PDF-Datei zur Geschichte der Populären Musik/Rock

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PDF-Datei zur Geschichte der Populären Musik/Rock
„It‘s only Rock & Roll…“
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Lou Reed (Jg. 1942):
Rock ‘n’ Roll
(auf: Rock N Roll Animal, 1974)
Jenny said, when she was just five years old
There was nothin' happening at all
Every time she puts on the radio
There was nothin' goin' down at all, not at all
Then, one fine mornin', she puts on a New York station
You know, she couldn't believe what she heard at all
She started shakin' to that fine, fine music
You know, her life was saved by rock'n'roll
Despite all the imputations [= Beschuldigungen]
You know, you could just go out
And dance to a rock 'n‘ roll station
And it was all right, hey baby,
You know, it was all right
Jenny said, when she was just about five years old
`You know, my parents are gonna be the death of us all
Two TV sets and two Cadillac cars
Well, you know, ain't gonna help me at all`
Then, one fine morning, she turns on a New York station
She doesn't believe what she hears at all
Ooh, she started dancin' to that fine, fine music
You know, her life was saved by rock 'n‘ roll
Yeah, rock 'n‘ roll
2
Despite all the computations
You could just dance to that rock 'n‘ roll station
And baby, it was all right, yeah
Hey, it was all right
Hey, here she comes now
Jenny said, when she was just about five years old
'Hey, you know, there's nothin' happening at all, not at all
Every time I put on the radio
You know, there's nothin' goin' down at all, not at all
But, one fine morning, she hears a New York station
She couldn't believe what she heard at all, hey, not at all
She started dancing to that fine, fine music
You know, her life was saved by rock 'n‘ roll
Yes, rock 'n‘ roll
Despite all the computations
You know, you could just dance to the rock 'n‘ roll station
All right
All right, all right, and it was all right
Oh, listen to me now, it was all right
Come on now, believe me, it was all right
it was all right
hey, it's all right now,.......
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Richard Middleton, in: Handbuch der Musik des 20. Jahrhunderts (Band 8, Rock- und
Popmusik, hrsg. von Peter Wicke, Laaber 2001, S. 80)
„Dass der Rock ’n’ Roll eine Mischkategorie darstellt, die aus dem
Zusammenfließen weißer Country Music und schwarzem Rhythm & Blues
resultiert, ist ein Gemeinplatz der Geschichtsschreibung, obwohl die CountryElemente nur im Rockabilly-Stil, der mit Memphis assoziiert wird, eine
wichtige Rolle spielen. Es ist daher zutreffender, die anderen Stile des Rock
’n’ Roll – aus Chicago und New Orleans etwa – als Spielarten des R&B für
kleinere Besetzungen zu beschreiben, die mit einem neuen MarketingKonzept versehen wurden, um statt schwarze Ghettobewohner ein Publikum
aus weißen Heranwachsenden anzusprechen.
Da viele dieser musikalischen Elemente bereits seit langem gebräuchlich
waren, wird deutlich, welch große Rolle soziale, ökonomische und
technologische Veränderungen für die Entstehung des Rock ’n’ Roll gespielt
haben:
• wirtschaftlicher Aufschwung und Teenager-Wohlstand,
• die erstickende Ideologie des Kalten Krieges,
• die zunehmende Integration des amerikanischen Südens ins
nationale Bewusstsein insbesondere der Schwarzen,
• die Entstehung von kleinen Plattenfirmen und Radiosendern sowie
• das Aufkommen von Tonbangeräten, Vinyl und Transistorradios…
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SUN-Records in der Union Avenue Nr. 706, Memphis
Sam Phillips (1927-2003)
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Perry Como (1960)
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Robert Palmer, in: Rock & Roll. Die Chronik einer Kulturrevolution, 1997
„Mainstream-Pop war zwar eine blitzsaubere, aber äußerst
müde Angelegenheit – trotz der Tatsache, dass gelegentlich
ein verwässerter Pop-Boogie-Woogie-Hit in den Charts
auftauchte. Perry Como produzierte in seinen V-Pullovern
Schmachtgesang für Schnarchnasen aus der Vorstadt,
Frankie Laine winselte ’I Must Go Where the Wild Goose
Goes’, und Miss Patti Page stellte sich trällernd die Frage
’How Much Is That Doogie In The Window?’.
