Böhse Onkelz Danke für Nichts

Transcription

Böhse Onkelz Danke für Nichts
Edmund Hartsch
Böhse Onkelz
Danke für Nichts
(Biographie)
Das Buch geht unzensiert auf alle Höhen und Tiefen, auf alle
Fehler und alle Probleme ein. Die Kindheits- und
Lebensgeschichten der Onkelz, die Entwicklung der
(Frankfurter) Punk- und Skinheadszene, deren jeweilige
Politisierungen und die Ausstiege der Onkelz aus diesen Szenen,
die Anfänge und anfänglichen Entwicklungen der Band, Kevins
enorme Drogenprobleme, und und und - nur das Privatleben der
Onkelz bleibt weitgehend unberührt.
ISBN: 3000017437
Broschiert - Beo Management
Erscheinungsdatum: 1997
Inhalt
Inhalt .....................................................................................2
Vorwort .................................................................................3
Kapitel 1 ................................................................................7
Kapitel 2 ..............................................................................10
Kapitel 3 ..............................................................................14
Kapitel 4 ..............................................................................17
Kapitel 5 ..............................................................................21
Kapitel 6 ..............................................................................25
Kapitel 7 ..............................................................................28
Kapitel 8 ..............................................................................32
Kapitel 9 ..............................................................................36
Kapitel 10 ............................................................................40
Kapitel 11 ............................................................................43
Kapitel 12 ............................................................................48
Kapitel 13 ............................................................................52
Kapitel 14 ............................................................................55
Kapitel 15 ............................................................................59
Kapitel 16 ............................................................................63
Kapitel 17 ............................................................................67
Kapitel 18 ............................................................................71
Kapitel 19 ............................................................................76
Kapitel 20 ............................................................................79
Kapitel 21 ............................................................................83
Credits.................................................................................86
Vorwort
Eine Botschaft an meine Leser und zukünftigen Kritiker...
Bei den Arbeiten zu diesem Buch war ich oft erstaunt über die
Dimension, die das Thema "Böhse Onkelz" in den Jahren
erreicht hatte. Ich hatte viele Gespräche mit Freunden,
Verwandten, Fans und Kritikern der Band zu führen, ich hatte
meine Eindrücke und Erinnerungen aus 10 Jahren
Onkelzfreundschaft zu sortieren und es galt 17 Jahre
kontroverse
Bandgeschichte
aufzuarbeiten.
Kiloweise
Tagespresse, Printmedien, Tapes, Videos und Bücher, in denen
sich Autoren, Journalisten, Politiker, Veranstalter, Musiker und
Psychologen auf die eine oder andere Art, dem Thema zu nähern
versucht hatten, mußten auf ihre Ehrlichkeit und Genauigkeit
hin überprüft werden. Und ich hatte mich immer wieder zu
rechtfertigen. "Du schreibst was? Bist Du irre? Das ist doch die
Naziband, oder?"
Soviel dummes Geschwätz, soviel infame Heuchelei und
soviel armselige, ignorante Hetze, soviel schockierende
Uninformiertheit, aber auch soviel Witziges, Kluges und
Abgedrehtes haben dieses Buch nötig gemacht. Es enthält
Politik, aber es ist kein politisches Buch. Mir ging es um die
Lebensbeschreibung von vier Menschen, deren Motivation
Musik zu machen keine politischen Inhalte hatte. Was man hier
lesen wird ist der Bericht über eine deutsche Rockband, die wie
keine andere Band vor ihr als Mittel dümmlicher politischer
Agitation mißbraucht wurde. Es soll hier auch von
Jugendbewegungen und von Formen des Widerstandes die Rede
sein, vom Zerfall unseres modernen Weltbildes und der
Zerstörung der Individualität, von Kontrolle, Meinungsdiktat,
Trendterror und Zensur. Natürlich wäre es naiv, zu behaupten,
diese Dinge hätten nichts mit Politik zu tun, nur mußte ich
immer wieder beobachten, wie Politiker und Teile der
Öffentlichkeit von außen eingriffen, um in jedem Falle das
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Geschehen auf die eine oder andere Weise für sich zu nutzen.
Man hat dieser Rockband immer wieder nahe gelegt, ihren
Namen zu ändern, um dann im öffentlichen Licht, als gleiche
Personen, mit gleicher Vergangenheit, aber unter neuem Namen
weiterzumachen. Man forderte, daß sie sich auf die Seite der
Lügner stelle, daß sie sich und ihre Vergangenheit leugne und
am Leben einer verlogenen etablierten Gesellschaft teilnehme.
Dann, so hieß es, sei man bereit, den einen oder anderen
Ausrutscher zu verzeihen, und man würde auch wieder für
Auftrittsmöglichkeiten sorgen, und über ein Ende des
Verkaufsboykotts von Onkelzplatten ließe sich reden. Ich halte
das für einen Skandal. Das Schlüpfen in eine Scheinidentität,
eine heuchlerische Verkleidung aus Lüge und Leugnung soll
erstrebenswerter sein, als eine selbst gewaschene Weste? Es
handelt
sich
um
ein
typisch
deutsches
Nachkriegsmißverständ nis, daß ein Wandel der Einstellung, ein
Lernen und ein Fortschreiten, ein Einsehen von begangenen
Fehlern mit einer Verleugnung der eigenen Person
einherzugehen hat. Die Böhsen Onkelz waren immer die Böhsen
Onkelz, 1980 genauso wie 1997. Das wird dieses Buch zeigen.
Wölfe im Wolfspelz, von mir aus, aber keine Nazis und auf gar
keinen Fall politisch, im Gegenteil. Sie haben geschafft, was
keine andere Band vor ihnen vermochte. Sie haben einem
kleinen Teil der deutsch-sprechenden Jugend ein Stück Identität
zurückgegeben, daß ihr von einer profitorientierten Gesellschaft
wegkonditioniert wurde.
Dieses Buch enthält Gewalt. Viel Gewalt. Es ist laut und
gemein. Es ist viel Blut darin und viel Rotze. Viel Erbrochenes
und literweise verschwendetes Ejakulat.
Kaputte Flaschen, offene Wunden und bittere Säfte. Schlagt
dieses Buch auf, wo immer Ihr möchtet, lest, was immer Euch
gefällt. Interpretiert frei drauflos und erzählt über dieses Buch
oder meine Person was Ihr wollt. Es steht Euch frei und mich
ärgert es nicht, ich bin kein Schriftsteller. Dieses Buch wird sich
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nicht in den Dreck ziehen lassen, denn es ist bereits ein
dreckiges Buch, an dem Tage, an dem es erscheint. Soll es sich
doch suhlen im Sumpf einer primitiven Sensationspresse. Soll es
von mir aus verrecken, dieses Buch, und im unerquicklichen
Sud von Zu-oft-gesagtem mit anderen Büchern um die Wette
quäcken. Möge es sich, wie es ihm beliebt, um Platzierung in
dubiosen Lesercharts raufen und um diese oder jene Kritik
streiten.
Als ich Stephan Weidner und Pe Schorowsky im Juni 1987
kennenlernte, war ich "neu" in Frankfurt. Ich kannte weder Stadt
noch Leute und von den Böhsen Onkelz hatte ich nie zuvor
gehört. Stephan, ein verheirateter Mann von 24 Jahren, sagte mir
damals, daß er und seine Freunde eine Band hätten, daß sie die
"Böhsen Onkelz" hießen und in Skinhead- und Hooligankreisen
eine Kultband gewesen wären, daß sie aber seit einiger Zeit das
Gefühl hatten, diesen Szenen entwachsen zu sein. Sie wollten
sich musikalisch weiterentwickeln, und ich erinnere mich, daß
ebenfalls die einsetzende Politisierung in der Skinheadszene ein
Grund ihres Ausstiegs gewesen ist. Als man mir damals die
Texte der ersten LP "Der nette Mann" zeigte, war ich zunächst
angeekelt von der beschriebenen Gewalt. Die Lieder passten
zwar zu dem, was ich über Skinheads und Brutalität gehört und
gelesen hatte und augenscheinlich auch zu den Menschen auf
dem Coverphoto, aber nicht zu den zwei Menschen, die ich
kennengelernt hatte und zu den Personen, die sie zu sein
vorgaben. Sie begegneten mir mit Toleranz und selten erlebter
Offenheit und sie nahmen kein Blatt vor den Mund. Ich hatte
nicht den geringsten Grund an der Ehrlichkeit ihrer Aussagen zu
zweifeln. Vielleicht sollte ich erwähnen, daß ich zu dieser Zeit
sehr lange Haare hatte, mit meiner afrikanischen Freundin
zusammen wohnte, andere Musik als Stephan und Pe hörte und
aus einem komplett anderen Milieu stammte. Von Skinheads
hatte ich nur wenig Ahnung. Das war im Sommer ´87, zu einer
Zeit, als die Böhsen Onkelz kaum bekannt und die Medien nur
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vereinzelt daran interessiert waren, über eine Skinheadband zu
berichten, die keine Skinheadband mehr sein wollte.
Es geht hier nicht um Politik, sondern um Widerstand, um
Empörung, um Schmutz, Skandal und Zensur. Ein Willkommen
an alle Unvoreingenommenen und an alle, die sich gewissenhaft
und ohne Vorurteile informieren wollen, wie gering sie an Zahl
auch sein mögen. Und an all die Besserwisser und
Neunmalklugen,
an
all
die
Musikjournalisten
und
Medienmenschen, die Politiker und Veranstalter, an all die
radikalen Fanatiker, linke wie rechte, die immer noch in die alte
Kerbe hauen, die, die sich in ihrem persönlichen Onkelzkrieg zu
solcher Polemik und Diffamierung haben hinreißen lassen, die
das Maul so weit aufgerissen haben, daß sie jetzt nicht mehr
zurück können...
...fahrt zur Hölle!
Edmund Hartsch Frankfurt am Main, im Juni 1995
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Kapitel 1
1940 -1979 "Erinnerungen"
Ich lese im buch der erinnerung ich hör´ mich lachen mein
leben war ein spiel erzählt von einem narren ich wußte nicht
immer was ich will doch ich wußte wie ich´s kriege ich nahm es
leicht auch wenn es härter kam es war ein setzen, ein setzen
neuer ziele mein leben war oft wie ein spiel wie ´ne lange reise
ohne ziel eine suche nach dem, der ich bin eine suche, die suche
nach dem sinn mein leben war ein buch ich mußte es nur
schreiben ich wollte alles oder nichts ich mußte mich
entscheiden das leben war die antwort und ich stellte viele
fragen und dieses endlose geheimnis hatte unendlich viel zu
sagen
("buch der erinnerung" © Böhse Onkelz, 1992
Heilige Lieder LP, Bellaphon Records)
Der Zwilling ist ein Luftzeichen. Er ist der Mai, der Frühling,
die Blüte und das Erwachen. Nach der irdischen Schwere des
Stieres im April, gleitet die Welt im Mai in den Taumel der
beschwingenden Zwillingssphäre. Sie teilt sich zum Zeichen
ihrer Dualität in zwei Geschlechter und macht sich bereit für
eine sorgenfreie Befruchtung. Alles ist "noch" offen,
Entscheidungen sind "noch" nicht getroffen, Entschlüsse "noch"
nicht gefasst.
Stephan Weidner wurde als Zwilling am 29. Mai 1963 um
12:57 Uhr in Alsfeld bei Kassel geboren. Er wurde bei seiner
Geburt in zwei Hälften geteilt und die erste Ahnung seiner
Unvollständigkeit trieb ihn bereits früh in einen zwiespältigen
Zustand von traumatischer Angst und unbändiger Wut. Wer
auch immer in seinem zukünftigen Leben seine Feinde sein
würden, sie würden es mit zwei Weidners zu tun bekommen,
mit einem Menschen, der die doppelte Menge an Energie besaß,
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der die Polaritäten der Welt in seiner Persönlichkeit miteinander
verband und der schnell von einem Extrem ins andere fiel.
Aber der Reihe nach: Sein Vater, Karl-Heinz Weidner, war
1940 in eine zerrüttete, kinderreiche Familie im Frankfurter
Nordend hineingeboren worden. Seine ersten Jahre waren auch
die letzten Jahre des Krieges. Frankfurt, Mainz und Wiesbaden
fielen am 29. März ´45 in die Hände der 3. U.S. Panzerdivision.
Tod und Niederlage brachen über das Land herein und die
Hakenkreuzfahnen verschwanden praktisch über Nacht aus den
Fenstern und von den Balkonen.
Zwischen den Häuserzeilen des zerstörten Frankfurts lagen
Leichen und Leichenteile und auf den Straßen breitete sich ein
übler Geruch von Schuld und Schande aus. Die Erkenntnis ihres
Größenwahns machte vielen alten Nazis schwer zu schaffen.
Manche waren verbittert und hart, andere brachen unter der Last
der Niederlage zusammen. Die Mehrzahl jedoch kroch dahin
zurück, wo sie hergekommen war und schwieg.
Auch das Haus der Weidners lag in Trümmern und die frühen
Jahre nach ´45, verbrachte Karl- Heinz damit, beim
Wiederaufbau des Hauses mitzuhelfen.
Ziegelsteine, die er auf Leiterwagen zu stapeln hatte, das war
seine tägliche Routine als Kind. Sein Vater war seit ´44 vermißt
und von seiner Mutter bekam er nicht viel außer Prügel, die er
täglich an andere Kinder weitergab. Karl- Heinz war kein großes,
starkes Kind, eher schmächtig, aber er konnte eine skrupellose
Brutalität an den Tag legen. Viele seiner Spielkameraden
fürchteten sich vor ihm und als er zwölf wurde, gab ihn seine
Mutter an das Kinderheim Marienhausen ab.
Das Don Bosco Internat des Salesianerordens zu
Marienhausen, war ein düsterer Ort, eine verfluchte Stätte. Vom
Krieg verschont geblieben, lag das Gebäude eingepfercht
zwischen dicken Eichenbäumen und sanft ansteigenden
Weinbergen hinter den Ortschaften Rüdesheim und Aulhausen.
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Unweit der Hugo Asbach Brennerei. Ein dunkelgelber
Sandsteinbau mit schwarzem Schieferdach und Heiligenstatuen,
die schweigend in den Nischen standen und kein Wort darüber
verloren, was in Marienhausen geschah. "Schwer erziehbar"
nannte man die Kinder, die in Marienhausen interniert
wurden. Kinder, die sich nicht fügen wollten, deren Eigenarten
und Reaktionen von Eltern und Gesellschaft nicht
nachvollzogen werden konnten, und die infolgedessen als
gefährlich angesehen wurden. Karl- Heinz Weidner war
gefährlich, so entschied seine Mutter, eine dominante,
hartherzige Frau. In Marienhausen hatte man bestimmte
Vorstellungen, wie mit solchen Kindern zu verfahren war.
Zunächst einmal mußte man sie immer und beständig prügeln,
bei jeder nur er enk lichen Gelegenheit. Zu diesem Zweck
benutzten die Lehrer ihre Gürtel, Ruten und Fäuste. Preußischkatholisch waren die Richtlinien dieser Anstalt. Angst und
Schrecken waren in Marienhausen allgegenwärtig und die
Padres sorgten dafür, daß diese Angst den Kindern niemals
ausging. "Unsere tägliche Prügel gib uns heute." Karl-Heinz
wohnte mit 49 anderen schwer erziehbaren Knaben in einem
Schlafsaal, der in der Nacht von einem Priester bewacht wurde.
Es gab Ohrfeigen, sobald sich einer der Jungs rührte.
Spaziergänge in Marschkolonnen und Redeverbot vom
Aufstehen bis zur zweiten Andacht.
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Kapitel 2
1964 - 1981 "Türkähn rauhs"
Der 15. Juni 1964 war eindeutig zu kühl. Der ganze Tag war
wolkenverhangen.
Es ging ein starker Wind, der erst am späten Nachmittag zur
Ruhe kam. Am Abend hatten bei Frau Schorowsky die Wehen
eingesetzt und kurz nach 23:00 Uhr war es fast soweit. Falls es
ein Junge werden würde, so sollte er Peter heißen. Ihr Heimatort
Hösbach war ein kleines Nest in der Nähe von Aschaffenburg.
Obwohl es nur eine gute Stunde von Frankfurt entfernt lag,
gehörte es bereits zu Bayern. Außer seiner alten Ringertradition
hatte dieser Ort nicht viel zu bieten. Tankstelle, Gemeindehaus,
Eckkneipe und Eiscafé. Es hatte auch niemals jemanden
gegeben, abgesehen von irge ndeinem Ringer vielleicht, der aus
Hösbach oder Goldbach stammte und berühmt geworden wäre.
Die Schorowskys waren schon lange in dieser ländlichen
Gegend ansäßig. Lange genug, um eine feste Position im
sozialen Gefüge der Dorfgemeinschaft einzunehmen.
Feuerwehrball, Gottesdienst, Schützenfest. Katholischer,
biederer Mittelstand, alles andere als aufregend. Das Haus in der
Salzgasse war Frau Schorowskys Mädchenhaus, in dem auch sie
geboren worden war und in dem sie nun ihren zweiten Sohn
Peter zur Welt brachte. Die Sonne stand im Zwilling. Ein
weiterer Mensch auf der Suche nach Vollständigkeit.
Peter trug die gleichen titanischen und provokanten Anlagen
in sich, wie Stephan Weidner, nur fehlten ihm die Wut und der
Jähzorn, der im Leben der männlichen Weidners allgegenwärtig
war. Als Baby schrie er viel. Das änderte sich auch nicht, als
Peter zum Kind heranwuchs und all die Belehrungen und
Maßregelungen über sich ergehen lassen mußte, die ein
katholisches Kinderleben mit sich brachte. Frau Schorowsky
bekam nach Peter und seinem älteren Bruder noch zwei weitere
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Söhne und die gesamte Familie, einschließlich der Großeltern,
wohnte im Haus in der Seusstraße. Die Kindheit der Brüder
verlief ähnlich. Die frühen Jahre verbrachten sie in der
unmittelbaren Nähe des Hauses und beschäftigten sich mit dem,
was der Hinterhof zu bieten hatte. Bäume erklettern, Kaninchen
streicheln, Hühner jagen, Schwert- und Reiterkämpfe. Als Peter
fünf Jahre alt war, schaute er zum ersten Mal bewußt auf den
Fernseher. Wären in diesem Moment nicht ein paar
Livemitschnitte eines 69er Beatleskonzertes über den Schirm
geflackert, so wäre vielleicht niemals ein Musiker aus ihm
geworden. Diese vier aufgetakelten Gestalten, mitten in ihrer
Sgt. Pepper-Epauletten-Freak-Phase, die tausende von
Jugendlichen an den Rand des Wahnsinns brachten, hatten ihm
schwer imponiert. Er würde "Beatle" werden. Und wenn die
Welt aus den Angeln kippen und Hösbach im Erdboden
versinken sollte, aus ihm, da war er sich absolut sicher, würde
eines Tages ein Beatle werden. Kein Lastwagenfahrer, kein
Indianer, Fußballer oder Astronaut, und auch kein
Kältemechaniker, wie sein Vater, sondern ein gitarrespielender
Beatle.
In der dritten Klasse wurden dem Kind einige grundlegende
Dinge klar, die den Wunsch nach Ausdruck in seinem Leben
noch verstärkten. Der Direktor der Hösbacher Grundschule,
Herr Adler, war gleichzeitig Peter´s Klassenlehrer. Er war 63
Jahre alt, stand kurz vor der Pensionierung und war verrufen als
ein sadistisches Schwein. Adler war von fiesem,
selbstgerechtem Charakter, der häufig seine faschistoide
Grundeinstellung erkennen ließ. Mit subtilen und gemeinen
Bestrafungen ging er permanent gegen die Kinder vor. Wenn die
Grundschüler unaufmerksam waren oder aus dem Fenster
schauten und sich in Tagträumen verloren, ließ er sie aufstehen
und nach vorne kommen. Dort fragte er sie, ob sie lieber ein
Schokoladen- oder ein Zuckerplätzchen wollten.
Es war egal für was sich die Schüler entschieden, der einzige
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Unterschied zwischen Schoko und Zucker war der, daß er sie
mit dem Stock auf die rechte oder die linke Hand schlug. In
jedem Falle war es eine unsägliche Pein. Peter war ruhig, er
hatte diese Strafe nur selten zu ertragen, aber er hasste seinen
Lehrer dafür, daß der zu solchen Mitteln griff.
Peter begann früh seine Bücher und Hefte vollzukritzeln.
