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8 GEWERKSCHAFT
VER.DI PUBLIK 04 APRIL 2008
ÖSTERREICH
KOLUMBIEN
Protestschreiben an die
Botschaft
ver.di fordert alle Mitglieder auf, Protestschreiben an die kolumbianische
Botschaft in Berlin zu schicken. Anlass ist die Ermordung von Leonidas
Gomez Rozo. Er war Bankangesteller
und leitender Funktionär der Bankangestelltengewerkschaft Kolumbiens
UNEB. Im Schreiben des ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirske an die Botschafterin heißt es: „Im Namen der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
und unserer 2,2 Millionen Mitglieder
bringe ich meine Empörung über die
Ermordung von Leonidas Gomez Rozo zum Ausdruck. In den vergangenen 20 Jahren wurden in Kolumbien
2 500 Gewerkschafter umgebracht. Die
Regierung des Landes hat keine effiziente Antwort gefunden. Morde bleiben unbestraft... Zusammen mit UNI
Gobal Union trauern wir um Leonidas
und protestieren gegen die Selbstgefälligkeit der Regierung Kolumbiens.”
Der komplette Brieftext und die Adresse der Botschaft stehen auf der ver.diWebsite.
www.verdi.de
www.union-network.org
www.botschaft-kolumbien.de
GRIECHENLAND
Streik gegen die Telekom
Die griechische Telekom-Gewerkschaft
hat wegen des geplanten Einstiegs der
Deutschen Telekom bei der Helenic Telekom (OTE) Ende März gestreikt. Die
Gewerkschafter hatten am Hauptgebäude der griechischen Telekom
schwarze Bänder und Deutschlandfahnen aufgehängt. Sie protestieren gegen die Übernahme von knapp 20 Prozent des Anbieters Helenic Telekom
durch die Deutsche Telekom, die ihre
Position in Südosteuropa ausbauen will.
SLOWENIEN
Demonstration in Ljubljana
35 000 Gewerkschafter/innen aus ganz
Europa haben am 5. April in Ljubljana
demonstriert, um höhere Löhne zu fordern. Die Konföderation Europäischer
Gewerkschaften ETUC hatte dazu aufgerufen. Mehr als 50 Gewerkschaften aus über 30 Ländern beteiligten
sich. Die Demonstranten erklärten, stagnierende Löhne seien ein Problem,
das die Arbeiter/innen in allen europäischen Ländern betreffe. Die Demonstration war die erste dieser Art, die in
einem der neuen EU-Mitgliedsstaaten
stattfand.
www.etuc.org
RUSSLAND
Aktion in Moskau
Mehr als 50 Beschäftigte der französischen Handelskette Leroy Merlin
und Gewerkschafter/innen haben am
3. April in Moskau vor einem der Geschäfte des Unternehmens gegen die Unterdrückung der örtlichen Handelsgewerkschaft protestiert und bessere Arbeitsbedingungen gefordert. Das Moskauer UNI-Büro für Osteuropa und Mittelasien unterstützte die Aktion.
www.union-network.org
AUSBILDUNG
Gegen Schmalspurberufe
Aus bisher drei Ausbildungsberufen in
der Bürowirtschaft sollen künftig einer
werden. Das betrifft rund 100 000 Ausbildungsplätze, die besonders bei
Mädchen gefragt sind. Der Frauenanteil bei den Auszubildenden liegt
in diesem Bereich bei knapp 80 Prozent. Die Arbeitgeber fordern zudem
eine neue zweijährige Ausbildung
für Büroarbeit. ver.di lehnt eine solche Schmalspurausbildung ab, erklärten die Frauenpolitikerinnen der Gewerkschaft. Gerade vor dem bundesweiten Girls’ Day, dem MädchenZukunftstag, am 24. April, sollten
Unternehmen, Bundesregierung und
das Bundesinstitut für berufliche Bildung sich klar machen, dass zweijährige Kurzausbildungen die Mädchen
in eine Sackgasse führen.
www.girls-day.de
www.frauen.verdi.de
Der lange Marsch zum Betriebsrat
KiK-Beschäftigte in Österreich haben ihre Arbeitnehmervertretung gewählt
VON GUDRUN GIESE
Das Innere des Ladens in einem Wiener Außenbezirk ist so trist wie in allen Filialen des Textildiscounters KiK,
die Verkäufer/innen wirken so gehetzt
wie in jedem Geschäft, in dem viel
Arbeit auf wenig Personal verteilt wird.