Pop-Enthusiasten stellen diese Musik gerne als „gut“ hin,
aber die Blütezeit der Gebrauchsmusik, als Komponisten wie
Irving Berlin, George and Ira Gershwin oder Cole Porter
[„Night & Day“] das Sagen hatten, waren lange vorüber. Der
Pop der 50er war größtenteils nur ein lauwarmer Abklatsch
davon.“
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Transistorradio der Firma NORDMENDE (1961)
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Radiogerät aus
den 1930er Jahren
mit Vakuumröhre
Moderne Transistoren
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Magnettonbandgerät der Firma FUNKWERK in Leipzig (1951)
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Alan Freed (1922-1965)
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„Sie [Lionel Hamptons Erinnerungen] zeigen
Rock & Roll als eine Weiterentwicklung der JazzTradition. Vor den vierziger Jahren, so meinen
die Verfechter dieser Theorie, sei Jazz
gleichzeitig Kunst und Unterhaltung gewesen
(...)
Mitte der Vierziger jedoch, einer Zeit, in der
wegen des Krieges, wegen Aufnahmeverboten
und einer Reihe von Streiks der amerikanischen
Musikergewerkschaft nur wenige Tondokumente
entstanden, kam es zur großen Spaltung. Auf
der einen Seite entwickelte sich die Musik zum
Zuhören; Musik, die für Liebhaber produziert
wurde (...)
Die Tanzmusik auf der anderen Seite führte die
Tradition des treibenden Blues fort, wie er im
Südwesten von Bands wie Count Basie gespielt
wurde. Diese Strömung entwickelte sich zum
Rhythm & Blues, der schließlich zum Rock ’n’
Roll wurde.“
Palmer, Robert: Rock ’n’ Roll. Die Chronik einer Kluturrevolution (Original:
Rock ’n’ Roll. An Unruly History, New York 1995). St. Andrä-Wördern:
Hannibal Verlag 1997, S. 55/56.
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Die erste kommerziell
erfolgreich Rock & RollPlatte: Jackie Brenston
and his Delta Kids
„Rocket 88“ (1951)
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Jim Dawsons/Steve Propes:
What Was the First Rock ‘n’ Roll
Record? Boston: Faber & Faber
1992.
1. Jazz at the Philharmonic:
Blues, Part 2 (1944);
2. Joe Leggins: The
Honeydripper (1945);
3. Helen Humes: Be-Bab-Leba
(1945);
4. Freddie Slack: House Of Blue
Lights (1946);
5. Big Boy Crudup: That’s All
Right Mama (1946) ►
Coverversion und 1. SingleErfolg von Elvis 1954
Arthur „Big Boy“ Crudup (1905-1974)
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Richard Middleton, in: Handbuch der Musik des 20. Jahrhunderts (Band 8, Rock- und
Popmusik, hrsg. von Peter Wicke, Laaber 2001, S. 80)
„In
formaler Hinsicht wurde das zwölftaktige Muster häufig
modifiziert. So hört man sowohl in Tutti Frutti (Little Richard, 1956)
als auch in Maybellene (C. Berry, 1955) 12-taktige Refrains im
Wechsel mit Strophen, die andere Akkordfolgen enthalten. Jerry
Lee Lewis Great Balls of Fire (1957) ist ebenso wie Elvis Presleys
Heartbreak Hotel (1956) ein 8-taktiger Blues, in den eine Bridge
eingebaut ist, während Presleys All Shook Up (1957), das ebenfalls
eine Bridge enthält, mit einem Refrain von 16 Takten Länge
versehen ist (…)
Einerseits gehen solche Varianten auf Entwicklungsstränge des
Rhythm & Blues zurück, in denen die gleichermaßen gebräuchlich
waren. Andererseits legen sie das Fundament für das, was die
später sich herausbildende Rockmusik auf der Basis des BluesKonzepts als musikalische Form herausbringen sollten:
(1) ein flexible Herangehensweise an den Refrain,
(2) die Vorliebe für wiederholte harmonische Einheiten und
(3) eine Fokussierung auf die harmonischen Hauptfunktionen
I-IV-V, die durch modale Elemente modifiziert werden.“ (S. 81)
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Weitere musikstilistische Besonderheiten von
Cuck Berrys „Carol“ (1955):
• typische Beispiel für den so genannten „car
Sound“, der von C. Berry kreiert und der
hauptsächlich mit ihm assoziiert wird.
• zum einen auf songtextlicher Ebene: Berry
thematisiert den (weißen) Autokult der 1950er
Jahre.
• Entscheidend für diesen "Chicago-Rock ’n’
Roll" aber ist eine völlig neue Verwendung der
elektrischen Gitarre, die mit einer leichten
Röhrenverzerrung etwas blechern klingt und
bei
Berrys
zweisaitigen
Bendings
an
Autohupen erinnert.
• Die Rhythmusbegleitung spielte Berry mit
Abschlägen auf den abgedämpften Basssaiten.