Während der Grundschulzeit malte er unentwegt und einmal
hatte ihn Herr Adler erwischt und er hatte für seine Darstellung
von Monstern und Fruchtbarkeitssymbolen zwischen den Seiten
des Lesebuches eine schallende Ohrfeige bekommen. Er wurde
ins Lehrerzimmer geschickt, wo er unter dem Kruzifix sitzen
und schmoren sollte. Spätestens von diesem Zeitpunkt an war
die Schule für Peter kein Spaß mehr. Er begann die Welt der
Erwachsenen in Frage zu stellen. Tief und breit klafften die
Schluchten zwischen dem was sie sagten und dem was sie taten
und ihre Fehler waren so offensichtlich. Peter begann die Schule
als einen Ort anzusehen, an dem er und seine Freunde jeden Tag
für ein paar Stunden gefoltert wurden. Das konservativkatholische Elternhaus und die Schule fingen an auf
unerträgliche Art und Weise die Grenzen seiner Toleranz
auszuloten. Lange wollte er sich das nicht mehr bieten lassen.
Seine Lehrer registrierten ihn als einen maulfaulen, träumenden
Schüler. Daß er nur wenig sagte, bedeutete nicht, daß ihm
irgendetwas entging. Er beobachtete seine Lehrer und die
Erwachsenen genau und merkte sich ihre Verfehlungen bis ins
Detail. Warum sollte er sich dazu äußern? Es reichte doch, daß
er wußte, daß sie Unrecht hatten.
Nach der Hösbacher Grundschule ging Peter Schorowsky auf
die Hauptschule, die sich im gleichen Gebäude befand. Woche
für Woche studierte er mit seinem Freund Andreas die beliebten
bunten Zeitungen, die von Erwachsenen herausgegeben wurden
und in denen man den Kindern auf hinterhältige Art einimpfte,
welche Musik sie zu hören hatten und was sie anziehen sollten.
In diesen Blättern, so glaubten Peter und seine Schulfreunde,
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wurde die wahre Welt beschrieben. Sweet, Slade und Abba,
Elton John, Mud und Rubettes.
Mittwochshitparade mit Mel Zandok. In seiner Klasse, wie in
allen anderen Klassen auch, war es seit Mitte der siebziger Jahre
Bestandteil eines wichtigen Identitätsrituals, sich mit Leib und
Seele einer Popgruppe zu verschreiben.
Leider gab es schon Schüler, die alles über Sweet, Slade und
Abba wußten, die schon lange Material sammelten und deren
Archive unerreichbar groß und umfangreich waren. Er würde
aber, so riet ihm ein Freund, bestimmt gute Chancen auf
Identität besitzen, wenn er Bay City Rollers Fan werden würde.
Peter tauschte seine Uhr, das Kommunionsgeschenk einer
Tante, gegen das Bay City Rollers Archiv eines Mitschülers, das
der Grundstock seiner Sammlung werden sollte. - Zur Hölle mit
Bay City Rollers und ihrem englischen Schwuletten-Pop. Es
ging ganz schnell, da hatte er von diesen Teenieformationen die
Schnauze voll und wechselte ins langhaarige AC/DCLager.
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Kapitel 3
1962-1981 "Double life Gonzo und die Frontstadt
Frankfurt"
Matthias Röhr war der erste und somit älteste von insgesamt
vier Jungen. Er wurde am 16.April 1962 im ElisabethenKrankenhaus in Frankfurt-Bockenheim geboren. Sein Vater
stammte aus Schlesien, die Mutter aus Ostpreußen.
Während der ersten Monate seines Lebens wußte er alles,
begreifen konnte er nichts. Die Welt war zähflüssig geworden,
groß und kalt. Als er zwei Jahre alt wurde siedelte die Familie
von Frankfurt Sachsenhausen nach Eschborn um, das 1964 noch
Dorfcharakter hatte und nicht zu den Bürosatelliten Frankfurts
zählte. Matthias besuchte hier den Kindergarten und die erste
Klasse der Grundschule, bevor die Familie erneut den Wohnort
wechselte und nach Kelkheim zog, einem anderen Dorf in
Taunusnähe. Nach ihm bekam seine Mutter noch drei weitere
Söhne. Matthias war ein Bestandteil der Welt um ihn herum
geworden und der Vater, der während der letzten 5 Jahre einen
Lebensmittelladen in Frankfurt Höchst betrieben hatte, eröffnete
1965 einen kleinen Kiosk in der Voltastraße in Frankfurt
Bockenheim.
Matthias sah den Vater während dieser Jahre selten. Der Alte
verließ die Wohnung morgens um fünf und war nie vor zehn
Uhr abends zu Hause, auch Samstags nicht und Sonntags
arbeitete er halbtags. Die Person des Vaters reduzierte sich auf
die Stimme, die er manchmal in der Nacht von seinem
Kinderzimmer aus hörte und auf den Mann, den er während der
kurzen Sonntagnachmittage sah und der oft abgespannt und
müde schien. Die Erziehung, die Matthias genoß war katholisch,
wie die von Pe Schorowsky. An seinem ersten Schultag schickte
man ihn pflichtbewußt und korrekt, im schwarzen Kinderanzug
und mit Fliege, in die Schule. Wer einen Anzug trug, brauchte
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auch damals nicht auf das Mitleid von Sechsjährigen hoffen.
Mathias war schmächtig und hatte ein gespanntes Verhältnis zu
allen Klassenstärksten. In den ersten Grundschuljahren hatte er,
genau wie Pe, unter seinem Klassenlehrer zu leiden, wurde
Fingernagelkontrollen unterzogen und sah sich mit Stöcken und
Stäben gemaßregelt. Diese kleinen Gemeinheiten und
willkürlichen Züchtigungen empfand er in dem Alter bereits als
mies und billig, einfach unangenehm. Trotzdem war es eine
Dorfkindheit mit allen Fröschen und Kaulquappen, Eidechsen,
Feuern, Baumhäusern und miefenden Strohballen, die dazu
gehörten. Mit Schneegestöber im Januar und Hagel im April,
mit Amselgesang im Juni und dem Duft von gemähtem Heu im
August, Spinnenweben im September und schlechte Noten im
November. Hessische Sechzigerjahredörfer. Das Ende der
malerischen Kopfsteinpflasterära und der Beginn der
Größenwahnepoche.
Matthias nahm die Sakramente an, das hieß, er schluckte die
Hostie noch bevor er die Kommunion empfangen hatte. Weil er
es besonders gut und heilig machen wollte und weil er nicht
ahnte, daß so etwas in der Kirche verboten sein könnte. Der
Pfarrer zog ihn nach der Messe am Ohr in einen Gang und
brüllte ihn an. Da war er ein Sechsjähriger und wieder trug er
den schwarzen Kinderanzug. Als ginge er zu einem Begräbnis,
so hatte man ihn fein gemacht, und jeden Sonntag hatte er dort
aufzukreuzen, und verschwenden sollte er sich und seinen
jungen Glauben in diesem kalten Kloster Kelkheim. Matthias
hatte schnell begriffen, wofür der Begriff "katholisch" in seinem
Leben zu stehen schien und verweigerte sich früh dem
kirchlichen System. Er war jetzt schon ziemlich angekotzt von
den katholischen Pfarrern und ihrer Einmischung in sein Leben.
Eine verlogene Bande, alle miteinander. Später bekam er
nochmal eine Ohrfeige von einem Gottesdiener, der ihn auf der
EichendorfRealschule in Religion zu unterweisen hatte. Man
hätte den Verdacht hegen können, daß die Lehrer das Fach
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besonders unangenehm und langweilig gestalteten, gerade damit
die Kinder ihr natürliches Interesse an den Fragen der
Schöpfung verloren und man das Vakuum mit Katechismus
vollstopfen konnte. Dennoch glaubte er daran, daß er im Namen
der Musik unterwegs war, sonst hätte er mit elf Jahren nicht
schon so einen Wirbel darum gemacht. Es hatte viel Gejammere
und Gequengel gekostet, bis die Mutter endlich mürbe wurde
und dem Sohn bei Hertie eine Wanderklampfe kaufte. Ein 6saitiger, billiger Sperrholzkörper war das gewesen, der sich
schon verstimmte, wenn jemand im Zimmer hustete. Der Vater,
der sich auskannte, ahnte bereits, mit was es enden würde. Mit
einem
langhaarigen,
haschrauchenden,
diskutierenden,
faulenzenden, rebellierenden Sohn, dem ältesten von Vieren, der
stets aufgelegt zu einem zünftigen Disput sein, und der Bier
saufen und sich daneben benehmen würde. Er konnte sich den
Ärger bildlich vorstellen.
Söhne, die Gitarre lernen oder Tänzer werden wollten,
schwule Theaterfreaks und Töchter mit Tätowierungen, so etwas
gab immer Probleme.
.....
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Kapitel 4
1981 "Böhse Onkelz"
Neuer deutscher synthesizer alfred dreh´ die scheiße leiser
jeder gute deutsche kann´s der hippie macht den ersten tanz new
romantic neopunk deutsche welle macht mich krank new
romantic neopunk deutsche welle macht mich krank das
hippiepack steht an den tasten die meute fängt an auszurasten
adam wird der schlüpfer feucht wenn gabi in das mikro keucht
neuer deutscher glitzerkack weg mit diesem hippiepack alle
spielen deutsche welle das ist die echte monetenquelle new
romantic neopunk deutsche welle macht mich krank new
romantic neopunk deutsche welle macht mich krank
("deutsche welle", © Böhse Onkelz,
1. Demotape 1981, unveröffentlicht,
mit "Alfred" war Alfred Hilsberg vom Zick Zack Label gemeint,
Text von Patrick Orth)
Pia Comtesse war ein Mädchen aus Gravenbruch bei
Frankfurt. Die Ehe ihrer Eltern war früh gescheitert. An den
jahrelangen Krach und die endlosen Scheidungsprozeduren
während ihrer Kindheit konnte sie sich kaum mehr erinnern.
Ihrer Mutter Anna war schließlich das Sorgerecht für Pia und
ihren jüngeren Bruder zugesprochen worden, und zu dritt
bewohnten sie eine Dreizimmerwohnung "am Forsthaus" in
Gravenbruch. Gravenbruch war ein kleiner Vorstadtsatellit, der
eingekeilt zwischen Neu-Isenburg und Heusenstamm im
Staatsforst lag. Ringsherum monokulturelles Ökodesaster,
durchschnitten von der A3, eine der Hauptschlagadern des
Landes. Die einzigen Attraktionen des Ortes stellten das
Autokino und die Reithalle dar, und auch die hingen den
Jugendlichen schnell zum Hals heraus.
1981 war Pia sechzehn und sie war zu einem Apfel
herangewachsen, wie er reifer und saftiger nicht sein
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konnte.Wie endlos viele andere Mädchen und Jungen in ihrem
Alter, hatte auch sie ihre Zuneigung zum Punk entdeckt.
Anfang ´81 hatte sich der Punkrock gerade bis Gravenbruch
herumgesprochen. So wie die "Kronberger", die "NeuIsenburger", die "Bad-Sodener", die "Kelkheimer", die "BadVilbeler" und die "Offenbacher", hatten jetzt auch die
"Gravenbrucher" ihre Punkclique. Zu viert, zu dritt und wenn es
sein mußte auch zu zweit oder gar alleine, besuchten diese
Randgebietepunks die Treffpunkte in und um Frankfurt, Mainz
und Wiesbaden. Punks kamen längst nicht mehr nur aus armen
und asozialen Familien. Das traf ohnehin nur auf die wenigsten
zu. Es vermischten sich Jugendliche aus allen sozialen Schichten
miteinander, was eine Verschiebung der Symbole und der Werte
zur Folge hatte. Milieubrei aus Pseudopunks, Hardcores, Mods,
Teds, New Wavern, Freaks, Intellektuellen, Mohawk-HippiePunks, Linken und den ersten deutschen Skinheads. Anfangs
war alles noch überschaubar gewesen, aber schnell hatten sich
die Punks in ihrem eigenen Chaos verloren.
Für Pia gab es nichts, gegen das sich zu rebellieren lohnte.
Nicht, daß ihr keine Mißstände an der Gesellschaft aufgefallen
wären, nur war die Rebellion für sie kein Mittel, das sie wirklich
in Betracht zog. Sie war ein ruhiges Mädchen, mit einem
intakten Schamgefühl, einer ausreichenden Sensibilität für die
Menschen um sie herum und einer Fähigkeit zum Ertragen von
Dingen, die andere Jugendliche auf die Palme brachten. Sie
ertrug ihr Dasein, sie ertrug Gravenbruch und sie ertrug die
Schule. Alternativen gab es keine. Pia trank nur wenig Alkohol
und nahm außer Nikotin keine Drogen zu sich. Ihr Freund
Micha und seine Punkrockkomplizen gründeten eine Band, die
sie trotzig "die Pseudos" nannten. Einmal, weil sie in Frankfurt
nicht für voll genommen, sondern als Pseudopunks
abgestempelt wurden und außerdem weil sie so extrem schlecht
waren, daß sie nicht wie "Kreppelkaffee" oder "Boopy Traps"
schon wieder geil waren, sondern so schlecht, daß sie abermals
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schlecht waren. Doppelt schlecht also. Jenseits von "geilschlecht", wenn man so wollte.
Für Freitag, den 8. Mai war ein neuer Konzertabend im JUZ
Bockenheim angekündigt. Hofis Band Boopy Traps, Böhse
Onkelz, Middle Class Fantasies und Antikörper sollten in dieser
Reihenfolge auftreten. Stephan, Kevin und Pe hatten einen Plan
gefaßt. Im Proberaum über dem JUZ hatten sie zugehört, wie
Antikörper einige Lieder übten und waren auf´s Neue
beeindruckt gewesen. Gonzo war ein richtiger Musiker, ein
Künstler, ein Virtuose. Er hatte ihnen die Gitarre erklärt und sie
die Stimmtechniken gelehrt und so ganz nebenbei den lockeren
Gitarrero raushängen lassen. Nicht nur konnte er beinahe alle
Sex Pistols Songs fehlerfrei und in eigenen Interpretationen
nachspielen, er konnte auch die schönsten Bluesmelodien aus
dem Ärmel schütteln, als seien es einige seiner simpelsten
Routineübungen. Sie waren hingerissen. Stephan, Kevin und Pe
entschlossen sich dazu, diesen Mann abzuwerben, koste es was
es wolle. Der Plan war nicht ganz neu. Schon im Februar, nach
dem ersten Gig, hatte man eine Anspielung gemacht, auf die
Gonzo aber nicht eingegangen war und jetzt im Frühling, wollte
man ihn einfach fragen. Geradeheraus, ja oder nein. Gonzo hatte
vom ersten Auftritt der Böhsen Onkäls gehört. Wie sie im JUZ
mit Kreppelkaffee und Mutation um die Wette gekreischt hatten.
Das hatte schon etwas sehr dynamisches gehabt, sagte man ihm,
etwas eigenes. Die Jungs aus Hösbach gaben sich Mühe, aber
nicht zuviel, nicht soviel, daß sie verkrampft wirkten. Kevins
Brüllerei wirkte sehr authentisch. Man konnte ihm leicht
glauben, daß er wirklich höllisch angekotzt war von seinem
Leben und man konnte zuweilen Angst vor ihm bekommen, so
echt war seine Wut. Als sie Gonzo diesmal fragten, ob er nicht
bei den Böhsen Onkelz einsteigen wollte, dachte er sofort an den
Spaß, den er in dieser Band haben würde. Die waren so krass
und fertig und daneben, und dabei so von sich überzeugt, da
mußte man einfach mitmachen. Gonzo sagte zu. Er übernahm
-1 9 -
den Bass, während Kevin "sang", Stephan die Gitarre "spielte"
und Pe auf das "Rimmel Standard" einprügelte. Bei ihrem
zweiten Gig am 8. Mai 1981 spielten sie außer ihren alten Hits
"Türken raus" und "Harakiri", auch einige neue Lieder.
"Mösensaft", "Schöner Tag" und "Hinein in das schäumende
Bier". "Hinein in das schäumende Bier, wir scheißen dem Wirt
auf die Theke, schenket ein, schenket ein, schenket ein, wir
wollen alle besoffen sein..."
.....
-2 0 -
Kapitel 5
1980 - 1982 "Oi, Oi, Oi"
Deutschland versinkt in schutt und dreck, und ihr, ihr
schweine, ihr seht einfach weg die bullen werden den aufstand
schon niederschlagen, immer nur draufhaun´, ohne zu fragen
lange genug haben wir mitangesehen wie unsere städte zugrunde
gehen oi, oi, oi oi, oi, oi jetzt gibt´s einen aufruhr in unserem
land, die kids von der straße haben sich zusammengetan, punks
und skins im zusammenhalt, gegen euch und eure staatsgewalt
oi, oi, oi oi, oi, oi die zeiten von liebe sind jetzt vorbei gewalt ist
das mittel gegen ausbeuterei wir haben es satt, vor euch zu
kriechen, dazu haben wir keine lust, wir haben ein besseres
leben verdient nur bis jetzt haben immer die bullen gesiegt oi,
oi, oi oi, oi, oi
("Oi, Oi, Oi", © Böhse Onkelz,
2. Demotape 1982, unveröffentlicht)
Aus der Menge an Bands, die dort weiter machten, wo Jimmy
Pursey mit Sham 69 im Sommer/Herbst 1979 gescheitert war,
gingen zwei Gruppen hervor, die in den wenigen Jahren ihres
Wirkens, einem der größten Kulte, der jemals aus der britischen
Arbeiterklasse entstanden war, zu neuem Leben verhalfen, dem
Skinheadkult. Angelic Upstarts aus Tyneside, einer
Werftarbeitergegend in Nord-London und die fußballbesessenen
Cockney Rejects aus dem Londoner Eastend. Wie auch die
Mitglieder von Sham, waren diese Musiker weder Punks, noch
waren sie Skinheads, sondern schlicht Workingclass. Beide
Kombos wurden von Pursey produziert und trieben den
schnellen atemlosen Streetpunk aus den Tagen der Sham Army
voran. Auch zogen diese Bands gewaltige Scharen von Punks
und Skinheads in die Hallen und wie schon bei den Sham 69
Konzerten, kam es bei diesen Gigs regelmäßig zu Schlägereien
und blutigen Krawallen. Die Cockney Rejects ließen während
-2 1 -
keiner ihrer Shows Zweifel daran aufkommen, wie sehr sie
hinter ihrem Fußballclub "Westham United" standen. Auch
nicht, wenn ihre Gigs von 200 BirminghamFanglatzen
heimgesucht wurden. In einer Zeit, in der in England die
gewaltätigen Ausschreitungen während der Fußballspiele einen
neuen Höhepunkt erreichten, sangen sie "War on the terraces"
und "We are the firm".
Die Presse war auf blutige Fotos und Geschichten von
randalierenden Fußballhooligans ganz besonders scharf. Ihre
Berichterstattung war an Recherchefehlern und Lügen kaum
noch zu überbieten. Diese Artikel gaben den Jugendlichen erst
die präzise Anleitung, wie sie sich in Zukunft zu verhalten
hatten, um diesem provokanten Bild zu entsprechen. Feuer
wurde mit Benzin gelöscht.
Stinky Turner, der Sänger der "Rejects", hatte es sich zur
Angewohnheit gemacht, seine Songs mit einem hastigen
"Oi,Oi,Oi" (Oi =Cockney für Hey) anzuzählen, anstelle des
üblichen "one, two, three" und lieferte damit der britischen
Arbeiterjugend einen griffigen Schlachtruf. Manager der Rejects
war Gerry Bushell, der gleichzeitig als Musikjourna list für die
"Sounds" arbeitete.
Außer ein paar wenigen Artikeln, die Bushell für Sounds
schrieb, blieb das OiPhänomen unerwähnt. Obwohl die
Veröffentlichungen der Angelic Upstarts und der Cockney
Rejects sich regelmäßig in den Top 50 festbissen, wurden diese
Bands von den Musikzeitschriften ignoriert. Was für die
englische Workingclass Jugend das Größte überhaupt war, galt
für die britische Musikindustrie als peinlich und asozial.
Ab 1980 stand "Oi" für Punk ohne die Poser, für unsterilen,
ehrlichen HardcoreSound direkt aus dem Londoner Untergrund.
Die straßentaugliche Glaubwürdigkeit der Musik begeisterte all
die Jugendlichen, die sich durch die kommerzielle Einmischung
der Industrie in ihre Szene verarscht fühlten. Gerry Bushell war
auch der Kopf hinter den Oi-Compilations, die mit "Oi- The
-2 2 -
Album" als erste Veröffentlichung 1980 die Bewegung erst
richtig auf Trab brachten.
Bis 1981 hatte sich Oi in den unteren Schichten Englands
ausgebreitet. Neue Formationen oder Bands, die bis dahin
erfolglos waren, beackerten in kürzester Zeit den Boden, für das
was noch kommen sollte; aus Manchester, aus Sunderland, aus
East-London, aus Brighton, aus South-London, aus Dagenham,
aus North-London und aus den entlegendsten Orten
GroßBritanniens. Cock Sparrer, The Last Resort, Infa-Riot, The
4-Skins, The Gonads, Red Alert, The Business, The Blitz, Peter
and the Test Tube Babies...
