Violectric Kopfhörerverstärker HPA V200
Transcription
Violectric Kopfhörerverstärker HPA V200
Violectric Kopfhörerverstärker HPA V200 Geschrieben von Reinhold Martin | Hifi-Überzeugungstäter kämen wohl kaum ernsthaft auf die Idee, Lautsprecher an einem Mickey Mouse-Verstärker aus dem Supermarkt zu betreiben. Ein ähnliches Tabu scheint für Kopfhörer jedoch nicht zu existieren, werden diese doch beispielsweise ungeniert am CD-Player angeschlossen, dessen Verstärkerelektronik regelmäßig nur dazu taugt, den Spaß am Kopfhören gründlich zu verderben. Jeder kompetente Kopfhörer hat deshalb, ebenso wie jeder kompetente Lautsprecher, ein Recht darauf, von einem kompetenten Verstärker getrieben zu werden, wie etwa vom Kopfhörerverstärker Violectric HPA V200. Violectric ist eine für den Hifi- und High End-Markt konzipierte Produktlinie des am Bodensee, genauer in Konstanz, ansässigen Pro-Audio-Herstellers Lake People electronic GmbH. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mir die seit über 25 Jahren auf dem Studiosektor erfolgreichen Konstanzer, die bereits Anfang der neunziger Jahre mit einem 20 Bit-D/A-Wandler in der Profiszene für Furore sorgten und von Beginn an Kopfhörerverstärker produzierten, bis zur High End 2009 kein Begriff waren. Dort kam ich auf Umwegen zum Stand von Violectric, nämlich über den Ultrasone-Stand, wo Kopfhörer mit dem kompakten Violectric HPA V200 vorgeführt wurden, und den Stand von Funk Tonstudiotechnik Berlin, auf dem Thomas Funk voll des Lobes für die Verstärkerelektronik der Konkurrenz vom Bodensee war. Derart konditioniert, gestand ich Fried Reim, dem Geschäftsführer von Lake People, reumütig meine Ignoranz in Bezug auf Geräte aus seinem Hause und orderte zur Änderung der peinlichen Situation ein Exemplar des HPA V200 zum Test. Dieser ist das Premiumprodukt unter den insgesamt drei Violectric-Kopfhörerverstärker. Auf dem Weg zur Marktreife befinden sich aktuell noch zwei weitere Violectric-Geräte, ein Phonovorverstärker und ein D/A-Wandler. Übrigens war Friedrich Reim schon deshalb nicht gekränkt, dass ich von den Violectric-Kopfhörerverstärkern noch nichts gehört hatte, weil die ViolectricProduktlinie noch ebenso jung ist wie der damit von Lake People unternommene Versuch, auf dem Hifi-Sektor Fuß zu fassen. Glück gehabt. Apropos HPA V200: Dessen Entwicklung begann vor etwa zwei Jahren auf Grundlage einer Schaltung von Nakamichi aus den späten siebziger Jahren, die für damalige Zeiten einen enormen Dämpfungsfaktor besitzt, mit einem relativ geringen Ruhestrom arbeitet, quasi by Design beeindruckend klirr- und rauscharm und außerdem so gut wie unzerstörbar ist. Keine schlechten Voraussetzungen also für die Entwicklung eines Kopfhörerverstärkers in Class-A-Technik, die im HPA V200 pro Kanal mit acht Transistoren arbeitet und mit einer Betriebsspannung von +/- 30 Volt bestens gerüstet ist, auch hochohmige Kopfhörer à la Sennheiser angemessen zu treiben. Für niederohmige Kopfhörer à la Grado steht wegen hoher Stromlieferfähigkeit der Schaltung genügend Dampf zur Verfügung. Der hohe Dämpfungsfaktor respektive der niedrige Innenwiderstand hält sowohl hoch- wie niederohmige Lasten straff unter Kontrolle, während maximale Rausch- und Brummarmut einen „schwarzen Hintergrund“ bei der Klangreproduktion gewährleisten soll. Klingt vielversprechend. Bevor wir zum Hörbericht kommen, ist jedoch noch ein wenig mehr Tech-Talk