Gorgonzilla und die Salamitaktik

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Gorgonzilla und die Salamitaktik
 Der Don (Arnd Heuwinkel) musste den Löffel
abgeben und erscheint nun dem jungen Olav
(Miriam Schill) als Engel.
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Eine Heulsuse sondergleichen: Die
Zwiebel (Jessica Scheer) kann ihre
Tränen nicht bändigen.
Coming out auf der Pizza: Ministrant
(Karl Miller) gesteht Olav (Friederike Fester) seine Liebe.
Major Majoran (Timon Fenske)
kommandiert das verzweifelte
Gemüse mit Biss.
Lebensmüde: Papa Dieter (Arnd
Heuwinkel, rechts) will Dick Tracy
(Bernhard Twickler) retten.
Elena Neuthinger hat auch das Artischocken-Kostüm für Ute Fenske
entworfen.
Romea (Ragna Rickert) wollte Horst Kevin (Jakob Hessing) in Olav verwandeln. Die Operation ist misslungen, wie man sieht.
Gorgonzilla und die Salamitaktik
150 Laiendarsteller und
Fotos: Andreas Hartmann
Text: Martina Prante
H
eersum.
Herzzerreißend
heult die Zwiebel sich die
Seele aus der Schale. Sie
hat ihren Mutterboden verloren,
heimatlos irrt sie mit dem anderen
jungen Gemüse durch die Heersumer Innersteauen.
Doch da naht Rettung in der
wuchtigen Gestalt von Maria (Luzia Schelling). Sohn Olav hat sie
ins Gemüsebeet bestellt. Und der
Teig an ihren Händen lässt Hoffnung aufkommen. Maria weiß, was
für ein Boden solch eine Pizza
braucht. Kein Knochen-, Sägeoder Ur-Mehl darf in den Teig. Und
auch beim Belag ist sie zimperlich:
Profis auf der Suche nach dem ewigen Pizzarezept / Heersumer Theaterspektakel pocht auf lebendige Familientradition
Weder Straßen-,
Haarnoch
Bal-Lack
schaffts auf
ihre Kreationen:
„Ich werde
die
beste Pizza nörd-
lich der Po-Backe ebnen. Äh, nördlich
der Po-Ebene backen.“
Und Maria kennt den Feind. Der Fertigboden-Bischof (Florian Brandhorst)
will sich das Rezept, das der Don so viele Jahrzehnte lang gehütet und nun seinem Enkel Olaf vermacht hat, unter den
Nagel reißen.
Und da kommt er auch schon, der dubiose Bischof. Maria ruft zum Pizzawiederstand Quadro Stagioni
auf
und
kennt
auch
schon
den
Schlachtplan, nämlich die Salamitaktik.
Sie stellt ihre Mannschaft nach deren
Stärken auf: Die Peperoni brennt, die
Zwiebel wird den Bösewicht im langen
Rock zum Heulen bringen, der Ketchup
kann catchen und als letzter Trumpf
wird der stinkende Gorgonzilla aufs
Schlachtfeld geschickt. Doch der Bischof ist ein Freund scharfer Früchtchen. Aber er hat eine Achilles-Ferse:
Der Spinat schlägt ihn in die Flucht.
So viel Fantasie in freier Natur, dahinter kann nur das Forum für Kunst
und Kultur mit seinem diesjährigen
Sommertheater stecken. 150 Laiendarsteller und eine Handvoll Profis verfolgen die Spur von Olav, der mit seinem
geheimnisvollen Erbe in der Tasche verschwunden ist. Eigentlich haben die 500
Zuschauer beim großen Opening auf
dem Gutshof in Astenbeck miterlebt,
wie mit einem gewaltigen Knall das
sprengstoffgeschützte Panzerschranksparkonto (Thomas Rump und Jürgen
Zinke haben die Bühnen gezimmert) in
die Luft geht – mitsamt Olav. Der wurde
ja im vergangenen Jahr im Finale von
„Bulls“ geboren. 18 Jahre später soll er
nun reich werden. Was wiederum die
ganze fiese Mafiafamilie an die Geburtstagstafel ruft. Und sie macht aus ihrem
Plan, Olav vom Dies- ins Jenseits zu befördern, kein Hehl. Doch das ist einfacher gesagt als getan.