Das war nur die Spitze des Oi-Berges. Oi-the Album, Oi- the
movement, Oi-the statement, Oi-dies, Oi-das.
Den wenigsten dieser Bands konnte man ein politisch
motiviertes Image nachsagen, außer, daß sie mit der
konservativen Regierung ihres Landes, der Arbeitslosigkeit in
ihren Vierteln und der Unterdrückung ihrer Musik durch
staatliche Zensoren nicht einverstanden waren. Was diese Bands
im Sinn gehabt haben, war eine unpolitische Bewegung, die sich
nicht zwischen rechts oder links entscheiden sollte, sondern
zwischen richtig und falsch, ohne dabei auf den Spaß von
schnellen Konzerten und guten Partys verzichten zu müssen.
Schlägereien inbegriffen. Jugendliche ohne Aussicht auf Arbeit,
Punks mit Irokesenschnitt, Bomberjacken und Doc Marten
Boots und Hosenträger-Skinheads, denen Margaret Thatcher
und die Windsors am Arsch vorbei gingen.
Im Sommer ´81 erschien der zweite Oi- Sampler, "Strength
through Oi". Der Titel war ein Wortspiel, dem das Hitlersche
Reiseprojekt "Kraft durch Freude" = "Strength through joy"
zugrundelag. Dummerweise war auf dem schwarz/weißen Cover
der berühmt berüchtigte Skinhead Nicky Crane in klassischer
Aggropose zu sehen. Crane galt als einer der führenden Köpfe
des rechtsradikalen "Britisch Movement" und war angeblich
durch einen Irrtum auf das Cover geraten. Die ultrafaschistoiden
-2 3 -
Mitglieder des "Britisch Movements" und der rechten Partei der
"National Front" hatten schon Mitte der Siebziger damit
begonnen, die Skinheadszene massiv zu infiltrieren, nicht ohne
Erfolg.
Die Rassenkarte war gegenüber der gewaltbereiten Jugend ihr
wichtigster Trumpf gewesen, der ihnen bei den Wahlen ´77
ganze 250.000 Stimmen einbrachte. Daß die gesamte Sze ne
nach rechts abwanderte, oder das die OiBewegung von Beginn
an einer nationalen Gesinnung nachhang, war gelogen.
Dennoch, vielen älteren Skinheads waren die jüngeren gefolgt
und in der Klasse zu sagen, "ich bin in der NF", brachte damals
instant-respect auf dem Schulhof.
Jetzt, während des Revivals Anfang der Achtziger, gelang es
den rechten Parteien erneut, Streit unter den Jugendlichen zu
säen. Immer wieder prügelten sich die Fans untereinander.
Niemals würden sich Skinheads und Punks zusammentun, nicht
einmal unter dem gemeinsamen Dach, das "Oi"
ihnen bot. Aufgrund des politischen Einflusses in ihrer Szene,
war ihnen plötzlich nichts mehr gut genug. Der Mop wollte
wissen auf welcher Seite seine Bands standen. Wer nicht rechts
war, war links und wer kein Kommunist war, der mußte ein
Nazi sein. Auf diese Weise erheuchelten sich beide Lager die
Legitimierung ihrer Existenz und die Notwendigkeit ihrer
Gewalt.
-2 4 -
Kapitel 6
82/83 "Das Demotape"
Einer von vielen mit rasiertem kopf, du steckst nicht zurück,
denn du hast keine angst, shermans, braces, jeans und boots,
deutschlandfahne, denn darauf bin ich stolz, man lacht über
dich, weil du arbeiter bist, doch darauf bin ich stolz, ich hör
nicht auf den mist du bist skinhead, du bist stolz, du bist
skindead, schrei´s heraus, du bist skinhead, du bist stolz, du bist
skinhead, schrei´s heraus du hörst Onkelz wenn du zu hause
bist, du bist einer von ihnen, denn du bist nicht allein du bist
tätowiert auf deiner brust, denn du weist, welcher kult für dich
der beste ist die leute schauen auf dich mit hass in den augen, sie
schimpfen dir nach und erzählen lügen über dich du bist
skinhead, du bist stolz du bist skinhead, schrei´s heraus
("Stolz", © Böhse Onkelz,
Ska-Version auf 2. Demotape 1983
und auf "Der nette Mann" LP, Rock´O´Rama1984,
schnelle Version auf "Mexico"- EP, ROR 1985)
Das, was man früher einmal Matrose nannte, hieß jetzt
Schiffsmechaniker. Wer sich für diesen schlecht bezahlten Beruf
entschied, der mußte mindestens 15 Jahre alt sein, seine
Schulpflicht erfüllt haben und seediensttauglich sein. Die Lehre
dauerte 36 Monate und endete mit der Matrosenprüfung und der
Aushändigung des Matrosenbriefes oder der Bestallung zum
Schiffsmechaniker. Nach einem dreiwöchigen Lehrgang über
Schiffssicherheit in Hamburg, schrieb die Lehre in ihrem
praktischen Teil auf See die Prüfungsgebiete Nautik,
Decksdienst und Maschine vor. Dazu kamen Unterrichtsblöcke
von 10 Wochen pro Lehrjahr, die in einer Schule für
Schiffsmechaniker in Travemünde besucht werden mußten.
Kevin erinnerte sich oft an das, was seine Großmutter ihm über
die Seefahrt erzählt hatte.
-2 5 -
"Fahr doch zur See" , hatte sie gesagt, "da kommst Du auf
andere Gedanken und siehst etwas von der Welt". Danach
verfiel sie meistens in einen langen Monolog über die Seefahrt
und über Kevins Großvater, der einstmals als 3.
Maschineningenieur auf der Cap Arkona nach Brasilien
gefahren war. Die Cap Arkona war in den ausgehenden
zwanziger Jahren tatsächlich der ganze Stolz und das
Flaggschiff
der
Hamburg-Südamerikanischen
Dampfschiffahrtsgesellschaft gewesen. Ein Koloss unter den
Passagierschiffen mit
drei
mächtigen
Schornsteinen,
Konzertsalon, Festsaal,Tennisplatz und genug Platz für über
tausend gutbetuchte Gäste. Dabei stand es jetzt schon fest.
Nichts von dem, was seine Oma ihm über die Seefahrt berichtet
hatte, traf zu. Hier ging es nicht um Passagierdampfer und feine
Gesellschaften in Dinnergarderobe, die den Hummer
zentnerweise in sich hinein schaufelten, während sie gemächlich
von Hamburg nach Südamerika schaukelten. Auch nicht um die
Abenteuer des Leichtmatrosen Russell, der nachts an den
Luxuskabinen der alleinstehenden Millionärinnen entlangprüfte,
in der Hoffnung in Rio schwer reich für immer von Board gehen
zu können, sondern um beschissenes, langweiliges Stückgut; um
Container und den Umgang mit ihnen, um Seekarten und
nautischen Schnickschnak und um beinharte körperliche Arbeit.
Zu Beginn der Lehre war Kevin noch guten Willens. Voller Elan
und mit den besten Absichten war er nach Hamburg gekommen,
aber schon nach kurzer Zeit saß er in den Unterrichtsräumen und
träumte sich durch den Tag.
Rio...
"Sie sehen also meine Herren, zeeehn Querschotte, hier, hier
und hier, eiserne Querwände, die bis zum obersten
durchlaufenden Deck gehen, teilen das Schiff in
wasserdichtabschließbare Räume, die es schwimmfähig halten
sollen, wenn einer oder zwei von ihnen durch einen
Wassereinbruch voll laufen..."
-2 6 -
Rio...
"Sie sehen also meine Herren, hundert-a-vier-kazautvierundzwanzigvierundzwanzig, die 100 A bedeutet: 100%
Klasse A, das heißt, daß das Schiff nach den Vorschriften für
stählerne Seeschiffe gebaut wurde und demnach bedeutet die 4,
daß diese Klasse alle 4 Jahre erneuert werden muß. KAZ ist
klar, bedeutet Kühlanlagenerzeugnis und AUT 24/24 steht für
automatischen Betrieb vierundzwanzig Stunden wachfrei..."
Rio...
"Sie sehen also, meine Herren, Kreuzrahmenantenne für
Sichtfunkpeiler mit Hilfsantenne, Stopper für die Seezurrung
des Portalkrans und hier das Strömungsausgleichsrohr,
Ballastwassertank und Schweröltank, so wie Abgasrohre,
Schornsteine und Lüfterköpfe.
Russell?
Russell, sind sie noch bei uns?"
.....
-2 7 -
Kapitel 7
1983 "Doc Marten´s Beat"
Pe war eine höchst untypische Erscheinung in der deutschen
Skinheadzene.
Er war, und das mußte mal gesagt werden, die gute Seele der
Band. Nicht nur war sein Schlagzeugspiel in den letzten Jahren
erheblich besser geworden, er war auch in allen anderen
Belangen eine unersetzbare Stütze der Böhsen Onkelz und der
beste Freund. Untypisch insofern, daß ihn Gewalt und Fußball
kalt ließen. Ins Waldstadion ging er nur selten und während der
gesamten Zeit, seit Gründung der Band, hatte er sich niemals an
einer Schlägerei beteiligt. Er war aber auch niemals
weggelaufen. Pe stand einfach daneben und zog sich rein, was
es zu sehen gab. Wenn alles vorbei war, stand er immer noch da,
ohne einen Kratzer im Gesicht und tat so, als ob nichts passiert
wäre. Pe war auf eine besondere Art ruhig und furchtlos. Es
schien, als trüge er nur wenig Zorn in sich, den er durch
Aggression artikulieren mußte. Bis auf einen Zwischenfall, bei
dem Pe einem schlafenden Nürnberger Skinhead nach einer
versoffenen Nacht den Inhalt einer Dose Whiskas ins Maul
geschmiert hatte, war von ihm niemals Gewalt ausgegangen.
Während Kevin und Stephan nur darauf warteten, daß sie
jemand schräg ansah, damit sie endlich loslegen konnten, war Pe
das genaue Gegenteil. Seit dem Sommer ´82 war Pe aus
Hösbach fort. Beim Abflußservice hatte er aufgehört und
arbeitete nun in einer Frankfurter Schloßerei. Pe wohnte mit
seinem Freund Oleovnek zusammen.
Eine winzige Wohnung auf der Humboldtstraße im
Frankfurter Nordend. Das war nur einen Steinwurf entfernt von
dem Haus, in dem Stephan, Pia und Gonzo wohnten. Alles war
schön. Bis eines Tages die Freundin vom Oleovnek einlief und
ein bißchen Acid dabei hatte. Sie drückte Pe zwei Micros in die
-2 8 -
Hand und verschwand wieder. Mal abgesehen von einigen
Pattexerlebnissen, dem wenigen Dope und dem vielen Bier,
hatte Pe noch keine Drogen zu sich genommen, jedenfalls keine
harten. Gonzo, der an diesem Abend aus Hamburg zu Besuc h
war und mit Pe in dessen Höhle abhing, konnte sich auch nicht
rühmen, schon mal eine psychedelische Erfahrung gemacht zu
haben.
Was konnte schon großartig passieren? Micros, pah, die
konnte man ja kaum sehen, so klein waren die. Pe und Gonzo
waren gewarnt worden, daß so ein Trip auch schiefgehen
konnte, aber was zum Teufel bedeutete "schiefgehen"?
Daß man kotzen mußte? Daß man Dünnschiß kriegte? Was
meinte sie mit SCHIEFGEHEN? Daß Micros nur so groß wie
ein Stecknadelkopf waren, hieß nicht, daß sie schwächer als
andere Trips sein mußten. Im Gegenteil. Micros waren
hochgradig konzentrierte LSD-Bomben, pure Chemie und
äußerst potent. Ein halbes Kügelchen hätte ausgereicht, um
einen stabilen Menschen nachhaltig zu verwirren. "Schiefgehen"
bedeutete, daß sich die gesamte Wahrnehmung physisch und
psychisch in eine unbekannte Ebene verschob und daß soetwas
bei einem Anfänger katastrophale und traumatische Erlebnisse
hervorrufen konnte. Darum war es immer ratsam, eine nüchterne
Vertrauensperson dabei zu haben, die nachfühlen konnte, was
im Kopf des erschrockenen Reisenden ablief. Im Klartext hieß
das, daß man schräge und schreckliche Sachen sehen konnte und
sich vor Angst fast in die Hose machte.
Es kam wie es kommen mußte. Unautorisiertes Acid in den
Händen von neugierigen Tripnovizen. Mit einem kräftigen
Schluck Binding aus der Flasche spülten sie ihre Micros runter,
jeder einen und dachten nicht im Traum daran, daß ihr erster
Ausflug sie gleich so weit fort tragen würde. Nach einer halben
Stunde begannen die Wände zu leben und das, was eben noch
ein Rockposter war, wurde nun zu einer Vielzahl von gemeinen
Kreaturen und blutrünstigen Fratzen. Nichts war mehr so, wie es
-2 9 -
sein sollte, alles schwamm davon. 8 Stunden saßen sich Gonzo
und Pe gegenüber und gifteten sich an. Sie sprühten Funken,
zischten und schnaubten. Keiften aufeinander los und schreckten
voreinander zurück. Alle paar Minuten ein trügerischer
Normalflash, währenddessen sie sich anschauten und sich
sagten: "HÄÄÄ, was ist denn eigentlich los? Ist doch gar nicht
so schlimm, oder? ODER? OOODER?...", dann kurz aus dem
Fenster geguckt und... Njooiinnng... schon ging es wieder ab.
Der Sog, der Rotor, der Abfluß, alles wurde mit hinabgerissen
und weggespült. Die Augen quollen ihnen aus dem Schädel, die
Kopfhaut schrumpfte und die Zähne schmolzen. Ohrensausen
und die Sinne im Aufruhr.
Weit weg und wieder ganz nah dran, rauf und wieder runter,
alles in Ordnung, alles oberschräg, und dazwischen konkrete
Panik. Die ganze Nacht ging dabei drauf. Bevor der Morgen
graute, war an Schlaf nicht zu denken gewesen. Seit diesem
Erlebnis waren Fernreisen bei Gonzo und Pe nicht mehr gefragt.
Im Frühjahr ´83 kauften Stephan und Pia ihr erstes Auto. Pia
hatte durch die Heirat 7000,-DM von ihrer Versicherung
bekommen. 5000,- waren für die Kaution der Wohnung
draufgegangen und für die verbleibenden zwei kaufte Stephan
einen weißen Opel Rekord Olympia. Baujahr 1960 mit
"OlimaticHalbautomatik", die dem Wagen den Spitznamen
"Olimat" einbrachte. Diese alte Kiste war für eine kurze Zeit der
ganze Stolz der Band. Im Olimat, mit "Böhse Onkelz"Schriftzug auf den Türen, waren sie im Februar nach Bayern
aufgebrochen. Ihnen war ein Auftritt im Jugendzentrum
Ampermoching zugesagt worden. Kevin und Gonzo waren aus
Hamburg angereist und zusammen mit ihrem Rimmel Standard,
ihren Gitarren und dem Verstärker quetschten sie sich in den
Olimat. Auf regennasser Fahrbahn schlich die Karre durch den
Nebel und es hatte 5 Stunden gedauert, bis sie endlich ankamen.
Im Jugendhaus Ampermoching hatten sich einige hundert
Menschen eingefunden. Punks, Skinheads, Rocker und eine
-3 0 -
große Abordnung der orientierungslosen Landjugend. Eine
grausame Band stand auf der Bühne und versuchte das
lethargische Publikum zu motivieren. "Mögts´ ihr koa Punk?"
.....
-3 1 -
Kapitel 8
"Der nette Mann"
Auch zwölf dunkle jahre in deiner geschichte machen unsere
verbundenheit zu dir nicht zunichte es gibt kein land frei von
dreck und scherben hier sind wir geboren, hier wollen wir
sterben deutschland deutschland, vaterland deutschland
deutschla nd, mein heimatland den stolz deutsch zu sein woll´n
sie dir nehmen das land in den dreck zieh´n, die fahne
verhöhnen doch wir sind stolz, in dir geboren zu sein wir sind
stolz darauf, deutsche zu sein. es gibt kein land frei von dreck
und scherben hier sind wir geboren, hier wollen wir sterben
deutsche frauen, deutsches bier schwarz-rot-gold, wir steh´n zu
dir deutschland deutschland vaterland deutschland deutschland,
wir reichen dir die hand
("Deutschland", © Böhse Onkelz,
"Der nette Mann LP", Rock´O´Rama, 1984)
"böhse onkelz, ffm´s beliebteste skin-band, will bei
rock´o´rama eine lp aufnehmen..." aus(Patrick Orth´s Fanzine:
Primitiefes Leben Nr. 12, April 1984)
Im nächsten Jahr meldete sich der Independent Produzent
Herbert Egoldt aus Brühl bei den Böhsen Onkelz. Es war ein
kurzes Telefonat, in dem er zu Stephan sagte, daß er gerne eine
Platte mit den Onkelz machen würde. Er werde die gesamte
Produktion finanzieren, hatte er gesagt. Die Band sollte in ein
Studio gehen und ihm die fertigen Bänder schicken. Alles
andere würde noch geregelt werden. Egoldt war ein Rockfossil.
Er besaß schon in den siebziger Jahren ein eigenes Label, das er
"Big H" nannte und auf dem er verschollenen Rockklassikern
aus den späten Fünfzigern und frühen Sechzigern zu einem
zweiten Frühling verhalf. 1977 hatte Herbert Egoldt seinen
Plattenladen "Rock ´O´Rama" in der Weidengasse in Brühl
-3 2 -
eröffnet und mit der Gründung seines gleichnahmigen Labels
1982, hatte er seine Position des frühen "Independentpioniers"
gefestigt. Neben Egoldt gab es damals nur noch den Hamburger
Alfred Hilsberg und dessen "Zick-Zack" Label, als Vorreiter
und Aushängeschild der deutschen Indi-Kultur. Aufgrund der
katastrophalen Geschäftsprognosen für diese Art von Musik,
konnte Egoldt im Schatten der großen Musik häuser bestens
bestehen. "Independentmusik" war seit ´77/´78 zu einem festen
Bestandteil der deutschen Jugendkultur geworden und es war zu
vermuten gewesen, daß progressive neue Zeitungen, wie das
1980 aus der Taufe gehobene "Spex", nur allzu gerne aus
Egoldts reichhaltigem Angebot schöpften. Rock´O´Rama in
Brühl wurde zu einem der bestsortiertesten unabhängigen
Plattenläden, mit vorzüglichen Kontakten nach England und mit
eigenem Mailordervertrieb wobei der Schwerpunkt des
Angebotes 1984 noch eindeutig auf Punk und New-Wave lag.
Alles andere würde also noch geregelt werden. Tatsächlich
hatte Egoldt das MTV-Studio in der Frankfurter Voltastraße
angemietet, dessen Inhaber Laslo "Lotzi" Viragh war. Den
Böhsen Onkelz hatte Egoldt einen Termin für den April ´84
gebucht.
Stephan und den anderen wurde es fast schwindelig vor
Aufregung. "Wir machen eine Platte", sie konnten es kaum
glauben. 1984 war damals eher für den gleichnamigen Roman
bekannt, als dafür, daß man als Skinheadband einen
Plattenvertrag bekam. Die Aufnahmen im MTV-Studio waren
schon nach fünf Tagen abgeschlossen. Anfang Mai ´84 kam
"Der nette Mann " auf den Markt. Eine politische Motivation
steckte hinter dem ersten Vinyl der Onkelz nicht. Niemand in
der Band gab etwas auf Politik. "Der nette Mann" handelte in
erster Linie von den klassischen Interessen der Zwanzigjährigen
mit asozialem Hintergrund. Saufen, Ficken, Fußball, Mord und
Totschlag. Mit 14 Stücken präsentierten sich die Böhsen Onkelz
als erste Skinheadband der deutschen Öffentlichkeit und wer
-3 3 -
immer "Der nette Mann" als hartes brutales Album empfand, der
brauchte ja nur mal den Fernseher anzuschalten oder in die
Zeitung zu schauen. So wie sie sich als echte dreckige Punks
verstanden hatten, so eindeutig standen sie jetzt hinter dem
Skinheadkult. Nicht nur ihr Äußeres glich den englischen
Skinheads bis hin zum kleinsten Detail, auch ihre innere
Haltung war stark an das englische Ideal der siebziger Jahre
angelehnt. Ein Skinhead zu sein, bedeutete für jeden in der
Band, daß es das großartigste Gefühl von Gemeinschaft
überhaupt war. Nichts war mit diesem Gefühl vergleichbar. Es
war wie beim Punk, nur noch tausendmal geiler, stärker,
unbesiegbarer. Eigenartiger Weise waren Gonzo und Stephan
nie richtig auf die typische Skinheadmusik abgefahren. Last
Resort und 4-Skins gehörten nicht unbedingt zu ihren
Lieblingsgruppen. Da sie die meisten Texte nicht verstehen
konnten, ging es ihnen schon von Anfang an mehr um die
Musik, als um die Aussagen ihrer Lieblingsbands. Sie waren
immer noch beigeisterte Anhä nger der Gerry Bushell OiCompilations, die inzwischen auf 4 Volumes herangewachsen
waren und standen nach wie vor auf den dreckigen englischen
Street-Rock´n´ Roll von Cock Sparrer und den Lurkers oder von
den Australiern Rose Tattoo.