fällig. Zwei Kopfhörer finden über 6,3 Millimeter-Klinkenbuchsen auf der Gehäusefront Anschluss an die Ausgangsstufen des Verstärkers, der bei einer Übertragungsbandbreite von 150 Kilohertz eine Dynamik von mehr als 120 Dezibel bereitstellt. Er verfügt über symmetrische und unsymmetrische Eingänge, wobei letztere auch als gepufferte Ausgänge schaltbar sind, wodurch das Eingangssignal beispielsweise an einen weiteren Verstärker, in meinem Fall an das Versorgungsteil für Stax-Kopfhörer, durchgeschleift werden kann. Um das Alps-Lautstärkepoti abhängig vom angeschlossenen Verstärker im klanglich optimalen Bereich jenseits der 12 Uhr-Stellung betreiben zu können, ist die Verstärkervorstufe per Mäuseklavier auf der Geräterückseite fünfstufig regelbar. Nicht zuletzt hat der HPA V200 einen D/AWandler mit USB-Eingang für 48 Kilohertz-16 Bit-Signale an Bord und findet dadurch Anschluss an einen PC oder Mac. Liegt ein digitales Signal an, hat dieses Vorfahrt vor dem analogen Eingangssignal, das dann automatisch stumm geschaltet wird. Da die Cincheingänge auch als Ausgang fungieren können, lässt sich das an Bord des Violectric-Verstärkers in ein analoges Signal gewandelte Digitalsignal vom Computer auch an den Lautsprecher treibenden Verstärker der Hifi-Anlage weiterreichen. So ersetzt Violectric den in der Regel klanglich meist suboptimalen Wandler in Gestalt der Soundkarte im Computer oder macht einen klanglich kompetenten externen Wandler überflüssig, steht der bordeigene USB-Wandler dem exzellenten Benchmark USB-DAC doch kaum nach. Womit wir bei der klanglichen Kompetenz des HPA V200 angekommen sind. Und dabei interessiert das Können des Kopfhörerverstärkers als solcher natürlich mehr als seine Qualität als USB-Wandler. Als Kopfhörer für den Hördurchgang empfehlen sich wegen ihrer extremen Impedanzwerte mein niederohmiger Grado GS 1000 und der hochohmige, brandneue Sennheiser HD 800, den ich demnächst in einem eigenen Test näher vorstellen werde. Mit seinen 30 Ohm pro Schallwandler verlangt der Grado GS 1000 vom Kopfhörerverstärker vor allem Strom. Genauer: Schnell und relativ üppig im Takt der Musik gelieferten Strom, um die für ihn bei aller Durchsichtigkeit, Transparenz und vielen Details typische körperhafte Gangart mit kräftig Fleisch an den Knochen voll zur Geltung bringen zu können. Wer seinen GS 1000 kennt, weiß, dass Kontrolle im Tieftonbereich angesagt ist, um auf dem sehr kräftigen Bassfundament ein stabiles Klangbild aufzubauen. Einerseits verlangt dieser Grado von seinem Verstärkerpartner Auflösung und extreme Verzerrungsarmut, um bei üppig präsentem Hochtonbereich Geigen nicht ihres Schmelzes zu berauben, und anderseits den relativ großflächigen Schallwandlern des Grado die Durchsichtigkeit und Transparenz abzutrotzen, mit denen er bei richtiger Dosierung durch den Verstärker zu einem wahren Gesamtkunstwerk auflaufen kann. Der GS 1000 stellt also wahrlich keine geringen Anforderungen an seinen Signallieferanten, der, falls es dem an angemessener Kompetenz in den genannten Disziplinen mangeln sollte, schnell zum Rüpel werden kann. Nicht so am Violectric-Kopfhörerverstärker. In dem hat der Grado seinen optimalen Spielpartner gefunden, der einerseits die notwendige Tieftonkontrolle ausübt, ja den Grado bei Bedarf knochentrocken rocken und andererseits im Hochtonbereich in Sachen Durchsichtigkeit und Transparenz nichts anbrennen