„Überstunden werden oft nicht abgegolten und Zuschläge nicht korrekt
bezahlt“, stellt Andreas Fillei fest.
Früher hat Fillei als Leiter einer KiKFiliale in Villach gearbeitet. Mittlerweile engagiert er sich als Betriebsrat für
bessere Arbeitsbedingungen bei KiK in
Österreich und arbeitet als „einfacher“
Angestellter in einer Filiale in Kärnten. Denn für sein Engagement zahlt
der 36-Jährige einen hohen Preis.
Dazu später.
Es begann 2005
Die Versuche, Betriebsratswahlen bei
KiK in Österreich zu ermöglichen, begannen 2005. Eine Arbeitnehmervertretung für die rund 1 200 Beschäftigten der 250 KiK-Filialen hätte es eigentlich schon im Herbst 2005 geben müssen. Damals war ein „arbeitgebernaher“ Wahlvorstand mit der Ausschreibung der Betriebsratswahl beauftragt.
Der ließ jedoch alle Fristen verstreichen, die Wahlen fanden nicht statt.
„Im Jahr darauf starteten wir eine
Kampagne“, berichtet Georg Grundei
von der zuständigen Gewerkschaft der
Privatangestellten, Druck, Journalismus,
Papier (GPA-DJP). Gewerkschafter/innen klärten KiK-Beschäftigte über ihre
Rechte auf, Betriebsrät/innen aus unterschiedlichen Branchen übernahmen
Patenschaften. KiK-Beschäftigte, die
sich an einer Fragebogenaktion beteiligten, sprachen sich zu 98 Prozent für
die Wahl eines Betriebsrates aus. 85
Prozent gaben an, unbezahlte Überstunden zu leisten, 60 Prozent klagten über Willkür bei der Arbeitsplanung.
Spätestens da fühlte sich Andreas
Fillei motiviert, das Projekt wieder
anzuschieben – mit Unterstützung der
Gewerkschaft. Doch zwei Tage nach
der Ausschreibung der Wahl wurde Fillei, der als Spitzenkandidat auf der
gewerkschaftsnahen Liste kandidierte, ohne Begründung fristlos entlassen
und obendrein mit einem Hausverbot
für alle KiK-Filialen belegt. Das war Anfang 2007.
„Die GPA-DJP legte Klage gegen diese Entscheidung ein und initiierte eine
Protestaktion“, erzählt Georg Grundei. Mehr als 8 000 Mails gingen bei
der KiK-Geschäftsführung in Österreich
und in der Unternehmenszentrale im
westfälischen Bönen ein, mit denen auf
Rücknahme der Kündigung und Einleitung der Betriebsratswahlen gedrängt
wurde. Auch der ver.di-Fachbereich
Handel solidarisierte sich mit dem
entlassenen Kollegen in Österreich.
Mit Erfolg. Nach weiterem Hick-Hack
um die Wahlen einigte sich die Gewerkschaft GPA-DJP Mitte Mai 2007 mit
dem österreichischen KiK-Geschäftsführer Wolfgang Seebacher, die Kündigung von Andreas Fillei zurückzunehmen und die Wahlen neu auszuschreiben. Die Gewerkschaft akzeptierte
dafür allerdings den bestehenden
arbeitgebernahen Wahlvorstand. So
konnte das Ergebnis der Wahlen, die
Ende Juni 2007 stattfanden, nicht überraschen: Von 14 Mandaten entfielen
nur vier auf die gewerkschaftsnahe
Liste mit Andreas Fillei an der Spitze.
