problematik wird noch ausführlicher eingegangen. Wegen der hohen Kosten dieser Infrarot Spektrometer wurden nur 11 Stück in Auftrag gegeben. 113 Die flächenhafte Erfassung der Propankonzentrationen in Bodennähe erfolgte mit Wärmetönungssensoren der Firma Auer. Die Sensoren bestanden aus einer Brückenschaltung mit zwei Thermistoren in einem Zweig, bei dem eine Thermoperle mit einem Katalysator beschichtet war. Bei einer mäßigen Vorheizung dieser Perle verbrannten daran Kohlenwasserstoffe und erhöhten deren Temperatur. Dadurch verstimmte sich die Brücke, weil der Widerstand der Perle bei steigender Temperatur sank. Zur Datensammlung wurde ein System der Firma Solartron ausgewählt, mit dem jeweils 5 x 20 Analogeingänge parallel digitalisiert und in etwa einer Sekunde über ein einziges Koaxkabel auf einen IBM PC übertragen werden konnten. Meteorologische Messgeräte für bodennahe Profile von Windrichtung- und -geschwindigkeit sowie Temperatur wurden uns vom meteorologischen Institut der Universität Hamburg zur Verfügung gestellt. Zur Strategie der Experimente gehörte zunächst die Festlegung der Quellkonfigurationen beim Austritt aus der flüssigen Phase. (Der Austritt von gasförmigem Propan spielt bei Störfällen nur selten eine Rolle.) Auswertungen von Unfällen mit Propan zeigten, dass alle Freisetzungen zwischen zwei Extremen eingeordnet werden konnten: 1. Bei einem Leitungsabriss kann Propan mit vollem Austrittsimpuls in Windrichtung austreten. In diesem Fall erreicht kein flüssiges Propan den Erdboden, da es unter Aufnahme von Wärme aus der Umgebungsluft schlagartig verdampft. (siehe Abb. 1) 2. Wenn ein Behälter oder ein Leitung ein Loch unterhalb der Erdoberfläche haben, wird der Austrittsimpuls vernichtet und das Propan wird ungerichtet freigesetzt. In diesem Fall bleibt etwa 30 % der austretenden Menge tiefkalt und flüssig an der Austrittsstelle zurück. (Zur Realisierung dieser Freisetzungsart siehe Abb. 2) Wir realisierten diese beiden Freisetzungsarten einerseits durch Rohrabschnitte verschiedener Durchmesser und andererseits durch einen Zyklon (Fliehkraftabscheider), in den das Propan tangential einströmte und in dem die Phasentrennung stattfand. Der gasförmige Anteil strömte ohne Vorzugsrichtung durch Öffnungen am oberen Rand des Zyklons ins Freie, während der flüssige Anteil durch Löcher im unteren Rand in eine vorbereitete Auffangwanne floss. Dieser Anteil verdampfte sehr langsam (in Stunden) und trug daher nur unerheblich zur Gaswolke bei. Folgender Versuchsablauf war typisch: Bei einer Hochdruckwetterlage begannen die Vorbereitungen für die Gasfreisetzung bei völliger Dunkelheit nachts zwischen 3 und 4 Uhr. Nach Feststellung der Windrichtung wurden auf dem Messfeld in Lee der Gasaustrittsstelle alle etwa 10 kg schweren Infrarot-Messgeräte und etwa 60 handliche Wärmetönungs-Messgeräte an Punkte eines vorher ausgemessenen Rasters mit einem geländegängigen Fahrzeug ausgebracht, aufgestellt und verkabelt. Die maximale Entfernung zur Freisetzungsstelle betrug etwa 300 m. 114 M. Heinrich, R. Scherwinski: Feldversuche zur Ausbreitung von Propan als schweres Gas Nach dem Aufstellen der Propanmessgeräte wurden vorbereitet: • eine schwenkbare Fernsehkamera zur Aufzeichnung der Kontur der Gaswolke • zahlreiche meteorologische Messgeräte zur Erfassung des Temperatur- und Windprofils in Bodennähe • Auswahl und Montage von Austrittsdüse oder Zyklon • Gasfreisetzungsanlage • Absperrung der Zuwegung zum Messfeld Nicht selten machte jetzt eine unvorhergesehene Drehung des Windes alle Vorbereitungen zunichte. Wenn aber alle für die einzelnen Arbeitsbereiche zuständigen Mitarbeiter ihr O.K. gegeben hatten, begann der Countdown für die Gasfreisetzung im ersten Dämmerlicht. Propan selbst ist unsichtbar. Die sichtbare Wolke bestand aus Wassertröpfchen und je nach Umgebungstemperatur auch aus Eiskristallen, die beide durch Abkühlung der Umgebungsluft aus der Verdampfungskälte des flüssigen Propans entstanden. 