Rose Tattoo? Was die Tattoos anging, hatte sich eine Menge
getan. Gonzo hatte ein Paar Doc´s auf seinem linken Unterarm
und die Deutschlandfahne auf dem Oberarm. Kevin fühlte sich
zu Recht als halber Engländer, was sich auch in dem neuen
"Westham United" Tattoo ausdrückte, das Gonzo ihm mit einem
Skalpel und einem Glas Tinte zugefügt hatte. Stephan und
Kevin ließen sich "SKIN" auf die Innenseiten ihrer Unterlippen
tätowieren, Kevin trug die vier Buchstaben auch auf den
Fingerknöcheln seiner linken Hand und einen "Skinhead"Schriftzug über dem linken Ohr. Kevins gesamter linker Arm
war inzwischen bebildert. Während einer Schiffsreise nach Hull
in England hatte er sich Farbe und Nadeln besorgt und schon die
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ersten Experimente am eigenen Körper gewagt. Spinnennetz am
Ellenbogen und Drachen auf der Schulter.
"Ausmalen" nannte der das. Russell hatte es sich zum Ziel
gesetzt, alle freien Stellen seines Körpers, außer dem Gesicht,
den Fußsohlen und dem Penis, auszumalen. Für ihn war es das
erste Mal, daß er eine eigene Identität besaß.
Kevin fühlte sich als ein Fasterwachsener in einer
verschworenen Gruppe von Freunden. Er war Kevin Russell,
Matrose, Skinhead und Sänger, die Stimme der Böhsen Onkelz.
Das war etwas, daß ihm so wertvoll war, daß er es nur spüren,
aber auf keinen Fall beschreiben konnte.
.....
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Kapitel 9
1985 "Böse Menschen - böse Lieder"
Sie hindern dich so gut es geht deinen weg zu geh´n uns´re
herrn politiker sie woll´n dich nicht versteh´n ich hab´n hass,
so´n hass ich hab´n hass, so´n hass sie reden nur und reden und
nichts kommt dabei raus viele worte, keine taten für nichtstun
noch applaus ich hab´n hass, so´n hass ich hab´n hass, so´n hass
arbeitslose jugendliche sind heute schon normal die reichen
immer reicher alles and´re ist egal meine verachtung haben sie
ich kann sie nicht mehr seh´n das sind menschen, die von
freiheit reden und nicht dazu steh´n
("Hass", © Böhse Onkelz, "Böse Menschen - böse Lieder"
LP, Rock´O ´Rama Records, 1985)
Neun Monate nach "dem netten Mann", im Februar 1985,
waren die Onkelz wieder im MTV-Studio gebucht. Egoldt hatte
angerufen und die Produktion der zweiten LP angeleiert.
Obwohl die Böhsen Onkelz noch kein Geld für die erste Platte
bekommen hatten, waren sie begeistert. Allein der Gedanke an
ein neues Album konnte sie beflügeln. Eine eigene Platte in den
Händen zu halten, war das Größte, eine zweite Platte zu machen
das Allergrößte. Bis auf Kevin, hatten sie sich die Haare ein
Stück wachsen lassen und die Hosenträger abgelegt. Fred Perry
Hemden waren out und ihre Docs trugen sie nur noch ab und zu.
Die starren Regeln innerhalb der Skinheadszene, in Verbindung
mit dem dümmlichen Faschogeschwätz einiger Hamburger und
Berliner war es, was sie ankotzte. Kaum war man der einen
Schublade entwachsen, saß man schon in der nächsten.
Vorschriften, ob es nun um Klamotten oder politische Ansichten
ging, waren für Stephan, Gonzo und Pe inzwischen
unannehmbar geworden. Kevin konnte seine Skinheadidentität
nicht einfach abschütteln. Der Kult war für ihn die einzige
-3 6 -
Möglichkeit, mit der Außenwelt in Kontakt zu treten.
Der Ex-Matrose lebte auf einer Insel, in einem
Gefühlsreservat.
Seinem düsteren
Elterntrauma,
den
Abweisungserlebnissen während seiner Kindheit und der daraus
resultierenden Blockierung stand der Zwang zum Ausgleich
gegenüber. Das drückte sich in seiner Tattoobesessenheit und
seiner Neigung zu Gewalt gegenüber Anderen aus. Seinen Job
bei der Müllabfuhr war er schnell wieder losgeworden und seit
ein paar Wochen arbeitete er als Packer beim LufthansaCateringservice. Ein Job, den ihm sein Alter besorgt hatte.
Kevin neigte zu schlimmen Ausschweifungen, das wurde
immer deutlicher.
Wenn er sich prügelte, dann blutig und extatisch und ohne
Erbarmen. Wenn er soff oder schnüffelte, dann so, als wollte er
sich umbringen. Stephan mußte ihn oft zurechtweisen, gerade
wenn es darum ging vor anderen Skins faschomäßig
rumzuposen, aber ohne diese wütenden Ausbrüche wäre er
wahrscheinlich längst geplatzt.
"Böse Menschen - böse Lieder", die zweite Produktion der
Onkelz sollte beim "netten Mann" anknüpfen. Die The men
waren mehr oder weniger die gleichen.
Allerdings waren der anfängliche Patriotismus und die
Euphorie für das Vaterland schnell verpufft. Stephan war
inzwischen der Meinung, daß es sich nicht lohnte auf ein Land
stolz zu sein, daß die Probleme seiner Jugend nicht ernst nahm.
Einigkeit und Stolz waren für ihn Dinge, die nichts mehr mit
nationalen Grenzen zu tun hatten. Dinge, jenseits des
Reisepasses. Auf dem zweiten Album der Onkelz gab es kein
Lied mehr, das sich mit dem Thema "Deutschland" beschäftigte.
Höchstens mit dem deutschen Fußball. Während "der nette
Mann" mit "Stolz" und "Singen und Tanzen" noch zwei
Skinhead-SkaNummern im Angebot hatte, wurde auf der neuen
Scheibe nur noch der Song "7 Tage ohne Sünde", ein Lied über
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eine Geschlechtskrankheit, mit einem Skabeat vorgetragen.
Signum des Verrats Es ist kein mal wie du es kennst kein
aufgebranntes zeichen man bemerkt es, doch man sieht es nicht
und es prägt dich ohnegleichen du glaubst, die intrigen bemerkt
man nicht doch dein schleimiges wesen zeichnet dich das
signum des verrats steht dir im gesicht für geld verrätst du
freunde deine worte sind nichts wert die seite die du wähltest die
war verkehrt du glaubst, die intrigen bemerkt man nicht doch
dein schleimiges wesen zeichnet dich das signum des verrats
steht dir im gesicht "Signum des Verrats" hatten die Böhsen
Onkelz für Mitläufer aller Art geschrieben und für diejenigen,
die ihre Ideale und ihren Stolz an die Politik oder an
irgendjemand anderen verkauften. In den Fußballstadien, den
Kneipen und an den Treffpunkten der Skinheads tauchten immer
wieder Scheitelträger auf, verteilten rechtes Propagandamaterial
und versuchten sich beliebt zu machen. Ebenso ließen sich
Journalisten vom Stern, Spiegel oder der Bildzeitung blicken
und stellten Fragen über Politik und Rassismus. Die meisten
Skinheads hatten nur eine diffuse Vorstellung von Politik und
wenn sie diese noch artikulieren sollten, verhedderten sie sich
schnell in Widersprüchen.
Gerne legten gewiefte Journalisten den Jugendlichen die
Worte in den Mund und verlangten nach Bestätigung, oder sie
spekulierten sich ihre Artikel zusammen. Sogar wenn ein
Reporter ungewohnt gründlich recherchierte, war der
darausfolgende Bericht immer noch einseitig und plakativ. Die
Medien hielten sich grundsätzlich mit den oberflächlichen,
blutrünstigen Symptomen einer kränkelnden Jugendsubkultur
auf, anstatt den Dingen wirklich auf den Grund zu gehen. Die
Böhsen Onkelz hatten sich weder von links, noch vom
Kommerzpunk oder der neuen deutschen Welle einfangen
lassen. Nun erneut vor einem solchen Problem zu stehen und
mitanzusehen, wie das, was man mitaufgebaut hatte nach rechs
abglitt, war schmerzhaft. Es gab einige Angebote von
-3 8 -
rechstradikalen Parteien und Verbänden an die Böhsen Onkelz.
Sie wurden mehrmals gebeten, ge gen eine angemessene Gage
auf Grillfesten und Kundgebungen zu spielen, aber jedesmal
lehnte die Band diese Anfragen einstimmig ab.Niemals würden
sie mit Linken, Rechten, mit Scheitelträgern oder
Uniformfetischisten gemeinsame Sache machen und sich vor
den Karren einer Partei spannen lassen. In einer Zeit, als
Konzerte rar waren, als ihnen die deutsche Skinheadszene zu
Füßen lag, als sie jedes Skinheadtreffen mit einem Auftritt ihrer
Band dominieren konnten und ihr Einfluß auf die Glatzen groß
war, weigerten sie sich für rechte Parteien auch nur eine Note
anzuschlagen.
-3 9 -
Kapitel 10
1986 "Der Ausstieg"
Ganz egal wie er auch heißt jeder gott hat seinen preis ich
geb´meinem leben einen sinn und geb´ mich ganz den onkelz
hin die zehn gebote lassen uns kalt nur leere worte, wir sind
priester der gewalt liebe onkelz, macht mich fromm euer wort
will ich verkünden ich rauf´ nur noch, ich sauf nur noch nur für
euch will ich noch sündigen onkelz und bahgwahn, falsche
propheten glaubt an euch selbst, hört auf zu beten befreit eure
hirne vom falschen schein geht eure wege, eure wege allein
("Falsche Propheten", © Böhse Onkelz,
"Onkelz wie wir"
LP, Metal-Enterprise, 1987)
Der Ausstieg der Frankfurter Band vollzog sich über die Jahre
1985 und 1986.
Nicht wenige Altglatzen folgten dem gleichen Impuls.
Stephan und Gonzo weigerten sich, ihre Haare noch einmal
schneiden zu lassen und Pe blieb mit seiner Frisur irgendwo
zwischen Kannisterkopf und Prollbürste hängen. Kevin erkannte
zwar die Gefahr, die darin lag, wenn man sie als Band noch
weiter in die rechte Ecke drängte, wollte aber dennnoch bei
seiner Glatze bleiben.
Niemand in der Band zwang ihm eine Entscheidung ab. Daß
die Böhsen Onkelz sich und ihre Musik begrenzten, wenn sie
noch länger für eine kleine Gruppe von Fanatikern rockten, war
auch ihm klar. Gonzo und Stephan hatten die Schnauze
gestrichen voll. Es erschien ihnen geradezu lächerlich hart zu
sein, um der Härte willen. Sie waren hart genug, jeder von
ihnen. Den Nachweis mußten sie nicht tagtäglich auf´s Neue
erbringen. Jedes Bier, über das sie sangen, hatten sie getrunken
und jede Schlägerei selbst erlebt. Jedes Gefühl von Sieg oder
-4 0 -
Niederlage, der ganze Hass, die Härte, der Dreck und all die
Kotze und das Bier, das war von ihnen bereits vertont worden.
Und wenn die Härte jetzt nur noch darin lag, rechtsradikal zu
sein und immer mehr Skinheads dazu kamen, die von Tuten und
Blasen keine Ahnung hatten, dann war es auch keine Bewegung,
der sie noch länger angehören wollten. Etwas Gutes, hatte das
große Open-Air im vergangenen Sommer den Böhsen Onkelz
gebracht. Sie hatten endlich eine Connection nach England
aufgebaut. Der Sänger von "Indescent Exposure", Steve Reeve,
hatte ihnen glaubhaft versichert, daß er auf ihre Musik stand,
und daß er sich um eine Auftrittsmöglichkeit in London
kümmern würde. Beim Abschied hatten sie ihre
Telefonnummern ausgetauscht und tatsächlich rief Steve im
November bei Stephan an. Er hatte für sie einen Gig klar
gemacht, sagte er. Wenn sie wollten, könnten sie rüberkommen
und am 17.12.85 in einem kleinen Pub in Hample Hampsteed,
einem Vorort im Londoner Nord-Westen, spielen. Wenn sie
wollten? Oh, Mann, klar wollten sie, und wie sie wollten.
London, Mutterstadt aller Jugendkulte. Sie hätten alles dafür
gegeben, einmal in London zu spielen. Außer Gonzo, war noch
niemand von ihnen in London gewesen. Seit sie sich für Musik
interessierten, war London in ihrer Phantasie zu diesem großen
phantastischen und bizarren Ding herangewachsen. Pistols,
Stranglers, Clash, Sham, Rejects, Upstarts, Cock Sparrer, und
ungefähr 5000 andere Punk- Oi-Ska- Skin- Rock- und ReggaeLegenden kamen aus London.
Stephan drehte am Rad, "Böhse Onkelz live in London" ging
es ihm immer wieder durch den Kopf.
Am 16. Dezember flogen sie nach England. Bei Den-Air
gab´s für 260 Mark ein Wochenendticket und weil es so günstig
war, hingen sich die Rüsselsheimer Skinheads gleich hintendran.
Zu Siebt bezogen sie mit ihren Instrumenten am Freitag ein
Hotel in der Londoner Innenstadt und fingen sofort an zu saufen.
Sie stolperten im Gänsemarsch durch die Pubs und Kevin
-4 1 -
sang "Freitag Nacht in London, das ist wunderschön..." In der
Nacht warf Kevin einen Fernseher aus dem Fenster des Hotels.
Einmal, weil kein Sender zu finden war und er nicht wußte, daß
es in England kein Nachtprogramm gab und zum anderen, weil
jeder Rockstar, der etwas auf sich hielt, schon mal einen
Fernseher aus einem Hotelfenster in London geworfen hatte.
Fernseher waren dazu da. Wie immer kam Kevin auch diesmal
ungeschoren davon, als die Polizei am nächsten Morgen zwei
unschuldige Jugendliche aus dem falschen Zimmer verhaftete.
Am Samstag Abend trafen sie sich mit Steve Reeve in Hample
Hampsteed. Steve war hier aufgewachsen und kannte jeden. Der
Pub, in dem sie spielen sollten, hieß "No 5". Das war einer von
den typischen englischen Pubs, wie man sie sich vorstellte.
Verraucht, aber penibel gepflegt. Dunkles Holz und glänzende
Messingbeschläge. Mit einem Biertresen, an dem schon
Generationen von Werft- und Fließbandarbeitern ihr Guiness
getrunken hatten.
Eine Musicbox stand in der Ecke und eine Dartscheibe hing
an der Wand.
Einer von den Pubs mit sauberen Spitzengardinen vor den
Fenstern und blankpolierten Fußballpokalen in der Vitrine. Das
Konzert sollte um Acht beginnen. Neben den regulären
Pubbesuchern, neben den Arbeitern und den alten Männern
hatten sich 30 bis 50 englische Skinheads eingefunden. Die
Stimmung in diesem Pub war anders, als in einer Kneipe in
Deutschland.
-4 2 -
Kapitel 11
1987 "Aus der Ferne betrachtet..."
Über den wolken fühl´ ich mich wie zu haus ich such mir hier
oben die schönsten plätze aus ich weiß es ist gemein doch die
welt ist viel zu klein also laßt euch bombadieren, bombadieren
ich bin bomberpilot, bringe euch den tod ich bin bomberpilot,
bomberpilot 10.000 meter hoch, schneller als der schall schaue
ich meinen bomben nach und warte auf den knall verwüsten und
zerstören ist alles was ich kann und seh´ ich was, was mir gefällt
fang´ ich zu bomben an
("Bomberpilot", © Böhse Onkelz,
"Onkelz wie wir" LP,
Metal Enterprise, 1987)
Fanzines mochten vielleicht nicht als seriöse, öffentliche
Quellen gelten, und wenn schon, innerhalb der Szene waren sie,
wie auch beim Punk, lebensnotwendig, um die Bewegung am
Laufen zu halten und um Informationen auszutauschen. Im
"Singen und Tanzen", einem Duisburger Skinfanzine, nahmen
die Onkelz erstmals schriftlich Stellung zu ihrem Ausstieg. In
der Szene kursierten seit ´86 die wildesten Splitgerüchte, denen
Stephan und die Band jetzt entgegentreten wollten.
Stephan: "Ein für allemal: Die Böhsen Onkelz haben sich
nicht aufgelöst. Ich weiß nicht, welcher Verrückte auf die Idee
gekommen ist, dieses Gerücht in die Welt zu setzen. Es stimmt
jedenfalls nicht...
...Wir hatten keine Lust mehr, uns in eine Ecke drängen zu
lassen, aus der wir nicht mehr herauskommen. Wir wollten
unseren Spaß haben, und das war zum Schluß nicht mehr
möglich...
...für die Zukunft der Skinbewegung sehe ich einigermaßen
schwarz. Zuviele Leute, die früher die Bewegung geprägt haben,
-4 3 -
sind verschwunden, zu viele Leute, die diesen Ruf nicht halten
können sind dazugekommen... Wir brauchen uns von diesen
Leuten nichts vorwerfen und schon gar nichts sagen lassen.
Wir kennen die Sache. Die Skins, die von sich behaupten
können, 4-6 Jahre dazu gehört zu haben, kann man an einer
Hand abzählen..."
Ein weiterer Versuch der Band, sich 1987 öffentlich zu
äußern und von der Skinheadszene zu distanzieren, war ein
langes Interview, das die zwei ExSkins Markus Eberwein aus
Hannover und Josef Drexler aus München mit den Böhsen
Onkelz Anfang Juni ´87 im Rahmen eines Buchprojektes
führten.
"Skinheads in Deutschland - Interviews", war ein dünnes
Buch, das die beiden Autoren in geringer Stückzahl und im
Selbstverlag veröffentlichten. Neben den Böhsen Onkelz
nahmen in dieser Schrift auch der Sozialarbeiter Thomas
Schneider, der "Verlierer"- und "Tatort - Voll auf Haß"Regisseur Bernd Schadewald, die Skinheads Jörg aus Hannover,
Michelin X aus Wuppertal und Gerd Bornemann, der Vater des
am 3. Februar ´87 von Skin-Freunden getöteten Skinheads GerdRoger Bornemann, zu dem Thema "Skinheads in Deutschland"
Stellung.
Auszüge: Josef: Wie setzt sich euer Publikum zusammen, sind
es nur Skinheads oder Fußballfans?
Stephan: Die ganze Zeit war´s wohl so, daß hauptsächlich
Skins da waren oder Fußballfans. Nur mittlerweile hat sich das
schon ein bißchen geändert. Es sind jetzt auch viele Leute, die
Heavy Metal hören und Trash.
...
Gonzo: Von wegen parteipolitisch, ist nie was gelaufen bei
uns.
Kevin: Politik ist ja total uninteressant. Das ist überhaupt kein
Thema, weil: Politik in diesem Land ist undurchführbar.
-4 4 -
Deswegen interessiert mich Politik einen Scheißdreck, ja, ich
will nur leben, wie ich will, das ist alles. Politik, und sich
politisch überhaupt organisieren ist das Letzte!
Das ist so ´ne Zeitverschwendung, also in der Zeit kann ich
was Besseres machen.
...
Stephan: Man muß sich eins überlegen. Wir waren damals,
wo´s in Deutschland angefangen hat, dabei und haben die ganze
Bewegung mit aufgebaut. Und dann siehst du, wie ein paar
Idioten die ganze Sache kaputt machen.
...
Stephan: Und bei uns hat´s aufgehört, wo der Punk ins Linke
reingezogen worden ist.
Punk war am Anfang nur für uns, Außenseiter zu sein, Spaß
zu haben.
Kevin: Und so ist es jetzt auch bei den Skins, das wird nur ins
Rechte gerückt. Und da hört´s für mich dann auch auf. Genauso
war´s damals als Punks.
Gonzo: Die Linken haben sich die Punks unter den Nagel
gerissen...
Josef: Punks in die Linke, Skins in die Rechte.