Die Verfolgungsjagd wird noch von einer fünfköpfigen Touristenfamilie aus
dem Ruhrpott gekreuzt und endet nach
mannigfaltigen bunten Stationen und
einem Picknick-Lager in Heersum. Hier
verhaken sich irgendwie alle Fäden und
es kommt zum Show-Down. Bei dem der
Vulkan raucht, der Nachwuchs nagelt
und ein kleiner Junge einer SchönheitsOP unterzogen wird. Die misslingt.
Ist aber egal, denn Romea hat sich in
Horst-Kevin verliebt. Und der Messdiener wird endlich von der Leine gelassen,
um Olav zu beglücken, die nämlich in
Wirklichkeit ein Mädchen ist. Alles
klar? Wenn nicht, dann bleibt nur der
Besuch in Heersum. Viel Spaß!
Die Vorstellungen von „SymPate jr.“ am 15.,
16., 22., 23. Juli sowie am 26. und 27. August
und 2., 3., 9. und 10. September beginnen
sonnabends um 16 Uhr, sonntags um 10 Uhr.
Karten unter 0 50 62 / 8 93 80, im HAZ-TicketCenter in der Rathausstraße, bei Ameis Buchecke und im „Lädchen“ in Holle. Weitere Infos
unter www.forumheersum.de.
Story des
Erfolgs
E
s war im Jahr 1990, als
eine Handvoll Kulturpädagogen den Verein
„Forum für Kunst und Kultur
Heersum“ gründeten. Drei
Jahre lang diente die Heersumer Dorfkneipe „Holle extra
3“ als Ort für kulturelle Veranstaltungen.
1993 war dann (nach der
Landrundfahrt „Schöne Aussichten“ 1991) auch das Startjahr für die großen soziokulturellen Projekte. „Rache für Rosa“, die Liebesgeschichte um
ein Schwein, ist unvergessen.
Teilweise zwei Mal im Jahr
stellte das Forum Projekte auf
die Beine (zum Beispiel 1996
„Rübe Null“, 1998 „Hakelmann!“), in denen Bewohner
der Region mitspielen konnten.
Mit „Aste Rix in Astenbeck“
avancierten die Theaterspektakel im Jahr 2000 zu Mammutunternehmen, in denen von
Jahr zu Jahr Geschichte, Ausstattung und Darstellermenge
immer aufwändigere Formen
annahmen.
2001 suchte „Bördiana Jones“ das Bernsteinzimmer,
2002 machten die „Desperados“ die Innerste-Prärie mit
einer Dampflok unsicher, 2003
wurde Heersum im Wasserspektakel
zu
„Meersum“.
„Heindi“ entführte 2004 in die
Gebirge des Munitionslagers in
Wöhle. Und 2005 ballerten sich
die „Bulls“ durch die Mafiastory um den großen Don.
Die Regie liegt seit 1996 in
den Händen von Uli Jäckle.
Fertigboden-Bischof (Florian Brandhorst) will doch auch nur geliebt werden. Deshalb sucht er nach dem alle vereinenden Familienrezept.
M Die drei Damen vom Pizzablizze (Marion Stegen,Franziska Ringe, Paula Mierzowski) singen sich in die Herzen.
O Salami (Bernd Hessing) und Tomate (Uwe Dykiereck) suchen verzweifelt nach ihrem Mutterboden.
N Endlich Urlaub für Horst Kevin (Jakob Hessing), Mama Rita (Marion Schorlepp) und Papa Dieter (Arnd Heuwinkel).
Vielleicht ist das Pizzarezept in den Taschen. Immer wieder müssen die Zuschauer sich in den grünen „SymPate“-Beutel schauen lassen.