Mehr Mut wird gebraucht
„Unsere Arbeit ist nicht einfach. Wir
bekommen viel Druck vom Arbeitgeber zu spüren“, sagt Fillei, der frühere Filialleiter. Aus vielen Gesprächen
mit Kolleg/innen weiß er, dass er und
seine drei Mitstreiter von der gewerkschaftsnahen Liste viel mehr Rückhalt in der Belegschaft haben, als die
Mehrheitsverhältnisse zeigen. „Viele
Kollegen hatten leider große Angst
und nahmen gar nicht erst an den Wahlen teil“, bedauert Andreas Fillei. Trotz-
BANGLADESCH
Unser täglich Schnäppchen
Aktuelle Studie über die Arbeitsbedingungen der
Frauen in Textilfabriken
Das T-Shirt für zwei Euro, Kinderjeans
für fünf Euro – das gibt es, wenn auch
nur beim Textildiscounter KiK oder
bei Lidl und Aldi. Der wahre Preis ist
hoch. Zuschneiderinnen und Näherinnen ermöglichen ihn, zum Beispiel
in Bangladesch, und bezahlen ihn mit
ihrer Gesundheit und Lebensqualität.
Wer bezahlt unsere Kleidung bei Lidl
und KiK? lautet der Titel einer Broschüre, die die Kampagne für Saubere Kleidung mit ihren Trägerorganisationen
Inkota-Netzwerk, Netz Bangladesch,
Terre des Femmes und dem ver.di-Bereich Politik und Planung herausgegeben hat. Mehrere Beiträge befassen sich mit den Arbeitsbedingungen
in sechs Textilfabriken in Bangladesch,
die Lidl und KiK mit Textilien beliefern. Die Untersuchung der Fabriken
durch das „Alternative Movement for
Ressources and Freedom Society“
(AMRF) findet sich in der Studie neben Erfahrungsberichten von Arbeiterinnen. Sie berichten über willkürliche Lohnkürzungen, verspätete Auszahlung des Lohns und Kündigungen.
Auf 16 bis 25 Euro wurde der Mindestlohn in Bangladesch heraufgesetzt
– monatlich. Doch auch diesen Lohn
erhalten nicht alle Arbeiterinnen.
Ohne die enorme Nachfrage der Discounter nach Billigsttextilien wären die
Arbeitsbedingungen so kaum haltbar.
Der Druck auf die Lieferanten nimmt
zu: Produziert werden muss schnell,
von den Herstellern wird erwartet, Stoffe und andere Materialien vorzufinanzieren. Am Ende stecken im Preis für
ein T-Shirt ein Prozent Lohnkosten, aber
25 Prozent Markenwerbungskosten.
Die Aldi-Zulieferer
Bereits 2007 hat das Südwind-Institut in seiner Studie All die Textilschnäppchen – nur recht und billig? die Arbeitsbedingungen bei Aldi-Zulieferern in
China und Indonesien beschrieben, die
denen der Textilarbeiterinnen in Bangladesch ähneln (ver.di P U B L I K 05_
2007). Als Reaktion auf diese und andere Veröffentlichungen traten Lidl und
Aldi der europäischen „Business Social Compliance Initiative“ (BSCI) bei, die
allerdings unternehmensgeleitet ist und
nicht mit Gewerkschaften und NGOs
kooperiert. Schließlich hatten unabhängige Sachverständige festgestellt,
dass Lidl und Aldi zu den europäischen Großunternehmen gehören, die
ihrer sozialen Verantwortung am wenigsten gerecht werden: Im „Good
Company Ranking 2007“ nahmen sie
die Plätze 118 (Aldi) und 119 (Lidl)
von 120 ein. Bewertet wurden u. a. der
Umgang mit Mitarbeitern, soziales Engagement, Umweltschutz und Transparenz.
GUDRUN GIESE
KAMPAGNE FÜR SAUBERE KLEIDUNG (HG.),
Clever kaufen bei KiK?
dem bereut er sein Engagement keine Sekunde, „denn nur mit Betriebsrat können wir die Arbeitsbedingungen bei KiK verbessern“.