Gonzo: ...und die Rechten versuchen, sich die Skins unter den
Nagel zu reißen.
Kevin: Also, ein richtiger Skinhead ist politisch total negativ
eingestellt, politlos.
Josef: Apolitisch?
Kevin: Für mich ja. Jeder kann da anders denken und sagen,
aber für mich ist es auf jeden Fall so.
Weil anders geht es ja gar nicht.
...
Kevin: Das kam aus England für uns auch ganz anders. Ich
-4 5 -
bin Skinhead geworden, weil ich dachte, das sind irgendwie ein
bißchen geordnete Verhältnisse, ein bißchen härter, ja? Ein
bißchen mehr Power, ein bißchen ordentlicher gekleidet. Ich bin
in einem Dorf aufgewachsen, Stephan ja auch die halbe Zeit,
und ich weiß genau, wie das ist. Da wird man jahrelang
angepöbelt, nur weil man grüne Haare hat als Punk.
Das geht einfach nicht ab. Du wirst auch älter, das hat man
doch irgendwann leid, Mann. Ich will doch ein bißchen
normaler werden. Und da war Skin halt für mein Denken die
beste Ausflucht...
...und nichts mit Politik, von wegen: "Heil Hitler", das
überhaupt nicht, was soll das denn? So´n Quatsch. Ich mein´
wenn man damals leben würde...ist doch Scheiße.
Stephan: Es fing ja auch so mehr an, Leute zu provozie ren.
Kevin: Ich meine, in der Hitlerjugend hier, ich würd´ mir
doch die Kugel geben, was soll das denn?
...
Stephan: So wie wir leben, so singen wir unsere Texte.
Kevin: So ist das! Leckt mich doch am Arsch! Und wer da
mitmachen will, der macht da mit, und wer da nicht, der soll
sich verpissen.
Stephan: Wir laufen genauso rum, wie wir auf die Bühne
gehen, wir brauchen uns nicht zu verkleiden.
Kevin: Ich lasse mir doch von keinem Arsch sagen: Weil ich
Skinhead bin, muß ich jetzt singen "Sieg Heil" und "Gewalt".
Auszug-Ende
Das reguläre vierte Onkelzalbum, sollte "Die Böhsen Onkelz
geben sich die Ehre" heißen. Diesen Namen verwarfen sie
wieder und nannten die Scheibe schließlich "Onkelz wie wir".
Obwohl der Vertrag mit Nowotny erst im Dezember ´87
anlaufen sollte, kümmerte er sich eifrig um die Produktion
dieses Albums und machte auch prompt die ersten Fehler. Die
-4 6 -
gesamte Gestaltung der Platte unternahm er im Alleingang. Die
Ö-Striche im Wort Böhse auf dem Cover waren schlecht plaziert
und das Rose -Tattoo- inspirierte Foto war nicht abgesprochen
gewesen. Alles in Allem war die Platte dennoch ein Schritt nach
vorne. Auch wenn manch alter Fan jetzt die "Dreckigkeit" in der
Abmischung vermißte und "Onkelz wie wir" als zu "glatt"
bezeichnete, tat der Wechsel ihnen gut. Die Lieder waren
eindeutig rockiger. Inhaltlich blieben die Songs dem Alkohol
und der Gewalt treu.
.....
-4 7 -
Kapitel 12
1988 Kneipenterroristen
Feuchte träume in der nacht mir ist furchtbar heiß mein laken
ist ein wäscheknäul ich bade mich in schweiß die dame in der
schattenwelt kenne ich sehr gut sie hat sich schon oft vorgestellt
so wie sie´s immer tut lack und leder, lack und leder lack und
leder, lack und leder ein heißer hauch aus ihrem mund weht
singend mir ins ohr ihr nackter körper windet sich am boden zu
dem chor lack und leder, lack und leder lack und leder, lack und
leder
("Lack und Leder", © Böhse Onkelz,
"Kneipenterroristen" LP,
Metal Enterprise 1988, Text von Pe Schorowsky)
Die Band war der wichtigste Inhalt im Leben der Musiker.
Hier fanden sie den Zusammenhalt und den Antrieb, den sie
sonst wahrscheinlich nach dem Ausstieg aus der Skinheadszene
verloren hätten. "Böhse Onkelz" war etwas, was ihnen
Verantwortung brachte, die jeder der Vier gewillt war zu tragen.
Eine Existenz außerhalb der la ngweiligen Norm, unabhängig
von Regeln, Uniformierungen und Routinen. Ihre Rebellion
hatte sich auf einen Kern von vier Personen verdichtet.
Reduziert auf das Wesentliche. Stephan hatte fast alle Texte
geschrieben und zum größten Teil die Musik komponiert.
Außerdem kassierte er Onkelzgeld und investierte es in
Merchandising-Produkte der Band. T-Shirts, Poster und
Autogrammkarten, die per Nachnahme an die Fans verschickt
wurden. Solche Arbeiten erledigte Stephan nebenbei, neben
seinem regulären Job als Fahrer für Büromaterial und neben
seiner kreativen Arbeit für die Band. Obwohl jeder einzelne
Onkel seinen festen Platz hatte und als absolut unersetzbar galt,
war Stephan der Anfang und das Ende. Die Böhsen Onkelz
-4 8 -
stiegen und fielen mit ihm und seinem Engagement. Stephan
liebte diese Verantwortung. Er war auch derjenige, der alles
abcheckte. Er hatte die Verbindungen zu Egoldt, zu Lotzi und
schließlich
zu
Nowotny
geknüpft.
Er
hatte
die
Vertragsverhandlungen mit Lotzi und Nowotny geführt und die
Bedingungen gestellt. Auf einen einfachen Künstlervertrag über
drei Studioalben hatte man sich schließlich geeinigt. Die Rechte
an den Songs würden, wie üblich, bis auf Lebzeiten bei der
Plattenfirma, in diesem Falle, bei Metal Enterprises bleiben.
Dieser Vertrag war am 24.12.´87 unterzeichnet worden.
Stephan Weidner, der große Priester des Profanen. Er wuchs
mit der Band.
Das war eine Entwicklung, die die Fans mitmachen konnten.
Vorausgesetzt, sie verfügten über ein Mindestmaß an ähnlichen
Erfahrungen oder besaßen die gleichen milieuspezifischen
Prägungen. Die Texte waren meistens in der ersten Person
Singular geschrieben und beliebig interpretierbar, so daß jeder,
der die Songs hörte, sich unweigerlich seinen eigenen Reim
darauf machte, oder die Inhalte mit persönlichen Erfahrungen
verknüpfte. Wie alle anderen Alben der Böhsen Onkelz, setzte
sich auch das 88er Album "Kneipenterroristen" aus Erlebtem
und Erfahrenem zusammen.
Die 28 war der Ort, an dem die Böhsen Onkelz am lautesten
lachten. Lauter noch als im Hösbacher Friedhofstraßenkeller
oder im JUZ Bockenheim. Ihre Verbundenheit und ihre
verschworene Gemeinschaft, die für Außenstehende kaum zu
begreifen war, ging soweit, daß sich Trimmi und Stephan die
Zahl 28, wie einen geheimen Code, auf die Innenseite ihrer
Unterlippen tätowierten.
Ironischerweise war die 28 aber auch der traurigste Ort, den
sie jemals aufgesucht hatten. Der Ort, wo sie den Rausch
suchten, nur um größtes Leid zu erfahren. Nicht nur Kevin und
Stephan, auch Gonzo und Pe hingen mit drin.
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Stephan und Gonzo komponierten eine instrumentale Vision,
ein musikalisches Foto der klassischen 28-Situation, das genau
die erlebte Stimmung wiedergeben sollte. Worte waren in
diesem Fall nicht wichtig, dieses Gefühl war nur in ihren
Köpfen und niemand, der nicht in der 28 dabei gewesen war,
würde es jemals verstehen. Weberstraße 28, die Kapelle der
Gefahren. "28" das Lied, eine bittere Pille. Gonzos
hoffnungsvolle, aber schwermütige Gibson SG klagte die
Tonleitern rauf und runter, während Mysto-Schwaden und
astrales Geschnatter den Raum zwischen den Noten mit
Paranoia anfüllten und nur langsam, ganz langsam, dort wo das
peitschende Schlagzeug und der böse Bass einsetzten wurde es
klar, daß die 28 der Einstieg in die Hölle war, die glitschige
Treppe in den Keller.
"Guten Tag, erkennt ihr mich? Wißt ihr nicht, wer ich bin?
Seht ihr den Hass in meinem Gesicht, ich nehm´ dem Leben
jeden Sinn.
Ich zeige Dir eine andere Welt, komm reich mir Deine Hand.
Ich bin das Böse, tief drin in Dir, ich nehm Dir den Verstand.
Ich bin das Schlechte, das in Dir steckt, ich bin die Angst und
Deine Qual Ich bin der, der in Dir Dinge weckt, von denen Du
nichts ahnst..."
"Manchmal spürt man nicht, wie die Angst mit einem spielt
Und Du fürchtest Dich vor Dingen, die es gar nicht gibt
Paranoid, nennen sie Dich, Dich ziehts zum Wahnsinn wie die
Fliegen in das Licht.
Tanz für mich den Tanz der Teufel, tanz ihn noch ein letztes
Mal Du möchtest schreien, doch Du bleibst stumm spürst Du
den Wahnsinn und die Angst um Dich herum Reich mir die
Hand, schenk mir Dein Herz nur diesen Tanz und ich nehme Dir
den Schmerz..."
Dort wo Kevin in den Alptraum abglitt, dort wo er das
Scheitern und den Schmerz suchte, dort stand Stephan im
-5 0 -
Gegenwind und schwang seinen Bass gegen die Fluten eines
blutigen Horrortrips. Auf Stephan Weidner war Verlaß.
Wenn es um Freunde oder Familie ging, war er die Loyalität
in Person, mit einem Rückgrat aus Stahl. Er würde niemals
weichen, niemals, komme was wolle. Wenn sie "drauf" waren,
führten Kevin und Stephan ihre Freunde gerne bis an die Pforte
einer dunkleren Welt und dort wo Kevin sich weit hinauslehnte
und darauf hoffte, daß ihn endlich jemand über die Schwelle
schubste, dort sprach Stephan unbeschwert von Hoffnung, dort
wuchsen ihm Hörner des Trotzes und dort lachte er als wäre er
auf einem Kindergeburtstag.
"Das nennst Du Hölle? Hier, Alder, ich zeig Dir gleich mal
was Hölle ist!!"
Die 28, das Lied und der Rausch.
Von den Mysto-Schwaden geführt, blindlings durch den
Keller stolpernd, strebten sie am Ende des Stückes einem
strahlenden Furioso entgegen.
Gonzo und sein klagendes Thema überschlugen sich in
rasendem Aufstieg und in taumelnder Euphorie, so wie ein
Rabe, der fliegend dem Waldbrand entkam. Mit dem Stück "28"
wurde der Ort zu einem Bild, einem kurzen Moment, der Zeit
ließ für die erschrockene Betrachtung...
...und immer wieder Weidner/Röhr/Schorowsky.
-5 1 -
Kapitel 13
1989 Nightmare on Weberstaße
Sonniger tag, wonniger tag klopfendes herz und der motor ein
schlag lachendes ziel, lachender start und eine herrliche fahrt
rom und madrid nahmen wir mit so ging das leben im taumel zu
viert über das meer über das land hatten wir eines erkannt ein
freund, ein guter freund ist das beste was es gibt ein freund
bleibt immer freund und wenn die ganze welt zusammenbricht
drum sei doch nicht betrübt auch wenn dein schatz dich nicht
mehr liebt ein freund, ein guter freund das ist das schönste was
es gibt
("Ein guter Freund", © Böhse Onkelz,
"Lügenmarsch" Picturedisc LP,
Metal Enterprise, 1989, © UFA)
Der erste offizielle Fernsehauftritt der Böhsen Onkelz nach
dem AlabamaDebakel 1985 fand im November ´88 statt. Das
"Hard & Heavy Magazin" des Münchener Tele 5 Senders lud
die Band zu einer kurzen Talkrunde in ihr Studio ein. Alle vier
waren hingefahren und bezogen ihre Positionen auf
bereitgestellten Barhockern. Eine unprofessionelle Moderatorin
stellte Fragen über Tattoos, über den Namensursprung der Band
und über Auftrittsverbote.
Im Gegensatz zu den vorangegangenen Interviews wurde jetzt
nicht mehr auf der Skinheadphase herumgeritten, sondern über
zukünftige Auftrittsmöglichkeiten gesprochen und darüber, daß
sich die "Kneipenterroristen" in drei Monaten, ohne
Medienpräsenz und Videoschnickschnack, 20.000 mal verkauft
hatte. Geschichten aus dem Leben, das seien ihre Lieder, sagte
Kevin, und Pe, der permanent auf seinem Hocker, oder seinen
Schenkeln trommelte, wies ein weiteres Mal daraufhin, daß man
solche Texte, wie sie von ihnen vorgetragen wurden, auch in
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jeder x-beliebigen Tageszeitung finden konnte. Ein kurzer
unspektakulärer Auftritt, an dessen Ende ein paar T-Shirts
verlost wurden, an jene, die die Quizfrage nach dem Titel der
"verbotenen Platte" richtig beantworten konnten. Zum Abschluß
wurde ein Video gezeigt, was die Produktionscrew von Tele 5
auf dem Dach eines Münchener Hochhauses gefilmt hatte. Die
Redaktion bestand auf Freddy Krüger, also spielten sie Freddy
Krüger.
Wenn träume euch zum wahnsinn treiben wenn eure seelen
tausend qualen leiden wenn ihr eure schlimmsten träume lebt
dann ist es freddy´s reich vor dem ihr steht freddy krüger ist ein
freund von mir in deinen träumen kommen wir zu dir freddy
krüger ist ein freund von mir in deinen träumen kommen wir zu
dir dein leben hängt an seidenen fäden und freddy krüger spielt
mit dir diese nacht kannst du nur einmal leben dann bleibst du
für immer hier Falls es Eltern gegeben haben sollte, die sich
über diese Texte aufregten, dann hätten sie sich bei ihren
zwölfjährigen Kindern erkundigen können, denn immerhin war
der teuflische Freddy Krüger in den endlosen "Nightmare on
Elmstreet 1-6" Videos zum Liebling der Jugend hochstilisiert
worden. Auch wenn es viele Eltern nicht wahrhaben wollten,
aber das amerikanische Kino hatte schon lange die Erziehung
übernommen und die geschickte Konditionierung der Gewalt
gab es bereits, bevor die Onkelz geboren wurden.
In den Freddy Krüger Videos wurde auf Teufel komm raus
geschockt, geköpft, amputiert und geschlitzt. So krass konnte
"Der nette Mann" niemals gewesen sein.
Ein Gig in Limburg, den Stephan in diesem Fernsehbeitrag
noch optimistisch ankündigte, fiel aus altbekannten Gründen ins
Wasser. Aber dann...endlich...Wiesbaden, April ´89. Drei Jahre
und zwei Monate lang hatten sie kein Konzert mehr gegeben.
Seit ihrem letzten Auftritt in der Rüsselsheimer Kirche, im
Frühjahr ´86, war die Band auf keiner Bühne mehr zu sehen
gewesen. Von dem verkorksten Zehnminutendeal während der
-5 3 -
Sexauer-Show einmal abgesehen. Eine wichtige Tatsache, die
bei späteren Diskussionen niemals Erwähnung fand. Die
Enttäuschung über das erbärmliche Abrutschen der
Skinbewegung in den Strudel von Politik und Mitläufertum war
groß gewesen und der Abnabelungsprozeß hatte seine Zeit
gebraucht. In der Presse wurden die Böhsen Onkelz und ihr
Austritt aus der Glatzenszene nicht etwa nur totgeschwiegen,
sondern man mußte davon ausgehen, daß die Presse, mit
Ausnahme einiger Fachmagazine, überhaupt nichts von den
Onkelz wußte. Obwohl man meinen konnte, daß es interessant
gewesen wäre, zu erfahren, wie es einer Skinheadband ergangen
war, die auf dem Höhepunkt ihres Erfolges die Szene verlassen
hatte, wurde über dieses erste Konzert nach der Neuorientierung
nirgendwo berichtet. Interviews, wie die von Klüsener oder
Eberwein und Drexler, waren selten. Nach dem Tele 5 Auftritt
gab es lange keine redaktionellen Beiträge mehr, die die Böhsen
Onkelz ermutigten oder bestätigten, in dem was sie taten. Die
vorherrschende Meinung über die Band, wenn es eine gab, war
die, daß es sich um die Kultband der Skinheads handelte, daß
Skinheads per se rechtsradikal waren, und daß sich die Böhsen
Onkelz in Wirklichkeit nur verstellten, sich aus finanziellen
Interessen von der Skinheadszene abgewandt hatten und jetzt
halbherzig und unglaubwürdig gegen ihr Image ankämpften.
.....
-5 4 -
Kapitel 14
1990 "Auf dem Rücken der Klapperschlange"
Du sagst ich nehm´ dir deine sorgen den schmerz, die
einsamkeit deine ängste vor dem morgen mach dich für mich
bereit willst du was erleben, was noch nicht geschehen ist suchst
du jemanden zum reden der gar nicht bei dir ist hast du
sehnsucht nach der nadel nach ´ner kleinen injektion kannst du
es kaum erwarten ich bin deine religion du rufst nach mir, ich
bin bereit erst der rausch, dann tiefes leid du stehst vor deinem
eigenen grab sieh´hinein, bald kommt der tag
("Sehnsucht nach der Nadel",
© Böhse Onkelz, "Es ist soweit" LP,
Metal Enterprise, 1990)
Wie einzigartig und wundervoll war die Baja California! Ein
steiniger Garten, in dem es ein bißchen so aussah wie auf Nexus
7. Die Baja, das war der trockene Zipfel, der von Südkalifornien
herunterhing und durch die Sea of Cortez vom mexikanischen
Festland getrennt wurde. Zum größten Teil bestand die Baja aus
Bergen, Wüsten und flimmernder Hitze unter einem
gnadenlosen Himmel. Hier und dort standen verlassene
Wohnwagen und lagen Autowracks, zum Gedenken an
fehlgeschlagene Versuche. Fliegendes Gestrüpp und Straßen
voller Schlaglöcher. Eine grelle Phantomsonne tanzte über den
Köpfen der Menschen und ließ sie mitunter irre werden.
Kalifornien-Mexico, war die krasseste Grenze der Welt, seit der
Mauer, das fiel Stephan sofort auf.
Von Imperial Beach auf der einen Seite, wo die Reichen und
Oberreichen in komfortablen Strandvillen wohnten, rüber nach
Tijuana, wo junge Mexikanerinnen ihre Kinder im Dreck
ernährten. Gilamonster, Lucky-LukeKakteen und verweste
Rinder. Die Baja war Stephans Mexikoflash schlecht hin.
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Ein brauner, verrosteter Toyota, ohne Reifen. Kompletter
Irrsinn, gottverlassen und windgepeischt. Tequilla y motta y un
poco esperanza para los niños, intiendes?
Stephan und Pia ergatterten mit viel Glück und Geld, für das
Frühjahr 1990 eine Kabine auf einem amerikanischen
Walforschungsschiff, das für drei Wochen durch die Sea of
Cortez fahren wollte, um Grauwale zu studieren.
Stephan fuhr ab auf Mexico. Nach diesem Trip war er nicht
mehr wiederzuerkennen. Wale und Delphine, die sie während
ihrer Reise aus nächster Nähe hatten beobachten und anfassen
können, die Atmosphäre dieser ruhigen Lagune und die spröde
ausgeflippte Schönheit der Baja California hatten Pia und ihn
nachhaltig beeindruckt. Noch auf dem Schiff entschloß sich
Stephan dazu, Vegetarier zu werden. Kein Tier sollte jemals
wieder für ihn geschlachtet werden, vielleicht ein paar Fische,
aber keine Thunfische. Wer Stephan kannte und wußte, wie
gerne und wie oft er ins "Buffalo" auf der Alten Rothofstraße
lief, um ein Filetsteak zu essen, der wußte, wie schwer ihm
dieser Entschluß gefallen sein mußte. Was er ansagte, das zog er
meistens auch durch. Stephan aß nach seinem Mexicotrip nie
wieder ein Stück Fleisch. Als er wieder in Frankfurt war, sprach
er von nichts anderem, als von Mexico. Die Baja, sagte er, wäre
ein Platz, wo er sich zur Ruhe setzen wollte. In einer zerfallenen
Holzhütte am Strand wollte er wohnen. An einem Ort, der so
weit weg von Frankfurt war, daß ihn nichts und niemand mehr
erreichen könnte. Dort vor seiner schäbigen Bude, an seinem
"Playa Sombrero", wollte er auf einem Schaukelstuhl sitzen und
Gitarre spielen. Fast so wie im Film, nur war das eine dieser
richtigen Weidner-Visionen und kein billiger Streifen aus dem
Fernsehen. Eine "Corona- Leitung" müßte allerdings gelegt
werden und einen großen Hut und eine Hängematte brauchte er
auch, sonst nichts. Für´s erste könnte er sich aber auch
vorstellen eine kleine mexikanische Kneipe in Frankfurt zu
eröffnen, sagte er. Ein Laden sollte das sein, wo er nur die
-5 6 -
schlechteste Mariachi-Musik laufen lassen wollte. Wo seine
untersetzten, mexikanischen Kellner, die er eigens zu diesem
Zwecke anstellen würde, immer viel laufen müßten, damit sie ja
viel schwitzten. In dreckigen Unterhemden natürlich, und mit
Zigarrenstummeln in ihren unrasierten Gesichtern und mit
einem versifften Handtuch über dem Arm, mit dem sie sich
abwechselnd den Schweiß von der Stirn wischten und dann
damit die Gläser abtrockneten. Genau so authentisch und real,
wie in einer echten, asozialen, mexikanischen Soda in San
Miguel oder Santa Rosalia. Staubig und schmutzig sollte der
Laden sein, mit Plastiktischdecken, Plastikbesteck und einem
Plastikjesus an der Wand. Gleich neben einem "Dos XX Poster",
auf dem sich eine scharfe Mexikanerin in weißen
Cowboystiefeln eine gefrorene Dose Bier vor die Brüste hielt.