Berry
ist
einer
der
meistgecoverten
Rockmusiker. Seine Licks inspirierten weite
Teile der Beatmusik in den 60er Jahren und
gehören bis heute zum Standardrepertoire
vieler Gitarristen.
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B. Didley: I’m a man (1955)
Now when I was a little boy,
At the age of five,
I had somethin' in my pocket,
Keep a lot of folks alive.
Bo Didley (1928 – 2008)
Now I'm a man,
Made twenty-one,
You know baby,
We can have a lot of fun.
I'm a man,
I spell m-a-n...man.
All you pretty women,
Stand in line,
I can make love to you baby,
In an hour's time.
Bo Didley (2004)
I'm a man,
I spell m-a-n...man.
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„Hey nonny ding dong, alang alang alang
Boom ba-doh, ba-doo ba-doodle-ay
Oh, life could be a dream (sh-boom)
If I could take you up in paradise up above (sh-boom)
If you would tell me I'm the only one that you love
Life could be a dream sweetheart
(Hello hello again, sh-boom and hopin' we'll meet again)…
The Chords („Sh-Boom“, 1954)
The Crew Cuts („Sh-Boom“, 1954)
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HOUND DOG
R&B-Original (1953)
und
R&R-Cover-Version
(1956)
Willie Mae “Big Mama”
Thornton
Mike Stoller (l.) und Jerry Leiber
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Hound Dog (Version Willie Mae Thornton)
1./3./5. You ain´t nothing but a hound dog, been snoopin´ round my door (2x)
You can wag your tail, but I ain´t gonna feed you no more
2. You told me, you was high-classed, but I can see through that (2x)
And daddy I know, you ain´t no real cool cat
4. You made me feel so blue, you made me weak and moan (2x)
Cause you ain´t lookin´ for a woman, what are you lookin´ for?
Hound Dog (Version Elvis Presley)
1./3./6.You ain´t nothing but a hound dog, cryin´ (crackin´?) all the time (2x)
Well, you ain´t never caught a rabbit, and you ain´t no friend of mine
2./4./5. Well they said you was high-classed, well that was just a lie (2x)
Yeah, you ain´t never caught a rabbit, and you ain´t no friend of mine
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Original
Elvis
Rhythmus
Die Blues-Erzählung von Mama
Thorton ist rhythmisch binär und
„laidback“ interpretiert (man folgt
ihr vielleicht sitzend oder eher in
cooler, verhaltener
Tanzbewegung)
Elvis forciert den Rhythmus zur
treibenden, ternären Tanznummer
Text
Dreistrophiger Aufbau;
Metaphorik eines streunenden
Hundes mit versteckt sexuellen
Anspielungen
Reduziert auf 2 Bluesstrophen,
wobei die jeweils 2. Zeile noch
identisch, d.h. erhebliche
inhaltliche Verkürzung (bzw.
Halbierung) der Aussage
Klatschrhythmus
Simples Klatschen auf dem
„backbeat“ (2 und 4)
Komplizierter Klatschrhythmus, der
aufnahmetechnisch mehr in den
Vordergrund gerückt wird
Gesang /
Vokalsatz
Nur vokale Solostimme (z.T. im
Einsatz eines Background Chores
(4. Strophe) ohne Vokalsolisten,
stattdessen mit Solo-Git.
Zäsuren
Dialog mit Solo-Gitarre)
Die einzelnen Chorusse werden
durch den triolischen Drum-Break
hat voneinander abgesetzt; es
entsteht der Eindruck eines
dynamisch vorantreibenden
Neustarts.
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Unterschiedliche Rock & Rock-Stile
Vgl. Wicke/Ziegenrücker „Handbuch der Populären Musik“ (1997, S: 450)
Herkunft
Repräsentanten
Chicagoer Rhythm & Blues-Tradition
Chuck Berry, Bo Diddley
Rock & Roll aus New Orleans ► Bluesund Boogie-Tradition der Südstaaten
Fats Domino, Lloyd Price, Henry
Roeland Byrd (= Professor Longhair),
Little Richard
Vom Gospel beeinflusster R&B
schwarzer Vokalgruppen
The Drifters, The Coasters, The
Dominoes
Rock & Roll im Combo-Sound des
Nordens ► Grundlagen: Jump Blues
und Western Swing
Bill Haley and the Commets, Freddie Bell
and the Bell Boys
Rockabilly ► Imitation schwarzer
Musiktraditionen durch weiße
Interpreten
Elvis Presley, Carl Perkins, Jerry Lee
Lewis, Roy Orbison, Buddy Holly
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