lässt. Er bleibt auch den Geigen ihren Schmelz nicht schuldig. Einen derart körperhaften Auftritt wie am HPA V200 hatte der GS 1000 bei mir noch nie. Dieser Kopfhörerverstärker übertrifft denn auch alles, was sich bei mir bislang an diesem Grado aus dem Transistor- und Röhrenlager versucht hat. Übrigens arbeitete der Violectric am Grado mit einer Vorverstärkung von zwölf Dezibel im optimalen Bereich des Lautstärkereglers, was sich in maximaler Transparenz manifestierte. Mit seiner Impedanz von 300 Ohm stellt der Sennheiser HD 800 eine echte Herausforderung für Kopfhörerverstärker dar, die nicht allzu viel Spannung liefern. Die ist aber unerlässlich, um einen mit einer Impedanz von einigen hundert Ohm gesegneten Kopfhörer zum Singen zu bringen. Da geht auf der Basis von OPAmpverstärkern, und damit an Kopfhöreranschlüssen von CD-Playern, nicht viel, und mit den meisten diskret aufgebauten Verstärkern mit niedriger Betriebsspannung oder gar reinen Stromverstärkern kaum mehr. Gut, dass der Violectric nicht nur niederohmige Grado und Co. üppig mit Strom versorgt, sondern auch Spannung im Überfluss liefert. Auch mit weniger Fleisch an den Knochen als der Grado GS 1000 ist der HD 800 alles andere als ein körperlos aufspielender Kopfhörer. Allerdings versetzt er einen mit seinen ausgewogenen Höhen, Mitten und Tiefen in eine vollständig andere Klangwelt als der Grado, der mit ein wenig zu viel Tief- und Hochtonenergie eher den Showman gibt – das allerdings äußerst gekonnt. Gerade Klassikhörer hätten es aber gerne ausgewogener, eben neutraler und näher an der Vorlage. Und da werden sie mit dem HD 800 am HPA V200 bestens bedient. Die im besten Sinne neutrale Gangart dieses Gespanns wird allenfalls von dem supertransparenten, schnellen Stax 4070 an seinem Röhrenversorgungsteil überboten, wobei der Stax schon fast der Bulimie verdächtig ist. Dank hoher Betriebsspannung beflügelt der Violectric den Sennheiser zu souveränem Umgang mit hohen Signalpegeln. An diesem Vorverstärker kommt der HD 800 nie ins Schwitzen und verwöhnt den Hörer auch bei extremen Lautstärken üppig mit Transparenz und ordentlich Luft zwischen Instrumenten. Der HPA V200 sorgt aber auch dafür, dass das Klanggeschehen nicht so sehr im Kopf, sondern mit einiger Entfernung außerhalb von diesem wahrgenommen wird. Dies liegt gewiss vorrangig an der speziellen Schallwandleranordnung des HD 800, wird vom Kopfhörerverstärker aber nachdrücklich unterstützt. Eigentlich sollte der HD 800 zusammen mit dem HPA V200 vermarktet werden, da wir hier ein Gespann haben, bei dem sich die individuellen Qualitäten zur Synergie aufschwingen. STATEMENT Der HPA V200 stellt für mich aktuell das klangliche Nonplusultra eines Verstärkers zum Treiben dynamischer Kopfhörer dar, da er weder vor niedrigen noch extrem hohen Schallwandlerimpedanzen kapituliert. Und das bei einem mehr als fairen Preis. Ganz dicke Empfehlung. PREIS: Violectric Kopfhörerverstärker HPA V200: 850,00 Euro HERSTELLERANGABEN: Eingänge: XLR und Cinch sowie USB Ausgänge: Zweimal 6,3mm Klinke Eingangsimpedanz: 10 kOhm Verstärkung der Eingangsstufe: -4/+2/+8/+14/+20 dB Verstärkung der Ausgangsstufe: +8 dB Frequenzgang: 0 Hertz bis 200 kHz (-3 dB) Dämpfungsfaktor: > 800 an einer Last von 50 Ohm Dynamik: > 128 dB (A-weighted) Übersprechen: 115 dB (1 kHz) HERSTELLER: Lake People electronic GmbH E-MAIL: [email protected] INTERNET: http://www.violectric.de