Frijoles molidos und Nachos con salsa, mehr gäbe es dort nicht
zu essen. Allenfalls noch gebratenes Huhn. Weil es in
Deutschland aber fast immer kalt war, müßte man natürlich
heizen in dem Laden. Am besten auf 35 bis 38 °. Trimmi schlug
vor, Schuhkartons, voll mit importierten Fliegen und Mücken,
über den Gästen auszuschütten und ihnen Fliegenklatschen auf
die Tische zu legen. Mexikaner waren eigentlich genau wie
Hessen, fanden sie. Ebenso schlecht gelaunt, ebenso bizarr.
Stephan liebte es, solche Geschichten zu erzählen, je grotesker,
desto besser. Trimmi, Pe oder Kevin wußten immer etwas
Doofes darauf zu antworten. Sie waren Profis im
"Herbeilabern", das hatte schon damals in Hösbach angefangen.
Immer mußten sie sich in ihren psychotischen Stories
übertrumpfen. Immer mußte jemand noch einen draufsetzen und
wenn sich Trimmi mit seiner lispelnden Stimme erst einmal
ereiferte, war alles zu spät, dann lachten sie Tränen.
Genauso laberten sie den Tod herbei. Das viele "Rauschen" in
der 28, der Horror und die Pornos, all das Koks und die HSchnupperei, das konnte nicht ungestraft bleiben. Anfangs war
der Tod ein flüchtiger Besucher, der sich selten sehen ließ. Er
-5 7 -
nahm hier und dort eine Person aus dem Spiel und lauerte
ansonsten geduldig auf eine Möglichkeit zum Zugriff. Als sie
die Lieder für ihr neues Album komponierten, hatten sie heftig
an seiner Sphäre gesogen und ab 1990 strich er durch die
Weberstraße wie ein Triebtäter, der darauf wartete, daß Kevin
nach Hause kam. Dann schlüpfte er mit ihm in die 28 und setzte
sich ungesehen auf eine der Sofalehnen. Sense, Kapuze und
alles.
.....
-5 8 -
Kapitel 15
1991 "Noch lange nicht genug"
Endlich wieder neue noten neue schweinerein fiese lieder,
harte worte so soll es sein ich seh´ euch schon im dreieck
springen eure eltern hör´ ich schrei´n lieber gott, steh´ uns bei
das muß die neue onkelz sein wir ham´ noch lange nicht noch
lange nicht genug auf in ein neues jahr wir ham´ noch lange
nicht genug wo genie und wahnsinn sich verbinden wo worte
nicht nach lüge stinken gibt es noch ´nen andern weg der steinig
ist, aber den es lohnt zu geh´n
("wir ham´ noch lange nicht genug", © Böhse Onkelz,
"Wir ham´ noch lange nicht genug" LP,
Bellaphon Records, 1991)
´89 - ´91, drei Jahre und sieben Gigs. Vor der Bühne der
Böhsen Onkelz flogen regelmäßig die Fetzen. Das war schon
immer so gewesen und das sollte auch so bleiben. Diese brutal
aussehenden Schubsereien, waren in Wirklichkeit nichts anderes
als ein simples Ritual. Besessenes Abreagieren und freies
Aussichherausgehen. Tanz und Aggression, Gesänge und
tatsächliche Anbetung in der ersten Reihe. Zu wirklichen
Verletzungen kam es während dieser Pogokämpfe nur selten
und meistens unbeabsichtigt. Wenn jemand stürzte, gehörte es
seit jeher dazu, ihm wieder aufzuhelfen. ´89 - ´91 war eine Zeit,
in der die Onkelz häufiger Ansagen von der Bühne herab
machen mußten. Immer wieder tauchten Glatzen auf, von denen
einige meinten, durch das Vortragen von rechten Parolen, auf
sich aufmerksam machen zu müssen.
Seit dem historischen Mauerfall im November ´89 traten in
Deutschland die Skandale, Affären, Vertuschungen und die
Korruption noch offener zu Tage.
Große Verunsicherung und Frustration hatte sich in
-5 9 -
Ostdeutschland breitgemacht. Die Jugend war ohne Halt. Da
hatte es zunächst ein autoritäres Regime gegeben, das keinen
Ausbruch duldete, aber plötzlich war diese Autorität
verschwunden. Honnecker und Mielke waren zu geistigen und
körperlichen Wracks geworden und das, was vorher noch als
unantastbar und unstürzbar gegolten hatte, entpuppte sich als
billiges Kartenhaus. Aus Eltern wurden auf einmal
Kollaborateure und Denunzianten. Lehrer und Nachbarn wurden
als Spitzel enttarnt. Die Skinheadszene West/Ost war
inzwischen zu großen Teilen nach rechts abgewandert, in den
Bereich der letztmöglichen Ausgrenzung. Red- oder Sharpskins
mit linkspolitischer Prägung fielen kaum ins Gewicht und
fanden in den Artikeln der Presse ohnehin keine Erwähnung.
Es war nicht die Politik, die hier eine primäre Rolle spielte,
sondern die Gewaltakzeptanz, die im Alltag entstand und
anschließend von den Gewaltausübenden politisch zu
legitimieren versucht wurde. Während die Gesellschaft
unterschwellig zum Gebrauch von Ellenbogen gegenüber
Schwächeren riet, war sie gleichzeitig schockiert über die
Zunahme dieser Gewalt. Während sie auf der einen Seite damit
beschäftigt war, eine konsumgeile und denkfaule Jugend
heranzuzüchten, in jeder nur erdenklichen Art abhängig von
zensierten Medien, überschüttete sie auf der anderen Seite diese
Jugendlichen mit Gewalt, Trendterror, Meinungsdiktat und
Brutalität, lehnte die Übernahme der Verantwortung für diese
Zustände
jedoch kategorisch
ab.
Schon
in
den
Zeichentricksendungen für Fünfjährige wurden Konflikte mit
Gewalt gelöst.
Im Osten, wie im Westen, schlossen sich Brüderhorden von
Versagern zusammen, die eine flammende Ablehnung für die
empfanden, die noch erfolgloser waren als sie selber. Ohne
Aussicht auf eine Veränderung ihrer Situation, waren sie voll
und ganz auf den Staat als mütterliches ernährendes Wesen
angewiesen. Der Hass gegen Ausländer reduzierte sich immer
-6 0 -
wieder auf das Gefühl der Wut gegenüber unliebsamer
Konkurrenz. Es tat gut zu wissen, daß es Menschen gab, die
noch unter einem standen. Dazu kamen Erfahrungen des
Alleingelassenseins, die die komplette Lebensspanne von der
Kindheit bis zur Jugend prägten. Rockmusik war vielerorten das
einzige gemeinsame Kommunikationsmittel, um in der
ausweglosen Lage die
Aggresionen gemeinsam zu
transportieren und zu verschwenden. Keine Gnade für unfähige
Eltern, unfähige Lehrer, unfähige Politiker und Lehrmeister,
keine Gnade für alles das, was fremd war.
Daß, wer keine Gnade zeigte, auch keine Gnade von seinem
Schicksal erwarten durfte, war den meisten 15-20-jährigen nicht
klar. Und daß viele der gewalttätigen Übergriffe gegen
Ausländer von Jugendlichen angezettelt wurden, die in ihrer
Freizeit unter anderem Onkelzmusik hörten, dürfte bei einer
deutschen Hard-Rock-Formation, die 60 - 100.000 Einheiten
verkaufte, nicht überraschen. Gaben sich diese Leute jedoch auf
Konzerten zu erkennen, dann war die Band in jedem Falle dazu
aufgerufen, klipp und klar Stellung zu beziehen. Ein wichtiger
Punkt im Zuge der Beurteilung an der Mitschuld der Onkelz an
ausländerfeindlichen Übergriffen, war daher die gewissenhafte
Überprüfung ihres Verhaltens auf der Bühne, ihrer Auftritte,
deren Anzahl und deren Besucher. Nur 3 Gigs hatten sie als
Skinheadband von ´83 - ´85 gegeben. Einen davon vor einer
größeren Crowd von 6-700 Leuten in der Nähe von Lübeck im
August ´85. Dazu kam der Gig im Berliner "Loft", anläßlich der
Dreharbeiten zu "Zagarbata" und ein Auftritt in London-Hample
Hampsteed vor einem gemischten englischen Publikum. Von
Anfang ´86 in Rüsselsheim, bis Anfang ´89 in Wiesbaden, hatte
es keine Konzerte der Band gegeben. Von ´89 bis zum Januar
´91 waren es sieben Gigs in vier Städten. Drei Doppelgigs in
Erlensee, Wiesbaden und Offenbach und ein Auftritt in
ReichelsheimWeckesheim. Auf dreien dieser Konzerte, die im
Schnitt vor einer Zuschauermenge von 500 Leuten stattfanden,
-6 1 -
tauchten Skinheads auf, deren Anzahl sich auf je 30-40
Personen belief, und die sich durch das Rufen von
ausländerfeindlichen Parolen und durch Hitlergrüße unbeliebt
machten.
Jedesmal hatte es großen Protest der übrigen Fans gegeben.
Alle drei Konzerte verliefen nach einer entsprechenden Ansage
der Band friedlich und ohne Gewalt. Ausschreitungen gab es
keine, wohl aber kleinere Handgemenge zwischen Autonomen
und Onkelzfans. Die Polizei, die während jeder Show in großer
Zahl anwesend war, sich jedoch als Eingreifreserve in einiger
Entfernung zu den Hallen aufhielt, hatte bisher niemals
einschreiten müssen.
Die restlichen Fans waren dem Heavy-Metal-Spektrum
zuzuordnen. Lange Haare, Lederjacken, Stiefel. Niemals wieder,
seit Lübeck ´85, wurden Böhse Onkelz Konzerte von
Scheitelträgern oder Parteiangehörigen aus dem rechten Lager
aufgesucht. Bereits seit den ersten Konzerten 1989 war die
Security von der Band angewiesen worden, solche Leute schon
am Eingang abzuweisen.
Vorausgesetzt man konnte sie erkennen. Anfragen von
rechten Parteien, nach einem Auftritt der Band während einer
Parteiversammlung oder einer Kundgebung, per Telefon oder
per Brief, waren jedesmal unter lautem Gelächter abgesagt
worden.
Die Vertragsunterzeichnung bei Bellaphon blieb von den
Medien zunächst unbeachtet. Die Bildzeitung Frankfurt brachte
einen kurzen Artikel in dem Stil: "Super Jungs, weiter so",
ansonsten gab es nur Schmähkritiken in geringer Anzahl. Einige
Heavy-Metal-Fanzines hatten eine Annäherung an die Band
gewagt und sich anschließend positiv über sie geäußert, aber im
Grunde kümmerte sich kein Mensch um die Böhsen Onkelz und
deren Produkte.
-6 2 -
Kapitel 16
1992 "El señor es mi pastor, nada me faltara"
Hörst du diese lieder böhse onkelz immer wieder sie sind ein
teil von meinem leben sie sind ein teil von mir sie sind für dich,
ich schenk´ sie dir mehr kann und will ich dir nicht geben weißt
du wirklich wer ich bin wie ich denke, wie ich fühle liebst du
mich, weil ich es bin oder weil ich dich belüge ich bin in dir
wohin du gehst doch siehst du auch, das was ich seh´ ich seh´
mich an und frag´ mich ich seh´ mich an und frag´ mich warum
warum bin ich wie ich bin warum lach´ ich, wenn ich traurig bin
kann ich sehen oder bin ich blind ich such´ die antwort auf
meine fragen die gedanken malen bilder doch ich finde keinen
rahmen der wind spricht zu mir, er wünscht mir glück er flüstert
meinen namen ich bin in dir, wohin du gehst doch siehst du
auch, das was ich seh´ ich warte auf ein zeichen ich warte auf
ein zeichen von dir ich will die antwort auf meine fragen
("Ich bin in Dir", © Böhse Onkelz,
"Heilige Lieder" LP,
Bellaphon Records,1992)
Als die Böhsen Onkelz im Juni ´92 nach Hennef bei Bonn
reisten, um mit Helmut Rüssmann die Songs für ihr achtes
Studioalbum einzuspielen, wußte niemand außerhalb der Band,
wie schlimm es wirklich um ihren Sänger stand.
Kevins Eskapaden und Exzesse waren nicht mehr zu
überbieten gewesen.
Ständig hatten ihm Tod oder Kollaps gedroht. Allmächtiger,
was hatte dieser Mensch einen Bock auf seinen Tod gehabt.
Wäre er nur nicht so ein Lappen gewesen, dann hätte er sich
bestimmt einen sauberen Luftröhrenschnitt oder einen präzisen
Kopfschuß beigebracht. Es war klar, er hatte die Arschkarte
gezogen. Bis zu diesem Tage war sein Leben ein einziger
-6 3 -
finsterer Novembernachmittag gewesen. Ein kurzer Lichtblick
gegen 3:00, ein klarer Moment gegen 3:30, der Rest war Sturm
und Regen. Edgar-Wallace-Wetter, wann immer er die Augen
öffnete. Alles, was sich noch in ihm geregt hatte, hatte er
erschlagen, alle seine Lampen hatte er ausgetreten. Als Sänger
der Onkelz trug er für gewöhnlich den Mantel des Härtesten und
er trug ihn gerne, aber das war seit Trimmis Tod vorbei. Er war
am Boden zerstört, im Keller. Auf dem Weg ins schlimmste,
asozialste Elend, in das ein Mensch nur abrutschen konnte. Seit
zwei Jahren war Kevin Fixer und schwerer Alkoholiker.
Windmühlenkriege und weiße Mäuse. Die Schwärze hatte ihn
beim Wickel. Die Aura des Härtesten war von ihm gewichen
und darunter kam die Nacktheit des Traurigsten zum Vorschein.
Auf´s härteste tätowierte und bebartete Gestalt.
Der Herr der Augenringe. Wann immer im Zusammenhang
mit den Böhsen Onkelz von der Hölle die Rede gewesen war,
dann war es Kevin gewesen, der am weitesten in diese Hölle
vorgedrungen war. So weit, daß er nicht ohne fremde Hilfe und
nicht ohne schwere Verstümmelungen an Leib und Seele
zurückkehren konnte. "Golden Sword" war schnell zur Kloake
verkommen.
Kevin war aus der 28 ausgezogen und hauste nun im
Hinterzimmer seiner Tattoobude. Tagsüber war Auge da und
versuchte die Geschäfte so gut wie möglich zu regeln. Das war
nicht einfach, weil Kevin keine Termine einhielt. Er ließ Leute
stehen, oder er war nicht aufzufinden. Andere Kunden brüllte er
an und warf sie aus dem Laden, oder er ließ sich von ihnen das
Geld im voraus zahlen, lief damit zum Dealer, setzte sich einen
Schuß und fing dann erst an zu stechen. Zweimal hatte er bereits
versucht zu entziehen. Da hatte er sich mit Kartoffelbrei und
Dosensuppen und einer großen Flasche Valium eingesperrt.
Einmal in der 28 und einmal bei Moni. Als er anfing
durchzudrehen und die Schmerzen unerträglich wurden, gab es
keinen Menschen auf der Welt, der ihn davon hätte abhalten
-6 4 -
können, sich erneut Heroin zu besorgen. Dieser Teufelskreis, in
den Kevin hineingetreten war, ließ ihn nicht mehr los. Er hatte
schon lange die Kontrolle über sein Leben verloren, falls er sie
überhaupt je richtig besessen hatte. Im Sommer ´92 traten die
junkieüblichen Verletzungen auf. "Druff" wie der krasseste
Bahnhofspenner flog er durch die Glastür vom Golden Sword
und schnitt sich den Ellenbogen auf. Genauso druff lief er dann
in die Bullenwache nach nebenan und flatschte seinen triefenden
Arm auf die Theke. Da hingen Fleischstücke heraus, Sehnen
waren duchtrennt und sofort brach im 1. Revier Hektik aus.
"Schafft dieses ramponierte Schwein hier raus"
brüllte ein Kommissar, "und ruft ihm einen Krankenwagen..."
Das war nur der Anfang. Einmal kamen Polizisten von der
Wache herein. Zwei junge Beamte, die sich von Kevin
tätowieren lassen wollten. Pe, der im Laden abhing, mußte sie
abwimmeln und ihnen sagen, daß der Meister unpäßlich war,
während Kevin hinten auf seiner Hundedecke lag und langsam
verreckte.
Kevin zahlte seine Rechnungen nicht mehr und schnell waren
Strom und Wasser abgestellt. Bald wußte er auch nicht mehr,
wieviel Kohle er welchem Dealer schuldete. H-Dealer waren ja
keine harmlosen Männer, schon gar nicht in Frankfurt. Das
waren Leute, die überhaupt keinen Spaß verstanden, bei denen
Knarre und Messer locker saßen. Extrem verspannte Typen.
Irgendwann war die Tür vom Golden Sword aufgebrochen
und irgendwann standen zwei von diesen Dealern auf der Matte.
Kevin konnte gar nicht so schnell gucken, wie sie ihm eine
Metallstange ins Genick schlugen und seinen Laden zerlegten.
Was außerdem niemand wußte...
... der Bassist und Songschreiber der Böhsen Onkelz war kurz
vor dem Überkochen. Stephan war außer sich vor Wut und
Enttäuschung über die Ereignisse der letzten Jahre. Der Tod
Trimmis, das Drama um Kevin, die Liquidierung der Cadillac-6 5 -
Ranch und alles das, was über ihn in der Presse zu lesen war,
hatte ihn an den Rand der Belastbarkeit gebracht. Wie oft hatte
er seine Stirn gegen die Wand geschlagen, damit er in seiner
Raserei niemanden außer sich selbst verletzte? Seine
Telefonnummer
hatte
sich
unter
den Onkelzfans
herumgesprochen und sein Anrufbeantworter hätte auch der
einer Telefonseelsorge sein können. Da gab es reihenweise
Fans, die ihre Nöte und Ängste auf sein Tape schluchzten. Junge
Mädchen, die sich das Leben nehmen wollten, und Mütter, die
um einen Rat baten, der ihnen vielleicht die Kontrolle über ihre
mißratenen Söhne zurückgeben könnte. "...ich dachte, vielleicht
könnten Sie ja einmal mit ihm reden..."
.....