3 Zündentfernungen Zunächst haben wir nur Zündentfernungen, d. h. die Entfernungen zwischen der Freisetzungsstelle und der weitesten Stelle mit einer Propankonzentration von 2,1 % (dem unteren Explosionspunkt) ermittelt. Es stellte sich schnell heraus, dass Wassertröpfchen in den Wolken zu hohe Propankonzentrationen vortäuschten. Abhilfe schaffte ein Vlies, mit dem wir um den Strahlengang des Messgerätes eine Röhre bildeten. Dadurch stieg jedoch die Zeitkonstante des Messgerätes von 1 s auf etwa 10 s an. Um wieder auf die niedrige Zeitkonstante zu kommen, wurden die IR-Geräte mit einem zweiten Kanal außerhalb der 3,7 µm Bande versehen, mit dem der Einfluß der Wassertröpfchen eliminiert werden konnte. Laborversuche bestätigten unseren Denkansatz. Die Absorption durch Wassertröpfchen war in beiden Spektralbereichen gleich und lies sich daher herausrechnen. Hierdurch konnte auf das Vlies verzichtet werden. Ausgehend von dem Ausbreitungsverhalten von Tracergasen hatten wir die Vorstellung, dass auch bei schweren Gasen die Schichtung der Atmosphäre für die Zündentfernung von großer Bedeutung sei. Um das zu prüfen, wurden Versuche in einem möglichst weitem Bereich atmosphärischer Stabilität, quantifiziert durch die Richardson Zahl (Ri), vorgenommen. Die Richardson Zahl leitet sich aus den Profilen von Temperatur und Windgeschwindigkeit in Bodennähe ab. Freisetzungsart Ausströmrate in kg/s Gemessene Zündentfernung in m (FE) VDI 3783 Bl 2 in m (WV) Quotient FE/WV Tab. 1: Zyklon 2,5 69 89 0,78 Zyklon 6,0 125 126 0,99 promet, Jahrg. 29, Nr. 1- 4, 2003 Nach Auswertung der ersten Freisetzungsexperimente zeigte sich eine fast lineare Abhängigkeit der Zündentfernung von (Ri). Diesen Sachverhalt haben HEINRICH et al. (1998a) veröffentlicht. Prof. Schatzmann (Met. Inst. der Uni Hamburg) vertrat auf Grund seiner Windkanalversuche eine klar gegenteilige Meinung und veranlasste uns, nach einem Fehler in unserer Messanordnung zu suchen. Daraufhin haben wir mit unseren Zweikanal-IR-Geräten, die bei Raumtemperatur mit gasförmigem Propan kalibriert wurden, Untersuchungen bei Temperaturen in der Nähe des Gefrierpunktes angestellt, wie sie in einer Propangaswolke an einem frühen Morgen herrschen. Außerdem hatten wir analog zu unseren Feldexperimenten Propan aus der flüssigen Phase verwendet, das nur durch die nächtlich kalte Umgebungsluft verdampfte. Bei diesem Versuch stellte sich heraus, dass eindeutig zu hohe Propankonzentrationen angezeigt wurden. In diesem Zusammenhang erinnerten wir uns an die Schneeablagerungen unter den ersten Metern der Düsenfreisetzungen. Offensichtlich werden durch die schockartige Abkühlung der Umgebungsluft beim Austritt flüssigen Propans Eiskristalle gebildet, deren Größe in der Nähe der Wellenlänge der 3,7 µm Bande des Propans liegen. Nach der MieTheorie ist in diesem Fall zu erwarten, dass die Absorptionseigenschaften der Eiskristalle eine sprunghafte Funktion der Wellenlänge sind und dass unser Ansatz zur Eliminierung von Wassertröpfchen, der von einer nahezu wellenlängenunabhängigen Absorption ausgeht, für