Die Gewerkschaft GPA-DJP hat unterdessen Verhandlungen mit den Arbeitgebern aufgenommen. Georg Grundei erklärt: „Wir brauchen Regelungen
zur Arbeitszeit vor allem für Teilzeitkräfte. Bisher werden die Einsätze vom
Arbeitgeber kurzfristig und einseitig
festgelegt, so dass die Beschäftigten
weder ihre Freizeit noch ihre Arbeit gut
FOTO: SASCHA SCHUERMANN / DDP
planen können.“ Auch über die Zahlung von Zuschlägen soll verhandelt
werden, die KiK-Kolleg/innen nicht
erhalten, obwohl sie Anspruch darauf
haben.
„Ein Anfang ist gemacht“, urteilt
Georg Grundei. „Wir sind optimistisch,
etwas für die Beschäftigten zu erreichen“. Im übrigen setzt der Gewerkschafter darauf, dass sich bei künftigen Betriebsratswahlen mehr Kolleg/innen trauen, zu kandidieren oder zumindest „ihre“ Liste zu wählen.
MEIN ARBEITSPLATZ: WOLFGANG ZÜGEL
Im Newsroom
Wolfgang Zügel (57) ist stellvertretender Ressortleiter Wirtschaft der Berliner Morgenpost
Mein Arbeitstag beginnt gegen 10 Uhr.
Zunächst lese ich in meinem Büro im
zehnten Stock des Axel-Springer-Hauses Post, E-Mails und die Zeitungen der
Konkurrenz. Dann sehe ich mir an, welche Themen die Kollegen der Welt für
die kommende Ausgabe vorgesehen
haben. Auch der Seitenplan der Berliner Morgenpost liegt bereits vor, an
dem ich sehe, wie viel Platz wir haben, wo Anzeigen erscheinen sollen.
Schon vor 30 Jahren kam ich nach
Berlin, arbeitete nach dem Volkswirtschaftsstudium unter anderem für die
taz und als Pressesprecher. Vor acht
Jahren wechselte ich zur Welt, dann
zur Berliner Morgenpost.
Gegen 11 Uhr fahre ich mit dem Fahrstuhl in den 14. Stock zu meinem zweiten Arbeitsplatz im Newsroom. In dem
400 Quadratmeter großen Raum stehen sechs Tische, an denen der Chef
vom Dienst, die Layouter, die Chefredakteure, die Verantwortlichen Redakteure der Onlineseiten und der Zeitungen Welt kompakt, Berliner Morgenpost, Welt und freitags auch Welt
am Sonntag arbeiten. Über Monitore
an der Decke verfolgen wir Nachrichtensendungen im Fernsehen. Kommt
eine Eilmeldung über die Agenturen,
kann es passieren, dass die Chefredakteure quer durch den Raum rufen.
An meinem Tisch sitzen die Blattmacher des Wirtschaftsteils der vier
Zeitungen und der Onlineseiten. Wir
besprechen, wie jeder ein Thema anIch
will
packt. Angepasst an das Medium werden tagsüber Zeitungsartikel ins Netz
gestellt, abends wird die komplette
Ausgabe übernommen. Auch im
Newsroom verschaffe ich mir zuerst einen Überblick, sehe mir unsere Internetseiten an, lese Agenturmeldungen.
Unsere Korrespondenten schicken Vorschläge für Artikel, ganz wichtig sind
die aus den USA. Ab 13 Uhr kann ich
mit den Kollegen telefonisch Details
absprechen, dann ist es dort 7 Uhr morgens. Um 12 Uhr findet die Redaktionskonferenz der Morgenpost statt.
Anschließend gehe ich mit Redakteuren aus der Wirtschaftsredaktion essen, der Kontakt ist mir wichtig. Danach bespreche ich mit den Layoutern die Seiten und redigiere Texte. Um
18 Uhr 30 haben wir unsere Stehkonferenz vor der Wand, an der die fast
fertigen Seiten hängen. Bis 20 Uhr müssen wir fertig sein, die Zeitung wird gedruckt. PROTOKOLL: SILKE LEUCKFELD
FOTO: MAICHEL DUTTA
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