-6 6 -
Kapitel 17
1992 "Bezirksmeisterschaften im
Geschicklichkeitsgrillen"
Ich hör´ euch reden doch niemals fragen ich hör´ euch reden
reden, doch nichts sagen worte, nichts als worte ich hab´ fast
alles schon gehört nichts als leere phrasen die nicht wehtun und
nicht stör´n ihr wollt mir sagen, was ich tun und lassen muß wo
fängt was an und wo ist schluß ich hasse eure lügen eure
doppelte moral und eure sogenannte freiheit ist mir
scheißscheißegal was ist verboten, was legal was ist entartet,
was normal was soll ich hör´n was darf ich seh´n wen darf ich
hassen wohin darf ich geh´n wen darf ich lieben wem stell´ ich
fragen wer darf mein freund sein was darf ich sagen wenn ich
reden will dann tu ich´s ihr bringt mich nicht zum schweigen
wenn ich kämpfen muß dann tu ich´s niemand bringt mich zum
verneigen denn ich hasse eure lügen eure doppelte moral und
eure sogenannte freiheit ist mir scheißscheißegal was ist
verboten, was legal was ist entartet, was normal was soll ich
hör´n was darf ich seh´n wem stell´ ich fragen wohin darf ich
geh´n wen darf ich hassen wen betrügen und wer zensiert die,
die mich belügen
("Scheißegal", © Böhse Onkelz,
"Heilige Lieder" LP,
Bellaphon Records, 1992)
Das, was für die Band wie das Licht am Ende eines Tunnels
aussah, waren die Scheinwerfer eines Personenzuges, der den
Onkelz mit Empörung entgegenkam. Auf ihm saßen
fahnenschwingende
Musikjournalisten,
willenlose
Medienmenschen, Politiker, deren Wiederwahl bevorstand, oder
solche, die zum ersten Mal zu irgendetwas gewählt werden
wollten. Dazu ein Grüppchen etablierter Musiker, denen die
-6 7 -
Gelegenheit günstig schien, sich selbstgerecht in Szene zu
setzen. Hornbläser, Wasserträger und Trittbrettfahrer. Hinten in
der ersten Klasse hatte die Musik- und Veranstaltungsindustrie,
in Zusammenarbeit mit einigen Partydiensten und
Cateringagenturen einen hübsch aufgemachten "Rock gegen
Rechts"-Waggon angemietet und dort schüttelten Vertreter der
Kommunen, Bürgermeister, Kulturdezernenten und Inhaber von
VIP-Ausweisen die Köpfe über den Chartneuzugang. Dort
enterten sie zum zweiten Mal das Buffet und beratschlagten,
was zu tun sei. Der Zug rollte näher und im Winter ´92, als sich
die frohe Kunde der Heiligen Lieder schon längst unter den
Jugendlichen herumgesprochen hatte, kam er in Frankfurt an.
Ein wenig verspätet. Die Freunde der Jagd und Meister der
Hatz. Manche beschwipst und manche auch ein bißchen
angekokst, nur der besseren Kommunikation wegen, so
stolperten sie aus dem Zug. Trotz der Kälte sollte es ein Tag im
Freien werden, mit Gulaschkanone und Klapptischen. In ihrer
saloppen Winterkleidung waren sie angetreten, schön Pfeifchen
schmauchend, im schwarzen Rolli oder mit Jeans und
gefährlichen Bikerboots. Alle hatten sie irre viel mit Rock´n
Roll zu tun. Mit aufgerissenen Augen und einem Halbschweller
in der Hose, berichteten sie, die wenigen, die da waren und auch
die, die nicht da waren, von Ausschreitungen bei früheren
Onkelzkonzerten, von der faschistoiden Vergangenheit der
Bandmitglieder, von den Scharen kreischender Teenies und von
brutalen Glatzendelegationen, die man während der Konzerte
habe sehen und hören können, wie sie den rechten Arm hoben
und "Türken raus" sangen.
Man gefiel sich auch in der Rolle des Aufklärers, des
Warners, des Genauwissenden. Weidner und die Böhsen Onkelz
seien gerade deshalb so gefährlich, weil sie so subversiv und
verschlagen seien, sie seien jetzt in der Mitte, weil rechts jetzt
die Mitte sei, weil sie sich als Märtyrer gefielen und gerade weil
sie so lange Haare hatten und daß man später nicht sage, man sei
-6 8 -
nicht gewarnt worden.
Zum besseren Verständnis: "Jeder hat das Recht, seine
Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu
verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen
ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit der
Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden
gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt". (Artikel 5
Grundgesetz) Die Münsteraner Forschungsgruppe "Journalistik"
war in ihrer repräsentativen Studie "Journalismus in
Deutschland" auf folgende Erkenntnisse gestoßen: "Nach
eigenen Angaben bezogen zwei Drittel der Journalisten ihre
Informationen aus dem "Spiegel". Weiterhin dienten die
"Süddeutsche Zeitung"
und die "Frankfurter Allgemeine", sowie "Stern", "Zeit" und
"Focus" als Inspirationsquelle und jeder fünfte gab an, auch
schon mal in die "Bildzeitung"
zu schauen. Darüber hinaus wurden Fernsehsendungen wie
Tagesschau, Tagesthemen und Heute Journal zu einem großen
Teil genutzt." Der Journalismus bezog sich demnach auf sich
selbst.
Es war etwas passiert, was nach den Berechnungen und
Prognosen der deutschen Musikindustrie niemals hätte passieren
dürfen. Eine Band hatte mit ihrer Musik die Top Ten geknackt,
ohne daß sie von oben "kontrolliert", "gehyped" oder "gepusht"
wurde. Im Gegenteil, trotz massiven Boykotts und beispielloser
Diffamierungskampagne. Da die Journalisten nicht viel über die
Böhsen Onkelz wußten, und sich ihre Recherche zumeist im
Nachfragen bei anderen Kollegen erschöpfte, mußte dieses
Phänomen folgerichtig mit den wenigen Informationen erklärt
werden, die vorlagen. Die wenigsten machten sich überhaupt die
Mühe, bei den Onkelz persönlich nachzuhaken. Seit dem
Charteintritt der "Heiligen Lieder "benutzte die Presse zum
ersten Mal den neuen und sehr einprägsamen Begriff
"Rechtsrock". Mit dem "Rechtsrock"
-6 9 -
schuf man ein Medienphänomen von erlogener Größe und
stellte die 200.000 Käufer der Heiligen Lieder als eine große
radikale Bedrohung dar. Die Verkaufszahlen der wirklich
rechten Bands ließ man dabei unter den Tisch fallen.
Auf der ultra-rechten Seite war man bemüht, diese
Scheinanteile am Bewußtsein der deutschen Jugend zu halten.
Hier sah man zwei Möglichkeiten. Entweder es gelang, die
Öffentlichkeit davon zu überzeugen, daß die Band immer rechts
war und noch rechts ist, das hätte den zusätzlichen Vorteil, daß
man die Namen der "unbekannten" echten Faschogruppen im
Windschatten der Onkelz in die Diskussion mit einbringen
könnte, was ihnen einen Status verschaffen würde, den sie
alleine mit ihrer Musik niemals erreichen würden, oder aber die
Onkelz würden sich weiterhin gegen die Diffamierungen zu
Wehr setzen, dann müßte man sie in noch größerem Maße
diskreditieren/vermarkten und verleumden, um ihnen endlich
das Rückgrat zu brechen.
Auf der konservativen Seite, war man ebenfalls bemüht
Bewußtseinsanteile der Öffentlichkeit zu halten, oder
dazuzugewinnen. Hier wollte man ebenfalls die Böhsen Onkelz
im rechten Meinungsspektrum halten und ebenfalls die 200.000
Käufer als eine Bedrohung darstellen. So könnte man den
Rechtsrock als Aufhänger dazu benutzen, härtere Maßnahmen
der Überwachung einzuleiten und diese mit dem Bedürfnis nach
Sicherheit rechtfertigen.
Desweiteren ließe sich der Begriff "Rechtsrock" im Zuge der
Asyldebatten noch auf die ein oder andere Weise politisch
ausschlachten.
.....
-7 0 -
Kapitel 18
1993 "Hessisch Baja"
Unser leben war nicht keimfrei nicht von engeln bewacht
doch es ist schon ganz schön hart was ihr daraus macht was
glaubt ihr zu wissen was glaubt ihr wer ihr seid ihr habt
jahrelang gelogen die presse stinkt für die blinden und die
tauben noch ein allerletztes mal ihr wollt es immer noch nicht
glauben ihr könnt´s nicht ändern, es ist wahr fahrt zur hölle mit
euren lügen die wirklich niemand braucht wir lassen uns nicht
unterkriegen niemand hält uns auf fahrt zur hölle ihr habt wie
hunde uns gehetzt unsere lieder verboten ich weiß warum, denn
wenn wir treten dann nach oben das ist das leben, das wir
wählten wir woll´n kein anderes haben ihr hört eh´ nur was ihr
hören wollt nicht was wir sagen fahrt zur hölle
("Fahrt zur Hölle", © Böhse Onkelz,
"Weißes Album",
Bellaphon Records, 1993)
Kevin wollte nicht mehr leben. In der Obermainstraße, in
seiner neuen Wohnung, sah es bald schlimmer aus, als im
Golden Sword. Seit einiger Zeit war sein Gesicht wieder einmal
mit frischen Schnittwunden übersät. Links und rechts trug er
zahlreiche Pflaster, unterhalb der Koteletten.
Rasiermesserschnitte, die ihm irgendwelche Dealer zugefügt
hatten. Manche Wunden gingen sicherlich auch auf sein eigenes
Konto. Wer konnte schon genau sagen, wie er sich manchmal
zurichtete, mit Messern oder mit Scherben? Der Winter ´92/´93
war, so wie der Sommer ´90, als Trimmi getötet wurde, eine
Zeit, in der die Anwesenheit des Todes förmlich spürbar war.
Kevin konnte seine Schuhe nicht mehr anziehen. Kein Muskel
tat mehr das, was er sollte. Barfuß, mit offener Hose, vollbärtig
und ein Bein nachziehend schleppte er sich zur Trinkhalle Ost
-7 1 -
und ließ den Jägermeister anschreiben. Die Penner, die dort
tagtäglich abhingen, nahmen sich gegen Kevin, wie
disziplinierte Asketen aus. Jedes Mal, wenn er um die Ecke bog
und um Schnaps bettelte, den sein Freund Stephan irgendwann
bezahlen würde, lachten sie ihn aus und schlugen sich auf die
Schenkel, so froh waren sie, daß es da einen gab, dem es noch
dreckiger ging. Auf Kevin trafen all die Superlative zu, die man
im allgemeinen mit dem Wort "Gosse" assoziierte. Das ging im
Januar ´93, als er halb erfroren und halb tot war, soweit, daß er,
als das H. alle war und er den "Affen" kriegte, den Jägermeister
auf die Kanüle zog und ihn wegballerte. Man mußte es zweimal
sagen, um zu begreifen, wie Russell drauf war. Er zog den
ekelhaften klebrigen Sud von Jägermeistergülle auf die Pumpe
und jagte ihn sich in die Vene, bis sie platzte. Nun man konnte
darüber denken, was man wollte, man konnte es verurteilen,
belächeln oder bewundern, eins wurde immer wieder klar,
Kevin Russell kam krass.
abnormitäten sind das zeichen der zeit ist es nur ein traum
oder ist es wirklichkeit mit dem rücken zur wand überlegt man
nicht der himmel ist für helden die hölle ist für mich Manchmal
schaffte er es, sich anzuziehen und bis zum Sandweg zu
kommen.
Dort brach er dann weinend und um Alkohol flehend auf
Monis Türschwelle zusammen. Im Sandweg floßen die Tränen
ohne Unterlaß. Moni hatte sich bei verschiedenen Ärzten
erkundigt.Sie war in Krankenhäusern gewesen, bei der
Drogenberatung und in mehreren Therapiezentren, oft mit
Stephans Hilfe.
Ohne Geld ging schon mal gar nichts, das hatten sie schnell
herausgefunden.
Eine Bekannte, die als Nachtschwester arbeitete, klaute Pillen
und Medikamente, die die Schmerzen des Entzugs lindern
sollten. Es half nichts.
-7 2 -
Tätowieren konnte Kevin schon lange nicht mehr. Die letzten
Bilder, die er gestochen hatte, waren grauenhaft verwackelt.
Viel Geld hatte er verdient, mit dem "piken", geblieben war ihm
nichts. Immer wenn ein wenig Onkelzkohle reinkam, brach
Kevin alle Entzugsversuche ab und ging "was Braunes" kaufen.
Meistens reichte das Geld gerade um alte Schulden zu
bezahlen und um über die nächsten Wochen zu kommen. Dann
fing das Elend von Neuem an, solange, bis es wieder Geld gab.
Eines Tages wurde Moni von Kevins Junkiefreunden alarmiert.
Sie sollte so schnell wie möglich in die Wohnung in der
Obermainstraße kommen. Kevin saß vor dem Tisch auf dem
Teppich und in seinen Augen war nur noch das Weiß zu sehen.
In ihrer Verzweiflung und Panik rief Moni die Polizei und den
Notarztwagen herbei, um Kevin sofort in Zwangsentzug bringen
zu lassen. Als Kevin zu sich kam, weigerte er sich mit den
Beamten mitzugehen, oder sich von den Sanitätern anfassen zu
lassen.
Weil Moni keine Angehörige war und Kevin freiwillig nicht
mitkommen wollte, hatten die Polizisten, so sagten sie, auch
kein Recht ihn mitzunehmen. Moni hatte den Eindruck, daß sie
sich auf gar keinen Fall an diesem Fixer die Finger schmutzig
machen wollten. So wie das alte Jahr aufgehört hatte, so fing das
neue Jahr an. Probleme von Frankfurt bis zum Horizont.
7 Stellungnahmen im Januar.
"Also, wenn ich das heute hör´ und wenn ich dran denke, daß
das von uns vertont wurde, muß ich ganz ehrlich gesagt kotzen,
ich kann´s mir heute nicht mehr anhören, ich kann´s heute in
keinster Weise mehr nachvollziehen und würde sowas auch
heute in keiner Weise mehr machen. Das ist für mich wie ein
Teil aus einem anderen Leben, praktisch."
Gonzo, Kultur Report, ARD 31.1.93 "Ich habe keine Lust
eine Tournee mit den Böhsen Onkelz durchzuführen, weil ich
nicht der Meinung bin, daß die Böhsen Onkelz sich von ihrer
-7 3 -
Vergangenheit, die äußerst bedenklich ist, seit den früheren
Platten, vor 8/10 Jahren, distanziert haben."
Fritz Rau, Konzertveranstalter, Kultur Report, ARD 31.1.93
"Ich halte Ausgrenzung also immer für falsch. Vor allen Dingen,
dann, wenn man sich nicht richtig damit befaßt hat, mit dem
ganzen Thema. Wenn man, wie soll ich sagen, auf so ein Ding
reinfällt, so daß, jetzt hat man den Watschenmann irgendwo
gefunden, und irgendeiner ist schuld, und dann immer feste
druff. Das ist alles falsch. Spätestens seit dem Wegfall des
ganzen Ostblocks, stimmen die Begriffe, äh, West- Nord- Gradund Himmelsrichtungen nicht mehr. Man muß das ganze jetzt
neu sortieren und dann neu bewerten."
Wolfgang Niedecken, Sänger der Gruppe BAP, Kultur
Report, ARD 31.1.93 "Das Quartett Böhse Onkelz, Frankfurts
erste Adresse in Sachen Rechtsrock...
ihre faschistischen Botschaften ballern die Onkelz ihrer
braunen Jungschar zwischen Flensburg und Passau mit satten
Bassläufen und Punk- Rhytmen ins Mark... Politische Aussagen
sucht man vergebens, dafür gibt´s reichlich völkisches Ejakulat.
Subtil und unterschwellig suggerieren die Texte Gewalt und
lassen sich auf einen einzigen Kerngedanken reduzieren: "Gebt
uns wieder einen Führer!"... Liest man etwa den Titel "Noreira"
rückwärts, wird flugs "Arier on" daraus - sinnistre
Wortklaubereien als Balsam für die rechte Seele...
Für Städte und Gemeinden sollte deshalb die Devise stets
lauten: Halle schließen, Saft abdrehen..."
Thomas Herget, "Völkisches Ejakulat", Klappe, Darmstadt
vom Januar 1993 "... den Punks galt "No Future" oder "Null
Bock" als Motto, den Skins dagegen "Joy", das inzwischen nur
noch "Oi" heißt..."
"Enterbte Erben", Der Spiegel vom 18.1.1993 "Und
ausgerechnet zwei Protagonisten der "antiautoritären Revolte"
stellen sich vor, daß ein paar beschwichtigende Worte von der
-7 4 -
Bühne einen Haufen Saulus Hools in Paulus Hools verwandeln
könnte, wie Fritz Rau sagen würde.
Leute, die an einen derart schlichten Bekehrungsmechanismus
glauben, stellen sich ein Böhse Onkelz Konzert offenbar vor wie
ein Adorno-Seminar (und selbst die - erinnert ihr euch noch? verliefen mitunter unplanmäßig)...
Klaus Walter "Pater Danny und die Prollhools" in "Konkret"
vom Januar 1993 "Den als Hass auf ungroovy Spielverderber
codierten Klassenhaß hat es in Frankfurt schon immer gegeben,
im Dance Sektor, wie im Punk (ich weiß, Klassenhass ist ein
großes Wort, aber viele Dance Aktivisten kommen von unten
und sind stolz auf ihren Aufstieg, vorbei an all den Studenten).
Man kann also den kommerziellen (und politischen) Erfolg der
Onkelz, ebenso wie den von Snap!, Väth und anderen als späte
kapitalistische Rache am linken Frankfurter Spielverderber
lesen."
Klaus Walter "das böhse Erbe der linken Onkelz" in Spex
vom Januar 1993 .....
-7 5 -
Kapitel 19
1994 "Das Rainbow Projekt"
Ich will keine garantie auf meinen morgen es ist mir
scheißegal, ob ihr mich liebt ich sehe meine lüge, ich bin nicht
blind geboren ich lerne aus meinen fehlern und mache daraus
ein lied ich frage nicht erst andere, was ich darf wenn ich an
etwas glaube, handle ich danach ich mache was ich will, wenn
es freude bringt ich will jemand sein, der sein schicksal selbst
bestimmt ich bin so wie ich bin wollt ihr euch beschwer´n ich
weiß ich bin ein bastard scheißegal, ob ihr mich liebt, ich hab
mich gern manchmal sag´ ich ja und meine nein manchmal bin
ich wirklich nett und mal ein schwein ja, man schafft sich nicht
nur freunde wenn man ausspricht, was man denkt ich brauch´
kein klopfen auf der schulter solang´ das feuer in mir brennt
manchmal befahre ich den weltraum meiner seele manchmal
muß ich leiden um zu spüren, daß ich lebe ich brauche keine
falschen freunde ich weiß am besten wer ich bin
("Ich bin wie ich bin", © Böhse Onkelz,
"Schwarzes Album",
Bellaphon Records, 1993)
Der Bellaphonvertrag lief zunächst vom 1.1.91 bis zum
31.12.92 und wurde danach bis zum 31.12.93 um ein Jahr
verlängert. Mit Abgabe der Masterbänder zu "schwarz" und
"weiß", war der Vertrag erfüllt und ab dem 1.1.94 waren die
Böhsen Onkelz erneut ohne Partner. Seit einer fetten
Nachzahlung, die Stephan der Firma im vergangenen September
abverlangt hatte, war die Stimmung zwischen den Onkelz und
Bellaphon gespannt. Durch den Verkauf der letzten 4
Veröffentlichungen, "W.h.n.l.n.g.", "Live in Vienna"
Platte und Video, "Heilige Lieder" und jetzt "schwarz" und
"weiß" hatte sich Bellaphon Records saniert. Die Böhsen Onkelz
-7 6 -
waren ihr meistverkaufter Act gewesen. Grund genug, für die
Frankfurter Plattenfirma schnell noch ein "Best of..." Album
herauszubringen, das Anfang ´94 als regulärer Sampler
erscheinen sollte. Die Böhsen Onkelz, obwohl sie gegen diese
Veröffentlichung waren, hatten keine rechtliche Handhabe, die
Herausgabe dieses Doppelalbums zu verhindern. Bellaphon, das
war deutlich geworden, würde diesen Sampler auf jeden Fall
rausbringen, mit oder ohne die Zustimmung der Band. Das
einzige, was sie in diesem Falle tun konnten, war darauf zu
achten, daß die Gestaltung des Covers ihren Wünschen
entsprach und daß die Aufnahmen von guter Qualität waren.
"Gehasst, verdammt, vergöttert... die letzten Jahre..." enthielt
nicht viel, was wirklich neu war. "Ich lieb mich", ein Demotrack
aus dem Jahre ´81 wurde bei Helmut Rüssmann neu abgemischt,
es gab zwei "saubere" Versionen von "Erinnerungen" und
"Mexiko" und 4 Bonus Tracks, die Stephan und Gonzo geremixed hatten. Das Cover, war von Ex-Middle-Class-FantasiesSänger Christoph Schnee entworfen worden. Christoph hatte
inzwischen eine gut gehende Werbeagentur im Westend und
stieg ab ´94 als Haus- und Hofgraphiker bei den Onkelz ein.
Vorne war ein Computer-Fraktal-Suchbild abgebildet, auf
dem man, wenn man stark genug schielte, den Namen Böhse
Onkelz lesen konnte, und im Booklet brachte die Band, über der
Figur einer "Justitia" mit Waage und verbundenen Augen, eine
Nachricht unter: "Die Wahrheit erschließt sich einem nicht auf
den ersten Blick.."