Eiskristalle nicht gilt. Die vorgetäuschten weiten Zündentfernungen waren in Wirklichkeit eine Funktion der Umgebungsluft in der Weise, dass bei tiefen Temperaturen in der morgendlichen Inversion der Anteil der Eiskristalle in der Wolke höher war, als bei höheren Temperaturen und labilen Schichtungen tagsüber. Bei den Wärmetönungsgeräten trat dieser Effekt nicht auf. Als wir unsere Ermittlungen der Zündentfernungen auf diese Geräte beschränkten, war nur noch ein schwacher Effekt der Stabilität bei kleineren Ausströmraten von etwa 3kg/s zu erkennen. Die Einwände von Prof. Schatzmann wurden bestätigt und wir haben unserer ersten Veröffentlichung ein Corrigentum nachgeschickt HEINRICH et al. (1989a). Parallel zu unseren Messungen wurde eine VDI-Richtlinie unter Mitwirkung von Prof. Schatzmann erarbeitet, mit der Sicherheitsabstände aufgrund von Windkanalversuchen abgeleitet werden sollten. HEINRICH et al. (1989b) haben in Tab. 1 einen Vergleich zwischen den Feldexperimenten und den Ergebnissen der VDI-Richtlinie 3783 (Gründruck) und unseren Ergebnissen angestellt. Zyklon 30 208 242 0,86 Düse 2,5 85 105 0,81 Düse 6 138 148 0,93 Düse 30 238 283 0,84 Vergleich der aus Feldexperimenten (FE) abgeleiteten Zündentfernungen mit Ergebnissen aus der entsprechenden VDI-Richtlinie, die aus Windkanalversuchen (WV) abgeleitet wurden. promet, Jahrg. 29, Nr. 1- 4, 2003 Abb. 1: M. Heinrich, R. Scherwinski: Feldversuche zur Ausbreitung von Propan als schweres Gas 115 Typisches Bild einer impulsbehafteten Ausströmung aus einer Düse mit 6 kg/s flüssigem Propan. Gut zu erkennen ist „head and tail“. Diese Form der Wolke bleibt beim Voranschreiten so lange erhalten, wie Gas nachströmt. Unsere einzelnen Versuche wurden in HEINRICH et al. (1988b) ausführlich beschrieben. 4 Hindernisse 1988 legte die Europäische Gemeinschaft (EG) ein Forschungsprogramm „Major Technological Hazards“ auf, mit dem Ziel, Industrieunfälle zu vermeiden. Ein Unterprogramm behandelte „Research on Continuous and Instantanious Heavy Gas Clouds“, und passte damit genau zu unseren Versuchen.Wir wurden Teil eines Verbundes von europäischen Wissenschaftlern, die das Verhalten von schweren Gasen untersuchten. Besonders mit dem dänischen Risø National Laboratory aus Roskilde entwickelte sich eine fruchtbare Zusammenarbeit auf unserer Versuchsanlage bei Lathen. Allerdings haben unsere dänischen Kollegen ihren Schwerpunkt auf die Untersuchung der Konzentrationsfluktuationen in einer Schwergaswolke gelegt. Ihre Ergebnisse haben HEINRICH et al. (1991) und NIELSEN (1998) veröffentlicht. Im Sinne unseres Bestrebens, möglichst praxisnahe, direkt verwertbare Experimente durchzuführen, haben wir die Auswirkungen einer 2 m hohen Wand auf die Ausbreitung Abb 2: Impulsfreies Ausströmen lässt sich von der Seite nur schlecht fotografieren, weil sich die Wolke meist kreisförmig ausbreitet. Die Abbildung zeigt den Zyklon (Fliehkraftabscheider) zur Phasentrennung. Das flüssige Propan wird (hinten) tangential eingeführt. Aus den unteren kreisförmigen Löchern strömt die tiefkalte flüssige Phase in den Auffangraum, in dem noch eine kleine Lache einer früheren Freisetzung zu sehen ist. Die gasförmige Phase tritt aus den oberen rechteckigen Öffnungen aus. 116 M. Heinrich, R. Scherwinski: Feldversuche zur Ausbreitung von Propan als schweres Gas von Propangaswolken untersucht, da wir aus den vorherigen Versuchen beobachtet haben, dass diese Höhe bereits ausreichen müsste, um Propangaswolken zu leiten. Bei früheren Experimenten mit schweren Gasen von anderen Experimentatoren sind auch Einflüsse von Hindernissen untersucht worden; allerdings ging deren Auf- und Abbau so langsam,dass sich die atmosphärischen Bedingungen zwischendurch längst geändert hatten und ein Vergleich der Konzentrationsfelder mit und ohne Hindernissen nicht möglich war. Wir haben daher unsere dänischen Partner gebeten, 2 m hohe Hindernisse zu konstruieren, die mit einem speziellen Mechanismus schlagartig niedergerissen werden konnten. An Pfosten in Abständen von 2,4 m wurden durch zwei Latten 2 m hohe Segeltücher aufgespannt. Mit einem ausgeklügelten Mechanismus konnte das Hindernis innerhalb weniger als 5 s beseitigt werden. So konnten Propangaskonzentrationen mit und ohne Hindernis direkt verglichen werden, weil in dieser Zeit die meteorologischen Verhältnisse nahezu konstant blieben. Wir konnten feststellen, dass auch mit einem nur 2 m hohen Hindernis der Gaswolke der Weg verlegt werden kann. Ferner haben die Profilmessungen unserer dänischen Kollegen gezeigt, dass der Segeltuchzaun Wirbel bildet, die das Schwergas wesentlich verdünnen. Mit unseren Experimenten konnte die Skalierung von Windkanalversuchen zur Ausbreitung schwerer Gase auf eine sichere Grundlage gestellt werden, siehe dazu KÖNIGLNGLO und SCHATZMANN (1989). Damit sind die Aussagen der VDI-Richtlinie 3783 (1990) experimentell verifiziert worden. promet, Jahrg. 29, Nr. 1- 4, 2003 HEINRICH, M., E. GERHOLD, P. WIETFELDT, 1989a: Large Scale Propane, Corrigendum Release Experiments over Land at different atmospheric Stability Classes, Journal of Hazardous Materials 22, 407-413. HEINRICH, M., E. GERHOLD, P. WIETFELDT, 1989b: Bestimmung der Zündentfernung bei der Freisetzung von Flüssiggas, TÜ, Bd. 30, Nr. 4, 166-172. HEINRICH, M., R. SCHERWINSKI, 1991: Propanfreisetzungen unter praxisnahen Bedingungen – Ermittlung von Gaskonzentrationen mit und ohne Hindernissen, Technischer Überwachungs-Verein Norddeutschland e. V., BMFT 13RG8807, Hamburg, 98 S. HEINRICH, M., 1998: Gaußsches Ausbreitungsmodell ohne Gaußsche Formel, Meteorol. Zeitschrift, N.F . 7, 24-26. KÖNIG-LANGLO, G., M. SCHATZMANN, 1989: Ausbreitung von störfallbedingten Freisetzungen schwerer Gase, STAUB Reinhaltung der Luft 49, 241-247. NIELSEN, M., N. O. JENSEN, 1991: Continuous Release, Dense Gas, Field Experiments with Obstacles Final Report on Project BA.X2, Risø National Laboratory, Roskilde, Denmark, February 1991, 26 S. NIELSEN,M.,1998:Dense Gas Dispersion in the Atmosphere,Risø National Laboratory, Roskilde, Denmark, September 1998, 276 S. VDI 3783 Bl.2, Juli 1990, Umweltmeteorologie, Ausbreitung von störfallbedingten Freisetzungen schweren Gasen – Sicherheitsanalyse, deutsch-englisch, 43 S. Über die Experimente mit Hindernissen haben HEINRICH und SCHERWINSKI (1991) berichtet.. Literatur HEINRICH, M., E. GERHOLD, P. WIETFELDT, 1988a: Large Scale Propane, Release Experiments over Land at different atmospheric Stability Classes, Journal of Hazardous Materials 20, 270-301. HEINRICH, M., E. GEROLD, P. WIETFELDT, 1988b: Praxisgerechte Bestimmung der Zündentfernung bei der Freisetzung schwerer Gase, Technischer Überwachungs -Verein Norddeutschland e. V., BMFT 326-7591-01-RG 8402, Hamburg, März, 116 S. Anschrift der Autoren: Dr. Manfried Heinrich Sachverständiger des TÜV Nord a. D. und freier Mitarbeiter Memeler Straße 6A 25421 Pinneberg E-Mail: [email protected] Dipl.-Phys. Ralf Scherwinski Sachverständiger des TÜV Nord, Umweltschutz GmbH & Co KG Große Bahnstraße 31 22525 Hamburg E-Mail: [email protected]