´93 - ´96 waren somit auch die Jahre, in denen sich die
Anwälte der Band ausgiebig mit den aus ihrer Sicht
vorliegenden Vertragsverletzungen der Firmen Rock´o´Rama,
Metal Enterprises und Bellaphon Records befaßten. Ab ´93/´94
sollte all das aufgearbeitet werden, was sich die Plattenfirmen
und die Medien während der Vergangenheit "im Namen der
Gerechtigkeit" geleistet hatten. Da Herbert Egoldt zunächst
nicht auffindbar und anscheinend zum großen Phantom der
-7 7 -
internationalen rechtsradikalen Musikszene geworden war,
fingen sie mit Metal Enterprises an. Ingo Nowotny hatte keine
Gelegenheit ausgelassen, die Böhsen Onkelz in den Schmutz zu
ziehen, ihre Distanzierungsversuche zunichte zu machen und auf
jede nur erdenkliche Art Profit aus dem Namen der Band zu
pressen. Angefangen bei seinen miserablen Samplern "6 für
Deutschland I+II". Wie der Name dieser Compilations schon
vermuten ließ, waren darauf nur die dumpfesten Prollbands
vertreten. Abgestandenes Glatzensurrogat, kein Kult. Natürlich
plazierte er auch ein paar Onkelzstücke auf "6 für Deutschland
II". Nowotny konnte nur auf das Material zurückgreifen, an dem
er die Rechte hielt. Also nur auf alte Songs von ´ 87-´90, von
"Onkelz wie wir" bis "Es ist soweit". Am 21.3.94 veröffentlichte
er einen weiteren Umsatzträger, der aus dem Namen "Böhse
Onkelz" Kapital schlagen sollte. "Könige für einen Tag" war
quasi eine "Best of..." CD, die nur Stücke aus der NowotnyPeriode enthielt und die besonders durch eine Covergestaltung
unangenehm auffiel, die aus der Sicht der Band und zahlreicher
anderer Betrachter, einen nationalistischen Eindruck vermittelte.
Das Booklet war braun mit Goldrand, in der Mitte war ein
schwarzer Adler abgebildet und darüber in altdeutscher Schrift
der Name "Böhse Onkelz" und der Titel "Könige für einen Tag".
Ingo Nowotny wurde wegen dieser Covergestaltung von den
Anwälten der Onkelz abgemahnt, eine strafbewehrte
Unterlassungserklärung abzugeben, weil die Onkelz mit dieser
Gestaltung wegen des damit aus ihrer Sicht verbundenen
nationalistischen Eindrucks, nicht einverstanden waren.
Nowotny weigerte sich jedoch, eine solche Erklärung
abzugeben. Die Onkelz schalteten daraufhin die Gerichte ein.
Ihrem Antrag wurde stattgegeben. Das Landgericht Hamburg
verbot Nowotny im Wege einer einstweiligen Verfügung, den
Tonträger "Könige für einen Tag"
weiterhin zu verbreiten.
-7 8 -
Kapitel 20
1995 "Die Elvis-Falle"
Auf einmal mögt ihr uns wie kann das sein gepusht wird was
verkauft schließt das uns ein gestern noch verschwiegen heute
auf´m cover morgen mama´s liebling futter für die gaffer du bist
nicht wie ich wie kannst du für mich reden du weißt nicht wie
ich denke ich leb´ mein eigenes leben du weißt nicht wo ich
herkomm selbst wenn du es weißt du weißt nicht was es heißt
ich zu sein komm sag mir was ich meine komm sag mir wer ich
bin analysier mich, finde nichts und bleib ein dummes kind wir
sind noch lange, noch lange keine freunde wir sind noch lange
nicht so weit danke für nichts du hilfst mir dich zu hassen danke
für nichts, danke für nichts ändert euren namen sagst du ändere
deinen nur weil du alles besser weißt fang ich nicht an zu
schleimen nichts würde sich ändern nicht in tagen nicht in
jahren die wahrheit ist in dir und nicht in deinem namen
("Danke für nichts", © Böhse Onkelz,
"Hier sind die Onkelz" LP,
Onkelz Productions licensed to Virgin Records, 1995)
Erfolg lähmte die Rebellion. Erfolg machte satt und ein satter
Bauch rebellierte nicht gern. Ohne Hunger keine Wut. Seit ´92
klingelte es in der Onkelzkasse.
Es wäre gelogen, wenn jemand behauptete, daß sie den Erfolg
nicht genossen. Es wurde schwer konsumiert, aber dennoch
mußte erwähnt werden, daß sie viele Leute an ihrem Glück
teilhaben ließen. Sie waren nie geizig. Stephan gab gerne. Nicht
nur bezahlte er Pias Studium der Tiermedizin, er versorgte auch
seine Mutter, seine Schwestern und sogar seinen Vater, als
dessen Geschäfte mehr und mehr den Bach runtergingen.
Stephan fühlte sich permanent für seine Umgebung
verantwortlich. Viele Jobs im B.O.
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Management wurden von Freunden erledigt. Während Pe,
Gonzo und Kevin sich mit weniger zufrieden gaben und ein
abgesichertes Leben in getrennten Freundeskreisen lebten,
vollführte Stephan Weidner einen schwindeligen Drahtseilakt
zwischen Aufruhr, Wut, Einsicht, Luxus, Rock und Rebellion.
Er fuhr einen Sportwagen und leistete sich die teuersten Dinge,
sprach dabei über Widerstand und Revolte und machte es den
Menschen in seiner Umgebung schwer, ihm noch zu vertrauen.
Trotzdem glaubten ihm die meisten, nicht weil sie belogen
werden wollten, sondern weil Stephan den Eindruck machte, als
wenn er wirklich wüßte, wovon er sprach. Im Ernstfall, und das
nahm ihm jeder ab, würde er wissen, worauf es ankäme, dann
würde er den Wagen stehenlassen, Zündschlüssel und alles,
dann würde er seinem Haus, seiner Stadt und seinem Land den
Rücken zukehren, ohne sich noch einmal umzudrehen. Das
Verständnis und die Einsicht würden ihn langsam aber sicher in
die Einsamkeit treiben, vorausgesetzt er würde auf den Ruhm
verzichten können. Weidner legte die moralische Meßlatte sehr
hoch. Er war angefüllt bis an den Rand mit seinen eigenen
Idealen. "Ich werde nicht lang genug in Deutschland bleiben, um
zu mutieren, mir wird Geld nicht den Charakter verderben..."
(Stephan in Break Out, März ´95) Glaubte man den Onkelz,
dann würden sie ihren Weg an die Spitze der deutschen
Hardrockszene gehen, kontrovers bis unter die Schuppen, und
würden dann, wenn sie ganz oben ständen, den Laden dicht
machen, vom Sockel steigen und sagen: "Leckt uns, das war´s!"
Das war die Mission, von Anfang an. Dagegen sein und den
Weg zu Ende gehen, als Beispiel und Vorbild der Ablehnung,
ohne sich parteipolitisch mißbrauchen zu lassen. Daß dieser
Weg eine Strategie war, wäre gelogen gewesen. Er ergab sich
mit jedem Schritt, den sie taten, er kam aus ihnen heraus, aus
dem Bauch. Auf dem Höhepunkt des Erfolges, auf der Spitze
des Berges anzugelangen und dann zufrieden die Koffer zu
packen, war ein Versprechen, daß 1995 noch nicht eingelöst
-8 0 -
war. Würden die Böhsen Onkelz eine Geschichte werden, mit
Anfang, Mittelteil und Ende, oder würden sie sich an den
traurigen Abstieg heranwagen, den Weg nach unten in eine von
Altersschwäche und Geldgier gezeichnete Mittelmäßigkeit? Wie
oft konnte man die Leistung vom Vorjahr noch überbieten?
Als die Onkelz in die Top Ten vorrückten, ließ man bei WOM
zunächst das enstprechende Feld im Regal frei. Stattdessen war
dort ein Schild angebracht: "Dieses Produkt wird von uns nicht
geführt!" Das hatte aber den nachteiligen Effekt, daß die
Kunden neugierig wurden und genau nach diesem Produkt
fragten. Daraufhin entschloß sich WOM, während dieser
Wochen die nachfolgenden Bands alle eine Postion aufrutschen
zu lassen. So war jedes Feld belegt und niemand störte sich
mehr daran. Die Onkelz standen, obwohl auf Platz 5 in den Top
Ten, bei WOM niemals in den Longplay-Charts.
Möglicherweise wußte das WOM-Management gar nicht, daß
man in ihren Filialen die Platten von Screwdriver und andere
Rock´O´Rama Produkte noch bis 1990 auf dem Kopfhörer
probehören konnte. Es gab auch Radiosendungen, die eineinhalb
Stunden lang über deutsche Bands und Musiker berichteten, die
den Sprung in die Top Ten geschafft hatten, ohne die Onkelz
mit einem Wort zu erwähnen.
Ich ich sitz´ nicht hier und schweige ich lebe nicht in angst ich
kann auch anders ich kann das was du nicht kannst ich trag mein
innerstes nach außen damit auch ihr es seht um euch zu zeigen
daß es anders geht ich laufe gegen mauern ich laß mich nicht
kontrollieren ich laß mich nicht benutzen und nicht von blinden
führ´n nichts bringt mich zum schweigen nicht wenn ich dazu
steh´ ich will mindestens die welt verändern bevor, bevor ich
geh´ ein abend mit mir setzt deinen geist in bewegung wie ein
vergifteter pfeil eine geistige blähung ich bin ein
antidepressivum depressionsdiät wenn ich euch nicht mehr
helfen kann ist´s sowieso, sowieso zu spät ich laufe gegen
mauern ich laß mich nicht kontrollier´n ich laß mich nicht
-8 1 -
verarschen und nicht von blinden führ´n ich kann eigenständig
denken ich zweifle nicht ihr steht im dunkeln und ich und ich
und ich im licht und ich im licht .....
-8 2 -
Kapitel 21
95/96 "Unter dem Auge des Gonz"
Du bezahlst für ihren segen für die angst vor dem tod dein
geld hält sie am leben gibt ihnen ihr täglich brot du hängs t an
ihren lippen und du glaubst daß du sie brauchst dann klammer´
dich an sie bis du verfaulst bis du verfaulst bis du verfaulst ich
scheiße auf die kirche ihren papst und seinen segen ich brauch
ihn nicht als krücke ich kann alleine leben falls du das nicht
kannst ja, falls du ihn brauchst dann werde mit ihm glücklich
doch zwing mir nicht deinen glauben auf zensur und moralismus
ist alles was sie bringt eine halbe erlösung der himmel stinkt und
du willst für sie sterben in ihrem namen für die kirche für ein
Amen ich pisse auf den papst und seine römische zentrale auf
den vatikan und seine sklaven ich glaube nicht an eure worte ich
bin doch nicht bekloppt denn wer keine angst vor´m teufel hat
braucht auch keinen gott
("Kirche", © Böhse Onkelz,
"E.I.N.S." CD, Onkelz
Productions licensed to Virgin Records, 1996)
"... Für mich repräsentiert die Kirche eher Machtgier,
geheucheltes Mitgefühl und Geldgeilheit als Gott und
Nächstenliebe. Ich rede hier nicht von Christen, die ihren
Glauben wirklich leben, sondern von einem Unternehmen mit
eigenem Staat. Der Papst ist der Verwalter dieser Firma, die
ideologisch längst bankrott ist. Die Kirche ist womöglich die
reichste und mächtigste Organisation unter unserem Himmel,
doch leider sehen Bedürftige nur einen verschwindend geringen
Bruchteil davon. Nur Moslems und Christen führten
Glaubenskriege.
Dabei ging es nicht nur darum, andere zu missionieren,
sondern um Territorien und Bodenschätze, kurz um Macht.
-8 3 -
Religion ist für mich nichts anderes als eine psychologische
Heilkur. Sie antwortet auf die Urängste der Menschheit.
Gerade in ländlichen Gebieten wird die Einfältigkeit, der
Aberglaube, die Schwäche der Menschen und ihre Angst vor
dem Tod auf das Übelste ausgenutzt. Wer glaubt, daß die Kirche
nur Gutes tut, hat sie nicht mehr alle.
Es liegt mir fern, Gläubige mit diesen Zeilen, oder meinem
Text beleidigen zu wollen, aber ich wähle in den meisten Fällen
solche krassen Worte, um auch deren Gehör zu erlangen, die auf
einem Ohr taub bzw. auf einem Auge blind sind. Wenn alle
Kirchengläubigen beginnen, vor ihrer eigenen Haustür zu
kehren, ihren Glauben zu hinterfragen, anstatt blind Götzen
anzubeten, fange ich an, meine Meinung zu ändern." (Stephan
Weidner über den Song "Kirche", aus B.O.S.C. Fanzine Nr.5,
´96/´97) Die Böhse Onkelz Deutschland -Tour mit der New
Yorker Band "Merauder" als Support, im Herbst des Jahres 1995
verlief nicht ohne größere Probleme. Die Presse hetzte in
Hamburg und in Stuttgart wurde Strafanzeige gegen die Band
erhoben, weil sie den "netten Mann" spielt en, trotz
ausdrücklichen Verbots. In Hannover drohte eine radikale linke
Gruppe, die sich "die rote Zora" nannte, mit einem
Bombenattentat und in Österreich fuhr Thomas Hess einem
seiner Securityjungs mit dem Gabelstapler über das Bein. Trotz
dieser Zwischenfälle, war es eine Tour, wie sie erfolgreicher für
die Böhsen Onkelz nicht hätte laufen können. Ausverkaufte
Häuser von Kiel bis Wien. Über 100.000 Fans sahen die Band in
mehr als 20 deutschen Städten. Die Polizei hielt sich im
Hintergrund
und nach den Konzerten blieb den
Hauptkommissaren meistens nichts anderes übrig, als Thomas
Hess für die hervorragende Zusammenarbeit zu danken.
Ausschreitungen gab es nicht und wenn es einmal Ärger gab,
dann mit 15- bis 20-jährigen Punks, wie in Kiel, die von ein paar
Polizisten in die Flucht geschlagen wurden. Scharmützel, die so
albern und geringfügig waren, daß noch nicht einmal die
-8 4 -
Tagespresse etwas Spannendes daraus machen konnte, außer:
"... Chaostage - Zoff in Hannover und große Angst in Kiel...
Flugblätter kündigen Randale an..."
(aus Dithmarscher Landeszeitung, 20.10.95) Große Angst?
Wohl kaum. Eher großes Fragezeichen. Die Flugblätter sahen so
aus, als wenn Sechstklässler sie vollgekritzelt hatten. "Böhse
Onkelz? Nö, die sollen sich nicht etablieren..."
stand da drauf.
Die Rock Hard Leser wählten die Böhsen Onkelz im Frühjahr
´96 mit Abstand zur "beliebtesten Band 1995" und Stephan
Weidner zur "Persönlichkeit des Jahres" hinter Ozzy Osbourne
auf Platz 2. "Hier sind die Onkelz" war das "viertbeste Album"
und Stephan war der zweite der "verehrtesten Musiker".
Außerdem landeten die Onkelz in der Sparte der "besten LiveBand" auf Platz zwei hinter Blind Guardian. Der Onkelzkult war
angesagter denn je. Was andere Bands an Glaubwürdigkeit
vermissen ließen, die beste Stimmung, die größte Party, war nun
bei den Onkelz zu finden. Es war zwar schon die ganze Zeit so
gewesen, aber 1995 war das Jahr, in dem es sich überall
herumsprach.
"Hier sind die Onkelz" stand im Sommer ´96 kurz vor der
Vergoldung und ein Open Air in Frankfurt Dietzenbach am
6.7.96, als Headliner zusammen mit Motörhead, Blind Guardian
und Pro Pain brachte ganze 14.000 Zuschauer auf die Beine.
.....
-8 5 -
Credits
Ich bedanke mich erstmal bei: meiner Familie für ein Leben
voller Liebe, Unterstützung und Rückhalt, bei Stephan Weidner
für eine Freundschaft ohnegleichen, bei Kevin Russel, Mathias
"Gonzo" Röhr und Pe Schorowsky für ihre Mitarbeit, ihr
Riesenvertrauen, für ihre Songs und dafür, daß wir uns immer
wieder gegenseitig die Augen geöffnet haben.
Außerdem bedanke ich mich bei meinen Freunden und bei
allen, die mir bei meiner Arbeit geholfen haben.
Bei Nadine Pause, Matthias Martinsohn, Markus HollmannLoges, Richard Elpers ganz besonders bei: Stephan Höschele,
Pauli Steinbach, Patrick Dechent und Yogi, aus der legendären
K17-WG und bei: Axel Glittenberg, Mo Sudmann, Martina
Hoffmann, Robert Deibele, Silke Friedebold, Tatjana Buljan,
Irene Fajardo, Hot Dog und Ökbert, Roderik, John Seydman,
Tom von "lick the frog", Joey und Michelle, Edie, Nicky, Brad,
Rusty + Elvis + Chico, Jason, Stephen und Brad von Ecotreks,
Peter Specks, Markus Löffel, Beatrice, Andy Peierl, Robert
Klanten, Henni, Ebel, Pia Comtesse, Anna Comtesse, Frau
Trimborn, Julie, Nika und Arian Beheshti, Danni Heidgen,
Thomas Hess, Hassmütz-Stefan, Boris Klitoris, Marc und Eric
Voss, Karl-Heinz Weidner, Gisela, Carmen und Moni Weidner,
Günther Meißburger, Frau Russell, Auge, Kid, Yvonne, Hofi,
Donald, Ariane, Söhnke, Mime und Mücke, Kuchen, Patrick
Orth, Mirco Beltz, Moses Pelham (me and mo on the go...),
Thomas H., Frank Beißwanger, Edgar Straub für astrologischen
Beistand, Pit, Bilke, Otto und Ines, David Kornowski, Daggi
(unbekannterweise), Christoph Schnee, Joern Zimmermann,
Michael Decker, Sven und allen Freunden aus der Kanzlei des
Grauens, Dr. Bernd Schmidt und Aimee, Alex Porschitz und
Amir, Ralf Hübers, Stefan Lechtaler, Hennes Wassermé,
B.O.Security,Tony, Michel, Schaffner, Mike, Bomber, Danni
Spreng, Norman Winter vom Body Styler, Familie Wendorff,
-8 6 -
Dag Lerner, Daniel Barsan, Thomas Munke, Sascha, Bettina,
Stefan Wagner und Mone, Wolfi Steingruber, Martin Broich,
Rheinhold Becker, Lars Bey, Jens Brunholz, Jörn Schreiber,
Mareile und Silke, Thilo, Maren Winter, Heike Rehker, Stella,
Iris, Nicole Belsler, Sven Väth, Patzi, Jenny, Sue, Faridah,
Tamara, Angela, Denise, Sybille, Micki, Mike Maurice, Virna,
Michi, Tania, Jane, Xavier Fux, Andi, Susi und Fabienne,
Thomas Koch, Felix Houzer, Araba, Lollo, Tamara und
Francesco, Pino, der andere Pino, Nadja, Conny, Markus
Büttner, Dorian, Maureen, Hamlet, Björn, Lea, Milly, Martin
Wagner, Daniel Beck, Percy, Olli, Jörg Keller, Punk, Boris
Dechent, Christian v. Seydlitz-Kurzbach, Katsche, Achim von
Pit Bull, Mader, Stefan Österreich, Eva Schnitzler, Ralf
Hildenbeutel, Ute, Mischka Iljine-Lund und Stammi, Robert
Zakich, Kerstin Greiner, Henry und Saskia, Florian Böhm,
Helge Tscharn, Puschkin und Mathias Hoffmann, Luca und
Niccole Anzilotti, Alex Azary, DJ Atta, Yves, Fitti, Micha
Eurich, Kai Sehr, Nina, Guiliette, Almut, Alvin und Familie
Bubendorfer, Arno Wiedefeld, Hulk, DJ Special, Claire, Anja
von Viva (trotzdem), Monika Kruse, Lars Langer, Carsten
Weinrich, Harry Gunz und Pauli Gruber (sorry, daß ich einfach
so verschwunden bin), Mike Schraft und Stephan Scheler (cool,
sehr, sehr), Tim und Sven, Jürgen Wolf, Holgi, Andrea und
Homeboycrew (nach all den Jahren) und ganz besonders bei den
Onkelzfans, aber bestimmt nicht bei allen!
Aus der Mitte kommt die Kraft, ihr Deppen.
Außerdem bei Lopez und Doerner für Inspiration und
Oceanknowledge bei Axel und Marc für die "Fahrt im Bus", den
"Vossfaktor" und die "Theorie des Herbeilaberns" - Tavarua ´98
Bei Klaus "Holzweg" Walter für lustige Presseartikel und bei all
denen, die ich vergessen habe...
"Es war nicht alles Gold was glänzte, und es wird nicht alles
Pech sein was schwarz scheint,"
RESPEKT, Mach´s gut Alder - Alder , mach´s gut!!
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